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Misfits: Herzkönig

{boyxboy}
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sooo~ Einige Leser haben ja schon angemerkt, dass die Kapitel bitte länger werden könnten. Ich habe einige Kapitel schon vorgeschrieben und dachte mir, ich packe die nächsten Beiden einfach zusammen und veröffentliche sie als EIN Kapitel. Viel Spaß beim Lesen :D Komplett anzeigen

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Aber Gaara

Der Bauernhof, auf der die Hundehilfe lag, befand sich weit außerhalb von Berlin und Noah, Hannah und ich wurden von Hannahs Freund hingefahren. Dennis war kleiner als Hannah, mit kurzen, braunen Haaren und spitzem Gesicht. Ehrlich gesagt, fand ich ihn nicht besonders gut aussehend, aber, wenn er Hannah ansah, strahlten seine Augen und, wenn sie ihn ansah, strahlten ihren, deswegen waren sie tatsächlich das perfekte Paar. Dennis' Wagen war ein tiefergelegtes Auto mit einem Monsterbass im Kofferraum aus dem harter Techno dröhnte. Für meinen Geschmack war ich viel zu früh wach. Meine Stirn klebte an der kühlen Scheibe, ich beobachtete wie der letzte Schnee auf den Bäumen schmolz, während wir immer tiefer in die Pampa fuhren. Ich hatte geplant auf der zweistündigen Hinfahrt zu schlafen, stattdessen bekam ich von der lauten Musik Kopfschmerzen und meine Augen brannten vor Müdigkeit.
 

Bis tief in die Nacht hatte ich mit Gaara telefoniert – mal wieder. Nach meiner SMS hatte Gaara einige Gänge herunter geschaltet, wir schrieben auf freundschaftlicher Basis weiter und er erzählte mir, was für ein Krampf es gewesen war, das Haus wieder aufzuräumen. Tatsächlich hatten er und Kaito, der Einzige, der sich dazu bereit erklärt hatte zu helfen, fast drei Tage gebraucht bis alles wieder so aussah wie vor der Party. Trotzdem schwor Gaara den besten 18. Geburtstag gehabt zu haben und plante bereits die nächste Party. Zu welchem Anlass auch immer. Vermutlich zu gar keinem. Als ich ihm erzählte, dass mein bester Freund in den Osterferien nach Berlin kommen würde, versprach Gaara in den Ferien eine Party zu schmeißen, damit alle Simon kennen lernen konnten.
 

Einerseits hatte ich riesige Lust auf eine weitere große Party, vor allem mit Simon, doch andererseits hatte ich Angst, dass Gaara wieder mit mir rummachen würden. Irgendwo wollte ich es ja und mir gefiel der Gedanke, dass er auf mich stand, trotzdem hatte ich Angst vor diesem Neuland. Es war mal wieder oder eher gesagt immer noch kompliziert in meinem Leben und in meiner Gefühlswelt und ich wusste nicht, ob meine Freundschaft zu Gaara gut war oder nicht. Fakt war, dass wir uns absolut auf einer Wellenlänge befanden. Im ersten Moment alberten wir miteinander rum und gaben niveaulose und dumme Sprüche ab und im nächsten Moment führten wir eine Diskussion über Politik oder Physik. In den letzten zwei Wochen hatte ich Gaara ein wenig näher kennen gelernt und mein Eindruck so weit war: Er war gutaussehend, intelligent, hörte gute Musik, war mehr als nur diskussionsfähig, dickköpfig und besaß einen hervorragenden Humor. Außerdem war er rechthaberisch. Etwas, was mich ein wenig nervte, aber Kaito versicherte mir, dass man lernt damit umzugehen.
 

Kaito... auch ihn lernte ich näher kennen, was gar nicht anders möglich war, denn er und Gaara gehörten zusammen wie Zwillinge. In manchen Situationen erinnerten sie mich an Simon und mich und dann schmerzte es, dass mein bester Freund so weit weg lebte. Mittlerweile verstand ich mich besser mit Kaito – und mit Samantha und Noah blendend. Noah schien nun wieder vollkommen glücklich mit Fynn zusammen zu sein und von Sam erfuhr ich, dass sie noch nie eine Beziehung hatte, weil sie „keinen Bock darauf hat“.
 

