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Sie hat Cupcakes mitgebracht

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Sie hat Cupcakes mitgebracht

Effie hatte keine Wahl. Eine halbe Stunde schon hatte sie klopfend und wartend vor dem Haus gestanden, hatte hölzerne Fensterrahmen bewundert und Haymitch innerlich verflucht, weil er die Unverfrorenheit besaß, sie nach allem was geschehen war, einfach zu versetzen. Jetzt aber konnte sie nicht mehr warten. Die pinken Cupcakes, die sie als Gastgeschenk aus dem Kapitol mitgebracht hatte, kochten in ihrer Pappschachtel vor sich hin und wenn Effie ehrlich war, tat sie das auch.

Es war heiß unter ihrer Perücke, die sie farblich genau auf die Törtchen abgestimmt hatte und auch wenn sie wusste, dass es sich nicht gehörte, sie musste einfach in den kühlenden Schatten dieses Hauses.

Haymitch würde es schon verstehen. Ihm waren sonst doch auch alle Regeln des guten Benehmens egal. Etwas, was man sehr gut daran erkannte, dass er sie hier warten ließ.

Und sie wollte ja nicht bei ihm einbrechen. - Im Gegenteil, sie hatte sich angekündigt.

Vor über einer Woche hatte sie ihm eine hübsche Karte mit Rüschen und Blümchen geschickt, damit er genau wusste, dass sie heute kommen würde um mit ihm zu reden. Sie hatte ihm sogar eine Antwortkarte beigelegt. Eine Antwortkarte, die zugegebenermaßen nie wieder bei ihr angekommen war, aber Effie hatte es sich mit den Zuständen Panems erklärt, nicht damit, dass Haymitch sie eventuell nicht sehen wollte.

Warum sollte er auch? Nachdem er sich so für sie eingesetzt hatte, als -

Effie schluckte die Erinnerung an die vergangenen Monate herunter und griff nach dem Türknauf. Eigentlich sollte sie das wirklich nicht tun, aber was blieb ihr übrig, wenn sie nicht draußen zerschmelzen und sich dann von Haymitch auslachen lassen wollte, weil sie sich nicht hatte überwinden können sein Haus ohne Erlaubnis zu betreten?
 

Die Tür war noch nicht ganz offen, da hätte Effie sie am allerliebsten schon wieder zugeschlagen.

Es stank in diesem Haus. Sie konnte nicht sagen nach was, aber es war eine widerlich süße Mischung, die ihr so in dieser Form noch nie untergekommen war. Sie brannte in ihrer Lunge. Mehr als es die Zigaretten taten, die eine Zeit lang im Kapitol schick gewesen waren und sie stank schlimmer als es in den Zellen -

Effie schüttelte den Kopf und setzte mutig einen Fuß über die Schwelle. Hatte Haymitch sich je die Mühe gemacht diese Dielen zu säubern? Vermutlich nicht und auch „Lüften“ musste so etwas wie ein Fremdwort für ihn sein. Vielleicht hätte sie anstelle der Cupcakes lieber ein Wörterbuch als Gastgeschenk mitbringen sollen, oder besser noch eine Putzfrau.

„Hallo?“, rief sie in die Dunkelheit hinein, erhielt aber zu ihrer eigenen Enttäuschung keine Antwort. Offensichtlich war Haymitch ausgegangen.

Unter anderen Umständen hätte Effie ihn jetzt gesucht, aber sie kannte sich in Distrikt 12 nicht sonderlich gut aus und Katniss oder Peeta wollte sie nun wirklich nicht mit ihrer unangekündigten Anwesenheit belästigen.

Es blieben ihr also nur zwei Möglichkeiten:

Die Erste hieß zum Bahnhof zurückzukehren und den nächsten Zug in Richtung Kapitol zu nehmen, was unhöflich gewesen wäre. Immerhin hatte sie Haymitch ihren Besuch angekündigt und er hatte sich sicher schon auf sie gefreut, auch wenn er sie scheinbar vergessen hatte und sein Antwortschreiben irgendwo in der Post versumpft war.

Die Zweite war die wesentlich Unangenehmere. Sie bedeutete in diesem Saustall auf ihn warten zu müssen.

Seufzend stellte Effie ihre Kuchenschachtel auf den riesigen Esstisch und beobachtete wie sie zwischen Tellern, Flaschen und anderen Dingen quasi unterging. Das war eine Katastrophe! Nicht nur, dass sie den Tee mindestens zwei Stunden später als gewöhnlich würde einnehmen müssen, sie würde auch die Cupcakes nicht mehr wiederfinden, weil Haymitchs alte Socken sie bestimmt verschlingen würden, sobald sie den Blick von der Schachtel abwandte.

Effie starrte eine der Socken an und diese starrte auf eine Art zurück, die ihrer Vermutung ziemlich Recht gab. Wie konnte man so etwas nur auf seinen Esstisch legen?

Wie konnte man überhaupt etwas anderes als Geschirr auf einen Esstisch legen? Sie verstand das alles nicht und sie wollte es auch nicht verstehen.

Mit spitzen Fingern griff sie nach der Socke und musterte sie mit angewidertem Blick. So etwas gehörte – Ja, wohin denn eigentlich?

