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Die Freiheit, nach der ich mich sehnte

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Für meine Verhältnisse ist es ein ziemlich langer One-Shot und ich hätte die FF in zwei oder drei Teile geteilt. Aber da er eben als One-Shot gedacht war, beließ ich es dabei.
Ich habe versucht Ruffy so wenig OOC zu machen, wie ich es konnte und vielleicht ist es mir auch gelungen. Komplett anzeigen

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Die Freiheit, nach der ich mich sehnte

Es war der fast schon nerv tötende Weckton um Punkt halb Sieben, der mich zusammenschrecken ließ, obwohl ich ihn jeden Tag hörte. Aber da ich heute seltsamerweise so früh wach geworden war, hatte ich nicht mehr mit dem Wecker gerechnet. Ich hatte ihn sogar fast vergessen, dass er mich jeden Tag um dieselbe Uhrzeit weckte.

Langsam wandte ich meinen Kopf zum Nachttisch, beobachtete den Wecker einige Sekunden lang, bis ich meinen Arm hob um dieses schrille Geräusch auszuschalten, bevor ich mich aufsetzte und mir dann mit der Hand durch mein langes Haar fuhr.

Weitere Sekunden, die mir länger vorkamen, als sie es eigentlich waren, wanderte mein Blick durch mein Zimmer, in dem ich groß geworden war und ich dennoch immer fand, dass es für eine einzige Person einfach zu groß war. Das dachte ich seit ich selbstständig denken konnte.

Mein Zimmer war größer, als eine einfache Wohnung, die von einer dreiköpfigen Familie bewohnt wurde. Ein Kingsize Himmelbett war der sogenannte Eye-Catcher, also der Blickfang und das erste was man sah, wenn man mein Zimmer betrat. Es befand sich schräg gegenüber der Tür und auf jeder Seite befanden sich jeweils zwei riesige Fenster, die alle zu einem riesigen Balkon führte, der nicht nur mit Gartenmöbeln ausgestattet war, sondern auch mit liebevoll gestaltete Blumentöpfe.

Meinem Bett gegenüber befand sich ein Kamin, den ich momentan nicht benutzte, da es eigentlich sehr warm war und ich es eigentlich kühler in meinem Zimmer haben wollte. Auf dem weißen Sims standen unter anderem eine Kristallvase, die täglich mit frischen Blumen gefüllt wurden, eine teure Skulptur, die ich von einem Freund meines Vaters zum Geburtstag bekommen hatte, und ein Kerzenständer aus Silber. Ein Gemälde hing über dem Kamin. Es stellte eine stürmische Seelandschaft dar, irgendwie beruhigte es mich immer wieder.

Rechts von einem Bett aus führte eine Tür zu meinem sehr großzügigen begehbaren Kleiderschrank. Auf jeder Seite der Tür befanden sich Regale mit sehr vielen Büchern über die verschiedensten Themen darin. Ich las sehr viel und war dementsprechend gebildet. Viele dieser Bücher las ich eher für meine notwendige Bildung um für meinen Vater keine Schande zu sein. Meine Aufgabe war es eben nicht irgendeinen Job auszuüben um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern ich sollte nur Dekoration sein, für meinen einflussreichen Vater und meinen zukünftigen Ehemann. So wurde ich erzogen und so sollte ich auch mein Leben verbringen. Ob es mir gefiel oder nicht! Was es in diesem Fall nicht immer tat!

Mein Blick wanderte auf die andere Seite des Zimmers, wo mein Schreibtisch stand, der gleichzeitig auch meine Frisierkommode war. Darauf befanden sich meine Schmuckschatulle, mein Make-Up, meine Bürste, Schreibmaterial, Schreibblöcke und Dinge für mein einziges Hobby, das Malen. Es war das einzige was mein Vater für eine junge Dame angemessen hielt. Er akzeptierte es und ließ mir in dieser Hinsicht auch meinen Freiraum.

Eine Tür neben meinem Schreibtisch führte zu meinem eigenen Bad.

Ich setzte meine Füße auf den weichen dunkelblauen Teppichboden, der sich sehr flauschig unter meinen nackten Füßen anfühlte. Als ich aufstand, strich ich mein Seidennachthemd glatt, bevor ich an eines der großen Fenster trat, die bis zu 2 Meter hohen Decke reichten und zog an einer roten Samtkordel, die die Vorhänger aller vier Fenster öffnete.

Das warme und helle Sonnenlicht flutete den großen Raum, weswegen ich kurz blinzelte, bis sich mein Blick klärte und ich einen unglaublich schönen Blick auf den riesigen Garten, der mit grünen zurechtgestutzten Bäumen und bunten Blumenbeeten gestaltet war und darüber hinaus, über den übergroßen Eisenzaun, der um das ganze Grundstück gesäumt war, befand sich die Stadt der Insel und ich sah das klare blaue Meer und den wunderschönen Horizont.

Ich fragte mich schon öfters, wie es wohl wäre, einfach auf ein Schiff zu gehen und in diese weite Welt hinauszufahren und vielleicht nie wieder zurück zu kommen. Und nicht weil ich einen Mann heiratete, der aufgrund seines Job umziehen musste, sondern einfach weil ich Lust auf eine Reise hatte. Aber das wäre sowieso mehr als nur unmöglich. Für eine wohlerzogene junge Dame ziemte es sich einfach nicht so zu denken, da es sich einfach nicht gehörte auf Reisen zu gehen. Nur Marinesoldaten, Händler und Piraten – das Letzte war für meinen Vater nur übles Gesindel – waren berechtigt aufs Meer zu fahren, für längere Zeit. Nur um von A nach B zu kommen, war es legitim mit dem Schiff zu reisen.

Ich drehte mich wieder um und ging zu der Tür, die in mein Bad führte. Als ich die Tür öffnete und das Licht einschaltete, betrat ich das geräumige Bad, das mit weißen und schwarzen Fließen ausgelegt war. Es gab eine große Luxusbadewanne, eine Toilette, ein Waschbecken und ein großer Spiegel. Ein zugezogenes Fenster vollendete diesen Raum

Ich stellte mich vor den Spiegel und betrachtete die Frau, die mir entgegen blickte. Sie war laut vielen Meinungen sehr schön. Langes, tiefschwarzes, lockiges Haar umrahmtes ihr schmales, blasses Gesicht. Hohe Wangenknochen, schmales Kinn, volle Lippen und eine kleine Nase rundeten dieses angeblich schöne Gesicht ab. Sie hatte außerdem sehr helle blaue Augen, von dunklen vollen Wimpern umrandet.

Ich trat einen Schritt zurück, um den Körper dieser Frau zu begutachten, die mir entgegenblickte. Sie war schlank, fast schon zierlich, schmale Taille, schmale Schultern, breite Hüften, schlanke Beine und Arme.

Meine Hand hob sich und fuhr durch meine Haare, bevor ich nach meinen Kamm griff. Ich kämmte mir schnell die dicken, dunklen Strähnen, band sie mir dann zusammen um mir anschließend kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen.

Der Spiegel reflektierte mein Spiegelbild und obwohl ich wusste, dass es mein Gesicht war, das mir da entgegen blickte, fühlte es sich dennoch manchmal so an, als würde mich eine Fremde ansehen, die nur so aussah wie ich. Diese Fremde war die perfekte Tochter, die jeden Tag pünktlich aufstand, sich fürs Frühstück so zurecht machte, als würde sie zu einem Abendbankett gehen, die sich immer korrekt benahm, zu jedem freundlich war, einfach perfekt war, keine Fehler aufwies. Schlussendlich, die keine Schande für den eigenen Vater war.

Und ich, nicht dieses fremde identische Spiegelbild, war einfach nur ein Mensch, der sich nach etwas sehnte, was er nicht benennen konnte, weil er es wahrscheinlich nicht mal wusste, was es war. Weil er es auch nicht mal kannte!

Ich seufzte kurz, trocknete mein Gesicht und verließ das Bad. Mein Weg führte mich in den begehbaren Kleiderschrank, wo ich zu frischer Unterwäsche und einem knielangen hellblauen Kleid mit Ellbogenlangen Ärmeln griff. Schnell zog ich mich um und strich den Stoff des Kleides glatt, da bei meinem Vater Falten nicht gerade angesagt waren. Er hasste so etwas, das war fehlerhaft. Und er hasste Fehler sehr, mehr sogar als Piraten.

Ich betrachtete mich noch einmal kurz im Spiegel und richtete den Kragen an meinem Kleid. Das Kleid wies kein Dekolleté auf, nicht mal den Ansatz davon, da ich anständig war und es sich nicht gehörte den Brustansatz zu zeigen. Zwar durften Abendkleider etwas mehr zeigen, aber nicht zu viel.

Schnell schlüpfte ich noch in die passenden Schuhe, da es wirklich nichts Schlimmeres gab, als Kleid und Schuhe, die nicht zusammen passten. Zumindest für meinen Vater, meine Gouvernante und jede andere Frau der feinen Gesellschaft, die ich kannte und noch kennen lernen würde.

Gerade als ich aus dem begehbaren Kleiderschrank trat, klopfte es an meiner Tür und eines der Dienstmädchen bat um Einlass, wenn ich es erlaubte.

„Komm rein, Anne!“, meinte ich nur.

Kurz darauf öffnete sich die Tür und Anne, mein persönliches Dienstmädchen und einzige Person, die ich in diesem Haus wirklich als Freundin bezeichnen konnte, betrat mein Zimmer, machte einen kleinen Knicks, bevor sie sich einfach nur gerade hinstellte. Sie trug das übliche Dienstmädchenoutfit und wies alle guten Merkmale und Eigenschaften auf, die sich für ein gutes Dienstmädchen ziemten.

Sie war immer korrekt gekleidet und war stets pünktlich. Außerdem beherrschte sie alle notwendigen Aufgaben eines Dienstmädchens, eben wie putzen, Tee kochen, beim Ankleiden helfen und alles was eben anstand. Sie hatte perfekte Manieren, weswegen mein Vater sie überhaupt eingestellt hatte. Nur gutes Personal kam ihm nicht ins Haus. Sein Personal musste perfekt sein, diskret und vor allem leise in der Ausübung ihrer Aufgaben.

Jeder in diesem Haus musste perfekt sein!

Seine Tochter musste perfekt sein!

Ich musste perfekt sein, damit ich ihm keine Schande bereitete und einmal eine gute Ehefrau und Mutter wurde. Mein Vater hielt nichts vom Mittelmaß, weswegen er sich auch nur mit den Besten abgab und nicht mit irgendwelchen Menschen aus dem Mittelstand, geschweige denn aus der Unterschicht.

Er sprach niemals mit einem Marinesoldaten, dessen Rang unterhalb eines Kapitäns war. Er sprach niemals mit einem Adeligen, der nicht mindestens den gleichen Rang hatte wie er. Er würde nicht einmal mit mir sprechen, wenn ich mich nicht als perfekte Tochter gab und einfach alles tat, damit ich ihn immer gut dastehen ließ.

