Zum Inhalt der Seite

Evidence of Things unseen

[Stiles/Derek]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sein Handy produziert schwaches bläuliches Licht, das sich auf feuchtem Laub widerspiegelt und die Bäume ragen über ihm auf wie große, langgliedrige Schattenmonster.
 

Stiles ist sich nicht hundertprozentig sicher, wo er sich gerade befindet und er hat keine Ahnung wie lange sein Akku noch durchhalten wird; vor allem nicht, wenn er sein Handy noch länger als Taschenlampe missbraucht.

Das sind sehr gute Fragen. Aber sie befinden sich derzeit lediglich auf Platz elf und achtunddreißig in seiner ‚Liste mit Problemen‘, die von dem allerakutesten Problem angeführt wird.
 

Wo zum Teufel ist Derek?
 

Es ist nicht so, als ob Stiles persönliches Interesse daran hat, den Abend (die Nacht) mit Mr. Grummelwolf Höchstselbst zu verbringen. So gut kann er ihn dann doch nicht leiden, auch wenn die Todesdrohungen im Lauf der letzten Wochen tatsächlich nachgelassen haben.

Aber die dunklen, bedrohlichen Ecken des Waldes haben die Tendenz ein klitzekleines bisschen weniger dunkel und bedrohlich zu wirken, wenn der große, böse Wolf neben einem steht und bei Bedarf Klauen und Zähne ausfahren kann. Oder Leute mit der Macht seiner missbilligenden Augenbrauen zu Boden starren. Oder wie auch immer Derek das macht, Stiles ist da nicht wählerisch. Solange er nicht gefressen wird, ist alles gut. Und Derek neben sich stehen zu haben, reduziert die Wahrscheinlichkeit gefressen zu werden immerhin mindestens um 50%.
 

Nur jetzt gerade ist er ganz allein im Wald, in der garantiert mit Abstand finstersten und bedrohlichsten Ecke, bewaffnet mit nichts weiter als einer Handvoll Eberesche in seiner Tasche und dem matten Schimmer seiner Handy-Hintergrundbeleuchtung. Und Dereks abgelegte Klamotten im Rucksack.

Das ist nicht gut. Das ist sowas von nicht gut.

In anderen Worten – es ist beschissen.
 

Komm mit in den Wald‘ hat Derek gesagt.

Es geht ganz schnell‘, hat Derek gesagt.

Ich beiße dir die Kehle durch, wenn du nicht aufhörst zu reden‘, hat Derek gesagt.

Hah! Als ob irgendetwas davon es erträglicher macht, wenn man nachts um eins aus dem Bett gezerrt wird.

(Ein Glück, dass sein Vater schon wieder Nachtschicht hat. So oft wie Stiles in letzter Zeit nachts aus dem Haus geschlichen ist…das geht auf keine Kuhhaut mehr.)
 

Und dann einfach loszurennen, ohne Vorwarnung und Stiles hier stehen zu lassen. Also das ist echt nicht in Ordnung. Stiles wird so was von Beschwerde einreichen.

…falls er jemals lebend wieder hier herauskommt.
 

„Derek“, wispert Stiles zum dritten Mal.

Sein Flüstern schwebt durch die kühle, dunkle Nachtluft, wie ein Hauch, für menschliche Ohren kaum wahrnehmbar. Aber es sollte genug sein für scharfe Werwolfohren. Es muss.

Er schließt die Augen und lauscht.
 

Minutenlang hört er gar nichts, außer das Rascheln der Blätter im Wind und das dumpfe Rufen einer Nachteule. Irgendwo links von ihm gluckert der Fluss.

Ohne Vorwarnung zerschneidet ein Geräusch die Stille, laut und anhaltend wie eine Sirene.

Es ist ein Wolfsheulen.
 

Stiles Herz springt an, so ruckelnd wie ein Automotor nach einer Fehlzündung. Er fährt herum und versucht in der Dunkelheit die Richtung auszumachen, aus der es gekommen ist. Ohne auf ein weiteres Signal zu warten, beginnt er zu rennen.

Stiles ist kein Experte für Wolfsgeheul, aber er hätte eine Wochenration Adderall darauf verwettet, dass das eben Derek gewesen ist. Das, und auf die Tatsache, dass das kein sozialer ‚hey, wie geht’s? Wollte mal vorbeiheulen‘ Anruf ist.
 

