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Verhasstes, geliebtes Erbe

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Bitte nicht allzu streng mit mir sein. Das ist meine erste Geschichte, die ich hier reinstelle ^^
Für Verbesserungsvorschläge bin ich immer offen und wünsche mir solche auch, damit ich besser werden kann. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Jetzt muss ich mich bei gleich zwei Leuten bedanken.
Einmal bei SayuriAsami, dass du mich vorm Verzweifeln bewahrt hast ^^
und dann noch bei Asmodina, dass auch du mir geholfen hast.
Ein ganz großes Danke Komplett anzeigen

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Der Vormittag war verregnet und trist.

Normalerweise kein so schönes Wetter, aber für die Beerdigung einer alten verbitterten Dame durchaus angepasst. Doch es war nicht irgendeine alte Dame, der heute die letzte Ehre erwiesen wurde. Es war Akiras Großmutter. Es waren viele Menschen gekommen, die seine Großmutter schon lange kannten, aber auch Leute, die Akira nicht kannte. Die meisten weinten und ihre Trauer war größten Teils echt. Akira konnte sie nicht betrauern. Er war eher gesagt froh über ihr Ableben.

Seit dem Tod seiner Eltern lebte er bei der alten Dame, die ihn von Tag zu Tag mehr vernachlässigte. Sie war sehr eigen, was ihr Sozialverhalten betraf. Mit Menschen konnte sie nichts anfangen, lebte in ihrer eigenen Welt. Es grenzte an ein Wunder, dass ihre Ehe überhaupt so lange gehalten hatte.

Es war nicht immer so schlimm mit ihr. In ihren jungen Jahren war sie sehr kontaktfreudig und hatte viele Freunde. Erst mit dem plötzlichen Tod ihres Vaters und dem Erbe änderte sich alles. Sie zog sich immer mehr zurück und blieb tagelang im Keller bei ihrem Erbanteil.
 

An allem war nur dieses Erbe schuld. Hierbei handelte es sich um eine Puppe oder eine Marionette. So genau wusste Akira es auch nicht. Er hatte es noch nie gesehen und er wollte es auch nicht. Nur eines wusste er: Ihr Name war Tsubaki und sie war der ganze Stolz seiner Großmutter.

Akira hasste Tsubaki.

Durch sie war seiner Großmutter alles gleichgültig geworden. Auch der Tod ihres Sohnes und seiner Frau, selbst ihr Enkel, der den schlimmen Autounfall überlebte, war ihr vollkommen egal gewesen. Ihre Ehe ist zerbrochen und Akira hatte es in der Schule sehr schwer gehabt. Zeitweise lebte er bei seinem besten Freund und seiner Familie. Doch da er nun einen Job hatte musste er sich was eigenes suchen.

Geklappt hatte es nicht, weshalb Akira zurück in die Villa seiner Großmutter zog.
 

Neben ihm tauchte seine Cousine auf und wuschelte ihm durch die dunkelroten Haare. Genau genommen war sie seine Tante. Sein Großvater hatte nach der Trennung seinen zweiten Frühling erlebt und mit einer jüngeren Frau eine Tochter bekommen. Sie war auch recht speziell und mit Vorsicht zu genießen.

„Du hast Tsubaki und die Villa geerbt. Du Glückspilz!“ Akira brummte nur vor sich hin. „Was ist Tsubaki eigentlich? Ich erbe was von dem ich noch nicht mal weiß, was es ist. Du kennst sie Hanabi.“

„Tsubaki ist die Marionette deines Urgroßvaters gewesen. Er hatte sie nach dem Tod seines jüngsten Sohnes und dem Selbstmord seiner Frau gemacht. Angeblich ist diese Marionette die letzte Ruhestätte der Seelen der Verstorbenen der Familie Harada. Da du der letzte direkte Nachfahre bist, kannst nur du das machen Akira!“ erklärte sie ihm mehr Unnötiges als Brauchbares. „Danke Tante, aber ich werde dieses Ding nicht behalten. Ich werde es an einen Sammler verkaufen.“

„Jetzt hör mir mal zu Freundchen! Erstens sollst du mich nicht Tante nennen und zweitens wirst du Tsubaki nicht verkaufen, es sei denn du möchtest jeden einzelnen Knochen in deinem Körper gebrochen bekommen und auf ewig leiden!“ Dabei hatte sie sein Handgelenk gegriffen und zugedrückt. Er konnte von Glück reden, dass er Linkshänder war und sie seine rechte Hand halb zerquetschte.
 

Akira war verdammt froh endlich im Auto zu sitzen und nach Hause zu fahren. Er konnte sich diese Beileidswünsche keine Sekunde länger anhören. Doch bevor er überhaupt ansatzweise heimkehren würde, fuhr er zu einem Arzt, der sich sein Handgelenk ansehen sollte. Es war angeschwollen, blau und die Schmerzen fühlten sich alles andere als gesund an.

Eine leichte Verstauchung wie sich herausstellte. Mit einem Verband verließ er die Praxis und fuhr auf direktem Wege zur Villa.
 

Mit einem Klacken öffnete Akira die Tür und wurde von seinem hungrigen Kater begrüßt. „Da bin ich wieder Manabu. Hast du mich vermisst?“ Der schwarze Kater schmiegte sich an sein Bein und schnurrte freudig. Akira lief in die Küche und stellte Manabu sein Futter hin. Dann lief er einmal quer durch die Villa ohne ein Ziel zu haben. Letzten Endes blieb er vor der Kellertür stehen. Noch nie in seinem Leben hatte er diesen Ort betreten. Die alte Holztür knarrte entsetzlich, als Akira sie öffnete. Ihm kam der muffig, modrige Kellergeruch entgegen, den er nicht mochte.

Er wusste, dass der Keller Fenster hatte. Immer wenn er im Garten war sah er sie hinter dem Gestrüpp vor der Hauswand.
 

Mit einer Hand an der Wand stieg er die Treppe hinab. Die Luft wurde zum Ende der Treppe hin auch noch staubig.

Der Keller war ein kleiner Gang mit lauter Regalen an den Wänden. Der gegenwärtige Inhalt war jede Menge Gerümpel, Kleider und vergilbte Bücher. Es waren auch mehrere Durchgänge in den Wänden, die in Nebenräume führten. Diese waren alle mehr oder weniger leer. Was Akira leicht seltsam vorkam war das Bett in einem Raum, das vor kurzem noch genutzt wurde.

„Sehr einladend.“ murmelte Akira alles andere als begeistert und blieb vor dem Raum stehen, der sogar abgeschlossen war. Es war ein alter schwerer Schlüssel, welcher sich nur schwer im Schloss umdrehen ließ.

Im Raum befanden sich jede Menge Ankleidepuppen. Jede war mit einem Kleidungsstück behangen. Inmitten dessen stand ein Stuhl. Akira erschrak. Auf den ersten Blick saß dort ein Mensch, doch der zweite Blick offenbarte die Wahrheit. Auf dem Stuhl saß eine lebensgroße Marionette mit langem schwarzen Haar. Sie trug ein kurzes weißes Kleid, welches ein gutes Stück über den Knien endete. Schuhe gab es dazu nicht. Akira wusste sofort wer es war.

„Tsubaki ...“
 

Akira war froh endlich aus dem Keller zu sein. In der Küche setzte er sich zunächst auf einen Stuhl und lehnte sich zurück. Dabei fiel ihm die Küchenuhr ins Auge. Drei Stunden hatte er sich Tsubaki angesehen und ihr gesagt, dass er sie verkaufen werde. Sie war eine hübsche Puppe, die in einem hervorragenden Zustand war und auch noch angekleidet werden konnte. Es gab bestimmt Sammler, die Interesse an so was hatten. Zudem gab es die verschiedensten Kleider für Tsubaki. Für jeden Anlass ließ sich was finden.

Manabu tapste auf dem kleinen Esstisch umher und verfolgte eine Fliege mit den Augen.

Da der Hunger sich nicht mehr ignorieren ließ, stand Akira auf und machte sich sein Abendbrot.

Schnell aß es seine Nudeln auf, stellte die Schale in die Spüle, wo sich noch mehr derselben stapelten. Auf dem Weg in sein Zimmer blieb er kurz bei seinem Kater stehen. Manabu fauchte die Kellertür an und machte sich möglichst groß. „Manabu im Keller sind bestimmt ein paar Mäuse für dich.“ sagte Akira zu dem Tier und öffnete die Holztür einen Spalt. Normalerweise liebte der schwarze Kater jeden Keller, doch heute sprang Manabu verschreckt davon und flüchtete in die erste Etage. „Dann eben nicht.“ stöhnte Akira genervt und folgte seinem Kater ins erste Stockwerk.

In seinem Zimmer streifte er sich nur noch seine Klamotten bis auf die Unterwäsche ab und zog sich ein weites Oberteil und eine kurze Hose an. Dann plumpste er nur noch ins Bett und schief ohne Umschweifen ein.

Akira wurde von den Sonnenstrahlen geweckt. Schlaftrunken richtete er sich auf und rieb sich die Augen. Langsam stand er auf und verschwand im Bad. Morgentoilette und Zähne putzen. Sein morgendlicher Ablauf war immer derselbe.

Gerade als er sich den Mund ausspülte hörte er die Kellertür im Erdgeschoss. Er hielt inne und sah sich um. Es konnte sich auch um Manabu handeln, der auch gerade erst wach wurde und in den Keller gelaufen war. Das kam bei seinem Kater des öfteren vor. Doch der schwarze Kater lugte durch die Badezimmertür und mauzte.

Verwundert trat Akira aus dem Bad und lauschte. Ein leises Geräusch konnte er vernehmen. Es klang wie das Schleifen eines größeren Gegenstands über den Boden.

Langsam und mit größter Vorsicht schlich er die Treppen hinunter und von dort aus weiter in die Küche.

Akira hielt inne und lauschte wieder. Nur ein flaches Atmen konnte er vernehmen. Egal wer diese Person war, sie musste etwas anstrengendes vollbracht haben.„Hallo? Ich weiß, dass hier jemand ist. Komm raus.“ befahl Akira ruhig.

Kurz war das Rascheln von Kleidung zu hören, was sofort wieder verstummte. Er lief um die Anrichte herum und blieb wie angewurzelt stehen.

Hinter der Anrichte kauerte ein junger Mensch, der sein Gesicht hinter den Knien versteckte und zitterte. Die langen Haare und das weiße Kleid ließen auf eine Frau schließen. Die Schienbeine und Unterarme waren pechschwarz. Auch das weiße Kleid war auf der Vorderseite schwarz. Akira hatte einen seltsamen Verdacht. Diese Person musste im Keller gewesen sein, aber dort war nur die Marionette.

Er musste nachgucken gehen. Kaum war er aus der Küche in den Keller verschwunden setzten wieder diese Schleifgeräusche ein.
 

Das Erste was Akira feststelle durfte, war die Tatsache, dass die hinterste Kellertür sperrangelweit offen stand. Dazu kam der staubfreie Bodenteil, welche sich aus dem Raum bis hin zur ersten Kellertür ganz oben am Ende der Treppe zog. Der hinterste Raum war so gesehen noch voll, doch der Stuhl war leer. Er durchsuchte jeden einzelnen Raum, stellte die Ankleidepuppen beiseite und suchte in jeder Nische. Fehlanzeige.
 

Akira rannte in die Küche und sah die zierliche Gestalt, die sich über den Boden schleifte. Erschöpft brach sie zusammen. „Tsubaki.“

Sie erschrak und richtete sich wieder auf. In ihrem Fall stützte sie sich auf ihre Unterarme und blickte ertappt zu ihm auf. Akira stellte sich vor sie und blickte sie hasserfüllt an. In Nachhinein war er selbst davon überrascht, dass er nicht panisch geworden wäre, weil eine vermeintliche Marionette plötzlich ein Eigenleben hatte und durch seine Küche kroch.

„Steh auf, pack deine Sachen und verschwinde von hier!“ befahl Akira mit eiskalter Stimme.

Die Augen seines Gegenübers weiteten sich vor Schreck. Sie schüttelte den Kopf.

Akira riss der Geduldsfaden und packte ihre langen Haare und zog sie zu sich nach oben. Er war sehr grob, was der Schmerzensschrei ihm bewies. Doch für eine Frau war dieser zu tief. Akira blickte eingehend die zierliche und stark zitternde Person an. Die flache Brust hätte ihm auch schon vorher auffallen können. „Ah ...! Bitte lassen Sie mich los. Ich ... nicht ... stehen.“ Das erschöpfte Zittern war besonders an den Beinen zu beobachten. Er ließ die langen Haare los und die Gestalt sang vollkommen erschöpft zu Boden. Dann hockte Akira sich vor sie. „Sag die Wahrheit. Wie heißt du, was tust du hier und vor allem was zur Hölle bist du?“

„Mein Schöpfer gab mit den Namen Tsubaki. Ich lebe hier schon sehr lange im Keller und bin eigentlich eine Marionette.“ Der Schwarzhaarige kniff die Augen zusammen und musterte ihn.

„Warum kriechst du hier lang und kneifst die Augen so zusammen?“ Die harte Strenge war aus seiner Stimme gewichen. Zwar war der strenge Unterton noch vorhanden, doch die Sorge war in den Vordergrund getreten. Tsubaki lächelte. „Meine Beine sind gelähmt, weshalb ich Ihnen den Gefallen nicht tun kann zu verschwinden und ich sehe kaum noch was richtig. Die Alte wollte nie, dass ich rede weshalb ich nichts sagen konnte. Mit wem hab ich die Ehre?“ Tsubaki schenkte seinem Gegenüber ein warmes freundliches Lächeln. „Akira! Ich bin der Enkel von der Alten.“ Sofort errötete der Schwarzhaarige und stammelte eine Entschuldigung. „Brauchst du nicht. Sie ist tot und jetzt lebe ich hier. Von dir wusste ich nichts.“ erklärte Akira und eigentlich wollte er es nicht sagen, doch es rutschte ihn so raus. „Ich wollte baden gehen und du scheinst auch eins nötig zu haben. Gehen wir zusammen?“ Tsubaki nickte scheu und reckte Akira seine Arme entgegen. Er versuchte den anderen so klarzumachen, dass es anders nicht ging.
 

Akira trug ihn hoch ins Badezimmer und setzte ihn auf den kleinen Schemel in der Nasszelle. „Zieh das Teil aus und dusch dich gründlich ab.“ Tsubaki zog sich zwar das Kleid aus, doch dann saß er einfach auf dem Schemel und war hilflos.

„Akira-sama ... ich weiß nicht wie das hier funktioniert. Können Sie ... mir bitte helfen?“

Der Rothaarige warf einen kurzen Blick zu ihm und musste schmunzeln. Tsubaki schaute den Duschkopf verwirrt an und hielt ihn sich genau vor die Augen. Akira machte sich einen Spaß daraus den Wasserhahn aufzudrehen. Der Schwarzhaarige kippte vor Schreck vom Schemel und warf den Duschkopf weg. “Nein Herrin hört bitte auf!“wimmerte Tsubaki ängstlich und hielt sich schützend den Kopf. Akira drehte das Wasser wieder ab und kniete sich vor die zierliche Gestalt. „Nein nein nein nein nein! Ich habe nichts getan, wofür ich gezüchtigt werden muss. Bitte ...“ Akira hockte ratlos vor dem Jüngeren und fischte nach einem Handtuch, das er Tsubaki umlegte. „Was hast du Tsubaki? Magst du Wasser nicht?“

„-Sama ... Akira-sama ... bitte verkauft mich nicht ... Ich habe keinen, der auf mich Acht gibt ... Ich verspreche auch Ihnen nicht zur Last zu fallen!“schniefte Tsubaki und blickte Akira unterwürfig an. „Wieso verkaufen?“

„Sie waren gestern bei mir unten im Keller und haben gesagt, dass Sie mich verkaufen werden. Tun Sie das bitte nicht ... Mein Schöpfer ...“ Seine Stimme versagte und seine Worte gingen in den Tränen unter. „Ich breche das Gesetzt nicht. Du bist doch jetzt ein Mensch und Menschenhandel ist verboten. Du hast meinem Urgroßvater einst viel bedeutet nehme ich an und allein deswegen kann ich es nicht! Du bleibst hier und bitte hör auf so übertrieben höflich zu sein. Akira reicht mir schon!“

Eigentlich hasste er Tsubaki, doch er mochte ihn auch. Akira merkte, dass er nur die Marionette Tsubaki hasste, aber nichts gegen diese menschliche Ausgabe hatte. Viel mehr empfand er Sympathie für den Jungen.

Tsubaki hörte auf zu weinen und fiel Akira um den Hals. „Danke Akira!“ flüsterte er mit einer Dankbarkeit in der Stimme, die sich beinahe anfassen ließ. Akira war sehr überrascht, legte aber doch seine Arme um den Jüngeren, der mehr als zufrieden lächelte. „Baden wir jetzt zusammen?“ Akira löste die Umarmung und sah verwirrt in Tsubakis lächelndes Gesicht. „Keine Angst ich kann dir nichts weggucken!“
 

Keine zehn Minuten später saßen die beiden in der Badewanne. Von Akira war kaum noch etwas zu sehen. Er war bis zum Mund ins Wasser gesunken und beobachtete Tsubaki, dem er vorher noch die langen Haare weggesteckt hatte. Er spielte vergnügt mit dem Schaum. Das alles war noch sehr neu für den Schwarzhaarigen, weswegen es ihm nicht zu verdenken war, die Sache mit einer kindlichen Art anzugehen. Genauer betrachtet hatte Tsubaki den Körper eines neunzehnjährigen, aber die Lebenserfahrung eines Zweijährigen.

„Akira. Du kannst diese ganzen Kleider verkaufen. Ich möchte nur zwei behalten.“ Der Angesprochene nickte und stieg aus der Badewanne. Eilig wickelte er sich ein Handtuch um die Hüfte und holte dann Tsubaki aus dem Wasser, den er auf den Schemel setzte und ihm ein Handtuch umlegte. „Trockne dich gut ab. Ich zieh mich schnell an und bring dir ein Paar Sachen von mir. Dann essen wir was zum Frühstück und ich zeig dir die Villa.“

Die Sache mit den Klamotten stellte sich als schwierig heraus, weil Tsubaki so ungefähr alles zu groß war und er in den Oberteilen verschwand.

"Akira lass es gut sein. Ich lass den Pullover hier an und die Hose passt doch recht gut." hielt Tsubaki Akira davon ab nochmals im seinem Kleiderschrank zu verschwinden und wieder enttäuscht zu werden. Der Ältere ließ es folglich bleiben, nahm den Schwarzhaarigen Huckepack und trug ihn runter in die Küche.

Dort stellte er sich an den Herd und kochte Reis ab. Tsubaki hatte beherzt zur Zeitung gegriffen und studierte das Geschehen in der Welt. Zeitungen kannte er recht gut, da er auch Akira ein paar Artikel vorlas und ihn auch fragte, was ihn interessierte.

Das Essen hingegen war eine neue Schwierigkeit. So brachte Akira dem Jüngeren bei wie man Stäbchen richtig hielt und damit aß.

Bis zu den Abendstunden lernte Tsubaki noch andere Dinge, die er vom heutigen Tag an brauchen werde.
 

Um kurz nach neun saßen beide auf dem Sofa und schauten fern. Es lief ein Film, den Akira schon als Kind liebte und wollte, dass auch Tsubaki diesen Film lieben lernt. Doch der Schwarzhaarige war an seine Schulter eingeschlafen. Er war einfach von den ganzen neuen Eindrücken förmlich erschlagen worden und hatte seine Energiereserven für den Tag aufgebraucht.

Akira brachte ihn ins Bett und war mit einem Male selbst unglaublich müde. So schlief er neben Tsubaki liegend ein und tauchte ins Reich der Träume ein.

Der nächste Morgen begann für Akira nicht sehr angenehm. Noch im Halbschlaf kündigte sich seine Tante oder eben auch Cousine an und meinte sie sei in einer halben Stunde bei ihm.

Diese Zeitspanne konnte Akira gerade mal für schnelles Duschen, anziehen, Zähne putzen und eventuell für ein sehr schnelles Frühstück nutzen.

„Was ist denn los?“ fragte Tsubaki, der durch Akiras schnelles Aufstehen geweckt wurde.

Der Angesprochene fuhr zusammen wie eine Katze und drehte sich zum Jüngeren um.

„Nur meine Tante kommt hierher und ich hab echt keine Zeit dir die genaueren Umstände zu erklären.“ antwortete Akira hektisch und fischte ein paar Kleidungsstücke aus dem Schrank.

