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Wie ich dich kennen lernte, wie ich dich hassen lernte, wie ich dich lieben lernte

von

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Wie ich dich kennen lernte - I


 

Wie ich dich kennen lernte, wie ich dich hassen lernte, wie ich dich lieben lernte
 

Die junge Ungarin hechtete durch den Wald. Sie war mal wieder abgehauen, fort von den ganzen Pflichten, die sie dort erwarteten und fort von dem Geschreie und der Diskussionen ihrer Vorgesetzten.

Nach einiger Zeit rennen kam sie an ihrem Zielort an. Diese Lichtung hatte sie irgendwann einmal gefunden, aber seitdem war sie nicht mehr hier gewesen.

Müde ließ sie sich vor dem Baum auf das Gras fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Endlich konnte sie ihre Gedanken frei baumeln lassen. Sie musste nicht mehr an diese blöden Gesetze denken und auch nicht an ihre Verantwortung.

Kaum hatte sie die Augen geschlossen, schlief sie auch schon ein. Der Wald und seine Geräusche beruhigten sie einfach.
 

Als sie langsam wieder ihre Augen öffnete erschrak sie. „Wer bist du?“ Ein Junge war über sie gebeugt und hatte sie gemustert. Reflexartig griff Elizaveta nach ihrem Schwert und stand schnell auf. „Hey, ich habe dich was gefragt. Wer bist du und was willst du in meinem Land?“ Der Junge, der sich über sie gebeugt hatte, hatte sich mindesten genauso erschrocken, wie die Ungarin und war ein paar Schritte zurück gewichen. Erst jetzt viel ihr auf, dass der Junge vollkommen anders aussah, als man es glaubte. Er war sehr blass und hatte rot schimmernde Augen.

„Ich bin der deutsche Orden“, antwortete dieser und sah das Mädchen verwirrt an. „Und das ist mein Land, und nicht deines!“

„Pah! Dein Land? Das Stück hier gehört zu meinem Land, zu Ungarn!“, Liz stemmte die Hände in die Hüften und sah den deutschen Orden an. Was bildete der sich eigentlich ein? Sein Land, na von wegen.

„Wie heißt du wirklich?“, wollte sie nun wissen, doch ihr wurde die Antwort verweigert. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Ungarn“

„Nun, ich möchte gerne wissen, wer mir denn gegenüber steht. Immerhin siehst du nicht gerade stark aus“, grinsend verschränkte sie die Arme und sah dabei zu, wie ihr neuer Lieblingsfeind ihr einen wütenden Blick zu warf. „Unterschätze deinen Gegner niemals.“ Kurz darauf zog der deutsche Orden sein Schwert, was an seinem Gürtel hang und richtete es auf Ungarn. „Los, ich zeig dir, wie stark ich bin!“

Nun zog auch die Ungarin ihr Schwert. „Oh glaube mir, du wirst es bereuen mich herausgefordert zu haben!“ Mit diesen Worten griff sie den Jungen vor ihr an. Ein breites und selbstsicheres Grinsen zog sich über ihr Gesicht, als der deutsche Orden erschrocken abwehrte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie wirklich angreifen würde, doch so etwas würde er sich nicht bieten lassen.
 

Nach einem mehr oder weniger harten 'Kampf', ließen die beiden sich ins Gras fallen. Die Ungarin lachte leise: „Okay, du bist doch nicht so schwach, wie ich gedacht hatte“

„Sag ich ja“

„Du kannst mich übrigens Liz nennen“

„Gilbert“

Eine Weile sagten die beiden nichts mehr. Vielleicht würden sie beide ja doch noch Freunde werden? Elizaveta erhoffte es sich sehr. Es gab einfach niemanden, mit dem sie draußen herum toben konnte, bei dem sie einfach Kind sein konnte. Und bei Gilbert.. hatte sie die Hoffnung, dass sie es konnte. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und musterte ihn. Er hatte die Augen geschlossen und atmete gleichmäßig, als würde er schlafen. „Hey!“, lachte sie und knuffte ihm in die Seite. „Sollst du schlafen?“

„Ich schlafe nicht!“, beschwerte der Weißblonde sich, konnte sich ein Grinsen aber nicht ganz verkneifen.

Eine ganze Weile lagen sie noch da und sahen in den makellosen blauen Himmel, doch langsam wurde es dunkel. Ungarn stand auf. „Ich sollte langsam gehen.“ Mit ihren grünen Augen blickte sie zu Gilbert, der sich auch aufgesetzt hatte. „Sehen wir uns morgen wieder? Dann besetze ich nämlich wieder deinen Wald“, das 'deinen' betonte sie extra und grinste breit. „Meinen Wald also? Da kann ich dich doch nicht alleine drin herum laufen lassen, wer weiß, was du sonst anstellst!“, entrüstete der junge Albino sich gespielt und grinste breit. „Dann bis morgen!“, Elizaveta grinste und lief in die Richtung, wo es nach Hause ging.

Irgendwie mochte sie ihn. Zumindest war er interessanter als manch anderes Land, welches sie schon kennengelernt hatte.
 

Den ganzen nächsten Vormittag wartete sie ungeduldig darauf, dass sie endlich verschwinden konnte. Sie hörte sich einen langweiligen Vortrag nach dem anderen an und schlief sogar für ein paar Minuten ein. Wieso musste sie sich das alles anhören? Sie hatte doch eh nicht viel mit zu entscheiden, was ihr Land anging. Kaum war war das letzte Wort gefallen sprang sie auf und rannte hinaus zu den Ställen. Sie sattelte in Windeseile ihr Pferd und sprang auf dessen Rücken. Dann ritt sie zu der Lichtung.

Bisher war noch niemand da. Liz stieg ab und ließ sich wieder auf das Gras fallen. Dann würde sie eben warten.

Doch lange wartete sie nicht. Gilbert war nur ein paar Minuten später erschienen und wollte sich nun einen Spaß daraus machen, sie zu erschrecken. „Hab dich!“, schrie er und bemerkte zufrieden, wie sie erschrocken zusammen zuckte. Lachend rollte er sich neben sie ins Gras. „Idiot!“, rief die Ungarin lachend, als sie den deutschen Orden erblickte. „Ich dachte schon du kneifst.“

Als dieser wieder gerade neben ihr saß, kicherte sie leise. „Willst du dich als Wiese verkleiden?“ und zog ihm eine Blume aus den Haaren. Diese steckte sie sich hinter das Ohr und fing dabei breit an zu grinsen. „Natürlich, eine bessere Tarnung gibt es doch gar nicht“

Gilbert lachte und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Baum.

„Sag mal, woher kommst du eigentl-“, Liz brach ab. Eigentlich war das eine doofe Frage, sie wusste ja, dass Länder einfach irgendwann auftauchten und plötzlich da waren.

Doch der Albino sah zu ihr. Er schien die Frage nicht ganz so ernst zu nehmen wie sie. Denn seine Antwort lautete: „Aus der tiefen dunklen Dunkelheit“
 

Elizaveta, die ihn wieder schmunzelnd ansah knuffte ihn. „Stimmt, da kommen nur die Idioten her!“ Doch als ob der deutsche Orden das auf sich sitzen lassen würde. Er schmiss sich auf die Ungarin und die beiden rollten lachend und sich ein wenig raufend durch das Gras. „He, du Tonne. Geh runter von mir“, brachte sie lachend und keuchend hervor. Gilbert rollte sich neben sie und lachte leise. So entspannt lachen konnten sie beide schon lange nicht mehr. Immer wurde ihnen gesagt sie sollen ernst bleiben, stärker werden, keinerlei schwäche zeigen.

„Komm mal mit, ich will dir was zeigen!“, rief das Mädchen dann plötzlich und sprang auf. Neugierig folgte der Albino ihr. Sie stieg auf ihr Pferd und hielt Gilbert die Hand hin, damit er hinter sie steigen konnte.

Als beide auf dem Pferd saßen ritt sie los. Leise kicherte sie, als Gilbert sich erschrocken in ihre Weste krallte.

