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Golden Set

Eine OneShot-Sammlung zu PoT-Pairs
von

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Hitzewelle

I. Hitzewelle
 

“Nobody is bored when he is trying to make something that is beautiful or to discover something that is true.”

— William Ralph Inge
 


 

Das hier war ja sooo lahm.
 

Äußerst langsam und unter immenser Kraftaufwendung drehte Shishido sich von seinen Bauch auf den Rücken. Jetzt starrte er gelangweilt die braune Decke an, anstatt die hellblaue Wand, die nach ausführlicher Musterung hier und dort dunkle Schmutzflecken aufwies.
 

Seine Augen erfassten eine Fliege, die jetzt ihre wirren Kreise in der Luft zog. Diese Fliege war genauso planlos, wie er gerade lustlos war. Ihm war furchtbar öde und er würde nur zu gerne etwas dagegen unternehmen, doch die Hitze hinderte ihn daran. Es war einfach zu heiß, um irgendetwas zu tun. Tennis und sonstige Tätigkeiten kamen nicht in Frage und das Freibad war momentan nicht verfügbar. Deswegen war er zu dem einzigen Ort gegangen, dem Shishido in seiner grenzenlosen Langeweile und Einfaltslosigkeit eingefallen war.
 

Choutaros Zuhause.
 

Hätte der Braunhaarige gewusst, dass der Jüngere ebenfalls hirntot von der Hitze war, hätte er sich den Weg gespart. Anfangs hatten sie noch versucht ein Videospiel oder einen Film zu finden aber diese Versuche waren kläglich an seiner Moserei und Choutaros komischen Gezappel gescheitert. Danach hatte es Choutaro mit Musik versucht, was ihn jedoch nur die Zähne hatte knirschen lassen. Der Jüngere hatte einen furchtbaren Musikgeschmack. Ein Mann hörte einfach keine schnülzigen Liebesballaden.
 

Schließlich war Choutaro ganz still geworden, räumte sein Zimmer auf, während Shishido auf seinem Bett lag und versuchte nicht zu sterben.
 

Er mochte den Sommer aber an solchen Tage wurde er einfach wahnsinnig, weil es sogar für ihn Selbstmord wäre, zu arbeiten. Dabei hatte er es bitter nötig. In letzter Zeit war er viel zu nachlässig mit seinem Training gewesen. Das lag nicht zuletzt daran, weil sein Doppelpartner in letzter Zeit lieber mit ihm irgendwelche lahmen Ausflüge machte, anstatt mit ihm Tennis zu spielen.
 

Unter einer weiteren körperlichen Anstrengung rollte Shishido sich auf die Seite und betrachtete jetzt Choutaros Rückenprofil, der gerade damit beschäftigt war Kaugummi von seinem Fußboden zu kratzen. Der Junge war aber manchmal auch ein Trottel. In letzter Zeit lies er ständig Dinge fallen. Erst vor wenigen Tagen war Choutaro die eisgekühlte Soda aus der Hand gerutscht, als er sich in dessen Zimmer gerade umgezogen hatte. Die Schweinerei danach war unerträglich gewesen. Oder als er sich den Kopf gestoßen hatte vor einer Woche, wo er ihn gefragt hatte, ob er nicht Lust hätte mit ihm Kuchen essen zu gehen.
 

Choutaro war ein Idiot.
 

Jedoch war er ein recht angenehmer Idiot. Zwar regte ihn dessen Naivität und Gutmütigkeit manchmal auf, andererseits war sie herrlich erfrischend und seine Anwesenheit war sehr angenehm. Außerdem gehörte Choutaro zu den einfachen Menschen dieser Welt. Wenn er nämlich so an den Grashüpfer aus Seigaku oder an die rothaarige Göre aus Shitenhoji dachte, da wurde ihm ganz anders zumute.
 

Dennoch war auch Choutaro manchmal ein Rätsels für sich.
 

Ab und zu kam der Jüngere mit Dingen um die Ecke, die Shishido nicht einzuordnen wusste. Einmal hatte er ihn während des Mittagessens nach seinem Sternzeichen gefragt ( als ob er das nicht wüsste, so oft wie ihn Choutaro schon zwei Monate vorher an seinen Geburtstag erinnerte) und dann in irgendein merkwürdigen Heftchen fleißig geblättert. Überhaupt blätterte Choutaro öfters fleißig in kleinen, sonderbaren Heftchen, die ihn ungemein an Teenie-Zeitschriften für Mädchen erinnerten.
 

Choutaro war von Zeit zu Zeit wirklich sooo ein Mädchen.
 

Dennoch antwortete er ihm immer ganz pflichtbewusst (natürlich nicht ohne zu schnauben und abfällige Bemerkungen darüber verlauten zu lassen), denn er wollte den Jüngeren nicht vor den Kopf stoßen...und ein klein wenig interessierte es ihn auch, was das Ergebnis war. So hatte er zum Beispiel erfahren, dass Blau seine Glücksfarbe war und er besonders an Montagen auf Waschbären aufpassen musste. In wie weit diese Informationen wirklich nützlich für ihn oder Choutaro waren, war ihnen beide noch nicht klar. Wobei dem Jüngeren anscheinend schon. Denn dann holte er immer Stift und wieder so ein Heftchen hervor und kritzelte etwas hinein.

Manchmal schien er dann den ganzen Tag zufrieden, manchmal unglücklich und manchmal nachdenklich. Vor etwa drei Wochen hatte er ihn darauf einmal angesprochen. Doch der Jüngere war nur panisch und unmännlich rot geworden, wobei er Gakuto mit einer glatten Rückhand ausgeknockt hatte.

Seitdem hatte er das Heftchen nicht mehr gesehen.
 

Endlich hatte es Choutaro geschafft das Kaugummi abzukratzen und versuchte es nun wieder vergeblich irgendwie in seinen Mülleimer zu bekommen. Gelangweilt wandte Shishido sich wieder der Decke zu und suchte die Fliege.
 

Plötzlich verlagerte sich das Gewicht des Bettes und er brauchte nicht den Kopf zu wenden, um zu wissen, dass Choutaro sich zu ihm gesellt hatte. Der Jüngere sagte nichts, was sonderbar für diesen war. Normalerweise hatte dieser einen ununterbrochenen Redeschwall, jedoch seitdem er ihn wegen der Musik angepflaumt hatte, war er unglaublich ruhig geworden.
 

Nach unendlichen Minuten in denen er der Fliege bei ihren waghalsigen Flugstücken zusah, bis sie sich schlussendlich in dem von der Decke hängenden Fliegenfänger verfing, hörte er ein bekanntes Geräusch. Neugierig drehte er sich auf die Seite und sah zu Choutaro hinüber, der nur eine Armlänge entfernt mit einer Zeitschrift auf den Schoß saß.
 