Für den bekotzten Blumentopf machte Gaara weiterhin Schifti verantwortlich. In der Schule erzählte Gaara es zu allem Übel auch noch herum und nun dachte jeder Schifti hätte Gaara in den Blumentopf gekotzt und der konnte es nicht einmal abstreiten, weil er sich nicht mehr komplett an den Abend erinnern konnte. Mir war die Sache ziemlich peinlich, deswegen erzählte ich niemandem die Wahrheit und Kaito versprach mir Stillschweigen zu bewahren, auch wenn es ihm schwer viel nicht laut los zu lachen, sobald das Thema angesprochen wurde.
 

Mum und Alex war aufgefallen, dass ich viel mehr am Handy hing und ebenfalls mehr wegging, denn ich hatte mich in den letzten zweit Wochen vier Mal mit Noah getroffen. Beim ersten Mal, um die ganze Sache mit Gaara zu klären. Ich log so gut ich konnte und behauptete von Gaara absolut nichts zu wollen. Zwar machte Noah nicht den Eindruck mir zu glauben, doch schwor er mir nie wieder über meine Gefühle zu reden bevor er nicht zu hundert Prozent wusste, dass sie stimmten und, dass er darüber reden durfte. Die anderen drei Mal zockten wir zusammen, sprachen über dies und das, kuschelten mit Batman – Noahs Katzenbaby, das er am Tag nach Gaaras Geburtstag geschenkt bekommen hatte, und waren in der Stadt unterwegs. Jedoch nicht lange, denn es wehte noch immer ein eiskalter Wind.
 

Auch heute hatte ich mich warm angezogen und als wir endlich nach zwei Stunden Techno ausstiegen und Hannah ihren Freund mit Küssen verabschiedete, dachte ich, ich müsste erfrieren. Auf dem Land war es ja noch kälter. Ich schlang meine Arme um meinen zitternden Körper und wandte mich Noah zu, der mal wieder SMS am Schreiben war. Seine Finger glitten so schnell über den Display, dass einem vom Zuschauen schwindelig werden könnte. Endlich fuhr Dennis fort und Hannah drehte sich mit geröteten Wangen und glücklich strahlend zu uns.
 

„Er holt uns auch wieder ab“, sagte sie. „Dennis ist einfach -“

„Schon gut!“, unterbrach ich sie etwas grob, was mir auch sogleich leid tat, doch ich konnte ihre Schwärmereien langsam nicht mehr ertragen. „Können wir zu den Hundebabys?“

„Ja, tut mir leid, ich weiß ich kann etwas nervig sein“, gab Hannah betreten zu und Noah lachte auf.

„Etwas? Du meinst etwas sehr!“, sagte er und streckte ihr im Scherz die Zunge raus. Sie boxte ihm nicht unsanft gegen die Schulter und meinte: „Es ist übrigens unhöflich bei einem Ausflug ständig am Handy zu hängen!“

„Aber Fynn“, setzte Noah zum schwachen Protest an.

„Nichts aber niemand, pack's weg“, verlangte Hannah und starrte Noah solange an bis er sein Handy tatsächlich in der Jackentasche verstaute. Über die Konversation hinweg lachte ich leise. Meine Finger zuckten ebenfalls immer in Richtung meines Handys, aber ich nahm mir Hannahs Worte zu Herzen. Ich könnte genauso argumentieren wie Noah, nur mit „Aber Gaara“ und das stimmte mich nachdenklich. Wie lange konnte ich die Auseinandersetzung mit meinen Gefühlen noch vor mir herschieben?
 