Wie ich dich kennen lernte - II

Elizaveta wollte ihm unbedingt etwas zeigen. Sie hatte es schon vor einiger Zeit gefunden, aber bisher konnte sie es noch keinem sagen. Auf die Fragen von Gilbert, wohin sie denn wolle antwortete sie nicht. Erst als sie ankamen und sie vom Pferd stiegen deutete sie eine relativ steile Felswand nach oben. „Da oben ist eine Höhle. Ich habe sie irgendwann mal gefunden“

„Und nun willst du, dass wir da hochklettern?“, Gilbert sah sie skeptisch an und verschränkte die Arme. Das Mädchen war doch verrückt. Doch ihr breites Grinsen, als sie zuversichtlich nickte brachte auch ihn dazu seine Sorgen beiseite zu werfen und ihr nach zu klettern.

Die Ungarin kletterte an einem Baum hoch, der nah an der Felswand stand und hangelte sich dann von einem Ast zum anderen. Schließlich hüpfte sie von einem etwas dickeren Ast auf den Vorsprung. Erschrocken rutschte sie ab und schlug sich das Knie auf, blieb aber sonst oben und bis aufs weitere unverletzt. „Autsch“, hörte man sie fluchen, doch das Mädchen stand wieder auf und sah zu Gilbert, der an dem Stamm des Baumes gelehnt war und sich wohl nicht traute, den Ast entlang zu balancieren um zum Vorsprung zu gelangen. „Komm schon, oder hast du etwa Angst?“, ein Lachen entwich ihrer Kehle, und ohne darauf zu achten ob Gilbert hinterher kam oder nicht, ging sie in die Höhle.

Ein paar Sekunden später hatte Gilbert die Ungarin eingeholt. „He, du hättest wenigstens warten können!“

„Ja, komm jetzt“, sie griff nach seiner Hand und zog ihn schnell hinter sich her. Das er errötete bemerkte sie gar nicht. Voller Tatendrang zog sie ihn immer tiefer in die dunkler werdende Höhle. „Wieso ist das so dunkel?“, murrte der deutsche Orden und verkrampfte sich etwas. Er hasste die Dunkelheit. „Was hast du erwartet? Fenster jede paar Meter?“, die Ungarin lachte und zog Gilbert nur noch tiefer in die Höhle. Bei einer Gabelung blieb sie dann aber stehen. „Oh..“, machte sie und blickte zu Gilbert. „Links, oder Rechts?“

„Wie wäre es mit zurück? Ich meine.. wir haben weder Licht.. noch wissen wir, wie lange wir schon hier sind.. und.. es wäre doch eine Schande, würden wir an Massen von Schätzen vorbei laufen, ohne sie zu sehen“, druckste der Weißblonde etwas rum. „Na gut, hast ja Recht. Aber morgen sehen wir uns wieder und dann nehmen wir Licht mit, und durchsuchen die Höhle weiter, klar?“, Elizaveta grinste breit. Sie war voller Energie und sie hatte einfach wirklich das Gefühl, in Gilbert einen wunderbaren Freund- entschuldigt, Feind gefunden zu haben. Die beiden liefen wieder zurück. Der deutsche Orden staunte nicht schlecht, die Aussicht hatte er noch gar nicht bemerkt. „Wow“, machte er und sah über den ganzen Wald. „Tolle Aussicht, nicht wahr?“, lächelte die Ungarin leicht und setzte sich auf den Vorsprung. Gilbert setzte sich neben sie. „Jetzt sieht man erst, wie riesig mein Wald wirklich ist!“, ein Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit. „Dein Wald? Wohl eher mein Wald, vergiss das nicht“

„Das werden wir ja noch sehen“, lachte der Weißblonde und ließ sich zurückfallen. Liz lehnte sich vor und griff nach einem Blatt des Baumes. Das warf sich zu Gilbert und lachte, als es genau auf seinem Pony landete. Das Mädchen lachte. „Nicht nur Wiese spielen, sondern auch noch Baum? Sehr schön“, kichernd drehte sie sich auf den Bauch. Ihr war egal, dass ihre weiße Hose dreckig wurde und ihr dünner Pullover an den Ellenbogen ein wenig durch die Steinchen riss. Gilbert pustete sich das Blatt vom Pony und grinste, dann setzte er sich etwas auf. „Sag mal, magst du mich?“, Elizaveta sah den Albino fragend an. Es war einfach eine normale Frage, denn irgendwie, mochte sie den Jungen mit der großen Klappe und dem breiten Grinsen. Es interessierte sie einfach, ob er sie als Kumpel mochte, auch wenn sie das nicht zugeben würde, würde man sie fragen.

Der deutsche Orden sah die Ungarin an. Ob er sie mochte? Ja. Ja, er mochte sie, aber es würde das niemals zugeben. Irgendwas in ihm schrie ihn an, dass würde er es ihr verraten, er sich verletzlich machen würde. „Du bist lustig“, meinte er daraufhin ein wenig abweichend. „Und du? Magst du mich?“

„Mh“, machte sie und musterte ihn eine Weile. „Ja, du bist ganz in Ordnung“ Ein Lächeln.

Ungarn stand auf. „Komm, wir sollten so langsam wieder gehen, sonst wird es zu spät und sie suchen nach uns“

Langsam kletterten sie wieder hinunter, was sich als schwerer heraus stellte, als gedacht. Auf dem letzten Meter verfehlte Gilbert einen Ast des Baumes und rutschte hinab. „Woaah“, rief er erschrocken und knallte auf dem Boden auf.

Elizaveta sah herunter, sie war noch oben in der Baumkrone und hatte gewartet, bist Gilbert unten war. Doch anstatt zu fragen, ob es ihm gut ginge, fing sie an zu lachen. „Ey, das war nicht lustig, das tat weh!“, rief der deutsche Orden schmollend zu ihr hinauf. Doch die Ungarin hörte nicht auf zu lachen. Der Anblick war einfach zu lustig gewesen. Immer noch kichernd kletterte sie um einiges sicherer als der Beleidigte, den Baum hinunter und landete sicher auf ihren Füßen. Sie ritten wieder gemeinsam zu der Lichtung. Auf dem Weg dahin sprachen sie kein Wort miteinander. Aber die Stille war nicht unangenehm. Es war so eine Stille, wo man bemerkte, dass man einen guten Freund dazu gewonnen hatte.

An der Lichtung angekommen stieg Gilbert ab. Liz sah zu ihm. „Sind sie bei dir auch so streng? Also, ich meine wenn du raus willst. Musst du auch immer allen Bescheid sagen, wohin du gehst und was du machst?“, sie sagte nicht, wer 'sie' waren. Gilbert sollte wissen, wer gemeint war. Hoffte sie zumindest.

Doch als er nicht antwortete wusste sie, dass sie die ganze Stimmung mit dieser Frage zerstört hatte. Sie beide hatten nicht mehr daran gedacht, dass sie eigentlich Länder waren und Verantwortung hatten. Bis gerade waren sie zwei ganz normale Kinder gewesen.

Wie ich dich kennen lernte - III

„Bevor du kamst, gab es da kein Problem, ich war höchstens eine Stunde täglich weg. Ansonsten ging ich immer meinen Pflichten nach. War ganz schön einsam.", antwortete der deutsche Orden nach kurzem Überlegen. Natürlich, jedes Land hatte Verantwortung zu übernehmen und dieser sollte man nachkommen und wenn man nichts anderes zu tun hatte, dann kam man diesen auch nach. „Wir sollten langsam zurückkehren“, meinte der Weißblonde ein wenig geknickt. Keiner von beiden wollte dahin zurück, wo sie herkamen, wo ihre Pflichten auf sie warteten, wo ihre Kindheit endete.

Sie würden wieder in ihr altes Muster zurück fallen, so sein, wie all die Erwachsenen um sie herum. Streng und ernst. Mit keinem Gedanken an die wunderschöne Welt dort draußen.

„Aber wir sehen uns morgen wieder, oder?“, hoffnungsvoll blickte die Brünette den Jungen an. „Na klar, wir können die Höhle doch nicht einfach so stehen lassen“, wieder zog sich ein freches Grinsen über sein Gesicht und aus seinen rot schimmernden Augen blickte er Elizaveta an.
 

Die beiden Kinder verabschiedeten sich. Es war eine kurze Verabschiedung, auch wenn keiner so richtig Heim wollte. Die Ungarin drehte sich auf ihrem Pferd um und sah Gilbert nach. Doch dieser lief einfach weiter in den Wald hinein und starrte stur gerade aus. Liz seufzte, dann gab sie dem Pferd ein Anzeichen um los zu reiten.

