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Ich warte auf dich

von

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Abschaum

Tag ein, Tag aus verbrachte Lenja nun in ihrer provisorischen Werkstube. Seit Wochen hatte sie kaum viel anderes gesehen als diesen Raum in den königlichen Korridoren. Sie hatte das Gefühl nur noch für das Arkenjuwel zu leben. Es dominierte ihr Leben. Kaum war sie am Morgen erwacht und hatte sich um das Wichtigste im Haushalt und um Ári gekümmert, verließ sie das traute Heim in Richtung ihrer vorübergehenden Arbeitsstätte.

Viele Stunden hatte sie bereits den Edelstein bearbeitet. Er nahm neue Formen an und wie Thrór bereits vermutet hatte, gaben sie ihm neuen Glanz. Das Juwel strahlte nun eine Schönheit aus, die seinem Betrachter fast Angst einflößen konnte.

Bald würde Lenjas Arbeit vollbracht sein. Sie konnte dann endlich wieder zurück in ihre eigentliche Arbeitsstube treten, welche sie schmerzlich vermisste.
 

Es war doch etwas anderes. Sie fühlte sich ständig unter Beobachtung. Nicht nur die königlichen Wachen vor der Tür erinnerten die Zwergin daran, dass dies keine normale Arbeit war. Umso weiter und schneller sie ihre Aufgabe erfüllte und der Edelstein tiefer aus seinem Inneren zu strahlen begann, bekam sie immer mehr ungebetene Gäste.
 

Thrór suchte sie nun täglich auf. Jedes Mal konnte er seinen Blick kaum vom Stein lösen. Er wurde langsam aber sicher ungeduldig, was sich nicht nur an seinen regelmäßigen Besuchen zeigen sollte. Er wollte das Juwel nun auch immer öfter in die eigenen Hände nehmen. Dort verweilte es dann auch sobald immer längere Zeit. Zeit, die Lenja eigentlich für ihren Fortschritt benötigt hätte. Zeit, die sie nutzen wollte, um endlich wieder frei zu sein und das mysteriöse Juwel nie wieder in ihre Hände nehmen zu müssen.

Die Zwergin glaubte zu wissen, was den König dort zu verzaubern schien und es machte ihr Angst. Die Reinheit, die Schönheit dieses Edelsteins war im Begriff den Verstand des Zwergen langsam aber sicher zu vernebeln. Wie sie es schon zu oft gesehen hatte, schien auch ihn ein derartiges Schicksal nicht erspart zu bleiben. Da half auch seine Abstammung nichts. Die Gier nach diesem besonderen Stein hatte ihn eingenommen und würde ihn wohl auch nicht so schnell wieder freigeben. Da war sich Lenja sicher.
 

Sie hatte diese Beobachtung auch Thorin mitgeteilt.

Er war wirklich öfter in ihrer momentanen Arbeitsstube anwesend. Doch nicht so oft, wie zuvor bei ihr und Hungstarri. Dafür besuchte er sie nun bei sich daheim. Dwalin hatte sich mittlerweile auch wieder etwas beruhigt und schien jedenfalls öffentlich nichts gegen Thorins Anwesenheit einwenden zu wollen. Nur Ári war immer noch höchst aufgeregt und neugierig, wenn sich die Liebenden zu einem bestimmten Zeitpunkt in Lenjas Kammer zurückzogen. Der Kleine musste unweigerlich an Dwalins seltsame Erklärung von der Herkunft der Zwergenkinder denken und hätte zu gern gewusst, ob seine Schwester und ihr Verlobter bereits fleißig daran probten Eltern zu werden. Doch das taten sie nicht. Im Moment genügte es Lenja Thorins Anwesenheit zu genießen, ihn zu küssen und in seinen Armen zu liegen. Mehr brauchte und wollte die Zwergin noch nicht.
 

„Du meinst wirklich, dass er dem Stein verfällt?“, fragte Thorin Lenja eines Abends als die beiden aneinander geschmiegt auf ihrem Bett lagen.
 

Die Zwergin nickte: „Er ist ständig bei mir und hat nur noch Augen für dieses abscheuliche Ding. Sein Blick ist immer mehr abwesend. Wenn ich ihn mir dann betrachte, scheint er meine Anwesenheit immer weniger wahrzunehmen. Er scheint alles andere um sich herum zu vergessen, wenn er den Arkenstein in Händen hält.“
 

Ihre Blicke trafen sich.
 

„Du machst dir ernsthafte Gedanken. Das ist löblich. Ich werde versuchen ihn darauf anzusprechen. Wenn ich es recht überlege, hat er kaum noch ein anderes Thema als dieses Juwel. Hab Dank für deine Beobachtungsgabe, mein geliebtes Flöckchen“, sprach der Zwerg und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
 

Die Zwergin schloss die Augen. Flöckchen. Es hatte kaum jemand vor Thorin gewagt sie bei diesem Namen zu rufen. Er tat es zwar auch nur, wenn die beiden allein waren, doch sie wusste nicht, ob sie sich je daran gewöhnen würde, wie er sie aus purer Zuneigung nannte.

