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Daisuki Onii-chan

NorwayxIceland
von

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Prolog

Guten Tag. Mein Name ist Island, meine Hauptstadt heißt Reykjavik. Ich liege sehr weit vom europäischen Festland entfernt, also bin ich eine Insel. Ich habe einen knuffigen Papageientaucher namens Mr. Puffin als Haustier. Von mir träumen viele Leute auf dem europäischen Festland, sie nennen mich auch „Das Land der Vulkane und Geysire“. Jedes Jahr besuchen mich viele Touristen, um meine wunderschöne Natur zu erleben. Trotzdem gibt es da eine bestimmte Sache, die mich in meinem Leben stört: Mein Bruder. Norwegen. Ich weiß ja, viele von euch wünschten sich nichts sehnlicher als einen großen Bruder. Ich mag ihn ja auch. Aber irgendwie nervt er auch ganz schön. Seit dem bei einem DNA-Test festgestellt wurde, dass es keine isländische Urbevölkerung gab und meine Vorfahren aus Norwegen kamen, verlangen alle von mir, dass ich Norwegen wieder „Großer Bruder“ nenne. So, wie ich es als Baby immer tat. Das nervt ganz schön.

Naja, und dann ist da noch so eine Sache: Manche Leute zählen mich ernsthaft nicht mehr zu Skandinavien, da ich „zu abgelegen“ liege. Aber allein an meiner Flagge merkt man doch, wozu ich gehöre!

Doch wenn ich versuche, jemandem zu erklären, dass ich zu den Nordics gehöre, hören mir nicht immer alle zu. Ja, manche Leute beschimpfen mich sogar als „Walfänger“ oder „Überfischer“. Dabei vergessen sie nur immer, dass der Walfang bei uns eine sehr lange Tradition hat. Und das mit der Überfischung.... Mit irgendwas muss ich doch auch mein Geld verdienen. Aber mein Bruder fischt mir natürlich immer alles vorher weg. Ja klar! Er will ja auch nicht der EU beitreten, aber als ich beitreten wollte, hat man mir den Zutritt nicht genehmigt. Weil ich ja die Meere überfische!

Ihr seht also, dass ich im Moment ein paar Probleme mit meiner Clique habe. Deshalb war ich am Anfang auch nicht sehr erfreut, als ich die Einladung zum „Treffen der Nordics“ in meinem Briefkasten fand. Ich war zu einer einwöchigen Übernachtungsparty in einer Grundschule mitten in Deutschland eingeladen. „Na toll, jetzt muss ich auch noch extra für so eine dumme Party, oder wie auch immer sich so etwas nennt, nach Deutschland fliegen.“, dachte ich am Anfang. Sicherlich hätte es auch innerhalb von Skandinavien tolle Orte für so eine Sitzung, Party, was auch immer gegeben. Und schon allein die Idee, in eine Grundschule zu gehen, klingt doch irgendwie behämmert, oder. Genervt schaltete ich meinen Laptop an, ging ins Internet und buchte einen Flug nach Deutschland. Am liebsten wäre ich ja hier zu Hause geblieben, aber ich wollte mich nicht zu sehr von den anderen abschotten. Ich hatte mir bereits ausgerechnet, in wie vielen Tagen ich wieder zu Hause auf meiner geliebten Insel sein würde. Ich war mir absolut sicher, dass diese Übernachtungsparty schrecklich langweilig werden würde. Echte Abenteuer und Spaß kann man doch nur zu Hause erleben. Dachte ich. Doch dann kam doch alles anders.

Die Ankunft

Es war ein sonniger Sonntagmorgen. Ich wurde von den Sonnenstrahlen sanft geweckt. Ich hatte ein wunderbares Gefühl, wie ich es an einem ruhigen Sonntag gewohnt war. Am liebsten wäre ich liegen geblieben, hätte Mr. Puffin nicht nach seinem Frühstück geschrien. Also stand ich langsam auf und holte das spezielle Mr.Puffin-Superfutter. Nachdem ich meinen hungrigen Vogel gefüttert hatte, ging ich auf den Balkon und wollte gerade einen Tee genießen. Der sollte gut gegen meine Dauererkältung sein. Doch plötzlich fiel mein Blick auf das heutige Kalenderblatt: 12.05! Heute war der Tag meines Abflugs nach Deutschland. Das hatte ich völlig vergessen. Blitzartig war meine gute Laune verschwunden. Für heute hatte ich bereits den Wecker gestellt. Dieser hatte auch geklingelt, aber ich wollte mich noch fünf Minuten ausruhen. Aus diesen fünf Minuten wurden dann irgendwie zwei Stunden. „So leicht kann man verschlafen!“, dachte ich. Schnell schlang ich mein Frühstück herunter und zog mich an. Zum Glück hatte ich meine beiden Koffer schon vor drei Tagen gepackt und musste nur noch die letzten Dinge in meinen Rucksack stopfen. Danach schnappte ich mir die Koffer, zog mir schnell eine Jacke und Schuhe über und ging los. Mr. Puffin saß bei mir auf der Schulter. Zügig rannte ich zu meinem Auto und fuhr zum Flughafen. Dort parkte ich mein Auto und betrat das Flughafengebäude. Dort herrschte viel Trubel, da zurzeit eine internationale Messe in meinem Land stattfand, zu der Menschen aus vielen verschiedenen Ländern dieser Welt anreisten. Ich warf einen Blick auf die Anzeigetafel. Mein Flug startete bald. Darum passierte ich schnell die Sicherheitskontrolle. Leider gab es ein paar Schwierigkeiten mit meinem Papageientaucher, doch irgendwie durfte er dann doch noch mitfliegen. Was wäre die ganze Reise bloß ohne mein liebes Haustier gewesen? Ich hätte es höchstwahrscheinlich gar nicht überlebt.
 

Zehn Minuten später startete mein Flieger. An Bord begrüßte mich eine hübsche Stewardess, dann suchte ich meinen Sitzplatz auf und nahm mir eine Zeitschrift zum lesen. Ich hatte jedoch keine Ahnung, wie langweilig dieser Flug werden würde. Immer gab es nur das gleiche zu sehen: Wolken, blauer Himmel, der Flügel meines Flugzeuges... Und dann waren da noch die anderen Leute. Hinter mir saßen Italiener, die einen furchtbaren Lärm machten. Und vor mir saß eine ganze Gruppe betrunkener Russen, die nur rumgrölten. Gegenüber, in einer anderen Sitzreihen waren ein Amerikaner und ein Österreicher. Sie gehörten anscheinend nicht zusammen. Der Amerikaner sang andauernd patriotische Lieder über Superhelden und Aliens, darum wurde Österreicher immer wieder wütend und schimpfe so laut, dass es das gesamte Flugzeug hören konnte. Ich konnte also noch nicht einmal etwas schlafen. Alle machten viel zu großen Lärm. Der einzige leise war der Japaner neben mir, doch der war vielleicht schon wieder etwas zu leise für mich.
 

Nach einer langen Zeit, so schien es mir auf jeden Fall, landeten wir. Ich verließ das Flugzeug und betrat den Flughafen. Dort holte ich meine Koffer ab. „Hey, Island! Schön dich wieder zu sehen!“ Eine bekannte Stimme überraschte mich. Ich drehte mich um. Hinter mir stand Dänemark. „Wie geht es dir?“, fragte er. Ich antwortete: „ Gut.“ Dabei schaute ich ziemlich genervt aus. Natürlich hatte ich vor, mir von meiner schlechten Laune nichts anmerken zu lassen. Aber irgendwie fiel es mir dann doch sehr schwer, alles zu unterdrücken. „Komm mit nach draußen, dort warten schon die anderen auf uns“, sagte Dänemark. Ich folgte ihm nach draußen. Dort standen tatsächlich die anderen Skandinavier. „Hallo! Hallo!“, Finnland umarmte mich. Dabei hätte er mich beinahe erdrückt. Dann begrüßte mich Schweden: „Hallo Island, schön, dass du da bist“. Als letztes begrüßte mich Norwegen, mein großer Bruder. „Guten Tag“. Er schüttelte mir die Hand. Ich warf ihm dabei nur einen grimmigen Blick zu.

„Kommt Leute, dort wartet der Taxifahrer schon auf uns“, sagte Dänemark. Also brachten wir fünf unser Gepäck in den Kofferraum und setzten uns ins Taxi. „Wo geht’s hin?“, fragte uns der Fahrer. „In die Teddy-Bär-Grundschule“, antwortete Dänemark. Er hatte dieses Treffen organisiert.

Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten wir ein großes Gebäude. Vor ihm war ein großer Hof, auf dem viele kleine Kinder spielten. Die Fenster des Gebäudes waren bunt bemalt und beklebt. Innen,im Gebäude, schienen viele Flaggen zu hängen, doch ich konnte nur ein paar erkennen. „Ihr seid dann wohl die nordischen Fünf, oder?“. Deutschland kam aus dem Gebäude. Er sah nicht besonders sympathisch aus. Sein Blick, sein Auftreten, sein Tonfall. Aber wahrscheinlich war er immer so. „Herzlich Willkommen auf der Teddy-Bär-Grundschule! Als erstes werde ich die Regeln für euch aufstellen, an die ihr euch zu halten habt, Verstanden?“ Alle nickten. Deutschland fuhr fort: „Erstens: Alkohol und Drogen sind strengstens verboten! Durch den Konsum dieser Produkte können erhebliche Schäden an euren Körper entstehen. Ihr werdet süchtig, gleichzeitig zerstören diese Suchtmittel euren Körper und euren Verstand! Außerdem wäre es eine Schande, wenn Drogen oder ähnliche Suchtmittel mit kleinen Kindern in Kontakt kommen würden. Zweitens: Geraucht wird nur draußen, haben wir uns da verstanden?“ „A-Aber ich rauche doch gar nicht“, stotterte Finnland. Schweden rempelte ihn an. Er sollte Deutschland lieber zuhören. „Und drittens: Nur Norwegen ist der Zugang zur Küche der Cafeteria erlaubt. Allen anderen ist der Zutritt strengstens verboten! Ich sehe es nicht ein, dass irgendjemand meine Küche beschmutzt, darum darf sich nur maximal eine Person in diesem Raum aufhalten. Da ich euren Freund und Bruder Norwegen in der Hinsicht sehr vertraue, erteile ich ihm die Erlaubnis, die Küche zu betreten.“ Deutschland warf einen Blick auf Mr. Puffin. „Zum Thema Haustiere: Sie sind erlaubt, aber sobald eines eurer Haustiere irgendetwas zerstört oder ähnliche unanständige Sachen anstellt, fliegen alle Fünf von euch raus! Katzen sind übrigens komplett untersagt.“ „Dieser Deutschland stellt ja Ansprüche“, dachte ich mir. Doch Deutschland redete weiter: „Ansonsten wünsche ich euch noch einen angenehmen Aufenthalt auf der Teddy-Bär-Grundschule, die nach dem langjährigen Oberbürgermeister unserer Stadt, Theodor, genannt, Teddy, Bär, benannt wurde. Für die Schüler dieser Schule werden morgen die Ferien beginnen. Ihr dürft euch dann auf dem gesamten Schulgelände aufhalten. Geschlafen wird trotzdem nur in der Turnhalle. Falls ihr Fragen oder Beschwerden haben solltet, wendet euch bitte an den Hausmeister. Er ist von 5:00 Uhr morgens bis 22:00 Uhr für euch erreichbar. Jedoch solltet ihr euch nicht zu sehr auf seine Deutschkenntnisse verlassen, denn der Hausmeister stammt aus Rumänien“. „Ist er denn auch ein Land, so wie ich und du?“, fragte Finnland. Deutschland nickte. „Ich werde vielleicht ab und zu mal bei euch vorbeischauen um zu sehen, ob alles in Ordnung ist und ihr euch auch an alle Regeln haltet“, sagte er und verließ das Schulgelände. In dem Moment klingelte es auch zum Schulschluss und die kleinen Kinder rannte alle vergnügt aus dem Gebäude. Endlich hatten für sie die Ferien angefangen. Sie schienen sich alle sehr zu freuen. „Nun“, sagte Dänemark. „Wir alle kennen diese Schule ja schon von den Bildern und Plänen aus dem Internet, oder?“ Ich sah ihn entsetzt an. Mir kam der Gedanke, dass die anderen Vier schon wieder alles hinter meinen Rücken geplant hatten. „Nein, ihr habt mir nichts von der Internetseite erzählt“, sagte ich schließlich. Dänemark schaute mich an. „Wirklich nicht?“ Darauf mischte sich Schweden ein: „Island, wie wäre es denn, wenn dein großer Bruder dir mal die Schule zeigt?“ Finnland stimmte dem Vorschlag begeistert zu: „Ja, das wäre toll! Es ist doch süß, wenn der Ältere seinem kleinen Bruder etwas zeigt oder beibringt.“ Auch Norwegen nickte. Doch ich hätte mich am liebsten übergeben. Jetzt fing ja alles schon wieder an: Großer Bruder hier, großer Bruder dort... Doch ich wollte mir nichts anmerken lassen und folgte trotzdem meinem „großen Bruder“. Zuerst zeigte er mir das Lehrerzimmer: „Hier ist das Lehrerzimmer. Da werden Konferenzen und ähnliches stattfinden“, ich nickte mit einem mürrischen Blick. „Und dort sind die Klassenräume. Da dürfen wir aber nicht hin“, Norwegen zeigte auf ein paar kleinere Räume im orangefarbenen Aufgang. Ich wunderte mich nur, warum er mir überhaupt Räume zeigt, die wir gar nicht betreten dürfen. Jetzt wurde mein Blick leicht grimmig. Dann zeigte er auf die Räume im lilafarbenen Aufgang. „Und da sind die Fachräume. Die dürfen wir auch nicht betreten“ „Mein Gott“, dachte ich mir „warum zeigt er mir das denn?“. Mein Blick wurde noch grimmiger. Wir gingen weiter. Diesmal blieben wir vor einem ziemlich großen Raum stehen. „Und das ist die Cafeteria.“, sagte mein Bruder. „Da kann aber nur ich die Küche betreten!“ Und schon wieder erzählte er mir so etwas unnötiges. Das machte mich langsam sehr wütend. Nun wurde mein Blick so grimmig, dass es grimmiger gar nicht mehr ging. Doch mein Bruder bemerkte es wahrscheinlich noch nicht einmal. Er ging einfach weiter die Treppen hinunter zur Turnhalle. „Dort hinten ist der Eingang zur Turnhalle, wo wir schlafen werden“, erzählte mein Bruder. „In den Umkleidekabinen befinden sich die Toiletten. Falls du Nachts mal auf die Toilette gehen solltest, geh nicht alleine dort hin. Weck mich lieber. Du könntest alleine vielleicht etwas Angst bekommen“. Das wurde mir zu viel. Mein großer Bruder hielt mich tatsächlich immer noch für ein Kleinkind. Es war unfassbar! Aus lauter Wut auf Norwegen rannte ich davon. Auf die Toilette. Ich musste erst einmal wieder runterkommen, denn ich war zu aufgebracht um mich irgendwie diplomatisch verhalten zu können.

Auf der Toilette schloss ich mich ein und zählte langsam bis 1000 in der Hoffnung darauf, dass ich mich danach wieder einigermaßen beruhigt hatte. In der Zeit machte ich mir viele Gedanken: „Warum habe ich nur einen großen Bruder? Warum habe ich denn keine eigene Urbevölkerung? Ist es wirklich wahr, dass ich nicht so wichtig bin, wie die anderen Skandinavier? Was wäre, wenn ich keinen Bruder hätte? Würde ich dann überhaupt existieren? Vielleicht meint Norwegen es ja auch nur gut mit mir? Oder etwa doch nicht? Wäre es vielleicht sogar besser gewesen, wenn ich gar zu Hause geblieben wäre?“ Ratlos strich ich mit meinen Fingern über die Federn meines Papageientauchers. „Ach, Mr. Puffin. Manchmal glaube ich echt, dass du der einzige bist, der mich versteht.“ Als ich fertig war mit dem Zählen, schloss ich die Tür langsam wieder auf und ging vorsichtig, einen Schritt nach dem anderen, in Richtung Schulhof. Ich war sehr verunsichert, ob die anderen mich nach dieser Aktion noch sehen wollten...

Die erste Nacht

Ich ging auf die anderen zu. „Da bin ich wieder“. Mir viel nichts besseres ein, was ich hätte sagen sollen. Alle schwiegen. Dann meldete sich Schweden zu Wort: „ Hallo. Schön, dass du wieder da bist.“ Darauf sagte auch Dänemark: „Das erfreut mich auch“. Und Finnland: „ Wir haben schon auf dich gewartet“. Schließlich fing auch mein Bruder Norwegen an zu lächeln, doch ich schaute weck. Ich war sehr überrascht von der Reaktion meiner Freunde. Einerseits war ich erfreut, andererseits aber auch verwirrt, dass sie mich so nett empfingen. Schon allein, dass sie überhaupt noch mit mir redeten grenzte nahezu an ein Wunder. Langsam richtete ich meinen Blick auf Norwegen. Ich schaute ihm ins Gesicht. Ich sah sein Lächeln. Eine angenehme Wärme überkam meinen gesamten Körper. Dieses Gefühl von Familie, Liebe, Einheit... Zuletzt hatte ich es in meiner Kindheit, im Alter von elf Jahren gespürt. „Ist was, Island?“, fragte er mich mit sanfter Stimme. „N-nichts“, stotterte ich.
 

