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Ein wohlverdienter Tritt

von Sternenschwester
von

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Ein wohlverdienter Tritt
 

13 Jahrhundert - irgendwo im HRR
 

Missmutig stützte Ludwig die Ellbogen auf seine Oberschenkel und verharrte erwartend. Als er den Kopf nach vorne anhob, um nicht den Boden anzustarren, konnte er sehen, wie sein bleicher Bruder feixend seinen Nachbarn, auch ein Knappe, wenn auch der Blonde nicht wusste, wie er hieß oder welchem Ritter er zugehörig war, in die Seite boxte und dabei nicht nur einen erbosten Blick aus den violetten Augen erntete, sondern auch von seinem Herrn und Ritter einen verdienten Klapps auf den Hinterkopf bekam. Viele bekannte Gesichter waren anwesend, sogar eine der höhergestellten Adligen, aber sein Bruder blieb der einzige Anverwandte unter ihnen, wenn man mal von den weiten Verwandschaftsverzweigungen absah.

„Jetzt komm schon, gib ihm den verdienten Tritt“, grölte jemand hinten aus der Menge. Augenblicklich erkannte Ludwig den selbsternannten treusten Freund seines Herren.

Romulus oder Remus… so ganz hatte er sich den Namen des römischen Ritters nie merken können. Auf jeden Fall ein sehr lateinischen Namen. Ebenso wenig verstand er auch die genaue Natur dieser Beziehung wirklich. Der dunkelhaarige Römer bezeichnete sich immer als einer der besten Waffenbrüder seines Herren. Dieser widerum äußerte, wie es halt seine Art war, immer sehr dezent, dass ihn der andere mehr als einmal einfach nur auf die Nerven ging, und flüchtete sogar regelmäßig vor ihm, wollte aber seine Gesellschaft nicht völlig missen.

Beinahe war er sogar geneigt den Kopf zu drehen, um zu dem blonden Ritter hinter ihm zu lugen, verkniff sich aber dies, da er jeden Moment den versprochenen Tritt erwartete. Er glaubte selber zu spüren, wie sich sein Herr versuchte zum nötigen Schritt der Zeremonie zusammen zu reißen. Es war nicht so, dass sich der langhaarige Mann scheute ihm gegenüber Strenge und Zucht zu erweisen, aber ebenso wusste er wie sehr es der Ritter, dem er vor sieben Jahren als Page zugeteilt worden war, hasste sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu befinden. Abermals versuchte er, Blickkontakt zu seinem Bruder aufzubauen, welcher aber immer noch damit beschäftigt war, den anderen braunhaarigen Knappen möglichst unbemerkt von seinem Lehrmeister zu triezen. Der hat‘s gut, dachte Ludwig still zu sich. Gilbert hatte dies nun auch schon seit drei Jahren hinter sich. Dann spürte er es. Die Wucht, mit der der Schuh ihn sein Gesäß traf, ließ ihn nach vorne taumeln und brachte ihn schlussendlich zum Sturz. Seine Schulter, mit der er als erstes auf den Boden ankam, schickte ihm kurz einen Schmerz dem Rücken entlang, welcher aber bei weitem nicht zu vergleichen war mit den Qualen, die er durch seine Ausbildung bisher durchlebt hatte. Dabei war ihm nur zu gut bewusst, dass ihm nun der schmerzvollere und anstrengendere Teil seiner Ausbildung bevorstand. In manchen Punkten wurde es sogar lebensgefährlich. Die Gespräche setzten wieder im Publikum ein, während sein Herr in wenigen Schritten neben ihm stand. Erst richtete sich Ludwig ein wenig mit den Händen auf und sah in die blauen Augen des Ritters. Von der Seite konnte er das heißere Geschrei seines weißhaarigen Bruders vernehmen, wie auch eine barsche Antwort, welche wahrscheinlich von anderen Knappen stammte. Ritter Ortwin stemmte die Hände in die Hüften und dem Blonden wurde schnell klar, dass er nicht auf seine Hilfe zählen konnte, um aufzustehen. Schnell rappelte er sich auf und klopfte sich den Staub aus den Kleidern. Kaum stand er wieder auf den Beinen, legte ihm sein Lehrmeister die Hand auf die Schulter und nickte ihm anerkennend zu.

„Mit diesem Tritt sollst du kein Page mehr sein, sondern mein Knappe.“

Mit einem leichten Stolz, den er nicht verhindern konnte nach außen zu tragen, nickte Ludwig. Dann wandte sich sein Herr ab und überließ ihn seinem Bruder und den anderen Knappen, um so schnell wie möglich der guten Laune seines römischen Freundes zu entgehen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
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Geschichtlicher Kontext:
„Mit 14 Jahren wurde Otto von Ritter Godehard endlich zum Ritter „getreten“. Diese symbolische Geste, die vor einem großen Publikum stattfand, bestand in einem kräftigen Tritt ins Gesäß des vornüber gebeugten Pagen und führte bildhaft vor Augen, dass Otto sich für seinen Ritter notfalls auch „in den Dreck treten“ lassen würde.“
Aus dem Magazin „Geschichte“; 1/10 - Mit Schwert und Minne, Ritter - Die Helden des Mittelalters Komplett anzeigen

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