Warum musste sie auch ein Land sein? Warum hätte sie nicht als normales Kind geboren werden können, so wie die Kinder unten im Dorf auch?

Traurig blickte sie vor sich her, als sie an die vielen Mädchen und Jungen im Dort dachte, die immer spielen konnten, wann sie wollten. Einmal war Elizaveta zum Marktplatz gelaufen, eigentlich hatte sie die Hoffnung gehabt mitspielen zu dürfen, doch die Kinder hatten sie weg geschubst und gerufen sie solle verschwinden. Natürlich, man sah ihr an, dass sie von der Burg am oberen Rande des Dorfes kam und die Kinder wollten nichts mit ihr zu tun haben. Seitdem war die Brünette nur noch in den Wald geritten, wo sie eigentlich immer alleine gewesen war. Bis vor zwei Tagen, als sie Gilbert kennen gelernt hatte.

Ein Lächeln zog sich über ihre Mundwinkel. Sie hatte in den zwei Tagen einen wirklich guten Freund gefunden, der das selbe Leid teilte wie sie. Sie war nicht mehr alleine damit.

Und sie freute sich auf morgen, sehr sogar. Mit Gilbert würde sie die Höhle erkunden und vielleicht sogar viele tolle Schätze dort finden. Aber das wichtigste war; Sie würden beide einfach Kind sein.
 

Am nächsten Morgen, gerade als die Ungarin sich aus dem Fenster hinaus schleichen wollte, ging die Tür auf. Erschrocken rutschte sie mit einem Fuß ab, doch gerade noch hielt sie sich fest. „Elizaveta, was machst du da?", wütend wurde sie angesehen und am Arm mitgezogen. Dass sie das Fensterbrett fast herunter viel, und sich dabei den Fuß umknickte, schien niemanden zu interessieren. „Versuchst dich heraus zu schleichen, wie ein kleines Kind. Du hast zu tun, das weißt du! Du musst dich um dein Land kümmern"

„Aber-", versuchte das Mädchen sich zu wehren. Doch sie hatte keine Chance, wurde einfach unterbrochen und mitgezogen.

Sie hasste es. Nie hatte sie Mitspracherecht und im Grunde entschieden die anderen doch immer, was eigentlich richtig war. Sie saß nur dabei und durfte 'dekorativ' herum sitzen. Und heute war es wieder so. Ihre Gedanken schweiften immer ab. Eigentlich wollte sie doch schon längst weg sein und sich mit Gilbert treffen. Nervös zappelte sie mit den Beinen. Innerlich hoffte sie, er würde auf sie warten.

Kaum war das letzte Wort gesprochen und die Zettel zusammen geräumt, sprang die Ungarin auf. Ihr war es egal, dass ihr Fuß immer noch schmerzte, sie wollte zu Gilbert. Hoffentlich war dieser noch da.

So schnell wie noch nie, saß sie auf ihrem Pferd und hechtete zum Wald. Hoffentlich war er noch da und war ihr nicht böse, aber Gilbert wusste doch, wie es sich als Land so lebte und außerdem konnte sie da ja nichts für.

Kaum hatte sie zu Ende gedacht, sah sie auch schon die Lichtung, aber dort war kein breit grinsender Albino zu sehen. War er doch schon weg?

Langsam stieg sie vom Pferd und ließ sich auf dem Boden nieder. Vielleicht würde Gilbert ja noch mal wieder kommen?
 

Der deutsche Orden stand an einem Baum gelehnt ganz in der Nähe der Lichtung. Er hatte das Hufgetrappel vernommen und dachte nach. Sie hatte ihn versetzt, war eindeutig zu spät gekommen! Wütend schlug er gegen den Baumstamm. Er hatte gestern sehr viel Ärger bekommen, als er zuhause angekommen war, er war viel zu lange weg gewesen. Das dürfe nicht noch einmal passieren, schimpften sie auf ihn ein. Doch wieder hatte er sich weggeschlichen um Elizaveta zu sehen. Nur um sie zu sehen! Doch diese war einfach nicht erschienen, hatte ihn einfach sitzen lassen.

Gilbert war wütend auf sie, doch irgendwie..

Er wollte nicht nach Hause, was sollte er denn auch da? Sich benehmen? Erwachsen werden? Nein, das wollte er jetzt noch nicht! Er wollte seine Kindheit ausleben. Mit diesem Gedanken ging er zurück zu der Lichtung, wo die Ungarin wartete. Sie saß auf dem Boden, hatte die Augen geschlossen und hatte die Beine an die Brust gezogen.

Laut räusperte der Weißblonde sich und sah, wie die Brünette zusammen zuckte und ihn dann mit einem strahlendem Lächeln ansah. Doch er erwiderte das Lächeln nicht.
 

Als sie das Räuspern hörte blickte sie auf und sah Gilbert. Ein Glück, war er doch gekommen. Sie schenkte ihm ein Lächeln und stand auf. Doch der Junge erwiderte das Lächeln nicht. „Es tut mir leid, ich wollte früher hier sein, doch ich durfte nicht!“, fing sie an zu erklären, doch immer noch schwieg der deutsche Orden und Elizaveta fühlte sich langsam unwohl. „Es tut mir wirklich leid Gilbert, ich wollte dich nicht warten lassen“

Der Angesprochene seufzte und schien zu überlegen.

„Jetzt ist es wohl zu spät die Höhle zu erkunden. Es wird eh gleich dunkel“, murmelte Liz mit einem Blick gen Himmel. „Aber ich will auch nicht nach Hause, da bekomme ich eh nur wieder Ärger“

„Dann bleib du doch hier, ich gehe nach Hause! Ich hab genug von deinen Ausreden“, fauchte Gilbert. Eigentlich wusste er nicht, warum er sich so verletzt fühlte und nun so böse auf sie war. Doch sie hatte ihn versetzt und sich dann wahrscheinlich irgendeine billige Ausrede einfallen lassen. Wahrscheinlich mochte sie ihn nicht einmal mehr richtig.

Er merkte nicht, dass er in die ganz falsche Richtung dachte, doch so wurde es ihm gelehrt.
 

Wenn dich jemand einmal enttäuscht, enttäuscht er dich immer wieder.
 

Wütend blickte Gilbert die Ungarin an, die dort stand und ihn verwirrt und erschrocken ansah. „Gilbert, warte doch mal“, rief sie und griff nach seinem Arm. „Ich konnte da nichts für, du weißt doch, wie es als Land so ist, du weißt doch, dass wir.. dass wir nicht machen können, was wir wollen“

Die Ungarin hatte Angst, Angst, dass er sie nicht wieder sehen wollte, weil sie ihn im Stich gelassen hatte. „Du kannst doch nicht gehen, nur wegen so was.. so was blödem“, rief sie und ihre Stimme klang wütender als gewollt, aber irgendwie wollte sie ihre Angst überdecken.
 

Unschlüssig stand er vor ihr, unfähig sich auch nur ein Stückchen zu bewegen.

Gilbert wollte die Ungarin auf keinen Fall verlieren, sie hatte ihm Hoffnung gegeben, ihm gezeigt was Leben war. Sie war sein Leben!

Er stand morgens nur für sie auf und legte sich nachts nur für sie schlafen. Egal was in seinem Haus passierte, welche Qualen er auch ertragen musste, ein Gedanke an sie und er musste lächeln.

Langsam schaute Gilbert Elizaveta ins Gesicht. „Ich glaube dir, so schwer mir das auch fällt. Aber bitte.... lass uns eine Zeit lang nicht mehr treffen. Bitte.", presste er hervor.
 

Nachdem er das sagte liefen ihr nun wirklich die Tränen über die Wangen. Sie wusste es doch. Eine Zeit lang nicht mehr treffen. Sie wusste, dass es hieß, er würde sie niemals wieder sehen wollen. Schnell drehte sie sich um und rannte weg.

Gilbert sollte nicht sehen, dass sie weinte. Das würde sie ihm nicht gönnen.

