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Raven Southmore

Zersplittert
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Drei

Drei
 

Auf der Fahrt zum Flughafen verbrauchte ich fast eine ganze Packung Taschentücher. Der Fahrer hatte mich hin und wieder durch den Rückspiegel angesehen, aber nichts gesagt, wofür ich ihm sehr dankbar war.

Auf der einen Seie fühlte ich mich richtig schlecht. Meinen Vater hatte ich vor den Kopf gestoßen und meine langen Haare zerteilt. Und was mich erwartete machte mir auch Angst. Allein, weit weg von zu Hause, in einem fremden Land. Nur wegen einem Brief und einem Stipendium. Für die Schule, auf der meine Mutter war. Mein Herz hämmerte. Schließlich hatte ich einen Schlussstrich unter mein altes Leben gezogen, als ich abgehauen war. Und würde mich nun in eine völlig unbekannte Zukunft werfen. Ganz allein.

Was würde mich wohl erwarten?

Auf der anderen Seite war ich aufgeregt. 

Die Frage, was passieren würde, ließ die kleinen Härchen auf meinen Armen zu Berge stehen.

Ich zerknüllte das gebrauchte Taschentuch in meiner Hand verließ das Taxi, als es am Flughafen hielt. Dem Fahrer hielt ich zwei Scheine entgegen und dann fuhr er davon. Ich griff nach meinem Koffer und schmiss die Taschentücher in einen Mülleimer. Dann betrat ich die Halle des Flughafens.
 

Nach etwa einer Stunde Wartezeit am Flughafen und anderthalb Stunden Flug trat ich zum allerersten Mal auf deutschen Boden. Irgendwie sah es nicht anders aus und für einen kurzen Moment fragte ich mich schon, ob ich wirklich in Deutschland war! 

Ich schüttelte den Kopf. Natürlich war ich in Deutschland!

Also ging ich zum Gepäckband und wartete auf meine Reisetasche. Nach einer kleinen Ewigkeit kamen endlich die Gepäckstücke des Fluges 0317 und ich schnappte mir meinen Koffer. Dann ging ich in die große Eingangshalle. Unzählige Menschen standen dort mit Schildern in der Hand. Jennifer Speez. Kulturwerkstadt PB. Tour Paderborn. Ich las die unterschiedlichen Schilder. Immerhin sollte ich ja abgeholt werden. Zumindest stand dies ja in dem Brief des Internats.

Ein junger Mann im schwarzen Anzug hielt ein Schild vor der Brust auf dem C. R. A. Southmore stand.

Das muss mein Abholservice sein, dachte ich und ging auf den Mann zu.

„Clementina Raven Anna Southmore?“, fragte mich der Mann, nachdem er mich gemustert hatte. Ich nickte. „Raven reicht.“, sagte ich. Denn ich hatte mir vorgenommen den Namen, den mein Vater mir gab, abzulegen. Clementina ist die weibliche Form von Clemens, ihm. Anna heiß ich auch nur wegen meiner Tante väterlicherseits, Anna-Maria Southmore, seiner Schwester. Aber ich bin der Meinung, er kommt wegen meiner Mutter Aenna. Es ist eben nur ein E entfernt worden.

„Ein recht ungewöhnlicher Name.“, brummte der Mann und forderte mich auf, ihm zu folgen.

Ich verkniff mir einen Kommentar. Ich meine: Was geht es den Typen etwas an, wie ich heiße?

Jedoch folgte ich ihm aus der großen Halle auf einen riesigen Parkplatz zu einem grünen VW. Der Mann, er stellte sich als Travor vor, nahm mir meinen Koffer ab und verfrachtete ihn in sein Auto. Dann rutschte er auf den Fahrersitz. Ich ließ mich auf dem Beifahrersitz nieder und Travor startete den Motor. Der Mann wendete seinen VW und fuhr vom Parkplatz. Er bog ab und wir fuhren durch eine Feldlandschaft.

Neugierig blickte ich auf dunkle Wälder und frisch bestellte Felder, die im Mondlicht glänzten. Mittlerweile war es weit nach Mitternacht und ich wurde müde. Noch leicht blickte ich aus dem Fenster bis mir die Lider schwer wurden.