Ohne es gestern Abend gemerkt zu haben, hatte er Tsubaki in sein Bett gelegt.

Macht der Gewohnheit.

„Darf ich sie kennen lernen?“

„Wen?“

„Na deine Tante!“

„Nein bloß nicht! Wie soll ich das denn bitte erklären. Hey Hanabi darf ich vorstellen: Tsubaki die lebendig gewordene Marionette meiner Großmutter. Sie wollte dich doch recht gerne kennen lernen?! Ich bitte dich!“ Tsubaki rieb sich verschlafen die Augen.

„Kommt sie wegen mir?“ Akiras Blick blieb an seinem Wecker haften. Er hatte keine 25 Minuten mehr Zeit.

„Das ist gerade scheißegal weswegen sie kommt! Du bleibst hier oben im Bett, egal was passiert! Verhalte dich gefälligst ruhig und wenn ich unten auch nur einen Mucks von dir höre, dann wirst du es bereuen lebendig geworden zu sein!“ schnauzte Akira den Schwarzhaarigen an, der sich schon vor lauter Angst unter die Bettdecke verkrümelte.
 

Akira hechtete ins Bad und wusch sich so schnell er konnte und bekam es auch noch relativ gut hin.

Notbedürftig trocknete er sich ab, was damit endete, dass der Stoff des Oberteils feucht war. Doch bei den Zähnen war er wieder gründlich.

Das Geräusch eines Motors ließ ihn hochschrecken. Hanabi war jetzt schon da. Keine Minute später klingelte es schon.

Akira stolperte die Treppe mehr runter als er lief und öffnete schwer atmend die Haustür.
 

„Na verschlafen?“ kam es gleich von Hanabi, die ihn belustigt anschaute. Dann quetschte sie sich an Akira vorbei in die Villa und entledigte sich dort ihrem Mantel und ihrer Schuhe. Er schloss die Tür und steuerte die Küche an.

Akira machte sich schnell etwas zu essen und setzte sich zu Hanabi, die an einem Kaffee nippte.

„Hast du Tsubaki bereits verkauft?“

„Warum fragst du?“

„Du wirkst glücklich. Deswegen. Ich wollte dich das bereits auf der Beerdigung fragen, aber du warst sehr schnell weg. Ich möchte dich bitten, dass du mir Tsubaki gibst.“

Akira verschluckte sich und hustete.

„Wieso?“ röchelte er seine Frage. Hanabi fuhr sich durch ihre Haare.

„Na du weißt schon. Dein Umgang, dein Job, soweit das überhaupt als Arbeit durchgeht, weil du kein geregeltes Einkommen hast, und du kannst den Wert bestimmter Dinge nicht einschätzen. Und überhaupt, du hast immer, wenn wir uns sehen, ‘ne andere Tussi an deiner Seite, du betrinkst dich ständig und machst immer nur Scheiße!“

„Das hast du dir aber schön zusammengekratzt. Es ist mein Leben mit meinen eigenen Entscheidungen. Betrinken tu ich mich nur um meine Familie zu ertragen. Und was Tsubaki angeht, ich behalte i- ... sie!“

Hanabi machte ein überraschtes Gesicht, in welches sich auch noch eine gewisse Skepsis mischte.

Sie bekam es von ihrem Neffen erklärt, wobei seine Erklärung weder Hand noch Fuß hatte. Viel mehr verwirrte es Hanabi so sehr, dass sie sich einverstanden erklärte. Nur um diese wirre Argumentation nicht eine Sekunde länger mit anzuhören.

Akira durfte Tsubaki behalten.
 

An der Haustür zog Hanabi sich wieder ihren Mantel über. Beide schwiegen.

Akira war froh, dass Tsubaki nichts von sich hören ließ. Das vorsätzliche Einschüchtern hatte seine erhoffte Wirkung gehabt.

„Ha-tschi!“

Innerlich sprang Akira wie eine verschreckte Katze auf, äußerlich versuchte er sich nichts anmerken zu lassen. Wen man vom Teufel sprach.

Akira sand Stoßgebete zu allen ihm bekannten Götter und hoffte seine Tante hätte es nicht bemerkt.

„Wolltest du deinen Frauenbesuch etwa vor mir verstecken?!“

„Nein das war Manabu!“

„Das glaubst du doch selbst nicht Aki!“

Hanabi ließ ihre Sachen fallen und rannte die Treppe auf.
 

„Nein lass mich los! Akira Hilfe!“ Hanabi hatte Tsubakis Handgelenk gegriffen und zog ihn aus dem Bett. Der Schwarzhaarige versuchte panisch sein Handgelenk zu befreien, doch Akiras Tante machte Kampfsport, weshalb er deutlich den Kürzeren zog.

„Hanabi lass ihn los! Er hat dir nichts getan!“ Sie ließ ihn los.

Tsubaki lag auf dem Boden und hielt sich sein Handgelenk. Er murmelte immer wieder etwas vor sich hin, doch es war kein sinniger Zusammenhang zu finden.

„Was um Himmels Willen ist DAS? Es sieht aus wie eine Frau, aber hört sich an wie ein Mann.“, Sie zog Tsubaki an den Haaren zu sich hoch.

„Hast du jetzt von Frauen genug und nimmst dir irgendwelche Kerle mit nach Hause?! Akira du bist widerlich!“ Anstatt seiner Tante zu antworten, kümmerte Akira sich lieber um seinen Mitbewohner, den er jetzt offiziell behalten durfte.

Hanabi hatte den Jüngeren angewidert von sich gestoßen.

„Hey Tsubaki alles in Ordnung? Tut dir was weh?“ Der Jüngere schüttelte schwach den Kopf und ließ sich gegen Akiras Brust kippen.

„Ich hab solche Kopfschmerzen.“ stöhnte er und schloss seine Augen.

„Ich bring dir gleich was dagegen. Und du, Hanabi, fasst Tsubaki nie wieder an!“

„Tsubaki? Der hat auch noch einen Frauennamen? Wie krank ist das?“ Der Schwarzhaarige begann zu weinen und presste sein Gesicht gegen Akiras Brust. Er vermutete den Grund für Tsubakis Tränen.

Sein Schöpfer bedeutete ihm sehr viel und dieser hatte ihm auch seinen Namen gegeben. Akiras Urgroßvater war für Tsubaki mit einem Vater gleichzusetzen. Auch nach dem Tod seines Vaters hing Akira immer noch an ihm, was bei Tsubaki nichts anderes war.

„Hör auf dich über deinen eigenen Großvater lustig zu machen! Die Heulsuse hier war sein ganzer Stolz.“

„Akira ... Nein.“ stammelte Tsubaki unter Tränen.

„Tsubaki ist mein Erbe! Ich habe ihn nur nicht verkauft, weil er ein Mensch ist und auch aus dem Grund wollte ich nicht, dass du ihn bekommst. Ich habe ihm erlaubt hier bei mir zu bleiben. Als Mitbewohner versteht sich.“ erklärte Akira aufgebracht und hievte Tsubaki wieder ins Bett.

„Glaub bloß nicht, dass die Sache jetzt geklärt ist. Da ich jetzt die ganze wahre Geschichte kenne, werde ich erst recht versuchen Tsubaki zu bekommen. Er ist höchstwahrscheinlich auch noch minderjährig! Bei so einem Verantwortungslosen wie dir kann man ihn nicht lassen!“ fauchte Hanabi und verließ vollkommen überstürzt die Villa.

Die Haustür knallte sie mit purer Absicht zu.
 

Akira atmete schwer aus. Tsubaki schob er unsanft zur Seite und legte sich selbst ins Bett.

„Ich hab einen Fehler gemacht. Es tut mir Leid Akira.“, flüsterte der Jüngere in die Stille hinein.

„Du hast vergessen mich so zu bestrafen, dass ich es bereue lebendig geworden zu sein. Hol es doch jetzt nach.“

Der Rothaarige saß kerzengerade im Bett und starrte sein Gegenüber ungläubig an.

„Nein. Das ... das zählte nicht mehr. Sie war fast draußen. Außerdem musstest du niesen.“

„Na und? Ich hätte es zurückhalten können!“

„Das hast du mit Absicht getan?!“

„Ja habe ich. Ich wollte etwas herausfinden.“ Tsubaki hatte die Ruhe weg. Akira verstand rein gar nichts mehr.

„Na dann hoffe ich du warst erfolgreich.“, murrte Akira worauf Tsubaki nickte.

„Was hast du denn weltbewegendes herausgefunden?“

„Du bist ein Feigling Akira.“

Mit einem mehr als schlechten Gewissen hockte Akira im Wohnzimmer vor der Couch und blickte auf den bewusstlosen Tsubaki.

Er hatte einfach zugeschlagen. Der Jüngere musste ihn auch unbedingt provozieren.

Verwunderlich war die Tatsache, dass Tsubaki sich weder gewehrt noch geweint hatte. Er hatte es einfach geschehen lassen, als ob darauf dressiert worden wäre stillzuhalten.

Nun lag der Schwarzhaarige mit einem feuchten Tuch auf der Stirn und einer geschwollenen Backe auf der Couch und schlief.

„Tsubaki ... Es tut mir Leid.“
 

Akira ist in die Küche verschwunden und begann aus reiner Langeweile die Schalen wegzuspülen, die sich seit Tagen in der Spüle stapelten. Durch Tsubaki kam nun die doppelte Menge Geschirr ins heiße Wasser.

Da das Einweichen unumgänglich war, griff Akira zum Telefon und rief bei einem Augenarzt an. Es nahm schon eine gute Viertelstunde in Anspruch bis er überhaupt die Telefonnummer gefunden hatte. Wenn er eines nicht konnte, dann mit einem Telefonbuch umgehen.

Als Entschuldigung für die geschwollene Backe, wollte er sich wenigstens um eine Brille für seinen Mitbewohner kümmern. Es konnte ja nicht sein, dass der Jüngere mit zugekniffenen Augen durch die Weltgeschichte lief.

Wo er schon mal dabei war rief er nach dem Telefonat in einer Klinik an, damit er auch dort einen Termin für Tsubaki bekam. Er sollte sich wenigstens frei durch das Erdgeschoss bewegen können ohne dabei den Fußboden zu wischen. Also musste ein Rollstuhl her.

Mit den beiden Terminen hatte er sogar Glück. Beide fielen auf den morgigen Tag.
 

Tsubaki wurde von den Klappern des Geschirrs wach. Vorsichtig richtete er sich auf und sah sich um. Sein größtes Problem war seine Sehschwäche. Wirklich alles war verschwommen und so undeutlich, dass er noch nichtmals sagen konnte wie Akira überhaupt aussah. Er wusste nur, dass der Ältere dunklere rote Haare hatte. Mehr nicht.

Der Schmerz in der Backe wurde ihm erst jetzt bewusst.

„Miau.“ machte es neben ihm.

„Oh, na wer bist du denn? Gehörst du Akira?“ fragte Tsubaki das Tier und streichelte es. Der Kater schnurrte und legte sich in Tsubakis Schoss. Der Schwarzhaarige kicherte leise.

Akira kam ins Wohnzimmer und setzte sich zu ihm.

„Manabu mag dich. Du tut mir Leid wegen vorhin. Ich hätte mich beherrschen sollen.“

Tsubaki strahlte ihn an und schüttelte den Kopf.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich wollte, dass du mich schlägst!“

„Wie du wolltest das? Niemand lässt sich freiwillig schlagen.“ Und schon wieder war Akira verwirrt. Irgendwann, und da war Akira sich sicher, würde ihn bei Tsubaki nichts mehr überraschen.

„Du hast mir bewiesen, dass du kein Feigling bist! Ich weiß, dass ich aussehen wie eine Frau und ich habe mal gehört Männer schlagen keine Frauen. Vielleicht ... Naja ich dachte ich sei einer Frau zu ähnlich und du hättest nicht die Eier in der Hose mich zu schlagen.“ druckste der Schwarzhaarige rum und sah verlegen zur Seite.

„Wieso wolltest du das denn wissen? Es hätte doch gereicht, wenn du mich gefragt hättest!“

Tsubaki wurde mit einem Male knallrot, stammelte dann auf unverständlichste Weise einen Namen und versteckte sein Gesicht dann hinter einem Kissen.

„Eigentlich wollte ich dir sagen, dass wir morgen in die Stadt fahren werden. Wegen deiner Probleme und Sachen für dich zum Anziehen. Ich wollte gleich runter und die Kleider aussortieren, die du nicht mehr haben willst. Dich nehm' ich mit runter.“

„Okay.“

Akiras Lippen verformten sich zu einem kleinen Lächeln. Wenn er es genau nahm, war Tsubaki recht unkompliziert.

Mit einem Ruck hob er den Jüngeren hoch und trug ihn in die Küche.

Es machte Akira kaum was aus den Kleineren durch die Villa zu tragen. Er war ein Fliegengewicht. Doch sorgen brauchte er sich keine machen. Tsubaki hatte einen gesunden Appetit.

Besonders heute. Insgesamt vertilgte Tsubaki drei Schalen Reis. Akira war bereits nach der ersten Schale satt.
 

Es schellte. Mit einem Seufzen stand Akira auf und schlurfte zur Tür, die er sofort öffnete.

Vor ihm stand sein Arbeitskollege. Ein großer, blonder Mann mitte zwanzig. Ein Europäer, der nach seiner Geburt von einem Ehepaar adoptiert wurde und seither in Japan lebte.

„Hey Aki ich wollte nur mal kurz vorbeischauen. Darf ich reinkommen?“ Die Antwort wartete er nicht mal ab und zwängte sich am Kleineren vorbei.

„Was machst du hier?“

„Ach Aki wir machen uns Sorgen um dich. Du hast die letzte Probe sausen lassen! Bei keinem hast du dich gemeldet. Dafür muss es schon ‘n triftigen Grund geben!“ Die Schuhe stellte er bei Seite und hang seine Jacke auf. Die gestrige Probe hatte er wirklich nur vergessen.

„Willst du mir keinen Kaffee anbieten?“ Damit verschwand der Blonde in die Küche.

„Kai warte mal ‘ne Sekunde!“
 

„Hey wer ist das? Aki versteckst du jetzt auch schon deine Freundin vor uns? Die ist ja niedlich.“

Tsubaki hatte sein Gesicht verzogen. Kai hatte vorher noch eine geraucht, weshalb er nach Zigarettenqualm roch. Er setzte sich neben den Schwarzhaarigen.

„Ähm ... Kai das ist Tsubaki. Tsubaki das ist Kai.“ stellte er die beiden einander vor.

„Wo hast du die Süße denn aufgegabelt?“

„Ähm ... Also ...“

„Seine Großmutter hat mich bei sich aufgenommen, weil meine Mutter schwer krank ist. Jetzt lebe ich bei Akira.“ antwortete Tsubaki an Akiras Stelle, weil er einfach nichts vernünftiges von sich gab.

„Was du bist ein Kerl?!“ Kai war aufgesprungen. „Bist du jetzt schwul Aki?“

Der Angesprochene stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Tsubaki kicherte, was Kai verwirrte. So begann der Schwarzhaarige ihm alles zu erklären.
 

„... Du siehst ich bin nur sein Mitbewohner. Nicht mehr und nicht weniger.“

Kai nickte und stand auf.

„Okay. Aki du meldest dich bitte, wenn du nicht kannst. Aber wir hätten auch kein Problem, wenn du Tsubaki mitbringst. Könnte lustig mit ihm werden.“

So schnell wie er aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden.

Erleichtert ließ sich Akira auf den Stuhl sinken und atmete aus.

„Danke Tsubaki. Da hast du mich aber gerettet.“

„Hab ich gerne gemacht. Du Akira ... was heißt `schwul´?“ In Tsubakis Stimme lag so viel Unschuld. „Das musst du nicht wissen.“, Er war nicht in der Laune es ihm zu erklären.

„Komm wir sortieren jetzt die Kleider aus!“

Tsubaki Huckepack nehmend verließ er die Küche.
 

„Mensch hast du jedes dieser Kleider mal angehabt?“ fragte Akira erstaunt. Dabei hielt er ein sehr knappes schwarzes Kleid hoch und hob eine Augenbraue. Tsubaki nickte beschämt.

„Ich bin eine Marionette. Was sollte ich denn dagegen machen?“

„Du bist ein Mensch! Wenigstens hättest du widersprechen sollen.“

„Nein ich hatte Angst. Die Alte hat mir dann immer einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf geschüttet. Deshalb hab ich mich gestern so erschreckt, als mir das Wasser entgegen kam. Ich dachte, ich hab was falsch gemacht ...“

„Hat sie dich nicht geliebt? Ich meine sie hat sehr viel Zeit mit dir verbracht.“

Traurig schüttelte Tsubaki den Kopf.

„Die Alte hat mich meistens bestraft. Liebe kann man das kaum nennen. Ich wäre lieber in Tomoyukis Besitz übergegangen. Er hatte mich lieb ...“

„Geschieht dir recht! Wegen dir war ich meiner Großmutter immer egal. Der Tod meiner Eltern ebenfalls. Ihr eigener Sohn! Ihr einziges Kind. Verdammt wieso musst du existieren? Ohne dich wäre alles besser!“ schrie Akira und rannte wutentbrannt aus dem Raum. Wenn er es nicht getan hätte, wäre ihm wohl die Hand ausgerutscht.

Zurück ließ er einen Tsubaki, der nicht mal ansatzweise darauf zu reagieren wusste.
 

Tsubaki schaute sich um und begann seine zwei Kleider rauszusuchen. Er liebte diese Kleidungsstücke sehr. Es waren seine einzigen Kleider bis zum Tod seines Schöpfers.

Ein hübscher heller Kimono, der sogar für Männer war, und ein knielanges dunkelblaues Kleid für den Sommer.

Er schleppte sich über den Boden und wurde nach einer halben Stunde fündig. Mit der Ankleidepuppe im Schlepptau suchte Tsubaki nach dem zweiten Kleidungsstück.

Anderthalb Stunden später hatte er die beiden Ankleidepuppen bei Seite geräumt.

Als er zur Ruhe kam wurden Akiras Sätze immer lauter.

Immer wieder hallten sie in Tsubakis Kopf wider.

// Verdammt wieso musst du existieren? Ohne dich wäre alles besser!//

Er hielt sich den Kopf und kauerte sich zusammen. Diese Worte verletzten ihn sehr und er würde selbst Schläge vorziehen, da dieser Schmerz schnell nachlassen würde. Doch diese Schmerzen fraßen sich in ihn rein.

„Tut mir Leid Akira ... Ich wollte dein Leben nicht zerstören ... Nie etwas Schlimmes tun, wofür man mich hassen könnte ... Nie ... ein Mensch sein ...“
 

Akira saß in der Küche und starrte grimmig auf den Messerblock. Er wusste nicht, ob er das Richtige getan hatte. Tsubaki hatte ihm nie etwas Schlimmes angetan. Zudem kannte er den Jüngeren noch nicht gut genug und konnte nicht einschätzen wie er seine Wort aufnahm und verarbeitete. Eigentlich wusste er gar nichts über ihn.

Manabu mauzte in einer unerträglichen Lautstärke und kratzte an der Kellertür. Akira seufzte, stand auf und öffnete die Tür. Sein Kater sprang in den Keller und verschwand in der Dunkelheit. Er selbst setzte sich neben die geöffnete Tür und verharrte dort.

Er hörte Tsubaki leise mit Manabu reden.

„Er hasst mich ... nicht wahr Manabu? Weißt du, ich wollte nie leben. Und ich wusste auch nichts von Akira. Es war nie meine Absicht gewesen andere unglücklich zu machen. Und ich wollte hier auch nicht sein. All die Jahre wollte ich bei Tomoyuki sein ... Ich vermisse ihn so sehr ... Es ist viel Zeit vergangen. Er muss ein alter Mann sein. Ob er noch lebt? Manabu ... gibt es eine Möglichkeit sich mit Akira anzufreunden? Ich würde gern sein Freund sein ... aber er mag mich nicht ...“ schniefte er. Hatte Akira ihm wirklich diesen Eindruck vermittelt?

„Miau~ !“ Diesen langgezogenen Laut machte Manabu immer, wenn er wollte, dass Akira kam.
 

Im Keller fand er Tsubaki mit Manabu im Arm am Treppenende.