Auf kurzem Abstand folgte ich den Beiden auf einen großen Bauernhof, der ein wenig verlassen wirkte, da alle Tiere in ihren Ställen waren. Nur auf der Weide standen ein paar Kühe herum, die grasten. Wir gingen um einen großes Gebäude herum, aus dem es streng roch und gelangten auf einen großen Innenhof, der um einiges belebter war. Eine Gruppe kleiner Kinder spielten Fußball, gemeinsam mit einem Schäferhund, der bei jedem Schuss dem Ball nachjagte. Andere Hunde tollten mit Kindern und Erwachsenen und eine freundlich ausschauende Frau mit breitem Gesicht und kleinem Körper winkte uns lächelnd zu.
 

„Hallo Noah, Hannah!“ Sie breitete die Arme aus und drückte die Beiden nacheinander. „Und wen habt ihr da mitgebracht?“

„Das ist Lukas“, stellte Noah mich vor und die Frau streckte mir die Hand entgegen. Ich ergriff und während wir uns die Hände schüttelten, stellte sie sich als Anna vor. Anna war Leiterin der Hundehilfe und brachte uns sofort ins Gebäude hinein, wo im Eingangsbereich ein breiter Schreibtisch stand. Ein junger Mann saß dahinter am Computer und stellte mir ein paar Fragen zu meiner bisherigen Erfahrung mit Hunden. Scheinbar nahmen sie das Ganze nicht allzu streng, denn ich durfte sofort zu den Tieren.
 

„Wenn du einen kaufen willst, ist das etwas anderes“, erklärte mir Anna, während wir in den hinteren Bereich des Gebäudes gingen, in dem ein lauter Krach aus Bellen und Jaulen herrschte. „Dann schauen wir da schon viel strenger auf deine Lebenssituation, deinen Charakter, deine Wohnart, aber, wenn du hier nur aushelfen möchtest, ist das gar kein Problem.“

Sie öffnete eine große Tür und der Krach nahm ohrenbetäubende Ausmaße an. Tatsächlich hatte ich so etwas wie Zwinger erwartet, doch die Hunde befanden sich viel mehr in Pferchen, die richtig groß waren und ausgestattet mit einem Haufen Spielzeug, Decken und Kissen und einer Hundetür, durch die sie jederzeit raus und rein konnte. Viele Hunde liefen außerhalb der Pferche herum. Ich sah wie ein Golden Retriever von seinem Schlafplatz aufsprang, durch die Tür rannte und Schwanzwedelnd Noah begrüßte, der ihn sofort auf Knien herzte und drückte. Auch Hannah wurde von einigen Hunden begrüßt, die sie bereits kannte.
 

Ich wurde von einem Border Collie begrüßt, der mir glücklich am Bein hoch sprang. Anna musste mir ansehen, dass ich nicht ganz wusste, was ich tun sollte, denn sie nahm den Hund am Halsband von mir weg und zog einen kleinen Ball aus ihrer Hosentasche hervor, den er sofort in seine Schnauze nahm und damit glücklich herum hüpfte.

„Ich wollte euch unseren neuen Wurf zeigen“, sagte Anna laut über den Lärm hinweg. „Esther hat ihre Babys bekommen.“

„Ja!“ Noah klatschte freudig in die Hände und folgte Anna als Erster. Sie führte uns an den Pferchen vorbei durch eine weitere Tür, durch die man in einen Zwischengang gelangte. Ein Spitz schlüpfte mit durch den Spalt und wir brauchten eine Weile bis wir es schafften ihn wieder raus zu werfen, ohne, dass andere Hunde uns folgten. Endlich waren wir im kurzen Gang alleine und gingen durch die gegenüberliegende Tür, die in einen kleineren Raum führte, in dem ein niedriger Zaun gespannt war.
 

In der Mitte lag eine große Mischlingsdame und betrachtete stolz sieben Welpen, die herum tapsten. Noah und Hannah entfuhr gleichzeitig ein langgezogenes „Ooooh“ und ich musste mir auf die Zunge beißen, um es ihnen nicht gleich zu tun. Alle Welpen hatten lange Schnauzen und dunkle, große Augen, doch jeder hatte ein anders geflecktes Fell. Wie die Mutter hatte jedes Welpen Brauntöne, Schwarztöne und Weißtöne in der Fellfarbe, doch variierten die Muster. Anna stieg über den Zaun und näherte sich einem Welpen, um zu schauen, wie Esther reagierten, doch die blieb seelenruhig liegen und wedelte sogar mit dem Schwanz.
 