„Hey, penn mir hier bloß nicht ein!“, maulte Travor mich an, als ich leicht weggedöst war.

„Ich schlafe nicht!“, grummelte ich und blickte ihn finster an.

Er lachte auf. „Natürlich nicht.“

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn an. Doch einen Kommentar verkniff ich mir.

Schweigend fuhren wir weiter. Ließen Felder und Wälder hinter uns und fuhren nun durch Wohngegenden. Die Häuser wirkten älter, mindestens schon 20 Jahre waren sie alt.

„Wo sind wir hier?“, fragte ich Travor leicht nervös. 

„Schloß Neuhaus.“, antwortete er und fuhr durch einen steinernen Torbogen mit offenem schwarzen Metalltor.

„Und was ist das?“, fragte ich und deutete auf das große weißgoldenschimmernde Schloss vor uns.

„Das ist das Schloss von Schloß Neuhaus.“, antwortete der Mann und stöhnte genervt auf.

Ich betrachtete das Schloß Neuhäuser Schloss und war wie verzaubert. Das weiße Schloss mit der goldenen Verzierung und dem schwarzen Schieferdach stand auf einer kleinen Insel, umgeben von einem Wassergraben. Von unten wurde es mit kleinen Lampen beleuchtet und ließ es märchenhaft, wenn nicht gar magisch aussehen. Es hatte vier Türme und war rechteckig in seiner Form. Unzählige goldumrandete Fenster blickten dunkel auf uns herab.

„Kommst du?“, maulte Travor und blickte von außen auf mich. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er aus dem Auto ausgestiegen war.

Eilig stieg ich ebenfalls aus und nahm ihm meinen Koffer ab. Dann folgte ich ihm über die hölzerne Brücke und wir schritten durch den schlosseigenen Torbogen. In etwa der Mitte blieb Travor plötzlich stehen und ich wäre fast in ihn hineingelaufen.

Er warf mir einen genervten Blick über die Schulter zu und drückte dann mit seiner Handfläche an die kalte weiße Wand des Gemäuers. Unter seiner Hand zeichnete sich ein blaues Quadrat ab, welches plötzlich anfing zu leuchten. Fragend blickte ich Travor und das leuchtende Quadrat an, als es sich in meinen Magen anfühlte, wie in einer riesigen Achterbahn. Mir wurde schlecht, ich sank zu Boden und hielt mir die freie Hand vor den Mund, um mich nicht zu übergeben. Nach wenigen Sekunden verschwand das Schwindelgefühl gänzlich. 

„Alles okay?“, fragte Travor und blickte mich fragend an. Ich nickte und stand wieder auf. Meine Beine zitterten noch leicht, aber sie trugen mich. Als ich auf den Boden blickte fiel mir das grüne Gras unter mir auf. Wo doch kurz vorher noch unter mir Pflasterstein war!

„Was zum-“, setzte ich an doch Travor unterbrach mich barsch.

„Jaja, Gras. Daran wirst du dich gewöhnen.“

Ich funkelte ihn gereizt an. Doch er ignorierte mich und schritt weiter voran. Mit meinem Koffer in der Hand folgte ich ihm.

Irgendwie überlegte ich, ob ich möglicherweise noch am Schlafen war. Zu Hause im Southmore-Anwesen. Sonst wäre es ja auch nicht möglich, dass ich plötzlich anstatt in dem Innenhof des Schlosses von Schloß Neuhaus auf einem grasbewachsenen Hügel stand. Vor mir erstreckte sich eine riesige Grünfläche, von Bergen und Wäldern umgeben. Über mir leuchteten zwei (jaa, richtig ZWEI) Monde am klaren Nachthimmel. Genau in der Mitte der Wiese, direkt vor uns, ragte ein riesiger grauweißer Komplex in Form eines Pentagons aus dem Grün. Gleißendes Mondlicht spiegelte sich auf dem Gemäuer wieder.

„Was ist das?“, fragte ich Travor, als wir den Hügel herab stiegen und deutete auf den großen Gebäudekomplex.

„Kannst du nicht einfach mal die Klappe halten?“, erwiderte Travor genervt und ich rümpfte die Nase.