Erst als sie zuhause ankam, hielt sie an und holte tief Luft. Sie war selber schuld, dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Sie konnte sich ja auch niemals durchsetzen. Die Ungarin wischte sich unwirsch über die Augen und ging zum Stall. Sie kletterte die Leiter zu dem Heuboden rauf und verkroch sich dort in eine Ecke, wo die Hauskatze es sich gemütlich gemacht hatte. Elizaveta zog die junge Katze auf ihren Schoß und streichelte sie sanft. Irgendwie musste sie sich ja beruhigen.

Gilbert wollte sie nicht wiedersehen. 'Lass uns eine Zeit lang nicht mehr treffen', war doch eigentlich nur ein anderes synonym für 'Ich will dich nicht mehr sehen, geh weg!'

Sie wusste es.

Die Katze hüpfte von ihrem Schoß, als die Ungarin aufgehört hatte sie zu streicheln und Liz zog ihre Knie an. Die letzten Tränen wollte sie einfach nicht mehr aufhalten. Sie konnte es auch nicht.

Das war also ihre Kindheit gewesen. Zwei wunderbare Tage, mit einem Jungen, den sie eigentlich kaum kannte, besser kennenlernen wollte, aber nun keine Chance mehr dazu hatte.

Jetzt hatte sie keinen Grund mehr zu flüchten. Die Ungarin würde nun wieder den ganzen Tag zuhause bleiben. Arbeit erledigen und sich die Streitereien der Erwachsenen anhören.

Wie ich dich hassen lernte - I

Die Tage, Wochen, sogar Jahre verstrichen und sie wurde immer älter. Von Gilbert hatte sie schon lange nichts mehr gehört. Aber ganz vergessen hatte sie ihn nie. Er war ihre Kindheit. Er war.. ihr Leben?

Nie konnte sie sein grinsen vergessen. Doch jetzt..

Sie war zu einer jungen Frau geworden, die ihr Land unter Kontrolle hatte. Sie konnte mittlerweile sehr viel mehr mitentscheiden, was ihre Regierung anging. Doch das was ihr heute gesagt wurde, versetzte ihr einen Schlag in die Magengrube. Sie sollte Roderich Edelstein - Österreich - heiraten um gemeinsam mit ihm gegen Preußen zu kämpfen. Zu der Zeit wusste sie noch nicht, dass Gilbert, der ehemalige Deutsche Orden, nun Preußen war.

Alles wurde vorbereitet, die Hochzeit, ihr Kleid. Einfach alles. Und dabei hatte sie diesen Herrn Edelstein noch nie gesehen. Sie wollte ihn nicht heiraten. Doch ihr blieb nichts anderes übrig, es war das beste für ihr Land und für ihre Landesleute.

Also wurde die Ungarin nach Österreich gefahren. Dort blieb ihr nicht viel zeit. Sie zerrten sie in ein Hochzeitskleid, schminkten sie, machten ihr die Haare und redeten alle davon, wie viel Glück sie doch habe, so einen wunderbaren Mann wie Roderich Edelstein heiraten zu dürfen. Elizavetas Gedanken aber, hingen immer wieder bei diesem kleinen Jungen, den sie im Wald auf der Lichtung kennen gelernt hatte. Und.. auch lieben gelernt hatte.

Sie wurde zur Kirche gefahren. Das hieß, sie würde ihren baldigen Ehemann gleich zum ersten mal sehen. Nervös schritt sie durch die Türe und ihr Blick war starr geradeaus gerichtet. Roderich drehte sich um. Für einen kurzen Augenblick war sie gewillt stehen zu bleiben, doch ein zweiter Blick zu ihrem Chef lies sie weiter laufen und neben Roderich stehen bleiben.

Nachdem alles vorbei war, Roderich und sie nun verheiratet waren, stiegen sie zusammen in eine Kutsche und wurden zu seinem Schloss gefahren. Bisher hatten sie kein Wort einander verloren. Liz sah aus dem Fenster der Kutsche, sah den Wald an sich vorbei ziehend. Wieder bahnte sich leise eine Träne über ihre Wange. Sie bereute es sehr damals weggerannt zu sein. Aber wie hätte sie anders reagieren sollen? Sie war ein kleines Kind gewesen.

Nun lebte sie schon einige Zeit bei dem Österreicher. Elizaveta hatte sich gut eingelebt, sie verstand sich auch mit Roderich. Er war sehr nett zu ihr, spielte ihr immer wieder was auf dem Piano vor. Doch.. er behandelte sie, wie man eine Frau nun einmal zu behandeln pflegte. Und das gefiel der Ungarin nicht. Sie konnte einfach nicht still auf dem Sofa sitzen, ein Stück Kuchen essen und dabei Kaffee oder Tee trinken. Sie wollte lieber über Felder und durch Wälder reiten. Aber das schickte sich nicht. Nicht für eine junge Dame wie sie.

Auch wenn Roderich nett und zuvorkommend zu ihr war. So fehlte ihr doch etwas.
 

Die Ungarin war gerade den Laub vor der Tür zusammen fegen, als der junge Preuße sich ihr näherte, er schien von allem gehört zu haben, die Hochzeit, dass diese gewisse Ungarin nun bei seinem Erzfeind lebte und nun wollte wissen, ob es wirklich die Ungarin war, die er von damals kannte. Elizaveta bemerkte ihn nicht. Sie sah stumm in den Himmel und wünschte sich wieder einmal auf die Lichtung in dem Wald, wo sie Gilbert das erste mal getroffen hatte.
 

Je älter Gilbert wurde,desto stärker wurde er auch.

Seine Macht war gewaltig gestiegen, genauso wie die Kälte in seinem Herzen. Er war gnadenlos und zerstörte alles was anderen und vielleicht auch ihm wichtig. Doch eines konnte er nicht lassen, immer und immer wieder erkundigte er sich nach Elizaveta, die er nie ganz vergessen hatte und so kam es, dass er von ihrer Verlobung und baldigen Hochzeit gehört hatte. Der Schock traf ihn allerdings erst, als er mitbekam, wen sie denn heiraten sollte. Roderich Edelstein! Sein größter Feind, der Mensch den er mit am meisten hasste! Der Österreicher war das genaue Gegenteil von ihm. Höflich, gut erzogen und immer fein gekleidet.

Der Preuße verstand nicht, wie die Ungarin ihn nur heiraten konnte. Er kannte sie doch, das temperamentvolle Mädchen, dass am liebsten durch den Wald ritt, Höhlen erkundete und ihn lachend aus ihren strahlend schönen Augen ansah. Doch, so dachte Gilbert, Zeit verändert Menschen, vielleicht hatte auch Elizaveta sich verändert. Er beschloss, dass er sie noch einmal wiedersehen wollte, bevor der Krieg begann. Ein letztes Mal, ein endgültiger Abschied
 

Das Rascheln von Blättern, welches hinter ihr ertönte, nahm sie gar nicht richtig wahr. Die Brünette strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und blickte weiterhin in den strahlenden Himmel, indem die Vögel langsam in Richtung Süden flogen. Doch plötzlich wurde sie aufmerksam. Jemand war hinter ihr, sie spürte es. Und bevor dieser jemand sie berühren konnte, drehte sie sich um und ging dabei ein paar Schritte zurück um den Besen, den sie in der Hand hatte, schützend und als Waffe missbrauchend zwischen sich und ihrem Gegenüber zu bringen.

Dieser Jemand sah sie erschrocken an und hob seine Hände um zu zeigen, dass er nichts böses wollte. Die Ungarin ließ ihren Blick über den jungen Mann wandern. Er war groß, seine Haut war unnatürlich hell, ebenso seine Haare und seine Augen schimmerten rötlich. „Gilbert?“, flüsterte sie und ließ den Besen sinken.

Der Preuße nickte leicht und deutete ihr an, leise zu sein. Er befand sich auf gegnerischem Boden und wenn er nicht aufpasste, dann wurde er erwischt. Elizaveta brachte kein Wort heraus, sie stand stumm vor ihm und starrte ihn an. Erst als ihr Gegenüber leise auch ihren Namen flüsterte, fing sie an sich zu regen. Er war es wirklich. Es war wirklich Gilbert.