„Was liest du da?“ Fragte er, wobei seine Stimme ungewohnt ruhig und energielos klang. Der Jüngere zuckte merklich zusammen und schaute scheu zu ihm hinüber.

„Nur langweiliges Zeug“, sagte Choutaro rasch und wollte das Heft schon wegpacken, als er schon danach griff.

„Shishido!“ Er ignorierte den lautstarken Protest und besah sich die Seite.
 

Es war eine Art...Test. Einer dieser speziellen Tests. Diese worüber sich verliebte Mädchen beugten, wenn sie wissen wollten, ob ihr Schwarm auch sie liebte, sie irgendwann einmal heiratete, mit ihnen ganz viele Kinder in die Welt setzte und einen Baum pflanzte.

Choutaro machte einen Test für verliebte Mädchen.

Aha.

Plötzlich war die Langeweile verflogen.
 

Vergeblich versuchte er sich daran zu erinnern, ob Choutaro ihm jemals von irgendeinen Mädchen erzählte hatte, konnte sich an derartiges nicht entsinnen...und war irgendwie ganz froh darüber. Choutaro verliebt in ein Mädchen, nein, das war irgendwie...nicht gut....
 

...
 

Natürlich nur, weil das dann Schwierigkeiten mit dem Tennistraining geben würde. Nicht, weil ihn der Gedanke ein Ziehen in der Magengegend verursachte. Mädchen waren immerhin anstrengend. Ständig wollten sie Beachtung, hübsche Kleider und Ausgehen. Sowas war ja mal wirklich voll lahm.

Mädchen waren lahm.

Diese Hitze war lahm.

Generell war gerade alles lahm und dieser Test hier war genauso lahm!
 

Was standen dort überhaupt für Fragen, dass die Choutaro sagen konnten, ob ihn das Mädchen auch mochte?

Äußerst wütend überflog er die erste Frage.

Hast du schon einmal ein anderes Mädchen geküsst?

Natürlich nicht, Choutaro hatte noch nie ein anderes Mädchen geküsst, wenn überhaupt...nächste Frage.

Fandest du ein anderes Mädchen schon einmal attraktiv oder hast von ihr in einer eindeutigen sexuellen Beziehung geträumt?

Uh? Was war das denn für eine Frage?

Er verstand nicht viel von diesen Liebeskisten mit Mädchen aber er war sich sicher, dass man solche Fragen nicht stellte, um herauszufinden, ob man in ein Mädchen war oder eine glückliche Zukunft mit ihr vor sich hatte.

Jetzt wanderten seine Augen zur Überschrift des ganzen Tests.
 

Bin ich homosexuell?
 

Das war...eindeutig nicht das, was er erwartet hatte. Warum zur Hölle las Choutaro so einen Test? Immerhin war der für Mädchen, die nicht wussten, ob sie ebenfalls auf Mädchen standen.

„Hey Chou, warum machst du einen Test, um -“, den Rest des Satzes verschluckte er.

Ja, warum sollte der Jüngere so einen Test wohl machen...
 

Miteinmal wurde ihm die Zeitschrift unsanft aus den Händen gerissen. Das Gewicht des Bettes verlagerte sich erneut und er nahm einen raschen Atemzug war, so als hätte gerade jemand einen Marathon gelaufen.

Überrascht setzte er sich auf und drehte sich verwirrt zu seinem Doppelpartner um, der jetzt am Schreibtisch stand, das Heft so fest umklammert, als würde er gerade ertrinken. Dabei waren seine Augen in Panik aufgerissen und er atmete so rasch, dass Shishido fürchtete, er würde gleich wie ein Kartenhaus zusammenklappen.
 

Und plötzlich wurde Shishido so einiges klar.

Miteinmal war gar nichts mehr lahm und die Hitze nahm an Intensität zu. Rasch senkte Shishido den Kopf, starrte die Bettdecke vor sich an.
 

Choutaro war ab und zu wirklich ein Idiot.

Choutaro war oftmals ein Mädchen.

Choutaro war manchmal ein Weichei und ziemlich naiv.

Dennoch war Choutaro ihm der liebste Mensch auf Erden.
 

Shishido hob den Kopf jetzt wieder und sah Choutaro möglichst genervt an. Auffordernd streckte er die Hand aus.

„Gib das Heft wieder her. Ich will den Test machen, so wie immer.“

Choutaros Augen weiteten sich noch ein Stückchen mehr und er stockte den Atem.

„Aber“, presste er hervor.

„Jetzt gib schon her und sei ein Mann! Ist ja fürchterlich mit dir.“

Es dauerte einige Sekunden bis Choutaro sich in Bewegung setzte und ihm das Heft in die Hand drückte. Ohne ein weiteres Wort ging er die Fragen durch. Dann fiel ihm etwas ein und er musste leicht lächeln.

„Du solltest schon einmal dein Heftchen zücken, ich glaube das Ergebnis hier, willst du dir unbedingt notieren.“
 

Das hier war sooo lahm.

Aber Shishido war sich ganz sicher, dass er und Choutaro bald eine Tätigkeit finden würde, die ihm die Langeweile vertrieb.

Attack of the Iguana!

II. Attack of the Iguana!
 

“I like people who have a sense of individuality. I love expression and anything awkward and imperfect, because that’s natural and that’s real.”
 

— Marc Jacobs
 


 

„Was machst du hier?“

Die selbe Frage stellte Zaizen sich auch, als er den halbnackten und nassen Kenya vor sich sah. Unweigerlich regte sich etwas in ihm, was sicherlich alles als moralisch richtig war. Daher schluckte er es rasch wieder hinunter und konzentrierte sich auf das Wesentliche.

„Die CD?“

Anhand Kenyas Mimik konnte er ablesen, dass es in dem Älteren arbeitete, was manchmal ein wenig dauern konnte. Besonders dann, wenn Kenya nebenher noch damit beschäftigt war, sein Handtuch festzuhalten, damit es ihm nicht ganz über die Hüfte rutschte und weitaus mehr freigab, als die Nachbarschaft und Zaizen sehen sollten.

„Achso, klar. Stimmt ja!“

Zaizen verdrehte die Augen. Seine Senpais waren alles solche Leuchten...

Endlich trat Kenya von der Tür weg und deutete mit einer lässigen Handbewegung an, dass er ihm folgen sollte.