„Tsubaki, tut mir Leid, was ich gesagt habe. Ich wusste nicht wie du das aufnimmst. Bitte sei mir nicht böse, aber es hat sich leider sehr viel Hass auf deine Marionettenform angestaut. Ich kann dich noch nicht recht von deinem früheren Ich trennen. Nimm‘s mir nicht übel.“

Er strich Tsubaki durchs Haar. Es war wirklich lang, wenn er es offen trug. Mit Zopf gefiel er Akira bei weitem besser. Dann wirkte er weniger feminin.

„Dann sag mir hinterher was Nettes, dann weiß ich, dass du es nicht zu meinem jetzigen Ich meintest. Was ich sagen wollte ... Ich hab meine Sachen schon vom Rest getrennt. Du kannst mit dem Rest machen was du willst.“ Da war es wieder dieses Lächeln, was Tsubakis Lippen immer dann zierte, wenn er nicht gerade weinte.

„Gut ich ruf morgen eine Bekannte von mir an, damit sie was mit den Kleidern macht. Aber das hättest du nicht machen müssen. Jetzt sieh dich mal an Tsubaki. Du bist ja ganz schmutzig.“

„Dann können wir ja baden gehen. Zusammen!“kicherte der Schwarzhaarige und streckte ihm die Zunge raus. Akira hoffte sich verhört zu haben.

„Bitte was?“ fragte er nach und wurde von Tsubaki auf den Boden gezogen.

„Tsu-chan würde gerne mit dir zusammen baden gehen. Er traut sich alleine nicht.“ flüsterte er ihm langsam und deutlich ins Ohr. Tsubakis Worte hallten in Akiras Kopf wider. Wenn er genau hinhörte hatten seine Worte etwas Verführerisches.

Akira bereute den gestrigen Tag.

Das Schlimmste für ihn wäre, dass Tsubaki sich in ihn verlieben könnte.

Er wusste so gut wie nichts über den Jungen, aber ließ ihn bei sich wohnen.

„Vorher kann Tsu-chan mir noch sagen wie es mit seiner sexuellen Gesinnung steht. Sonst muss er alleine baden gehen.“ Anders wusste Akira sich nicht ans Thema ran zu tasten. Der Jüngere zog einen Schmollmund.

„Ach hab ich ‘ne Wahl?“ Die Lebenserfahrung des zweijährigen Tsubakis konnte es nicht wissen.

„Ja die hast du! Männer oder Frauen.“

„ Wenn ich die Wahl zwischen dir und deiner Tante hätte dann ... würde ich dich nehmen.“

„Du bist also schwul.“

„Akira ich kenn das Wort mit seiner Bedeutung nicht! Ich mag Frauen, wenn die nicht alle wie deine Tante sind.“

„Na dann können wir baden gehen!“

Akira rubbelte Tsubakis Haare trocken und versuchte den Jüngeren davon zu überreden zum Friseur zu gehen. Doch der wollte einfach nicht.

„Komm schon Tsubaki. Meine Arme tun schon weh. Deine Haare sind für einen Mann einfach zu lang.“

„Aber ich ... Mein Schöpfer war doch mit mir zufrieden. Was soll ich ändern was gut ist?“ Die Sache mit Tsubakis Schöpfer war eines seiner Hauptargumente. Akira wollte es aber nicht als solches durchgehen lassen.

„Wenn du eine Frau wärst, DANN wäre es gut. Aber du bist nun mal ein Mann. Dein Schöpfer ist tot und das schon seit sehr langer Zeit. Damals warst du nur eine Puppe. Du warst ganz bestimmt als Frau gedacht. Die vielen Kleider sprechen für sich.“

Tsubaki starrte ihn wortlos an. Akira ließ von seinen Haaren ab und griff zur Bürste.

„Das muss dein Sturkopf einsehen. Lass uns morgen zum Friseur gehen und ich verspreche dir, dass nur ganz wenig abgeschnitten wird.“

„Nein, dann bleibt das ja so! Was wenn es mir nicht gefällt?“ Die Panik über den möglichen Verlust war nicht zu überhören. In Akiras Augen war es sogar niedlich. Genau wie bei einem kleinen Mädchen.

„Mach dir keine Sorgen Kleiner. Die wachsen nach. Immerhin bist du jetzt ein Mensch. Du verhältst dich immer noch wie eine Marionette. Gewöhn dir das ab, wenn du möchtest, dass alle im Glaube sind, du wärst schon dein ganzes Leben ein Mensch.“ Damit endete Akira das Durchkämmen und suchte ein Haarband.

Tsubaki saß einfach nur da und strich sich den Pony aus dem Gesicht.

„Und die wachsen wirklich nach? Akira ich wollte nie ein Mensch sein und ich glaube nicht, dass ich mich daran gewöhnen kann ... Gehst du auch zum Friseur?“

„Natürlich gehe ich zum Friseur. Meine Haare sind jetzt schon wieder zu lang. Fühl mal.“ Akira hockte sich vor Tsubaki und der Jüngere griff ins dunkelrote Haar. Es war noch leicht feucht, aber trotz dessen war es sehr weich. Behutsam fuhr der Schwarzhaarige mit seinen Fingern

durch das dichte Haar und zog hier und da einige Strähnen hoch, um zu gucken wie lang sie waren. Für Akira war es eine angenehme Massage. Doch leider musste es früher enden als erwartet. Akiras Handy klingelte.

Genervt stand er auf und huschte ins Schlafzimmer.

Tsubaki, der seine Hände immer noch an der selben Stelle hatte, wo sich vor wenigen Sekunden noch Akiras Kopf befand, ließ seine Hände enttäuscht sinken. Er wollte dem Älteren weiter durchs Haar streichen. Es fühlte sich so schön an und wenn es nach Tsubaki ginge würde Akira nicht zum Friseur gehen.

Aus dem Flur hörte er Akira reden.

„Wieso hat Kai jetzt beschlossen, dass ihr alle zu mir kommt? Wegen Tsubaki ... Ich verstehe ... Na gut aber bitte sag Daiki, dass er sein Anhängsel bitte zu Hause lassen soll ... Ja bis später.“

Er kam wieder zurück ins Bad und band Tsubaki die langen Haare hinten zusammen.

„Mit wem hast du gesprochen?“ wollte Tsubaki sofort wissen.

„Shota. Wir sind Kollegen.“

„Hä?“

„Ich arbeite mit ihm zusammen. Wir sind Straßenmusiker. Ganz einfach.“ Akira versuchte ruhig zu bleiben. Für Tsubaki hatte er Verständnis, doch der Missfallen, dass seine Arbeitskollegen alle heute Abend zu ihm kommen werden, schob diese Verständnis allmählich in den Hintergrund.

Tsubaki nickte verständnisvoll, als würde er Akiras innere Unruhe spüren, und legte sein Lächeln auf. Der Rothaarige seufzte schwer und wuschelte durch Tsubakis Pony.

„Du solltest dich besser eine Weile hinlegen. Das entspannt und du bist besser gelaunt.“ schlug der Jüngere vor. Akira nickte.

Eine Mütze voll Schlaf konnte nie schaden.
 

Akira wachte erst spät am Abend wieder auf. Benommen wollte er sich aufrichten, doch etwas hinderte ihn daran. Verschlafen rieb er sich die Augen und blinzelte das Hindernis an. Manabu konnte er ausschließen, da der Kater von Bewegungen immer umgehend wach wurde.

Folglich war es Tsubaki, der Akira als Kuschelkissen verwand und halb auf ihm drauf lag.

Akira strich ihm einige Strähnen auf dem Gesicht und musste unweigerlich lächeln. Der Jüngere hatte ein vollkommen entspanntes und zufriedenes Gesicht. Ihm hatte der Schlaf auf jeden Fall geholfen. Bei sich selbst war Akira nicht so sicher. Zwar fühlte er sich besser, als noch vor wenigen Stunden, doch ein Gefühl sagte ihm, dass er alles andere als entspannt sein sollte.

Sein Gefühl sollte Recht behalten.

Keine fünf Minuten später klingelte es an der Haustür.

Akira stand schnell auf, doch er musste sich am Bett festhalten. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Manchmal hasste er sich selbst dafür, dass er seinem Kreislauf nicht die Zeit gab, die er benötigte. Doch wenn es schnell gehen musste, achtete kaum einer darauf.
 

Im Eingangsbereich angekommen lugte er durch den Spion und würde am liebsten so tun als wäre er nich da. Daiki hatte seinen Freund doch mitgebracht. Jeder hatte seinen Partner dabei. Sofern er einen hatte.

Kai klopfte energisch gegen die Haustür. Akira öffnete die Tür und seine erste Amtshandlung war es Kai kräftig gegen den Oberarm zu schlagen.

„Autsch ...“ beschwerte sich der Blonde und rieb sich über die Stelle.

„Können wir reinkommen? Es ist kalt.“ schaltete sich Shota ein. Er war der Bassist der Truppe. Akira war ihm unglaublich dankbar, dass er überzeugter Single war.

So musste er eine Freundin weniger ertragen.

„Dann kommt mal alle rein.“ meinte Akira und trat einen Schritt zu Seite. Kai umarmte ihn freundschaftlich, von dessen Freundin Fuyuki bekam er einen Kuss auf die Wange, Shota klopfte ihm zur Begrüßung auf die Schulter und Jin, der Kleinste von ihnen und der Sänger sprang ihn freudig an. Seine Freundin Mina verbeugte sich schüchtern. Daiki, der in der Gruppe als Drummer fungierte, machte es Kai nach und umarmte Akira kurz. Dessen Freund Shoya schlich sich an ihm vorbei und klebte keine Sekunde später wieder an Daikis Arm.

Mit einem genervten Stöhnen schloss Akira die Haustür und führte seine Gäste ins Wohnzimmer, nachdem sie sich die Schuhe ausgezogen hatten.

„Akira!“ kam ein Ruf von oben. Tsubaki ist wach geworden und wollte wissen was unten vor sich ging. Akira lief nach oben und holte den Jüngeren runter.

„Darf ich vorstellen: mein Mitbewohner Tsubaki.“ Die beiden Frauen waren aufgesprungen und

bestaunten Tsubaki. Scheu lächelte er Fuyuki und Mina an. Akira verdrehte die Augen, setzte Tsubaki auf dem Sofa ab und ließ sich neben ihm nieder.

„Akira wieso hast du ihn getragen?“ fragte Shota neugierig. Tsubaki erklärte es ihm und beantwortete auch noch einige andere Fragen.

„Und mir sagen immer alle ich seh aus wie ein Mädchen ...“ nuschelte Shoya eingeschnappt.

„Na du bist ja auch Daikis Mädchen!“ lachte Kai, worauf die anderen einstimmten. Selbst Daiki konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.
 

Im Laufe des Abends verkündete Jin die Termine der nächsten Proben, Orte an denen sie spielen werden und generell organisatorisches. Die zwei Frauen wollten nicht stören und verzogen sich in die Küche, wo sie sich einen Tee aufsetzten. Selbst Shoya nahm sich ein Beispiel und wollte in die Küche verschwinden.

„Soll ich Tsubaki mitnehmen?“

„Stören tut er zwar nicht, aber nimm ihn mit und pass auf, dass ihm nich langweilig wird.“ meinte Akira, der über einer Liste hing und sie zu deuten versuchte. Shoya nahm Tsubaki Huckepack und trug ihn in die Küche.

„Wollt ihr auch einen Tee? Frisch gekocht!“ flötete Fuyuki und nippte an ihrem Tee. Tsubaki nickte, als er abgesetzt wurde. Shoya verneinte und begann in den Schränken nach Keksen zu suchen. Misa holte für Tsubaki eine Tasse raus und stellte sie vor ihm ab.

„Magst du Grüntee, Tsubaki?“ fragte sie mit einer Stimme, die nicht mehr als ein Flüstern war. Der Angesprochene nickte.

„Sho-chan hör auf Akiras Vorräte an Süßem zu plündern. Er wird dich töten ... auch wenn du Daikis `Schoßhündchen´ bist!“ tadelte Fuyuki den jungen Mann, der sich den Kopf stieß.

Murrend setzte dieser sich an den Esstisch und öffnete die Verpackung.

„Der Typ hat davon zehn Packungen im Schrank. Die eine wird er jetzt nicht vermissen. Jetzt seid keine Feiglinge.“ schnaubte Shoya und aß einen Keks. Auch Tsubaki nahm sich einen und eher die anderen drei sich versahen hatte der Schwarzhaarige schon fünf Kekse verputzt.

Fuyuki zuckte kurz mit den Schultern und griff auch zu. Mina wollte zwar nicht aber Tsubaki stopfte ihr einfach einen in den Mund als sie Protest einlegen wollte.

„Wie kommt so was Niedliches wie du an so einen Idioten wie Akira?“ wollte Shoya wissen und bekam sofort strafende Blicke von Fuyuki. Tsubaki wurde rot und versuchte sich hinter Mina, die auch rot wurde, zu verstecken.

„Bitte nenn ihn nicht so. Akira ist ganz lieb.“

„Na los wie bist du an den gekommen?“ drängte Shoya. Tsubaki begann ihm die gleiche Geschichte wie heute Morgen zu erzählen.
 

Es war kurz vor halb drei, als die fünf Männer ihre Besprechungen über Gott und die Welt beendeten. Müde torkelten sie in die Küche und fanden vier Schlafende am Esstisch.

„Meine Kekse!“ fiepste Akira und spähte in die leere Verpackung.

„Pst. Beruhig dich Aki. Die vier schlafen.“ murrte Daiki und hob seinen Freund hoch.

Auch Kai und Jin hoben ihre Freundinnen behutsam hoch und die drei verabschiedeten sich.

Tsubaki wurde schnell ins Bett verfrachtet, sodass Akira und Shota noch etwas miteinander reden konnten.

Sie tranken Sake und redeten über Zukunftspläne.

Es dämmerte bereits als Shota aufbrach und Akira vollkommen erschöpft neben Tsubaki ins Bett fiel.

Tsubaki lag hellwach neben dem noch schlafenden Akira. Die Sonne strahlte ihm ins Gesicht, sodass er seine Augen zusammenkniff. Etwas umständlich drehte er sich zu Akira auf die Seite.

So lag er da und versuchte Akiras Gesicht zu mustern, was ihm nicht gelingen wollte. Seine Sehkraft ließ wirklich zu wünschen übrig. Vorsichtig robbte er noch ein Stück näher zu dem Rothaarigen. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von seinem Gegenüber entfernt. Zwar war Akiras Gesicht noch immer leicht verschwommen, doch es reichte Tsubaki dennoch aus. Einige Strähnen hatte sich in sein Gesicht verirrt, doch es gefiel Tsubaki. Selig lächelnd betrachtete er das ganze Gesicht und döste vor sich hin.

Akira selbst wachte gut drei Stunden später auf. Verschlafen öffnete er die Augen und sah direkt in Tsubakis dunkelblaue Augen.
 

„Du hast schöne graue Augen.“ strahlte der Jüngere ihn an. Das war zu viel des Guten an einem

Morgen. Besonders für einen Akira, der am Abend zuvor etwas zu tief ins Glas geschaut hatte.

„UAAAAAHH!“ Akira fiel vor Schreck fast aus dem Bett. Mit Mühe schaffte er es sich an Tsubaki zu klammern, der erschrocken aufschrie.

„Sag mal was denkst du dir überhaupt?! Was sollte das?!“ schnauzte Akira den Jüngeren an.

„Tut mir Leid. Tut mir Leid! TUT MIR LEID! Ich wollte nur mal dein Gesicht schärfer sehen. Nur einmal ... Ich seh doch so schlecht!“ rechtfertigte sich dieser und hielt sich die Hände vor das Gesicht.

„Tu das nie wieder!“ Tsubaki nickte hastig und schämte sich ein wenig für sein Verhalten.

„Sonst ...“ Akira hielt inne, um zu überlegen.

„Sonst was?“ Tsubaki richtete sich auf und legte den Kopf schief. Akiras Verhalten konnte er im nächsten Moment nicht deuten. Er küsste ihn einfach. Der Schwarzhaarige versteifte sich und ließ diese fünf Sekunden über sich ergehen.

Akira löste sich von ihm und grinste fies, als er Tsubakis zusammengekniffene Augen sah.

// So schnell wirst du das nicht nochmal machen.//

Tsubaki kippte perplex nach hinten und versuchte das Geschehene einzuordnen.

„Mach das noch einmal und du wirst dein blaues Wunder erleben.“ Damit stand Akira auf und starrte ungläubig auf seinen Wecker.

Ihm wurde schlagartig bewusst, dass er verschlafen hatte und ihm nun nur noch eine Stunde bis zum ersten Termin blieb. Von der Villa aus brauchte er knapp eine Dreiviertelstunde bis in die Stadt, was nicht viel Zeit für einen guten Start in den Tag ließ.

Schnell zog er sich um, warf dann Tsubaki einen Pullover, der viel zu groß war, eine Hose, Unterwäsche und Socke hin und hastete dann er runter in die Küche.

Dort schnitt er einen Apfel klein und packte noch einen ganzen Apfel in den Gefrierbeutel.

„Tsubaki bist du fertig?“ Er bekam keine Antwort. Grummelnd stapfte er die Treppen hoch und fand das Schlafzimmer leer vor.

„Wohin ist er jetzt schon wieder gekrochen?“ fragte Akira sich laut und wurde auf das Geräusch von laufendem Wasser aufmerksam. Tsubaki war im Bad.

Als Akira die Tür öffnete stolperte er fast über Tsubaki, der auf dem Boden saß und sich die Zähne putzte. Der Jüngere hielt ihm auch schon seine Zahnbürste entgegen, bevor er sich auch nur ansatzweise beschweren konnte.

„Sehr aufmerksam von dir.“ Akira war dankbar, dass Tsubaki in dieser Situation mitdachte. Er selbst hätte es vergessen.
 

Akira stellte den Motor ab. Der Parkplatz war ein ganzes Stück vom Augenarzt entfernt. Der Rothaarige hatte jetzt schon keine Lust mehr, aber es war nun mal seine Entschuldigung für Tsubaki.

Mit dem Jüngeren auf dem Rücken lief er zur Praxis. Dabei erntete er den einen oder anderen komischen Blick. Tsubaki hielt den Gefrierbeutel mit den Äpfeln fest und aß immer mal einen und auch Akira bekam hin und wieder ein Stück Apfel in den Mund gesteckt.

Erleichtert setzte Akira Tsubaki auf einem Stuhl im Wartezimmer ab. Der Schwarzhaarige hatte sich nun den ganzen Apfel aus dem Gefrierbeutel gefischt und hielt ihn mit beiden Händen fest. Die Tüte fand sich auf dem Boden wieder.

Der Rothaarige stand etwas abseits und telefonierte leise. Es war ein Beamter vom Jugendamt, der wissen wollte, ob seine Tante mit ihren Behauptungen recht hatte.

So durfte Akira dem Beamten seine Daten durchgeben und versprach das Gleiche auch später mit Tsubakis Daten zu tun. Jetzt hatte er wirklich keine Zeit, da eine pummelige Frau ihn gerade aufrief.

„Harada-san bitte folgen Sie mir.“ wies die Frau ihn mit ihrer Quitschestimme an und verschwand in einen Raum. Akira schleppte Tsubaki in den kleinen Raum und setzte ihn auf den Stuhl mit dem Occular. Tsubaki blieb von den technischen Gerätschaften völlig unbeeindruckt und knabberte weiter an seinem Apfel.

„Harada-san Sie müssen sich auf den Stuhl setzen.“ piepste sie ihren Einwand.

„Nein mein Adoptivbruder hier hat den Termin.“ Eine glatte Lüge, die Tsubaki auch noch fast auffliegen ließ. Das bekam die Frau aber nicht mehr mit, da sie bereits die nächsten Patienten in ihre Räume führte.

„Adoptivbruder? Ich weiß nicht was das ist, aber lüg doch nicht die Leute an. Das ist nicht nett.“ nuschelte Tsubaki und rieb sich die Augen. Er hatte seit dem Aufwachen Kopfschmerzen.

Eine verhältnismäßig große Frau betrat den Raum und stellte sich als die praktizierende Augenärztin vor.

Die Behandlung an sich verlief weniger problematisch, als Akira befürchtet hatte. Tsubaki beantwortete brav alle Fragen der Ärztin und diese war von Tsubakis Art ganz angetan.

„So Harada-san die Sehstärke Ihres Adoptivbruders ist sehr schlecht und befindet sich bei minus acht Dioptrien auf beiden Augen. Ich könnte Ihnen ein Rezept für Brillengläser ausstellen oder wenn Sie möchten zu einem Optiker schicken, der Kontaktlinsen mit solchen Stärken vorrätig hat. Was ist Ihnen lieber?“

„Was meinst du Tsubaki? Möchtest du lieber eine Brille oder Kontaktlinsen?“

„Das was schneller da ist. Akira ich möchte nur, dass diese Kopfschmerzen aufhören.“ nuschelte der Angesprochene und hielt sich den Kopf.