Meine Aufgabe war es eben nicht politische, wirtschaftliche oder militärische Gespräche zu führen. Ich sollte nur lächelnd, perfekt angezogen und an meinen Getränk nippend neben ihm stehen, wenn er politische, wirtschaftliche oder militärische Gespräche führte. Es hatte mich nicht zu interessieren, da ich eigentlich nur als perfektes Accessoire diente.

Ich sah zu Anne, nachdem ich noch einen letzten Blick aus dem Fenster geworfen hatte und mich fragte, wie es wirklich wäre auf einem Schiff zu sein und den frischen Meereswind in den Haaren zu spüren, wie es mein Haar durcheinander brachte. Aber das war nur Wunschdenken!

„Guten Morgen, Anne!“, meinte ich dann zu ihr und deutete ihr mit einem kurzen Nicken, dass sie sich bewegen durfte. Hier herrschten Sitten, wie beim Militär oder der Marine. Ich war der Admiral und sie nur ein einfacher Soldat. Und ich hatte zu entscheiden, ob sie sich bewegen durfte oder nicht.

„Guten Morgen, Miss! Habt Ihr gut geschlafen?“, entgegnete sie mir und machte einen weiteren Knicks, bevor sie auf mein Bett zu ging und es zurecht machte. Eigentlich war es umständlich, jeden Tag das Bett zu machen, da es im Laufe des Tages sowieso wieder zerknittert wäre und ich es abends wieder benutzen sollte.

„Ganz gut! Was ist mit dir?“, Anne war die einzige junge Frau, in meinen Alter, mit der ich mich unterhalten konnte, da meine Gouvernante mehr als nur 20 Jahre älter war als ich und das restliche Personal männlich war. Deswegen genoss ich es irgendwie mich mit ihr zu unterhalten, selbst wenn sie dafür bezahlt wurde. Ich wusste nicht mal ob Anne mich überhaupt mochte, wenn man sie nicht dafür bezahlen würde mein Bett zu machen oder mir Tee zu bringen.

„Ich habe gut geschlafen, Miss. Das Frühstück wird in fünf Minuten angerichtet.“, meinte sie.

„Danke, Anne!“, murmelte ich, weswegen mein Vater mich sicher ermahnt hätte, da sich Murmeln nicht ziemte, geschweige für eine perfekt erzogene, junge Dame, wie ich es war. Eine feine Dame sprach laut und deutlich, aber auch nur so laut um mit anderen Personen ihres Standes zu kommunizieren. Eine feine Dame durfte niemals schreien um sich Gehör zu verschaffen.

Ich wandte mich von Anne ab und öffnete den Zopf, damit meine Haare über meine schmalen Schultern fielen. Meine offenen Haare waren wohl die einzige Art von kleiner Rebellion, die ich mir meinem Vater gegenüber veranstalten durfte, selbst wenn er nicht mal wusste, dass es eine kleine Rebellion war. Ihn interessierte es nicht, wie meine Haare hochgesteckt waren, Hauptsache sie saßen perfekt, dass eben kein Haar ab stand und sie nicht zerzaust waren.

Anne beendete ihre Arbeit, trat wieder in die Mitte des Raums um einen weiteren perfekten Knicks zu vollziehen, ehe sie sich rückwärtsgehend zurückzog und die Tür absolut geräuschlos hinter sich schloss.

Ich war jeden Tag aufs Neuste überrascht, wie perfekt und leidenschaftlich Anne ihre Arbeiten ausübte und dabei kein einziges Geräusch von sich gab. Ich hörte sie nicht einmal atmen, wenn sie mein Bett machte, geschweige denn würd ich mitkriegen, dass sie überhaupt mein Bett machte, würde ich ihr dabei nicht zusehen. Kein einziges Geräusch, weder von ihr noch von den Bettlaken. So als gäbe es in diesem Haus ein Abkommen, dass man kein Geräusch machen durfte. Als wäre es ein Schwerverbrechen, wenn man auch nur Niesen würde!

Mein Blick wandte sich zu der großen Uhr, die in meinem Zimmer hing um festzustellen, dass ich jetzt losgehen sollte, damit ich nicht zum Frühstück zu spät. Unpünktlichkeit bedeutete für meinen Vater, dass man weder Manieren noch Anstand besaß und Respekt schon gar nicht.

Es wurde vorausgesetzt, dass ich immer pünktlich erschien, selbst wenn es nur so etwas Simples wie das Frühstück oder ein Friseurbesuch war. Es wurde von mir erwartet, dass ich pünktlich war.

Deswegen hielt ich mich nicht mehr länger in meinem Zimmer auf und verließ diesen zu großen Raum um in den langen Gang zu treten.

Ein roter Teppich schmückte den Boden, hohe Fenster mit roten, schweren Vorhängen ersetzten die Wand, teure Kornleuchter zierten die Decken, teure Gemälde, Skulpturen und andere teure Antiquitäten zogen sich in einem abwechselnden Rhythmus durch den Gang. Hin und wieder kam auch eine Ritterrüstung.

Mich sprach diese Art von Dekoration eigentlich nicht an, weswegen ich sie auch als unnötig empfand. Aber teure, beinah unbezahlbare Kunstgestände im Haus bedeuteten nicht nur Reichtum und Macht, sondern auch Kunstverständnis. Man wurde dann automatisch für kultivierter und klüger gehalten, selbst wenn man das nicht war.

Ich ging durch den langen Gang, begegnete hin und wieder einigen Bediensteten, die somit eine tiefe Verbeugung vor mir machten und immer auswichen, damit ich keine unnötigen Umwege machen musste. So war es jeden Tag, da ich hier die Tochter des Hausherren war und somit das höchste Gut.

Zumindest behauptete das mein Vater!

Ich repräsentierte diesen Haushalt und wenn ich mich gut benahm und immer gut aussah, erschienen der Haushalt und somit auch mein Vater in einem guten Licht.

Ich war das Aushängeschild meines Vaters und somit durfte ich mir keine Fehltritte erlauben und niemals wanken oder weichen.

Langsam ging ich die Treppe hinunter und kam in den großen Raum, der auch als Festsaal benutzt wurde, wenn mein Vater mal wieder einer seiner großen Empfänge gab zu denen nur die höchste Elite eingeladen war, angefangen von Adeligen bis zu einflussreichen Geschäftsleuten und hohen Marinesoldaten.

Ich durchquerte den viel zu großen Saal, meine Absätze verursachten ein hallendes Geräusch, ehe ich zu einer großen Flügeltür kam, die man mir sofort öffnete, da an beiden Seite des Tor immer zwei Bedienstete standen. Auch nur Dekoration, aber manchmal ganz nützlich, da die Tür an sich echt schwer für mich war.

Das Esszimmer wurde durch helles Sonnenlicht geflutet, war allen möglichen Dekokram geschmückt, angefangen von Skulpturen, Büsten, großen Vasen, Gemälden an den Wänden bis hin zu dem großen Kristalllüster an der Decke, der auch im Tanzsaal hing nur viel größer und auch teurer.

„Guten Morgen, Vater!“, ich trat an das eine Tischende und deutete eine leichte Verbeugung an, ehe ich mich an meinen Platz setzte. Ich saß immer zur Rechten meines Vaters, was meinen hohen Status bezeugte. Selbst bei hochoffiziellen Einladungen und Festen saß ich immer sehr nah am Tischende der Tafel, immer in der Nähe des Gastgebers.

„Guten Morgen, Natalie! Wie war deine Nacht?“

Ich legte meine Serviette auf meinen Schoß, ehe ich meinen Blick meinem Vater zuwandte, der mich trotz seiner Frage, die eher höflich gemeint war, nicht ansah.

„Gut! Wie hast du geschlafen, Vater?“, auch ich fragte nur aus Höflichkeit nach seinem Befinden, da wir uns schon seit Jahren nichts mehr zu sagen hatten. Außerdem sahen wir uns sowieso nur zu den Mahlzeiten, es sei denn er musste vereisen, weswegen ich dann ganz alleine im Esssaal saß.

Einer der Bediensteten trat an meine Seite und schenkte mit einen heißen Tee an und servierte mein Frühstück. Also natürlich absolut gesund, voller Nährstoffe und Vitamine, damit ich auch ja nicht zunahm und kein unnötiges Fett ansetzte. Eine perfekte Tochter war gertenschlank und durfte einfach keine unnötigen Kalorien zu sich nehmen.

„Annehmbar!“, meinte mein Vater nur, während er in seiner Zeitung weiterlas. Dabei erhaschte ich einen Blick auf die Titelseite.

„Gibt es etwas Neues in der Welt?“, ich genehmigte mir einen Teelöffel Zucker in meinem Tee und rührte geräuschlos um, ehe der Löffel auch genauso geräuschlos seinen Platz neben meiner Teetasse fand. Erst dann nahm ich einen kleinen Schluck davon, ebenso geräuschlos.

„Nicht, dass du es sonderlich verstehen würdest, was in der Welt gerade geschieht, zumindest was militärische und politische Dinge angeht. Aber es geht um eine bestimmte Piratenbande, die auch schon vor zwei Jahren etwas sehr Frevelhaftes getan haben.“, erklärte er kurz, „Aber genug davon! Wie sieht dein Tagesplan aus?“, er wechselte das Thema, was mich nicht verwunderte, da er nichts davon hielt, wenn ich nach den Angelegenheiten der Regierung fragte. Er war der Meinung, dass ich es sowieso nicht verstehen würde, da ich doch nur eine Frau war, die nur als Dekoration bei Festen gut genug war.

Ich nahm einen Bissen von einem Stück frischen Obst´, „Ich habe heute einen Termin bei unserem Schneider. Er wollte Maß nehmen für das neue Abendkleid, das ich bei deinem nächsten Empfang tragen soll.“

„Gut, was ist mit deinem Unterricht?“, er sah mich dabei immer noch nicht an.

„Heute habe ich Klavierunterricht, sowie Tanzstunden. Bist du heute zum Mittagessen hier, oder isst du außerhalb?“, meine Gespräche mit meinem eigenen Vater, von dem ich mich schon lange entfremdet hatte, verliefen meistens so, dass wir uns nach unserem heutigen Tagesplan erkundigten um zumindest so zu tun, als wären wir noch eine richtige Familie. Aber eigentlich waren wir nur mehr zwei Menschen, die zufällig miteinander verwandt waren und im selben Haus lebten.

„Ich treffe mich heute mit einem Geschäftspartner! Und heute Abend kommen einige Besucher. Ich erwarte, dass du dich von deiner besten Seite zeigst, zumal ich dir gerne jemanden vorstellen möchte.“, ich hielt in meiner Bewegung inne und ließ die Gabel sehr langsam sinken, bevor ich meinen Blick hob und zum ersten Mal seit Monaten sah mich mein Vater beim Frühstück an.

Mein Vater war ein sehr stattlicher und großer Mann. Dunkle Haare umrahmten ein kantiges Gesicht, ein perfekt gestutzter Bart zierte seine Wangen und sein Kinn. Sein kräftiger Körper war immer in edle Stoffe gehüllt und er trug immer nur das Feinste vom Feinen. Wenn er sich immer perfekt gekleidet gab, konnte er von seinem Gegenüber das gleiche erwarten.