„Sie liegt in meinem Zimmer auf dem Schreibtisch. Ich muss nochmal schnell ins Bad mich umziehen, war gerade unter der Dusche.“

Zaizen schnaubte. Darauf wäre er niemals alleine gekommen. War ja nicht so, dass man ständig frisch geduscht roch (Orange wenn er es richtig erkannte) und noch feucht durchs eigene Haus lief. Aber so war Kenya nun einmal, er musste einfach immer alles erklären – und auch nur um sich selbst reden zu hören, denn manchmal war der Ältere einfach so eitel, dass es schon weh tat.

„Wenn du übrigens in mein Zimmer gehst, mach die Tür zu und öffne nicht das Fenster, weil -“, der Rest ging bei Zaizen durch das eine Ohr rein und durch das Andere wieder hinaus, da er zu sehr damit beschäftigt war, nicht zu sehr auf Kenyas Hintern zu achten, als sie die Treppen hinaufstiegen.

Er hasste es, wenn sowas passierte aber er konnte einfach nichts dagegen tun. Zwar versuchte er diese lästigen Neigungen handlich in ein Paket zu packen und wegzuschicken, doch sie kamen immer wieder Postwendend zurück.

„Bring ja nichts durcheinander!“ Das darauf folgenden Türknallen zerrte Zaizen in die Gegenwart zurück. Kurz sah er noch die Badtür an, dann verdrehte er die Augen und schlenderte auf Kenyas Zimmer zu.

Es sah fast genauso aus, wie bei seinem letzten Besuch vor wenigen Wochen. Noch immer lagen fein unordentlich dreckige Klamotten auf dem roten Sitzsack, der Schreibtisch quoll von Sport- und Motorsportzeitschriften und wahllosen Notizen nur so über, nur das Gruppenfoto von ihrem Tennisteam war so abgegrenzt, dass es immer gut sichtbar war. Neben dem riesigen Terrarium lief gerade der Fernseher stumm vor sich hin und zeigte irgendeine Dokumentation über Kängurus, darunter lag die Xbox halb auf dem Fußboden, halb im Fernsehschrank drinnen, was Zaizen darauf schließen ließ, dass Kenya kurz vor dem Duschen wahrscheinlich noch eins seiner idiotischen Rennspiele gespielt hatte.

Irgendwo hatte Zaizen einmal gelesen, dass das Zimmer teilweise die Persönlichkeit des Bewohners widerspiegelte und wenn er sich so Kenyas Raum ansah, war er gewollt diese These zu glauben.

Zaizen schüttelte schließlich den Kopf und steuerte auf den Schreibtisch zu. Dort die CD zu finden, würde wahrscheinlich ein Unterfangen sein, was einem Indianer Jones Abenteuer gleich kam. Wahllos griff er nach dem Zettelsammelsorium und versuchte möglichst wenig runter zu schmeißen oder von den Notizen zu lesen, wobei er bezweifelte das der Ältere tatsächlich wichtige Dinge aufschrieb. Schließlich fand er endlich den gesuchten Gegenstand und schob die Sachen so wieder zusammen, dass sie nicht förmlich von einer Kante des Schreibtisch hinunter fielen.

Als das getan war, hieß es nun warten. Wenn Kenya im Bad war, konnte er schon einmal etwas länger gebrauchen, allein wenn der Ältere seine Haare stylte. Zaizen verstand diese Macke von seinem Senpai nicht, aber generell verstand er wenig davon, was für Kenya anscheinend überlebenswichtig war.

Gelangweilt setzte er sich auf die Kante von Kenyas Bett und starrte den Fernseher an. Natürlich war das sinnlos, eine Sendung ohne Ton zu schauen, aber bis man die Fernbedienung gefunden hatte, die Kenya schon ab und zu geistesabwesend in den Kühlschrank legte oder an anderen ebenso ungewöhnlichen Orten, war man Millionär und zum mindesten dritten Mal verheiratet.

Nach wenigen weiteren Minuten des dumpfen Starrens wanderten Zaizens Augen durch den Raum ohne wirklich etwas zu suchen. Er würde sich ja am liebsten Musik anhören, wenn Kenyas Anlage nicht schon seit mindestens zwei Monaten kaputt wäre, was für ihn wie ein Verbrechen war. Wie konnte man nur seine Musikanlage so wenig Respekt zollen und sie einem dummen neuen Rennspiel vorziehen?

Dann landeten sein Blick auf dem Fenster und mit einmal teilte ihm sein menschliches Gehirn mit, dass es in diesem Raum viel zu stickig war. Langsam erhob er sich, bahnte sich ein Weg bis zum Fenster hin ohne über einen Sportdrink zu stolpern und sich alle Knochen zu brechen und öffnete das Fenster nach einigen sachten körperlichen Gewaltanwendungen.

Sofort wehte ihm ein Lüftchen der angenehmen Frühlingswärme entgegen. Genießerisch schloss er die Augen und genoss das Gefühl auf seiner Haut. Er war kein Romantiker oder großer Naturliebhaber aber er schätzte solche Tage und war froh darüber, dass es sie gab.

Gerade als er sie gerade wieder öffnete, bemerkte er plötzlich etwas unterhalb von ihm. Verdutzt senkte er rasch den Kopf, nur um ein großes, grünes Ding an ihm vorbei huschen zu sehen, welches förmlich aus dem Fenster floh.

Oh.

Das war seltsam gewesen. Neugierig beugte er sich nach draußen, um einen besseren Blick auf das grüne Ding zu erhaschen. Tatsächlich befand es sich gerade unterhalb auf dem kleinen Steinweg im Garten von den Oshitaris. Zaizen kniff die Augen zusammen und erkannte schließlich was es war.

Es war ein Leguan.

Ah.

Natürlich.

Das musste Kenyas Leguan sein. Speedy oder so hieß das monströse Vieh. Dabei war es alles andere als „speedig“. Eigentlich kannte er das Vieh hauptsächlich schlafend und fressend. Wenn es sich bewegte, dann nur um sich einen anderen Platz zum Schlafen zu suchen. Er verstand wirklich nicht, warum Kenya dieses Ding über alles liebte und so vergötterte.

Speedy dagegen schien Zaizen heute genau das Gegenteil beweisen zu wollen, denn es setzte sich abermals in Bewegung und raste auf das einzige vorhandene Loch im Gartenzaun zu. Gebannt folgte er ihm, bis es durch das Loch verschwand. So viel Spaß am Bewegen hätte er dem Ding gar nicht zugetraut. Man wurde doch immer wieder überrascht.

Da ging die Tür auf und Kenya betrat den Raum, wobei er gerade noch dabei war auch den Rest seiner Haare trocken zu rubbeln. Gerade als Kenya etwas sagen wollte, hielt er inne, starrte das geöffnete Fenster hinter Zaizen an. Zaizen folgte seinem Blick. Dann sahen sie fast zeitgleich zum Terrarium, dann wieder zum Fenster.