Vorsichtig durften wir nun ebenfalls über den Zaun steigen. Ich hatte ein wenig Angst, dass Esther auffahren würde, wenn wir uns ihren Babys näherten, doch sie blieb vollkommen entspannt und vertraute uns. Noah hatte bereits einen Welpen zwischen den Händen und streichelte ihn vorsichtig, während er aus seinen „Ooooh“s nicht mehr herauskam.

„Esther ist so ruhig“, stellte Anna kopfschüttelnd fest. „Auch bei der Geburt war sie total entspannt. Sie wird nur unruhig, wenn wir eines ihrer Welpen mit raus nehmen, um es zu untersuchen, dann läuft sie immer im Kreis und knurrt ein wenig, aber sie hat noch nie jemanden angegriffen oder so etwas.“

Ich streichelte einem Welpen vorsichtig über den Kopf, traute mich jedoch nicht ihn richtig anzufassen. Wir saßen alle Vier auf dem Boden und Hannah hatte ein Baby auf ihrem Schoß liegen, wo er über ihre Finger leckte und ein wenig daran nagte. Hannah kicherte und erkundigte sich nach den Namen.
 

„Die Kleine auf deinem Schoß heißt Lilo wegen ihrem schwarzen Kopf. Und Noah, die beiden Welpen bei dir heißen Micky und Taro. Die Zwei dort sind Rena und Bonie, dort drüben tapst Neil herum und der Kleine dahinten in der Ecke heißt Joker.“

„Was macht er dahinten in der Ecke?“, fragte Hannah. Ich schaute auf und erkannte Joker, der so weit weg wie möglich von uns war. Eine Seite seines Gesichts war dunkelbraun und schwarz, die andere Seite weiß und hellbraun. Er legte den Kopf ein wenig schief, doch schien er zu ängstlich zu sein, um näher zu kommen. Ich drehte mich ihm ein wenig zu und klopfte mit den Fingern auf den Boden, doch Joker rührte sich nicht. Stattdessen nagte Bonie ein wenig an meiner Hose und ich begann ihr hinter den schlaffen Ohren zu kraulen.
 

„Joker ist ziemlich ängstlich, wir wissen nicht wieso“, erklärte Anna. „Ist wohl eine Laune der Natur. Er traut sich auch nicht richtig mit seinen Geschwistern zu spielen und vor uns Menschen hat er total Angst. Manchmal schaut er neugierig, aber er kommt nie rüber und, wenn wir ihm zu nahe kommen, fängt er an zu fiepen. Kommen wir ihm weiter zu nahe, steht Esther auf und schiebt sich dazwischen, deswegen lassen wir ihn lieber. Wir hoffen nur, dass sich das bald ändert, bevor er sich daran gewöhnt, dann wird es schwierig ihn zu verkaufen.“

Während ihrer gesamten Erklärung hatte ich Anna angeschaut, erst als ich merkte, wie mir ein Welpe an den Fingern leckte, schaute ich runter und erkannte zur allgemeinen Überraschung Joker.
 

„Was hast du gerade gesagt, Anna?“, lachte Noah und deutete auf den Kleinen, der sich nun zwischen meine Beine legte. „Ich glaube Lukas ist vertrauenswürdiger als der Rest von uns!“

Ich kam nicht mehr als dem Lächeln heraus und stellte fest, wie überragend das Selbstwertgefühl gesteigert wurde, wenn ein Welpe, der vor allen Angst hat, ausgerechnet dir vertraut.
 