„Wen möchtest du mir vorstellen?“, ich versuchte meine Stimme so ruhig und gleichmäßig zu halten, wie ich es vermochte, da mein Vater es nicht mochte, wenn ich stotterte oder undeutlich sprach. Das hatte man mir durch viele Stunde Sprachtrainings und Konversation ausgetrieben.

„Erinnerst du dich an Lord Beckett?“, ich nickte nur, „Sein Sohn hat beim letzten Bankett sein Interesse an dir bekundet. Aufgrund seiner wirklich guten Abstammung und dass es unserer Familie einige Vorteile bringen würde, möchte ich, nein, erwarte ich, dass du dich um ihn bemühst. Er ist sehr beliebt bei der Damenwelt, da er anscheinend ein sehr attraktiver Mann ist. Interesse ist das eine, aber ernsthafte Absichten wären mir lieber.“, innerlich erstarrte ich und war froh über die perfekte Kontrolle meiner Mimik, weswegen man mir die Sprachlosigkeit nicht ansah.

„Das verstehe ich Vater! Ich hatte nur noch keine Gelegenheit mit ihm zu reden!“

„Ich habe ein gutes Urteilsvermögen, vertraue darauf! Er wäre eine gute Partie für dich und obwohl du viele Verehrer hast, möchte ich doch, dass du dich auf ihn konzentrierst. Immerhin ist er ein zukünftiger Lord! Natürlich musst du ihm einen männlichen Erben schenken. Aber ich denke, das ist kein Problem!“

„Natürlich Vater!“, da ihm zu Widersprechen keinen Sinn hatte und ich nicht dazu erzogen wurde, meinem Vater zu widersprechen, verstummte ich und setzte meine Mahlzeit fort.

Ich hätte diese Ankündigung eigentlich erwarten müssen, da mein 18.Geburtstag nahte und ich somit ins heiratsfähige Alter kam. Und je früher ich meinen Zukünftigen kennen lernte umso früher konnte man die Verlobung ansetzen und desto früher konnte ich vor den Traualtar treten, damit mir der Ehemann auch sicher war.

Wahrscheinlich würde, wenn der junge Lord wirklich ernsthafte Absichten hegte, er mir einige Wochen lang den Hof machen um auch den gesellschaftlichen Konventionen zu entsprechen, obwohl natürlich jeder wusste, dass es sich dabei nur um Formalitäten handelte. Wahrscheinlich wenn mein Vater eine Feier zu meinem 18.Geburtstag ausrichtete, würde er die Verlobung bekannt geben lassen und der Termin für die Hochzeit würde keine 2 Monate auf sich warten lassen.

Ich würde kaum dass ich meine Volljährigkeit erreicht hätte die nächste Lady Beckett werden, die Frau des Lord Beckett. Und genauso schnell würde man einen Erben erwarten. Sozusagen war mein Leben so gut wie verplant und ließ keinen Freiraum für meine eigenen Vorstellungen, geschweige denn Wünsche oder Träume, sofern ich so etwas überhaupt hatte.

„Ich werde mich zurückziehen und wünsche dir einen schönen Tag. Wir werden uns heute Abend sehen!“, ich legte meine Serviette auf meinen leeren Teller und erhob mich vollkommen geräuschlos.

„Vergiss nicht Begleitschutz mitzunehmen. Immerhin wimmelt es nur von diesen elendigen Piraten, vor allem in der Innenstadt. Die Marine sollte endlich härter durchgreifen.“

„Natürlich, Vater!“, ich beugte mich seinem Willen, da ich ihn auch nicht enttäuschen wollte. Ich wollte seinem Bild der perfekten Tochter entsprechen, selbst wenn ich das nicht war.

Ich verließ den Speisesaal und machte mich auf den Weg in mein Zimmer. Meine Schritte waren schneller als gewöhnlich, was mein Vater sicher nicht gutheißen würde, da sich das für eine junge Dame meines Standes nicht ziemte.

Als sich die Tür zu meinem Zimmer endlich hinter mir schloss, bemerkte ich erst jetzt wie sehr meine Beine zitterten und ich keinen Ton herausbrachte, da mir ein Kloß im Hals steckte.

So sehr ich es auch nicht glauben wollte, aber ich war seit langer Zeit wieder den Tränen nahe. Und das obwohl ich mit dieser Zwangsverlobung schon lange gerechnet hatte.

Ich war nur eine Statue im Haus meines Vaters, die er beliebig umstellen und verändern konnte. Und jetzt schien er mich vollendet zu haben, weswegen der Startschuss für meine Versteigerung gefallen zu sein schien. Zumindest für den Sohn des Lord Beckett. Mein Alter schützte mich nicht mehr und nicht mal mehr die dicken Mauern hinter denen ich aufgewachsen war, schon gar nicht der goldene Käfig in den mich mein Vater gedrängt hatte.

Ich war meinem Schicksal hilflos ausgeliefert und dass obwohl ich immer das Gegenteil erhofft hatte, da ich mich immer nach so etwas wie Freiheit gesehnt hatte, egal in welcher Form.
 

Die wichtigste Regel für ein gelungenes Bankett, vor allem wenn man die Tochter des Gastgebers war, war, dass man immer ganz genau Bescheid wusste, wer wer war und wo wer war.

Nichts konnte einen Earl mehr kränken, als wenn man ihn mit dem falschen Titel ansprach. Deswegen sollte man die ganze Gästeliste am besten auswendig können und immer wieder im Kopf durchgehen.

Auch war es von größter Wichtigkeit immer auf dem Laufenden zu bleiben, was Politik, Wirtschaft und andere wichtigen Themen anging. Zwar war es für mich nicht wichtig über Politik und Wirtschaft auch nur irgendwas zu wissen, aber unter den Damen tratscht man gerne und da sollte man schon gestern die wichtigsten Modetrends von morgen kennen und auch den neuesten Tratsch von der High Society kennen.

Nichts brachte die Gattin eines Adeligen mehr in Wallung als ein skandalöses Gerücht.

Außerdem war es wichtig mit den richtigen Leuten über die richtigen Themen zu sprechen. Man musste ein Gespür entwickeln mit wem man besser nicht über die neuen Korsetts reden sollte.

Und weil ich all diese Regeln perfekt beherrschte und auch genauso perfekt ausübte, bewegte ich mich auf solchen Banketts wie ein alter Profi, da man mir schon von Kindesbeinen an beigebracht hatte, wie man sich auf einem Fest benahm.

Und wenn es vor allem um das Thema sich einen Ehemann zu angeln ging, musste man zuerst wissen, wo der Zukünftige sich aufhielt und wo die mögliche Konkurrenz war.

Nichts war schlimmer, als mit dem Objekt der Begierde in genau die Richtung zu gehen in der die schlimmste Konkurrenz stand.

Da ich aber nicht wirklich wusste, wie der Sohn von Lord Beckett aussah, aber sehr wohl wusste, dass die meisten jungen Damen hier diese Tatsache sehr genau wussten und auch sehr daran interessiert waren sich an ihn ranzumachen, musste ich taktisch handeln.

Deswegen verschaffte ich mir auch zuerst einen kleinen Überblick um zu entscheiden in welche Richtung in gehen sollte. Auf so einer Party wollte man nicht jeder Person begegnen und nicht mit jeder Person reden.

Außerdem erwartete mein Vater, dass ich sofort zu ihm ging, wenn ich die anderen wichtigen Gäste begrüßt hatte, damit er mich dem jungen Lord vorstellen konnte, egal ob ich das wollte oder nicht. Von mir wurde eben erwartet, dass ich das tue, was mein Vater mir sagt.

Darum bewegte ich mich langsam, aber gezielt durch die Menge, begrüßte einige Bekannte und Menschen, die so wichtig waren, dass mein Vater ruhig warten konnte. Zumindest das verstand er!

Mein Vater war ein so auffälliger Mensch, was seine Kleidung, sein Auftreten und seine Körpergröße anbelangte, dass ich ihn wohl unter tausenden erkannt hätte. Deswegen fand ich ihn auch sofort, wie er mit drei weitere Personen in einem Gespräch vertieft war.

Ich erkannte Lord Beckett darunter, die anderen zwei Gentlemen waren mir unbekannt, vor allem standen sie so im Hintergrund, dass ich sie nicht einmal genau erkannte.

Diskret trat ich an die kleine Gruppe heran um mich nicht sofort in den Mittelpunkt zu drängen, selbst wenn ich meistens Mittelpunkt einer jeden Gruppe war, sei es auch nur wegen meiner Kleidung, meines Aussehens oder meines Standes.

„Vater, verzeih, dass ich dein Gespräch unterbreche!“, nichts empfand mein Vater als schlimmere Beleidigung, als wenn man ihn bei einem wichtigen Gespräch unterbrach, „Aber Lady Sibylla hat mich in ein Gespräch verwickelt!“, außer vielleicht man hatte eine gute Ausreden, gegen die nicht mal mein Vater etwas sagen konnte.

Aber mein Vater lächelte so freundlich, wie ich es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Nein, eigentlich hatte ich ihn noch nie so freundlich lächeln gesehen, zumindest hatte er mich noch nie so angelächelt.

„Schon in Ordnung!“, sein Arm legte sich auf meinen Rücken, was mich auf überraschte, „Du erinnerst dich doch bestimmt an Lord Beckett?“, dabei deutete er auf den älteren Gentleman, mit dem er sich vorhin unterhalten hatte.

„Natürlich, es ist schön Sie wiederzusehen, Sire!“, man sah Lord Beckett sofort an, dass er von hohem Adel war, da er sich so kleidete und diese hohe Autorität ausstrahlte. Sein schon leicht ergrautes Haar und die Falten im Gesicht ließen ihm sein fortgeschrittenes Alter anmerken, dennoch schien er in jungen Jahren sehr attraktiv gewesen zu sein.

„Es ist auch schön dich wiederzusehen, Natalie!“, er trat an mich heran und griff nach meiner Hand um mir einen Kuss auf den Handrücken zu hauchen. Diese Adeligen hatte alle so perfekte Manieren, „Ich muss sagen, das Ebenbild ihrer Mutter!“, lobte er in den höchsten Tönen, weswegen ich eigentlich sofort wieder umdrehen wollte, da ich nicht gerne hörte, wie man über meine Mutter sprach.

„Das ist wahr!“, ich hörte nicht oft, dass mein Vater mich lobte, aber vor Fremden hatte er immer ein gutes Wort über mich.

„Mein Liebe, darf ich dir meinen Sohn vorstellen. Bei der letzten Party hattet ihr nicht die Gelegenheit miteinander zu reden!“, die Unauffälligkeit in seinen Worten war beinahe greifbar, was mich aber nicht weniger nervös machte. Besser gesagt wurde mir plötzlich sehr schlecht, wenn ich an die eigentliche Bedeutung seiner Worte dachte und was sie für meinen Vater bedeuteten.

Ich schluckte meine Übelkeit und Widerwillen hinunter um ein freundliches und sanftes Lächeln aufzusetzen, „Natürlich!“, hinter Lord Beckett erschien jemand und ich musste ehrlich zugeben, dass mein Vater nicht übertrieben hatte, besser gesagt hatte er sogar untertrieben.

„Natalie, das ist mein Sohn, der künftige Lord Beckett, Adrien!“, stellte Lord Beckett vor, während ich ihn musterte.