„Zaizen...wo ist Speedy?“ Fragte Kenya gepresst.

Oh....hoppla....
 

„Das ist alles nur deine Schuld!“, jammerte „der Speed Star of Naniwa“, auf allen Vieren und mit dem Kopf im Gebüsch seiner Nachbarn.

„Warum hörst du mir nie zu, Zaizen?!“

Für eine Sekunde überlegte der Angeklagte, ob er seinen Senpai darauf hinweisen sollte, dass es eigentlich an ihm höchstpersönlich lag, dass er ihm nie zuhörte. Denn wenn er ihm, wie jetzt im selben Augenblick, sein Allerwertesten, der äußerst knackig war, wie Zaizen immer wieder feststellte, so hinstreckte, war es kein Wunder, dass er nicht zuhörte.

Jedoch beließ er es bei einem abfälligen Schnauben, um den Hausfrieden nicht noch mehr zu stören. Darauf wandte sich Kenya ihm zu, die frisch gewaschenen Haare voller Blätter und mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß.

„Manchmal frage ich mich, ob du es wirklich wert bist, ein Genie genannt zu werden.“

Eloquent hob Zaizen seine Augenbrauen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich habe mein Tier nicht frei im Zimmer laufen lassen.“

Kenya zog daraufhin einen Schmollmund, der süß gewesen wäre, wenn die nächsten Sätze nicht so schmerzhaft für Zaizens Hirn wären.

„Aber Speedy schaut jeden Samstag den Tierchannel! Er liebt die Reportagen über den Süden der USA! Das nimmt ihn sein Heimweh.“

Ungläubig schaute Zaizen den Älteren an, dann schüttelte er den Kopf und nicht weiter auf diese Antwort eingehende. Der Andere schien auch keine zu erwarten und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Hecken seiner Nachbarn.

„Speedy! Speedy, Süßer, komm wieder her zu Papa!“

Erneut war Zaizen mit dem IQ eines verbrannten Toasts und dem Knackarsch eines Topmodels von Kenya konfrontiert. Langsam aber sicher wurde ihm das zu bunt...und zu merkwürdig. Nicht, dass „merkwürdig“ keine geläufige Bezeichnung in seinem Alltagsleben mit den Mitgliedern Shitenhoujis geworden war. Doch es wurde immer doppelt so merkwürdig, wenn er nur mit Kenya in irgendeine Situation reinschlitterte, die oftmals viel Privates preis gab und ihn in einer unlogischen Art und Weise den Anderen attraktiv gestaltete.

Über seinen eigenen Gedankengang verwirrt runzelte der Jüngere die Stirn. Hatte er schon wieder seinen idiotischen Senpai mit dem Adjektiv attraktiv gleichgesetzt? Das wievielte Mal war ihm das in dieser Woche passiert? Das fünfte? Nein, das siebte..?

„Zaizen~“

Bei dem jämmerlichen Laut, den er als seinen Namen identifizierte, schaute Zaizen auf und direkt in das Gesicht Kenyas, dass nur wenige Millimeter von seinem entfernt war. Ihm wurde zugleich heiß und schlecht. Heiß, weil der falsche Blonde so nahe war, dass er dessen Atem auf seiner Haut spüren konnte. Schlecht, weil sein Magen sich vor Nervösität und den Duft von Dünger gemischt mit Orange umdrehte. Grob schob er den Kopf seinen Senpais weg, der einen erstickten Laut bei der unfreundlichen Behandlung von sich gab.

„Ah! Warum bist du immer so fies! Du bist überhaupt nicht mehr so süß wie früher! Und nicht nur das, frech bist du auch geworden. Du könntest wenigstens Mal höflich sein, jetzt wo es deine Schuld ist, dass Speedy...“, Zaizen schaltete auf Durchzug. Stattdessen richtete sich seine Aufmerksamkeit jetzt auf das Gartentor von den Nachbarn der Oshitaris. Denn von dort starrte ihm das grüne Monster namens „Speedy“ mit großen Echsenaugen an. Fast schon schien es dem Schwarzhaarigen spöttisch zu zublinzeln, bevor es flink durch das offene Tor verschwand.

„Ah!“, rief er überrascht, ließ den Kopf des Älteren los.

„Ah?“, fragte Kenya verwundert nach.

Zaizen hob den Arm, zeigte stumpf auf das Gartentor.

„Da war er eben.“

Kurz sahen sie beide das Gartentor an, so als würde in jedem Moment der Leguan wieder hervor kommen, tanzend und singend. Dann sahen sie sich für einige Sekunden an. Schließlich schien es klick zu machen.

„Hinter her!“, rief Kenya und rannte schon los, bevor er überhaupt zuende gesprochen hatte.

Seufzend folgte Zaizen ihm, nicht wirklich wissend, warum er sich das überhaupt antat.
 

„Leguane fahren kein Fahrrad.“ Kenya öffnete protestierend den Mund.

„Leguane fahren kein Fahrrad“, wiederholte Zaizen bestimmend. Kenya hob einen Finger an und atmete einmal tief ein.

„Leguane.Fahren.Kein.Fahrrad.“ Zaizen warf seinem Senpai einen warnenden Blick zu. Aufgebend ließ dieser seinen Arm langsam sinken und schloss den Mund. Schließlich seufzte er, wobei er die Stirn in Missmut runzelte.

„Und wie soll er dann so schnell von hier weggekommen sein? Per Lufthansa? Jetski? Tardis?“

„........Leguane fahren ke-“

„Ich habe es ja verstanden!“

Damit war ihren fünfminütige Unterhaltung über die physischen Fähigkeiten der Iguanidae der Familie Squamata vorerst beendet. Zaizen ahnte jedoch, dass der Ältere ihn noch Monate danach mit dieser, doch äußerst gewagte Hypothese, auf den Senkel gehen würde – und zwar gehörig. Vorbeugend sollte er in nächster Zeit also einige stichhaltige Beweise finden, die diese Vermutung strikt widerlegten, oder zumindest entsprechend ausgefeilte, falsche Tatsachen. Zaizen notierte dies in seinem geistigen Notizzettel und richtete seine Aufmerksamkeit wieder der Gegenwart zu. Denn sein Senpai würde ihn nur noch schlimmer in den Ohren liegen, wenn sie dessen monströses Haustier nicht wiederfanden. Erwähnter Senpai schien in dieser Sekunde gerade einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Denn dessen blaue Augen huschten hektisch über die Straße, über Mülleimer, Mauern, Beete und alles, was man auf einer Straße innerhalb eines ruhigen Siedlungsabschnitts am Rande der Stadt erwarten konnte.

