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Das Leben – ist es wirklich immer so wie es scheint?

4. Geschichte
von

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Am Abend dieses Tages wich die Freude des Nachmittags dem allgegenwertigen unwohlen Gefühl. Es war wieder da, das Flüstern. Wieder konnte er nicht sagen von wo es kam aber das Gefühl gerufen zu werden wurde immer grösser. Sein Herz fing an schneller zu klopfen und sein Atem beschleunigte sich. Wie so oft lag er wach im Bett und wälzte sich leicht hin und her. Um seine Frau nicht zu wecken hatten sie sich darauf geeinigt, dass sie Einzelbetten bezogen. Auch wenn er den innigen Kontakt mit ihr schon vermisste. Aber er wollte dieses verdammte Gefühl endlich loswerden.

So schlich er aus dem Zimmer und steuerte seinen Geheimraum an. Er wusste, dass er mit dem Feuer spielte, sollte irgendjemand herausbekommen was er darin tat. Aber es liess ihm einfach keine Ruhe. Auch er wollte Sachen herausfinden. Was ihn aber wieder beruhigte war der Fakt, dass keiner ausser ihm das Zimmer betreten konnte. Die Sicherheitsmassnahmen, die er dafür getroffen hatte waren seiner Meinung nach dafür zu ausgeklügelt. Eine Spielerei in dieser ach so anderen Welt. Er kam sich vor wie in einem der wenigen Romane, die er besass in denen die Leute dachten, dass sich die Menschheit ein eigenes kleines Geheimlabor in ein Haus einbauen konnte ohne dass andere hineingehen konnten. Und dass sie diese Basis mit ihrer DNA einbruchsicher machten. Seufzend fuhr sich Jean durch die Haare und er überliess der Maschine die Überprüfung seiner Identität. Sein geheimes Zimmer lag im Keller hinter dem Schrank mit den Konservendosen. Eigentlich bildete dieser Schrank schon einen Teil seines Eingangs da sich einige Dosen nicht verrücken liessen. In ihnen hatte er die Technologie eingebaut welche er nun gezielt mit einigen Berührungen in Gang brachte. Sein Fingerabdruck wurde kontrolliert, ihm wurde eine Blutprobe abgenommen, ein Haar mit Wurzel wurde auch verlangt und nicht zu vergessen der wichtigste Teil: ein Geheimcode. Dieser bestand nicht aus Zahlen sondern aus Lauten. Es war ein ausgeklügeltes System welches er da entworfen hatte und er war stolz darauf. Mit einem Klicken öffnete sich die Tür und die Eingangsprüfung verschwand wieder. Ja, er hatte wirklich eine reife Leistung hinterlegt.

Er schritt durch die Tür und hörte wie sie leicht knarzend ins Schloss fiel, dann blickte er sich um. Wie jedes Mal überkam ihm ein wohliger Schauer, wohlwissend, dass er sich strafbar machte. Der Herrscher dieser Stadt wollte keine geheimen Basen oder wie auch immer er es nennen sollte. Oberst Torniso gefiel es nicht, dass sich einige gegen ihn stellen wollten, auch wenn das meiste nur seiner Fantasie entsprang. Keiner wagte es auch nur irgendetwas Dummes zu tun. Keiner wollte in den Kerkern der Stadt landen und schon gar nicht von ihm gefoltert werden. Denn jeder brach unter der Folter. Viele seiner Kindheitsfreunde haben sich sogar freiwillig fangen lassen um dieses dauernde Geflüster –dies war eines der Symptome- des ‚CttE’-Syndrom zu umgehen. Aber er wollte nicht gebrochen werden. Auch wenn es von Tag zu Tag schwieriger wurde, von Tag zu Tag hatte er das Gefühl stärker gerufen zu werden. Er wollte stark bleiben für seine Familie und für sein eigenes Wohl.

Langsam strich er über die Blutproben welche er in Reih und Glied auf dem kleinen Regal positioniert hatte. Es war seltsam aber er fühlte sich gut wenn er sie sah, denn er wusste, dass er damit vielleicht einen Durchbruch erringen konnte. Auch wenn er sich denken konnte, dass er kein Gegenmittel –oder was auch immer- finden konnte. Er hatte eigentlich überhaupt keine Erfahrung mit Genforschung und sich sein Wissen im Alleingang angeeignet. Auch wenn es schwer war an die nötigen Sachen zu kommen.
 