Er war großgewachsen, schlank, muskulös, besaß angenehme Gesichtszüge und es gab eine sehr starke Ähnlichkeit zu seinem Vater.

„Mylord!“, ich deutete eine kleine Knicks an, als sich seine tiefbraunen Augen auf mich legten und ich einen kurzen Moment eine leichte Gänsehaut verspürte. Sein Lächeln sollte wohl beruhigend wirken!

„Miss Natalie!“, wie sein Vater griff er nach meiner Hand und hauchte einen Kuss auf meinen Handrücken, dabei deutete er ebenfalls eine leichte Verbeugung an. Manieren hatte er zumindest und er sah wirklich gut aus. Außerdem war er von hohem Adel, sehr wohlhabend und eine verdammt gute Partie. Was wollte eine junge Frau wie ich eigentlich mehr?

„Es ist schön Sie kennen zu lernen!“, flüsterte ich und spürte direkt wie mein Vater mich ganz genau beobachtete, damit ich auch ja nicht kniff.

„Die Freude ist ganz meinerseits und von Nahem sehen Sie noch eindrucksvoller aus!“, das schien wohl ein bisschen wie ein Stichwort für meinen und seinen Vater zu gelten und natürlich für den anderen Gentleman, der sich mit meinem Vater unterhalten hatte. Sah schwer nach Geschäftsmann aus.

„Am besten wir lassen die jungen Herrschaften allein! Wir Älteren stören da nur! Natalie, bitte reservieren Sie mir einen Tanz!“, bat Lord Beckett.

„Es wäre mir eine Ehre!“, als er sich mit meinem Vater entfernte, drückte er zur Warnung noch leicht meine Schulter, damit ich auch ja nicht vergas, weswegen ich hier war, was meine Aufgabe war. Meine einzige Aufgabe in meinem Leben!

„Würden Sie mich herumführen, Natalie?“, ich war irgendwie froh, dass Adrien etwas sagte, da ich ehrlich gesagt keine Ahnung hatte, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Ich hatte keine besonderen Erfahrungen mit Männern und die Erzählungen meiner Gouvernante kamen wohl nicht so ganz an die Wahrheit heran.

„Natürlich! Hier entlang, Adrien!“, seine Hand legte sich warm auf meinen Rücken, was mich zwar nicht beunruhigte, aber auch nicht beruhigte.

Ich führte ihn von der tanzenden Menge weg, damit mir auch ja keine andere Frau, die scharf auf den jungen Lord war, in die Quere kam. Immerhin durfte ich meine Aufgabe nicht vermasseln. Mein Vater erwartete das von mir!

„Darf ich sagen, dass Sie bezaubernd in diesem Kleid aussehen?“, raunte er mir leise zu, als wir auf den Balkon traten, von dem man einen wundervollen Ausblick auf unseren Garten hatte, der mehr als nur perfekt gepflegt war. In diesem Haus war alles perfekt!

„Vielen Dank!“, wir hielten bei der Balkonbrüstung an und ich lehnte mich leicht gegen das steinerne Geländer um mich vor allem gut zu präsentieren.

Immerhin trug ich nicht umsonst ein so imposantes Kleid, das meine Vorzüge ausreichend betonte, dass sich wirklich jeder Mann nach mir umsah. Diesmal zeigte ich auch etwas mehr Dekolleté als sonst und entblößte Schultern und präsentierte durch eine komplizierte Hochsteckfrisur meinen entblößten Nacken und einen Ansatz meines Rückens, „Ihnen steht der Anzug auch besonders gut!“, er sah wie ein Märchenprinz aus, mit seinen Orden und Auszeichnungen, die nicht von irgendwoher kamen. Und dennoch konnte der Schein ganz schön trügen!

„Mein Vater war wohl etwas zu auffällig unauffällig, was?“, seine Worte überraschten mich etwas, auch wenn ich irgendwie ahnte, dass er das nur sagte um mich etwas zu beruhigen oder vielleicht so rüber zu kommen, als wäre es ihm wichtig, wie ich mich fühlte. Aber selbst dahinter konnte eiskalte Berechnung liegen, wenn er wirklich an mir interessiert war.

„Nun, ich wusste, dass mein Vater mich Ihnen vorstellen wollte. Also kam es nicht so überraschend.“, dabei zuckte ich nur mit den Schultern, was mein Vater sicher als unhöflich erachtet hätte.

„Sie müssen nicht nervös sein, Natalie!“, seine warme und große Hand legte sich auf meine, mit der ich mich am Balkongeländer abgestützt hatte. Etwas erschrocken sah ich hinauf um Adrien anzusehen, „Wir lernen uns ja erst kennen!“, ich glaubte ihm, obwohl ich irgendwie ein ganz mieses Gefühl dabei hatte, wenn er mich so freundlich anlächelte und zärtlich meine Hand hielt, „Und wenn wir uns sympathisch sind, wäre es doch nicht verkehrt einmal Essen zu gehen. Nur wir zwei!“, dabei beugte er sich zu mir runter, weswegen sein warmer Atem meine Lippen streifte und ich mit sehr viel Selbstbeherrschung nicht sofort zurückwich.

„Dagegen spricht nichts!“

Er lächelte und dieses Lächeln gefiel mir nicht, „Ihr wollt Euren Vater ja nicht enttäuschen! Wie Ihr wisst, bin ich die beste Partie, die man auf dieser Insel bekommen kann.“, ich erzitterte, aber nicht weil ich irgendwie erfreut über seine plötzliche Nähe war, sondern eben weil mir diese plötzliche Nähe, vor allem bei ihm ganz und gar nicht gefiel.

Adrien sah zwar gut aus und hatte sicher perfekte Manieren und eine Zukunft, über die sich jeder freute, aber ich empfand ihn an bedrückend, eingehend und ganz und gar unsympathisch.

Außerdem wusste er ganz genau, weswegen ich das hier tat. Das hatte nichts mit Liebe oder Zuneigung zu tun, sondern nur mit eiskalter Berechnung.

Und so sehr es mir widerstrebte auch nur eine Sekunde länger Zeit mit ihm zu verbringen, blieb ich bei ihm und ließ es zu, dass er seinen Arm um meine schlanke Taille legte und mich an seine Seite zog. Sein angenehmer Geruch kam mir in die Nase, was mich aber immer noch nicht beruhigte. Der muskulöse Körper schmiegte sich an meinen, was mich auch nicht überzeugte. Sein Atem streifte meine Wange und strich über meinen Nacken, weswegen ich abermals unangenehm erzitterte.

Dennoch blieb ich, weil ich meinem Vater keine Schande sein und ihm stolz machen wollte. Ich wurde erzogen eine gute Tochter zu sein und dazu gehörte auch, dass ich den Mann heiratete, den mein Vater für mich ausgewählt hatte.

Sosehr mir auch das widerstrebte!
 

Wieder einmal ertönte mein Wecker um genau sieben Uhr morgens und das obwohl ich gestern sehr lange aufgeblieben war um mich sehr lange und sehr ausgiebig mit Adrien zu beschäftigen. Immerhin musste ich ihn dazu bringen nur mehr an mir interessiert zu sein und meine Nebenbuhlerinnen komplett zu vergessen.

Selbst wenn ich die ganze Zeit einfach nur weg wollte!

Ja, Adrien sah wirklich gut aus, hatte einen gut gebauten Körper und war immerhin ein künftiger Lord und demnach sehr reich, einflussreich und besaß die besten Manieren.

Was ihn aber noch lange nicht zu einem netten Menschen machte!

Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, dass er nur ein schleimiger und unsympathischer junger Mann war, der ganz genau wusste, weswegen ich mich so ins Zeug legte und meinen ganzen Charme spielen ließ.

Dieses Spiel hatte überhaupt nichts mit Liebe zu tun, selbst wenn ich in meiner Welt nicht wirklich mit Liebe gerechnet hätte. Dazu müsste ich wirklich schon sehr großes Glück haben, so wie meine Mutter.

Ich musste mich meinem Vater einfach fügen, selbst wenn es gegen meine eigenen Wünsche ging und ich dafür mehr als nur mein Leben aufgab. So etwas wie Wünsche oder eigene Freiheit besaß ich einfach nicht.

Schnell schaltete ich meinen Wecker aus und erhob mich vom Bett, obwohl ich noch leichte Müdigkeit verspürte. Aber ich musste eben um diese Uhrzeit aufstehen. Dagegen konnte ich nichts tun!

Wieder verschwand ich kurz im Bad und richtete mich für das Frühstück, vor allem auch um meinem Vater Bericht zu erstatten, wie es gestern Abend mit Adrien gelaufen war. Sein Interessie schien wohl gewachsen zu sein, da er bald bei meinem Vater um ein gemeinsames Essen bitten würde. Alles scharf nach Protokoll und mit den nötigen Anstandsdamen. Immerhin sollte nicht mehr geschehen, als es sollte.

Mehr als ein Kuss war wohl nicht drin! Das störte mich aber nicht! Eigentlich empfand ich überhaupt nichts für diesen Earl, aber das war egal. Das änderte überhaupt nichts an den Plänen meines Vaters.

Wie an jedem Morgen klopfte es an meiner Tür und Anne trat herein. Wie jeden Morgen ging das Spiel von vorne los in der ich ihr immer wieder aufs Neue erlauben durfte sich zu bewegen, damit sie ihre Arbeit machen konnte und das ohne irgendein Geräusch zu machen. Langsam nervte mich das wirklich!

„Ich soll Ihnen von Ihrem Vater ausrichten, dass er den ganzen Tag auswärtig verbringen wird. Möchtet Ihr in Eurem Zimmer Euer Frühstück zu Euch nehmen?“, das hingegen war mir neu.

Ich drehte mich zu Anne um, die wohl schon fertig mit ihrer Arbeit war, „Ich habe keinen besonders großen Hunger!“

„Natürlich! Wünscht Ihr etwas Spezielles zum Mittagsessen?“, geistesabwesend trat ich an das große Fenster heran und sah hinaus, blickte auf die Stadt, die hinter den starken Eisenmauern lag und sah über die Horizont hinaus. Ein trauriges Lächeln legte sich auf meine Lippen und ein Gedanke schlich sich in meinen Kopf, für den mein Vater mich sicher gerügt und auch bestraft hätte. Aber in meiner momentane Situation erschien er mir so verlockend und auch als einzige Lösung.

Ich könnte vielleicht niemals frei sein, aber eine kleine Rebellion würde ich mir noch erlauben, bis mich ein anderer Mann kontrollierte.

„Ich werde auch außerhalb essen! Ich habe ebenfalls Termine in der Stadt!“, natürlich würde niemand erfahren, dass ich nicht in den Teil der Stadt gehen würde, in den es mir erlaubt war zu gehen. In diesem Teil war ich sicher und niemand würde es wagen, mir etwas zu tun.

Der andere Teil war dafür bekannt, dass sich nur Piraten und andere Verbrecher dort rumtummelten und dieser Teil zu gefährlich für mich war. Nicht mal mit Leibwächtern dürfte ich diesen Teil der Stadt betreten.