Zum ersten Mal in der letzten halben Stunde verspürte Zaizen so etwas wie Schuldgefühle. Immerhin war es tatsächlich zu fünfzig Prozent seine Schuld gewesen, dass der Leguan entkommen war und seinem Besitzer dazu brachte, wie ein geschlagener Welpe jämmerlich drein zu schauen. Er würde wirklich niemals Kenyas Zuneigung zu der Schuppenkreatur verstehen.

Nachdem der Jüngeren den Anderen genügend Sekunden für einen innerlichen Zusammenbruch geschenkt hatte, stellte er die Frage, die sich unweigerlich aus ihrer jetzigen Situation ergab.

„Und was jetzt?“

Unwissend zuckte der Blonde mit den Schultern und stierrte auf seine Füße vor sich, so als würde sein Leguan jeden Moment aus der Erde springen und „Überraschung!“ rufen. Zaizen seufzte und schaute gen Himmel, der sich in den letzten Minuten langsam zuzog und ein Paradebeispiel für ein Frühlingsunwetter ebnete.

Plötzlich der Kenya den Kopf hoch. In seinen Augen lag ein Glitzern, was Zaizen nur allzu bekannt war. Meist führte es dazu, dass sie sich in einer äußerst sonderbaren und peinlichen Situation in einem wahnwitzigen Outfit und mit noch lächerlichen Sprüche im Repouirta endeten.

„Park“, hauchte der Ältere fast schon ehrfürchtig, so als würde er seinem Lieblingstennisspieler gegenüberstehen. Ohne weitere Vorwarnung raste er los. Fragend sah ihm Zaizen hinter her. Ergebend seufzte er und folgte seinem Senpai.

Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, dass dieser Tag noch sehr lang und sehr mühsam werden würde.
 

„Es ist ein Pony. Ganz klar“, stellte Kenya nüchtern fest, so als würde er sagen, dass eins plus eins gleich zwei ergab.

„Ein Pony...“, wiederholte Zaizen ungläubig, an seinem eigenen Verstand zweifelnd.

„Ein waschechtes Pony!“, bestätigte Koharu euphorisch und strahlte wie ein Lottogewinner.

„Unser Ponylein~“, trällerte Yuuji zur Bestätigung.

Das Pony wieherte, sein grandioser Beitrag zu der hoch intellektuellen Unterhaltung, worauf alle Beteiligten es anstarrten.

Wenn man bei Shitenhouji war, gab es solche und solche Momente. Eigentlich glaubte Zaizen, dass er nach einem Jahr in dieser Mannschaft von individuellen Verhaltensgestörten, so gut wie alles erlebt hätte. Doch während ihm das Pony anwieherte, wurde ihm bewusst, dass er noch nicht einmal dem halben Wahnsinn seiner Freunde begegnet war.

Es war ihm ein Rätsel, warum Yuuji und Koharu ein Pony besaßen, zögerte jedoch nachzufragen, um seiner selbst Willen zu liebe. Das Pony selbst knabberte jetzt freudig an Yuujis T-Shirt, worauf dieser äußerst hoch und feminin quietschte. Koharu lachte nur lauthals und tätschelte das Tier wie einen Spitzenathlet, der gerade Gold fürs eigene Land geholt hatte.

Mit einem kurzen Seitenblick zu seinem verbleibenden Senpai stellte er fest, dass dieser ebenso verunsichert war und mit der Fragen rang, die Existenz dieses Lebenswesen zu hinterfragen.

Auf den „genialen“ Einfalls Kenya hin, dass sein Leguan tatsächlich einen „Parkspaziergang“ in „Erwähnung“ gezogen hätte, da heute ja so „schönes Wetter“ war, waren sie in den Park gerannt. Zuerst waren sie durch Büsche und Blumenfelder gestolpert, dann hatten sie einen Kampf gegen einen wütenden Schwan verloren, nur um schließlich erfolglos auf Bäume zu klettern und in die Hände ihrer Teamkameraden zu rennen. Und dem Pony. Besonders in die Hände...Hufen des Ponys.

Das Pony.

Dieses hatte jetzt von dem wohl weniger schmackhaften T-Shirts Yuujis abgelassen, nur um mit schwingenden Schweif ein paar fette Pferdeäpfel auf die grüne Wiese fallen zu lassen.

„Berta hat ihr erstes Geschäft gemacht!“, rief Koharu überglücklich und war in dem Moment wohl der stolzte Pferdevater aller Zeiten. Zaizen dagegen wünschte sich weit, weit Weg auf einer einsamen Insel zu sein. Kenya wiederum fand seine Muttersprache und der ihm mitgegebenen Kommunikationsfähigkeit wieder.

„Nun...ich freu' mich für euch?“

„Danke, Kenchen!“

Kenya lächelte leicht gequält und Zaizen musste grinsen. Er liebte es, wenn sein Senpai sich Freundlichkeit abrang aufgrund des hirnrissigen Spitznamen.

„Aber sagt, was macht ihr Beide hier im Park?“, fragte jetzt Koharu, wobei er sie aufmerksam musterte.

„Ein Liebesspaziergang, ist doch eindeutig!“, rief Yuuji dazwischen, wobei er sonderbar mit seinen Hintern wackelte, was Zaizen noch nach all den Jahren irritierte. Der andere Nicht-Ponybesitzer dagegen, wurde knallrot um die Ohren. Auch das liebte Zaizen an seinem Senpai, würde aber eher seine gesamte Musiksammlung verbrennen, bevor er das jemals laut zugeben würde.

„W-Wir machen keinen Liebesspaziergang! Wir sind kein Paar!“

„Ach Kenchen, doch nicht so schüchtern!“

„Genau. Liebe ist was großartiges. Sie ist blumig und warm und irgendwann hat man süße Kindchen.“

„Kindchen? Das Pony?!“

„Ja, Berta ist unsere kleine Tochter. Ihr solltet euch auch bald ein Kind zulegen, Kenchen.“

„Aber Yuuji, sie sind noch so jung. Sie sollten erst ihre Beziehung festigen.“

„Mehr blumig?“

„Jap, mehr blumig!“

Sowohl Zaizen, als auch Kenya starrten das Witzduo verständnislos an. Anstatt sich die Mühe zu machen, wie Kenya, ihren eigentlichen Beziehungsstand zu klären oder tatsächlich einen Sinn in dieser Unterhaltung zu suchen, beschränkte er sich wieder auf die Realität, ganz nach dem Energie- und Nervensparplan seines Lebens. Außerdem wollte er nicht darüber nachdenken, ob er nun mit Kenya in einer Beziehung sein wollte oder nicht, um „blumige“ Sachen zu machen.