Das ist ein Notsignal.
 

Der Boden unter seinen Füßen ist uneben und feucht und Stiles stolpert über Äste und Wurzeln und schliddert über glitschiges Laub. Sein Herz hämmert gegen seine Rippen.

Äste zischen über sein Gesicht und das bläuliche Licht seines Handys flackert in seinen Händen wie ein sterbender Stern. Fluchend und ohne anzuhalten schüttelt er es, in der vagsten aller Hoffnungen, dass es irgendeine Auswirkung auf den Akku hätte.

Scheiße, denkt er, scheißescheißescheiße. Und Derek.

Das sind zwei Wörter, die sehr oft gekoppelt in seinem Kopf auftauchen, in variierenden Zusammenhängen.
 

Das Heulen ertönt erneut, grell und langgezogen, aber diesmal wird es abrupt abgeschnitten und endet in einem Winseln, das Stiles durch Mark und Bein geht. Er taumelt und weicht einem Baum aus. Ohne zu warten bis er wieder Fuß gefasst hat beschleunigt er sein Tempo.

Ich bin gleich da, denkt er atemlos, seltsam überrascht von dem Ausmaß an Panik, das sich in ihm breit macht. Ich bin gleich da!

Er hat keinen Plan und keine Ahnung, was mit Derek passiert ist und er hat noch weniger Plan und noch weniger Ahnung, wie er etwas dagegen tun sollte, aber es ist der einzige Gedanke in seinem Kopf.

Derek finden.

Gefahr in die Flucht schlagen.

Derek retten.
 

Genau.

Guter Plan.
 

Oh Gott. Stiles wird so was von dabei draufgehen.
 

Auf den letzten Metern stolpert er über eine Wurzel und prallt ungebremst auf den Boden. Sämtliche Luft entweicht seiner Lunge.

Vom Schwung mitgerissen purzelt er einen kurzen Abhang hinunter, quer durch das Unterholz. Blätter und Erde wirbeln um ihn herum und er sieht Sterne. Erst auf den letzten Meter kommt er wieder auf die Beine und taumelt unkoordiniert auf eine Lichtung.

Mit einer Hand umklammert Stiles immer noch sein Handy, mit der anderen Hand greift er in seinen roten Kapuzenpullover.
 

„Derek!“ japst er atemlos. „Derek?“ Und dann: „Oh mein Gott.

In der Mitte der Lichtung liegt ein großer, schwarzer Wolf. Seine Augen glühen rot in der Dunkelheit.

Er beißt um sich und windet sich auf dem Boden, als ob ihm jemand Stromschläge verpasst. Über ihm kniet eine verhüllte, silbrige Gestalt.
 

Das Handy erlischt mit einem sanften Glühen zwischen Stiles Fingern, während er scharf ausatmet. Sekundenlang ist er wie versteinert. Er hat keine Ahnung wer oder was das ist, aber es ist offensichtlich, dass es nicht nur gekommen ist, um Derek eine Fußmassage zu verpassen.
 

Derek gibt ein markerschütterndes Jaulen von sich und erst dieses Geräusch reißt Stiles aus seiner Erstarrung.

Stiles rennt. Die letzten Meter schliddert er auf den Knien über den Boden. Die verhüllt Gestalt zuckt mit dem Kopf (zumindest nimmt Stiles an, dass sich da oben irgendetwas Kopfähnliches befindet) und fixiert ihn.

„Lass ihn Ruhe“, keucht Stiles, eine Hand nach Derek ausgestreckt. „Du ekliges…unidentifizierbares, aber offensichtlich böses…Saugmonster! Egal, was du bist, verpiss dich!“
 

Derek fiept. Seine Pfoten zucken unkoordiniert durch die Luft und er sieht aus, als versuche er sich aus einem unsichtbaren Netz zu befreien. Sein Rückgrat ist durchgedrückt wie eine Bogensehne.

Es sieht so schmerzhaft und hilflos aus, dass sich etwas in Stiles Brustkorb auseinander drückt, bis es sich anfühlt als wollte es seine Rippen zerbersten lassen.
 

Das graue, nebelige Wesen streckt eine Hand nach Stiles aus, in einer vage bedrohlichen Geste.

Aber damit hat er gerechnet.