„Natürlich! Wünscht Ihr eine Eskorte?“

„Nein, das wird nicht notwendig sein!“, vor allem da diese Eskorte mich nur daran hindern würde, dorthin zu gehen, wohin ich eigentlich wollte. Sie würde es niemals erlauben, dass ich mich unnötig in Gefahr brächte. Immerhin wurden sie von meinem Vater bezahlt.

„In Ordnung, Miss! Ich werde mich jetzt zurückziehen um meiner Arbeit nachzugehen. Haben Sie noch einen Wunsch?“

„Nein, du kannst gehen, Anne!“, immer noch sah ich aus dem Fenster, als Anne mein Zimmer verließ und sich lautlos die Tür schloss. Mein Gehör war deswegen schon so sensibel, dass ich das hörte. So seltsam das auch klang!

Egal!

Wenn mein Vater erfuhr, was ich heute vorhabe, würde er sicher nicht sehr erfreut sein und dass Anne nichts von meinem Vorhaben wusste, war auch gut so. Ich wollte sie da nicht mit reinziehen, denn sonst könnte sie Schwierigkeiten mit meinem Vater bekommen. Und das wollte ich noch weniger!

Ich schlüpfte in meinen Mantel und griff nach meiner Tasche. Beides sah nicht danach aus, als wäre ich reich, weswegen diese Kleidung in diesem Teil der Stadt besser geeignet war, als Diamanten und feinste Seide. Aufmerksamkeit sollte man nicht erregen!

Da mich in diesem Haus niemand in dieser Kleidung sehen durfte, verließ ich durch einen anderen Ausgang das Haus. Es war der Dienstboteneingang und dort durften mich mein Vater oder meine Gouvernante niemals erwischen.

Das riesige Gelände zu verlassen war etwas schwerer, aber machbar, da ich schon seit meiner Kindheit einen Durchgang gefunden hatte um auf eine kleine Nebenstraße zu kommen, die direkt in die Stadt führte.

Ich ging an dem Eisenzaun meines Hauses entlang, berührte die kühlen Stangen, griff nach den grünen Blättern der perfekt geschnittenen Hecke, ehe ich meine Hand sinken ließ und einmal kurz hinter mich sah um sicher zu gehen, dass mir auch niemand folgte. Diesen Weg nahmen normalerweise nur die Dienstboten und Lieferanten um Lebensmittel und andere Ware zu bringen. Deswegen gehörte es sich überhaupt nicht, dass ich diesen Weg nahm. Normalerweise nahm ich auf den offiziellen Ausgang, aber da niemand wissen durfte wohin ich ging, musste ich eben Umwege gehen.

Ich kam an eine Weggabelung und blieb davor stehen.

Rechts führte in die noblen Stadtviertel, wo ich normalerweise meine Zeit verbrachte. Dort machte ich Shoppingtouren, verbrachte meine Zeit mit meinen von meinem Vater genehmigte genauso reichen Freundinnen in einem edlen Cafe, wurde dort zu Partys eingeladen, die ebenfalls mein Vater genehmigen musste und verbrachte dort eine sehr ruhige und sichere Zeit, mit jede Menge Bodyguards.

Tja, und links kam ich in den Stadtteil, den ich niemals, unter gar keinen Umständen auch nur mit der Zehenspitze betreten durfte. Dort tummelten sich die Piraten, die eine reiche, junge Dame, wie ich es war gerne ausrauben, entführen und sehr viel Lösegeld verlangen würden. Dort lebten die Menschen, die es nicht so gut hatten wie ich und am Rande ihrer Existenz lebten. An diesen Ort durfte ich nicht mal denken und trotzdem war er verlockender, als das nette Cafe, in dem ich schon seit meinem 12.Geburtstag Stammgast war.

Den Grund dafür kannte ich nicht mal!

Deswegen ging auch ohne zu Zögern nach links um vielleicht ein letztes Mal in meinem Leben das zu tun, was ich selbst entschieden hatte. Das war wahrscheinlich die letzte Gelegenheit dazu!
 

Dieser Stadtteil war auf jeden Fall anders, als ich es mir jemals vorgestellt hätte. Ich hatte zwar mit zwielichtigen Gassen und Geschäften gerechnet, aber zumindest mit etwas mehr, nun, Schmutz. Aber die Straßen waren sehr sauber. Wahrscheinlich war meine Fantasie mit mir durchgegangen, als ich mir all die Jahre eingebildet hatte, wie es hier wohl aussehen würde.

Zwar liefen immer wieder ein paar zwielichtige Gestalten an mir vorbei und sahen mich zu eindeutig an, aber sonst war es doch eigentlich in Ordnung. Mal abgesehen von den Prostituierten, die sich an fast jeder Ecke tummelten, verstand ich die Sorge meines Vaters nicht wirklich.

Ich war wohl schon viel zu lange in meinem metaphorischen Turm eingesperrt gewesen, dass ich schon hinter jeder Ecke eine Gefahr sah und in jedem Kerl, der an mir vorbei ging, einen gefährlichen Piraten vermutete.

Aber die Atmosphäre war hier auf jeden Fall anders, gefährlicher und ein bisschen schummriger. Im oberen Stadtteil glänzte alles dermaßen, dass nicht mal die Gebäude einen Schatten werfen konnten. Aber hier gab es auch dunkle Ecken, in denen das Üble lauern konnte.

Das stimmte mich irgendwie froh, dass es eben nicht nur diese helle Seite gab, sondern auch dunkle Orte.

Ich kam an einem Restaurant vorbei, das eher nach einer Kneipe für Piraten aussah, als ich hinter mir Lärm wahrnahm und hektischer Trubel aufkam. Selbst andere Personen sahen sich verwirrt um.

Der Lärm kam näher und Schreie drangen zu ihr durch, die sich schwer nach Marine anhörte. Es klang so, als würden sie jemanden verfolgen, der auf ihrer Abschussliste war. Ein Pirat oder ein gewöhnlicher Dieb. Immerhin war hier eine Marinestation, die mein Vater sehr großzügig finanzierte. Deswegen sollten mich die Marinesoldaten auch nicht unbedingt zu Gesicht bekommen.

Dennoch wandte ich meinen Blick noch einmal in die Richtung aus der dieser Lärm kam, als gerade jemand um die Ecke schoss und gleich hinter ihm her eine kleine Gruppe von gewöhnlichen Marinesoldaten.

„Schnappt ihn euch!“, rief einer von ihnen und meinte wohl denjenigen der mit einem sehr fetten Grinsen vorne weg lief. Ihm schien der Haufen Marinesoldaten hinter ihm so ziemlich egal zu sein.

„Dieser Kerl ist wohl wirklich so verrückt, wie man sagt!“, hörte ich jemanden murmeln, was mich etwas stutzen ließ, „Er und seine Leuten machen schon länger die Neue Welt unsicher!“, sagte jemand anderes, als dieser Typ immer näher kam, weswegen ich eigentlich gehen sollte, aber das seltsame Grinsen dieses Kerls machte mich einfach stutzig.

Wieso lächelte er so breit, obwohl er verfolgt wurde?

Was als nächstes geschah, konnte ich nicht so wirklich realisieren, geschweige denn verstehen, aber plötzlich lief der Kerl allen Ernstes rückwärts, sah demnach nicht wirklich wohin er lief und ehe ich einen Schritt zur Seite machen konnte, knallte sein Körper gegen meinen.

Mit einem schmerzlichen Keuchen landete ich mit meinem Hintern auf dem harten Boden und dieser Typ landete mit dem Gesicht nach unten vor meinen Füßen.

Er stöhnte leise etwas vor sich hin und ich starrte ihn sehr schockiert an. Der war einfach in mich reingelaufen.

„Jetzt haben wir dich!“, zumindest schien die Marine sich darüber zu freuen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich leise, als er sich erhob und immer noch dieses etwas dämliche Grinsen im Gesicht hatte.

„Keine Angst! Bist du verletzt?“, mit einem Lächeln erhob er sich und klopfte sich seine Shorts sauber, ehe er sich seinen Strohhut, der mir irgendwie bekannt vorkam, wieder auf den Kopf setzte, „Steh auf!“, mit einem sehr freundlichen Lächeln hielt er mir seine Hand entgegen und er schien echt die Ruhe weg zu haben, obwohl die Marine ihn verfolgte und gefährlich nahe kam.

„Danke!“, ich ließ mich von ihm hochziehen, „Ähm, du solltest vielleicht verschwinden!“, immer noch grinste er, was mich verwirrte.

Wieso konnte der selbst in so einer Situation grinsen? Und das so, als hätte er überhaupt keine Probleme!

„Gehört die Frau etwa zum Strohhut?“, rief einer der Marinesoldaten, weswegen ich erschrocken zu ihnen sah. Was hatte er da gerade gesagt?

„Was?“, hauchte ich.

„Los komm!“, der Kerl packte mich plötzlich am Handgelenk und zog mich hinter sich her.

„Was soll das?“, rief ich ihm hinter her, da er mich einfach in diese Sache mit rein zog.

Er sah zu mir und lächelte immer noch, „Wir verschwinden!“, ich sah ebenfalls zurück und sah zu diesen Marinesoldaten. Vielleicht könnte ich ihnen ja erklären, dass ich diesen Typen nicht einmal kannte und sobald ich denen meinen Namen sagte, würden die sowieso verdammt nervös werden und mit einer ausgewählten Eskorte dafür sorgen, dass ich sicher aus diesem Stadtteil kam. Und das wollte ich noch weniger!

„Wo willst du denn hin?“, rief ich ihm zu, als er plötzlich seinen Arm um meine Taille schlang und, das konnte ich einfach nicht glauben, dass das geschah, seinen anderen Arm plötzlich dehnte und sich so auf eines der Häuserdächer schwang, während die Marine einfach auf der Straße weiter lief und sich suchend nach mir und dem Kerl umsah.

Ich landete dank ihm sanft auf dem Dach des Hauses, sank auf die Knie, während er neben mir kniete. Diese Aktion hatte mich ganz schön außer Atem gebracht und mein Herz schlug auch um einiges schneller. Etwas, was mir noch nie passiert war.

„Entschuldige! Aber es ging nicht anders!“, als ich ihn ansah, kratzte er sich verlegen am Hinterkopf und konnte einfach nicht aufhören zu grinsen. Langsam nervte mich das, aber ich vergas meine gute Erziehung nicht, noch nicht.

„Ist schon gut! Aber die Marine hätte mir nichts getan!“, er legte seinen Kopf schief, was hieß, dass er meine Worte nicht verstand oder dessen Bedeutung, „Wer bist du?“, sein Gesicht kam mir bekannt vor, aber ich wusste, dass ich ihm noch nie begegnet war.

Sein Grinsen wurde breiter, „Ich bin Monkey D. Ruffy!“, etwas erschrocken riss ich meine Augen auf und rügte mich dafür, dass es mir nicht schon früher aufgefallen war.

Ich hatte über ihn gelesen. Sein Markenzeichen war dieser gelbe Strohhut, den er ständig trug. Schwarze, kurze Haare versteckten sich darunter, dunkle Augen blickten mich an und eine Narbe unter seinem linken Auge konnte ich sehen. Dieses Grinsen kannte ich von seinem Steckbrief, der mal zwischen den Seiten der Zeitung, die mein Vater immer morgens las, herausgefallen war. Er trug eine einfache Weste, die offen war und seinen Oberkörper entblößte, auf dem eine Narbe in Form eines Kreuzes prangte. Dazu passend hatte er Shorts an und Sandalen, die zum Laufen eigentlich vollkommen ungeeignet waren.