„Wir suchen Kenyas Leguan.“

Das schien die beiden Witzbolde zu beruhigen. Kurz schauten sie sich an, wobei Zaizen noch immer gegen Kenya wettete, dass die beiden keine Telepathie benutzten, um sich zu unterhalten. Schließlich legten sie beide einen Finger nachdenklich unters Kinn und die Köpfe schief.

„Ein Leguan? Haben wir nicht heute einen gesehen, Schatz?“

„Mhm, als Shira kurz da war, hatte er da nicht einen?“

„Jaja, ich erinnere mich. Vorne im Picknickkorb drinne.“

Plötzlich hauten sie Beide mit ihrer rechten Hand in die Linke.

„Natürlich! Das sollten wir dir ja sagen, Kenya!“

Sein Senpai neben ihm seufzte schwer und schien mit den Nerven am Ende.

„Was solltet ihr mir sagen?“

„Das Shira dein Leguan hier im Park gefunden hat“, auf Yuujis Worte hin, warf Kenya ihm ein Hab-ich-es-dir-nicht-gesagt-Blick zu, den er gekonnt ignorierte. Dann schien er zu realisieren, was die beiden Klabautermänner da gerade gesagt hatten.

„Shiraishi hat also Speedy?!“

Koharu fing an Berta hinter den Ohren zu kraulen, da sie langsam aber sicher unruhig wurde oder nicht genügend Aufmerksamkeit von ihren neuen Eltern bekam.

„Ja. Er meinte, er hätte dich auf dem Handy nicht erreichen können. Daher sollen wir dir sagen, du sollst zum Hügel kommen. Er würde bis dahin auf Speedy aufpassen.“

Zaizen fragte sich erst gar nicht, woher Shiraishi wissen konnte, dass Kenya im Park auftauchen würde, um sein Leguan zu suchen. Entweder ihr Teamkapitän war so genial, dass er die Verrücktheit seiner Mitglieder so gut einschätzen konnte, dass er tatsächlich wusste, wie sie handeln würden oder er war genauso verrückt und verstand sie deswegen so gut. Er glaubte felsenfest, dass es eine Mischung aus Beidem war.

Plötzlich erschien wieder das unheilvolle Glitzern in Kenyas Augen, was Zaizen innerlich seinen Kopf in die Erde stecken ließ. Strauß müsste man sein.

„Dankeschön! Ihr seid die Besten! Noch viel Spaß mit Berta. Komm Zaizen, wir haben ein Leguan zu fangen!“ Mit diesen Worten rannte er erneut los. Schon wie so oft an diesem Tag entglitt ihm ein tiefes Seufzen, als er zum Abschied eine Hand hob und seinem Senpai folgte.

„Treibt es nicht zu blumig, ihr Beiden!“

Das Letzte, was er an dem Tag von den Witzbolden hörte, war ein aufgeregtes Kichern Yuujis und das Wiehern des Ponys.
 

Was kam einem zuerst in dem Sinn, wenn man das Wort Picknickkorb hörte?

Wiese, ganz klar. Eine Decke, Kuchen, süße Getränke und gutes Wetter, auch eindeutig. Begleitung beim Picknick? Entweder Familie, Freunde oder der feste Partner.

Dies waren die normalen Dinge, die einem bei dem Wort Picknickkorb einfielen.

Shiraishi definiert dieses Wort neu. Shiraishi definiert alle Wörter neu.

Shiraishi war eine Definition für sich.

„Setzt euch, setzt euch, ihr seht müde aus!“, begrüßte er sie enthusiastisch, als sie keuchend und mit Schweiß durchnässt die Spitze des Hügels erklommen hatten.

Ohne große Vorwarnung packte er sie an den Schultern und bugsierte sie auf eine gelb-grün-karierte Picknickdecke, die jeden Normalsterblichen Augenkrebs verpassen würde.

„Shi-“, fing Kenya an, wurde aber vom Teamkapitän unterbrochen.

„Schaut nur, was ich gefunden habe!“

Dabei griff er nach einer Tupperdose, die kein Kuchen, sondern komisches Grünzeug enthielt. Zaizen vermutete eine Pflanze-von-sowieso-der-Art-irgendwas, die höchstwahrscheinlich giftig war. Alle Pflanzen, die Shiraishi liebte, waren giftig.

„Toll, Senpai“, antwortete Zaizen noch immer etwas außer Atmen und ließ seine Augen sehnsüchtig zur Trinkflasche schweifen.

„Großartig, nicht? Man findet sie nur äußerst selten und nur zu einer bestimmten Jahreszeit. Ihr wisst gar nicht, wie lange ich danach gesucht habe. Ich-“, Zaizen blendete das Gerede seines Teamkapitäns aus. Wenn dieser über Pflanzen anfing, war er nicht mehr zu stoppen. Da waren er und Kenya sich so ähnlich, dass er manchmal den Verdacht hegte, sie wären Brüder. Seine Augen schweiften jetzt zu seinem Senpai hinüber, der eher halbherzig den Ausführungen seines langjährigen Freundes zuhörte. Dabei fiel Zaizen der Schweiß auf, der langsam dem Nacken Kenyas hinunter lief, in dessen T-Shirt Kragen und von dort aus...rasch schaute er wieder die Trinkflasche an. Seine Kehle fühlte sich noch trockener als vorher an. Ohne zu fragen griff er danach, doch bevor er den Flaschenhals umgreifen konnte, hatte ihn schon Shiraishis eingewickelte Hand am Handgelenk gepackt.

„Das würde ich nicht trinken.“

„Warum nicht Senpai?“

„Weil es der Saft von-“

Dieses Mal war es Zaizen, der den Älteren unterbrach. „Es ist giftig, richtig?“

Shiraishi lächelte breit. „Natürlich ist es das.“

Zaizen verdrehte genervt die Augen. „Kapitän, ist hier irgendwas, was trinkbar oder essbar und nicht todbringend giftig ist?“

Entschuldigend kratzte Shiraishi sich an dem Hinterkopf und lachte herzhaft. „Absolut nicht!“

Jetzt räusperte sich Kenya lauthals, der ein wenig beleidigt drein schaute, was immer dann passierte, wenn Zaizen und Shiraishi sich unterhielten.

„Nun, jetzt wo wir dein ähm Picknick geklärt haben. Koharu und Yuuji meinten, du hättest Speedy?“

„Ah, natürlich. Sorry, Kenya.“

Ihr Kapitän erhob sich und marschierte zu seinem Fahrrad hinüber, wobei er nach wenigen Sekunden mit einer weiteren Tupperdose wiederkam, die zu Zaizens Bedauern auch keinen saftigen Kuchen enthalten würde.