Stiles reißt die Hand aus seiner Tasche und zerrt einen Schwung gemahlene Eberesche mit heraus. Ohne Vorwarnung schleuderte er es dem Wesen entgegen. Schwarzes, silbriges Pulver verteilte sich in einer Wolke über Derek und das Saugmonster. Es heult auf und weicht zurück.
 

„Du kannst nicht…“, befiehlt Stiles außer Atem, weil es das Erste ist, was ihm einfällt. „Du kannst ihn nicht berühren. Du kannst ihn nicht berühren!“
 

Du musst nur daran glauben‘, hat Deaton irgendwann einmal gesagt. ‚Du musst nur glauben, dass es funktioniert. Sei ein Funke.
 

Ein Funke, betet Stiles innerlich. Er ist ein Funke. Er wird der großartigste Funke aller Zeiten sein. Fuck you, ich bin ein Funke.

Das Gefühl in seiner Brust, schmerzhaft und zu eng, weitet sich aus, als ob eine fremde Hand in seinen Brustkorb hineingreift und sein Herz umschließt. Stiles holt tief Luft.

„Du. Kannst. Ihn. Nicht berühren.“
 

Er fühlt sich wie Gandalf.

Magisch, badass und unantastbar. ‘Du. Kommst. Nicht vorbei!‘
 

Das Saugmonster weicht zurück und gibt ein schrilles, wütendes Geräusch von sich. Mit einem beinah hörbaren Puff löst es sich in Luft aus und eine Handvoll pulverisierte Eberesche rieselt an der Stelle zu Boden, wo es eben noch gewesen ist.
 

„Oh mein Gott“, keucht Stiles. Wenn er nicht schon knien würde, würde ihm spätestens jetzt die Beine weich werden. „Die Viecher werden auch immer unheimlicher. Scheiße. Heilige…scheiße. Was war das? Was zum Teufel… Derek?“ Er tastet mit der Hand nach dem schwarzen Fell. Es ist als beruhigende Geste gedacht, aber der Wolf springt mit einem mächtigen Satz auf die Beine, als ob ihm jemand einen Schlag verpasst hätte. „Derek?“
 

Der Wolf fletscht die Zähne.

Stiles zuckt zurück, die Augen weit aufgerissen. Er ist nicht sicher, was hier vor sich geht, aber… oh mein Gott, oh mein Gott… Okay, das ist nicht gut.

Derek knurrt, grollt und fletscht die Zähne auch in Menschenform, aber das ist Stiles längst gewöhnt. Darüber kann er lässig hinweg sehen.

Aber das hier ist anders.

Es ist kein Funken von Erkennen in den Wolfaugen.
 

„Ist okay,“ sagt Stiles und fährt sich mit der Zunge über die trockene Unterlippe. „Es ist alles okay. Braver Hund…Wolf? Braver Derek? Ich bin’s. Stiles. Nur Stiles. Stilinski.“ Innerlich schlägt er sich mit der Handfläche an die Stirn. Denn wie viele verschiedene Stiles‘ wird es schon geben, die Derek kennt?
 

„Derek? Du kannst mich vielleicht nicht sonderlich gut leiden, aber du kennst mich. Und du willst mich nicht fressen. Es ist alles okay. Shht. Ich tu dir nichts. Ich hab dir überhaupt noch nie was getan. Du bist derjenige, der mich immer gegen Wände drückt und mich bedroht. Nebenbei bemerkt – nicht cool. Gar nicht cool! Es ist alles gut…“
 

Der Wolf kauert sprungbereit vor ihm, die Zähne zum Angriff gefletscht und ein lautes Grollen vibriert durch seinen gesamten Körper. Jede Sehne in seinem Körper ist angespannt, bis zum bersten. Stiles hat keine Ahnung was los ist (so ist Scott nicht einmal während Vollmondnächten drauf) und er macht das vermutlich Dümmste und Suizidalste, was ihm in diesem Moment in den Sinn kommt.

Er streckt die Hand nach ihm aus.

Jeder Instinkt in seinem Inneren schreit ihm zu sich umzudrehen und so schnell und so weit weg zu rennen wie möglich. Aber er hat das Gefühl, dass alle seine Worte gerade nicht bei Derek ankommen. Stiles zwingt sich die Hand weiter auszustrecken.