„Der ist wirklich süß“, stellte Gaara fest und nahm mir mein Handy aus der Hand. Auf dem Foto hatte Joker den Kopf ein wenig schief gelegt und die noch schlappen Ohren nach vorne geklappt, was besonders niedlich aussah. „Willst du ihn adoptieren?“

„Ich weiß gar nicht, ob ich darf“, sagte ich und verstaute das Handy wieder in meiner Hosentasche. Bisher hatte ich mich nicht getraut Mum nach der Erlaubnis zu fragen, denn ich hatte Angst vor der Antwort. Je öfter ich Joker besuchen fuhr, desto mehr wollte ich ihn haben, doch ich wusste um unsere finanzielle Lage und ein Hund würde teuer werden.
 

„Frag halt. Du kannst dir ja einen Nebenjob suchen und mit dem Geld sein Essen, Spielzeug und was weiß ich nicht alles, kaufen“, schlug Gaara Schulterzuckend vor und dabei berührte er mit seiner Haut meine, was ein süßliches, heißes Gefühl hinterließ. Wir saßen nebeneinander auf einer der Couchs im Aufenthaltsraum und unsere Schultern berührten sich ständig, ebenso wie unsere Beine und ich konnte unmöglich verleugnen, dass ich ihn noch mehr berühren wollte.
 

Gaara hatte seine Füße auf dem kleinen Tisch abgelegt und Kaito saß uns gegenüber auf dem Boden und kritzelte sich gestresst einen Spickzettel. Nach der Mittagspause wird er einen Kurztest in Informatik schreiben und, obwohl er dies bereits seit einer Woche wusste, kümmerte er sich jetzt erst darum wenigstens irgendetwas über das Thema zu wissen. Ich schaute zu, wie er die Notizen von einem Mädchen aus seinem Kurs durchging und daraus die wichtigsten Informationen auf den winzigen Zettel quetschte. Mir ging einfach nicht in den Kopf, warum er nicht in seinen Freistunden für den Test gelernt hatte, schließlich hatten wir davon mehr als genug.
 

„Du hättest lernen sollen“, murmelte ich als Kaito den Zettel voll geschrieben hatte, doch noch lange nicht alle Informationen drauf waren. Genervt schaute er mich an. Vor zwei Tagen hatte er sich wieder die Haare abrasiert, nun konnte man die weiße Narbe wieder perfekt erkennen, die sich von seiner Stirn bis auf seinen Kopf schlängelte und hinter seinem rechten Ohr klemmte eine Zigarette. Genauso, wie ich ihn zum ersten Mal in Physik gesehen hatte.

„Wenn ich Zeit gehabt hätte“, knurrte Kaito.

„Hattest du doch, in den Freistunden -“

„Lukas.“ Gaara unterbrach mich mit sanfter Stimme und legte eine Hand auf meinen Oberschenkel, was mich völlig durcheinander brachte. „Lass gut sein.“
 

Dies war der Moment in dem mir bewusst wurde, dass ich Kaito und Gaara nicht so gut kannte wie es mir lieb wäre, doch ich wollte nicht weiter nachfragen. Kaito sah so schon sauer genug aus, etwas, was ich gar nicht von ihm kannte. Er kam immer so gut gelaunt und gelassen rüber.

„Was schreibt der Sack auch jetzt schon einen Test“, grummelte Kaito vor sich hin. „Wir haben grade mal vor... nem Monat unser Halbjahreszeugnis bekommen.“

„Ja, aber echt ey, was fällt dem ein“, sagte Gaara mit einem breiten Grinsen und gehauchtem Sarkasmus. Kaito blickte für einen Moment von seinem Spickzettel auf, um seinem besten Freund das Lächeln zu erwidern, dann wollte er sich erneut mit Schreiben beschäftigen, wurde jedoch von einer Tasche unterbrochen, die nur Zentimeter an seinem Kopf vorbei flog und laut auf der Couch hinter Kaito landete.
 

Mit einem genervten Laut ließ sich Sam auf die Couch fallen und knallte ihren Ordner hörbar auf den Tisch. Noah und Schifti waren mit Sam in den Aufenthaltsraum gekommen und ein paar erschrockene Schüler, die in anderen Sitzecken saßen, wandten sich nach dem Lärm um.

