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Wie ich dich kennen lernte, wie ich dich hassen lernte, wie ich dich lieben lernte

von

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Wie ich dich gehen ließ

Schwer atmend stand sie auf dem Schlachtfeld, ihr Gesicht war dreckig und ihre Uniform blutig. Elizaveta wusste nicht mehr genau, wie lange sie mittlerweile schon kämpften, doch es wurde knapp. Sie würden es definitiv nicht schaffen. Als sie einen Schuss hörte, duckte sie sich hinter einer kleinen Erhöhung. Sie wusste, dass das was sie machte unglaublich gefährlich war. Sie war alleine unterwegs, hatte ihre Seite schon längst verlassen.

Würde man sie hier sehen, würde sie ohne zögern erschossen werden. Elizaveta lehnte ihren Kopf an die Erhöhung, atmete einmal tief durch. Dann wandte sie sich wieder um, legte den Lauf des Gewehres auf den Sand und zielte. Von hier hatte sie viel bessere Chancen ihre Gegner zu treffen.

Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie plötzlich ein fremdes Gewehr zwischen ihren Schulterblättern spürte. Sie wandte sich nicht um. Warum hatte sie ihn nicht kommen hören?

„Es tut mir leid“
 

Elizaveta riss die Augen auf und wandte sich um. Der Lauf des Gewehrs zielte nun auf ihren Brustkorb. Vor ihr stand Gilbert.

„Ich wollte nicht, dass wir uns so wieder sehen. Ich wünschte, es wäre anders gekommen“

Der Ungarin stiegen die Tränen in die Augen. Sie war so unglaublich froh, dass Gilbert vor ihr stand. Lebend. Sie hatte ihn seit der Kriegserklärung nicht mehr gesehen hatte, hatte sie sich nur das schlimmste ausgemalt. Das er verletzt, oder sogar tot irgendwo lag.

Der Preuße ließ seine Waffe sinken, lächelte sie an.

Auch seine Klamotten waren dreckig und blutgetränkt. Sein Blick war müde, man sah ihm an, dass er den Krieg nicht mehr wollte. Er war müde vom kämpfen.

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht“, flüsterte er und hob seine Hand um ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Auch er hatte sich Sorgen gemacht. Sanft lächelte sie, hob ihre Hand, griff nach seiner, die an ihrer Wange lag und sanft streichelte sie drüber. Wärme durchfuhr ihren Körper, langsam schloss sie die Augen und gab sich seiner Berührung hin.
 

Ein lauter Schuss zerstörte alles.

Elizaveta sah wie paralysiert auf den Preußen. Der starrte sie mit geweiteten Augen an. Rote Flüssigkeit lief seine Uniform hinunter, beschmutze sie nur noch mehr. Die Ungarin fühlte wie einzelne Tropfen seines roten Blutes ihr Gesicht herunter rannen.

Der Preuße schwankte. Seine Hand lag immer noch an Elizavetas Wange. Dann sackte er zu Boden. Ein junger österreichischer Soldat stand hinter ihm. Das Gewehr immer noch in den Händen. Auch er sah erschrocken drein, am Lauf seines Gewehrs erkannte man, dass er zitterte.
 

Ein lauter Schrei ertönte und die Ungarin stürzte zu dem Preußen, der am Boden lag, mit offenen Augen ins nichts starrte. Sie schüttelte ihn, rief seinen Namen. Doch er reagierte nicht mehr.

Tränen verschleierten ihr den Blick, liefen über ihre Wangen.

Augenblicklich traf sie die Wut. „Er hat nichts getan! Nichts! Wie kannst du es wagen auf ihn zu schießen? Er ist tot!“, wütend schrie sie den Soldaten an. Wie konnte er es wagen?

Schluchzend sackte sie über dem Körper des Preußen zusammen.
 

Sie wusste nicht mehr, wie sie zurück gekommen war, doch nun saß sie in einem der Zelte. Roderich saß neben ihr, versuchte sie zu beruhigen, sprach langsam auf sie ein.

Doch Elizaveta hörte nichts. Das einzige, was sie hörte war der Schuss, dann sah sie das Blut, welches auf ihr Gesicht spritze, Gilbert, der sie ansah. Erschrocken. Schmerzerfüllt. Wie er dann zusammen sackte und auf dem kalten Boden aufkam.

