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Ich warte auf dich

von

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Schwestern im Geiste

Lenja atmete erleichtert auf. Auch wenn sie noch nicht wusste, wieso sich ein Elbenmädchen mitten in der Nacht im Wald befand, so war ihr diese neue Bekanntschaft doch um einiges lieber als auf ihren Erzeuger zu treffen.
 

Die Elbin war um einiges größer als die Zwergin. Wie Lenja hatte sie lange rot-braune Haare und soweit sie es in der Dunkelheit ausmachen konnte, schimmerten ihre Augen grünlich. Die Zwergin öffnete kaum merklich den Mund und staunte. Sie hatte das Gefühl sich selbst in einem seltsamen Spiegel zu betrachten. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie annehmen können, dass das andere Mädchen eine verschollene Zwillingsschwester von ihr war. Lenja schluckte. Auch ihr Gegenüber schien sich ähnliche Gedanken zu machen, denn auch sie konnte ihren Blick nicht von der Zwergin abwenden.

Zögernd setzte sich Lenja mit Ári wieder auf den weichen Waldboden.
 

„Magst du dich nicht auch setzen?“, fragte sie vorsichtig die Elbin.
 

Ohne zu antworten, aber mit Sicherheitsabstand, nahm diese gegenüber den beiden Zwergenkindern Platz.

Da Lenja nie lange Stille aushielt und die merkwürdige Situation schon seltsam genug war, beschloss sie nicht zuletzt auch aus Neugier herauszufinden, warum ebenfalls andere Kinder des Nachts durch die Wälder zwischen Düsterwald und Erebor unterwegs waren.
 

„Also, das hier ist Ári“, Lenja deutete auf das schlafende Baby in ihrem Arm, „und ich bin Lenja. Und wer bist du?“
 

„Mein Name ist Tauriel“, antwortete das Elbenmädchen schüchtern.
 

Lenja lächelte sie an. Sofort huschte ein Lächeln der Erleichterung über Tauriels Gesicht.
 

„Es freut mich dich kennenzulernen, Tauriel. Aber was machst du denn mitten in der Nacht im Wald? Und dann auch noch so weit von zu Hause weg?“
 

„Naja, das könnte ich dich ja auch fragen, Lenja“, antwortete Tauriel.
 

Lenja hatte das Gefühl, dass die Elbin wohl auch weiterhin in Gegenfragen ausweichen würde. Nur sollte und konnte sie einer Fremden vertrauen? Andersherum waren sie alle Kinder, die warum auch immer nicht bei ihren Eltern daheim saßen. Andere Völkerzugehörigkeit mal dahingestellt. Sie teilten alle ein Schicksal und die Umstände wollten wohl, dass sie diese finstere Nacht zusammen verbrachten.
 

Die Zwergin späte wieder hinüber zur Elbin. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie hatte ein positives Gefühl, wenn sie sie ansah. Ein Gefühl, als ob sie sie schon ihr ganzes Leben lang kannte. Als ob das Schicksal nur darauf gewartet hatte die Mädchen in dieser Nacht der Angst zu vereinen.
 

„Also gut“, sprach Lenja. „Dann mache ich mal den Anfang.“
 

Tauriel hob erwartungsvoll den Kopf und schien ihre ohnehin spitzen Ohren noch weiter erwartungsvoll zu spitzen.
 

„Ich bin mit meinem kleinen Bruder weggelaufen. Wir mussten fliehen und verstecken uns hier, damit unser Vater uns nicht findet. Er hat mich geschlagen und...und... naja, ich musste mich doch wehren. Auch für Ári musste ich das tun“, begann Lenja als Tauriel plötzlich aufstand und sich neben sie setzte.
 

Nanu? Lenja starrte Tauriel an. Mit einer solchen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Naja, jedenfalls nicht sofort und das so ganz ohne Worte. Die Elbin blickte ihr tief in die Augen. Plötzlich spürte sie eine warme Berührung. Tauriel hatte ihr wie zur Beruhigung eine Hand auf die Schulter gelegt und lächelte ihr aufmunternd zu. Ein seltsames Gefühl der Vertrautheit überkam Lenja. Sie fühlte sich doch wirklich viel besser seitdem sie Tauriel getroffen hatte. Und das ohne bis jetzt ausgiebig mit einander gesprochen zu haben.
 

„Weißt du, meine Mutter ist gestorben. Also unsere Mutter. Kurz nachdem Ári geboren wurde. Und Vater hat sich nicht mehr um uns gekümmert. Ich habe alles machen müssen und dann ging es einfach nicht mehr. Mit meinen Onkeln habe ich heute Morgen gesprochen. Das sind die Brüder von meiner Mutter und die wollten mit ihm reden. Naja, da ist wohl was schief gegangen“, Lenja holte tief Luft.
 