Der Wind strich durch ihre Haare und pustete ihr einige Haarsträhnen ins Gesicht. Die Ungarin wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Jahrelang hatte sie sich ausgemalt, wie die Begegnung mit Gilbert wohl sein würde, sie hatte mit allem gerechnet, dass es genauso war wie früher, dass er sauer auf sie war, dass sie sauer auf ihn war, aber sie hatte nie damit gerechnet, dass sie sich beide gegenüber stehen würden und schweigen würden.
 

Langsam machte er einen Schritt auf sie zu. Immer vorsichtig und darauf bedacht rechtzeitig zu fliehen,schließlich befand er sich immer noch auf feindlichem Territorium. „Liz“, er benutzte ihren Spitznamen. „Ich habe dich vermisst“, murmelte er und versuchte zu grinsen, doch er schaffte es nicht ganz. All der Schmerz überrollte ihn. Schmerz und Sehnsucht, er wollte sie berühren, sie im Arm halten und nie mehr loslassen.

Er tat noch einen Schritt auf sie zu. Die Ungarin bewegte sich immer noch nicht, sah ihn lediglich an.

Schließlich hielt er es nicht mehr aus und rannte die letzten Schritte. Er riss sie fast um als er sie in seine Arme schloss und sie fest an sich drückte.

Tränen sammelten sich in ihren Augen und ihre Hände krallten sich in seine Uniform. Sie konnte nicht anders, sie schluchzte auf. "Wieso bist du erst jetzt da? Wieso?" Ihre Finger krallten sich nur noch stärker in den Stoff und sie wollte ihn nicht mehr loslassen. Sie wollte nicht, dass er noch einmal verschwinden würde. "Gilbert", schluchzte sie. Er sollte nicht wieder weggehen.

Gilbert musste bei ihr bleiben! Er konnte nicht wieder gehen, das wollte sie nicht noch einmal mitmachen.

„Es tut mir so leid“, flüsterte er und strich ihr sanft über die Haare. „Ich dachte du hasst mich“

„Wie könnte ich dich hassen?“, erwiderte sie schluchzend. Sie hatte ihn nie gehasst und so würde ihn niemals hassen, nein, niemals.

"Ich habe immer gedacht du hasst mich, weil.. weil ich damals einfach abgehauen bin. Dich wieder sitzen gelassen habe."

Nur langsam beruhigte sie sich. Vorsichtig löste sie sich von ihm und wischte sich über die Wangen. Dann sah sie hoch. Erst jetzt bemerkte sie, dass auch Gilbert Tränen in den Augen hatte. „Und du willst stark und mutig sein?“, flüsterte sie, konnte sich ein sanftes Lächeln aber nicht verkneifen. Er war wieder da. Er hatte sie gefunden und war wieder gekommen.

Wie ich dich hassen lernte - II

"Stark und mutig. Genau wie damals!", erwiderte Gilbert mit fester Stimme. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und lächelte sie an. Doch langsam wurde ihm bewusst wo sie standen.

Angespannt packte er Elizavetas Handgelenke. "Komm mit mir! Ich kann hier nicht bleiben.", sagte er und sah sie erwartungsvoll an.
 

Liz lachte leise, so war er. So war ihr Gilbert. Die Ungarin konnte gar nicht beschreiben, wie sehr sie es vermisst hatte. Sein Lachen, sein Grinsen.

Doch als der Preuße sie mit zog blieb sie stehen. „Ich kann nicht mitkommen. Ich muss hier bleiben. Roderich macht sich sonst womöglich noch sorgen", flüsterte sie leise. Der Blick des Preußen senkte sich. "Gilbert...", fing sie an, doch sie wusste nicht, wie sie diesen Satz beenden sollte.

"Nur kurz, bitte.", kam es von Gilbert. "Ich.. Na gut, aber nicht lange."

Sie ließ den Besen, den sie noch in der Hand hatte fallen und ließ sich von Gilbert mitziehen. Ein ganzes Stück zog er sie an der Hand mit sich mit, bis er stehen blieb und die Ungarin fast in ihn hinein lief.

"Komm! Lass uns noch einmal so sein wie damals! Lass uns noch einmal unbesorgt sein. Ich will immer für dich da sein und dir dein altes Leben zurückgeben.", wisperte er ihr ins Ohr, ihre weichen Haare kitzelten seine Nase. Sie duftete genau wie früher, nach Abenteuer, Wildblumen und Sonnenlicht.

"Ich kann nicht", wisperte Elizaveta. "Ich muss wieder zurück. Wenn Roderich sieht, dass ich nicht da bin.." Traurig blickte sie ihn an. Wie gerne würde sie alle Sorgen vergessen und einfach nochmal wieder Kind sein. Kind sein, zusammen mit Gilbert. Herumtollen, sich nicht an Regeln halten, einfach alles machen was sie wollte.

Sanft strich sie über seine Wange und sah auf den Boden, sie wusste, dass wenn sie jetzt gehen würde, würde sie ihn wahrscheinlich nie wieder sehen. Auch, wenn sie nicht zurück wollte, so musste sie doch. Sie musste zurück zu Roderich, ihrem Ehemann, den sie nicht liebte. Er war ihr wichtig, das war nicht zu leugnen, aber sie liebte ihn nicht. Sie hatte sich vor sehr langer Zeit in jemand anderen verliebt.

Elizaveta schwieg eine Weile, ehe sie zu Gilbert sah. Die Ungarin musste es versuchen: "Sehen wir uns noch einmal wieder?"

Mit ihren grünen Augen, sah sie den Preußen hoffnungsvoll an.
 

Gilbert schwieg einen Moment. „Wahrscheinlich nicht“, murmelte er und strich ihr noch ein letztes Mal sanft über die Wange. Diese Worte brachen der Ungarin das Herz. Sie konnte ihn doch nicht einfach gehen lassen, sie wollte ihn nicht gehen lassen!

Bevor er gehen konnte, griff sie nach seiner Hand und zog ihn sanft zurück. Sie wollte nicht, dass er so traurig ging und dann vielleicht wirklich nie wieder kam. "Warte noch einen Moment" Elizaveta lächelte leicht, als sie das sagte. Gilbert blickte sie fragend an, er wusste anscheinend nicht, was sie noch von ihm wollte. Sie selber wusste es ja selber auch nicht so genau. Und gerade als er den Mund öffnen wollte um etwas zu sagen, legte sie ihre Lippen sanft, aber bestimmt auf seine.

Die junge Frau wollte ihm zeigen, dass sie ihn niemals vergessen wollte, niemals vergessen konnte. Sie wollte ihm zeigen, dass sie ihn liebte und keinen anderen. Sie wollte ihm zeigen, dass sie für ihn da war, wenn er sie brauchte, egal was war. Auch wenn sie es eigentlich nicht durfte. Als sie den Kuss wieder löste lächelte sie sanft und gleichzeitig traurig. Ihr Blick galt dem Boden. „Bitte sei morgen wieder hier“

Der Preuße lächelte. Dieser Kuss..

„In Ordnung. Für dich bin ich morgen wieder hier und warte auf dich“
 

Die Ungarin lächelte leicht. In ihr kribbelte alles. Hatte sie ihn doch wirklich geküsst. Noch eine Weile sah sie dem Preußen nach, ehe sie zusammen zuckte und schnell nach Hause rannte. Sie hatte die Zeit ganz vergessen! Sie sprang fast die Treppen hoch, schnappte sich den Besen, fegte den Rest zusammen und ging dann in das Schloss zurück. Sie hörte Roderich schon auf seinem Piano spielen. Er hatte wohl nicht bemerkt, dass sie weg gewesen war. Ein Glück. Leise ging sie zu ihm und stellte sich neben ihn. Sie mochte es, wenn er etwas spielte.

Als der Österreicher sie bemerkte hielt er inne und sah sie an. "Ist etwas passiert, Elizaveta? Du siehst so glücklich aus"

"Hm? Nein, ich finde es nur schön, wie du spielst", lautete die Antwort der Ungarin und ihr Lächeln nahm etwas ab, es stimmte zwar, das ihr sein Spiel gefiel, aber es war nicht der Grund, weshalb sie so glücklich war.