Am Abend rief uns mein Bruder zum Abendessen zusammen. Wir versammelten uns in der Cafeteria alle an einem Tisch. „Warum darf Norwegen eigentlich kochen und ich nicht?“, fragte Dänemark schnippisch. „Ich kann das doch viel besser. Das beste Restaurant der Welt ist schließlich in meiner Hauptstadt!“ Er selbst war mal wieder der einzige, der darüber lachte. Norwegen machte Andeutungen, ihn umzubringen. Im Scherz natürlich. Schweden meinte: „Deutschland und die Schülerinnen und Schüler dieser Schule haben sich darauf geeinigt, dass Norwegen sehr zuverlässig ist und keinen Unfug in der Küche anstellen wird“. „Und was ist mit mir? Ich bin doch auch zuverlässig, oder bin ich das etwa nicht?“, fragte Finnland. „Nein, bist du nicht“, sagte Dänemark. Norwegen schwieg. Irgendwie überkam mich schon wieder der Gedanke, dass die anderen mich nicht so ernst nahmen wie meinen großen Bruder.

Dann servierte uns Norwegen das Essen. Es gab weichgekochte Pasta aus der Tiefkühltruhe mit Tomatenketchup und es schmeckte nach eingeschlafenen Füßen. „Damit könntest du Italien aber nicht beeindrucken“, kritisierte Schweden. Mein Bruder reagierte nicht darauf.

Nach dem Essen verschwanden wir in die Umkleidekabinen, um uns umzuziehen und bettfertig zu machen. Auf einmal verließ Dänemark den Raum mit der Erklärung: „Ich geh mal kurz auf die Toilette. Bin gleich wieder da!“. Niemand von uns dachte sich etwas dabei. „Der wird sowieso wieder schnell genug da sein“, meinte Norwegen.
 

Wir warteten und warteten, aber nichts geschah. „Vielleicht ist er auf dem Klo festgeklebt“, sagte Finnland. „Oder er hat sich heimlich betrunken“, fügte Schweden hinzu. „Das glaube ich kaum“, erwiderte ich. „Also ich werde jetzt dahin gehen und nach ihm schauen“, sagte Finnland entschlossen. Er verließ den Raum, um nach Dänemark zu suchen. Nach einer Viertelstunde kam Finnland verheult wieder. „Ihr wollt nicht wissen, was mir passiert ist“, er fing an zu erzählen. „Gerade habe ich das gesamte Gelände der Sporthalle durchsucht, habe aber nichts gefunden“. Finnland fuhr fort. „Ich wollte gerade die Suche aufgeben und Dänemark als vermisst melden, doch plötzlich hörte ich einen erbärmlichen Schrei aus dem Spind. Es klang so furchtbar, als ob gerade jemand ermordet würde. Wie der Schrei einer Person, der soeben ein Messer in den Hals gestochen wurde.“, Er fing an, noch schrecklicher zu weinen. „Und dann bin ich schnell weggerannt, weil ich Angst hatte, dass ich vielleicht das nächste Opfer des Mörders sein könnte“. Uns allen stockte der Atem. Ich wollte so vieles sagen, bekam aber kein einziges Wort heraus. Und so erging es jedem von uns. Es herrschte eine Stille, wie es sie sonst nur auf einem Friedhof gab. Endlich brach Schweden das Schweigen: „D-Dänemark“, schluchzte er, „du warst ein toller Freund für uns alle“ Nun begann auch er, bitterlich zu weinen. Ich wagte mich immer noch keinen einzigen Laut von mir zu geben. Es herrschten Schock, Trauer, Angst, … ein Gemisch aus allen schlechten Gefühlen in mir. Ich fing an, mir selbst Vorwürfe zu machen: Das wäre alles nicht passiert, wenn ich auf ihn aufgepasst hätte. Ich hätte mich in unseren letzten gemeinsamen Stunden etwas mehr mit ihm beschäftigen sollen. Doch irgendwie war es doch nicht meine Schuld! Denn wenn ich jemanden hätte beschützen wollen, wäre ich sowieso nur von allen ausgelacht worden. Außerdem konnte ich ja auch nicht ahnen, dass dies der letzte Tag meines Freundes seinen würde.“ Jedoch hatte ich keine Zeit, diesen Gedanken zu Ende zu denken: Eiskalte Hände griffen mir in den Nacken. In diesem Moment dachte ich an nichts mehr. Weder an meine Schuld, noch an meine Unschuld. Ans Atmen schon recht nicht! Mein einziger Gedanke: „Dies ist mein Ende. Ich bin das nächste Opfer des Mörders! Lieber Gott, vielen Dank für die vielen schönen Tage und Nächte meines kurzen Lebens. Ich hatte eine wunderschöne Kindheit. Ich unternahm viel mit meinem Bruder und den anderen. Und Mr. Puffin war das beste Haustier, was man sich nur wünschen konnte. Es war eine herrliche Zeit als eigenes Land. Vielen Dank für alles, einfach alles. Bitte lass meine lieben Freunde nicht zu sehr trauern und lass sie noch ein langes, gesundes Leben haben. Nun muss ich mich von dieser Welt verabschieden...“, ich gab ebenfalls einen erbärmlichen Schrei von mir...
 

„Island, komm runter!!! Entspann dich! Ich bins doch nur, Dänemark!“, schrie mich jemand von hinten an. Ich drehte mich vorsichtig um. Tatsächlich. Dänemark stand hinter mir. Alle Nordics schwiegen überrascht. Ich war ebenfalls geschockt. „A-Aber ich dachte doch du wärst...“, ich stotterte. „Ihr dachtet also, ich wäre tot?!“, Dänemark lachte, „Da hab ich euch ja einen Schrecken eingejagt, wa?“ Nun fingen wir alle an, laut zu lachen. Nachdem wir uns einigermaßen beruhigt hatten, sagte Schweden: „Dänemark, du Schlitzohr! Wie konntest du nur?“ Er versuchte, streng zu klingen, doch dafür war er viel zu glücklich und fing bald schon wieder an zu lachen. Auch ich lachte wieder. Aus lauter Freude und Erleichterung. „Na dann können wir uns ja doch noch alle ruhig schlafen legen“, Finnland klang auch erleichtert.

Glücklich gingen wir in die Turnhalle, breiteten unsere Decken und Schlafsäcke aus und legten uns schlafen. Bald schlief ich ein, da ich einen anstrengenden Tag hatte und etwas müde von meiner Reise war. Immerhin beträgt der Zeitunterschied zwischen meiner Heimat und Deutschland zwei Stunden. Doch mitten in der Nacht wurde ich von einem merkwürdigen Poltern aufgeweckt. Ich schaute mich um. Alle anderen waren tief und fest am schlafen. Außer Norwegen. Er war auch wach. Allerdings schien er schon ein bisschen länger wach zu sein als ich, da er bereits mit seiner Taschenlampe rumspielte. Nun blickte er auf. Wahrscheinlich hatte er mich nun bemerkt. Er sah irgendwie so aus, als ob er etwas sagen wollte, sagte dann aber doch nichts. Erneut ertönte ein merkwürdiges Poltern. Jetzt wäre ich nur zu gern aufgestanden und hätte nachgesehen. Nur der Gedanke, dass Norwegen es bemerken wird und mir es wieder verbieten könnten, nachzusehen, hinderte mich daran. Aber dann kam er selbst leise auf mich zu, mein großer Bruder Norwegen. „Island, was ist? Hat dich das Poltern auch geweckt?“, er sprach leise zu mir. Ich nickte. „Ich habe gesehen, wie du aufstehen wolltest. Sicherlich wolltest du nachsehen, was da los ist, oder? Wollen wir das gemeinsam tun?“ Sein Tonfall klang sehr beruhigend. Darum war ich auch kurz davor, zuzustimmen. Doch ich schüttelte trotzdem den Kopf. Auch wenn es mir durch meine Neugier schwer fiel, aber dieses Abenteuer wollte ich mir selbst überlassen. Ich plante schon, mich aus der Turnhalle zu schleichen, wenn Norwegen eingeschlafen war. Doch es kam wieder einmal alles anders. Mein Bruder neigte seinen Kopf zu mir hinüber. Dann fragte er mich: „Island, darf ich in deinem Sack schlafen?“ Ich reagierte nicht auf seine Frage. Er meinte das doch sowieso nicht ernst. Dann aber nahm er seine Taschenlampe und kroch wirklich in meinem Schlafsack. Ich war verwirrt, ein bisschen zumindest. Welcher ältere Bruder verkriecht sich denn schon freiwillig im Bett seines jüngeren Bruders? Während mir dieser Gedanke durch den Kopf ging, fragte ich mich echt, ob ich träume oder nicht. Auf jeden Fall fühlte ich mich nicht unwohl. Im Gegenteil: Ich fühlte mich sehr wohl. Deshalb schloss ich meine Augen und schlief auch bald ein.