Lenja. Ihr Name bedeutete nichts anderes als Nassschneesturm. Balin hatte ihr einst erzählt, dass ihre Mutter ihr den Namen gab, um an die Umstände ihrer Geburt zu erinnern. Als Láfa nieder kam, herrschte ein gewaltiger Schneesturm. Ásgrímur konnte sich von einer königlichen Mission nicht zurück in den Erebor aufmachen und erblickte seine Tochter erst wenige Tage nach ihrer Geburt. Und nun war es Thorin, der sie bei diesem Namen rief und sie zu seinem „Flöckchen“ auserkoren hatte.
 

Mit einem Ruck lag Lenja auf dem Zwerg. Überraschung spiegelte sich in seinen Zügen wieder.
 

„Thorin, der Tapfere. Du kannst nun zeigen, wie mutig du bist, wenn dein versprochenes Weib versucht dir den Verstand aus deiner Seele zu küssen“, sprach sie und versiegelte ihm im Nu seine Lippen in einem kaum enden wollenden Kuss.
 

Die Tür zu Lenjas königlicher Arbeitsstätte wurde geöffnet. Sie hob ihren Blick, um nicht nur zu schauen, wer sich ihr dort zu nähern schien, sondern auch um dem erwarteten König die passende Ehrerbietung entgegen zu bringen. Doch als sie ihren Kopf von ihrer Arbeit erhob und in die Richtung des Besuchers blickte, konnte sie nicht anders als zu schlucken. Es war weder Thrór noch Thorin, die dort vor ihr standen. Kein geringerer als Thráin war soeben in ihre Stube eingetreten.
 

Die junge Frau konnte es nicht mit einer genauen Bestimmtheit sagen, doch etwas war an dem Kronprinzen, was sie nicht einzuschätzen vermochte. Sein düsterer Blick und die Kälte, die ihm nach der Auftragsverkündung vor einigen Wochen umgaben, hatte sie nicht vergessen. Und nun, ohne in der Zwischenzeit den Vater ihres Geliebten näher kennenlernen zu können, war er bei ihr. Sie wurde ohne es beeinflussen zu können unsicher. Seine Anwesenheit bereitete ihr unweigerlich Kummer, ohne dass sie wusste, warum er sie aufgesucht hatte.
 

„Willst du dem Vater deines Geliebten nicht mit dem nötigen Respekt behandeln oder hat mein werter Sohn dir bereits den Verstand aus deinem Körper gestoßen, wenn er dich abends aufsucht?“, wollte der Zwerg von ihr wissen als er näher auf sie zu trat.
 

Lenja traute ihren Ohren nicht. Dieser Mann sprach von Respekt und Anstand? Er beleidigte nicht nur sie, sondern auch seinen abwesenden Sohn auf das Schändlichste! Abstammung hin oder her. Dieser Zwerg vor ihr verhielt sich gegen die zwergischen Tugenden. Was auch immer er von ihr wollte, es dürfte wohl ein sehr unangenehmes Gespräch werden. Sie biss sich auf die Zunge. Sollte sie etwas entgegnen? Und wenn ja, was?
 

„So so, wie ich sehe, hast du dich entschlossen sitzen zu bleiben und mir den Gruß zu verweigern. Ein ganz ungezogenes Ding scheinst du mir zu sein. Das erklärt natürlich auch, wieso mein Bastard von Sohn so wild hinter dir her ist“, sprach er unverfroren weiter.
 

„Was wollt Ihr überhaupt von mir? Falls Ihr nicht anderes vorhabt als mich zu beleidigen, dann verlasst auf der Stelle diesen Raum“, begehrte Lenja auf.
 

Thráin legte den Kopf etwas schief. Die Frau vor ihm schien doch wirklich sich gegen ihn zur Wehr setzen zu wollen. Ein Lächeln machte sich breit, was der Zwergin einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ.
 

„Na na, wer will denn da gleich so böse zu seinem künftigen Schwiegervater sein? Eine kleine Furie bist du wohl. Wie magst du es am liebsten, wenn er dich stößt, hm? Mit oder ohne zärtlichem Geplänkel? Ich vermute ja, dass du es brauchst, wenn er dich ohne viel Worte sogleich besteigt.“
 

Verdammt! Dieses miese Schwein! Was sollte dieses Gespräch überhaupt? Ihr wurde schlecht. Er bedrängte sie allein durch seine schändlichen Worte, wie es Ásgrímur einst selbst nicht besser vermocht hätte.
 