"Ist draußen alles sauber und aufgeräumt?", Roderich wandte sich an sie und sah sie fragend an. Elizaveta nickte. "Ja, ich habe alles an Laub zusammen gefegt"

Der Österreicher nickte und Elizaveta ging hoch in ihr Schlafzimmer. Sie hatte zwar eins, welches sie mit ihrem Ehemann teilte, aber sie hatte sich heimlich ein Gästezimmer hergerichtet, wo sie sich verschanzte, wenn sie alleine sein wollte und das wollte sie jetzt. Ihre Gedanken schweiften augenblicklich zu Gilbert ab. Er war wieder da. Er war wieder bei ihr und diesmal würde er nicht einfach gehen!

Elizaveta war so glücklich, wie lange nicht mehr.
 

Am nächsten Morgen wurde sie früh wach, eigentlich viel zu früh. Selbst Roderich lag noch friedlich schlafend neben ihr. Die Ungarin fuhr sich durch die Haare und schüttelte ihren Kopf.

Gestern beim Abendessen hatte sie die skeptischen Blicke Roderichs bemerkt, doch sie war nicht darauf eingegangen. Sollte er etwas von ihr und Gilbert mitbekommen, würde dieser ihren Chef benachrichtigen und ihr Chef würde ihr die Hölle heiß machen. Seufzend schlug sie die Bettdecke beiseite und ging ins Bad.

Am Vormittag erledigte sie ihre Aufgaben die sie – wie jeden Tag – zu machen hatte. Dabei ertappte sie sich immer wieder, wie sie aus dem Fenster sah und nach einem hellen Schopf Ausschau hielt.
 

Was sie nicht wusste, sie würde ihn heute wahrscheinlich das letzte mal so sehen, das nächste mal, wenn sie ihn sehen würde, wäre das wohl mitten auf dem Schlachtfeld. Denn die Regierungschefs von Preußen und Österreich-Ungarn hatten beschlossen, dass es nun wirklich bald zum Krieg kommen sollte. Doch das sollte sie erst später erfahren.

Gegen Mittag, als sie, wie alle fünf Minuten aus dem Fenster starrte, schreckte sie auf. Sie hatte Gilbert erblickt und sprang schnell auf. Doch bevor sie aus dem Schloss stürmte, stoppte sie sich, sie musste erst Roderich Bescheid sagen, dass sie weg war.

Schnell erledigte sie dies, dann stürmte sie hinaus. Gilbert stand genau da, wo sie ihn gestern zum ersten mal seit langem wieder gesehen hatte. Er lächelte sie an.

Wie ich dich lieben lernte - I

Stürmisch rannte sie auf ihn zu, sprang fast schon in seine Arme. „Du bist da“, flüsterte sie und er nickte, hauchte ihr einen Kuss auf die Haare. „Komm, lass uns gehen“, der Preuße löste sich von ihr und ergriff ihre Hand. „Wohin?“, fragend sah sie zu ihm hoch. Mittlerweile war Gilbert um einiges größer als sie. Natürlich, sie waren immerhin keine kleinen Kinder mehr.

„Lass dich überraschen“, lachte er leise und führte sie zu einem kleinen abgelegenem Weg, wo ein Pferd stand, das den Kopf hob, als es Gilbert bemerkte.

Der Preuße ging auf das Pferd zu und streichelte es sanft, ehe er es losband und sich auf den Rücken des Tieres schwang. Dann sah er zu Elizaveta, die am Boden stand und zu ihm hoch sah. Er reichte ihr die Hand. „Komm schon“
 

Elizaveta ergriff seine Hand, stellte den Fuß in den Steigbügel und schwang sich hinter ihn. „Das erinnert mich an was“, schmunzelte sie. „Nur das du hinten saßt“

Gilbert lachte leise. „Stimmt. Nun halt dich fest“ Elizaveta legte ihre Arme um Gilbert und schmiegte sich ein wenig an ihn. Ihn plötzlich so nah zu spüren, ließ ihre Körperwärme ansteigen. Sie fühlte sich so wohl wie lange nicht mehr.

„Woher wusstest du, wo ich bin?“, fragte sie leise, während er den Weg entlang ritt. „Ich habe nach dir gesucht. Irgendwann wurde mir gesagt, dass eure.. Hochzeit bevorsteht und..“, Gilbert beendete den Satz nicht. Es schmerzte ihn zu Wissen, dass die Frau, die hinter ihm saß eigentlich verheiratet war. Elizaveta seufzte und senkte den Kopf. Sie verstand, was er meinte.

Eine Weile schwiegen sie. Die Ungarin schmiegte sich näher an Gilbert und legte ihre Wange an seinen Rücken.

Ihr kamen schon wieder die Tränen, doch diesmal erlaubte sie nicht, dass diese über ihre Wangen rollten. Schnell blinzelte sie die Tränen weg und sah auf. Ein sanftes Lächeln zog sich über ihre Lippen.

Es war unglaublich. Gilbert war wieder da. Und er gab ihr das Gefühl von zuhause, vom geliebt werden, vom akzeptiert werden, so wie sie war.

„Wir sind da“, meinte Gilbert nach einiger Zeit des Schweigens und Elizaveta sah sich um. Sie standen auf einer Lichtung, mitten im Wald. Sie lächelte. Es war zwar nicht die selbe Lichtung von früher, aber es war nah dran. Langsam rutschte sie vom Pferderücken und landete geschickt auf ihren Füßen.

Auch Gilbert stieg vom Pferd und band dieses an einen Ast. Langsam ging er zu der Ungarin, legte einen Arm um ihre Hüfte. „Nicht wie früher, aber fast, oder?“, er lächelte sie an und als er sah, wie Elizaveta ihn anstrahlte, machte sein Herz einen kleinen Hüpfer.

„Es ist toll“, flüsterte sie. Doch dann seufzte sie. „Gilbert.. es tut mir alles so leid.“, sie sah zu ihm hoch und man sah in ihren Augen, dass sie es ernst meinte, dass sie bereute damals davon gerannt zu sein. Doch der Preuße schüttelte nur den Kopf. „Wir waren Kinder.“
 

Er ließ die junge Frau los und ging zu einem Baum, ehe er sich dort auf den Boden fallen ließ und sich ins Gras legte. Breit grinsend hielt er Liz eine Hand hin. „Komm her“

Elizaveta lächelte glücklich. Wie hatte sie nur ohne diesen Chaoten leben können? Sie setzte sich neben ihn und musterte ihn. Sein Gesicht war viel markanter. Nicht mehr so rundlich, so kindlich. Langsam ließ sie ihre Fingerspitzen über seine Wange fahren. Er sah sie mit großen Augen an. Diese wunderschönen dunkelroten Augen, die immer noch strahlten, voller Abenteuerlust, wie noch am ersten Tag.

„Ich hätte nie gedacht, dich einmal wieder zu sehen“, murmelte sie und senkte ihren Blick. Gilbert setzte sich auf und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich hätte nicht gedacht, mit dir noch einmal so hier zu sitzen.“

Grüne Augen trafen auf Rote. Sie lächelten beide, dann beugte sich Elizaveta wieder vor und küsste den Preußen. Es fühlte sich gut an, ihn zu küssen, so nah bei ihm zu sein.

Sie spürte seine Arme um ihrer Taille, die sie näher zogen und automatisch legte sie ihre Hände auf seine Brust, lehnte sich weiter in den Kuss hinein.

Er strich ihr über die Seite, über den Rücken und seine zweite Hand legte sich an ihre Wange. Gilbert ließ sich wieder zurück ins weiche Gras fallen, Elizaveta zog er über sich. Ein freches Grinsen zierte sein Gesicht, als er sah, dass ihre Wangen gerötet waren.

„Wo ist denn das mutige kleine Mädchen hin?“, neckte er sie und Elizaveta fauchte empört, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Ohren ganz warm wurden. Sie sah zum Preußen hinunter, der sie frech ansah, doch sie schüttelte nur lächelnd den Kopf und beugte sich wieder zu ihm hinunter um ein weiteres Mal ihre Lippen mit seinen zu versiegeln.
 

Einen Moment später packte Gilbert die Ungarin und drehte sich mit ihr um, so dass er nun über sie gebeugt war. Ohne weiter darüber nachzudenken, fing er an ihren Hals zu liebkosen, diese wunderschöne Haut zu küssen und zu necken. Die Brünette legte eine Hand in seinen Nacken und schloss die Augen. Was auch immer sie hier taten, es war gut.