Die Augenärztin übergab Akira die Adresse und verabschiedete sich. Der Rothaarige schaute auf die Uhr. Es blieben noch knapp zwei Stunden bis zum nächsten Termin.

„Wir gehen jetzt zu diesem Optiker, in Ordnung?“ fragte Akira und hockte sich vor Tsubaki, der sich auf den Rücken fallen ließ.

„Das wäre toll.“
 

Die beiden waren auf den Weg in die Klinik. Tsubaki plapperte munter vor sich hin und die meiste Zeit bedankte er sich bei Akira. Dank der Kontaktlinsen waren die Kopfschmerzen verschwunden und der Schwarzhaarige freute sich über jede Kleinigkeit, die er nun sehen konnte.

„So wir sind da. Benimm dich gefälligst und verhalte dich deinem körperlichen Alter entsprechend.“ Akira wusste bereits jetzt, dass das nach hinten losgehen würde. Tsubaki konnte nicht wissen wie man sich mit neunzehn Jahren angemessen verhielt, geschweige denn das Verhalten an die Gesellschaft anpasste.

Akira brauchte den Jüngeren noch nicht mal im Wartesaal absetzten, da der Arzt ihn sofort in ein Behandlungszimmer bat.

Der Arzt stellte Tsubaki viele Fragen und untersuchte ihn.

So weit war der Schwarzhaarige gesund und selbst an den Beinen schien alles einwandfrei zu sein. Trotzdem waren sie gelähmt und da auch nähere Untersuchungen nichts ergaben, bekam Tsubaki einen Rollstuhl und damit war auch dieser Termin überstanden.
 

Die Sache mit dem Friseur hatte Akira zwar nicht vergessen, aber ging an Stelle dessen lieber mit Tsubaki Klamotten kaufen. Es konnte ja nicht sein, dass der Jüngere ständig Akiras Sachen trug. Zum einen waren sie ihm alle viel zu groß und zum anderen Akira brauchte die Sachen auch selbst.

Tsubaki rollte durch die Gänge und legte sich ausschließlich große und weite Oberteile auf den Schoß. Akira hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und beobachtete das muntere Treiben um ihn herum. Frauen warfen ihren Ehemännern diverse Kleidungsstücke zu und schoben sie in die Umkleidekabinen. Junge Mädchen rannten wie aufgescheuchte Hühner durch jede Abteilung und versuchen ihre eh schon ausgefallenen Outfits den letzten Schliff zu verpassen. Mütter hetzen ihre Kinder durch die Gegend und waren auf der Suche nach einer neuen Jacke.

Der Schwarzhaarige ließ sich auch wieder blicken.

„Fertig!“ strahlte er Akira entgegen, der skeptisch die Augenbraue anhob.

„Willst du mich verarschen? Die sind dir unter Garantie alle zu groß. Such dir was Richtiges.“ brummte Akira. Tsubaki ließ geknickt den Kopf hängen.

„Aber ich mag das so. All die Kleiden waren immer so eng und ich mochte sie nicht. Lass mich doch tragen was mir gefällt.“ wimmerte der Jüngere und die Tränen drohten über sein Gesicht zu kullern. Akira willigte schnell ein. Er wollte nicht, dass alle Anwesenden den Jüngeren weinen sehen. Nicht wegen ein paar Oberteilen.

„Dann auf zur Kasse.“

„Danke!“ jubelte Tsubaki und fiel ihm um den Bauch. Akira wollte im Erdboden verschwinden, da der Kleinere mit seinem Gesicht noch etwas tiefer hing.
 

Auf dem Rückweg zum Auto kamen sie an einem Spielzeugladen vorbei. Tsubaki blieb an der Fensterscheibe hängen, während Akira seinen Weg fortsetzte.

Ein „Akiiiiiiiiiraaaaaaa!“ ließ ihn stehen bleiben. Er schaute zurück und schlenderte zu dem Kleineren zurück.

„Was?“ kam seine genervte Frage.

„Der ist süß. Darf ich den bitte haben?“ Tsubaki machte große Kulleraugen und zeigte auch einen Teddybären. Akira verdrehte die Augen.

// Das kann jetzt nicht sein Ernst sein ... Er ist doch neunzehn ...//

„Bitte bitte bitte bitte bitte biiiiitteeeee!“

„Ist das dein Ernst?“

„Akiraaaaa bitte ...“ bettelte Tsubaki mit weinerlicher Stimme und auch seine Kulleraugen bettelten. Akira musste sich geschlagen geben.

Im Laden rollte Tsubaki fröhlich auf den Teddy zu und knuddelte ihn.

„Der ist so schön weich~“ quiekte der Schwarzhaarige und schmiegte sich an den Teddy.

Der ältere Verkäufer staunte nicht schlecht.

„Hey krieg dich wieder ein! Ich kauf ihn dir ja schon.“ murrte Akira und kramte sein Kleingeld aus der Hosentasche.

„Sie haben aber einen süßen Freund.“ lachte der alte Mann, als er das Geld entgegen nahm.

„Das ist nicht mein Freund. Mein Adoptivbruder.“ knurrte Akira angepisst. Irgendwas musste ja schief gehen. Doch das der Mann glaubte die beiden wären zusammen, gab Akiras Geduld den Rest. Akira war überzeugter Hetero und Männer verarschte er nur mal so aus Spaß, aber auch das hatte er wenn es hoch kam nur zweimal getan.

„Danke Akira!“ strahlte Tsubaki ihn an und schaute verliebt auf den Teddy. Akiras Mundwinkel zuckten nach oben. Es bereitete ihm eine Freude Tsubaki glücklich zu sehen.

Alles war ihm Recht, solange der Jüngere ihm nicht auf die Nerven ging.

Mit einem überglücklichen Tsubaki verließ er den Laden und sie fuhren nach Hause.
 

Akira fiel erschöpft ins Bett. Tsubaki schlief bereits. Den Teddy hielt er fest umklammert.

Auch wenn er den ganzen Tag lang entweder getragen wurde oder saß, war er erschöpft neben ihm auf der Couch eingeschlafen.

Der Rothaarige fragte sich was er wohl tun würde, wenn Tsubaki ihn nicht auf Trapp hielt.

Ehrlich gesagt konnte er es sich kaum vorstellen. Es war fast wie mit einem Kind.

„Was wäre wenn du ein kleines Kind wärst? Wärst du dann auch so?“

Mit dem Gedanken versank Akira in die Welt der Träume.

Hanabi saß an ihrem Frühstückstisch und schrieb eine Liste. Zuvor hatte sie noch mit einem Beamten vom Jugendamt telefoniert und alle möglichen Fragen gestellt.

Rein prinzipiell standen ihre Chancen auf ihr Sorgerecht für Tsubaki recht gut. Hanabi war Ende Zwanzig, hatte ein gutes Einkommen und zudem war ihre Wohnlage besser. Das Hochhaus hatte einen Aufzug und ihre Wohnung war auf einer Etage. So konnte Tsubaki überall hin.

Mit einem fiesen Lächeln aß sie ihren Reis auf.

„Tja Akira ich denke nicht, dass du Tsubaki noch lange bei dir haben wirst.“ schnurrte Hanabi dem Foto von Akira entgegen. Es war schon ein älteres Bild von ihrem Neffen und er war auch nicht mehr der brave kleine Junge. Das Foto entstand wenige Monate vor dem Autounfall.

Zu der Zeit trug Akira die Haare noch länger und sie waren zu dem Zeitpunkt auch noch schwarz. Damals war er Hanabi gegenüber auch weit aus freundlicher.

Der immer fröhliche Junge, der auch noch respektvoll war, verschwand mit dem Tod seiner Eltern. Akira war elf als es geschah und er konnte die acht Jahre ältere Hanabi danach nicht mehr ausstehen. Er hasste sie dafür, dass sie Eltern hatte und von seiner Großmutter die Aufmerksamkeit bekam, die er so dringend gebraucht hätte.

Nun konnte Hanabi es nicht ertragen, dass er Tsubaki hatte, obwohl er ihn hasste.

„Du bist ein dummer Junge Akira. Du bist verdorben und wirst endgültig verfallen.“ Damit stand Hanabi auf und kippte das Bild um. Sie lief ins Wohnzimmer und holte ein Fotoalbum raus. Es war ein besonderes Album, da in diesem nur Bilder von der Marionette Tsubaki zu finden waren.

„Marionetten bleiben Marionetten ... egal was mit ihnen passiert. Du wirst nie ein Mensch werden Tsubaki. Und selbst wenn, die Zeit mit deiner Herrin wirst du nicht vergessen können und das ist deine Schwachstelle.“ kicherte Hanabi und strich gedankenverloren mit dem Finger über die Bilder. Sie konnte kaum glauben, dass Tsubaki nun ein Mensch und dann auch noch ein Mann war. All die Jahre hatte Akiras Großmutter ihr erzählt, dass Tsubaki das Abbild ihrer Mutter und die letzte Ruhestätte ihrer Seele und die ihres Sohnes sei. Also müsste Tsubaki eigentlich eine Frau sein, soweit Hanabi es beurteilen konnte.

Das Klingeln ihres Handys ließ sie hochschrecken. Am anderen Ende war ihre Sandkastenfreundin. Nach kurzem Wortwechsel hatten sich die beiden in zehn Minuten in einem kleinen Cafe verabredet.
 

Die Mittagszeit neigte sich dem Ende zu, als die beiden das Cafe erreichten. Es hatte eine angenehme Lage abseits der Straße und auch das hektische Treiben blieb fern. Zusammen tranken sie Kaffee und aßen dazu Kuchen. Hanabis Freundin hatte eine Menge loszuwerden und Hanabi hörte aufmerksam zu. Als Mutter und Hausfrau sollte sie eigentlich nur von ihren Kindern und irgendwelchem x-beliebigen Klatsch erzählen können, doch sie hatte sich vor kurzem eine Auszeit genommen und eine kleine Weltreise unternommen. USA, England, Deutschland, Österreich, Italien und Südkorea. Für die Hausfrau ging damit ein Wunsch in Erfüllung.

Als auch endlich Hanabi drankam hatte sie die vollkommene Aufmerksamkeit.

„So meine Süße was ist los? Du wirkst schon die ganze Zeit so bedrückt.“ Hanabi sah sie verwirrt an. Ihr wurde klar, dass sich so etwas nicht überspielen ließ.

„Ach weißt du ... Akiras Großmutter ist letzte Woche verstorben und er hat alles geerbt auch das Sorgerecht für einen Jungen namens Tsubaki ...“ begann sie und musste lügen. Ihre Freundin wusste nichts von der Marionette und das sollte auch so bleiben. Keiner würde ihr abkaufen, dass eine Marionette plötzlich ein Mensch war.

„Ist dein Neffe nicht ein bisschen jung für ein Kind? Wie alt ist denn der Junge?“

„Ungefähr neunzehn. Akira ist nur zwei Jahre älter und er kann keine Verantwortung übernehmen. Ich mache mir Sorgen um Tsubaki.“

„Na dann weißt du doch was du machen musst. Bekomm gerichtlich das Sorgerecht für diesen Jungen und dann ist doch alles in Ordnung.“

„Deswegen hab ich schon rumtelefoniert. Ich müsste nur ein paar Dinge nennen können, die Tsubakis Wohl nicht zu gute kommen. Was heißen würde, ich müsste Akira unter die Augen treten.“ murrte Hanabi und nahm einen Schluck Kaffee. Ihre Freundin beugte sich über den Tisch - ohne daran zu denken, dass der Ausschnitt ihres Oberteils dezent zu weit war - und sah Hanabi verschwörerisch an.

„Na dann statten wir zwei Hübschen deinem schnuckeligen Neffen einen heimlichen Besuch ab. Wäre doch gelacht, wenn wir nichts finden. Zudem lässt sein Umgang auch zu wünschen übrig. Die hab ich letztens in der Stadt gesehen und dieser Chaotenhaufen hat kein Benehmen.“

„Schnuckelig? Akira? Sicher, dass du von meinem Neffen redest?“ Hanabi hob die Augenbraue an und verschränkte die Arme.

„Ach komm wenn ich nicht verheiratet wäre ... Akira ist einfach zum Anbeißen. Hanabi gib es zu. Du bist eifersüchtig auf Akira!“

„Warum sollte ich auf diesen Vollidioten eifersüchtig sein?“zischte Hanabi und funkelte ihre Freundin böse an.

„Na weil er mit dir verwandt ist. Du würdest ihm doch auch verfallen, wenn er nicht dein Neffe wäre. Gib es zu!“ grinste diese und gab sich siegessicher. Hanabi schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

„Hör auf solchen Unsinn von dir zu geben. Ich kann ihn nicht ausstehen. Wir bezahlen jetzt und fahren zur Villa.“
 

Akira und Tsubaki saßen gemeinsam in der Badewanne und genossen das heiße Wasser. Zumindest der Rothaarige tat das. Mit geschlossenen Augen döste er vor sich hin und seufzte wohlig. Der Schwarzhaarige hingegen hatte ein anderes Problem mit dem er klarkommen musste. Immer wieder starrte er auf die Veränderung in seinem Schritt. Er hatte doch nur Akira beobachtet und musste bemerken, dass der Ältere doch recht hübsch anzusehen war.

„Alles ok? Du bist so still.“ fragte Akira nach einiger Zeit und fuhr mit einem Schwamm über die schmalen Schultern des Jüngeren. Die Frage war berechtigt, da Tsubaki normalerweise wie ein Wasserfall am Reden war und nur seltenst den Mund halten konnte.

„Ähm ... Nein ... Also ... Ja ... Es ist nichts ...“ Tsubaki schoss die Röte ins Gesicht. Das seltsame Gefühl in seinem Unterleib wurde stärker.

Nur das leise Plätschern des Wassers war zu hören, als Akira ihm den Rücken wusch. Herausfordernd strich er mit seinen Fingern an Tsubakis Seiten hinab und pikste ihn leicht. Der Jüngere zuckte erschrocken zusammen.

„Das ... kribbelt ... Bitte nicht noch mal ... Nein, lass das!“ bat er halb lachend, als Akira ihn weiter malträtierte.

„Schon gut, schon gut. Aber wir sollten langsam rauskommen. Ich muss noch Abendessen kochen, sonst wird‘s mir zu spät.“ sagte der Rothaarige. Tsubaki biss sich nervös auf die Lippe.

Er konnte die Veränderung an seinem Körper nicht so recht einordnen und vielleicht wäre es

wirklich besser, wenn Akira es sich mal ansehen würde. Doch dem Schwarzhaarigen fehlte dafür eindeutig der Mut.

Akira kletterte aus der Wanne und legte sich provisorisch ein Handtuch um. Das Wasser klatschte auf die dunklen Bodenfliesen.

„Komm, leg deine Arme um meinen Hals.“ Er beugte sich runter und stützte sich am Rand ab, um Tsubaki besser heraushieven zu können.

Mit ein wenig Kraftaufwand schaffte Akira es relativ schnell Tsubaki herauszuheben und setzte ihn auf die kleine Anhöhe, in die die Wanne eingelassen war.

Akira schüttelte seine Haare und die Wassertröpfchen spritzten in alle Richtungen.

Tsubaki hielt seine Arme vor sich gestützt, um Akira den direkten Blick auf seine Leistengegend zu versperren.

Er betrachtete den halbnackten Akira. Ihm war noch nie so wirklich aufgefallen, wie gut er trainiert war.

Wieder schoss ihm die Schamesröte ins Gesicht.

„Ist wirklich alles in Ordnung?“ Akira fuhr durch Tsubakis noch trockenes Haar und fühlte seine Stirn. Der Ältere machte sich bereits Sorgen um das Wohl der Jüngeren.

„J-ja ... nur ... mir ist nur ein wenig komisch ... Ich ... hab da irgendwie so ...ein ... Pochen ... und das fühlt sich ganz seltsam an.“

// Was? Ist er krank ... Ein Pochen ...? //, dachte Akira verwirrt und reichte Tsubaki ein Handtuch.

„Wo hast du denn ... dieses Pochen?“

Tsubaki zögerte kurz, nahm dann aber doch seinen Arm ein Stück zur Seite.

Akiras Augen weiteten sich erstaunt, dann schlich sich ein immer breiter werdender Grinsen auf sein Gesicht.

„Also ... zumindest brauchst du dir keine Sorgen machen, du hast nichts, was man nicht schnell wieder in Ordnung bringen könnte.“ Er musste ein Lachen unterdrücken. Der Schwarzhaarige war wirklich unendlich naiv und unschuldig, wenn er nicht mal so etwas wusste.

Akira setzte sich neben ihn und zog den Kleineren auf seinen Schoß.

„U-und wie ... geht das ... wieder weg?“ stammelte Tsubaki und traute sich nichtmals in die Richtung seines Problems zu schauen.

„Das weiß eigentlich jeder Mann. Hast du nicht ansatzweisen eine Ahnung?“ fragte Akira und lächelte den Jüngeren aufmunternd an. Doch dieser schüttelte den Kopf und wirkte verlorener den je. Akira musste sich wirklich zusammenreißen nichts Unüberlegtes zu tun. Das übertraf alles Niedliche dieser Welt.

„Hilf mir ...“

„Was?“

„Mach es weg ...“ bettelte der Schwarzhaarige mit leidender Miene und er hatte Tränen in den Augen. Deutlicher hätte Tsubaki diese Einladung nicht formulieren können. Der Jüngere legte seinen Kopf auf Akiras Schulter und verfolgte Akiras Hand durch halbgeschlossene Augen.

Diese wanderte von der Schulter hinab über die Seiten und machte kurz auf dem flachen Bauch halt. Seine Haut war noch leicht nass und fühlte sich kühl an. Dann legte er seine Hand um Tsubakis Glied und begann sich um dieses Problem zu kümmern.

Erschrocken keuchte der Jüngere auf und hielt sich die Hand vor den Mund. Sein Gesicht presste er in Akiras Halsbeuge und zitterte am ganzen Körper. Er hoffte, dass es schnell ein Ende finden würde. Beruhigend streichelte der Ältere über Tsubakis Kopf und redete auf beruhigend auf ihn ein. Neben seinem Murmeln war nur noch Tsubakis Keuchen zu hören.

„Hey Tsubaki ... Ich bin fertig.“ meinte Akira und wusch sich das Sperma von der Hand. Der Kleinere nahm die Tatsache kommentarlos hin und schielte an sich herab. In seiner Leistengegend war wieder alles normal. Sein Gesicht versteckte er aber doch lieber in der Halsbeuge des Älteren.
 

Akira stand vor dem Herd und kochte Reis ab. In der Küche herrschte eine Totenstille. Tsubaki saß am Esstisch und hielt seinen Teddy fest umklammert. Auch Manabu war anwesend, doch von dem Kater hörte man keinen Laut. Das Tier schmiegte sich an Tsubaki und versuchte dessen Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch der Schwarzhaarige war in seiner eigenen kleinen Welt versunken. Er fühlte sich schlecht, hatte immer noch die Bilder im Kopf wie Akira ihn berührte. Das Problem war verschwunden, doch ein Kribbeln war geblieben. Fragen wollte er nicht, da er Angst hatte, dass Akira sonst was mit ihm anstellte. So schwieg er lieber in sich hinein und kuschelte sich an seinen Teddy.

Manabu schlich sich aus dem Haus, da ihm die Stille nicht geheuer war.

„Tsubaki wie viel Reis möchtest du?“ brach Akira die Stille. Der Jüngere reagierte nicht. Der Rothaarige wiederholte seine Frage und beugte sich zum Schwarzhaarigen runter. Dieser erschrak und versteckte sich hinter dem Teddy.

„Was hast du? Du schweigst die ganze Zeit. Ich tu dir nichts.“ Akira strich dem Jüngeren einige Strähnen aus dem Gesicht. Tsubakis dunkelblaue Kulleraugen verfolgten wie in Trance die Bewegung seiner Hand.

„Ich ... Viel Reis. Hunger.“ wich er der Frage aus. Akira schüttelte den Kopf und ging zum Herd.

„Tsubaki ... wegen vorhin ... Du wolltest, dass ich es wegmache. Hier dein Reis.“

„Ich bin selbst schuld ... Vergessen ... wir das? Bitte!“ Den Hundeblick hatte Tsubaki in dem Moment perfektioniert.