Ein schauriger Morgen

Kapitel 3

Ein schauriger Morgen
 

Ich öffne meine Augen. Ich befinde mich in einem sehr dunklen und kalten Raum. Gerade noch kann ich meinen eigenen Körper von der kalten Eisenbank, auf der ich sitze, unterscheiden. Es ist totenstill. Nach einer Zeit erklingt ein merkwürdiges Poltern. Es ist jenes Poltern, welches mich letzte Nacht für einen kurzen Moment aus dem Schlaf gerissen hatte. Zuerst ist es ganz leise. Später wird es immer lauter. Nun höre ich auch leise Schritte, die sich mir langsam nähern. Sie kommen immer näher und näher. Plötzlich erklingt auch noch eine Kettensäge hinter der schweren Eisentür. Es ist grauenvoll. Leute fangen an, sich die Seele aus dem Leib zu schreien. Auch mein Herz bleibt für einen Moment stehen, so fühle ich es zumindest, doch die Schritte kommen trotzdem immer näher. Dann öffnet sich die Eisentür. Eine angst einflößende Person betritt den Raum. Sie gibt keinen einzigen Ton von sich, aber ihr Geruch ist bestialisch. Inzwischen ist mein Gesicht schon tief in den Händen vergraben, ich kann nichts sehen. Langsam hebe ich meinen Kopf aus den Händen. Ich versuche, aufzublicken. Doch noch bevor ich etwas erkennen kann wird mir schwindelig. Sehr schwindelig. Ich spüre, wie ich langsam in mich zusammensacke. Mein Herz rast wie verrückt...
 

Endlich wachte ich auf. Noch immer schlug mein Herz schneller als gewöhnlich. Als ich mich langsam von meinem Alptraum erholt hatte, sah ich mich um. Die anderen Nordics waren schon längst aufgestanden, nur ich lag noch in meinem Schlafsack. Ich erhob mich leise und vorsichtig. Ich wollte so schnell wie möglich zum Frühstück in die Cafeteria rasen, doch da warf ich einen Blick auf meinen Sack. Es sah so aus, als hätten zwei Personen nebeneinander gelegen. Nun erinnerte ich mich: Letzte Nacht hatte sich mein Bruder neben mich in den Schlafsack gelegt. Ohne mir einen Grund zu nennen. Einfach nur so. Eine Zeit lang wurde ich nachdenklich. „Vielleicht ist da ja doch noch mehr dahinter, als nur eine ungewollte Bruderschaft. Was, wenn er mich doch mehr mag, als erwartet?“ Aber spätestens, als Dänemark hinein kam, um mich zu wecken, merkte ich, dass dieser Gedanke reinste Zeitverschwendung war. „Guten Morgen, Island!“, rief er mir zu. „Hast du gut geschlafen? Komm schnell frühstücken, gleich versammeln wir uns noch zu einer Konferenz. Diesmal geht es um die Überfischung der Meere, du musst also unbedingt dabei sein“ Ich nickte und stand nun endgültig auf. Mit dem Nicken wollte ich der Frage „Hast du gut geschlafen?“ zustimmen, obwohl es natürlich eine reine Lüge war. Schon allein die Idee, jemanden danach zu fragen, wie er geschlafen hat, fand ich vollkommen ätzend. Wem geht es denn schon etwas an, wie jemand anderes geschlafen hat?

Ich zog mich schnell an und eilte dann zum Frühstück. Diesmal gab es etwas mit Fisch, was eigentlich ganz lecker war. „Das schmeckt ja ganz gut“, lobte Schweden. Finnland und Dänemark stimmten zu. „Wenn du willst, kannst du auch ein ganz guter Koch sein“, meinte Dänemark. Nur ich war der einzige, der nicht zustimmte. Ich ignorierte die anderen. Natürlich hatte es mir auch geschmeckt, aber meine Wut war zur Zeit einfach zu groß. Schon wieder interessierten sich alle wieder nur für meinen „großen Bruder“. Sie lobten ihn, nur weil er ein mal vernünftig gekocht hatte. Wenn ich etwas gekocht hätte, würde es niemanden interessieren. Sei es noch so gut. „Island, ist irgendwas nicht in Ordnung mit dir?“. Schweden drehte sich mit einem fragendem Blick zu mir um. „du siehst mir so nachdenklich aus. Schon beinahe traurig oder sogar ärgerlich“ „Ach, nein. Alles ist in Ordnung“, antwortete ich. „Warum isst du so langsam?“, fragte Finnland. „Schmeckt dir mein Essen nicht?“, fügte Norwegen hinzu. Ich schwieg. Ich hätte diese Frage ganz einfach mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten können, doch dazu hatte ich im Moment gar keine Lust. Stattdessen warf ich meinem Bruder einen grimmigen, fast sogar hasserfüllten, Blick zu. „Aber beeil dich, wir warten schon alle auf dich. Gleich wollen wir doch mit unserer Konferenz starten“, machte Finnland Druck.

Nachdem ich aufgegessen hatte, gingen wir fünf gemeinsam ins Lehrerzimmer, das wir als Konferenzraum benutzten. Genauer gesagt: Die anderen gingen, ich schlich! Wieso sollte ich mich für eine Konferenz beeilen, auf der ich sowieso nur kritisiert werde. Als ob ich der einzige wäre, der die Meere „überfischt“. Ich fische doch bloß normal und verdiene mein Geld daran. Wie mein Bruder. Doch er wird nie kritisiert, auch wenn er viel mehr Fische umbringt als ich.

Während ich langsam durch den Gang schlich, betrachtete ich die vielen Bilder an der Wand. „Die Neuankömmlinge 1. Klasse 2012, das Lehrerkollegium, der Schulleiter, Unser langjähriger Oberbürgermeister Teddy Bär, ...“ Jedes Bild war beschriftet, doch eins stach mir sofort ins Auge: „Max und Moritz Mustermann, die Gewinner des bundesweiten Grundschul-Mathematik-Wettberbs 2006. Zwei Geschwister, Schüler dieser Schule“ „Zwei Geschwister“, allein dieses Wort brachte mich zum Nachdenken, „Alles sind Geschwister. Lebe ich etwa in einer Welt, in der es nur kleine und große Geschwister gibt und alle sich bestens verstehen“ „Hey, warum schleichst du so?“, Dänemark riss mich aus meinen Gedanken. „Bist du krank oder sind deine Gedanken nur woanders? Wenn ja, wo denn? Kann es sein, dass du vielleicht verliebt bist? In wen, in wen? Ich will es unbedingt wissen!“, Dänemark versuchte, mich auszuquetschen. Er hatte nicht die geringste Ahnung, woran ich gerade gedacht hatte. „Bitte erzähl's mir doch, ich sag's auch niemandem weiter! Versprochen. Dänenehrenwort!“ „HÖR EINFACH NUR AUF ZU NERVEN!“, ich schrie ihn regelrecht an. „Lass mich in Ruhe und spiel weiter mit deinen Legosteinen!“. „Wenn du meinst“, sagte Dänemark beleidigt und ging weiter. Als wir an der Tür des Lehrerzimmers angekommen waren, gingen alle, ohne ein Wort zu sagen, durch nur Norwegen hielt mir noch die Tür auf. Ich betrat das Zimmer. Es war hell und auf den Tischen lagen viele Dokumente. An der Wand hingen abwechselnd Stundenpläne, Vertretungspläne, Einladungen zu Bastelnachmittagen und Elternstammtischen und wichtige Termine. Ab und zu war auch mal ein Bild dabei. In der Ecke standen Drucker und ähnliche elektronische Geräte und ein großer Schrank mit Büchern. Ich befand mich in einem Lehrerzimmer, wie es typischer nicht hätte sein können. Alle suchten sich schnell einen Platz am runden Schreibtisch in der Mitte des Raums. Ich war wieder einmal der Letzte, darum nahm ich am Fenster, neben meinem Bruder und Finnland, Platz. Schweigend setzte ich mich hin. „Nun, wie ihr wisst, haben wir uns heute alle gemeinsam hier versammelt, um über ein schwerwiegendes Problem, die Überfischung der Meere, zu beraten“. Mit diesem Satz eröffnete Schweden, der sich als Leiter dieses Treffens ernannt hatte, die Konferenz. „Dieses schwerwiegende Problem geht uns alle an, da speziell einige unserer Runde mit dafür verantwortlich sind, dass heutzutage viele Fischarten vom Aussterben bedroht sind“, Schweden fuhr fort. „Besonders problematisch ist das, was mit dem sogenannten „Beifang“, also den Leben, welche beim Fischen unserer Speisefische mitgefangen wird, geschieht. Deshalb....“ Die einleitenden Sätze waren besonders lang und es war anstrengend, zuzuhören. Ich spielte mit einem Kugelschreiber, der zufälligerweise auf meinem Platz lag. „Nun, wer von euch möchte sich gerne zu diesem Thema äußern?“, unser Leiter Schweden blickte in die Runde. Zuerst mochte sich niemand zu äußern, später meldete sich Dänemark zu Wort. Als erstes begann er mit ein paar einleitenden Sätzen. Darauf folgten wieder lange, langweile Sätze, denen man nicht zuhören konnte. Es war sehr ungewöhnlich für den sonst so lauten Dänemark. „Tut mir leid, falls ich dir damit zu sehr auf den Nerv gehe“, flüsterte Finnland neben mir zu, „Aber bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist, Island? Irgendwie hatte Dänemark ja schon Recht. Du wirkst wirklich sehr abwesend auf uns. Ich mache mir doch bloß Sorgen. Bitte sei nicht böse auf mich. Wir meinen es ja alle nur gut mit dir“. „Ist schon gut“, antwortete ich. „Ich weiß, ihr macht euch bloß Sorgen um mich. Aber...“, ich dachte kurz nach, was ich sagen wollte, „...alles ist in Ordnung“. „Wirklich?“, Finnland wunderte sich, „ich habe das Gefühl, dass du grade ein bisschen schwindelst. Bist du sicher, oder gibt es da vielleicht etwas, was du uns nicht sagen möchtest?“ Wieder blieb ich für einen Moment leise und überlegte. „Nun...“, nach einer Weile hatte ich mich entschieden, es zu sagen, „du weißt ja, was meinen Bruder und mich angeht. Eigentlich geht er mir ziemlich auf den Nerv, aber irgendwie... Er ist mein Bruder, mein großer Bruder...“ „Bedeutet das, dass ihr euch jetzt besser versteht? Aber das ist doch schön. Warum macht dich das so traurig?“, meinte Finnland ganz erfreut. „Wirke ich etwa traurig?“, fragte ich ihn. Denn es war wirklich keine Traurigkeit. Die Gefühle, die in mir herrschten waren ganz andere: Wut, Verwirrung, sogar Freude. Aber keine Traurigkeit. Definitiv nicht! Oder vielleicht doch? Noch nie war ich so ahnungslos, wie in diesem Moment.