Dennoch schlich sich der Gedanke, dass ihr Ehemann zuhause saß und auf sie wartete, in ihren Hinterkopf und erschrocken drückte sie Gilbert weg.

„Gilbert.. ich bin verhei-“ Er ließ sie nicht aussprechen, er wollte es nicht hören. Für diesen einen Moment sollte sie ihm gehören, er wollte nicht wissen, dass sie verheiratet war, dass dieser Österreicher auf sie wartete. Das einzige, was er wissen wollte, war dass sie in seinen Armen lag.

Der Weißblonde ließ seine Hand über ihre Beine wandern, er schob ihr Kleid ein wenig höher und strich über ihren Oberschenkel.

Wieder hörte er seinen Namen, der über ihre Lippen kam, doch diesmal war es kein warnender Ton, es war Verlangen was er aus ihrer Stimme heraushören konnte.

Sie wollte ihn. Und Gilbert wollte sie ebenso.

Wie ich dich lieben lernte - II

Zum zweiten Mal an diesem Tag rutschte sie vom Rücken des Pferdes. Auch Gilbert stieg wieder ab, dennoch blieb er bei seinem Pferd stehen. Elizaveta ging auf ihn zu, legte ihre Hände an seine Brust und lehnte ihre Stirn an seine Schulter.

„Bist du morgen wieder hier?“, in ihrer Stimme spiegelte sich Hoffnung, doch Gilbert musste ihr diese nehmen. „Nein. Ich habe Pflichten. Ich kann nicht noch einmal fehlen.“

Die Ungarin nickte, blickte zu ihm hoch. „Wann sehe ich dich wieder?“

„Bald schon“, antwortete er ihr. Er wusste nicht, ob sie wusste, dass sie sich bald schon auf dem Schlachtfeld gegenüber stehen würden. Sanft ließ er seine Hand durch ihre braunen Locken gleiten. „Roderich wartet sicher schon auf mich“, flüsterte sie dann. Seine Hand zog sich zurück und Elizaveta fühlte sich augenblicklich leer.
 

Sie drehte ihm den Rücken zu und ging den restlichen Weg zum Anwesen des Österreichers zu Fuß. Bevor sie um die Kurve ging, sah sie zurück. Gilbert ritt nach Hause. Ein gequältes Lächeln zierte ihr hübsches Gesicht.

Dann wandte sie sich wieder um und ging zurück, den Weg entlang, den sie heute morgen noch so glücklich entlang gerannt war. Sie öffnete eine der Hintertüren und stand in der Küche. Leise seufzte sie, ehe sie ein Lächeln aufsetzte und ins Wohnzimmer ging, wo Roderich tatsächlich am Tisch saß und Dokumente vor sich liegen hatte.

„Du bist wieder da“, meinte er und Elizaveta nickte, bis sie merkte, dass Roderich dies nicht sah, wenn sie hinter ihm stand. „Ja“, meinte sie dann und sah aus einem der Fenster.

„Hat der Spaziergang dich ein wenig beruhigt?“, Roderich drehte sich zu ihr um, er lächelte seine Frau sanft an. „Es war ein schöner Spaziergang“, antwortete die Ungarin und ging ein paar Schritte auf den Österreicher zu. Dieser ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken.

„Wir müssen uns bereit machen“, fing er dann an und sah mit einem Seufzen auf die Papiere, die vor ihm auf dem Tisch lagen.

„Der Krieg?“, fragte Elizaveta leise und Roderich nickte. „Die Preußen haben gedroht. Sie werden in spätestens drei Tagen an der Grenze sein.“

Die Brünette sah ihren Mann besorgt an. Natürlich machte dieser sich Sorgen. Er hatte alles versucht um diesen Krieg nicht geschehen zu lassen, doch die Preußen waren zu verbissen.

„Wir sind stark“, sie legte eine Hand auf die Schulter des Österreichers. „Wir werden kämpfen“
 

Die nächsten Tage bereiteten sie sich drauf vor, sie planten akribisch, die Ungarische Armee kam nach Österreich. Nun mussten Österreich und Ungarn gemeinsam kämpfen.

Gegen Preußen.

Für die Ungarin ein noch komplett fremder Gegner.
 

Dann war es so weit. Sie standen beide vor ihrer Armee, sie waren mehr als die Preußen und sie würden bestimmt siegen. Als sie in der Ferne die Pferde der Preußen sahen, gab Roderich das Kommando zum Anlegen der Gewehre.

Die Ungarin blickte für einen Moment nach hinten, dann legte auch sie ihr Gewehr an und zielte. Trotzdem würden sie warten, bis die Preußen den ersten Schritt machten.

Die Pferde standen still, die Preußen zielten auch mit ihren Gewehren auf die Österreich-Ungarische Armee.

Elizaveta ließ ihren Blick über die Preußen wandern. Sie wirkten so entschlossen, sie würden nichts unversucht lassen um zu gewinnen. Die Ungarin schluckte.

Plötzlich viel ihr Blick auf einen bestimmten Mann. Er ritt vor, war nicht unbewaffnet, hatte sein Gewehr aber nicht angelegt. Er ritt auf sie zu, sah jedoch Roderich an.

„Ich, Gilbert Beilschmidt, Personifikation von Preußen, erkläre hiermit Österreich-Ungarn den Krieg!“

Elizaveta stockte der Atem. Er hatte Recht gehabt. Sie würden sich bald wieder sehen. Jedoch hätte sie nie gedacht, dass sie ihn so wieder sehen würde.

Ihre Gedanken schwirrten durcheinander. Warum hatte sie sich nie gefragt, warum der Preuße noch da war? Wer er war?

Den deutschen Orden gab es doch schon lange nicht mehr. Wieso hatte sie nicht nachgefragt?

Sicher, sie war glücklich darüber gewesen, dass sie ihn überhaupt wieder gesehen hatte.

Elizaveta schüttelte unmerklich den Kopf, wandte ihren Blick aber nicht vom Preußen ab, der seinen Blick nun zurück zu seiner Armee gewandt hatte.

Er hob seinen Arm, sie hörten das leise entsichern der Waffen.

Auch die Ungarin konzentrierte sich wieder auf die Preußen. Sie hob ihr Gewehr ein Stück an, zielte. Sie zitterte. Nicht viel, aber trotzdem zu stark.

Gilbert war ihr Feind.

Dann ließ der Preuße seinen Arm nach vorne schnellen und gab das Startsignal. Sofort erklangen Schüsse und auch Elizaveta schoss.

Der Rückstoß der Waffe brachte sie kurz zum schwanken, es irritierte sie.

Doch nicht für lange. Sie feuerte eine Kugel nach der anderen ab. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie ihre Männer nach und nach fielen. Doch es war nicht nur bei ihnen so. Auch auf der Seite der Preußen standen nach so kurzer Zeit so viele Männer weniger.

Gilbert hatte sie schon längst wieder aus den Augen verloren.
 

-
 

Elizaveta saß in einem kleinen Zelt. Es waren schon ein paar Wochen vergangen, seitdem der Preuße ihnen den Krieg erklärt hatte und dennoch war das Geräusch der Schüsse mittlerweile zum Alltag geworden.

Die Ungarin wechselte gerade ihren Verband an der Hüfte – es war ein Streifschuss gewesen – als Roderich in das Zelt kam. Sein Blick war undefinierbar, besorgt und dennoch entschlossen.

„Wir brauchen mehr Soldaten. Ich werde veranlassen, dass jeder Junge über 16 sofort der Armee beitreten muss“

Mit ihren grünen Augen sah sie den Österreicher an. Die Preußen waren viel mehr und viel hartnäckiger, als sie anfangs gedacht hatten und letztendlich hatte Preußen sich auch noch Verbündete gesucht.

Wie es aussah würden sie den Krieg verlieren. Doch sie mussten weiter kämpfen. Wenn es noch eine kleine Hoffnung gab, dann mussten sie.

Wie ich dich gehen ließ

Schwer atmend stand sie auf dem Schlachtfeld, ihr Gesicht war dreckig und ihre Uniform blutig. Elizaveta wusste nicht mehr genau, wie lange sie mittlerweile schon kämpften, doch es wurde knapp. Sie würden es definitiv nicht schaffen. Als sie einen Schuss hörte, duckte sie sich hinter einer kleinen Erhöhung. Sie wusste, dass das was sie machte unglaublich gefährlich war. Sie war alleine unterwegs, hatte ihre Seite schon längst verlassen.