„Klar können wir das vergessen. War eh nichts besonderes.“ willigte Akira ein und schob sich den Reis in den Mund. Auch Tsubaki begann zu essen.
 

Hanabi schlich mit ihrer Freundin im Schlepptau um die Villa herum und wartete bis im Schlafzimmer das Licht ausging. Dann kramte sie einen Zweitschlüssel hervor und verschaffte sich Einlass.

Alles hüllte sich in Finsternis.

Die beiden Frauen zogen sich ihre Schuhe aus und begannen die Villa auszukundschaften.

Das ganze Untergeschoss hatten sie durch, als Hanabis Freundin einen flauschigen Teddybären fand.

„Ist der nicht niedlich.“ flüsterte sie und Hanabi stimmte zu. Die beiden erschraken, als im ersten Stock das Licht anging.

„Hast du ihn unten liegen lassen?“ hörten sie Akiras Stimme.

„Ja im Wohnzimmer.“

Die Treppenstufen knarrten und die Frauen versteckten sich schnell im Flur. Im Wohnzimmer ging das Licht an und Hanabis Freundin lugte um die Ecke.

Er hatte nur Boxershorts an, sodass man seinen trainierten Oberkörper sah. Akira hob den Teddy vom Boden auf und wollte sich auf den Weg nach oben machen. Ein Geräusch ließ ihn innehalten. Hanabi war gegen ein Regal im Flur gestoßen und sie fluchte leise.

Akira stand plötzlich im Türrahmen und sah sie bitterböse an.

„Was tust du hier Hanabi?“ knurrte der Rothaarige.

„Nach dem Rechten sehen.“

„Mit deiner Freundin zusammen?“

„Ja!“

„Jetzt hör mir mal zu. Ich bin erwachsen und brauche keinen Aufpasser. Mir geht‘s gut.“

„Und Tsubaki? Der interessiert dich doch reichlich wenig. Was lebt er eigentlich bei dir?“

„Lass ihm aus dem Spiel! Wir kommen gut miteinander aus und jetzt verzieh dich.“

„Das will ich sehen!“ fauchte Hanabi.

„Du merkst nicht das du störst. Der Kleine wartet auf mich.“ meinte Akira mit einer Ruhe, die verwunderlich war, und legte ein dreckiges Grinsen auf.

„Du willst mit ihm schlafen!? Akira lass mich durch!“ Hanabi versuchte an Akira vorbei zu kommen, doch es klappte nicht. Der Rothaarige packte sie am Oberarm und schob sie mitsamt ihrer Freundin vor die Haustür. Die Schuhe schmiss er ihnen hinterher.

„Verdammt es ist mitten in der Nacht und wir möchten in Ruhe schlafen! Und außerdem ist Tsubaki ein Kerl! Ich schlaf doch nicht mit Männern!“ donnerte Akira und schlug die Haustür mit voller Wucht zu.

Er hob den Teddy erneut vom Boden auf und ging hoch ins Schlafzimmer.

Tsubaki reckte sich nach seinem flauschigen Freund und schloss ihn in eine Umarmung.

„Danke Akira.“ murmelte Tsubaki und schloss die Augen endgültig.

Die Vögel zwitscherten und brachen somit die Stille. Es war Vormittag und die neun jungen Menschen waren die einzigen im Park. Auf zwei Decken saßen sie verteilt. Die fünf Musiker saßen auf der einen und die anderen vier auf der jeweils anderen.

Tsubaki saß zwischen Mina und Shoya und gegenüber von Fuyuki. Der Schwarzhaarige betrachtete Kais Freundin eingehend und ihm fiel sofort die Rundung an ihrem Bauch auf.

„Was hast du da Fuyuki?“ fragte er schüchtern nach. Die Angesprochene strich mit der Hand über die Rundung, die Tsubaki einfach nur faszinierte.

„Ach das. Ich bin schwanger und werde in noch nicht mal sechs Monaten Mutter.“ strahlte die junge Frau und begann zu schwärmen. Natürlich wusste Tsubaki nicht recht, was es bedeutete schwanger zu sein, aber er war sich sicher, dass Akira es ihm erklären würde.

Daikis Freund Shoya verzog immer wieder das Gesicht und sog immer mal die Luft scharf ein.

„Hey Schoßhund setz dich endlich vernünftig hin!“, moserte Fuyuki und wandte sich zu Mina, die immer wieder zu ihrem Freund schaute.

„Mina-chan hör auf damit. Jin wird nicht aufspringen und das Weite suchen. Er würde dir das nie antun.“

„Aber ich hab trotzdem Angst. Du, Fuyuki, bist Kais Verlobte und erwartest sogar ein Kind, euer Kind, und musst dich nicht sorgen. Ich liebe Jin und möchte ihn nicht verlieren, aber da ich nicht die Hübscheste bin, habe ich eben immer Angst er könnte eine Frau finden, die besser ist als ich.“

„Wer hat gesagt, dass hier das Aussehen zählt? Auf den Charakter kommt es an und das ist das Wichtigste.“

„Da stimm ich dem Schoßhund zu. Wie siehst du das Tsubaki?“ fragte Fuyuki. Der Angesprochene nickte hastig.

„Mina ich kann verstehen, warum Jin dich liebt. Du bist eine richtig süße und aufrichtige junge Frau. Ich mag euch alle sehr gerne.“

„Lügt mich nicht an. Ihr drei seit alle Schönheiten. Fuyuki du bist perfekt und auch noch bodenständig. Tsubaki, du siehst aus wie ein Puppe. So zierlich und wunderschön. Und Shoya, du könntest jeder Frau vorgezogen werden.“ jammerte Mina und merkte nicht, dass Jin hinter ihr hockte.

„Mi-chan, du bist das niedlichste Mädchen, dem ich je begegnet bin und wenn ich dich sehe geht für mich die Sonne auf, auch wenn es dunkel ist. Du bist perfekt. Und deine Macken machen dich liebenswert. Hör auf die anderen vollzujammern und sei unbesorgt.“ Jin hauchte ihr einen Kuss in den Nacken, was Mina erröten ließ.

„Danke Jin.“ Dieser lächelte selig in sich hinein und gesellte sich wieder zu seinen Freunden.

„Na siehst du.“ grinste Shoya, aber das Grinse verschwand umgehend wieder.

„Was hast du?“ fragte Tsubaki besorgt.

„Mein Hintern tut nur etwas weh. Mach dir kein Sorgen.“ Fuyuki verdrehte die Augen.

„Hat Daiki dich mal wieder richtig gefickt?“ fragte die junge Frau gehässig.

„Fuyuki nicht vor dem Kleinen.“ zischte Shoya und krabbelte zu seinem Freund. Sofort bekam er einen Kuss und wurde auf den Schoß gezogen.

„Sag ich doch Schoßhund.“ Tsubaki verstand die Welt nicht mehr.

„Los Shoya ab auf die Weiberdecke.“ murrte Shota zwischen zwei Bissen.

„Weiberdecke?! Ich bin ein Mann. Tsubaki will bestimmt auch nicht als Frau abgestempelt werden.“ maulte der Angesprochene und schob die Unterlippe vor.

„Schoßhund bei Fuß.“ lachte Fuyuki vergnügt und klopfte auf den freien Platz neben sich. Tsubaki musste fragen.

„Wieso nennt ihr ihn immer Schoßhund? Ich versteh das nicht.“ Die Frauen kicherten.

„Na weil sich Sho-chan Daiki immer unterordnet und ihm aufs Wort gehorcht. Deshalb ist er ein Schoßhund.“ erklärte Mina und biss in ein Grünteebrötchen mit roten Bohnen. Tsubaki nickte und schaute zu Daiki und Shoya, die sich küssten.

„Shoya tut mir Leid. Er ist so in Daiki verliebt, doch der werte Herr beendet eine Beziehung immer nach drei Monaten.“

„Dann hat er nur noch zwei Wochen. Der Arme ...“, nuschelte Mina traurig.

„Ich mag ihn wirklich gerne. Dai ist dann auch nicht immer so ernst.“

Tsubaki konnte sich nicht vorstellen, dass die beiden Männer bald nicht mehr zusammen sein werden. Auf ihn machten sie einen glücklichen Eindruck und auch dem Gruppenklima schien es nicht zu schaden.

Shoya setzte sich wieder neben ihn und musterte den Jüngeren.

„Bist du müde?“ Tsubaki nickte und rieb sich die Augen. Die beiden Frauen ließen nur ein „Aww!“ von sich hören, was danach in einer Diskussion wie niedlich der Jüngste war endete.

Dieser wurde von Shoya auf dessen Schoß gezogen, wo er die Augen schloss.
 

Erst spät am Nachmittag brachen alle wieder auf. Tsubaki schlief immer noch, was Akira aber keines Wegs störte. Er musste eh nachdenken. Zwar wollte Akira die ganze Sache im Bad vergessen, doch er konnte es nicht. Am liebsten würde er Tsubaki schlagen, doch der Jüngere konnte nun wirklich nichts dafür, dass Akira nicht vergessen konnte.

Der Schwarzhaarige saß schlafend auf dem Beifahrersitz und sah so unschuldig aus wie eh und je.

// Ich hab es ihm doch versprochen ... Was soll der Scheiß? Wieso muss ich ständig daran denken?//

Akira kaute auf seiner Unterlippe rum und versuchte seinen Wagen nicht in den nächstbesten Straßengraben zu setzen.

Tatsächlich kam er heil zu Hause an und auch Tsubaki wachte langsam aber sicher wieder auf.

Akira beugte sich zu ihm runter und der Jüngere legte sofort seine Arme um dessen Hals.

Benommen saß er im Rollstuhl und zitterte leicht.

„Kalt?“ Der Schwarzhaarige nickte und umarmte sich selbst.

„So hab ich immer im Keller gehockt und mich nach Wärme gesehnt ... Können wir ... gleich kuscheln?“

„Bitte was?“ Akira hoffe sich bei Tsubaki bereits zum zweiten Mal verhört zu haben. Aber als der Kleine das ganze nochmal wiederholte und ihm dann noch sein niedliches Lächeln schenkte, war es eine Sache der Unmöglichkeit zu verneinen.

„Na gut.“ presste Akira hervor und schob Tsubaki ins Haus.

Freudig wurden die beiden von Manabu begrüßt. Der schwarze Kater sprang auf Tsubakis Schoß und schnurrte, als dieser ihn streichelte.

Akira zog sich die Schuhe aus und verschwand in der Küche, wo er Manabu das Futter hinstellte. Es war bereits nach achtzehn Uhr.
 

Nun saßen Akira und Tsubaki auf dem Sofa, doch wenn sie eines nicht taten, dann kuscheln. Immer wieder schaute der Schwarzhaarige zum Älteren, der gebannt auf den Fernseher starrte. Aufs Anstupsen folgte keine Reaktion, sodass Tsubaki unter größerem Kraftaufwand ganz dicht an Akira ran robbte und sich an dessen Oberarm kuschelte.

„Hm?“ blinzelte nach Akira den Jüngeren nach Stunden an. Der Krimi war vorbei und somit konnte er sich mit nichts mehr ablenken. Der Kleinere war an seiner Brust gekuschelt eingeschlafen.

„So müde?“ flüsterte er leise und ohne nachzudenken gab er Tsubaki einen Kuss auf die Stirn.

„Schlaf gut Kleiner!“

Das Erste was Akira bewusst zu Ohren kam war ein gequietschtes „Ohayou gozaimasu!“. Erschrocken riss er seine Augen auf und starrte auf den Fernseher. Das Gerät lief die ganze Nacht über. Gestern Abend war er einfach eingeschlafen. Es lief einer dieser Sendungen, die Akira nicht ausstehen konnte. Niedliche junge Frauen, die mit ihrer Quitschestimme den Menschen die Nerven raubten. Einfach nur ätzend.

Der junge Mann fischte die Fernbedienung aus der Sofaritze und schaltete das Gerät aus. Genervt fiel er zurück in das Kissen und seufzte. An seinem Bauch nahm er eine Bewegung war. Tsubaki hatte sich an seinen Bauch gekuschelt und ließ sich hervorragend mit einer Katze vergleichen. Akira schaute nur auf den dunklen Haarschopf des Jüngeren. Das Zopfgummi hatte sich in der Nacht gelöst und hielt die Haare kaum noch zusammen.

Kurz schaute er aus dem Fenster und musste feststellen, dass er keinen Meter weit sehen konnte. Der Himmel war schwarz und es regnete heftig. Jin hatte für heute eine Probe angesetzt zu der er klatschnass erscheinen würde.

In genau dem Moment klingelte sein Handy. Akira tat sich mit Tsubaki auf dem Bauch etwas schwer sich aufzurichten und bekam mit Mühe und Not das Handy gegriffen.

„Hallo Akira! Die Probe muss heute wohl ausfallen. Wegen dem starken Regen macht sich Mina totale Sorgen. Wegen den glatten Straßen und sie möchte nicht, dass auch nur einer von uns ins Auto steigt. Also ... macht dir mit Tsubaki ‘nen schönen Tag!“ Akira konnte genau hören, dass Jin grinste. Gestern durfte er sich auch anhören wie gut er mit seinem Mitbewohner zusammen passen würde.

„Gut, dass mit dem Zuhause bleiben kann ich gerne machen, aber ich werde mir keinen schönen Tag mit Tsubaki machen.“ knurrte der Rothaarige. Nun saß er kerzengerade auf dem Sofa und Tsubaki, der noch auf seinem Bauch lag, fiel ihm in den Schoss. Die Hand des Jüngeren lag genau auf seinem Schritt. Schlagartig wurde Akira rot.

„Wie auch immer, aber vertragt euch. Tsubaki-kun ist einfach nur knuffig. ... Hey du sagst ja nichts. Ist was passiert?“

„Ähm ... Nein alles in Ordnung.“ meinte Akira nur.

// Von wegen ich hab ‘nen Kerl im Schoß liegen. Wehe er bewegt sich! //

„Was machst du denn heute?“ fragte der Rothaarige, um vom Thema abzulenken.

„Wir backen einen Kuchen und machen uns einen schönen Tag im Wohnzimmer.“

Akira hörte aufmerksam zu und beobachtete die Regentropfen an der Fensterscheibe. Sein Kater lag auf dem Sessel und schaute zu ihm rüber. Allerdings war das Tier entweder zu faul oder zu müde, um zu ihm zu kommen.
 

Tsubaki wurde langsam wach und blinzelte Akiras Bauch an. Er wurde rot, als er bemerkte wo genau er lag. Vorsichtig richtete er sich auf und schaute Akira bei seinem Tun zu. Der Ältere starrte geistesabwesend auf einen Brief. Seine Mimik ließ Tsubaki auf etwas Unangenehmes schließen. Er wurde neugierig und griff nach dem Papier, was Akira noch nicht mal richtig festhielt. Es war ein Brief vom Jugendamt. Akira wurde mitgeteilt, dass ein Beamter heute bei ihm erscheine und sich mit Tsubaki vertraut machen würde. Zudem wurde er aufgefordert in einer Woche zu einem Gerichtstermin zu erscheinen, wo über Tsubakis Vormund entschieden werden soll.

„Du Akira was ist ein Vormund?“ fragte der Schwarzhaarige und stupste den Rothaarigen an. Akira erwachte aus seiner Starre und blinzelte Tsubaki verwirrt an.

„Jemand der für dich sorgt und Entscheidungen trifft solange du noch nicht volljährig bist. Und wie sitzt du überhaupt auf mir?“ Tsubaki zuckte mit den Schultern und umarmte Akira einfach. Der Ältere war froh über diese stürmische Umarmung, da Tsubaki so nicht sehen konnte wie er rot wurde. Der Jüngere saß ihm auf dem Schoß und war seinem Schritt gefährlich nah. Normalerweise war er das nur von Frauen gewöhnt, aber er wollte Tsubaki auch nicht von sich stoßen.

„Dann kommt dieser Beamte ja schon in anderthalb Stunden. Bei dem Wetter würde ich aber nicht vor die Tür gehen wollen.“ murmelte Tsubaki und kuschelte sich unbewusst an Akira.

„Dann sollten wir uns fertig machen meinst du nicht auch? Schnell baden gehen, Haare waschen und frische Sachen anziehen.“

„B-baden ... O-okay.“ In Tsubakis Stimme schwang ein ängstlicher Ton mit. Dies ignorierend schob Akira den Jüngeren von sich runter und stand auf. Nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, hob er Tsubaki hoch und trug ihn ins Bad.
 

Die Sozialarbeiterin stellte Tsubaki einige Fragen, die er auch so gut er konnte beantwortete. Akira saß seelenruhig daneben, las sich die ganzen Briefe durch, schaute ab und zu aus dem Fenster und trank Tee. Es regnete immer noch. Ihn ging diese Befragung nichts an. So dachte er zumindest.

„Dann hätte ich nur noch eine Frage an Sie Harada-san.“ Der Rothaarige blickte auf.

„In welcher Beziehung stehen Sie zu Beni-san?“ Akira verzog das Gesicht.

„Bitte was?“ Seit Tsubaki bei ihm war, musste er ständig nachfragen wie ein Satz gemeint war.

„Ich müsste nur wissen, ob es eine freundschaftliche oder gar sexuelle Beziehung ist.“ Tsubaki verstand überhaupt nichts mehr, was für ihn mittlerweile zur Normalität geworden.

„Er lebt hier bei mir. Wir kommen gut miteinander aus und es ist nie was passiert, was die freundschaftliche Grenze überschreiten würde.“

Tsubaki lehnte sich zu Akira rüber, während die Sozialarbeiterin das Gesagte aufschrieb, und flüsterte dem Älteren ins Ohr.

„A-Akira und was war das vorgestern?“ Die Frau sah wieder auf.

„Ja ich koch gleich das Mittagessen. Geduld dich noch ein bisschen.“ Der Schwarzhaarige nickte. Er wollte Akira nicht auffliegen lassen. Noch immer gab er sich die Schuld für den Vorfall.

„Wie ich sehen kann, kümmern sie sich gut um den Jungen und er schein auch glücklich zu sein. Wie ich es beurteilen kann, haben Sie gute Chancen auf das Sorgerecht, Harada-san.“ Sie stand auf, lächelte kurz den Jüngeren an und ließ sich von Akira zur Tür geleiten.
 

Erleichtert ließ sich Akira aufs Sofa fallen, schloss die Augen und lauschte dem Schnurren seines Katers, der sich seine Streicheleinheit bei Tsubaki abholte.

Diese eine Frage hatte ihn vollkommen verwirrt und er überlegte angestrengt wie er selbst seine Beziehung zum Jüngeren einschätzte. Akira würde objektiv gesehen sagen, dass sie einfach am Anfang einer Freundschaft standen, doch er konnte ebenfalls sagen, dass ihn

Tsubakis Keuchen nicht kaltgelassen hatte.

Aus dem Augenwinkel sah er wie Tsubaki sich in den Rollstuhl hievte und in Richtung Küche rollte. Irgendwie hasste Akira dieses Schweigen des Jüngeren, doch er vermutete, dass er von diesem Puppendasein noch lange nicht losgekommen war oder eben noch nicht bereit war sein Leben als Mensch vollends zu akzeptieren und bei ihm zu leben.

Als Akira die Küche betrat, holte Tsubaki gerade den Reis aus dem Schrank und schüttete diesen in ein Sieb über der Spüle und säuberte den Reis. Der Rothaarige war froh, dass Tsubaki wenigstens Reis kochen konnte ohne gleich die gesamte Küche in Brand zu setzen oder sich schwerwiegender zu verletzen. Er holte etwas Gemüse aus dem Kühlschrank, wusch und zerkleinerte es und erhitzte nebenbei Öl in der Pfanne.

„Akira was bedeutet schwanger?“ fragte Tsubaki und Akira sah ihn verdutzt an, wobei er nicht darauf achtete was genau er tat und schnitt sich in den Finger. Fluchend ließ er das Messer auf die Arbeitsplatte fallen und schüttelte die Hand etwas bevor er den Zeigefinger in den Mund nahm. Jetzt wusste er wieder wie sich so eine Schnittverletzung anfühlte.

„Wieso willst du das wissen?“fragte er, den Finger immer noch im Mund habend.

„Na ja Fuyuki ist schwanger und ich weiß nicht was das bedeutet und möchte, dass du es mir erklärst.“ Akira nahm den Finger aus dem Mund und begann zu überlegen.

„Schwanger sein bedeutet, dass in einem ein Kind heranwächst. Das ist schon alles.“ Damit machte er sich wieder daran das Gemüse zu schneiden.