Er macht es langsam, so dass Derek sie genau sehen kann, alle fünf Finger, ausgebreitet wie zitternde Spinnenbeine, während sein Mund sich ununterbrochen weiter bewegt und eine Litanei an mehr oder weniger beruhigenden Worten und Lauten aneinanderreiht. Die Worte ‚gut‘ und ‚okay‘ und ‚ich bin es, Stiles‘ fallen am allermeisten, aber vermutlich kommt es darauf nicht einmal an. Dereks Kopf zuckt hektisch hin und her, als ob er nicht genau weiß, was passiert und Stiles ertappt sich dabei wie er anfängt laut zu erklären, was er jetzt tun wird.
 

Vielleicht ist es die Eberesche, denkt Stiles und berührt mit den Fingerspitzen das schwarze, dichte Fell an der Schulter. Vielleicht tut es ihm weh. Vielleicht hält es ihn fest in seiner Wolfgestalt, so wie der Eisenhut es mit Lauras Leiche gemacht hat.

Wieso weiß er das nicht? Wieso weiß er sowas nicht? Gott. Er weiß viel zu wenig über die ganze übernatürliche Scheiße, mit der sie die ganze Zeit zu tun haben.

Ein Schauern geht durch Dereks gesamten Körper. Sein Kopf zuckt ruckartig nach unten und er drückt die Schnauze gegen Stiles Hand. Sekundenlang ist Stiles sicher, dass es das jetzt war, dass er sich jetzt von mindestens vier Fingern verabschieden kann, denn da sind Zähne, große, scharfe Reißzähne, HerrimHimmel, aber es ist feucht und warm und okay, was…?, und dann fährt eine Zunge über seine Hand.

Adrenalin pumpt durch Stiles‘ Adern und seine Finger zittern, aber es muss irgendetwas an seinem Geruch sein, was der Wolf wiedererkennt, denn er wehrt sich nicht, als er die Finger in dem weichen Fell versenkt.
 

Derek winselt. Es gibt keinen anderen Ausdruck dafür.
 

„Es ist alles okay“, flüstert Stiles. Mit festen, gleichmäßigen Bewegungen beginnt er das dunkle Pulver aus Dereks Fell zu streifen. Es rieselt wie feiner, schwarzer Feenstaub zu Boden. Er nimmt die zweite Hand dazu und diesmal zuckt der Wolf nicht zurück, sondern drückt sich wenn möglich noch dichter an Stiles‘ Seite.
 

„Es ist gleich weg“, murmelt Stiles. „Ich mache es weg. Dann kannst du dich wieder zurückverwandeln und dein ganz normales schlecht gelauntes Selbst sein. In Menschenform. Mit Lederjacke. Und Muskeln. Weniger haarig. Oder mehr haarig. Vielleicht ist dir ja danach die Brusthaare wieder wachsen zu lassen, jetzt wo es kälter wird. Was immer du willst.“
 

Es ist seltsam und besorgniserregend, dass Derek sich noch nicht zurückverwandelt hat. Vielleicht liegt es an der Eberesche, die Stiles so großzügig über ihm verteilt hat. Aber vielleicht hat das seltsame Saugmonster ihm irgendetwas angetan.

Stiles fühlt sich hilflos und in seinem Kopf schwimmt ein Meer aus Fragen.
 

„Bist du verletzt?“ fragt er leise und der Wolf drückt den Kopf gegen Stiles‘ Brust, als ob das eine Antwort sein soll. Vielleicht ist es eine. „Hat sie…er…es? dir etwas getan? Ist es das? Derek.“ Er schlingt die Arme um den Wolf um besser an die aufgerichteten Nackenhaare zu kommen. Er streift das gesamte Pulver aus dem Fell und er redet ohne Punkt und Komma und in Gedanken wiederholt er ununterbrochen: ‚Du bist okay. Du bist okay. ‘

Du bist okay.
 

Plötzlich gibt der Wolf einen dumpfen, grollenden Laut von sich, der Stiles überrascht zurückzucken lässt, und er nimmt vorsichtshalber die Hände aus seinem Fell.

Derek krümmt sich vor ihm auf dem Boden. Knochen verschieben sich (und Stiles zuckt zusammen, weil autsch, das wird niemals nicht schmerzhaft aussehen), das Fell verschwindet und stattdessen ist da plötzlich nur nackte, mit Erde verschmierter Haut. Und dann liegt Derek vor ihm, schwer atmend und mit gesenktem Kopf, aber wieder er selbst.
 