Ich schluckte, als ich diese Information verarbeitete. Vor mir saß der Pirat, der vor zwei Jahren einen Krieg mit der Weltregierung angezettelt hatte und somit die Welt völlig auf den Kopf gestellt hatte.

Sein Kopfgeld betrug 400 Millionen Berry!

Das war der berühmt berüchtigte Pirat Monkey D. Ruffy, Sohn des Revolutionärs Dragon!

Heute hatte ich irgendwie Pech!

„Und wer bist du?“, dennoch schien er irgendwie nicht so, als wäre er sehr gefährlich. Selbst auf seinem Steckbrief hatte er absolut freundlich und zahm gewirkt.

„Ich?“, ich brachte kein Wort heraus, was mir noch nie passiert war, selbst nicht bei Adrien, „Mein Name ist Natalie Carrington-Elsworth!“, meine Erziehung siegte über meine Angst, dass ich einem Piraten gegenüber saß.

„Freut mich!“, er sah nicht so aus, als würde er wirklich wissen er ich war, wer mein Vater war. Dann hatte er wohl nicht vor von meinem Vater Lösegeld zu fordern. Zumindest jetzt noch nicht! Das heiß, ich sollte ihn nicht auf diese sehr lukrative Idee bringen!

„Solltest du als Pirat nicht vorsichtiger sein, dass dich die Marine eben nicht verfolgt?“, ich war etwas verwirrt, da auf ihn ein Kopfgeld von 400 Millionen Berry ausgesetzt war, aber er von der Marine verfolgt wurde, als wäre er nur ein gewöhnlicher Dieb und dabei hatte er auch noch so dämlich und fröhlich gegrinst.

Ruffy lachte leicht, „Weißt du, das war nur Zufall! Ich wurde von meinen Freunden getrennt und dann war die Marine plötzlich hinter mir her!“, er sagte das so, als würde ihm das öfters passieren, „Ehrlich gesagt hab ich mich verlaufen!“, ja, so was passierte ihm sicher öfters, das sah ich ihm sofort an, „Aber warum wirst du von der Marine verfolgt?“, er sagte das so unschuldig und so nüchtern, weswegen ich beinahe dachte es wäre doch nur ein Scherz, da er vielleicht wirklich so gut war und den unschuldigen Piraten spielte, der eigentlich überhaupt nicht gefährlich war.

Aber wie er mich so fragend und vollkommen erst dabei ansah, hielt ich das doch für keinen Scherz.

„Die waren nicht hinter mir her!“, eigentlich wollte ich ihn anschreien, was ihm einfiele so was zu behaupten, obwohl er mich in diese Sache mit hineingezogen hatte. Aber eine feine Dame erhob niemals ihre Stimme um ihrem Ärger Luft zu machen. Sie benutzte eine kräftigen Ton um ihrem Gegenüber ihr Missfallen klarzumachen.

„Nicht?“, dabei legte er fast schon ratlos seinen Kopf schief und verschränkte seine Arme vor der Brust. Irgendwie süß!

„Ganz sicher nicht! Ich bin kein Dieb, schon gar nicht ein Pirat! Ich wohne hier!“, keine Ahnung, weswegen ich gerade den letzten Satz so betont hatte.

„Hier?“, dabei deutete er mit seinem Zeigefinger direkt auf das Haus auf dessen Dach wir saßen, weswegen ich dann doch mein Pokerface der neutralen Dame verlor und ihn wirklich verwirrt ansah, ehe ich begriff, was er überhaupt meinte.

„Nicht speziell hier, sondern auf dieser Insel! Das ist meine Heimatinsel! Ich wohne in einem anderem Stadtteil!“, ich sollte ihm nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich in diesem großen Haus auf dem Hügel wohnte, dessen Grundstück beinahe ein Viertel der Insel einnahm und mein Vater ein sehr einflussreicher Mann war. Ich wollte ihm ja nicht auf dumme Ideen bringen, indem ich ihm sagte, wie viel er rausschlagen konnte, wenn er mich entführte.

„Aber wieso bist du dann weggelaufen?“, wie bescheuert war dieser Kerl eigentlich? Vor allem, wie konnte er bei einer so dämlichen Frage so unschuldig dreinschauen.

„Ich bin nicht weggelaufen!“, dennoch blieb ich ruhig, da ich so erzogen wurde, „Du hast mich einfach so gerammt und dann mitgeschleift!“

„Dann weißt du sicher wo der Hafen ist? Das liegt mein Schiff vor Anker!“, es überraschte mich etwas, dass er nicht weiter darauf einging und es ihm wohl egal war, wer ich war oder was ich ihn da gerade gesagt hatte, sondern eher wieder zu seinem Schiff zurück wollte. Wie mein Vater es schon gesagt hatte, Piraten zog es immer aufs Meer.

„Sicher,…“, sagte ich deswegen etwas verwirrt, „…der Hafen liegt in der Richtung! Du musst einfach nur dieser Straßen folgen!“, dabei deutete ich in Richtung Meer, das er sicher auch alleine gefunden hätte. Immerhin sollte ein Pirat, vor allem ein Kapitän immer wissen, wo sein Schiff war. Mich wunderte es sowieso, dass er sich einfach so verlaufen hatte.

„Super, danke!“, er stand so schnell auf den Beinen, dass ich ihm kaum folgen konnte, aber plötzlich sank er wieder auf die Knie zurück und stöhnte auf. Irritiert zog ich meine Augenbraue hoch, was ich auch noch nie getan hatte, als ich plötzlich ein seltsames Geräusch hörte, das irgendwie nach einem Knurren klang, „Aber ich habe so einen Hunger! Seit dem Frühstück hatte ich nichts mehr zwischen den Zähnen!“, ich schätzte Ruffy so ein, dass er kein besonderer Frühaufsteher war und demnach wohl erst vor kurzem sein Frühstück genossen hatte. Deswegen fand ich es etwas seltsam, dass er jetzt schon wieder Hunger hatte.

„Ist es nicht etwas früh für das Mittagsessen?“, zumal man es mir so beigebracht hatte nicht zu unersättlich zu sein und auch nicht zu viel zu essen. Ich durfte ja nicht unnötig zunehmen. Außerdem gab es für mich nur das gesunde Zeug, wenig Fleisch, aber dafür mager und viel Gemüse. Wenn ich ehrlich war, hing mir das schon bis zum Hals raus. Aber ich durfte mich nicht beschweren.

„Kennst du nicht den Spruch, wer Hunger soll mächtig futtern?“, der war wohl an mir vorbeigegangen, was mich aber auch nicht davon abhielt zu denken, dass dieser Kerl ein so harmloser Typ war, dass meine Angst vollkommen unberechtigt war. Außerdem wirkte er etwas verpeilt und leicht dämlich!

„Tut mir leid! Diese Redensart ist mit nicht geläufig!“, und wieder kam die gute Erziehung durch, indem ich mich besonders gewählt ausdrückte.

„Auch egal!“, Ruffy erhob sich wieder und rückte seinen Strohhut mit dem roten Band zurecht, ehe er mich angrinste und mir seine Hand anbot, „Gehen wir was essen! Kommst du mit, Natalie?“, es irritierte mich, dass er meinen Namen so selbstverständlich aussprach, als wären wir alte Freunde und er mir so selbstverständlich seine Hand hinhielt, damit ich aufstehen konnte. Dabei kannten wir uns erst seit ein paar Minuten und die waren meiner Meinung nicht ganz so rosig verlaufen.

„Sicher!“, wenn mein Vater mich so sehen würde, würde er mich nicht nur rügen, sondern mir auch Hausarrest verpassen, weil ich nicht nur mit einem Piraten sprach und ihn nicht sofort der Marine meldete, sondern so unverschämt war und auch noch mit ihm mit ging. Dazu wurde ich nicht erzogen, dass ich Zeit mit Piraten verbrachte.

Und trotzdem tat ich es!
 

Wir hatten ein Restaurant gefunden, dass für diesen Stadtteil äußerst nobel und sehr sauber wirkte. Ich war wohl wirklich so versnobt, dass ich dachte, im unteren Stadtteil wären nur dreckige Kneipen und versiffte Restaurant zu finden. Aber das war wohl für die normalen Bürger gedacht und nicht wirklich für Piraten.

Dennoch saßen wir hier und ich beobachtete, wie sich Ruffy ein Hauptgericht nach dem anderen bestellte und es verspeiste, als würde er gleich verhungern. Außerdem schien ihm das Wort Tischmanieren ein vollkommenes Fremdwort zu sein. Das war ich wirklich nicht gewohnt, dass mein Tischnachbar alles in sich hineinschlang und dabei nicht mal richtig kaute, geschweige denn leise dabei war. Für meinen Vater wäre dieser Kerl eine wahre Qual und würde ihn nur deswegen einsperren lassen, weil er beim Essen zu laut war.

Deswegen verging mir auch etwas der Appetit, da ich das hier auch nicht wirklich gewohnt war. Selbst die Leute an den anderen Tischen schienen sich etwas an seinem Verhalten zu stören. Darum wollte ich auch im Boden versinken und hoffte, dass mich niemand sah, der mich kannte.

Aber trotzdem empfand ich Ruffy angenehmer als meinen Vater, da dieser mich nicht einmal ansah und seine allzu kostbare Aufmerksamkeit mir nur dann zuwandte, wenn es für ihn von Vorteil wäre. Eben wenn er mich erfolgreich mit einem Mann verkuppeln wollte. Selbst an guten Tagen sprach er maximal nur ein, zwei Sätze mit mir und erwartete nicht einmal, dass ich das Wort an ihn richtete. Immerhin hatten wir uns schon lange nichts mehr zu sagen.

Dieser Pirat war da ganz anders!

Er sprach zwar nicht wirklich mit mir, aber dennoch merkte ich sofort, dass er sich mal abgesehen auf sein Essen nur auch mich konzentrierte und nicht auf irgendeine blöde Zeitung.

Ruffy war ein weitaus besserer Tischpartner, als es mein Vater je sein könnte, egal was für furchtbare Tischmanieren er hatte oder wie schnell er das Essen in sich reinstopfte, anstatt es lieber zu genießen. So wie ich es tat und jeder andere Adelige.

„Puh, das war lecker!“, entspannt lehnte sich Ruffy zurück und strich über seinen Bauch, der aufgrund der Menge des Essens sehr aufgebläht war, als hätte man ihn mit Luft aufgepumpt. Die Teller stapelten sich vor ihm und es sah nicht wirklich so aus, als hätte das nur eine einzige Person gegessen.

Ich würde es nicht mal glauben, hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen.

„Bist du denn jetzt…fertig?“, ich wagte es kaum, dieses Wort auszusprechen, da ich das schon vor ungefähr zehn Minuten gefragt und er mich wohl nicht ganz gehört hatte.