‚Nichts... ist... real’, da war sie wieder. Die Stimme. Sie säuselte ihm immer und immer wieder die gleichen Worte in die Ohren. Aber er wollte nicht nachgeben, DURFTE es einfach nicht. Denn es würde sicherlich sein Ende bedeuten.

‚Lass... dich... führen...’, die Stimme fuhr unbeirrt weiter. Er... durfte nicht. Er schüttelte seinen Kopf und hielt sich krampfhaft am Tisch fest.

‚Es... ist... nur... zu deinem... Wohl’, die Stimme klang fast traurig. So als würde sie ihm wirklich helfen wollen. Keuchend griff er nach seinem Herzen und klammerte sich an seine zerschlissene Kleidung. Alles war knapp geworden. Nahrung, Technologie, natürliche Ressourcen. Die Welt war ausgenutzt worden, so als würde man einen Schwamm auswringen. Jeder einzelne Quadratmeter der ressourcenhaltigen Erde war wie leergefegt. Nur noch wenige hielten sich auch über der Erdoberfläche auf. Die Länder welche von den Naturkatastrophen am meisten zerstört worden waren gab es nicht mehr. Sie waren über sie eingebrochen als würde sich die Erde rächen wollen. Erdbeben, Tsunami, Tornados, ... Die Länder welche noch eine einigermassen gute Infrastruktur hatten blieben bestehen. Nur wurden sie nun nach Sektoren genannt. Jean lebte auch in so einem Sektor. Sektor 10b12, das frühere Europa. Es war zwar noch als solches zu erkennen aber er wusste, würde er es von weiter weg betrachten, es wäre nicht mehr das Gleiche.

Die Stimme flüsterte weiterhin in seinem Kopf auch wenn sie im Moment etwas leiser geworden war. Vielleicht lag es daran, dass er sie gekonnt ignorierte. An manchen Tagen war es unerträglich und er konnte sich nicht wirklich konzentrieren. Und er schien in den schwachen Momenten, wo er der Stimme nachgab, in eine Art Zeitstrudel gezogen zu werden. Er erinnerte sich an früher, an die Zeit in der noch alles schön war. Oder halt schöner als gerade in dem Moment.
 

Vor vielen Jahren, als er noch jung war gab es so viele Sachen die seine eigenen Kinder nicht mehr sehen würden. Verschiedene Monumente standen nicht mehr oder waren nur noch ein trostloses Wrack vergangener Geschichte. Als die Ressourcen knapp wurden, fing die Abreisswut an. Monumente, wie der Tokyo Tower oder der Eifellturm, wurden wegen dem Stahl abgebaut. Damit wurden dann neue Werke erschaffen welche nun wie groteske Gebilde in der Landschaft standen. Oft wurde auch aus dem gewonnenen Stahl Anderes hergestellt. Oder es wurde auf dem Schwarzmarkt für verbotene Sachen angeboten.

Die Welt schien in der Zeit zurückgefallen zu sein. Verschiedene Orte glichen einer Geisterstadt oder bargen in sich die einstige Schönheit. Es war manchmal schmerzlich für Jean verschiedene Teile Europas zu besuchen. Zu sehr tat es ihm weh, alte Erinnerungen zerstört vorzufinden.

Wie gerne war er mit seinen Eltern auf dem Eifellturm gewesen, wie gerne hatte er zugeschaut wie die ‚Ameisen’ am Boden ihrem Leben nachgingen. Er lachte kurz bitter auf. Er kam sich selber gerade wie eine Ameise vor. Eine, welche durch etwas geleitet wurde das er nicht wirklich kontrollieren konnte.

Die Gerüche hatten sich in den Jahren auch eher zum schlechteren entwickelt. Es roch wieder vermehrt nach Exkrementen und Krankheiten. Die verschiedenen Kläranlagen mussten notgedrungen abgeschaltet werden da die Stromversorgung nicht ausreichte. Nur Oberst Torniso und seine Untergebenen lebten in Braus und Schmaus.