„Derek?“ fragt er erleichtert.
 

Derek hustet. Es klingt als ob er eine halbe Tonne Erde inhaliert hat und Stiles verzieht mitfühlend das Gesicht.
 

„Alles okay? Bist du wieder da? Ich meine, nicht dass du weg-weg warst…aber…bist du wieder da?“
 

Derek nickt langsam. Stiles wünscht sich, er würde endlich den Kopf heben. Es ist beunruhigend und ungewohnt, sein finsteres Gesicht nicht sehen zu können.
 

„Okay. Gut! Ich habe zwei sehr gute Fragen dazu. Erstens: Was war das für ein Vieh? Und zweitens: Was WAR das? Ich meine …was? Ein übernatürlicher Staubsauger? Das war gruselig. Und was hat es mit dir angestellt? Das sah nicht gesund aus!“
 

Derek schüttelt den Kopf. Er gibt immer noch keinen Laut von sich.
 

„Derek“, wiederholt Stiles sacht und legt eine Hand auf Dereks Schulter. Die Haut unter seinen Fingerspitzen ist heiß, beinah fiebrig, und winzige Mikroschauer laufen durch seinen Körper. „Grummelwolf? Wenn du willst, dass ich aufhöre zu reden, musst du schon was sagen. Du könntest mir wenigstens Dinge aufzählen, die du mit deinen Zähnen anstellen willst. Deine Zähne, mein Nacken oder so. Was immer dir einfällt. Ich bin nicht wählerisch. Aber es wäre schön wenn…“
 

„Stiles.“ Seine Stimme klingt belegt und heiser und trotzdem fühlt Stiles eine Welle der Erleichterung in sich hochschwappen.
 

„Was?“
 

Eine Hand tastet nach ihm und bekommt den Stoff seines Pullovers zu fassen. Derek vergräbt die Finger darin, so fest, dass seine Knöchel weiß hervortreten. „Dein Handy. Mach es an.“
 

„Was? Alter, ich weiß nicht mal, ob der Akku…“
 

„Mach es an!“ faucht Derek.
 

„Okay, okay. schon gut.“ Stiles wedelt mit den Händen. Er angelt nach seinem Handy, dass irgendwo neben ihm auf dem Waldboden gelandet ist und drückt probeweise darauf herum. Der Akku läuft eindeutig schon im Sparmodus, auf dem letzten halben Balken, aber er gibt wenigstens einen matten, blauen Schimmer von sich. „Es ist an. Was willst du wissen? Den Börsenbericht? Die Zeiten für die Jagdsaison? Ersteigerst du gerade was auf Ebay?“
 

Derek ist ganz still. Er ist geradezu erstarrt. Nur sein Atem hallt schwer und viel zu laut in der kühlen Luft.

„Dein Handy ist an?“ fragt er dumpf.
 

„Ja?“ Verunsichert lässt Stiles die Hände sinken. Probeweise wedelt er mit dem leuchtenden Display vor Dereks Gesicht herum. „Es ist direkt vor deiner Nase. Das siehst du do-…“ Er stockt mitten im Satz, so abrupt, als sei er über seine eigenen Wörter gestolpert. Er schluckt und starrt und denkt nein. Nein, nein, nein.

„Derek“, sagt er langsam. „Siehst du das Licht nicht?“
 

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, in der matschige Erde durch Stiles Jeans sickert und Dereks ausgefahrene Klauen winzige Löcher in seinem Hemd hinterlassen, bis Derek endlich reagiert. Er schüttelt den Kopf und Stiles kann spüren wie sein Herz stehen bleibt.

„Ich sehe überhaupt nichts,“ wispert Derek, so leise dass es beinah untergeht.
 

-
 

Der Weg zurück zu Dereks Auto ist verschwommen in Stiles Kopf, wie ein unscharfes Amateurvideo. Sein eigener Atem hallt laut in seinen Ohren und der unebene Boden schwankt unter seinen strauchelnden Füßen wie ein untergehendes Schiff. Er stolpert mehr als dass er rennt.