„Und dann kam er nach Hause. Er ging auf mich los. Einfach so ohne Vorwarnung. Ich viel zu Boden. Er schlug mich, trat auf mich ein. Und dann war da das Küchenmesser. Das war unsere Chance. Ich lief mit Ári um unser Leben, raus aus dem Erebor und dir direkt in die Arme. Ich weiß nicht, wie es morgen weitergehen wird, aber ich bin irgendwie froh dich getroffen zu haben und nicht so ganz allein mit Ári im dunklen Wald zu sitzen. Ach nein, vergiss es! Jetzt denkst du bestimmt, wir Zwerge haben eine totale Macke und alle schlagen ihre Kinder. Wir sind zwar ein wenig ruppig und bestimmt viel kantiger als Elben, aber bitte, ich kann...“
 

„Es ist schon gut“, unterbrach Tauriel Lenja. „Du brauchst dich nicht für die Tat deines Vaters zu schämen. Wenn du wüsstest, warum ich hier bin... auch bei den Elben ist nicht immer alles honigsüß, wie alle anderen Völker über uns denken...“
 

Lenja sah Tauriel fragend an als diese eine Träne unterdrückte.
 

„Die körperlichen Schmerzen, die du beschreibst, kenne ich nicht. Dafür musste ich anderweitig leiden. Niemand hatte mich auch nur im Entferntesten gefragt, ob ich einverstanden war. Meine Eltern stammen aus Bruchtal und da lebte ich auch noch bis vor kurzer Zeit. Doch sie beschlossen mich zu Verwandten in das Reich von Thranduil zu schicken, dem König über den Düsterwald. Ich sollte eine große Kriegerin werden. Doch ich habe es heute nicht mehr ausgehalten. Immer dieser furchtbare Gehorsam! Und wenn du nicht hörst, dann dringt die Ausbilderin in deine Gedanken ein. Sie quält dich so lange bis du nachgibst und dich beugst. Als sich die Möglichkeit ergab, bin ich so schnell ich konnte aus dem Tor gelaufen. Und da ich mich nicht auskenne, bin ich nun hier gelandet. Ich habe mich verlaufen und weiß nicht, wie ich zurückkehren soll. Und ob ich das überhaupt möchte.“
 

Tauriel senkte traurig den Kopf. Lenja rutschte wie automatisch näher an das andere Mädchen heran. Mit ihrem freien rechten Arm drückte sie die Elbin an sich.
 

„Hey, das wird schon irgendwann wieder besser werden. Mein Onkel Balin sagt ja immer, dass nach Regen auch wieder Sonne kommt. Ich hoffe, er behält Recht. Für dich hoffe ich das auch“, sprach Lenja.
 

„Ich hoffe. Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, was ich machen soll. Wenn ich zurückkehre, dann werde ich auf jeden Fall bestraft. Eigentlich wollte ich so gern Kriegerin werden, aber nicht so weit von meinen Eltern entfernt... sie fehlen mir furchtbar. Und bei meiner Tante geht es mir zwar nicht schlecht, aber es ist so anders. Es ist irgendwie alles so blöd im Moment“, erwiderte Tauriel.
 

„Wem erzählst du das. Ich vermisse meine Mutter auch. Und der Mann, der eigentlich mein Vater sein soll, ist ein Monster. Ich würde alles dafür geben, wenn meine beiden Onkel mich hier mit Ári finden und einfach zu sich nehmen. Weg von ihm! Manchmal sind sie auch etwas chaotisch, aber dabei so lustig und niemals grausam“, sagte Lenja während ihr beim Gedanken an eine bessere Zukunft bei Dwalin und Balin ein ganz kleines Lächeln über das Gesicht huschte.
 

„Aber weißt du was?“, fragte Tauriel und sah Lenja an.
 

„Was denn?“, fragte die Zwergin neugierig.
 

„Ich bin so froh dich hier getroffen zu haben! Bei den Waldelben habe ich noch keine Freunde. Und um ehrlich zu sein, hatte ich noch nie wirkliche Freunde in Bruchtal. Irgendwie war ich immer etwas anders. Klar, eine Kriegerin werden zu wollen, ist bei uns Elben nicht etwas Unmögliches. Aber ich sehe mit meiner Haarfarbe ja auch schon etwas anders aus als der Großteil. Und ich wollte nie mit den anderen Mädchen spielen. Die waren mir immer zu blöd mit ihren Puppen und so. Ich wollte immer mit den Jungs raufen. Vielleicht ist das nun die Quittung für mein Verhalten. Ich bin allein im Düsterwald...“
 

„Du bist doch nicht allein! Wenn du magst, dann bin ich deine Freundin, Tauriel. Auch wenn du eine Elbin bist und keine Zwergin, wie ich, heißt das doch noch lange nicht, dass wir keine Freundinnen sein können, oder? Ich würde mich freuen, wenn du meine beste Freundin wirst.“
 

Lenja lächelte Tauriel an. Sie strahlte das Zwergenmädchen an.
 