Jean konnte sich noch an Gerüche aus seiner Kindheit erinnern, wie Popcorn oder frisch geschnittenes Gras, so als würde er diese gerade selber essen oder mähen. Vieles vermisste er. Es war für ihn unerklärlich wie sich die Welt in den letzten 20 Jahren selber zerstört hatte. Und doch klammerte er sich an diese kleinen Erinnerungen wie ein Ertrinkender.

Ein seliges Lächeln hatte sich auf seine Lippen gelegt und er blickte verträumt in die Gegend. Die Vergangenheit war so schön. Er wünschte sich oft an den Zeitpunkt zurück ehe alles den Bach runterging. Denn da war die Welt noch ‚in Ordnung’.

Sein Blick wurde leer und das Lächeln schwand auch langsam wieder daraus. Erinnerungen an diese schicksalhaften Tage keimten in ihm auf.
 

Er war im Kindergartenalter –er müsste 6 gewesen sein- und beobachtete wie seine Mutter sein Frühstück vorbereitete. Sie war eine schöne Frau, eine für die die Freunde seines Vaters ihn immer beneideten. Lachend griff sie immer gerne nach dem kleinen Jean und wirbelte ihn voller Freude herum. Sie sang ihm gerne Sachen vor und er erfreute sich an ihrer engelsgleichen Stimme. Er liebte alte Kinderlieder und probierte sie auch immer nachzusingen, was ihm nie so richtig gelang.

Auch jetzt summte sie wieder ein Kinderlied, er erkannte ‚Bruder Jacob’ darin und wippte im Takt mit. Er mochte das Lied. Doch plötzlich wurde es still in der Küche und seine Mutter liess, wie von der Tarantel gestochen, das Küchenmesser los. Mit einem Klirren fiel es zu Boden. Verwirrt und neugierig beobachtete der Junge wie es sich auf dem Boden noch einige Momente wie ein lebendiges Tier bewegte und merkte nur aus dem Augenwinkel heraus, dass seine Mutter durch die Tür verschwunden war.

„Mama?“ Seine Stimme war zittrig, denn die Reaktion seiner Mutter blieb aus, sie torkelte weiter aus dem Zimmer heraus als würde sie jemand dirigieren.

„Mama?!“ Sein Rufen wurde panischer, doch sie reagierte einfach nicht darauf. Unbeirrt lief sie weiter, liess den weinenden Jean alleine. Er wollte ihr nachlaufen, doch etwas in ihm beruhigte ihn und so blieb er weinend auf dem Stuhl sitzen.

An dem Tag hörte er das erste Mal die Stimme. Auch wenn sie nur ein Hauch war, das beruhigende Summen in seinen Ohren tat seinen Dienst. Nach kurzer Zeit war er auf dem Küchentisch eingeschlafen.
 

Nachdem sein Vater wieder da war und seine Mutter unauffindbar blieb, hatte sich alles zum Schlechteren gewendet. Der Junge musste mit ansehen wie sein Vater langsam zugrunde ging und sich dann eines Tages vor dem 6-Jährigen erhängte. Er schien ‚die Strapazen nicht mehr auszuhalten’ hiess es später. Aber Jean verstand nun besser denn je was sein Vater durchmachen musste. Denn auch er durchlebte dies. Auch wenn seine Frau keine dieser Mütter mit dem Syndrom war. Und er war froh darüber. Obwohl es sich immer noch als einen Fehler herausstellen könnte, da ihre Kinder 5, respektive 3 Jahre alt, waren.

Er schüttelte den Kopf und hob seinen Blick wieder. Er musste aufhören in seiner Welt zu leben und an seiner Forschung weitermachen. Es kam ihm immer noch so vor als würde er der Sache sehr nahe sein, auch wenn die Stimme nicht weniger sondern mehr wurde nach jeder ‚Behandlung’.

Er knirschte kurz mit den Zähnen und verfluchte sich für dieses miserable Syndrom. Aber es schien wirklich etwas zu sein, das unauffindbar war. Es war da und er wusste, es würde seinen Untergang bedeuten.



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