„Hier. Hab ihn auf dem Spielplatz bei der Rutsche gefunden.“

Zaizen machte sich nicht einmal die Mühe, auch nur eine Sekunde über die Frage nachzudenken, was Shiraishi auf einer Kinderrutsche zu suchen hatte.

Mit strahlendem Gesicht öffnete Kenya die Tupperdose, nur um den Inhalt einige Sekunden anzustarren und dümmlich zu blinzeln.

„Da ist kein Leguan“, sagte er endlich nach einer halben Ewigkeit.

„Leguan? Natürlich nicht. Da ist Speedy drinne“, erwiderte Shiraishi stirnrunzelnd.

„Aber Speedy ist ein Leguan“, antworte Kenya fast schon an sich selbstzweifelnd.

Neugierig, was sich in der Tupperdose befand, beugte Zaizen sich vor und warf einen Blick hinein, nur um eine fette Kröte zu entdecken.

„Eindeutig nicht Speedy“, bestätigte er.

„Uh? Aber Speedy ist doch eine Kröte?“

„Nein, Speedy ist ein Leguan, Shiraishi. L.E.G.U.A.N! Die großen Riesenechsen! Die Dinger mit den Schuppen! Sieht das aus, wie ein Schuppentier? Wie eine Echse?“ Mit jedem Wort wurde Kenya lauter und wütender. Shiraishi dagegen blieb ruhig und betrachtete nachdenklich das Tier in seiner Tupperdose.

„Aber ich könnte schwören, ich kenne diese Kröte. Oder gehört sie Kintaro?“

„Argh!“, war alles, was Kenya noch einfiel. Aufgebracht stand er auf und marschierte Richtung Wald davon, wobei er leise vor sich hinfluchte und besonders die Inkompetenz bestimmter bester Freunde hervor hob.

Shiraishi sah ihm nachdenklich nach, dann wandte er sich Zaizen wieder zu.

„Schlechter Tag?“

Zaizen überlegte kurz, dann zuckte er nur mit den Schultern. „Nicht anders als sonst.“

Na gut, das stimmte nicht wirklich. Kenyas geliebte Schuppentier büchste nicht jeden Tag aus und war unauffindbar. Aber ansonsten, was es wirklich ein ganz normaler Tag in ihrem Leben.

„Du solltest ihm hinter her gehen.“

Zaizen schnaubte nur. Es war nicht so, als würde er irgendwas anderes seit dem Besuch tun.

Nun lächelte Shiraishi leicht und irgendwie wissend, was Zaizen ein unangenehmes Gefühl bescherte.

„Ich meine, du bist der Einzige, den er um sich haben möchte, wenn es ihm schlecht geht...und natürlich auch gut, besonders dann. Aber du bist wohl der Einzige, dem er erlaubt, bei ihm zu sein, wenn er schlecht gelaunt ist.“

Zaizen starrte ungläubig seinen Teamkapitän an, bis er merkte, dass seine Ohren heiß wurden, bei dem Gedanken, dass er solch ein Privileg bei Kenya besaß. Behämmerte Hormone, behämmertes Wetter.

„Zaizen!“, erklang Kenyas aufgebrachte Stimme.

Gemächlich stand der Jüngere auf, blieb jedoch noch einmal stehen, bevor er dem Leguanbesitzer folgte.

„Ich bin kein Dummkopf, aber er ist es.“

Shiraishi kicherte leicht.

„Hm, ja wie wahr. Aber auch Dummköpfe vergeben Belohnungen, wenn sie ihre geliebten Haustiere wiederfinden.“

Zaizen war sich nicht hundertprozentig sicher, worauf Shiraishi anspielte, als er sich von diesem entfernte. Jedoch hatte er eine wage Vermutung, was zum ersten Mal an diesem Tag, die Suche nach dem entflohenen Leguan wirklich interessant gestaltete.
 

Sie irrten durch den Wald.

Zaizen war sich noch nicht sicher, warum sie durch den Wald irrten, aber sie taten es – und das schon seit geraumer Zeit. Der Ältere knurrte, weil sich abermals sein T-Shirt in irgendeinen Dornbusch verhedderte. Einige Sekunden zerrte er an seinem Kleidungsstück herum, bis ein zerreißendes Geräusch ertönte.

Aufmerksam beobachtete Zaizen die Entwicklung der Gemütszustände anhand von Kenyas Mimik. Zuerst wurde er fuchsteufelswild, was durch die gefletschten Zähne und die zusammengezogenen Augenbrauen bemerkbar wurde. Dann stürmte eine Flut von Hoffnungslosigkeit über ihn, was durch das fischartige Schnappen mit den Lippen und dem Aufblähen der Nasenflügel deutlich wurde. Enden tat es in absoluter Verzweiflung und Trauer, welches unschwer an den wässrigen Augen zu erkennen war.

Beinahe erlag Zaizen dem Verlangen Kenya tröstend in die Arme zu nehmen.

Aber auch nur beinah.

Seufzend und die Hände in die Hüfte gestemmt, starrte er auf zu den Baumkronen, konnte durch die einzelnen Lücken das weichende Sonnenlicht erkennen.

„Wir sollten langsam zurückkehren.“

Keine Antwort kam.

„Senpai...“

„…“

„Senpai...“

„.........“

„Senpai...“

„...............“

„.........gehe ich halt ohne dich.“

Gespielt machte Zaizen Anstalt zu gehen, doch auch aus dem Augenwinkel nahm er war, dass Kenya noch immer nicht reagierte. Der Blonde stand einfach weiter da und starrte sein zerissenes T-Shirt an. Es war das erste Mal, dass er seinen Teamkameraden so erschüttert und energielos sah, was ihn ein wenig irritierte.

Zaizen konnte wunderbar mit dem aufgedrehten, nervigen, bescheuerten Geisteszustand Kenyas umgehen, auch wenn es unglaublich anstrengend war. Doch mit diesem traurigen und deprimierten Haufen wusste er nichts anzufangen.

Unschlüssig wie er die Situation angehen sollte, trat er an den Älteren heran. Dieser blickte jetzt auf. Kurz sahen sie sich schweigend an, bis Zaizen seine Hand tröstend auf Kenyas Schulter legte. Daraufhin wurden die blauen Augen nur noch ein Stückchen wässriger.

„Sei nicht traurig...“, fing er an.

„Zaizen?“

„...er war sowieso hässlich.“

Er konnte förmlich hören wie Kenyas Herz zerbrach und nur einen Atemzug davon entfernt war, seinen Mordgelüste an einem bestimmten Kohai nachzugehen.