„Nein. Also bekomme ich jetzt eine Antwort?“

Der Mann blieb stehen und blickte mich verschmitzt an. „Na was soll das schon groß sein? Das ist das Neria-Internat!“

Verdattert blickte ich auf das große Gebäude vor uns.

Das Neria-Internat bestand aus fünf hohen Türmen, die durch verschiedene Gänge miteinander verbunden waren. In der Mitte des Fünfecks ragte ein riesiges quadratisches Gebäude empor, welches zwar niedriger, aber breiter als die Türme war. Wahrscheinlich das Hauptgebäude. Er war als Einziges mit keinem der Türme verbunden.

Ich wunderte mich ziemlich über die Baukonstruktion des Internats, doch wollte ich Travor nicht danach fragen. Er schien auch so schon genervt genug zu sein. Also schwieg ich und schleppte weiterhin meine Tasche.

Wir durchquerten ein großes Tor in einem der Verbindungsgebäude und ich trat in den Innenhof des Neria-Internats. Doch viel Zeit zum Umsehen hatte ich nicht. Travor scheuchte mich in den Turm schräg Rechts von mir. Ich schleppte meinen Koffer hinter mir gefühlte Millionen von Treppen hoch und blickte neugierig aus den Türen, die vom Turm zu den unterschiedlichen Etagen der Verbindungsgebäude führten. Hinter ihnen konnte ich weiße Wände und dunkle Türen sehen.

„Beeil dich.“, grunzte Travor und schob mich die Treppen hoch. Ich wollte protestieren, doch er ignorierte mich. Beleidigt zog ich eine Schnute und stieg weitere Milliarden von Stufen empor.

Als wir endlich oben angekommen waren, begann ich zu schnaufen. Travor klopfte an die Tür, vor der wir standen und es ertönte ein leises „Herein.“.

Der Mann öffnete die Tür und trat in den dahinter liegenden Raum ein. Eilig folgte ich ihm und quetschte mich gerade noch durch die Tür hindurch, als sie schon hinter mir ins Schloss fiel.

Misstrauisch blickte ich die Tür an, dann wandte ich meinen Blick den von unzähligen Metallkonstruktionen bestückten Regale und Kommoden zu.

„Wow…“, entfuhr es mir, als ich eine kleine Konstruktion betrachtete, die sich auf einem Schreibtisch befand. Sie bestand aus vier Ringen mit komischen kleinen Gegenständen und drehte sich um ein, in eine kleine Silberkugel eingraviertes, Pentagramm.

„Ein schönes Modell, nicht wahr?“

Erschrocken sprang ich drei Schritte zurück. Meine Augen richtete ich auf den Mann, der hinter dem Schreibtisch in einem ledernen Sessel saß und sich nun zu mir umdrehte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.

War der die ganze Zeit schon da gewesen?, fragte meine Kopfstimme.

„Miss Southmore nehme ich an?“, sagte der Mann und um seine Augen bildeten sich Lachfältchen.

Ich nickte. Der Mann richtete sich auf und schritt um seinen Schreibtisch herum. Dann reichte er mir seine Hand. „Ich bin Dr. Samuel Eberich Purrey, Direktor des Neria-Internats. Es freut mich, sie hier an unserer schönen Schule begrüßen zu dürfen.“

Wieder nickte ich nur. Dieser Purrey schien mir nicht ganz normal zu sein. Er trug einen Anzug in grau mit Nadelstreifen und dazu eine dunkelblaue Krawatte mit silbernen Sternchen darauf. Seine braungrauen Haare fielen ihm in dünnen Strähnen um das ältere Gesicht. Ich schätzte ihn auf etwa 60 Jahre ein.

„Sie werden bestimmt müde sein, Miss Southmore. Oder darf ich sie Clementina nennen?“, fragte Dr. Purrey und blickte mich freundlich an.

Irgendwie hatte er etwas an sich, dass mich stark an Bishop erinnerte. Und ich meine nicht nur wegen seiner goldbraunen Augen.

„Raven bitte. Und ja, ein wenig müde bin ich schon.“, gab ich zu und gähnte demonstrativ.