„Also auf mich wirkst du schon ziemlich traurig. Manchmal auf jedem Fall. Manchmal wirkst du auch etwas verträumt, als wärst du in einer anderen Welt. Ich hab's! Du bist äußerlich traurig, aber innerlich glücklich und träumerisch. Du bist so, wie das Eis und die Vulkane bei dir zu Hause. So einen wundervollen Freund wollte ich schon immer haben!“, sagte Finnland leise. „Ja, ja..“, murmelte ich.

„Somit erkläre ich die Konferenz zum Thema „Überfischung der Meere und Artenschutz der Wasserlebewesen“ für beendet. Ich hoffe, dass sich die Bestände der Fische und der anderen Lebewesen unserer Meere und Ozeane dieser Welt bald wieder erholen werden. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und euer Engagement!“ Diese Worte Schwedens rissen mich wieder in die Realität zurück. Ehe ich mich umsah, hatten schon alle ihre Plätze verlassen. Am Ende waren ich und Schweden es, die den Raum als letztes verließen. „Na da hattet ihr ja eine schöne Unterhaltung“. Schweden erschrak mich etwas. Sein Gesicht sah ziemlich grimmig aus. Das musste zwar nichts zu bedeuten haben, er ist in sozialen Dingen sowieso eher ungeschickt, doch diesmal schien er wirklich ein bisschen verärgert über mich zu sein. „Wieso hast du nicht aufgepasst? Dieses Thema hätte dich doch besonders ansprechen müssen. Egal. Früher oder später werde ich sowieso noch alles von Finnland erklärt bekommen“ Ich sagte nichts mehr. „“ Früher oder später werde ich sowieso noch alles von Finnland erklärt bekommen“ Na toll, nun werden bald alle nordeuropäischen Staaten wissen, wie ich über meinen Bruder denke. Das wird sich dann schnell herumsprechen und im Handumdrehen wird die ganze Welt über mich lachen“ Ich ließ mir zwar nichts anmerken, doch ich war kurz vor dem Heulen.
 

Über der Tür des Lehrerzimmers hing eine Uhr. 11:30 Uhr sagte sie an. Es waren schon eineinhalb Stunden vergangen seit ich aufgestanden war und jetzt. „Je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit“. Meine Gedanken klangen wie die eines alten Mannes. Nun war Mittagspause. Von 11:30 Uhr bis 13:30 konnten wir auf dem Schulgelände machen, was wir wollten. Danach war eine Erkundung der Stadt angesagt.

England?

Kapitel 4

England?
 

Ich schlenderte langsam durchs Gebäude hin zur Tür und betrat den Pausenhof. Dort suchte ich mir einen ruhigen, schattigen Platz unter einem Baum zum lesen, fern von den anderen. Ich brauchte einfach meine Ruhe. Darum las ich, ich wollte einfach alles andere um mich herum vergessen. Mein Buch hieß „Liebe unter Ketten“. Es handelte von einem japanischen Mädchen namens Miyako, das sich in einen isländischen jungen Mann verliebt hatte. Sie träumte davon, zwischen Vulkanen und Geysiren allein mit ihm zu sein, dem Mann, den sie liebte. Jedoch konnte sie weder verreisen, noch ihre Gefühle den anderen äußern, da sie bereits mit einem Mann in Japan verlobt war und sich nicht zum Gespött der Gesellschaft machen wollte. In diesem Buch waren vor allem die Gefühle besonders betont, denn es passierte kaum etwas entscheidendes.

Ich las und las und irgendwann war ich an einer Stelle angekommen, die mich an etwas erinnerte. An irgendwas, ich wusste es nicht genau, aber es kam mir bekannt vor. Sehr bekannt. Diese Stelle las ich noch ein zweites mal:

Nachdem ich zuhause angekommen war, warf ich mich wieder aufs Bett und weinte. Bei jedem Blick auf die Poster mit Motiven von Island an meiner Wand spürte ich eine Träne mehr, die meine Wangen hinunter floss. Warum musste ausgerechnet ich dieses Problem haben, warum nur? Ich versuchte andauernd ihn zu vergessen, meinen lieben Isländer. Ich versuchte ihn zu hassen und stattdessen meinen Verlobten zu lieben. Doch je größer die Freude über einen Erfolg war, umso schlimmer war die Enttäuschung als ich bemerkte, dass es ein Irrtum war. Bei diesem Wort „Island“ wusste ich nicht, was ich denken sollte.War es Liebe oder Hass? Hass, weil dieses Land, mir die riesigen Probleme bereitete, es war einer aus diesem Land, der mein gesamtes Leben auf den Kopf stellte.Und Liebe... Meine Gedanken spielten verrückt, ich konnte sie einfach nicht mehr zuordnen...

Dann las ich sie noch einmal, und noch einmal...

„Was liest du daaa?“ Dänemark wäre mir beinahe auf den Kopf gesprungen. Schnell versteckte ich meinen Roman. „Was wäre bloß passiert, wenn die anderen ihn entdeckt hätten? Ich wäre zum Gespött der Gesellschaft geworden, wie Miyako.“

„Nichts und jetzt HAU AB!“, unkontrolliert schrie ich Dänemark an. Erst danach merkte ich, dass ich es gar nicht wollte. „Tut mir Leid, ich hau ja schon ab“, sagte Dänemark beleidigt und drehte sich um. „Neinneinneinneinneinnein! Bleib stehen! Das meinte ich nicht so!“ Überrascht drehte sich Dänemark wieder zurück zu mir. „Ich habe mich zu entschuldigen, nicht du. In letzter Zeit bin ich nicht so gut drauf und da raste ich schon mal aus“, ich entschuldigte mich bei ihm. „Schon gut, aber wenn's dir wirklich schlecht geht, sag's uns einfach, wir kümmern uns um dich, ja?“, er nahm die Entschuldigung an und verschwand.
 

Kurze Zeit später hörte ich wieder eine bekannte Stimme hinter mir. Diesmal kam sie mir sehr bekannt vor. Ich wusste, wer es war, ich wollte es mir selbst gegenüber jedoch nicht zugeben. Doch als ich mich umdrehte sah ich es. Es war tatsächlich mein Bruder, mein großer Bruder.

„Darf ich mich vielleicht etwas zu dir gesellen?“, seine leise Stimme, sie war kaum zu hören, klang diesmal anders als sonst. Sie klang sanfter, weicher und irgendwie angenehmer.

Einen Moment lang reagierte ich gar nicht. Ich war schockiert, verärgert und erfreut gleichzeitig. Ein Gefühl, das mich schon die ganze letzte Zeit verfolgt hatte.

Erst als er mich ein zweites mal danach fragte, stimmte ich zu. Ich hörte auf zu lesen und ließ mein Buch unauffällig hinter meinem Rücken verschwinden. Minutenlang herrschte Stille. Weder ich, noch Norwegen sagte ein Wort. Schließlich fragte ich: „Bruder“, ich konnte kaum glauben, was ich über meine Lippen brachte, „Warum gehst du nicht zu Dänemark oder den anderen? Warum willst du ausgerechnet neben mir sitzen?“ Mein Bruder warf mir einen fragenden Blick zu, antwortete dann aber: „Die anderen sind mir zu laut und viel zu kindisch. Das ist es. Jeder braucht doch seine Ruhe“. Ich nickte. Danach war es wieder leise, ganz leise.