Sonderbarerweise rettet ihn ein lautes Rascheln neben ihnen und ein altbekannter Echsenkopf. Für eine Sekunde schauten die zwei Menschen die Echse nur überrascht an, formten lange Os mit ihrem Mund, bevor sie dem davonlaufenden Tier hinter her hetzten.
 

Peinlich berührt liefen Zaizen und Kenya nach Hause, wobei sie mehr als einen neugierigen Blick von Passanten erhaschten.

Der Ältere hielt Speedy fest umschlossen und schaute immer wieder nervös zu dem Jüngeren hinüber, wobei seine blauen Augen unter den dreckigen Haarsträhnen und dem Dreck allgemein unglaublich heraus stachen.

„Öhm, du kannst bei mir duschen...“, sagte er jetzt leise und eine Oktave zu schrill. Zaizen verzog das Gesicht. Es nervte ungemein, wenn der Blonde so nervös wurde. Andererseits wurde ihm bei dem Angebot heiß um die Ohren und er war froh, dass die Dreckkruste den meisten Teil verbarg.

„Passt schon.“

„Oh, okay...“

Abermals schweigend liefen sie eine Weile nebeneinander her, bis es erneut Kenya war, der die unangenehme Stille brach.

„Danke.“

Zaizen sah ihn verwundert an, worauf der Andere beinahe sein Leguan fallen ließ.

„Also ähm ich meine für deine Hilfe bei Speedy!“, dabei überschlug sich abermals dessen Stimme, dass der Jüngere sich sicher war, entweder er würde einen Hörsturz in den nächsten Minuten bekommen oder der Andere würde sich seine Stimmbänder reißen.

Zur Antwort zuckte er mit den Schultern. „Keine Ursache...“

Erneut verfielen sie in ein angespanntes Schweigen, was sie jedoch erst wieder brachen, als sie an Kenyas Haus ankamen. Zum Abschied hob er schon die Hand, als ihn der Blonde noch einmal aufhielt.

„Hey, ähm...“, kurz schien er mit sich ringen, was Zaizen unglaublich an Thunfisch in der Dose erinnerte. Zweifelnd zog er seine Augenbrauen zusammen. Es war ein langer Tag gewesen...

„Wie wäre es, wenn wir uns morgen wieder treffen?“

Einige Sekunden ließ er Kenya zappeln, dann lächelte er leicht.

„Aber nur, wenn der da Zuhause bleibt.“

Jetzt war es an Kenya zu lächeln.

„Ich hatte keine weiteren Begleitungen eingeplant.“

Dümmlich grinsten sie sich an, dann bemerkten sie, was sie taten und wandten sich beide voneinander ab.

„Bis Morgen Senpai...“

„Bis dann...“

Kurz noch blieb Zaizen einige Meter entfernt stehen und schaute auf zu Kenyas Fenster, ließ den Tag noch einmal Revue passieren.

Jemand würde solch einen Tag wohl als besonders oder seltsam in Erinnerung beinhalten. Doch für Zaizen war es nur ein ganz normaler Tag im Leben von Shitenhouji.

Und er war sich sicher, dass noch mehr solcher folgen würde, die von Ponys, Giftpflanzen, Verfolgungsjagdten und Leguane, die als Masterminds Verkupplungspläne für ihre Besitzer ausheckten, handelten. Besonders nachdem er seinen Senpai in einer riesigen Schlammgrube geküsst und dieser diesen zu seiner Überraschung erwidert hatte.

Lächelnd kramte Zaizen seine Kopfhörer hervor, setzte sie auf und summte gut gelaunt die Musik mit, wobei er noch ein Blick auf Speedy erhaschte, der ihn förmlich von der Fensterbank aus hämisch zublinzelte.

Er hatte zwar nicht gegen den Leguan gewonnen, aber es gab bei Weitem weniger süße Niederlagen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  SabakunoYoru
2013-10-08T20:47:40+00:00 08.10.2013 22:47
Ich muss meiner Vorgängerin zustimmen: Schöner Schreibstil. ^^ Ich hab viel gelacht und freu mich schon auf die nächsten Teile! Das Prince of Tennis-Universum ist groß und die Pairings werden nie enden! *freu*
Von:  Aley
2013-10-01T16:50:59+00:00 01.10.2013 18:50
NEEEEIN, Riesenfail :'D!
Ich hab das schon mal gelesen :D!
Und auch hier kann ich einfach nur sagen:
Du hast einen tollen Schreibstil und die Charas so gut getroffen.
Shishidos Sicht finde ich auch prima gewählt!
Und auch jetzt kann ich nur ein weiteres Mal bestätigen:
Ich liebe deinen Schreibstil!
Um ehrlich zu sein, konnte ich mich gar nicht auf Fehler konzentrieren (falls da überhaupt welche waren!), weil ich mich einfach nur total amüsiert habe und mich auch nur amüsieren wollte.
Du hast einen anschaulichen Schreibstil und besitzt auch einen großen Wortschatz, was das Lesen ungemein spannend macht!
Es hat mir wirklich, wirklich viel Spaß bereitet, deine deine One Shots zu lesen, weshalb ich echt darauf hoffe, bald wieder was von dir zu hören!
Ich habe schon lange nicht mehr so gute PoT-Stories gelesen :) was eigentlich richtig schade ist!
Naja, jedenfalls kann ich dir nur Lob geben :)
Und das heißt was!
Ach ja, was ich auch noch anmerken muss, ist, dass du aus so simplen Situationen etwas richtig Tolles erschaffen kannst!
Super, ich bin begeistert!

Aley ♥
Von:  Aley
2013-10-01T16:43:28+00:00 01.10.2013 18:43
Oh mein Gott!
Der OS ist einfach nur genial.
Du hast einen wundervollen Schreibstil! Ich liebe ihn total ... so schön sarkastisch und einfach nur witzig.
Vor allem mag ich das Pair auch total gerne =w= (am liebsten noch einen Shiraishi reinpacken, bitte ♥)
Und du hast Zaizen so gut getroffen! Die Sicht war wirklich spitze, hat mir total gut gefallen.
Ich find's so toll, dass es noch ein paar gibt, die PoT immer noch ... 'unterstützen'!
Das freut mich so *-*
Naja, jedenfalls gefällt mir dein Schreibstil so gut, dass ich mir jetzt mal deinen anderen OS durchlese und diese OS-Reihe gleich einmal favorisiere und empfehlen werde :)!
Hoffentlich les ich wieder einmal was von dir!
Mit dem OS hast du einen treuen PoT-Leser gefunden *-*

Aley ♥


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