„Ja, ich bin pappsatt!“

„Das freut mich! Du scheinst einen gesunden Appetit zu haben!“, leider fiel mir nichts Besseres ein, als so ein Standardsatz, obwohl ich eigentlich sehr gut darin bin mit jemanden Fremdes Smalltalk zu führen, aber Ruffy brachte mich irgendwie vollkommen aus dem Konzept, weswegen ich nicht wirklich wusste, wie ich auf diesen Piraten reagieren sollte, der sich manchmal wie ein Kind, als wie ein Mann aufführte.

„Sicher, man muss immer essen, da man nie weiß, wann der nächste Kampf ansteht!“, das klang wenigstens plausibel, obwohl ich bezweifelte, dass ein Kerl wie dieser Ruffy, wenn er wirklich so stark war, wie sein Kopfgeld sagte, hier keine allzu großen Probleme haben würde.

Der Kellner, der mit Ruffys Bestellungen etwas überfordert gewesen war, trat an unseren Tisch und fragte, ob wir noch irgendwelche Wünsche hätten.

„Nein danke! Ich hätte gern die Rechnung!“, ich bezweifelte, dass Ruffy seine immense Rechnung bezahlen konnte. Piraten prellten ja gerne die Rechnung, aber ich war so anständig, dass ich sie freiwillig bezahlte und ich besaß ja genug.

„Natürlich Miss!“, meinte der Kellner und verschwand wieder aus meiner Sicht, weswegen ich wieder zu Ruffy sah, der meinen Blick erwiderte, immer noch mit diesem Grinsen, das mich irgendwie erheiterte.

„Danke Natalie!“, sein Dank klang ehrlich, was mich dann doch etwas überraschte, obwohl er auf mich sehr aufrichtig wirkte und anscheinend nicht so tat, als würde er dieses kindische und leicht naive Verhalten spielen. Dieser Kerl war wirklich so!

„Gern geschehen!“, der Kellner kam wieder mit der Rechnung und ich bezahlte, als sich Ruffy einfach erhob.

Ich eilte ihm nach und kam auf die Straße zurück. Dort fand ich ihn, empfand aber, dass er sehr sprunghaft in seinen Handlungen war. Das war auch mal interessant, vor allem für einen eigentlich gefährlichen Piraten.

Er drehte sich zu mir um und er lächelte mich mit einer solchen Ehrlichkeit und Freude an, die ich noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Es wirkte so befreiend und dabei sah ich ihn nur an. Ich wurde richtig glücklich, wenn ich dieses freie und unbeschwerte Lachen sah.

„Was für einen Spaß kann man auf dieser Insel haben?“

„Na ja, eigentlich gibt es hier nicht sehr viel zu erleben!“, er wirkte enttäuscht, was ich nicht verstand, „Diese Insel ist eher für Geschäftsmänner interessant, als für Piraten!“

„Ich möchte einfach nur meinen Spaß haben! Du nicht?“

„Ganz und gar nicht! Ich habe gewisse Pflichten, die mein ganzes Leben in Anspruch nehmen. Ist das bei dir nicht so?“, diesmal legte ich meinen Kopf schief, da mir sein Verhalten so seltsam vorkam und es war für mich überhaupt so unlogisch.

Er war doch Pirat und der Käpt´n einer ganzen Crew obendrein. Da konnte er doch nicht einfach so seinen Spaß haben. Da konnte er doch nicht einfach so kindisch und naiv sein. Immerhin hatte er die Verantwortung für sein Schiff und seine Crew. Da konnte er nicht einfach tun und lassen was er wollte.

„Dein Vater will, dass du mit der Natalie Carrington-Elsworth anbandelst?“, ich erschrak als mein Name fiel und aus der Bar, die gegenüber dem Restaurant lag, nicht nur der Kerl kam, der meinen Namen ausgesprochen hatte, und ein anderer Mann sondern auch Adrien, „Ist sie wirklich so heiß, wie man sagt?“, ich fragte mich gar nicht, warum gerade Adrien in diesem Stadtteil war, da er nicht Gefahr lief hier irgendwie entführt zu werden, da er sich im Notfall wehren konnte. Was mich gerade störte war, dass er mich sehen konnte und dass ich mit einem gefährlichen Piraten rumging. Genau diese Tatsachen konnte er seinem Daddy stecken und dieser könnte das meinem Vater sagen und dass ich nicht die geeignete Frau war, könnte meinem Vater sogar unterstellen, dass ich das öfters tat und nicht mehr so unschuldig war, wie er es immer behauptete. Und wenn Adriens Vater das glaubte, würde er meinen ich wäre weniger wert und dadurch wäre die baldige Verlobung sehr gefährdet. Das würde meinen Vater erzürnen und das wollte ich noch weniger.

Ich wollte die perfekte Tochter sein um meinen Vater glücklich zu machen. Das war immerhin das Einzige was ich tun konnte.

Und genau deswegen zog ich Ruffy am Arm, weg von Adrien und seinen genauso adeligen Freunden, direkt in einen Teil der Straße, wo er mich nicht sehen konnte.

Das schien Ruffy ziemlich zu irritieren, weswegen er zu Adrien sah.

„Alles in Ordnung?“, fragte er mich, während ich mich eigentlich hinter ihm versteckte, damit mich Adrien nicht entdeckte.

„Nein, ich meine ja! Das ist nur jemand, den ich kenne und der mich hier nicht sehen darf. Wenn das nämlich tut, steckt er das meinem Vater und das wäre nicht gut.“, meinte ich schnell.

„Heiß ist sie auf jeden Fall!“, antwortete Adrien auf die Frage seines Freundes und grinste dabei leicht dreckig, „Aber eben typisch adeliges Mädchen! Wohlerzogen, prüde und langweilig bis zum geht nicht mehr!“, ich zuckte zusammen, als er das sagte und irgendwie war mir das peinlich, „Auf der Party hat sie nur Standardsätze von sich gegeben und mich mit Smalltalk gelangweilt, dass ich eigentlich gehen wollte. Aber mein Vater möchte, dass ich mich mit ihr beschäftige. Ihr Vater ist einflussreich und wenn ich es richtig anstelle, kriege nicht nur die Firma meines Vaters, sondern auch die ihres Vaters.“, ich sah wie er überlegen grinste und beobachtete die Gier in seinen Augen, „Natalie ist verdammt heiß, aber wahrscheinlich müsste ich mit dem Sex bis zur Ehe warten und danach würde der auch nur zur Fortpflanzung stattfinden. Vermutlich muss ich es wie mein Vater machen und mir ein paar Mätressen zulegen.“, ich wusste nicht warum, aber Tränen brannten in meinen Augen und ich krallte meine Finger in die Ärmel von Ruffy Hemd, starrte manisch auf die kreuzförmige Narbe auf seiner Brust.

Mir war klar, dass Adrien keinerlei Gefühle der Liebe für mich hegte und mich auch nur als Sprungbrett sah, damit er an die Firma meines Vaters rankam und so mehr Macht und Einfluss bekam. Außerdem wusste ich, dass ich ihn niemals lieben konnte, da er mich auf eine seltsame Art unheimlich und auch unsympathisch war.

Aber mit diesen verletzenden Worten hätte selbst ich nicht gerechnet, auch wenn ich diese Worte vielleicht nie hören sollte, was aber auch schon egal war.

Adrien lachte, was mich wütend machte, „Dieses kleine wohlerzogene Anziehpüppchen ist nichts weiter als nettes Accessoire für Partys und Geschäftsessen und das weiß sie. Sie würde sich niemals gegen mich auflehnen, weil sie ganz genau weiß, dass sie dann Ärger mit ihrem Daddy bekommt. Sie wurde so erzogen, dass sie sich niemals gegen eine höhere Autorität widersprechen würde.“, eine Träne rann über mein Gesicht, ich weinte, was schon seit Jahren nicht mehr passiert war und ich erschrak gleichzeitig, als ich sah wie sich Ruffys Hände zu Fäusten ballte.

Ich sah zu ihm hoch und weitete meine Augen!

Bis jetzt hatte ich ihn immer nur fröhlich und unbeschwert empfunden, aber jetzt sah er richtig wütend aus. So als hätte man ihn oder einen seiner Freunde beleidigt und nicht eine Wildfremde, die ihn nur zum Essen eingeladen hatte, die er nicht erst seit ein paar Stunden kannte.

„Ruffy?“, hauchte ich verwirrt, als er mich endlich ansah und wohl die Tränen bemerkte. Das schien ihn noch wütender zu machen! Auch das verstand ich nicht!

„Das heißt, da ist auch nicht mehr gelaufen, als ein Gespräch?“, fragte Adriens anderer Freund.

„Du kennst doch diese adeligen Püppchen! Nur Gelaber, nicht mal ein scheuer Kuss! Aber was soll ich machen, wenn ich zu weit gehe, rennt sie zu ihrem Daddy und ich darf mir dann was von meinem anhören.“, er hörte sich so an, als würde es ihn nerven oder langweilen.

„Wann siehst du sie wieder?“

Wieder lachte Adrien, „Sobald ich bei ihrem Vater um ein Date angefragt habe. Und da er unbedingt will, dass ich sie heirate, wird er nichts dagegen habe. Und deswegen würde sie auch nie etwas gegen mich sagen, dazu hat sie viel zu viel Angst vor ihrem Vater! Sie will doch das perfekte Töchterchen sein!“

Dann riss sich Ruffy von ihr los und drehte sich zu Adrien um, seine Fäuste zitterten und seine Schultern bebten vor Wut, was ich nicht verstand. Er war wütend und das konnte ich nicht verstehen, da er keinen Grund dafür hatte. Er kannte mich nicht und wir waren keine Freunde, sondern nur zwei Fremde, die sich gerade erst seit heute kannten.

Als Adrien wieder so ein unsympathisches und triumphierendes Lächeln von sich gab, stürmte Ruffy plötzlich nach vorne und ehe ich noch Adrien noch darauf reagieren konnten, schlug er ihn mit der Faust ins Gesicht, weswegen Adrien nach hinten stolperte und mit einem schmerzlichen Stöhnen auf dem harten Boden landete.

Erschrocken starrte ich zu dieser Szene und legte meine Hand auf meinen Mund.

Ruffy hatte Adrien wirklich geschlagen, ins Gesicht und so stark, dass er sein Kopf richtig nach hinten geschleudert wurde und er einen Schwall rotes Blut spuckte, als er zu Boden sank.

„Sag mal, geht’s dir noch gut?“, brüllte einer von Adriens Freunden Ruffy an und packte ihn am Kragen seines Hemdes, „Was hat er dir getan? Weißt du nicht, wer das ist?“, ich bezweifelte, dass Ruffy wusste wer Adrien war oder seine Familie, wenn er nicht mal wusste, wer ich war oder mein Vater. Außerdem hatte Ruffy schon mal einen Tenryuubito geschlagen, zumindest wenn die Zeitungen die Wahrheit schrieben. Wenn er selbst nicht vor den Weltaristokraten zurückschreckte, konnte ihm ein künftiger Lord wie Adrien Beckett so ziemlich egal sein.

Ruffy starrte zu Adrien, der ihn mit wütend funkelten Augen ansah und sich dabei mit dem Handrücken über seinen blutenden Mundwinkel fuhr.