„Ich bin gespannt auf diese Story“, sagte Schifti laut und setzte sich neben das Mädchen, die die Augen verdrehte. Noah ließ sich auf die Armlehne neben mir nieder und erklärte zu uns dumpf: „Sam dachte es wäre eine gute Idee mit dem Fahrrad zu fahren.“

„Was heißt hier bitte schön ich DACHTE das wäre eine gute Idee?!“, empörte sich Sam. „In...“ Sie drehte sich nach der Uhr um, die direkt über der Tür hing. „...sieben Minuten beginnt der Unterricht und wäre ich nicht mit dem Fahrrad gefahren, wäre ich zu spät gekommen.“

„Gehst du normalerweise nicht zu Fuß?“, fragte ich.

„Ja, Bambi, zu Fuß brauche ich ungefähr zwanzig Minuten, aber bei uns war so ein Chaos zu Hause, dass ich zu spät auf die Uhr geschaut habe und mit dem Fahrrad fahren musste und das war ein Fehler wegen diesen behinderten, kleinen Pisskindern.“

„Und genau auf diese Story bin ich gespannt“, sagte Schifti und faltete seine Hände zu einem Tipi.
 

Sam brachte sich in eine aufrechte Position und begann immer noch aufgebraucht an zu erzählen: „Ich fahr also mit ungefähr 50 Stundenkilometer durch die Straße und da sehe ich so eine zwölfjährige, pinktragende Vielleicht-Schlampe am Straßenrand stehen. Als ich etwa einen Zentimeter vor ihr bin, rennt die einfach rückwärts auf die Straße. Ich mache ne Vollbremsung und fliege voll runter, lande aber fast im Ninja-Style auf den Füßen, stoße mir den großen Zeh am Bordstein und meine Tasche fliegt durch ganz Berlin. Also: Zeh gestoßen, Fahrrad demoliert, die Tasche am anderen Ende von Berlin und ach ja: Zeh gestoßen! Jedenfalls gucke ich diese asoziale, Twilight-geschädigte, Wendy lesende Pferde-Bitch an und anstatt sich zu entschuldigen oder loszuheulen oder zu sterben wie ein höflicher Mensch es tun würde, guckt die mich kackendreist an, macht das Peace-Zeichen und sagt mit einem Pferdefressengrinsen: 'Yolo.'“
 

Selbst Kaito musste seine Arbeit unterbrechen, weil er vor Lachen kein ordentliches Wort mehr schreiben konnte.

„Geil. Wenn du dich aufregst, bringst du immer die besten Storys“, lachte Schifti und schlug in die Hände. Auch Sam musste grinsen, regte sich jedoch nun mehr gespielt weiterhin auf: „Ich glaube ich bilde so eine Partei, die sich gegen Klimaerwärmung, Ganztagsschulen und Yolo – Pisskindern einsetzt. Und die Gangstas mit ihrem Swag müssen ebenfalls weg. Die werden alle zusammengetrieben und erschossen und die Partei nenne ich dann Yolocaust. Im Herbst ist die Wahl, wer ist dabei?“
 

Sofort meldeten wir uns alle Vier, hörten jedoch noch nicht auf zu lachen. Als es zur nächsten Stunde klingelte und wir gemeinsam aufstanden, fragte Sam in die Runde, was denn jetzt mit Kino am Wochenende wäre und ich merkte wie mir die Freude erstarb. Von irgendeinem Kinobesuch hatte mir niemand etwas erzählt... aber wieso war ich darüber enttäuscht? Schließlich gehörte ich nicht wirklich in diese Clique. Ich war eher... ein Schulkamerad.
 