„Du meinst das ernst? Ich meine, bei uns reden sie immer so schlecht über Zwerge. Aber ich kann das gar nicht glauben, wenn ich dich und deinen kleinen Bruder so sehe“, meinte die Elbin.
 

„Jaja, auch bei uns gibt es auch dumme Witze über Elben. Aber mal ganz ehrlich, ich glaube, das Schicksal wollte, dass wir uns heute Nacht treffen. Und ich finde dich toll, weil wir so viel gemeinsam haben. Ich möchte auch so sehr Kriegerin werden, doch darf ich das nicht so wirklich. Es ist bei Zwergen nicht „normal“, dass Frauen kämpfen. Klar, wir sind hart im Nehmen. Aber das bitteschön nur in den eigenen vier Wänden“, entgegnete Lenja und verdrehte bei den letzten Worten die Augen.
 

Tauriel musste lachen: „Du bist so lustig, Lenja! Ich meine, du hast bereits so schreckliche Dinge erlebt und bringst es doch fertig mich zum Lachen zu bringen. Und das an einem so dunklen Ort, wie dem hier. Ich freue mich dich als Freundin gewonnen zu haben, meldir Lenja.“
 

„Mahal, ich freue mich dich kennengelernt zu haben. Und als Zeichen unserer Freundschaft schenke ich dir das hier.“
 

Lenja hatte einen ihrer Ohrringe abgemacht und reichte ihn Tauriel. Es war der schönste, den das Mädchen besaß. Sie hatte ihn erst vor Kurzem bei Onkel Dwalin in der Schmiede selbst gefertigt und war sehr stolz auf ihr Werk. Ein sehr feiner Schriftzug auf Khuzdul zierte ihn: gullend- Glück, das wünschte sich Lenja. Sie hatte es sich bei Dwalin abgeschaut, dessen beide Äxte ebenfalls einen persönlichen Schriftzug trugen.

Und nun fand sie, dass ihre neue Freundin die richtige Person war, der sie ein solches Geschenk geben konnte. Glück, dass konnte auch Tauriel gebrauchen.
 

Die Elbin nahm den verzierten Ohrring mit freudig strahlenden Augen an. Sie drückte Lenja an sich.
 

„Ich danke dir so sehr für dein Geschenk, Lenja! Ich bin stolz deine Freundin zu sein.“
 

Langsam überkam die Mädchen eine bis jetzt verdrängte Müdigkeit. Beide schmiegten sich aneinander. Ári schlummerte in Lenjas Armen und während ihr langsam aber sicher die Augen immer schwerer wurden, dachte sie darüber nach, was wohl noch geschehen wird. Nach dem Schmerz von vor wenigen Stunden hatte sie eine Freundin gefunden. Auch wenn es keine Zwergin war, war Tauriel wenigstens eine aufrichtige Person. Und das war viel mehr als Lenja von so manchen Zwergen bis jetzt erlebt hatte.
 

Ob Balin und Dwalin sie hier finden würden, wusste das Mädchen nicht. Was auch immer geschehen würde, sie war nicht mehr allein. Und mit diesem Gedanken schlief sie glücklich ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Manu19
2016-04-02T19:17:52+00:00 02.04.2016 21:17
Huhu,
na Gottseidank war es nicht ihr Vater. Ja vielleicht verbindet die beiden Mädchen doch etwas außer ihren Haaren und die Augenfarbe.
Mal sehen was aus dieser Freundschaft wird und ob sie überhaupt eine Zukunft hat.
Ich hoffe und wünsche es Lenja sehr dass sie von einem ihrer Onkels gefunden wird.
War ein Prima Kapitel

LG Manu19
Antwort von:  LenjaKa
03.04.2016 11:19
Hey,
ja, zum Glück war es nur die gute Tauriel. Sagen wir mal so, als diese FF entstand 2013 gab es den 2. Hobbitfilm noch nicht. Es wurde zwar schon über Tauriel gemunkelt, doch habe ich sie komplett nach meiner Vorstellung gebastelt. Nur die Haarfarbe war damals bekannt. Rein rechnerisch käme es natürlich nicht so hin, da Elben und Zwerge anders altern, doch für den Verlauf der Geschichte war es sehr wichtig, dass Lenja und Tauriel sich getroffen haben. Da kommt auf alle Fälle noch etwas zu den beiden. Nun habe ich aber genug verraten. ;)

LG LenjaKa


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