„Das ist der Pirat Monkey D. Ruffy! Man sagt ihm ja nach, dass er etwas verrückt ist! Aber das ist ja untertrieben!“, meinte der andere Typ, als ich plötzlich merkte, dass Adrien mich anstarrte und wohl erst einige Sekunden später realisierte, wer da vor ihm stand.

„Natalie? Was…?“, ihn schien wohl eher zu überraschen, dass ich in diesem Stadtteil war, als das gerade ein Pirat auf ihn eingeprügelt hatte, was ich immer noch nicht verstand.

„Hat er sie etwa entführt?“, ich sah zu seinem Freund, der Ruffy zuvor am Kragen gepackt hatte und endlich von ihm abließ, „Zuerst schlägt er einen Tenryuubito und jetzt entführt er eine hohe Adelige?“, ich hätte über seine Bemerkung gelacht, wäre die Situation nicht gerade so verdammt ernst. Aber der Gedanke, man könnte mich entführt haben, aus diesem großen Haus, war so verdammt lächerlich, dass ich mir das Lächeln nur schwer verkneifen konnte.

„Bleib da stehen Natalie! Wir werden die Marine holen! Dann bringe ich dich zurück nach Hause! Dein Vater muss ja krank vor Sorge sein!“, Adriens Stimme war plötzlich sanft, als er sich langsam erhob und es wirkte beinahe ehrlich, wenn ich nicht seine Worte von vorhin im Hinterkopf hatte und er die letzten beiden Sätze wohl von sich gab um bei meinem Vater noch mehr Eindruck zu schinden. Wenn er mich heil aus so einer Situation zurückbrachte, würde das meinen Vater dermaßen beeindrucken, dass er schon jetzt die Verlobung bekannt geben würde.

Und je mehr ich über diesen Gedanken nachdachte, desto mehr wollte ich mich dagegen wehren. Ich wollte frei sein! So wie Ruffy es anscheinend war! Dieser Gedanke formte sich in meinem Kopf, seit ich Zeit mit diesem Piraten verbrachte, der mehr Facetten zu haben schien, als ich zuvor gedacht hatte.

Deswegen überraschte mich seine nächste Tat genauso, als er wieder grinsend auf mich zukam und mich einfach über seine Schulter warf und losrannte.

Ich keuchte erschrocken auf, als sich seine Schulter in meinen Magen grub, seine Arm sich um meine Kniekehlen legte und ich mich instinktiv mit den Fingern in den Stoff seines Hemds krallte.

„Bleib stehen, du elender Pirat und lass sie runter!“, schrie Adrien uns nach, holte uns aber nicht ein, da Ruffy wirklich schnell war.

„Wo…wo willst du hin, Ruffy?“, schlimm genug, dass Adrien mich gesehen hatte oder dass Ruffy ihm unbedingt eine reinhauen musste, aber jetzt lief er auch noch weg und bestätigte damit nur Adriens Vermutung, dass man mich hier gerade entführte. Selbst wenn ich somit eigentlich aus dem Schneider war, da jetzt niemand glauben würde, dass ich absichtlich hier war.

Er antwortete mir nicht, sondern rannte einfach weiter, sprang sogar wieder auf ein Dach um wohl vor Adrien wegzukommen. Mir war immer noch nicht klar, warum er so wütend reagiert hatte. Immerhin kannte er weder mich, noch wusste er, wie nah Adrien an der Wahrheit dran war.

Ich war wohlerzogen und würde mich niemals gegen meinen Vater stellen, da ich zwar nicht feige war, aber es nicht anders kannte. Wahrscheinlich war ich langweilig und auch prüde und ich wurde so erzogen, niemals zu weit zu gehen.

Ruffy landete im Wald und ließ sich auf den Boden.

„Was…was sollte das vorhin?“, fragte ich etwas verwirrt und sah zu ihm hoch um vielleicht herauszufinden, was er gerade dachte.

Der Pirat grinste wieder und nichts mehr war von seiner vorherigen Wut zu sehen. So als wäre er nie sauer gewesen, weil ein Kerl, den er nicht mal kannte, jemanden beleidigt hatte, den er auch nicht mal kannte.

„Ich glaube dein Vater wäre nicht begeistert, wenn er wüsste, dass du in diesen Stadtteil gekommen bist. Jetzt glaubt zumindest jeder, dass ich dich entführt hätte.“, okay, das überraschte mich jetzt, da ich ihn nicht so eingeschätzt hatte, so einfühlsam zu sein. Vor allem hatte ich ihm nie etwas Derartiges gesagt, weswegen er das wohl nur daher abgeleitet hat, was Adrien über mich gesagt hatte.

„Aber das könnte Schwierigkeiten für dich bedeuten!“

Er lachte leicht, „Ich bin Pirat und werde so oder so gesucht, deswegen ist es egal, ob jetzt auch noch Entführung dazu kommt!“

„Wieso warst du wütend?“

„Freunde machen das doch, oder?“, okay, jetzt war ich wirklich überrascht.

„Freunde?“, ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dass er mich als Freund sah, da wir uns nicht mal kannte. Da war es egal, dass ich seine Anwesenheit als sehr angenehm empfand, da er mich nicht als das sah, was ich war und was ich für die Öffentlichkeit war. Aber für ihn war ich einfach nur eine junge Frau, die ihm zufällig auf der Straße begegnet war und ihn zum Essen eingeladen hatte. Er bezeichnete mich als Freund!

„Ja, wir sind Freunde!“, grinste er, „Und als Freund sage ich dir, du solltest dir das nicht gefallen lassen, weil es dein Leben ist. Niemand anderes muss es leben, nur du allein!“, als sich seine Hände auf meine Schultern legte und ich seinen Blick erwiderte, rannen mir Tränen über die Wangen.

Ich wusste nicht warum ich weinte, vor allem da diese Ansage nicht mal was Neues war. Mir war klar, dass es mein Leben war und ich es leben musste, aber ich kannte es nun mal nicht anders und wurde anders erzogen. Es wurde in mein Gedächtnis gebrannt, dass ich niemals widersprechen durfte und niemals eigene Entscheidungen treffen durfte, weil es nun mal nicht meine Aufgabe war. Ich war schlichtweg nur ein hübsches Accessoire und es war egal wie klug ich war und wie viel Wissen ich mir angeeignet hatte, es würde sowieso nicht zählen und mein Vater würde dieses Wissen niemals anerkennen oder gar mir seine Firma geben. Ich war doch nur eine junge Frau, die ganz nett anzusehen war und die man in hübsche Kleider stecken konnte.

„Ich wünsche mir frei zu sein! Aber bis heute habe ich mich nicht mal getraut diesen Wunsch zu denken!“, schluchzte ich und weinte zum ersten Mal, seit dem Tod meiner Mutter, der schon so viele Jahre zurück lag, aber immer noch Wunden aufriss.

„Ich möchte der König der Piraten werden!“, und das sagte er so einfach frei heraus, „Und das ist für mich die größte Freiheit!“, grinste er auf eine Art, die mich dermaßen glücklich und zufrieden machte, dass ich mich fragte, was dieser Kerl an sich hatte, weswegen ich mich so wohl in seiner Nähe fühlte und mich nicht wie diese Adelige fühlte, die ich war, sondern wie ein normaler Mensch, der auch Träume und Wünsche hatte. Er behandelte mich so und betrachtete mich als Freund.

„Warum tust du das? Warum bezeichnest du mich als Freund?“

Wieder dieses unglaublich fröhliche, sympathische, aufrichtige und breite Lächeln, weswegen ich auch etwas lächeln musste, „Weil wir einfach Freunde sind!“

Er sagte das so, als wäre das was völlig selbstverständliches und er ahnte nicht mal, wie viel mir das bedeutete, da ich es war, die nur diese falschen Freunde hatte, die eher an meinem Status interessiert waren, als an echter Freundschaft. Durch mich kamen diese ganzen `Freunde´ ins Gespräch, durch mich wurden sie bekannt und konnten auf diverse Partys gehen. Wir sprachen nur über Belanges, niemals über ernsthafte Themen oder gar über unsere Gefühle, Wünsche oder Hoffnungen. Nur immer über das was Frauen eben sprachen, wenn sie keine andere Themen hatten, eben weil sie nichts übereinander wussten, als gerade mal den Vornamen, welcher Kleidungstyp man war und welche Farbe einem besonders gut stand.

Aber das waren keine echten Freunde!

Echte Freunde waren etwas anderes, vor allem da ich so etwas nicht mal kannte.

„Kann ich denn frei sein?“, hauchte ich.

„Natürlich, aber nur wenn du es wirklich willst und wenn du darum kämpfst!“

„Ich will diesen Kerl nicht heiraten, weil ich ihn nicht mal mag. Und er hat mich als langweilig bezeichnet und dabei bin ich sogar klüger als er.“

„Was willst du dann?“, das war wohl die entscheidende Frage, die ich mir unbewusst wohl seit Monaten, nein, Jahren stellte und endlich sprach sie jemand aus.

„Ich weiß es nicht, noch nicht! Aber vor allem will ich frei sein und irgendwann weiß ich, was ich will. Dann werde ich frei sein!“, keine Ahnung woher plötzlich dieser Mut kam, aber Ruffy brachte mich dazu nicht nur mutig sondern auch zuversichtlich zu sein, was meine Zukunft betraf.

„Und wenn es soweit ist, sehen wir uns wieder! Immerhin sind wir Freunde!“, er löste seinen Griff von meinen Schultern und hielt mit seine Hand hin, damit ich wohl einschlagen konnte.

Einen Moment starrte ich seine mir angebotene Hand an, ehe ich ihn ansah und lächelte.

„Ja, wir sind Freunde!“, ich schlug ein und erwiderte seinen verstärkten Griff, betrachtete sein Grinsen, weswegen ich sicherlich auch dämlich grinste, was ich früher nie getan hätte.

Früher hätte ich viele Dinge nicht getan, wie einfach so in den Stadtteil zu gehen, den ich eigentlich nie betreten durfte oder mit einem Piraten Zeit zu verbringen um dann Wünsche zu äußern, die ich niemals haben dürfte.

Aber früher war gestern und heute begann sozusagen mein neues Leben!

„Komm hierher zurück, wenn du König der Piraten bist! Dann habe ich auch mein Ziel erreicht!“, sagte ich sehr zuverlässig und mit einem Selbstbewusstsein in der Stimme, die meinem Vater Ehre gemacht hätte. Aber diesmal rebellierte ich mehr als denn je gegen ihn und er würde diese Rebellion bald zu spüren bekommen.

„Versprochen!“, Ruffy schien sich sicher zu sein, was vor allem seinen Traum betraf und er wusste auch, dass ich meinen Traum verwirklichen konnte. Wahrscheinlich deswegen so zuversichtlich.

Er machte mir Mut! Und dabei war nur ein einziger Tag vergangen.

Etwas, was nicht mal mein Vater in seinem ganzen Leben geschafft hatte!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich muss zugeben, dass das Ende nicht ganz so zufriedenstellend ist, aber umschreiben kann ich ihn ja immer noch. Deswegen warte ich erst die Reaktionen hab. Komplett anzeigen

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