Würde man sie hier sehen, würde sie ohne zögern erschossen werden. Elizaveta lehnte ihren Kopf an die Erhöhung, atmete einmal tief durch. Dann wandte sie sich wieder um, legte den Lauf des Gewehres auf den Sand und zielte. Von hier hatte sie viel bessere Chancen ihre Gegner zu treffen.

Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie plötzlich ein fremdes Gewehr zwischen ihren Schulterblättern spürte. Sie wandte sich nicht um. Warum hatte sie ihn nicht kommen hören?

„Es tut mir leid“
 

Elizaveta riss die Augen auf und wandte sich um. Der Lauf des Gewehrs zielte nun auf ihren Brustkorb. Vor ihr stand Gilbert.

„Ich wollte nicht, dass wir uns so wieder sehen. Ich wünschte, es wäre anders gekommen“

Der Ungarin stiegen die Tränen in die Augen. Sie war so unglaublich froh, dass Gilbert vor ihr stand. Lebend. Sie hatte ihn seit der Kriegserklärung nicht mehr gesehen hatte, hatte sie sich nur das schlimmste ausgemalt. Das er verletzt, oder sogar tot irgendwo lag.

Der Preuße ließ seine Waffe sinken, lächelte sie an.

Auch seine Klamotten waren dreckig und blutgetränkt. Sein Blick war müde, man sah ihm an, dass er den Krieg nicht mehr wollte. Er war müde vom kämpfen.

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht“, flüsterte er und hob seine Hand um ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Auch er hatte sich Sorgen gemacht. Sanft lächelte sie, hob ihre Hand, griff nach seiner, die an ihrer Wange lag und sanft streichelte sie drüber. Wärme durchfuhr ihren Körper, langsam schloss sie die Augen und gab sich seiner Berührung hin.
 

Ein lauter Schuss zerstörte alles.

Elizaveta sah wie paralysiert auf den Preußen. Der starrte sie mit geweiteten Augen an. Rote Flüssigkeit lief seine Uniform hinunter, beschmutze sie nur noch mehr. Die Ungarin fühlte wie einzelne Tropfen seines roten Blutes ihr Gesicht herunter rannen.

Der Preuße schwankte. Seine Hand lag immer noch an Elizavetas Wange. Dann sackte er zu Boden. Ein junger österreichischer Soldat stand hinter ihm. Das Gewehr immer noch in den Händen. Auch er sah erschrocken drein, am Lauf seines Gewehrs erkannte man, dass er zitterte.
 

Ein lauter Schrei ertönte und die Ungarin stürzte zu dem Preußen, der am Boden lag, mit offenen Augen ins nichts starrte. Sie schüttelte ihn, rief seinen Namen. Doch er reagierte nicht mehr.

Tränen verschleierten ihr den Blick, liefen über ihre Wangen.

Augenblicklich traf sie die Wut. „Er hat nichts getan! Nichts! Wie kannst du es wagen auf ihn zu schießen? Er ist tot!“, wütend schrie sie den Soldaten an. Wie konnte er es wagen?

Schluchzend sackte sie über dem Körper des Preußen zusammen.
 

Sie wusste nicht mehr, wie sie zurück gekommen war, doch nun saß sie in einem der Zelte. Roderich saß neben ihr, versuchte sie zu beruhigen, sprach langsam auf sie ein.

Doch Elizaveta hörte nichts. Das einzige, was sie hörte war der Schuss, dann sah sie das Blut, welches auf ihr Gesicht spritze, Gilbert, der sie ansah. Erschrocken. Schmerzerfüllt. Wie er dann zusammen sackte und auf dem kalten Boden aufkam.

Er war tot. Tot.
 

-
 

Der Krieg war vorbei. Sie hatten verloren, nicht nur den Krieg an sich, sie hatten auch viel zu viele ihrer Männer verloren. Roderich war schwer verletzt gewesen, Elizaveta hatte nach dem Zwischenfall nicht mehr weiter kämpfen können. Es ging nicht. Sie hatte sich stattdessen um die Verletzten gekümmert und sie versorgt um nicht ganz untätig zu sein.

Nach Ende des Krieges fuhren sie beide wieder zurück zum Anwesen des Österreichers, dort sollte dieser sich auskurieren und seine Wunden sollten heilen. Auch der Ungarin sollte es dort wieder besser gehen. Doch der Plan schlug fehl. Sie sprach nicht mehr, starrte oft einfach nur vor sich hin, brach in Tränen aus und keiner wusste warum.

Elizaveta vermied es, über das was passiert war zu sprechen. Wenn man das Thema anschnitt, verschwand sie einfach und oft sah und hörte man für ein paar Stunden nichts mehr von ihr.
 

Elizaveta stand vor dem Spiegel, fuhr sich durch die Haare, die stumpf herunter hingen. Auch ihre Augen waren ausdruckslos, hatten ihren Glanz verloren.

Roderich stellte sich neben sie, nahm vorsichtig ihre Hand. Er hatte keine Ahnung, was passiert war, wie alle anderen auch.

Dennoch war er bei ihr. Vorsichtig zog er sie in seine Arme und hielt sie fest. Als er spürte, dass sie anfing zu weinen, strich er ihr über den Rücken. Das war das einzige, was er machen konnte. Für sie da sein, sie trösten.
 

Die Ungarin war dankbar dafür, dass er für sie da war. Doch es half nichts. Die Bilder, wie der Preuße vor ihr stand. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, wie er sie ansah. Wie er sie berührte, sine Wärme. Sie konnte das nicht.

Sie liebte den Preußen, den vorlauten, chaotischen Preußen, der ihr damals gezeigt hatte, wie wertvoll das Leben eigentlich war, den sie dann aus den Augen verloren hatte und vor ein paar Monaten wieder gefunden hatte.

Den sie geküsst hatte, dem sie ihr Herz geschenkt hatte.

Sie konnte nicht glauben, nicht akzeptieren, dass eben dieser Preuße nun nicht mehr da war.

Man konnte Länder doch nicht so einfach töten, oder? Aber sie hatte doch selber gesehen, wie er erschossen wurde, wie sein Herz aufhörte zu schlagen.
 

-
 

Die Ungarin fasste einen Entschluss. Eines Abends, als Roderich vertieft vor seinem Piano saß und mit einer Hand zu spielen begann, ging sie leise hinaus. Zu Fuß lief sie den Weg, den sie damals zusammen mit Gilbert auf dem Pferd geritten war. Es dauerte lange bis sie an ihrem Ziel ankam, denn als sie die Lichtung erreichte, war es dunkel. Sie sah durch die Bäume hindurch, beobachtete die Sterne, die am wolkenlosen Himmel zu sehen waren.

Langsam liefen ihr wieder die Tränen über die Wangen. Mit zittrigen Händen zupfte sie die kleine Blume aus den Haaren, legte sie in ihre Hände und hauchte einen kleinen Kuss auf die Blütenblätter.

Es war nicht die selbe Blume, die Gilbert ihr damals ins Haar gesteckt hatte, aber dennoch verband diese Blume sie mit dem Preußen. Vorsichtig kniete sie sich nieder, vor einem der großen dunklen Bäume. Ihre Tränen tropften von ihrem Kinn auf den Boden, als sie die Blume in das Moos vor dem Baum legte.

Dann stand sie auf, blickte noch einmal gen Himmel, ehe sie der Lichtung den Rücken zudrehte und sich auf den Rückweg begab.

Sie hatte sich von Gilbert verabschiedet, hatte begriffen, dass sie loslassen musste, dass er weg war.

Elizaveta würde ihn niemals vergessen. Das konnte sie nicht. Aber sie konnte loslassen und das hatte sie getan.

Nie wieder trug sie eine Blume im Haar. Niemand fragte warum und Elizaveta war froh, dass sie nichts erklären musste.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  BB-Cute
2014-05-21T16:25:04+00:00 21.05.2014 18:25
Huiii *-*
Ich mag deine FF! :3 Sie ist schön geschrieben und ich hab mich gefreut das das nächste Kapitel raus kam! ^^
LG BB-Cute♥


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