„Ach richtig!“, sagte Noah und stupste mir gegen die Schulter als ich an allen vorbei zu den Kunsträumen rauschen wollte. „Ich hab vergessen dich zu fragen, ob du mitkommen möchtest. Aber das Problem könnten wir so einfach lösen, wenn du dir ein Smartphone und WhatsApp zulegen würdest. Wir haben da nämlich eine Gruppe, in der wir Treffen ausmachen und miteinander Blödsinn schreiben.“

„Ah okay“, machte ich bloß und fühlte mich dumm, dass ich über eine Einladung zum Kino ein solches Drama machte. „In welchen Film wollt ihr denn?“

„In die Sneak“, antwortete Gaara.

„Was ist das?“

„In der Sneak kommt irgendein Film, du weißt erst welcher, wenn du im Kino sitzt und der Film anfängt. Aber es sind immer Filme, die erst in ein bis zwei Wochen in den Kinos kommen, deswegen hat man zumindest eine Auswahl“, erklärte mir Gaara. „Das Problem ist nur, dass man für die Sneak immer vorbestellen muss, die ist nämlich jedes Mal voll.“

„Genau, deswegen frage ich ja, wer jetzt alles mitkommen möchte“, sagte Sam und blickte mich an. „Wie ist es mit dir, Bambi?“

„Ja“, antwortete ich sofort.

„Super, ohne wissen zu wollen an welchem Tag, um wie viel Uhr und wie viel Geld es kostet“, sagte Sam grinsend und ich merkte wie ich scharlachrot anlief. Ich hatte doch nur direkt Ja gesagt, weil ich hier Freunde haben wollte...

„Solche Leute braucht das Land“, warf Schifti ein.

„Kommst du mit?“, fragte Sam und ehe Schifti 'Nein' antworten konnte, empörte sich Gaara mit: „Der kommt nirgends mehr mit, solange bis ich ihm wegen dem Blumentopf nicht mehr sauer bin.“
 

Kaito, der ein wenig abseits stand, weil er sich seinen Spickzettel noch mal durchlesen wollte, musste ein Lachen unterdrücken und ich war froh bereits knallrot zu sein, dann fiel es gar nicht auf, dass seltsamerweise immer ich beschämt war, wenn es um diesen bescheuerten Blumentopf ging.

Am Ende lief es nur auf Gaara, Kaito, Sam, Noah und mich hinaus und ich war mit dieser Zusammenstellung an Leuten sehr zufrieden. Wir machten noch aus, wie wir gemeinsam dorthin kamen und endeten damit, dass ich zu Gaara gehen würden, wir gemeinsam Kaito abholen und Sam und Noah direkt zum Kino fahren würden. Da ich nicht ganz genau wusste, wo Sam und Kaito wohnten, stellte ich diesen Plan nicht infrage.
 

Als der Tag gekommen war und an der U-Bahn-Station ausstieg, die Gaara mir genannt hatte, hatte ich keine Ahnung wie ich zu seinem Haus kommen sollte. Ziellos lief ich eine Weile in der Gegend herum, auf der Suche nach irgendetwas, an das ich mich erinnern konnte, bis ich mich dazu überwand Gaara anzurufen.

„Ich weiß nicht mehr, wo du wohnst“, sagte ich gedrückt als er abnahm und ich hörte, wie er auf der anderen Leitung anfing zu lachen.

„Wo bist du denn gerade?“
 

Ich nannte ihn einen Straßennamen und er führte mich durch das Viertel bis ich in der Unterführung landete, in der wir miteinander rumgemacht hatten. Bei dem Gedanken daran wurde mir ganz heiß und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Es hatte sich so gut angefühlt...

„Jetzt solltest du in der Unterführung sein, in der du mich sehr glücklich gemacht hast“, sagte Gaara nebensächlich und wollte mit seiner Erklärung fort fahren, doch mich ritt irgendetwas, was ich in der Sekunde darauf verfluchte, und sagte prompt: „Und hoffentlich wieder glücklich machen werde.“
 

Ich merkte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss und hätte am liebsten aufgelegt, das Handy weggeworfen und wäre nach Hause gerannt, aber dann stellte ich mir vor wie Gaara nun sein unvergleichliches Grinsen grinste. Wie er es so häufig mir gegenüber tat. Dieses verwegene, aber so gut aussehende Grinsen, das mich jedes Mal aufs Neue umhaute und ich konnte nicht anders als weiter zu gehen. Von hier aus kannte ich den Weg.
 