„Ich will auch!“ verkündete Tsubaki und stellte die Herdplatte aus, da der Reis fertig war.

„Willst du auch ein Stück Paprika?“ fragte der Ältere, da er sich selbst ein Stück in den Mund schob, und drückte dem Schwarzhaarigen ebenfalls eins in die Hand, welche es sich sofort in den Mund warf. Das Gemüse gab er in die Pfanne und verrührte es kurz, bevor er den Deckel auf die Pfanne tat.

„Vielfraß!“ lachte Akira, als die Hand des Jüngeren in die Pfanne schnellte und sich ein Stück Paprika mopste, und tätschelte dem Jüngeren den Kopf. Das war einfach zu niedlich. Mit einem Kind war es nichts anderes.

„Nein ich will auch schwanger sein!“ Akira hielt inne, überdachte einen kurzen Moment das Gesagte und begann lauthals loszulachen. So was hatte er wirklich noch nie gehört.

„W-was hast du denn? Akira? Hab ich was Falsches gesagt?“ fragte der Jüngere verunsichert nach und zupfte an Akiras Oberteil, damit dieser ihn beachtete. Doch der Ältere hielt sich lieber den Bauch vor Lachen. Ihm kamen sogar die Tränen.

„Das ist schier unmöglich, Kleiner!“ gluckste er und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Schon lange hatte er so nicht mehr lachen müssen. „Dafür müsstest du schon eine Frau sein, um schwanger zu werden.“ Mit einem aufmunternden allerdings auch belustigtem Lächeln, war die Sache für Akira erledigt. Dem Jüngeren war er unangenehm sich so einen Fehltritt geleistet zu haben, weshalb er sich hinter seinen Haaren versteckte.

„Na komm das Essen ist gleich fertig. Hol zwei Schalen und Stäbchen raus und deck den Tisch.“
 

„Ich denke es wird in naher Zukunft noch Einiges geben, was ich dir erklären darf.“ meinte Akira während des Essens und wurde von Tsubaki ertappt angesehen. Der Ältere legte den Kopf schief, musterte den Schwanzhaarigen und grinste sich einen ab.

„Möchtest du was erklärt haben?“ Er wusste ganz genau, dass der Jüngere etwas auf dem Herzen hatte, doch ihm fehlte wohl einfach der Mut dafür. Der Jünger pullte im Reis rum, der urplötzlich das Interessanteste überhaupt war und selbst eine Staubfluse erhielt mehr Aufmerksamkeit, als Akira in diesem Moment.

Noch bevor dem Älteren der Geduldsfaden riss, klingelte es an der Haustür und er stand auf. Nur um nachzusehen, wer sich bei dem Wetter in diese Gegend rauswagte. Kaum hatte er die Tür geöffnet, drehte er sich weg, da eine Schimpftirade ihn zu erschlagen drohte.

„AKIRA DU ARSCH! Wie kannst du es wagen MICH bei diesem Scheißwetter hier raus zu bestellen und auch auf meine Anrufe nicht zu reagieren? Welches Flittchen hält dich jetzt schon wieder vom Sozialleben ab?“ Mit diesem Wortschwall trat eine junge Frau ein, zog sich ihre Schuhe und den Mantel aus und packte Akira am Kragen, nur um den jungen Mann ordentlich durchzuschütteln. Es war keine andere als Akiras Ex, die gerade ihrer schlechten Laune Luft machte und den hang dazu besaß überall irgendwelche Flüche einzubauen.

„In Gegenwart von Kindern flucht man nicht.“

„Kinder? Bist du jetzt doch Vater geworden? Das ich nicht lache!“

„Wer ist das, Akira?“ fragte Tsubaki, der mitsamt seinem Teddy zu den beiden Erwachsenen rollte und sich sein Kuscheltier an die Brust drückte.

„Nein was haben wir denn hier?“ damit begann Akiras Ex den Schwarzhaarigen wie ein Versuchsobjekt unter die Lupe zu nehmen und riss ihm aus reiner Laune heraus dem Teddy weg, den sie gegen die Wand warf und arrogant wie sie war am Jüngeren vorbeilief.

„Für so einen Schwachsinn ist das hier zu alt! Du bist so ein Kindskopf, Akira!“

// Oh je Tsubaki wird gleich bestimmt wieder weinen ... Was musste ich sie auch hierher bestellen?// Akira bereute es ausgerechnet seine Ex angerufen zu haben und sie wegen der Kleider herzubestellen, nur damit sie diese mitnehmen und vielleicht sogar stellvertretend für ihn verkaufen konnte.

„Au lass mich auf der Stelle los du Satansbraten!“ keifte seine Ex aus dem Wohnzimmer. Ihre Stimme hatte etwas Weinerliches; etwas was diese Frau nie offensichtlich machen würde.

Akira schaute nach, von Neugier getrieben, und auf seinem Gesicht erschien ein breites Grinsen.

Tsubaki hatte nach dem Handgelenk seiner Ex gegriffen und drückte zu. Für den Jüngeren schien es kein Problem darzustellen, dass die Frau zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Er hielt sich mit eisernem Willen fest und riss sie zu sich runter. Den Schmerzensschrei unterdrückend sah sie ihrem Gegenüber erschrocken in die Augen. Selbst Akira war von dieser Kraft beeindruckt und er glaubte zu wissen woher Tsubaki so kräftig war. Mit dem Rollstuhl konnte er sich problemlos fortbewegen, was daran lag, dass seine Arme daran gewohnt waren Schweres zu bewegen. Der Schwarzhaarige hatte manchmal immer noch die Angewohnheit sich irgendwohin zu schleifen. Verwunderlich war es demnach nicht wirklich.

„Nimm das zurück! Akira ist kein Kindskopf! Und du bringst mir meinen Teddy umgehen wieder, sonst kannst du was erleben!“ Die Frau erschauderte. Nicht nur seine Stimme klang beängstigend, angsteinflößender war eindeutig der Blick, der eine gesamte Armee hätte töten können. Erst als sie eine Entschuldigung stammelnd nickte, ließ er los. Sie stürzte in den Flur zurück zum Stoffbären, welchen sie schnell von den Staubflusen befreite und ihn seinem Besitzer zurückbrachte.

„Das ist lieb von dir!“ kicherte Tsubaki, der wieder ganz der niedlich-unschuldige Junge war, und herzte seinen flauschigen Freund.

„Tut mir schrecklich Leid, aber das Wetter färbt wohl auf meine Laune ab.“ murmelte sie mit verängstigter Stimme.

„Ja ich hatte heute auch schon so meine Momente, wo ich dachte ich lauf Amok. Aber jetzt zu dem weswegen du hier bist. Geh schon mal runter in den Keller, gerade aus durch in den hintersten Raum. Ich komm sofort nach.“ Kaum war sie aus dem Raum, schlug Tsubaki die Hände vorm Mund zusammen und kicherte vergnügt.

„Was lachst du jetzt?“

„Hehe sie hat Angst vor mir!“ Kopfschüttelnd hockte Akira sich vor den Jüngeren, welcher sofort auf seinen Rücken krabbelte, und ging mit ihm runter in den Keller.
 

Akiras Ex kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Wider ihrer Erwartungen waren die ganzen Kleidungsstücke noch im besten Zustand und sie wollte eines unbedingt behalten, da es ihr zum Verkauf zu schade erschien.

Tsubaki schenkte es ihr und während die beiden Erwachsenen die Kleider zusammenlegten und ins Auto verstauten, blieb er im Keller zurück und kämpfte mit den aufsteigenden Erinnerungen.

Seit zwei Tagen hatte sich Tsubaki nun schon im Wohnzimmer zwischen unzähligen Fotoalben einquartiert, blätterte diese durch und erzählte Akira von Früh bis Spät Geschichten aus vergangenen Tagen. Das meiste was er zu berichten hatte lag bereits 60 Jahre zurück; Zeiten in denen noch die Harmonie bei der Familie Harada Einzug erhielt, doch bereits angeknackst war. Doch auch zu der Zeit davor wusste der Schwarzhaarige zu erzählen.

Immer und immer wieder hörte sich der Rothaarige an wie freundlich der älteste Sohn der Familie war und - was Akira sich am aller wenigsten vorstellen konnte - wie bezaubernd doch seine Großmutter in jungen Jahren war.

Auch der Taschentuchverbrauch war angestiegen, da dem Schwarzhaarige die Tränen aus den Augen quollen, sobald er die glückliche, damals noch fünfköpfige Familie sah. Davon gab es viele Fotos.

Erst durch den plötzlichen Tod des jüngsten Kindes und dem Suizid der Mutter wurde Tsubakis Existenz auf den Plan gerufen. Der Jüngere war deswegen auch traurig, da ohne er diese schrecklichen Umstände niemals sein würde.

„Tsubaki komm beruhig dich. Die Zeit kann nicht zurückgedreht werden. Dein Schöpfer, dessen Ehefrau, der jüngere Sohn Naoki und meine Großmutter Akemi sind bereits verstorben oder auf andere Weise ums Leben gekommen.“

„A-aber was ist mit Tomoyuki? Vielleicht lebt er ja noch und ich kann ihn wiedersehen! Akira bitte, bitte finde heraus wo er ist. Ich will meinen Tomoyuki wiedersehen!“

Deinen Tomoyuki? Seit wann stellst du hier Besitzansprüche?“

// Hatte er etwa was mit diesem Mann? Das kann ich mir nicht vorstellen. Er hat Null Erfahrung, weiß noch nicht mal was ein Ständer ist und er wirkt viel zu unschuldig. Nein das war höchstens eine kindliche Liebe wie bei Geschwistern!//

„Akira ... es tut mir Leid.“ Der Angesprochene wurde aus seinen Gedanken gerissen und er schüttelte kurz den Kopf, um zu verneinen.

„Es ist normal, dass man bestimmte Dinge oder auch Menschen haben möchte. Ich möchte gewisse Dinge auch besitzen und sie nie wieder hergeben.“

„Aber Besitz darf nichts besitzen wollen. Ich bin in deinen Besitz übergegangen und gehöre dir, aber deine Tante möchte mich haben ... Wärst du traurig, wenn ich nicht mehr hier wäre?“

„Das weiß ich doch nicht. Hanabi ist ein verlogenes Stück und mir wird eh alles genommen, also hänge ich mein Herz auch an nichts mehr, was verloren gehen könnte.“

„Oh ... Meine Herrin hatte einen Sohn, deinen Vater. Auf Bildern habe ich deine Mutter und deinen Vater gesehen, aber in jüngster Zeit ... Haben sie dich verstoßen? Wo sind deine Eltern, Akira?“

„Tot. Ein Autounfall. Ich war elf.“ antwortete er mit grimmiger Miene und verschränkte die Arme. Ein Versuch die Trauer abzuwehren, nicht zu weinen und kein Häufchen Elend zu sein. Doch je mehr er sich sträubte diese Tränen zuzulassen, desto feuchter wurden seine Augen; Tränen rannten seine Wangen unaufhaltsam hinab und tropften auf sein Hemd.

Tsubaki rückte näher zu ihm, schlang seine Arme um Akiras Oberkörper und presste sich dicht an ihn. Manabu gesellte sich ebenfalls dazu und leckte seinem Herrchen tröstend über die Wange, was Tsubaki nachahmte und die Tränen wegleckte.

Der Rothaarige bemerkte die gut gemeinte Absicht und drückte den Jüngeren an sich, presste sein Gesicht in die Halsbeuge und schluchzte auf. Normalerweise würde er es nicht zugeben, doch diese Art von Trost hatte er sich all die Jahre gewünscht. Die Schulter zum Ausweinen saß die ganze Zeit im Keller, doch nie war er auf die Idee gekommen sich einer Marionette anzuvertrauen, hatte sich lieber einen Kater gekauft und diesem die Seele ausgeschüttet.

„Normalerweise weine ich nie.“ nuschelte Akira beschämt in die Halsbeuge und zog Tsubaki endgültig auf seinen Schoß, damit er dem Jüngeren nicht wehtun konnte, wenn er ihn so an sich drückte.

„Das macht doch nichts. Ich weine doch andauernd und ich kann diese Trauer mehr als gut nachvollziehen! Wein einfach so lange bis keine Träne mehr kommt und ich bleibe einfach so auf deinem Schoß sitzen und halte dich fest.“

„Tsubaki ... Danke!“ Akira war so gerührt über die Worte des Schwarzhaarigen, dass er nun vor Freude weinte und sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen stahl. Dann begann er einfach zu erzählen. Über seine Kindheit, sein Eltern, die Einsamkeit, die er nach dem Unfall empfunden hatte und vieles mehr, was ihm in all den Jahren widerfahren war.
 

Tsubaki wurde durch Manabus Mauzen geweckt. Nachdem Akira sich in den Schlaf geweint hatte, war auch er müde geworden und ist an Akira geschmiegt ebenfalls ins Land der Träume abgetaucht. Das Tier hatte Hunger und schlich beleidigt in die Küche, begann dort seinen Frust am Küchenschrank auszulassen.

Der Schwarzhaarige robbte von Akira runter, hievte sich in den Rollstuhl und eilte in die Küche, um Manabu zu füttern und damit Schlimmeres zu verhindern.

„So hier hast du den Futter. Hoffe du bist zufrieden.“ Der Kater stürzte sich auf seinen Futternapf. Tsubaki hatte seine Pflicht erfüllt und rollte zurück ins Wohnzimmer, wo Akira mittlerweile auf dem Sofa lag. Nah an die Sofalehne gedrückt und in den Kissen vergraben.

Der Schwarzhaarige lächelte bei diesem Anblick. Der Ältere sah friedlich aus; mit sich und der Welt im Reinen, doch er wusste, dass dies nicht stimmte.
 

Tsubaki nahm sich ein Fotoalbum vom Stapel und begann sich die Bilder anzusehen auf denen eine kleine Kamelie abgebildet war, die sein Schöpfer damals mit seiner Frau zum zehnten Geburtstag von Naoki in den Garten nahe der Küche pflanzte und diese dort immer stehen sollte.

„Ob sie immer noch an der selbst Stelle steht?“

Da ihm diese Frage einfach keine Ruhe ließ, rollte er in die Küche und schaute von dort aus aus dem Fenster in den Garten. Als er die roten Blüten sah, atmete er erleichtert auf, öffnete das Fenster und pflückte eine Blüte, welche er behutsam auf seine Handfläche positionierte und sie verträumt ansah.

// „Schau Tsubaki. Mit der Blüte im Haar siehst du wunderschön aus!“ „Tomoyuki ich aber auch. Ich seh eh viel süßer aus!“ „Akemi du bist ziemlich eitel, wenn es um dein Aussehen geht. Tsubaki ist süßer, weil er jetzt rot ist!“//

Mit der Kamelie verband er viele schöne Momente. Tomoyuki und Akemi verbrachten immer viel Zeit mit ihm, besonders im Garten war es das ganze Jahr über schön, was man jetzt nicht mehr behaupten konnte. Der Anblick tat Tsubaki im Herzen weh. Der Rasen war verwildert, Unmengen an Unkraut, kleinen Bäumen, die dort nichts zu suchen hatten, und herumliegendes Geäst, welches von Bäumen kam, denen es bei den Stürmen nicht sonderlich gut erging. Die Hecke hatte längst nicht mehr einen annehmbaren Schnitt und wuchs gleichermaßen in die Höhe und Breite. Akira musste im Garten etwas Ordnung schaffen, damit es nicht noch mehr verwahrloste. Somit kehrte er ins Wohnzimmer zurück.
 

Akira saß auf der Rückbank des Autos seiner Eltern und betrachtete die vorbei rauschende Landschaft. Bald würde sie wieder zu Hause sein. Er hörte seinen Eltern zu, die sich Gedanken über das Abendessen machten, gemeinsam lachten. Es war ein schöner Tag gewesen. Sie hatten Akiras Großvater bei seiner neuen Familie besucht und er hatte Hanabi im Garten geholfen. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, welches jedoch sofort erstarb, als seine Mutter aufschrie. Ein Auto war ins Schleudern geraten und kam auf sie zu.

Der Aufprall war sehr stark und die Windschutzscheibe zerbrach in tausend Splitter. Akira schlug mit dem Kopf gegen den Fahrersitz und wurde dann vom Sicherheitsgurt in seinen Sitz zurückgezerrt. Ihm wurde schwarz vor Augen.

Als er wieder zu sich kam, spürte er keine Schmerzen, obwohl sein Arm zerkratzt war und Glassplitter sich in seine Hand gebohrt hatten. Benommen schnallte er sich ab und lehnte sich nach vorne, wo seine Eltern saßen.

„Mama ... Papa!“

Sein Vater war blutverschmiert, von Glassplittern durchbohrt, regte sich nicht mehr. Die Brust seine Mutter hob und senkte sich in unregelmäßigen Abständen. Panisch begann er sie zu schütteln, wollte, dass sie am Leben blieb und ihn beschützte.

„Mama, Mama wach auf! Mach die Augen auf Mama!“

„Akira ... bleib immer so ein aufrichtiger Junge, hörst du? Papa und ich haben dich sehr lieb ... Ich werde immer bei dir sein.“
 

„MAMA!“ schrie Akira und saß kerzengerade auf dem Sofa. Sein Herz raste. Tränen liefen sein Gesicht herab und vereinzelte Haarsträhnen klebten an seiner Stirn.

„Akira was ist los?“ fragte Tsubaki besorgt und setzte sich zu ihm. „Hattest du einen bösen Traum?“ Akira nickte und rieb sich die Augen; darauf hoffend, dass damit auch die Bilder des Unfalls vor seinen Augen verschwanden. Er zog die Beine nah an sich.

Dann schlug er halbherzig nach Tsubaki, der sich sofort an die getroffene Stelle fasste und ihn mit einer ordentlichen Portion Unverständnis anblickte, die Augenbrauen zusammengezogen.

„Was sollte das? Das tut weh.“

„Das war nur dafür, dass du die ganzen Erinnerungen an meine Eltern wieder hervorgekramt hast, die ich all die Zeit verdrängt habe!“

„Verdrängt? Du darfst sie nicht vergessen wollen! Ein Mensch stirbt endgültig, wenn er vergessen wird! Das darfst du nicht zulassen.“

„Sobald ich sterbe hat eh keiner mehr Erinnerungen an meine Eltern. Was kümmern mich die paar Jahrzehnte des Vergessens früher?“ Nun war Tsubaki an der Reihe Akira zu schlagen; fester als ursprünglich gewollt. Von der Wucht des Schlages verlor der Rothaarige das Gleichgewicht und fiel vom Sofa auf den Boden, wo er liegen blieb.

„Deine Eltern wären sehr enttäuscht von dir.“ fauchte Tsubaki aufgebracht. Er wollte, dass kein Verstorbener vergessen wurde, solange es noch Menschen gab, die Zeit mit dem Verschiedenen verbracht hatten.

„Ich enttäusche nur. Nicht mehr lange und auch du wirst sehen, dass ich dazu veranlagt bin.“

Tsubaki schwieg. Der Rothaarige richtete sich wieder auf. Er setzte sich neben den Schwarzhaarigen aufs Sofa, der den Kopf gesenkt hielt, doch es war keine Schwierigkeit für Akira zu sehen, dass ein Mundwinkel nach oben verzogen war. So gesehen eine gehässige Geste, doch beim Jüngeren wirkte es einfach nur verstörend bis gruselig.

„Ja, Akira, ich weiß. Du bist wie Tomoyuki. Sagst erst, dass du dich um mich kümmerst und dann lernst du eine Frau kennen, die du heiratest. Ich werde dir überflüssig erscheinen. Du wirst mich wieder zur Marionette machen, mich in den Keller bringen und dort verrotten lassen! Weißt du, was ich wert bin? Nichts, rein gar nichts!“ Als er dann auch noch zu lachen begann, stand Akira auf und flüchtete in die Küche.
 

Er konnte sich dieses seltsame Verhalten von Tsubaki einfach nicht erklären. Vorige Tage war er einfach nur sauer, dass seine Ex ihm den Stoffbären aus den Händen gerissen hatte und Akira beleidigte. Doch heute? Das passte einfach nicht zum Jüngeren. Oder war das Ganze nur eine Masche, die er sich antrainiert hatte, damit ihm keiner was übel nehmen konnte?