Derek marschiert voran, weil er offenbar ein eingebautes Navigationssystem hat, das auch im Dunkeln funktioniert. Aber er hat eine Hand in Stiles‘ Hemd vergraben und zerrt ihn mit sich, als ob Stiles derjenige ist, der geführt werden muss.
 

Stiles hat aufgehört Fragen zu stellen oder gegen die grobe Behandlung zu protestieren, vor allem weil ihm die Luft ausgegangen ist. Hin und wieder zieht er Derek kommentarlos aus dem Weg, wenn er geradewegs auf einen Baum oder einen Abhang zusteuert, aber keiner von beiden kommentiert es. Es zieht irgendwo in Stiles‘ Herzgegend zu sehen, wie Derek nach vorne marschiert, als ob er sieht wohin.
 

In seinem Kopf pulsiert es.

Derek kann nicht sehen. Derek kann nicht sehen.

Stiles fragt sich, ob es okay ist, dass er derjenige ist, der offensichtlich mehr deswegen durchdreht.
 

Es überrascht ihn selbst am meisten, als sie tatsächlich irgendwann beim Camaro ankommen. Immerhin ist einer von ihnen blind (Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott!) und der andere hat den Orientierungssinnes eines Käsetoasts (Stiles kennt seine Stärken, und Orientierungssinn gehört nicht dazu).
 

„Oh mein Gott“, keucht Stiles inbrünstig. Er sinkt gegen die Beifahrertür und stützt sich mit beiden Händen auf den Knien ab.

Dereks Hand löst sich aus seinem Hemd und er greift nach seinem Wagen. Er erwischt das Dach und seine Fingerspitzen gleiten über den glänzenden Lack. Sein Gesicht ist unbewegt, aber sekundenlang sieht er beinah erleichtert aus, etwas so Vertrautes zu berühren.
 

Was machen wir jetzt? möchte Stiles fragen. Was sollen wir machen? Oh mein Gott. Wir brauchen Hilfe! Was soll wir machen? Derek? Derek!

Aber er sagt nichts von alledem.

Es ist nicht okay, wenn er in Panik verfällt. Es ist nicht okay und es ist nicht hilfreich.

Sein Gehirn arbeitet überstürzt und ungenau und wirbelt ein halbes Dutzend angefangene Lösungsansätze in weniger als zehn Sekunden durcheinander.
 

„Deaton“, platzt es aus Stiles heraus.
 

Derek zuckt zusammen. „Was.“
 

„Wir müssen zu Deaton, okay? Er kann dir vielleicht helfen und…“
 

„Nein“, sagt Derek tonlos.
 

„Wie nein?“ Stiles richtet sich auf. „Wieso sollte er dir nicht helfen? Bisher hat er doch auch…“
 

„Nicht Deaton“, knurrt Derek. Seine Hand spannt sich an und ein kleiner Teil von Stiles macht sich Sorgen um den Lack.
 

„Oh, komm schon! Wieso nicht Deaton? Was glaubst du wie viele magische Tierärzte hier in der Gegend herumrennen?“
 

„Nein!“
 

Frustriert breitet Stiles die Arme aus. „Was? Was?! Ernsthaft? Du hältst jetzt für einen geeigneten Moment, um dich zu stur zu stellen?! Newsflash, Grummelwolf, aber es ist nicht so, als ob DU ohne mich irgendwo hinfahren kannst!“

Schon bevor er den Satz zu Ende gesprochen hat, wünscht er sich, dass er ihn wieder zurücknehmen könnte.

Er schließt die Augen, nur um Dereks Gesicht nicht sehen zu müssen. „Tut mir leid. Das war… das… vergiss es.“
 

Er atmet aus und öffnet die Augen wieder. Derek steht immer noch in derselben Position neben dem Camaro.
 

„Gut“, sagt Stiles, obwohl gerade gar nichts gut ist. „Wohin dann? Wohin willst du?“
 

„Zu dir.“
 

„Entschuldige bitte?“
 

Derek beißt die Zähne so fest zusammen, dass seine Wangenknochen hervortreten. „Es gibt keinen… ich kann nicht…“ Er schüttelt den Kopf. „Zu dir“, wiederholt er.
 

Und Stiles ist kurz davor eine stundenlange, wohl fundierte Diskussion darüber anzufangen, dass die häufige Wiederholung seiner Aussagen nicht automatisch bedeutet dass man recht hat. Aber ein Blick auf Derek bringt ihn zum Schweigen.