„Okay“, machte Gaara nur, doch anhand seines Tonfalls konnte ich erkennen wie ihm diese Aussage gefiel. Ich hatte ein wenig Angst, dass er sich nun andere Pläne ausdenken würde, dass er mit mir zusammen bei sich bleiben wollte, damit wir intimer wurden, aber Gaara stand abholbereit vor seiner Haustür und grinste. Für einen Moment hatte ich das Gefühl mich erklären zu müssen, doch Gaara ging nicht weiter auf meinen Kommentar ein, sondern umarmte mich zur Begrüßung und setzte dann zum Weg zu Kaito an. Schweigend folgte ich ihm.
 

Wir mussten erneut mit der U-Bahn fahren und stiegen in einem Viertel von Berlin aus, das mir so gar nicht gefallen wollte. Ich wusste, dass Kaito morgens lange bis zur Schule brauchte, weil er hier nicht zur Schule gehen wollte und dies verstand ich in dem Moment, in dem ich die heruntergekommenen Häuser sah. Überall standen volle Müllsäcke auf der Straße herum, Kinder fuhren uns beinahe mit alten Fahrrädern über den Haufen und ein altes Ehepaar stritt lauthals quer über die Straße.

„Ich habe zu viel zu tun, um dir zu helfen, Weib!“, brüllte der Mann aus dem Fenster, während sie unten die Straßen kehrte und wütend aufblickte gerade als wir an ihr vorbei huschten.

„Zu viel zu tun?! Du alter Säufer hast gar nichts zu tun außer du saufen!“, schrie sie. Ich versuchte die Beiden zu ignorieren und warf Gaara einen Blick aus großen Augen zu.
 

„Hier ist es furchtbar“, teilte ich ihm mit. Die Straßenlaternen waren bereits an, auch wenn die Sonne noch nicht untergegangen war und ein orangefarbenes Licht auf die Stadt warf.

„Nein, nachts ist es hier furchtbar“, entgegnete Gaara. „Jetzt ist es noch harmlos.“

„Warum wohnt Kaito hier?“, fragte ich. Gaara blieb vor einem Haus stehen, das eine graue Fassade hatte und klingelte im ersten Stockwerk. Auf meine Frage antwortete er nicht. Die Tür wurde aufgedrückt und ich zögerte einen Moment bevor ich hinein ging. Eigentlich wollte ich so schnell wie möglich wieder fort.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Onlyknow3
2014-01-07T17:20:15+00:00 07.01.2014 18:20
Das ist so schön zu sehen, das Lukas langsam mit der Situation mitwächst, sich ihr immer mehr stellt, so das er sich frei fühlt. Mach weiter so,freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Leviathena
2013-11-04T12:43:39+00:00 04.11.2013 13:43
Ah endlich komme ich wieder zum lesen! Mich freut Lukas lockeres Mundwerk bezüglich der Unterführung, ich hoffe zutiefst, dass seinen Worten Taten folgen werden xD so auf zum nächsten kapi :D
Von:  tenshi_90
2013-10-27T16:24:43+00:00 27.10.2013 17:24
Sehr schönes Kapitel :)

Bin mal gespannt, wann die beiden endlich über ihren Schatten springen und zu den aufkeimenden Gefühlen stehen ^^
Von:  Medieval
2013-10-27T15:25:45+00:00 27.10.2013 16:25
Super Kapi :D
Find es klasse das du daraus so ein langes gemacht hast ^^
Ich hoffe Lukas wird sich endlich seiner Gefühle klar
damit endlich das lang ersehnte Happy-End kommt! d >o< b
Ich würde aber auch gerne wissen was es so mit Kaito aufsich hat...
Freu mich schon auf das nächste Kapi ^^


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