Ein kühler Windzug ließ ihn frösteln. Das Fenster war immer noch geöffnet. Akira schloss das Fenster, als ihm die rote Kamelienblüte ins Auge fiel. Behutsam hob er sie auf und legte sie auf die Arbeitsfläche, holte schnell er ein flaches Schälchen raus, füllte es mit Wasser und legte die rote Blüte rein. Es wäre zu schade sie wegzuwerfen. Manabu sprang auf die Anrichte, schmiegte sich an Akiras Hand, und wollte gestreichelt werden. Akira zuckte kurz zusammen, brauchte einen kurzen Moment, um sich zurecht zu finden, und streichelte seinen Kater, welcher zufrieden schnurrte. Das Lachen war verstummt. Ein leises „A-Akira? Akira?“ konnte er vernehmen, doch reagieren wollte er nicht. Er kam sich verarscht vor und ließ es den Jüngeren mit eisernem Schweigen wissen.
 

Später am Nachmittag verließ Akira alleine die Villa und fuhr zum Friedhof. Er hatte plötzlich das dringende Bedürfnis das Grab seiner Eltern zu besuchen und dort seinen Eltern alles Geschehene zu berichten.

Tsubaki hatte er nicht bescheid gesagt. Besser gesagt, er konnte es nicht. Der Schwarzhaarige lag schlafend auf dem Sofa. Manabu hatte es sich auf seinem Bauch gemütlich gemacht und wenn er später aufwachen würde, wäre er so gesehen nicht alleine. Die Kamelie hatte er ihm auf die Handfläche gelegt. Es passte einfach gut. Sogar so gut, dass Akira sich vor das Sofa hockte und Tsubakis friedliches Gesicht mit der Blüte in der Hand davor fotografierte. Wenn er sich recht entsinnte konnte er sogar Tsubakis vollständigen Namen in den Unterlagen der Beamtin lesen: Tsubaki Beni. Der Jüngere wurde nach der Kamelie im Garten seiner Familie benannt.
 

Am Friedhof angekommen zögerte er kurz, betrat das Gelände dennoch, nachdem er mehrmals bewusst ein- und ausgeatmet hatte.

Wie lange war es nun her, dass er das Grab seiner Eltern besucht hatte? Es waren gefühlte Ewigkeiten vergangen seit seinem letzten Besuch.

Akira hatte die Befürchtung ein verwittertes und ungepflegtes Grab vorzufinden. Diese Befürchtung quälte ihn und saß ihm den ganzen Weg lang im Nacken.

Zu Unrecht. Ein rundum gepflegtes Grab erwartete ihn. Frische Blumen standen in einer kleinen Plastikvase und das Grab war wahrscheinlich erst vor Kurzem neu bepflanzt worden. Es überraschte den Rothaarigen sogar etwas, dass es anscheinend jemanden gab, der sich liebevoll um das Grab kümmerte.

Auch wenn der kühle Herbstwind an seiner Kleidung zerrte und mit seinen Haaren spielte, stand er vor dem Grab und redete sich seinen Kummer von der Seele. Selbst Tsubaki erwähnte er. Von seinen zweigeteilten Gefühlen, die er mit dem Schwarzhaarigen verband und über die er sich manchmal nicht recht bewusst war. Das eine Gefühl vergas er allerdings, sobald er wütend wurde.

„Entschuldigen Sie bitte junger Mann.“ Eine ältere Dame Ende 60 war zu ihm getreten. Sie hatte ein freundliches Lächeln aufgelegt und war der Typus von älterer Dame, die man einfach gern haben musste. Akira grüßte sie freundlich und fragte die Dame umgehend was sie von ihm wollte.

„Ich habe Sie reden hören und als Sie den Namen Tsubaki Beni in den Mund nahmen wurde ich hellhörig.“

„Kennen Sie ihn?“

„Nein. Nicht persönlich. Nur mein Vater erzählt in letzter Zeit immer öfters etwas von einem Jungen mit diesem Namen. Mein Vater würde ihn gerne wiedersehen. Sich bei dem Jungen

entschuldigen bevor er von uns geht.“

„Ihr Vater stirbt? Das tut mir Leid für Sie. Bei mir lebt so ein Junge, aber das ist unmöglich, dass Sie ausgerechnet ihn suchen.“

„Den Jungen, den ich suche, hat lange schwarze Haare, dunkelblaue Augen und ist recht klein und zierlich. Seine Beine sind gelähmt und er ist laut meinem Vater sehr androgyn.“ erklärte die ältere Dame.

„Ah ja ... Dann lebt der Tsubaki, den Sie suchen bei mir zu Hause.“

„Dürfte ich vielleicht mit zu ihnen kommen? Zwar kennen wir uns nicht, doch ich muss dem Jungen von meinem Vater berichten.“ Die Dame sah Akira flehend an. Es lag ihr sehr am Herzen den letzten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen.

„Tut mir Leid. Es hat nichts mit Ihnen zu tun. Der Kleine muss allerdings seine Strafe aussitzen ehe er Besuch empfangen darf. Aber ich kann Ihnen meine Kontaktdaten geben und Sie melden sich die Tage nochmal.“ Sie nickte und gab Akira Zettel und Stift. Schnell kritzelte der Rothaarige Telefonnummer und Adresse darauf und gab der Dame alles wieder zurück.

„Haben Sie vielen Dank ... Harada-san?“ Sie geriet ins Stocken. Eigentlich war Akira bereits einige Schritte von der Dame entfernt, dennoch hielt er inne und drehte sich auf dem Absatz um. Zwar hatte er dafür keinen Nerv mehr, aber er wollte freundlich bleiben.

„Ist noch was?“

„Sie haben den selben Nachnamen wie meine Familie.“

„Na und? Das kommt schon mal vor.“

„Nein das meine ich zwar auch, doch ... Einen Moment bitte.“ Sie wand sich zum Grab seiner Eltern und blickte dann erstaunt zu Akira.

„Kaum zu glauben. Hat mein Cousin solch einen hübschen Sohn! Sie sehen ihn wirklich ähnlich. Aber die Augen haben Sie von Ihrer Mutter.“

„Bitte was? Wollen Sie mir sagen, dass Sie die Cousine meines Vaters sind? Wir sind verwandt?“

„Sieht ganz so aus. Wie geht es Akemi-san?“

„Sie ist vor knapp zwei Wochen verstorben.“ antwortete Akira kühl, zeigt so, dass er nicht die geringste Lust hatte das Gespräch weiterzuführen.

„Das wird Vater traurig stimmen. Nun denn ich werde die Tage mal vorbeischauen. Bis bald!“ Eiligen Schrittes entfernte sich die ältere Dame und als Akira ihr hinterherrief, wie denn ihr Vater hieße, kam einzig ein „Tomoyuki!“ zurück.

Als Akira sein Auto vor der Villa parkte war längst der späte Nachmittag hineingebrochen. Angenervt vom Stau, in welchen er auf der Heimfahrt geraten war, und erschöpft vom heutigen Tag, ließ sich Akira auf das Lenkrad sinken.

Er wusste nicht, was ihn in der Villa erwarten würde. Das Einzige, was er wusste, war, dass Manabu Hunger hatte und auf sein Fressen wartete, wenn dieser bereits wieder daheim sein würde.

Ob Tsubaki nun wieder der niedliche unschuldige Junge war, stand in den Sternen. Akira war mulmig zu Mute, als er an das seltsame Verhalten des Schwarzhaarigen dachte. Hatte er sich wieder gefangen? Oder hatte er immer noch dieses verstörende Grinsen aufgelegt und gab Schwachsinn von sich?

Keine konnte ihm das beantworten.

Mit einem Klacken öffnete er die Haustür. Drinnen wurde er von der Dunkelheit begrüßt. Nur schwach drang das Tageslicht in die Villa. Im Flur kam das wenige Licht nie an, was ihn allerdings nicht störte. Akira schlüpfte aus seinen Turnschuhen und stellte sie in den Schuhschrank. Dann lehnte er sich mit dem Rücken an die Wand und rutschte an dieser zu Boden. Müde rieb er sich die Augen und lauschte in die Dunkelheit hinein. Seinen Kater traf er nicht in der Villa an. Um diese Zeit lungerte Manabu immer in der Gegend rund um die Villa herum, bevor er kurz nach Eintritt der Dunkelheit wieder heimkehrte.

Einzig ein leises Atmen war zu hören. Seine Augen hatten sich zwar an das wenige Licht, welches durch die Fenster fiel, dennoch tastete er nach dem Lichtschalter. Der Flur füllte sich mit einem weichen gedämpften Licht. Akira mochte es so lieber, da seine Augen grelles Licht nicht recht vertrugen.

Sein Blick fiel umgehend auf Tsubaki, der am Schuhschrank gelehnt schlief. In seinen Händen hielt der einen vollgeschriebenen Notizblock. Gleich neben ihm lag ein Bleistift auf der Erde. Möglichst geräuschlos krabbelte der Rothaarige zum Jüngeren und setzte sich neben ihn. Den Block zog er ihm aus den Händen und begann das Geschriebene zu studieren. Tsubakis Schrift war abwechslungsreich. Zwischen einer kaligraphischen Schönschrift tauchte immer wieder schlecht lesbares Gekrakel auf.

Der Jüngere entschuldigte sich die ganze Zeit bei Akira, wich ständig vom Wesentlichen ab und an einigen Stellen waren die Schriftzeichen verwischt und an eben jenen Stellen wellig. Ein Zeichen dafür, dass er beim Verfassen des Textes geweint hatte.

„Du bist für einen Jungen etwas zu nah am Wasser gebaut. Versuch dich mal zusammenzureißen.“ murmelte Akira und löste das Haargummi aus dem schwarzen Haar.

Die langen Strähnen fielen über seine Schultern und rahmten das friedlich schlafende, feingeschnittene Gesicht ein. Akira versuchte sich vorzustellen wie Tsubaki wohl mit kurzen Haaren aussehen mochte. Er griff einige Strähnen und hielt die Spitzen an den Haaransatz, doch schnell stellte er fest, dass die Haare am besten lang blieben.

„Akira ... Ich hab ... dich lieb ...“ murmelte Tsubaki im Schlaf. Unweigerlich schlich sich ein Lächeln auf die Lippen des Rothaarigen. Der Jüngere schien wieder ganz er selbst zu sein.

„Hey, Tsubaki, wach auf. Komm ich muss dir noch die Kontaktlinsen rausmachen. Mach die Augen auf Kleiner.“ Sanft schüttelte er ihn.

„Akira? Akira!“ hauchte Tsubaki und fiel dem Älteren in die Arme. Sein Gesicht presste er an Akiras Brust. Beruhigend strich Akira ihm über den Rücken.

„Keine Angst ich bin ja da. Hast du Hunger?“ Die Antwort war ein Nicken.
 

Am Esstisch saß Tsubaki dicht an Akira gerückt und hörte diesem zu. Er war froh, dass er Akira überzeugen konnte zum Grab seiner Eltern zu gehen. Nun wirkte der Ältere viel entspannter. Was Akira verwunderte, war, dass Tsubaki immer nur nickte anstatt zu sprechen. Es war ein befremdliches Verhalten, welches sich Akira nicht recht zu erklären wusste.

„Akira kannst du mir die Schale noch mal voll machen?“ krächzte Tsubaki seine Frage und zeigte auf die große Schale mit Reis; unterbrach Akiras Gedankengänge, die absurde Formen annahmen. Kein Wunder, dass er nicht sprach. Er war so heiser, dass man hätte fünfmal nachfragen müssen.

Akira füllte die Schale auf und stellte sie vor den Jüngeren ab, der beherzt begann sich über den Inhalt her zu machen.

„Weswegen bist du so heiser? Ich meine du klingst so, als hättest du dir die Seele aus dem Leib geschrieen.“

„Habe ich ja auch. Du warst einfach weg ohne mir Bescheid zu sagen. Ich wusste nicht, weswegen du die Villa verlassen hattest. Die ganze Zeit habe ich nach dir geschrieen, dich um Verzeihung zu beten, auch wenn ich nicht wusste wofür, und bin in den Flur, hab gewartet.“

Nun verstand der Rothaarige einige Umstände besser, doch für diese plötzliche Verhaltensveränderung fand er keine logische, für ihn selbst nachvollziehbare Erklärung. Zwar spielte er mit dem unangenehmen Gedanken, dass Tsubaki vielleicht eine zweite unbewusste Persönlichkeit inne hatte, aber er konnte es sich kaum vorstellen. Obwohl es möglich war.

Später würden sie den restlichen Tag im Wohnzimmer verbringen und fernsehen. So hoffte Akira.
 

Hanabi passte in letzter Zeit kaum etwas. Dauernd hatte sie schlechte Laune, aß zu den unmöglichsten Zeiten diversen Süßkram und hockte stundenlang vor dem Fernseher und schaute Liebesfilme, was gar nicht ihre Art war. Seit ihrem Arztbesucht am Morgen hatte ihre Laune den Tiefpunkt scheinbar erreicht. Sie war schwanger.

Sie ging danach einfach in ein Café und setzte sich in die hinterste Ecke, aß Kuchen und trank Tee. Nichts ahnend saß sie dort eine ganze Weile, doch als Akiras Freunde das Café betraten und sich in ihre unmittelbare Nähe setzten, wäre sie am liebsten geflüchtet. Doch sie blieb.

Neugierig sah sie sich das Geschehen an und bewertete ihr Verhalten und suchte jeden noch so kleinen Grund Tsubaki aus diesem Umfeld zu holen. Sie kannte die Freunde ihres Neffen gut genug, doch noch mehr Beweise für einen schlechten Umgang konnten nicht schaden.

Die beiden Frauen saßen nebeneinander und sahen sich Fotos an, während Kai seine Verlobte im Arm hatte. Jin diskutierte eifrig mit Shota über den Auftritt, den sie am Wochenende haben werden würden und Daiki schob Shoya ein Stück Kuchen in den Mund. So gesehen ging es doch recht geordnet vor.

Innerlich lief Hanabi Amok. Was benahmen sie sich alle so zivilisiert?

Alle waren sie in der Mittelschule kleine Dämone gewesen und gingen selbst als Erwachsene ihrer Pflicht nicht nach.

Jin hatte nur Flausen im Kopf gehabt, hatte bei Diskussionen lieber seine Fäuste sprechen lassen und duldete keine andere Meinung als seine Eigene. Zwischen Mann und Frau unterschied er nie und anders als die meisten Jungen stand er nie peinlich gerührt, lächelnd neben seiner Freundin und ließ sich rumschubsen. Wenn ihn was nicht passte schlug er zu.

Kai, Fuyuki und Shota schwänzten mit Akira die Schule so oft sie wollten, gingen statt dessen in Spielhallen und besorgten sich auf illegale Weise Alkohol und von Daiki wusste sie, dass er jeden vögelte, der bei Drei nicht auf dem Baum war.

Konnten sie sich alle in den letzten Jahren so verändert haben?

Da das Café nicht sehr gut besucht war, konnte sie die Gespräche belauschen. Bei den Frauen war das Gesprächsthema von vornherein klar: Fuyukis Schwangerschaft. Und auch die Herren der Schöpfung hatten ein Thema: Sex. Klar das sie mal wieder nur an das Eine dachten.

„Shoya macht immer so ein süßes Gesicht, wenn er kommt!“

„Herr mein Gott, Daiki! So genau wollte ich das nun wieder auch nicht wissen.“

„Daiki reicht mir schon als Anrede!“ lachte dieser und boxte Shota gegen den Oberarm.

„Hör bitte auf, den anderen solche Sachen zu erzählen. Das ist privat.“ nörgelte Shoya und kniff die Augen zu. Wie gerne wäre er umgehend im Erdboden versunken.

„Hey was soll das? JIN!“ krächzte Daiki, der vom Kleinsten in den Schwitzkasten genommen wurde. Jetzt wurde es für Hanabi mehr als interessant.

„Ich habe dir schon des Öfteren gesagt, dass du in der Band eine Aufgabe hast, also erledige sie auch gewissenhaft. Ich kann nicht immer alles organisieren. Und außerdem hast du mir die Noten immer noch nicht zugeschickt.“ knurrte Jin bedrohlich.

„Is‘ ja gut. Schatz erinner' mich zuhause daran.“ Der Angesprochene nickte. Jin ließ locker und stützte sich stattdessen auf die Schultern des Sitzenden.

„Ich lass es nur sein, weil wir Publikum haben. Einen schönen guten Tag, Hanabi-san!“

Hanabi verschluckte sich an ihrem Getränk, fing sich allerdings schnell wieder und versuchte Jin mit ihren Blicken zu erdolchen. Vergebens. Der junge Mann war immun dagegen.

„Wie geht es dir?“ grinste Jin sie an. Ein selbstgefälliges Grinsen wie Hanabi fand. Solche Menschen mochte sie einfach nicht.

„Du fragst nach meinem werten Befinden? Mir ging es gut bis du mich angesprochen hast.“

„Ach ist das so?“ stichelte Jin angriffslustig. Vorsichtshalber stand Mina auf und legte beruhigend ihre Hand auf die Schulter ihres Freundes.

„Jin beruhig dich. Sie meint es bestimmt nicht so!“

„Und ob ich das so meine.“

„Na dann.“ Jin entzog sich der Berührung seiner Freundin und trat vor Hanabis Tisch. Die Frau rümpfte verachtend die Nase. Zumal sie diesen Geruch von Zigaretten nicht leiden konnte.

„Was willst du? Mich umbringen?“ Anstelle einer Antwort kniete Jin sich vor Hanabi und verbeugte sich tief, ehe er sich entschuldigte. Hanabi vermochte diese Geste kaum in das Verhalten des jungen Mannes einzuordnen. Entschuldigungen passten nicht in sein Verhaltensmuster; waren eine absolute Ausnahme.

Jin lugte zu Hanabi hoch, versuchte eine Reaktion ihrerseits zu erkennen.

„Hanabi-san bitte nehmt Jins Entschuldigung an. Er meint es ernst.“ bat Mina.

„Von mir aus. Ich nehme deine Entschuldigung an Jin.“

„Ich danke Euch.“ Das wurde Hanabi zu viel. Nun wurde er auch noch höflich.

„Du würdest mir eine große Freude bereiten, wenn ich wieder allein sein dürfte."

Er stand auf und ging zu seinen Freunde zurück. Sie hatte wieder Zeit sich ihrem Stück Kuchen zu widmen.
 

Hanabi verließ das Café eine gute halbe Stunde später. Sie fühlte sich mit einem Mal vollkommen hilflos. Da ihre Freundin keine Zeit hatte, rief sie ohne groß darüber nachzudenken ihren Neffen an, der alles andere als begeistert war.

„Was willst du?“

„Ich ... Akira ... Dürfte ich zu dir kommen?“

„Was hast du vor Hanabi?“ fragte Akira scharf.

„Nichts ... Ich brauche nur jemanden, der mir Halt gibt.“

„Wenn du Halt suchst, dann geh zu deinem Vater! Hey Tsubaki was-?“

„Hallo? Hanabi-san?“

„Tsubaki ...“

„Du willst zu Akira? Komm zur Villa.“

„Ja. Danke Tsubaki.“ Hanabi verstaute ihr Handy in ihrer Tasche und machte sich eilig auf den Weg zu ihrem Wagen.
 

Hanabi saß seit geraumer Zeit in dem Sessel in den ihr Neffe sie gedrückt hatte und vermied es tunlichst diesem in die Augen zu schauen. Der Rothaarige hatte eine Laune zum Eier abschrecken. Klar war er wütend, dass Tsubaki einfach über seinen Kopf hinweg

entschieden hatte, dass sie zu ihnen kommen durfte, doch er musste doch nicht mit verschränkten Armen und einem Blick, als würde er aus reiner Laune heraus töten wollen, ihr gegenübersitzen. Tsubaki saß schweigend neben Akira, nestelte sichtlich nervös am Saum seines Oberteils und sein Blick huschte von Hanabi, zu Akira und wieder zurück.

„Wieso tu ich mir diesen Zirkus hier eigentlich an? Ich wollte das hier schon mal gar nicht. Wenn mich jemand sucht, ich bin im Arbeitszimmer.“ brummte Akira, stand auf und knallte die Tür hinter sich zu. Im Arbeitszimmer griff er nach seiner Gitarre und zupfte wahllos an den Saiten.

Tsubaki zuckte unmerklich zusammen. Er mochte es nicht, wenn die Türen derartig zugeknallt wurden. Hanabi stand auf und setzte sich neben Tsubaki.

„Tut mir Leid, dass er solche Laune hat. Das ist meine Schuld.“ nuschelte Tsubaki und schenkte Hanabi ein aufrichtiges Lächeln.