Plötzlich stand Norwegen auf, ohne eine Erklärung verließ er mich hastig. „Na das ist ja merkwürdig. Zuerst will er seine Ruhe haben und von den anderen Nordics nicht gestört werden und dann hat er es auf einmal so eilig“. Verwundert folgte ich ihm. Dabei versuchte ich, so unauffällig wie möglich zu sein und von niemandem bemerkt zu werden. Meine „Verfolgungsjagd“ führte mich in das Gebäude der Grundschule, durch verschiedene Aufgänge hindurch zu einer überdachten Glasbrücke. „Zutritt nur für Lehrer“ stand auf einem Schild vor dem Eingang. Nun traute ich mich nicht mehr, weiterzugehen. Ich betrachtete meinen Bruder jetzt nur noch durch die Glasscheiben. Er überquerte die Brücke und betrat den Raum, dessen Eingang sich direkt hinter der Brücke befand. Nur kurz konnte ich einen Blick ins Innere des Raums werfen. Er war ziemlich düster gestaltet, kleine Glühwürmer und Flaschen mit blubbernden Flüssigkeiten beleuchteten das Zimmer. Doch ehe ich etwas anderes erkennen konnte, zog Norwegen die Tür hinter sich zu. Alles erschien mir sehr mysteriös. Neugierig presste ich meine Nase gegen die Scheiben und wartete darauf, dass sich die Tür noch einmal öffnete. Doch plötzlich fielen riesige Schatten über meinen Körper. Es wurde ziemlich dunkel, da kein Sonnenschein mehr auf mein Gesicht fiel. Dann erkannte ich langsam, wer es war. Schritte wurden immer lauter bis sich allmählich die Gestalt von England in den Scheiben der Glastür spiegelte. Schnell warf ich mich in die Ecke. Meinen Körper verdeckte ich dabei mit meiner Jacke, die ich mir gerade ausgezogen hatte. Ich hoffte nur, dass er mich nicht bemerkte. Warum er hier sei, dafür hatte ich keine Zeit zum Nachdenken. Als die Schritte immer leiser wurden und schließlich hinter der Glastür verschwanden, traute ich mich aus meiner Jacke hervor. Zur Sicherheit blickte ich mich noch einmal um. Ich hatte es tatsächlich geschafft, mich vor England zu verstecken. Etwas stolz auf mich selbst, allerdings auch vorsichtig schlich ich mich durch die vielen verschiedenen Aufgänge wieder zurück nach draußen.

Als ich den Schulhof betrat, kam mir Finnland entgegen: „Island, da bist du ja endlich! Ich habe dich schon überall gesucht. Wo warst du nur?“ Für einen Moment war ich erschrocken. Sollte ich etwa die Wahrheit sagen? Nein, das konnte ich doch nicht! Also antwortete ich: „Nichts, Ich war nur mal kurz auf der Toilette“. Etwas besseres fiel mir echt nicht mehr ein. „Du wolltest mir doch noch erzählen, warum du in letzter Zeit so komisch bist“, fuhr Finnland fort, „Machst du das jetzt?“ Langsam ging er mir wirklich auf den Nerv. Ich beantwortete seine Frage einfach folgend: „Das ist nichts schlimmes. Aufgrund meiner schweren Erkältung gehen mir meine Nerven nur manchmal durch. Aber wollen wir nicht in die Sauna gehen?“ Ich versuchte ihn abzulenken. Dabei vergaß ich vollkommen, dass es auf dem Gelände der Teddy-Bär-Grundschule gar keine Sauna gab. Finnland war verwundert: „Eine Sauna? Davon habe ich ja noch gar nichts gehört! Kannst du sie mir bitte zeigen?“, Finnland flehte mich an. „Gut, komm mit“. Fast eine ganze Stunde führte ich Finnland ziellos durch das gesamte Gebäude, nirgends gab es auch nur etwas saunaähnliches. Umso glücklicher fühlte ich mich, als Dänemark uns alle zusammenrief, da die Mittagspause zu Ende sei. „Endlich“ dachte ich mir. Ich fand es immer wieder faszinierend, wie Zeit kommt und geht. Will man, dass sie schnell vorüber ist, vergeht sie kaum. Will man, dass sie nur langsam passiert oder gar stehen bleibt, vergeht sie wie eine Blume.

Durch meine vielen Gedanken wurde ich wieder einmal der letzte, der den vereinbarten Treffpunkt, den Schulhof, betrat. Sogar Norwegen war schon da. Diesmal sagte niemand ein Wort über meine Langsamheit.

„Nun, ich hoffe, ihr habt die coole Mittagspause gut ausgenutzt, so wie ich. Aber jetzt müssen wir wieder weitermachen mit unserem Plan. Gleich werden wir einen Blick auf die Altstadt und die moderne Innenstadt des Orts werfen um herauszufinden, wo wir am besten unsere erstklassigen Produkte bewerben könnten!“, Dänemark kündigte die nächste Aktivität an. „Übrigens wird am Ende unserer gemeinsamen Woche eine Mega-Party stattfinden. Wird voll cool, sag ich euch!“ Ich hörte Schweden nur seufzen. Der Rest schmunzelte. Dabei beachteten sie nicht, was hinter ihnen passierte. Nur ich tat es: Er war wieder da. England! Diesmal verließ er das Gebäude. Irgendwie wirkte er sehr mysteriös. Er schaute weder auf, noch grüßte er auf irgendeiner Art und Weise. Sein Gang war sehr schnell. Wenn ich ihn mit den anderen Nordics verglich, war er ziemlich abwesend. Finnland und Dänemark hatten ein breites Lächeln auf den Lippen und Schweden zog sein Wie-immer-Gesicht. Nur Norwegen war anders. Er war so wie England. Doch niemand schien es zu bemerken. Die anderen waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt und als Dänemark meinte, wir sollten uns alle langsam ordnen, gehorchten ihm auch alle.Wir stellten uns in eine Reihe und brachen in die Altstadt auf.

Die Party

Kapitel 5

Die Party
 

Tage vergingen, die Zeit raste. Nun war bereits der letzte Tag auf der Teddy-Bär-Grundschule und wir hatten bereits vieles erledigt. Auf insgesamt drei Konferenzen hatten wir über Ökologie und Wirtschaft, Migration und Sozialpolitik diskutiert und beraten. Wir beworben die Produkte aus unseren eigenen Ländern und bauten uns einen neuen Kreis von Konsumenten in Deutschland auf. Zwischendurch vertrieben wir uns die Zeit durch wilde Aktivitäten und entspannende Spaziergänge durch die Natur. Und natürlich widmeten wir unsere Zeit auch dem wichtigsten Thema von allen: Der Stärkung der Freundschaft zwischen uns, den nordeuropäischen Staaten. Ich hätte nicht erwartet, dass die Woche doch noch so toll werden konnte. Es war lustig, sich vor dem Bettgehen Geschichten über Trolle zu erzählen oder einfach nur herumzualbern. Kaum zu glauben, dass ich zuerst zuhause bleiben wollte. Der Aufenthalt mit den anderen Nordics war ein sehr großer Spaß.

Trotzdem waren mir einige Sache immer noch nicht ganz klar: Was war bloß mit Norwegen los? Warum verhielt er sich in der letzten Zeit so merkwürdig, so geheimnisvoll? Und vor allem: Was war bloß mit mir los? Dieses komische Gefühl, das ich nirgendwo unterordnen konnte. Gehörte es eher in die Kategorie Hass, Wut, Freundschaft oder sogar mehr, beziehungsweise weniger? Wie war es, positiv oder negativ? Ich wusste es nicht.

Außerdem war noch etwas faul: England. Die Begegnung mit ihm hatte ich immer noch nicht ganz verdaut. Natürlich ist es nichts schlimmes, wenn man ihm mal begegnet. Aber ich hatte es so verstanden, das dieses Treffen nur für die nordischen Fünf, also Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen und mir geplant war und für niemand anderes. Im Gegensatz zu England hatte ich den angeblichen rumänischen Hausmeister der Schule kaum gesehen. Eigentlich noch nie. Dies verwunderte mich sehr, da ein Hausmeister normalerweise immer ein Ansprechpartner für Probleme (die es glücklicherweise nicht gab), sein müsste. Vor allem in Deutschland, denn da ist ja alles so gut organisiert. Das hatte man mir zumindest so erzählt.
 

Ich lag wieder einmal unter meinem Lieblingsbaum und las meinen Roman. Ich war bereits beim vorletzten Kapitel angekommen, wobei man beachten musste, dass ein Kapitel ungeheuerlich lang war.

Gerade war ich an einer Stelle angekommen, an der Miyako ihre nächste vierwöchige Reise nach Island plante. Im Normalfall wären solche langen Reisen in Japan gar nicht möglich, da man sich, als Gegenleistung dafür, dass man so gut behandelt wird, seiner Firma einem gewissen Maximum an Fehlstunden, das nicht überschritten werden sollte, verpflichtet fühlt. Dies war Miyako jedoch egal, denn sie hatte nur noch das Land ihrer Träume, Island, im Kopf. Für einen Moment konnte sie alle Sorgen und unangenehme Gedanken vergessen und sich ganz und gar auf die schönen Dinge des Lebens konzentrieren.

Ich liebte diese Stelle. Wenn ich sie las, fühlte ich mich pudelwohl. Umso schlimmer fand ich es auch, wenn ich bei solchen Gedanken und Vorstellungen unterbrochen wurde.