Es erinnert ihn auf seltsame Weise an einen anderen Derek, blass und verschwitzt und mit einer tödlichen Dosis Eisenhut in den Adern, zu einer anderen Zeit, aber in einer ähnlich schlechten Lage.
 

Ich kann dich nicht in deinem eigenen Haus abliefern?‘

‚Nicht wenn ich mich nicht beschützen kann!
 

Es macht auf tragische Art und Weise Sinn.

Wenn man eine Zielscheibe auf dem Rücken hat und alle Welt weiß wo man wohnt, kann man sich nicht nach Hause zurückziehen, um seine sprichwörtlichen Wunden zu lecken.
 

„Okay.“ Er nickt.

Beinah unmerklich sinken Dereks Schultern nach unten.
 

Stiles seufzt und fährt sich einer Hand über den Kopf. „Heißt das, ich darf deinen Wagen fahren?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (10)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  BlackWolfMika
2013-12-08T10:01:07+00:00 08.12.2013 11:01
Wow, deine Story, ist echt genial und dieses Kapitel hat mich wirklich nicht los gelassen.
Es hat mich so gefangen genommen und gefesselt.
Und jetzt möchte ich gerne wissen wie es weiter geht.
ich hoffe du schreibst bald weiter.
Ich kann es kaum er warten weiter zu lesen!!^^
Mache bitte weiter so!!!
Von:  MaiRaike
2013-09-02T08:13:35+00:00 02.09.2013 10:13
Uuuuuih!!!

Ich liebe es. Du bist sowieso eine meiner lieblings Autoren. Und hier schaffst du es auch noch Stiles so perfekt darzustellen, dass du eigentlich sofort als Drehbuchautorin für TW anfangen solltest ;)

Mehr!!!!!!
*Mit motivations Keksen um sich schmeiß*
Von:  LumCheng
2013-08-29T18:31:34+00:00 29.08.2013 20:31
Uhm, fehlt da etwas? (Die Formatierung is ja auch schief gegangen XD )
Oder is die Story da zu Ende? Das war irgendwie sehr abrupt ^^;
Aber die Vorstellung eines blinden Derek ist... sexy ;D
Wäre schön, wenn du weiterschreiben oder den Rest posten würdest, falls da was fehlt ^^
Von:  Black_Polaris
2013-08-25T19:40:12+00:00 25.08.2013 21:40
kuss, kuss und nochmals kuss!!!!
diese story muss weiter gehn bitte schreib weiter
Von:  herzausglas
2013-08-14T22:08:08+00:00 15.08.2013 00:08
!!!
Wie kommt es, dass ich diese FF von dir noch nicht kenne? Hast du die nie auf LJ gepostet oder bin ich einfach blöd und hab's übersehen?

Erst mal: Grummelwolf finde ich total super als Übersetzung für Sourwolf. Das passt richtig gut zu Stiles und wie du ihn auf Deutsch schreibst ist sowieso total LIEBE *_____* (gibt es überhaupt schon eine deutsche Synchronisation von TW? Ich weiß nur, dass es die Staffeln bei Amazon bisher nur als Import gibt... leider)

‚Komm mit in den Wald‘ hat Derek gesagt.
‚Es geht ganz schnell‘, hat Derek gesagt.
‚Ich beiße dir die Kehle durch, wenn du nicht aufhörst zu reden‘, hat Derek gesagt.

Total genial :D ich kann mir Derek richtig gut vorstellen, wie er durchs Fenster zu Stiles ins Zimmer kommt und das so von ihm verlangt ohne jegliche Erklärung. Und Stiles kommt natürlich mit.

Leider kann ich nach dem enttäuschenden Länderspiel heute Abend nicht viel kohärentes oder brauchbares schreiben, aber das sind auf jeden Fall meine Lieblingsstellen:

Das, und auf die Tatsache, dass das kein sozialer ‚hey, wie geht’s? Wollte mal vorbeiheulen‘ Anruf ist.

Scheiße, denkt er, scheißescheißescheiße. Und Derek.
Das sind zwei Wörter, die sehr oft gekoppelt in seinem Kopf auftauchen, in variierenden Zusammenhängen.