„Wenn Ihr abscheuliches Ungetüm nicht sofort diesen Raum wieder verlasst, rufe ich nach den Wachen!“, versuchte Lenja Thráin aus dem Zimmer zu bekommen.
 

Sein widerwärtiges Lächeln wurde breiter.
 

„Für wie dumm hältst du mich? Glaubst du, ich hätte sie nicht weggeschickt, wenn ich mit dir über die wirklich wichtigen Dinge sprechen will. Dir scheint nicht verborgen zu sein, dass ich es nicht gutheiße, dass du den Auftrag bekommen hast. Nicht nur meinem Sohn vernebelst du den Verstand, nun bevorzugt dich auch noch mein eigener Erzeuger. Die beiden scheinen an dir einen Narren gefressen zu haben. Jeder auf seine eigene Art, wie mir scheint. Und das, obwohl du von unnützem Blut bist. Dein Erzeuger war und deine Onkel sind zwar im königlichen Dienst, aber sich gleich den Enkel des Königs auf das eigene Lager zu reißen, ist dann doch etwas frivol, findest du nicht?“
 

„Wer hier frivol ist, das bist du!“, rief Lenja aus.
 

„Nicht gleich so aggressiv, meine Liebe. Eine kleine Wildkatze bist du anscheinend auch noch. Oder wolltest du dich einfach nicht von deinem Stuhl erheben, weil du es nicht konntest? Schmerzt dein Unterleib noch so sehr von der letzten Nacht als mein Sohn dich bestieg? Wenigstens das scheint er ja mit einer genauen Präzision erfüllen zu können.“
 

„Mein Unterleib geht dich einen feuchten Dreck an! Und wenn du kein Weib zum Stoßen hast, dann such dir eine andere der du solche Schweinereien an den Kopf werfen kannst!“, schimpfte Lenja als sie sich so schnell es nur möglich war in Richtung der Türen zubewegte.
 

Doch Thráin versperrte ihr den Fluchtweg. Ein Schmerz durchfuhr ihre Handgelenke als sie gegen die Wand gedrückt wurde. Sie schrie auf. Doch keiner kam ihr zur Hilfe. Die Wachen waren wirklich nicht an ihrem Platz. Sie war mutterseelenallein mit diesem Verrückten. Und er machte keine Anstalten sie loszulassen. Sie roch seinen Körperduft. Ihr wurde übel. Was auch immer er mit ihr nun vorhatte, sie musste versuchen so schnell es ging aus dieser Situation zu entkommen.
 

Triumphierend blickte er ihr ins Gesicht. Die Handgelenke nun mit einer Hand über ihren Kopf fixiert, ließ er seinen Blick über ihren Körper gleiten. Lenja ahnte schlimmes. Mit aller Kraft versuchte sie sich aus seinem Griff zu wenden als plötzlich seine freie Hand an ihren Busen griff.
 

„Und? Gefällt dir das? Macht Thorin es genauso?“, raunte er ihr entgegen während er ungestüm die Brust knetete. Es schmerzte und sie konnte sich ein Keuchen nicht verkneifen.
 

„Eine Genießerin. Du hast doch sicherlich nichts dagegen, wenn ich dich hier auf der Stelle nehme, oder? Schließlich bleibt es in der Familie und ich kann dann besten Gewissens behaupten, dass mein Sohn eine gute Wahl getroffen hat, wenn du auch mir den Beischlaf gewährst.“
 

Er zerriss ihr die Bänder ihres Mieders. Verzweifelt trat sie nach ihm. Doch er bemerkte ihre Versuche und lachte auf: „Was hast du vor? Du willst mich niederstrecken?“
 

Ein anderer Plan musste her. Und das aber schnell. Fieberhaft überlegte Lenja, wie sie sich aus dieser Situation retten sollte.
 

„Wenn du mich besteigen willst, dann musst du mir aber auch die Möglichkeit geben dich näher an mich zudrücken, wenn es mir oder dir kommt“, begann sie so verführerisch wie nur möglich zu sprechen.
 

Thráin schien zu überlegen. Die Gier nach ihrem Körper, nach dem Verbotenem ließ ihn schwach werden. Er ließ ihre Hände los. Und im selben Moment bereute er seine Dummheit. Lenja hatte das Messer aus ihrem Stiefel gezogen, was sie aus Schutz immer bei sich trug. Ohne Vorwarnung stieß sie auf den perplexen Zwerg ein und traf ihn an seinem linken Auge. Blut rann über sein Gesicht. Benebelt trat er einige Schritte zurück und tastete mit einer Hand nach der brennenden Stelle. Die Zwergin ergriff ihre Chance und lief so schnell ihre Beine sie trugen aus der Türe hinaus in die Freiheit.
 

Sie musste weg. Schnellstens musste sie diesen Ort verlassen. Sie musste Thorin davon berichten. Und sie hoffte, dass er ihr glauben würde.



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