„Tut mir leid, falls ich störe, aber Schweden und ich wollten gerne wissen, ob du eventuell Lust hättest, mit uns kurz in den Supermarkt zu gehen und die letzten Sachen für die große Party heute Abend zu besorgen.“ Finnland stand vor mir. Schnell packte ich mein Buch weg und nahm das Angebot an: „In Ordnung, ich komme mit“. Eigentlich hatte ich zum Einkaufen zurzeit gar keine Lust. Wenn Dänemark unbedingt diese Party haben wollte, hätte er doch alleine alles vorbereiten können. Aber da die anderen sowieso schon genug komische Sachen über mich dachten, wollte ich ein bisschen offener und freundlicher wirken. Vielleicht würde diese Einkaufstour ja doch noch irgendwie Spaß mit sich bringen.

„Das ist ja schön. Dann sind wir ja zu dritt!“, Finnland strahlte über das ganze Gesicht.

Etwas später trafen Finnland, Schweden und ich uns vor dem Eingang der Teddy-Bär-Grundschule, um gemeinsam in den nächsten Supermarkt zu gehen. „Ich freu mich schon so sehr auf heute Abend. Lass uns losgehen“, strahlte Finnland. „Lass uns erst einmal schauen, ob wir vollständig sind“, Schweden zählte uns, obwohl wir nur drei Personen waren. Dann gingen wir los.

Nach ungefähr zwei Minuten Fußweg waren wir an einem, für meine Verhältnisse, großen Supermarkt angekommen. Wir betraten ihn. Es waren unheimlich viele Menschenunterwegs. Anscheinend hatten sie alle vor, heute Abend eine Party zu schmeißen. Ohne eine Wort zu sagen folgte ich meinen beiden Freunden mit der Angst verloren zu gehen. Als wir als hatten, was wir brauchten, so schien es mir zumindest, fragte Schweden: „Was meint ihr? Haben wir alles, was wir brauchen?“ Finnland und ich schwiegen. „Mir fehlt noch etwas! Ich hole es eben!“, Finnland erschreckte mich leicht. Und schon flitzte er durch die Gänge des Supermarkts, wobei er mich beinahe umgerempelt hätte. Für einen Augenblick war ich wie gelähmt. Dann sah ich mich um. Erst nach geschätzten fünf Minuten realisierte ich, dass ich allein mit Schweden war. Schweden, er war derjenige, der mich vor ein paar Tagen auf meine mangelnde Konzentration bei der Konferenz angesprochen hatte. Doch bevor ich mir richtig darüber Gedanken machen konnte, sprach er mich schon an: „Island, willst du mir denn nicht mal erzählen, warum du in letzter Zeit so abwesend bist?“ Wieder überkam mich ein leichter Schock. Was sollte ich nur sagen? Ich wollte doch nicht uncool sein. Also stotterte ich: „Nichts. Ich glaube, das ist die Erschöpfung von meiner fiesen Erkältung“. Ich versuchte, cool zu wirken, aber ich glaubte nicht daran, dass irgendjemand anderes in dieser Situation so über mich denken würde. Dann kam zum Glück auch schon Finnland wieder zurück. „Wisst ihr was?“, allein wenn er das sagte, wusste schon jeder, dass er stundenlang am Stück quatschen würde. „Ich wollte nur ein Teil suchen. Dann war es aber so versteckt, dass ich es zuerst gar nicht finden konnte. Ein Glück, dass mir ein Verkäufer schnell zur Hilfe eilte. Und dann sah ich noch etwas ganz aufregendes...“ Als wir den Supermarkt mit Feuerwerkskörpern, Partysnacks, CDs, etc. in unseren vollen Tüten und leeren Geldbeuteln verlassen hatten, war Finnland noch längst nicht zu Ende mit dem Erzählen. So kam es, dass Finnland beinahe 2 1/2 Stunden am Stück plapperte. Zum Glück musste sich das nur Schweden anhören, ich legte mich in der Zeit wieder unter meinen Lieblingsbaum und machte ein kleines Nickerchen. „Aufwachen! Aufwachen!“, Dänemarks laute Stimme riss mich aus dem Schlaf, „In einer Stunde fängt die Party an, willst du dich denn nicht vorbereiten?“ Etwas genervt stand ich auf. Eigentlich hätte ich lieber weiter geschlafen, als mich für die Party fertig gemacht. Aber ich tat es den anderen zuliebe. Außerdem wäre es ja ziemlich uncool gewesen, sich in seinem Schlafsack zu verkriechen, anstatt auf eine Party zu gehen. Also ging ich durchs Schulgebäude zu den Umkleidekabinen der Sporthalle. Dort zog ich meinen bunten Anzug aus dem Koffer und richtete meine Haare zurecht. Ehrlich gesagt sah ich schon ziemlich gut aus. Nach meinem Geschmack zumindest. Ich blickte mich um. Wieder einmal war ich allein. Kein Wunder, die anderen waren schon längst in Raum 205, einem Klassenraum im rosafarbenen Aufgang. Als ich nach circa fünf Minuten frisch gestylt aus der Kabine kam, begab ich mich auch dorthin. Denn dort fand die sogenannte „Mega-Party“ statt.

Vor dem Raum hörte ich schon laute Musik. Und zwar sehr laute, nach dänischem Geschmack. Langsam öffnete ich die Tür. Im Zimmer herrschte eine besondere, ja sogar mystische Atmosphäre. Die Musik war ohrenbetäubend laut, bunter Nebel versperrte mir die Sicht und die farbigen Regenbogen-Lichter waren das einzige helle im Raum. Eigentlich war alles wie bei einer normalen Party (Bis darauf, dass Dänemark mal nüchtern war.) Doch irgendwie war etwas anders. Ich wusste nur nicht was. Suchend blickte ich mich um. Dänemark schrie so laut herum, dass ich ihn beinahe hätte verstehen können. Das ist etwas Besonderes bei so lauter Musik. Ich schaute mich weiter um und ging dabei achtsam durch den gesamten Raum. Finnland und Schweden erzählten sich gerade Witze. Es war ein seltener Anblick, Schweden lachend zu sehen. „Nun habe ich ja fast alle gesehen“, dachte ich. Doch irgendeiner fehlte noch. In der fand ich ihn. Norwegen. Es sah so aus, als ob er auf etwas warten würde. Doch was? „Norwegen?“, ich versuchte, ihn anzusprechen, doch er reagierte nicht darauf. „Vielleicht hört er mich gar nicht“, war mein Gedanke. Ich versuchte es nochmal. Diesmal schrie ich ihn an. Doch er reagierte wieder nicht auf mich.Vorsichtig rüttelte ich an ihm. Überraschenderweise gab es auch diesmal keine Reaktion von ihm. Er schien sehr abwesend zu sein, sein Körper war leer. Ja, er war wie tot.

Erst später realisierte ich, dass ich wirklich am Körper meines Bruders gerüttelt hatte. Zum Glück hatte mich niemand gesehen. Das wäre auch ziemlich peinlich gewesen. Ich stellte mich auch in die Ecke und tat gar nichts.

Eine längere Zeit lang stand ich da und schaute den anderen beim Feiern zu. Doch irgendwann musste ich auf die Toilette. Zuerst versuchte ich, meinen Druck zu unterdrücken, doch er wurde immer stärker und stärker. Und in die Hose machen wollte ich mir auch nicht. Das sähe ja wirklich aus wie bei einem Kleinkind. Unauffällig schlich ich mich aus dem Zimmer. Die anderen hatten sowieso bestimmt vergessen, dass ich überhaupt da war. Als ich die Tür öffnete, erschrak ich plötzlich: Ein junger Mann stand vor mir. Ich kannte ihn nicht, doch er strahlte eine ziemlich mysteriöse Aura aus. „E-Entschuldigung“, stotterte ich, „Sind sie hier der Hausmeister?“. Er nickte. Ich schaute für einen kurzen Moment in seine Augen. Es waren vielleicht nur Bruchteile einer Sekunde, doch diese kurze Zeit reichte, um mir einen Schreck fürs ganze Leben einzujagen: Seine Augen waren rot, wie bei einem Vampir. „W-waren wir zu laut? D-das kann ich regeln!“, vor lauter Angst und Schrecken bekam ich kaum ein Wort heraus. „Das ist nicht schlimm. Ich wollte nur ein bisschen mitfeiern“, er versuchte nett zu klingen, doch irgendwie überdeckte seine schaurige Ausstrahlung alles. Ohne nachzudenken raste ich die Treppen runter zu den Toiletten. Ich hatte kaum noch Mut, mich aufs stille Örtchen zu setzen. Es hätte alles passieren können. Vom Vampirbiss über Hexenzauber bis hin zu einer Überraschung durch blutrünstige Zombies. „So etwas gibt es doch gar nicht“, redete ich mir ein. Dies gab mir wenigstens ein bisschen Mut. Kurz vor den Toiletten sah ich ihn dann: Wie ein Blitz raste er an mir vorbei, es war wieder England. Anscheinend hatte er es sehr eilig. Vielleicht hatte er auch Angst, von mir entdeckt zu werden. Jedenfalls jagte mir sein Erscheinen so einen Schrecken ein, dass mein Urin zu Eis gefror und mir das Blut in den Adern stockte. Es war wie ein Wunder, dass ich überhaupt noch dazu fähig war zu atmen. Wie ein Pfeil raste ich über die Treppen hin zum Raum 205, wo die anderen waren.
 