„Lass ihn Ruhe“, keucht Stiles, eine Hand nach Derek ausgestreckt. „Du ekliges…unidentifizierbares, aber offensichtlich böses…Saugmonster! Egal, was du bist, verpiss dich!“

Ein Funke, betet Stiles innerlich. Er ist ein Funke. Er wird der großartigste Funke aller Zeiten sein. Fuck you, ich bin ein Funke.
DAS ist so eine coole Idee!! Ich hoffe, dass das in der Serie auch noch mal aufgegriffen wird.

Er fühlt sich wie Gandalf.
Magisch, badass und unantastbar. ‘Du. Kommst. Nicht vorbei!‘

Ohne Worte XD

Dann kannst du dich wieder zurückverwandeln und dein ganz normales schlecht gelauntes Selbst sein. In Menschenform. Mit Lederjacke. Und Muskeln. Weniger haarig. Oder mehr haarig. Vielleicht ist dir ja danach die Brusthaare wieder wachsen zu lassen, jetzt wo es kälter wird. Was immer du willst.

Stiles seufzt und fährt sich einer Hand über den Kopf. „Heißt das, ich darf deinen Wagen fahren?“

Das haben sie also in den Monaten zwischen S2 und S3 getrieben. HEADCANON ACCEPTED!
Das war wirklich ein sehr schönes Kapitel. Du schreibst Stiles wunderbar und dein Schreibstil passt auch noch super zu seiner Persönlichkeit. Vielleicht gibt es ja irgendwann eine Fortsetzung? :)

Übrigens, ich bin Franzi von LJ (herzausglas) und tumblr (fearless-flower), nur zur Sicherheit.^^ Eigentlich war ich hier vor Jahren mal unter einem anderen Namen angemeldet, aber weil ich die Seite dann sehr lange nicht genutzt habe, hab ich meinen Account irgendwann gelöscht. Inzwischen bin ich aber doch wieder hin und wieder hier, deshalb musste ein neuer her. Ich bin jetzt auch mal so dreist und adde dich hier als Kontakt :P
Alles liebe, Franzi

PS. Hoffe du hast einen schönen Urlaub und ich bin schon sehr gespannt wie du die letzten beiden Folgen findest ;)
Antwort von:  DasIch
16.08.2013 07:03
Teen Wolf die deutsche Fassung kommt jeden Samstag auf rtl2 um 20:15. Uhr !! Drei folgen!!!
Von: abgemeldet
2013-07-07T10:21:43+00:00 07.07.2013 12:21
Wow! Mir gefällt dein Stil und deine Art, wie du die Umgebung beschreibst.
Außerdem gefällt mir die Story beziehungsweise die, die sich aus dem ersten Kapitel entwickeln könnte und ich bin gespannt, wie du sie umsetzen wirst!
Freue mich auf mehr!! :)
Von:  emotional_chaos
2013-05-18T15:51:13+00:00 18.05.2013 17:51
Wow toll *~*
Bin so neugierig wie es weitergeht! <3
Ich mag deinen Stil und die Details in vielen Sätzen find ich auch gut ;D abgesehen davon, total spannend!

Ich hoff du schreibst bald weiter :)
LG emotional_chaos
Von:  dragonfly92
2013-05-03T15:34:37+00:00 03.05.2013 17:34
Oh mein Gott.
Ich hab erst vor etwa einem Monat TeenWolf angefangen und es bis jetzt schon etwa dreimal komplett nochmal geschaut, mein Dash auf tumblr ist voll davon, archivesofourown ist auch schon nach den besten Fanfiktions abgegrast und dann kommt eine meiner Lieblings-Fanfiktion-Autorinnen und fängt eine mit super interessantem Plot nach einem promt-Vorschlag an. Das ist einfach zu schön, um wahr zu sein. Danke!
Auch wenn ich es noch etwas befremdlich finde, die vielen eingedeutschten Begriffe zu lesen; aber das gibt sich sicher mit der Zeit.

Muss wohl kaum sagen, dass ich mich jetzt schon auf das nächste Kapitel freue. C:
Von:  Memphis
2013-05-02T20:36:05+00:00 02.05.2013 22:36
OMG! Sterek-FF und auch noch von dir! OMG!!! Aaah, all meine Fangirlie-Gefühle gehen gerade mit mir durch. Es tut mir leid!

Und Stiles ist definitiv ein fucking Funke! Ahahaha.


Zurück