Er war tot. Tot.
 

-
 

Der Krieg war vorbei. Sie hatten verloren, nicht nur den Krieg an sich, sie hatten auch viel zu viele ihrer Männer verloren. Roderich war schwer verletzt gewesen, Elizaveta hatte nach dem Zwischenfall nicht mehr weiter kämpfen können. Es ging nicht. Sie hatte sich stattdessen um die Verletzten gekümmert und sie versorgt um nicht ganz untätig zu sein.

Nach Ende des Krieges fuhren sie beide wieder zurück zum Anwesen des Österreichers, dort sollte dieser sich auskurieren und seine Wunden sollten heilen. Auch der Ungarin sollte es dort wieder besser gehen. Doch der Plan schlug fehl. Sie sprach nicht mehr, starrte oft einfach nur vor sich hin, brach in Tränen aus und keiner wusste warum.

Elizaveta vermied es, über das was passiert war zu sprechen. Wenn man das Thema anschnitt, verschwand sie einfach und oft sah und hörte man für ein paar Stunden nichts mehr von ihr.
 

Elizaveta stand vor dem Spiegel, fuhr sich durch die Haare, die stumpf herunter hingen. Auch ihre Augen waren ausdruckslos, hatten ihren Glanz verloren.

Roderich stellte sich neben sie, nahm vorsichtig ihre Hand. Er hatte keine Ahnung, was passiert war, wie alle anderen auch.

Dennoch war er bei ihr. Vorsichtig zog er sie in seine Arme und hielt sie fest. Als er spürte, dass sie anfing zu weinen, strich er ihr über den Rücken. Das war das einzige, was er machen konnte. Für sie da sein, sie trösten.
 

Die Ungarin war dankbar dafür, dass er für sie da war. Doch es half nichts. Die Bilder, wie der Preuße vor ihr stand. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, wie er sie ansah. Wie er sie berührte, sine Wärme. Sie konnte das nicht.

Sie liebte den Preußen, den vorlauten, chaotischen Preußen, der ihr damals gezeigt hatte, wie wertvoll das Leben eigentlich war, den sie dann aus den Augen verloren hatte und vor ein paar Monaten wieder gefunden hatte.

Den sie geküsst hatte, dem sie ihr Herz geschenkt hatte.

Sie konnte nicht glauben, nicht akzeptieren, dass eben dieser Preuße nun nicht mehr da war.

Man konnte Länder doch nicht so einfach töten, oder? Aber sie hatte doch selber gesehen, wie er erschossen wurde, wie sein Herz aufhörte zu schlagen.
 

-
 

Die Ungarin fasste einen Entschluss. Eines Abends, als Roderich vertieft vor seinem Piano saß und mit einer Hand zu spielen begann, ging sie leise hinaus. Zu Fuß lief sie den Weg, den sie damals zusammen mit Gilbert auf dem Pferd geritten war. Es dauerte lange bis sie an ihrem Ziel ankam, denn als sie die Lichtung erreichte, war es dunkel. Sie sah durch die Bäume hindurch, beobachtete die Sterne, die am wolkenlosen Himmel zu sehen waren.

Langsam liefen ihr wieder die Tränen über die Wangen. Mit zittrigen Händen zupfte sie die kleine Blume aus den Haaren, legte sie in ihre Hände und hauchte einen kleinen Kuss auf die Blütenblätter.

Es war nicht die selbe Blume, die Gilbert ihr damals ins Haar gesteckt hatte, aber dennoch verband diese Blume sie mit dem Preußen. Vorsichtig kniete sie sich nieder, vor einem der großen dunklen Bäume. Ihre Tränen tropften von ihrem Kinn auf den Boden, als sie die Blume in das Moos vor dem Baum legte.

Dann stand sie auf, blickte noch einmal gen Himmel, ehe sie der Lichtung den Rücken zudrehte und sich auf den Rückweg begab.

Sie hatte sich von Gilbert verabschiedet, hatte begriffen, dass sie loslassen musste, dass er weg war.

Elizaveta würde ihn niemals vergessen. Das konnte sie nicht. Aber sie konnte loslassen und das hatte sie getan.

Nie wieder trug sie eine Blume im Haar. Niemand fragte warum und Elizaveta war froh, dass sie nichts erklären musste.



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