Als ich dort war, knallte ich die Tür hinter mir zu, sodass es knallte wie bei einem Pistolenschuss.
 

Nun war ich endlich in Sicherheit! Das meinte ich zumindest. Erleichtert, aber trotzdem noch ein bisschen besorgt schaute ich mich wieder um. Ich sah wieder einen grölenden Dänemark, einen lachenden Finnland und einen lachenden Schweden. Nur von Norwegen war keine Spur. Langsam spürte ich, wie meine Sorge etwas wuchs. Trotzdem noch ziemlich versichert suchte ich die Ecke auf, in der Norwegen gerade noch stand. Sie war zwar da, jedoch ohne Norwegen. Nun wuchs meine Sorge wie eine Bohnenstange in die Höhe. Ratlos rannte ich quer durch den Raum, doch Norwegen war wie vom Erdboden verschluckt. „Es war alles meine Schuld“, dachte ich, „Warum war ich nicht von Anfang an nett zu ihm? Es wäre mein größter Wunsch, ihm verzeihen zu dürfen, aber nun ist es vielleicht für immer zu spät dafür“ Langsam aber sicher wandelte sich meine Besorgnis in Trauer um. Eine tiefe, sehr tiefe Trauer, wie ich sie noch nie im Leben gespürt hatte. Nun konnte ich sie einfach nicht mehr zurückhalten. Tränen flossen aus meinen Augen, während die anderen noch nicht einmal bemerkt hatten, dass Norwegen überhaupt fehlte. Voller Trauer setzte ich mich in die Ecke, wo vorher noch mein Bruder gesessen hatte, und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Daisuki Onii-chan

Kapitel 6

Daisuki, Onii-chan!
 

Dort blieb ich für ungefähr zwei Stunden sitzen. Ich war wie betäubt. Erst als die Lichter wieder angingen bemerkte ich, dass die laute Musik aufgehört hatte. „Schluss! Aus! Die Party ist zu Ende!“, Dänemarks Stimme sagte diese Wörter. Mit brummendem Schädel erhob ich mich langsam aus meiner Ecke. Hastig wischte ich mir mit dem Ärmel meines Anzugs die letzten Tränen aus dem Gesicht damit es so aussah, als hätte ich gar nicht geweint. Aber so sehr ich auch versuchte, ihn zu unterdrücken: Schon nach den ersten Sekunden war wieder der Gedanke im Kopf, dass ich meinem Bruder nun nie mehr verzeihen konnte. Mit einem künstlichen Lächeln ging ich auf die anderen zu. Plötzlich war er da! Norwegen. Er stand wie alle anderen in der Mitte des Raums vor Dänemark. Endlich wurde mein künstliches Lächeln zu einem echten. Es muss so schön ausgesehen haben, dass man es gar nicht hätte glauben können. Es ist ein unbeschreiblicher Gedanke, eine verschwundene, vermutlich tote Person auf einmal direkt neben sich stehen zu haben. Meine Gefühle schwankten zwischen Glück, Erleichterung und Freude, aber auch Verwirrung. Hatte ich das wirklich alles nur geträumt? Ich war mir so sicher, jeden Winkel des Raums abgesucht zu haben. Aber wieso konnte ich nur so stark heulen, wenn es nur ein Traum war? Wenn auch nicht mehr viel gefehlt hatte: Ich hatte nicht geschlafen!
 

Nun verließen wir alle gemeinsam das Klassenzimmer. Während alle anderen lachten oder sich laut unterhielten, machte ich mir noch weitere Gedanken über das Geschehnis. „Vielleicht war ja der ganze Tag, oder sogar der ganze Trip ein einziger Traum. Ein Alptraum. Oder etwa doch nicht?“, ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich gar nicht mehr bemerkte, als wir vor den Umkleidekabinen angekommen waren.
 

Zügig zogen wir uns um. Wahrscheinlich war jeder von uns müde und alle wollten endlich schlafen gehen. Ich auch. Allerdings musste ich alle Ereignisse erst einmal verarbeiten. Der Hausmeister mit den roten Augen, Englands Erscheinen und Norwegens plötzliches Verschwinden. Müde ließ ich mich in meinen Schlafsack fallen, zog mir meine Decke über den Kopf und schloss meine Augen. Ich konnte es kaum Erwarten, endlich einzuschlafen. Ich wusste nicht, was für ein grauenvoller Traum mich diese Nacht überkommen würde...
 

Ich öffne meine Augen. Ich befinde mich in einem sehr dunklen und kalten Raum. Gerade noch kann ich meinen eigenen Körper von der kalten Eisenbank, auf der ich sitze, unterscheiden. Es ist totenstill. Nach einer Zeit erklingt ein merkwürdiges Poltern. Es ist jenes Poltern, welches mich eine Nacht für einen kurzen Moment aus dem Schlaf gerissen hatte. Zuerst ist es ganz leise. Später wird es immer lauter. Nun höre ich auch leise Schritte, die sich mir langsam nähern. Sie kommen immer näher und näher. Plötzlich erklingt auch noch eine Kettensäge hinter der schweren Eisentür. Es ist grauenvoll. Leute fangen an, sich die Seele aus dem Leib zu schreien. Auch mein Herz bleibt für einen Moment stehen, so fühle ich es zumindest, doch die Schritte kommen trotzdem immer näher. Dann öffnet sich die Eisentür. Eine angst einflößende Person betritt den Raum. Sie gibt keinen einzigen Ton von sich, aber ihr Geruch ist bestialisch. Inzwischen ist mein Gesicht schon tief in den Händen vergraben, ich kann nichts sehen. Langsam hebe ich meinen Kopf aus den Händen. Ich versuche, aufzublicken. Doch noch bevor ich etwas erkennen kann wird mir schwindelig. Sehr schwindelig. Ich spüre, wie ich langsam in mich zusammensacke. Mein Herz rast wie verrückt.Ich kann nur noch ein fieses Lachen vernehmen und höre die Kettensäge immer näher und näher kommen. Doch plötzlich ertönt eine sehr bekannte Stimme, jedoch in einer Lautstärke, in der ich sie noch nie zuvor erlebt hatte: „STOPP! HÖR AUF DAMIT!!!“ Langsam spüre ich, wie das verschwommene Bild vor meinen Augen immer klarer und schärfer wird. Irgendwann erkenne ich meinen Bruder, meinen großen Bruder. Er lächelt mir ins Gesicht. Auf eine sehr liebevolle Art und Weise. Zuerst zögere ich, dann spreche ich Wörter aus, die ich mir geschworen hatte, nie auszusprechen: „Vielen Dank, großer Bruder“....
 

Schweißgebadet wachte ich mitten in der Nacht auf. Ich hatte zwar keine Uhr, doch mein Verstand sagte mir, dass es um die vier Uhr war. Es kostete mich wenig Zeit zu realisieren, dass dies eine Art Fortsetzung von dem Traum war, den ich in der allerersten Nacht auf der Teddy-Bär-Grundschule hatte. Es war genau der grauenvolle, schaurige, furchteinflößende und brutale Traum. Nur das Ende war anders. Es war wie eine Botschaft. Sollte das etwa bedeuten, dass ich Norwegen endlich „Großer Bruder“ nennen sollte? „Das werde ich niemals tun“, dachte ich im ersten Moment. Doch dann erinnerte ich mich an das Ereignis auf der Party diesen Abend. Allein das Gefühl, einen nicht mehr verzeihen zu können, war schrecklich genug.

Ich blickte mich um. Alle waren am schlafen, nur Norwegen war noch wach. Eine Zeit lang beobachtete ich ihn. Dann drehte er sich um zu mir. Nun hatte er mich entdeckt. „Was soll ich bloß machen?“, dachte ich. Ich bekam ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch. Es fröstelte mir von außen her, aber langsam fühlte ich, wie sich mein Körper von innen aufwärmte. Es war heiß auf kalt. Wie die Lava eines Vulkans auf Eis. Sollte ich wirklich zu ihm gehen? Ich gab mir einen Ruck. Unsicher aber auch irgendwie sicher ging ich leise auf Norwegen zu. „Hast du mir irgendwas zu sagen?“, er fragte mich etwas misstrauisch. Dies verunsicherte mich zuerst etwas, aber dann packte ich all meinen Mut zusammen. Ich stammelte am Anfang etwas, aber nach ein paar Versuchen brachte ich die fünf großen Worte sauber heraus: „Ich liebe dich, großer Bruder“.....



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2013-12-23T14:10:27+00:00 23.12.2013 15:10
Ich verlange eine Vortsetzung! XD

Ich fands jedenfalls echt gut und bedanke mich, dass du diese Geschichte veröffentlicht hast. ^J^


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