Travor schnalzte missbilligend mit seiner Zunge, doch Dr. Purrey korrigierte ihn. „Mr. Hayles, in jungen Jahren brauchen wir eben unseren Schlaf. Bringen Sie doch bitte Miss Southmore auf das Zimmer 320 im Nord-West-Flügel.“

Der Angesprochene nickte genervt und drehte sich zu der Tür um. Ich blickte Dr. Purrey nochmals an und folgte dem Mann dann durch die Tür. Nun ging es wieder die unzähligen Treppenstufen herunter. Glücklicherweise nicht alle, denn Travor bog in der 3. Etage durch eine Tür und betrat einen der weißen Flure.

Wir schritten durch den langen Gang auf dessen rechter Seite in regelmäßigem Abstand Türen in die Wand eingebettet waren. Die linke Seite war von Fenstern gesäumt. Als Travor plötzlich vor einer Tür stehen blieb, wäre ich fast wieder in ihn herein gerannt.

„Pennst du etwa schon?“, grunzte er und blickte mich mürrisch an.

Ich blickte ihn ärgerlich an. „Wenn sie einfach stehen bleiben...!“

Er schnalzte wieder mit der Zunge und klopfte drei Mal gegen die Tür zu seiner rechten. Neben der Türklinke war an der Wand ein kleines Metallschild angebracht, auf dem 320 stand.

„Wach auf, Nixe.“, maulte Travor und schlug jetzt gegen die Tür. „Cecily! Wach auf!“

Aus dem Zimmer hörte man Gepolter und nach einer kurzen Weile öffnete sich die Tür. Ein Mädchen mit langen hellblauen Haaren rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte Travor und mich fragend an. Ich musterte ihren Schlafanzug, ein weites, viel zu großes graues T-Shirt und eine rosa Pyjamahose mit verschiedenfarbigen Eulen mit Glubschaugen.

„Was’n los?“, murmelte sie verschlafen und blickte Travor fragend an.

„Deine Mitbewohnerin ist endlich da.“, gab er zurück und schob mich an ihr vorbei ins Zimmer. „Gute Nacht.“

Als er die Tür hinter sich schloss, umfing mich gähnende Dunkelheit. Zumindest bis das Mädchen auf den kleinen Lichtschalter an der Wand drückte und das Zimmer in helles Licht getaucht wurde. Ich blickte sie an und sie schaute zurück. So standen wir ein paar Sekunden still da, bis sie sich regte.

„Das Bett da vorne ist deins. Ich schlaf nicht gern am Fenster.“, sagte sie und deutete auf das freie Bett im Zimmer.

„Danke.“, sagte ich und wuchtete meinen Koffer darauf. Das Mädchen gähnte ausgiebig und schlurfte dann zurück zu ihrem Bett.

Derweil betrachtete ich das Zimmer genauer. Es war nicht gerade riesig, aber auch nicht zu klein. Für zwei Personen bot es genug Platz. Das Zimmer war von der Eingangstür eher wie ein kleiner Gang geschnitten und von diesem ging dann ein rechteckiger Raum ab indem die Betten standen. Meins stand direkt unter einem Fenster mit einem breiten Sims darunter.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte das Mädchen mit den hellblauen Haaren und blickte mich fragend an.

„Raven“, gab ich zurück. „Und du?“

„Cecily. Freut mich, Raven.“

„Mich auch.“

Cecily lächelte zaghaft und drehte sich dann von mir weg. „Unterricht beginnt morgen um 9 Uhr. Du solltest schlafen gehen.“

Ich nickte, was sie jedoch nicht sah und entledigte mich dann meiner Klamotten. Nur in Unterwäsche kroch ich in das bereits bezogene Bett und kuschelte mich in die weichen Decken ein.

Mein Leben auf dem Neria-Internat hatte gerade erst begonnen und ich fühlte mich schon echt wohl hier.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  BrokenPride
2013-07-29T07:37:30+00:00 29.07.2013 09:37
Uiii, endlich wird es spannend ^.^
Wann geht es weiter? (:
Antwort von:  Krissii-Chan
30.07.2013 17:56
Ich werde vermutlich heute Abend das nächste Kapitel hochladen :)


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