„Ist schon okay. Ich kenn ihn gar nicht mehr anders. Wenn ihm was nicht passt, dann bockt er rum wie ein kleines Kind.“

„Hanabi-san darf ich dich was fragen? Es geht darum, dass du mich zu dir holen möchtest. Ist das wahr? War deswegen auch diese Frau vorige Tage hier?“

„Ja, es stimmt. Akira kann einfach keine Verantwortung für andere übernehmen. Auf sich selbst aufpassen bekommt er gerade so hin. Wenn es dich traurig macht, dann tut es mir Leid, doch ich möchte nur, dass du es gut hast.“

„Vielleicht ist es besser so. Akira bin ich nur im Weg und vermissen würde er mich auch nicht. Aber egal. Weswegen wolltest du kommen?“

Hanabi schüttete Tsubaki ihr Herz aus, erzählte ihm alles, was sie bedrückte. Irgendwann legte der Schwarzhaarige tröstend einen Arm um Akiras Tante, die daraufhin einfach zu weinen begann.
 

Akira merkt bereits nach einer halben Stunde, dass er in einem Kreatief hing und aus diesem nicht mehr so schnell rauskommen würde. Genervt stellte er seine Gitarre wieder in die Halterung und setzte sich vor seinen Rechner, um E-Mails zu checken. Wie er bereits erwartet hatte, hatte er von Jin eine nicht gerade kurze Nachricht erhalten. Was mit den anstehenden Terminen begann, endete mit einem Haufen Beschwerden über seine Tante.

Seine Antwort formulierte er so knapp, wie es nur möglich war.

Nachdem die Mail versendet war, kehrte er ins Wohnzimmer zurück, welches er leer vorfand.

Er hörte Tsubaki lachen. Zum ersten Mal lachte der Jüngere, der sonst immer nur kicherte. Gebannt von dem klaren, fröhlichen Lachen blieb er vor der Küchentür stehen und riskierte einen Blick ins Innere.

Seine Tante und der Schwarzhaarige saßen am niedrigen Tisch und tranken Tee. Neben der Teekanne lag eine offene Packung seiner Lieblingskekse. Das war nun die Zweite, die er unfreiwillig an andere verlor.

Eine ganze Weile stand er einfach nur da, lauschte und wurde sich einer Sache bewusst: Tsubaki schien ohne ihn besser dran zu sein.

Hanabi schien viel besser mit dem Jüngeren umgehen zu können als er selbst. Mal davon abgesehen, dass er immer noch kaum was über seinen Mitbewohner wusste, außer dass dieser schrecklich naiv war.

Innerhalb kürzester Zeit hatte seine Tante Tsubakis Geburtstag, sein Lieblingsessen und seine Lieblingsnascherei in Erfahrung gebracht. Er ärgerte sich darüber schwarz, dass er es einfach hingenommen hatte nichts über ihn zu wissen und es auf diese Weise erfahren zu müssen.

„Tsubaki hast du eigentlich einen Wunsch, den du dir gerne erfüllen würdest?“

„Ja, aber es ist nicht möglich den wahr zu machen.“

„Bist du dir da so sicher? Was ist es?“ Genau das wollte Akira nun auch gerne wissen.

„Laufen. Ich wünsche mir das so sehr, doch es ist ein Traum, der wie eine Seifenblase zerplatzt ... Oh ... Tut ... tut mir leid.“ hauchte Tsubaki mit gedämpfter, wimmernder Stimme. Eine Träne stahl sich aus seinem Auge und floss seine Wange herab.

„Nein, dass ist doch nicht schlimm. Manchmal ist das so, wenn man merkt, dass sich ein Herzenswunsch nicht erfüllen lässt.“ Hanabi rückte näher zu Tsubaki und nahm ihn in den Arm, strich ihm sanft über den Rücken.

„Sollen wir zwei gleich etwas frische Luft schnappen? Ein kleiner Spaziergang kann nicht schaden und Akira hat seine Ruhe.“ Der Schwarzhaarige brachte ein Nicken zu stande und zog

die Nase geräuschvoll hoch.

„Na komm, trink deinen Tee aus und ich werde schnell Akira Bescheid sagen.“ Hanabi erhob sich und steuerte auf die Küchentür zu. Akira wich zurück, tat so, als würde er gerade erst aus dem Wohnzimmer kommen.

„Willst du endlich gehen?“

„Nein, den Gefallen tu ich dir mit Sicherheit nicht. Tsubaki und ich wollten nur einen kleinen Spaziergang machen. Bevor du fragst, ja ich bring ihn wieder zurück.“ Der Rothaarige schnaubte verächtlich, gab gedehnt sein Okay und verschwand wieder. Tsubaki stoppte neben Hanabi, die sich ihren Mantel überzog und ihm seinen reichte. Gefrustet seufzte der Schwarzhaarige und ließ sich von Hanabi sein Schuhe anziehen und sich einen Schal umwickeln.

„Akira kommt wirklich nicht mit?“

„Nein, er bleibt hier und reagiert sich ab. Wir zwei Hübschen machen einen schönen Spaziergang zusammen und vergessen diesen Kindskopf für eine Weile. In Ordnung?“

„Mhm.“

Tsubaki hatte viel Spaß während des Spaziergangs und vergas das Trübsal blasen in Windeseile. Besonders diese unbekümmerte Art faszinierte Hanabi, obwohl sie den genauen Grund für sein eher kindliches Verhalten kannte, doch er hatte ihr bereits bewiesen, dass er auch mal erwachsen sein konnte.

„Hanabi-san, da vorne!“ meinte er plötzlich mit solch einem Enthusiasmus, dass man hätte meinen können, der Schwarzhaarige wäre aufgesprungen. Aufgeregt zeigte er auf einen gut besuchten Spielplatz, wo die Kinder spielten, sich austobten oder die Seele baumeln ließen. In seinen Augen sah sie das selbe Glänzen wie es einst bei Akira der Fall gewesen war, wenn er eine Gelegenheit sah sich auszutoben oder jemandem eine Freude zu bereiten. Kindliche Freude. Hanabi schob Tsubaki auf den Spielplatz und hielt neben einer Bank an, um sich selbst dort hin zu setzen. Sie seufzte bei den Gedanken in naher Zukunft selbst mit ihrem Kind diesen Spielplatz zu besuchen und sie viele Stunden mit dem Bau von Sandburgen verbringen würde.

„Hanabi-san ist alles in Ordnung?“

„Ja.“ antwortete sich hastig, was sie verriet. Tsubaki sah sie forschend an, sah ihr tief in die Augen, die als Seelenspiegel bekannt waren. Er wusste es. Wie tief würde er in ihre Seele schauen können? Was würde er sehen?

Seine Augen weiteten sich kurzzeitig, als wäre er zu einer Erkenntnis gelangt, die ihn erschreckte.

„Was ist?“ Statt zu antworten legte er seine Hand auf ihren Bauch.

„Also wirklich, du solltest dich freuen! Du stöhnst nur rum, obwohl du jeden Grund zur Freude hast. Ein Kind ist etwas Besonderes.“

„Wie ...? Woher? Tsubaki ...“

„Ich habe Akira noch etwas mehr über Schwangerschaften ausgefragt. War ganz aufschlussreich. An dem einen Abend, als Akiras Freunde zu Besuch waren, da saß ich mit Shoya und den beiden Frauen in der Küche und wir haben Kekse gegessen. Mina hat sich zurückgehalten wegen ihrer Figur oder so. Fuyuki hat das Selbe gesagt, aber sie hat am meisten von den Keksen gegessen. Du vorhin auch!“ lachte Tsubaki, der stolz auf die Richtigkeit seiner Erkenntnis und seine Beobachtungsgabe war. Das war Hanabi selbst nicht aufgefallen.

„Außerdem warst du gerade etwas abwesend, als du den Kindern beim Spielen zugesehen hattest. Das hat dich auch verraten.“

„Worauf du alles achtest. Beneidenswert.“

„Wie meinst du das?“

„Jahrzehnte lang warst du nichts weiter als eine Marionette und jetzt bist du ein Mensch, wirst mit all dem konfrontiert und du nimmst es einfach so hin kaum etwas wirklich zu wissen oder zu kennen. Ich könnte das nicht. Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich vieles nicht verstehe und im Dunkeln gelassen werde.“ Hanabi sah ihm dabei in die Augen und nahm eine Art Schatten war, welcher umgehend wieder verschwand. Etwas betrübt saß Tsubaki nun da, als hätte er gerade erst die Situation seiner selbst erkannt und bemerkt, dass es bei ihm kein bisschen anders war. Im Inneren fühlte er sich genauso wie Hanabi es aus ihrer Sicht beschrieben hatte.

Er überspielte diese Traurigkeit des Unwissens mit einem Lächeln und einer kindlichen Art.

„Ich weiß genug und irgendwie ist es auch schön zuzusehen wie andere reden und ich einfach zuhören und mir ein Bild von allem machen kann. Natürlich ist es manchmal schade, dass ich so einiges nicht weiß, aber Akira erklärt mir auch viel.“

„Du magst ihn schon recht gerne, stimmt‘s?“

„Ja, ich habe ihn gern. Akira ist immer so lieb zu mir, auch wenn er eigentlich schlecht gelaunt ist. Aber manchmal ist sein Verhalten schon seltsam.“

„Jetzt machst du mir ein schlechtes Gewissen. Du fühlst dich wohl bei ihm, aber ich will dich da raus holen.“ Tsubaki schüttelte den Kopf und schenkte Hanabi ein aufmunterndes Lächeln.

„Das macht doch nichts. Dich mag ich auch und Akira würde das nicht stören. Ich bin ihm nur im Weg.“ Hanabi hatte die Augen geschlossen und bedauerte kurz ihre Vorgehensweise. Sie hätte Tsubaki von vornherein fragen sollen wie er darüber denkt, doch sie dachte einzig daran, dass Tsubaki eh nicht richtig entscheiden könnte, da er kaum Lebenserfahrung hatte und man ihn wie ein kleines Kind behandeln konnte. Ein fataler Fehler. Tsubaki konnte sehr wohl richtig entscheiden und seine Entscheidungen begründen.

„Das ist aber freundlich! Aber warum gibst du mir das?“

„Hä?“ Sie schlug ihre Augen auf und sah den Schwarzhaarigen verwundert an, der von einem jungen Mädchen Süßigkeiten geschenkt bekam. Hinter diesem Mädchen standen noch drei andere Mädchen, die sich kichernd die Hände vor die Münder hielten.

„Na weil du der hübscheste Junge bist, der noch nicht mal Make-up dafür braucht!“

„Oh ja!“ quietschten die anderen Drei.

„Ähm ... Danke, aber-“

„Wie heißt du?“

„Wie alt bist du?“

„Wo lebst du?“ fragten die drei Begleiterinnen, die hysterisch zu kichern begannen. Tsubaki sah etwas überfordert zu Hanabi, die sich vor den vier Mädchen aufbaute und ihnen eine Standpauke hielt, die sich gewaschen hatte. Sie wichen immer weiter zurück bis Hanabi schließlich mit dem Satz „Außerdem ist er der Freund meines Cousins, also Pfoten weg!“ ihren Vortrag über angemessenes Verhalten gegenüber Fremden beendete.

„E-entschuldigen Sie. Das wird nie wieder vorkommen.“ Drei der vier Mädchen stauchten nach hinten und suchten das Weite. Die Letzte blieb eisern auf der Stelle stehen und starrte Hanabi an.

„Entschuldige bitte das Verhalten meiner Freundinnen. Du bist uns nur besonders ins Auge gefallen, da du so androgyn bist und ich wollte dich nur genauer ansehen. Solch eine Schönheit. Dein Freund muss echt glücklich sein.“ Das Mädchen lächelte etwas wehmütig, als sie sich zum Gehen wand, was Tsubaki nicht recht verstand. Kurz darauf verließen sie ebenfalls den Spielplatz und machten sich auf den Heimweg.
 

„Das klang schön.“ nuschelte er in seinen Schal. Hanabi sah ihn verdutzt an.

„Dass sie dich Schönheit genannt hat?“ harkte sie nach.

„Dass Akira mein Freund ist!“

„Irgendwas musste ich doch sagen. Nur so lassen sich aufdringliche Mädchen abschütteln. Wenn man sie im Glauben lässt, dass ein Mann schwul ist, dann versuchen sie es gar nicht erst. Dir Flausen in den Kopf setzen wollte ich damit nicht.“

„Schwul, schwul, schwul nix anderes habt ihr zu sagen und ich habe keinen blassen Schimmer was das bedeutet.“ bockte Tsubaki rum und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Na hör mal. Wer nicht fragt bleibt dumm.“

„Gut Hanabi-san, was bedeutet das Wort schwul? Ich will eine ausführliche Erklärung!“

„Wie du willst. Nehmen wir dich als Beispiel. Du bist schwul, wenn du dich generell von Männern angezogen fühlst und Frauen dich kalt lassen. So reagierst du auf die Berührungen eines Mannes und naja willst bei ihm sein. Ach so genau erklären kann ich es dir nicht, aber du kannst doch Shoya fragen. Er wird es dir bestimmt herzlich gerne erklären und es dir anschaulich genug vermitteln, dass du es verstehst.“

„Ich dachte, du wüsstest alles!“

„Ich bin eine Frau, Tsubaki. Ich fühle mich nur von Männern angezogen.“

„Dann bist du doch schwul.“

„Nein. Ich bin ja kein Mann.“

„Also können nur Männer schwul sein?“

„Ja doch! Nur Männer. Und jetzt werde ich dir keine Frage mehr beantworten.“

„Ach Menno.“ Den Rest des Heimweges verarbeitete Tsubaki die neu gewonnenen Informationen und lauschte dem Zwitschern der Vögel, die in den Ästen saßen und sich bald zur Ruhe begaben.
 

„Hanabi-san ist Akira oben?“ rief Tsubaki die Treppe hoch, da er jeden einzelnen Raum im Erdgeschoss leer vorfand. Der Ältere war allen Anschein nach außer Haus.

„Nein, hier ist er auch nicht. Aber ich habe im Schlafzimmer eine Notiz gefunden.“

„Und?“

„Warte ich komm runter.“

Kaum kam der Zettel in seine Reichweite, riss der Schwarzhaarige Hanabi diesen aus der Hand und überflog die kurze Nachricht.

„Hey Tsubaki. Bin mit Shota in ‘ner Kneipe. Komm irgendwann heute Nacht wieder. Hanabi darf noch etwas bei dir bleiben und dich später ins Bett bringen. Akira.“ las er vor und stieß einen Seufzer aus.

„Hey bist du etwa traurig, dass er nicht da ist?“

„Ein wenig. Abends lehne ich mich gerne an seine Schulter, weil er immer so schön warm ist und wenn er im Bett neben mir liegt fühl ich mich sicher, geborgen. Glaubst du, dass ich zu sehr an Akira hänge?“

„Aber nein. Du bist ihm nur so dankbar, dass er dich aufgenommen und dir einiges ermöglicht hat. Du siehst es nicht als selbstverständlich an, dass er bei dir ist und sich um dich kümmert.“

„Gut und was machen wir jetzt bis 22 Uhr?“

„Ich habe Akira vor einigen Jahren ein Puzzle geschenkt. Ich bezweifle, dass er es je angefangen hat.“

„Ich habe im Kinderzimmer so einen Karton gefunden, wo Puzzles draufsteht. Komm mit.“

Im ehemaligen Kinderzimmer setzten sich beide auf den Boden und holten den Inhalt aus dem Karton. Nun lagen sieben verschiedene Puzzle vor ihnen aus denen sie auswählen konnten.

Nach kurzem Hin und Her entschieden sie sich für das mit den vier Tigern im Sonnenuntergang.

Tsubakis strahlende Augen und sein grübelnder Gesichtisausdruck wechselten sich ab und allein diese Beobachtung erwärmte Hanabi das Herz.

„Tsubaki?“

„Hm?“ er hob zwar den Kopf, doch sein Blick ruhte auf einem bunten Puzzleteil.

„Hast du vielleicht Lust der Patenonkel meines Kindes zu werden?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Ganze hier ist auf ner Zugreise entstanden mit nem Höllenlärm und sonstigem Mist.Und müde war ich auch =.=
Die Deutsche Bahn hat meine Nerve für eine ganze Woche geraubt
Ich hab mich auch über einen weiteren Favo freuen
Danke dafür ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So diese Kapitel widme ich SayuriAsami.
Als Dank für diesen unglaublich knuffigen Tsubaki von dir und auch den Teddy kannst du als dein Eigen betrachten.
Jetzt hat der "flauschige" Tsubaki seinen Teddy ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich diesem verdammten KreaTIEF entkommen und kann auch mal wieder was vorzeigen >.< Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich würde mich über ein Feedback sehr freuen!
Kritik oder was auch immer, aber konstruktiv!
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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  Ephyre
2013-08-18T18:59:11+00:00 18.08.2013 20:59
Wow:)
Das war ein wirklich niedliches Kapitel,
vielen Dank für die Widmung auch! >.<
Also, ich mochte besonders deine beschreibungen von den Orten, z.b. beim shoppen gehen,
denn es kam mir einfach alles so...
bekannt und realistisch vor!;)
Ich meine,diese Mütter die ihre kreischenden Kinder durch die Gegend scheuchen,
oder irgendwelche Mädchen, und einfach alles! >:)
Tsubaki war auch in diesem Kapitel wieder unglaublich süß,
ich kann mir immer schon so richtig seine Hundeäuglein vorstellen *-*
Ausserdem finde ich die Szene toll, dass Tsubaki
so nah an Akira heranrutscht, einfach, um ihn endlich mal richtig sehen zu können.
Wirklich niedlich,
mach weiter so!:)

Von:  Asmodina
2013-08-05T15:30:09+00:00 05.08.2013 17:30
Ein sehr schönes Kapitel. Ich mag es, wie du das Verhältnis zu der Puppe darstellst. Denn Puppen waren schon immer zwiegespalten; zeitweise verteufelte die Kirche sie
Antwort von:  Enoka
05.08.2013 18:09
Danke für das Lob. Ich achte beim Schreiben kaum darauf, aber gut wenn so was bei rumkommt ^^
Von:  Asmodina
2013-07-30T18:04:58+00:00 30.07.2013 20:04
Ein schönes Kapitel..weiter so
Von:  Asmodina
2013-07-25T06:37:57+00:00 25.07.2013 08:37
Ein sehr schönes Kapitel, nur die Hass-Liebe sollte noch etwas mehr durchkommen. Kann es sein, das du als Inspirationsquelle "Pinocchio" genommen hast?
Antwort von:  Enoka
25.07.2013 09:19
Mir ist "Pinocchio" als Inspirationsquelle nicht bewusst. Ich hab nur für ein RPG ne Gute-Nacht-Geschichte schreiben sollen und das ist mehr oder weniger dabei rumgekommen, nur dass die Marionette wirklich ne Frau war. Und das meiste was ich schreibe nehme ich aus meinen Träumen, die meist mehr als wirr sind! Diese Idee hierfür kam mir mitten in der Nacht^^
Antwort von:  Asmodina
25.07.2013 10:29
Wie sagt man? "Wenn die Nacht kommt, wird die Sehnsucht klarer. Alle Träume sind im Dunkeln wahrer."
Antwort von:  Enoka
25.07.2013 14:40
Scheint bei mir 100 %ig der Fall zu sein. Ich bin ein Nachtmensch ^^
Antwort von:  Asmodina
25.07.2013 14:47
Ich bin ein Abendmensch
Antwort von:  Enoka
25.07.2013 14:59
super! im dritten kapi werde ich deinen tipp beherzigen und das mit der hass-liebe deutliche machen ^^
Von:  Asmodina
2013-07-23T18:29:32+00:00 23.07.2013 20:29
Nicht schlecht..nicht schlecht...du hast Handlungen und auch die Umgebung sehr gut beschrieben. Über die Charaktere kann man sich noch kein Bild machen, aber das ist beim ersten Kapitel normal
Antwort von:  Enoka
23.07.2013 20:37
Ich schreibe auch schon fleißig weiter, damit das Problem schnell behoben wird ^^
Antwort von:  Asmodina
23.07.2013 20:38
Das solltest du..regelmäßiges Schreiben ist wichtig
Antwort von:  Enoka
23.07.2013 20:40
Sagen wir mal so: Ich habe eine Geschichte mit 124 Seiten, die nie im Leben fertig wird, eine Geschichte für ne Freundin und diese hier!
Bin mit dem nächsten auch fast fertig
Antwort von:  Asmodina
23.07.2013 21:54
Sehr gut^^


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