Im Kapitol hätte sie ohne zu zögern „In die Reinigung“ gesagt, aber das hier war nicht das Kapitol. Hier gab es keine Reinigung und das bedeutete, dass die Leute hier noch selbst wuschen.

Effie verzog unzufrieden das Gesicht, während sie ihr Opfer zur nächsten Tür trug. Wenn Haymitch schon nicht da war, konnte sie ihren Terminplan auch umschreiben und schauen ob sie es schaffte dieses Ding zu reinigen bevor er nach Hause kam.

Konnte so schwer ja nicht sein, das mit der Wascherei. Die in der Reinigung konnten es schließlich auch.
 

Es hatte sie eine halbe Stunde gekostet, das ganze, benutzte Geschirr aus dem Waschbecken zu räumen. Aber inzwischen lief es gut. Sie hatte klares, heißes Wasser in das Becken gefüllt, Spülmittel hineingekippt und ganz professionell und mit langen Fingern die Socke hinzugegeben. Jetzt schwamm sie in der schaumigen Brühe herum und Effie sah ihr einfach dabei zu.

Warum?

Nun, kurz hatte sie überlegt dem Ding mit dem Topfkratzer zu Leibe zu rücken, dann war ihr eingefallen, dass das sicher nicht gut für das Gewebe war und außerdem wusste sie gar nicht ob Haymitch so etwas wie einen Topfkratzer überhaupt besaß.

Also hatte sie sich für Einweichen entschieden. Eine Methode für die man nichts anderes brauchte als Geduld und davon hatte sie inzwischen jede Menge. Außerdem glänzte der weiße Schaum so hübsch im Becken und lenkte prima von dem ganzen, dreckigen Geschirr ab, das sich inzwischen auf dem Boden stapelte. Ordentlich sortiert nach Art des Geschirrs und Widerlichkeit der Verschmutzung, natürlich.

Effie warf der Socke einen zufriedenen Blick zu. Bestimmt war sie inzwischen schon viel sauberer und stank nicht mehr nach Wein, so wie Haymitch es immer tat. Vielleicht sollte sich Jemand erbarmen und ihn auch mal abwaschen. Natürlich nicht mit dem Geschirrspülmittel, das war nicht gut für die Haut, aber mit so einer hübschen, blauen Badekugel aus ihrem Lieblingsladen konnte man es eventuell versuchen. Es wäre sicherlich förderlich für seinen Geruch.

Effie gluckste. Haymitch mit Fliederaroma, das war irgendwie falsch, selbst wenn sie nur daran dachte.
 

Vorsichtig streckte sie den Finger nach dem weißen Schaum im Waschbecken aus. Ob es schon an der Zeit war die Socke wieder herauszunehmen? Ob sie - Plötzlich wurde sie nach vorne gestoßen und beinahe wäre sie mit dem Kopf voran im Waschbecken gelandet, doch nur Millimeter vor der weißen Schaumschicht riss sie etwas zurück. Die Perücke rutschte ihr über die Augen. Alles wurde dunkel, noch dunkler als es in diesem Haus ohnehin schon war und dann -

„Effie?“

Der Griff um ihre Schulter lockerte sich ein wenig, aber Effie spürte noch genau wo die Finger zugedrückt hatten. Sie schwankte, was sicher nicht an ihren Stöckelschuhen lag, aber sie fiel wenigstens nicht um, auch wenn sie guten Grund dazu gehabt hätte.

Eilig versuchte sie sich ihre Perücke wieder zu richten. Haymitch musste das Ding hassen, so oft wie er irgendwelche Anschläge darauf verübte.

„Was suchst du hier“, hörte sie ihn fragen und sie war sich sicher, dass das jetzt Ärger geben würde, weil sie die Küche nicht hätte betreten sollen und das Haus wahrscheinlich auch nicht. Sie konnte es an seinem Tonfall erkennen.

Schwer schluckend drehte sie sich um, versuchte in seiner Miene etwas zu lesen, doch da war nichts und als er den Mund endlich öffnete und sie das Donnerwetter schon hören zu können glaubte, da kam nur ein verwirrtes „Ertränkst du etwa gerade meine Socke?“, aus ihm heraus, das sie spontan zum Kichern brachte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,

schön das ihr reinschaut. Was soll ich sagen? Effie ist neben Haymitch so in ziemlich der einzige Chara der Hunger Games, den ich auch am Ende noch mochte (und der nicht vorher qualvoll draufgegangen ist). Deshalb war es vermutlich mal fällig die Zwei in einen One-Shot zu stopfen.
Für das komische Setting bedanken wir uns bei Arcturus, die mir Haymitchs Küche schön geredet hat und ansonsten freuen wir uns über die aktuelle Ausgabe der Capitol Couture, die wunderbar inspirierend sein kann. Findet ihr nicht? Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Von: Arcturus
2013-06-01T22:45:57+00:00 02.06.2013 00:45
Nicht nur Effie kichert, nicht nur Effie kichert.
*kichert mit*
Und ja, ich kann es mir vorstellen.
Effie allein in der Halde, mit zu viel Zeit.

Jedenfalls: Ich mag die Pointe. ♥

Kann man dir vielleicht auch noch Effies Küche aufschwatzen?

lg
NIX
Antwort von:  _Delacroix_
02.06.2013 00:47
Möglicherweise vielleicht. Stelle ich mir witzig vor.
Na mal gucken...


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