Zum Inhalt der Seite

Wie Blätter aus einem Tagbuch...

(OS/Drabbel-Sammlung für OC)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Zu Erinnerung-> Als Österreich an Deutschland 1938 angeschlossen wurde, lösten die Nazis Burgenland auf und verteilten es auf die Steiermark und Niederdonau (NÖ).
Franziska->Burgenland (hier ein Mädchen von vielleicht mal 4-5 Jahren) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Aussreißerin

April 1938 – Albarn (Friedhof der Namenlosen)
 

„Franziska!“

Verzweifelt versuchte Roderich, etwas durch den strömenden Regen zu erkennen.

Doch sein Ruf blieb unbeantwortet. Aus weiter Ferne konnte er seine Schwestern hören, wie diese nach dem Ausreißer riefen.

Das Mädchen konnte auf ihren kleinen Beinchen nicht weit gekommen sein, sie war doch körperlich nicht älter als fünf Jahre.

Abermals ließ er seinen Blick über die Straße wandern, während der Wind ihm ungnädig den Regenmantel aufbauschte. Er wollte sich eben umdrehen, da wurde er sich des offenen Friedhoftors bewusst.

Verwundert runzelte er die Stirn.

Nicht dass er sich fürchtete, dafür schlug sein Herz zu sehr nach dem Wiener Rhythmus, aber wenn er bedachte, welchen Friedhof er vor sich hatte, glitt ihm ein unangenehmer Schauer über den Rücken.

Dennoch betrat er kurze Zeit später die geweihte Erde und ließ den Schein seiner Taschenlampe über die Gräber gleiten. Oftmals waren es schmucklose Kreuze, welche wie vergessen in der Erde steckten.

Ebenso vergessen wie die Toten, auf deren Gräber sie standen.

Abermals musste Roderich schlucken.

Dieser Friedhof unterschied sich wie kein anderer von den anderen Totenstätten seiner Stadt, denn hier ruhten die Gebeine der Namenlosen.

Menschen, die der Donaufürst für sich beansprucht und dabei ihre Namen, ihre Identität und ihre Geschichte mit in die Dunkelheit das Vergessens gerissen hatte.

Das hier war die letzte Station der Wasserleichen, die von der Donau an Land gespült worden waren.

Der Friedhof der Namenlosen…

Der Sturm, welcher die Nacht durchpeitschte, verlieh der ganzen Kulisse eine zusätzliche gruslige Note und verhinderte jeglichem Grablicht, selbst bei kleinster Flamme zu leuchten.

„Franziska!“

Der Wind tobte um ihn herum und erschwerte ihm zu lauschen, doch da trug er ihm ebenfalls leises Schluchzen an sein Ohr. Hektisch drehte Roderich den Kopf, um sich nach dem verdächtigen Geräusch zu orientieren, da erblickte er bei einem der knorrigen Bäume zwischen den Gräbern eine Gestalt.

Mit wenigen Schritten hechtete er zu ihr und erkannte sein ehemaliges jüngstes Bundesland.

Was noch vor ein paar Monaten ein fröhliches Energiebündel gewesen war, kauerte nun als Häufchen Elend vor seinen Füßen. Besorgt kniete sich Roderich runter und versuchte die kuzen Ärmchen des Mädchens vom Gesicht wegzuziehen.

„Franziska, Mädchen, was machst du nur hier? Warum bist du weggelaufen?“

Jeglicher Zorn über ihr Verschwinden war in dem Moment verraucht, als er in die vor Kummer aufgequollenen, grünen Augen blickte. Das ganze Kind war vom Scheitel bis zur Zehe völlig durchnässt.

„Warum?“, fragte es bibbernd, wobei Roderich nicht sagen konnte, ob vor Kälte oder Kummer. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem.

Sanft, um dem kleinen Geschöpf Sicherheit zu geben, fuhr er mit einer Hand durch das nasse, schmutzblonde Haar.

„Psst, alles wird gut, meine Kleine.“

„Aber… aber sie haben mich gestrichen. Sie haben meinen Namen genommen.“, heulte Franziska plötzlich gegen den Sturm auf, um dann augenblicklich wieder in sich zusammen zu fallen. Besorgt und gleichzeitig ebenso unangenehm berührt schob Roderich seine Arme unter das Kind, um es aufzuheben. Ihre Worte hatten ihn an seine Situation erinnert und verängstigt fragte er sich, wann er wohl eine solche Krise durchleben würde.

Die Ostmark beeilte sich, den Ort zu verlassen, unterstrich er auf unheimlichste Weise die Situation, in der sie sich beide befanden, wenn es auch für das ehemalige Burgenland bei weitem tragischer war.

Friedhof der Namenlosen. Ja, Franziska war namenlos geworden und stand mit ihren jungen Jahren vor dem Nichts.

Franziska hatte indes ihr kleines Köpfchen in seinen Mantel vergraben.

„Bin ich eine Lüge, weil man mich nicht mehr will? Bin ich das Kind einer Lüge?“

Ohne auf diese Worte einzugehen, da sie einen schmerzvollen Bezug zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit aufwies, versuchte Roderich, so schnell wie möglich zu seinen Schwestern zu gelangen, um dem Unwetter zu entkommen, die Ausreißerin fest in seinen Armen haltend.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Betagelesen von KahoriFutunaka

Friedhof der Namenlosen: http://de.wikipedia.org/wiki/Friedhof_der_Namenlosen#Erster_Friedhof_der_Namenlosen_1840_bis_1900 Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück