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Cross Brothers

Blutsbande
von

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Kapitel 2

Kapitel 2
 

„Ich fürchte den Tod.“
 

Jäger verfolgten im Grunde nur ein Ziel: Das Ausmerzen allen übernatürlichen Lebens.

Sie nannten sich selbst Jäger, da sie genau dies taten: Sie jagten. Schon vor der Dämmerung, dem verheerenden Krieg zwischen Mensch und Kreatur, spürten Jäger Wesen wie Vampire auf und töteten sie. Während des Kriegs wurden die Jäger zu unentbehrlichen Anführern und Experten im Umgang mit all den Wesen, die plötzlich die Menschheit angriffen. Sie wurden gefeiert, verehrt bis zum Waffenstillstand. Plötzlich gab es Gebiete und Tageszeiten, zu denen die Jäger nicht mehr das tun durften, was sie bis dato immer taten: Jagen. Dafür boomte ein gänzlich neues Geschäft. Es schien, das die Menschen die Wesen um ihre Fähigkeiten beneideten und so manche ‚Institution‘ zahlte hohe Beträge für lebende Wesen. So kam es, das die Menschen immer mehr lernten, von den Kreaturen die ihnen einst als fantastisch erschienen waren. Legenden wurden widerlegt oder bestätigt, wie die Geschichte des blutsaugenden Vampirs. Ganz gleich was ein Vampir konnte oder nicht konnte, ohne die Zufuhr von Blut, wurde auch er schwach.
 

Ein gefährlicher Umstand, wenn der Vampir das nicht selbst einschätzen konnte, so wie Sonny. Nachdem Essen hatte ihn David zurück nach London gefahren und inmitten der Stadt ausgesetzt. Schon den ganzen Tag über hatte er sich etwas matt gefühlt, doch er glaubte lange, das es einfach an den Aufregungen des Morgens und der letzten Nacht gelegen hatte. Doch er musste sich eingestehen, dass seine Energietanks einfach leer waren. Es war helllichter Tag und er konnte wohl kaum einfach so einen Menschen überfallen, schließlich gab es hier Regeln. Sonny wankte leicht beim Laufen. Da gab es noch ein weiteres Problem. Seit sie der Villa den Rücken gekehrt hatten, waren ihnen Jäger gefolgt. Er hatte sie im Memorial District das erste Mal bemerkt. Es war das Mädchen und weiter abseits noch zwei Männer. Bisher konnte er sie nicht abschütteln und auch jetzt in Hollow spürte er ihre Nähe. Was tun?

Tagsüber durften die Menschen Jagd auf seinesgleichen machen. Wenn er also nun wegen Blutmangel schwach wurde, dann konnten sie mit ihm anstellen was ihnen beliebte. Sonny blies Luft zwischen seinen Lippen aus. Auch jetzt waren sie noch hinter ihm, das Mädchen war am nächsten.

Sein Bewusstsein wurde etwas vernebelt. Wenn er nicht bald einen Tropfen zu sich nahm, dann würde die Bestie in ihm erwachen. Vampire die kein Blut tranken wandelten sich über kurz oder lang in wilde Bestien, die über Menschen herfielen sie brutal niederschlachteten nur um einen Schluck des Lebenssaftes zu bekommen. Sonny fühlte wie sich Nebelschleier auf seinem Bewusstsein legten und seine Sinne sich schärften, schärften für die Jagd. Er nahm die Menschen nicht mehr als Menschen wahr sondern als schleierartige Wesen, die von einem blutroten Pulsieren erfüllt waren.

Sonny bog in eine kleine Seitengasse und atmete mehrmals tief ein und aus, doch es half nichts. Seine Knie gaben nach und er brach auf dem Asphalt zusammen.
 

„Hab ich dich.“ murmelte sie und band ihre langen braunen Haare zu einem Zopf zusammen. Die Verfolgung vom District bis hierher war nicht einfach gewesen, doch das Glück war auf ihrer Seite. In den letzten Stunden sah er immer kränker aus und nun war er in der Gasse vor ihr zusammengebrochen.

Sie zückte einen Kabelbinder und schob einen Müllcontainer vor, sodass die Gasse nicht von

Passanten eingesehen werden konnte.

Ihr fiel sein ungewöhnlicher Kleidungsstil abermals auf. Ein Cowboyhut verdeckte sein

Gesicht und er trug einen braunen Mantel mit schnörkeligen Verzierungen am Ärmel. An

seinen spitzen Stiefeln blinkten silberne Sporen.

„Feinstes Silber.“ stellte sie mit einem prüfenden Blick fest.

Dann packte sie den großen Typen an den Schultern und richtete ihn soweit auf, das sie ihn

gegen die Wand lehnen konnte. Seine Beine zerrte sie gerade, damit er nicht direkt wieder

um fiel.

Die werden Augen machen, dachte sie bei sich und schnappte sich einen Arm, dabei kippte

der schlaffe Körper und fiel auf sie. Der Kopf des Typen lag an ihrem Hals, doch so ging es

irgendwie! Sie stemmte sich auf ihre Knie und schnappte den zweiten Arm.
 

Stille lastete schwer auf seinem Gemüt. Sein Bewusstsein schwamm in einem dunklen Meer, der absoluten Stille und Finsternis. Er ließ sich einfach treiben. Doch irgendwas zerrte an ihm, an seinem Bewusstsein. Er hörte sich selbst, eine Stimme panisch und drängend, das er aufwachen möge. Doch er wollte nicht, sich treiben zu lassen war wesentlich angenehmer. Da wurde sein Bewusstsein plötzlich überschattet. Er roch es, er spürte es, er hörte es.

Jemand zerrte an seinem Körper, seinen Armen und sein Kopf lag an jemandem. Er roch Leder, Schweiß und etwas blumiges. Er sog den Geruch tief in sich ein als ein regelmäßiges Pochen ihn er füllte. Ein Herzschlag, begleitet von einem Rauschen. Ein Beben.

Die Kreatur in ihm reckte sich.

Ein weiterer Schlag.

Er sah das rote Blut vor sich, ein heißes Glühen, das Leben!

Noch ein Schlag.

Seiner Kehle entrann ein gieriges Knurren.

Schlag.

Das Wesen, das ihn hielt erstarrte, es schien abzuwägen, ob es sich das Knurren nur eingebildet hatte.

Schlag.

Er bleckte die Fänge, fühlte die weiche Haut an seinen Lippen seiner Nase.

Schlag.

Blitzschnell packten seine Hände den Haarschopf des Wesens und er versengte seine Zähne in den zarten Hals.

Warmes Blut erfüllte seine Mundhöhle, gierig schluckte er es runter. Die Kreatur schrie nach mehr und mehr. Er wollte es in sich aufnehmen, erfüllt werden von diesem süßen Geschmack.

Doch je mehr er trank, umso mehr wurde an seinem Bewusstsein gezerrt. Kraft erfüllte ihn gänzlich und er kehrte aus dem tiefen dunklen Meer zurück.

Das Denken setzte ein, was tat er hier.

Ein schwaches Pochen, immer langsamer, immer leiser.

Sonny riss die Augen auf und zog seine Fänge aus dem Hals. Das Mädchen von der Villa!

Entsetzt stellte er fest, das ihr Körper schlaf in seinem Arm lag, während die andere Hand, sie an den Haaren hielt. Sie hatte das Bewusstsein verloren.

„Scheiße!“ fluchte er laut und legte sie behutsam auf den Boden. Er fuhr mit einem Finger über die Biss Male und ein bläulicher Schimmer funkelte auf ihrer Haut. Die Male schlossen sich sofort.

Eine Jägerin am helllichten Tag völlig blutleer zu saugen! Was würd Vald dazu sagen? Er würde ihn umbringen.

„Ganz ruhig, immer langsam.“ Ermahnte er sich selbst und lauschte genauer. Er spürte sie. Ihr Herz schlug regelmäßig und beständig. Soviel hatte er vielleicht noch nicht von ihr genommen. Vielleicht war sie nur aufgrund des Schocks ohnmächtig?

Er sah sich um und fand einen Karton. Diesen zog er heran und legte ihre Füße darauf. Da fiel etwas Weißes von seinen Händen. Verwundert bückte er sich danach und musterte es.

„Ein Kabelbinder?“ wisperte er fassungslos und sah das Mädchen an, „Ein Kabelbinder? Da ist ein Pfahl ja wenigstens noch ein Hauch dramatischer und effektiver!“

Ihre Augenlider zitterten und ihre roten Lippen hauchten ein 'Nein'

„Zu spät.“ kommentierte Sonny und schloss für einen Moment seine Augen. Er hatte fast schon vergessen was für ein erregendes Gefühl es war. Er hörte das Rauschen seines Blutes und fühlte wie sein Herz den roten Saft in seinen Körper pumpte. Mit jedem Herzschlag spürte er seine Kraft, seine Möglichkeiten. Schlag um Schlag. Als sei er wieder am Leben. Als sei es wie früher.

Genüsslich hielt er die Augen geschlossen, winkelte ein Bein an und lehnte sich an die Wand an seinem Rücken. Er wollte es noch etwas genießen.
 

Langsam kehrte ihr Bewusstsein zurück und mit ihr unbändige Angst. Der Blutsauger war über sie hergefallen. Wie erbärmlich! Sie hatte sich nicht verteidigen können, hatte ihn unterschätzt und somit sich selbst in Gefahr gebracht. Sie konnte nur hoffen das er sie für tot hielt und verschwunden war.

Sie realisierte das sie auf dem Boden lag und etwas war mit ihren Beinen, sie lagen höher, als der Rest ihres Körpers.

Vorsichtig drehte sie ihren Kopf was ihren Schwindel für einen Augenblick verstärkte und sie Sterne vor ihren Augen sah.

Bleib wach, ermahnte sie sich gedanklich und ließ ihre Augen über den Boden wandern, bis ihr Blick silberne Sporen streifte, die an staubigen Boots blinkten.

Er war noch da, direkt vor ihr, saß er an der Wand. Sie nahm sich einen Moment, um ihn genauer zu betrachten.

Er hatte ungewöhnlich schöne Gesichtszüge und blondes, fast schon goldenes Haar. Es war nicht lang, aber auch nicht kurz und stand in alle Himmelsrichtungen ab. An seinem Mundwinkel hing noch ein Tropfen Blut, welcher langsam herab rann.

Wie konnte ihr nur sein wahres Wesen entgehen, welches sie in jener Sekunde bis ins Mark erschütterte. Es mochte daran liegen, das er sich an ihrem Blut gelabt hatte und bekannterweise, war das der Red Bull für Vampire.

Ihre Augen suchten die seinen, die geschlossen waren, bis er sie aufschlug und sie direkt ansah. Sie sah das seine Iris spitz verlief und aus hellem Grün empor stach.

Der Blick raubte ihr den Atem. Bilder kamen ihr in den Sinn, Bilder ihrer Vergangenheit. Wie sie niedere Kreaturen im Memorial District jagte.

„Du bist wach.“ raunte er mit dunkler Stimme, die an ihrem Verstand zerrte. Sie antwortete nicht sondern blickte weiterhin fasziniert in das Jade hinein.

Besinne dich, ermahnte sie sich selbst und atmete tief ein und aus. Er war kein einfacher Blutsauger. Seine Ausstrahlung lähmte sie. Bedenke deine Schritte. Ihre Situation war verfahren, sie musste ihre Karten geschickt ausspielen.

„Die Frage ist, was hast du jetzt vor?“ entgegnete sie ruhig obwohl es in ihrem Inneren tobte. Neben der Faszination für dieses gefährliche Geschöpf machte sich unbändige Panik in ihr breit. Was erwartete sie nun? Der Tod? Schließlich konnte sie sich kaum regen. Gefesselt an den dreckigen Asphalt, durch den hohen Blutverlust. Ihr Hals pochte und fühlte sich heiß an. Unwillkürlich strich sie mit einem Finger über die Stelle, an welcher er ihr Fleisch durchschlagen hatte, doch dort war nichts außer glatte Haut.

„Ich habe es heile gemacht.“ murmelte der Vampir.

„Heile gemacht...“ wiederholte sie monoton. Vampire besaßen Kräfte. „Es klingt, als hättest du ein Spielzeug zerbrochen.“ sagte sie und befühlte die glatte Haut an ihrem Hals, die immer noch brannte doch rein äußerlich nicht verletzt schien.

„Lenk nicht ab, dummes Mädchen. Beantworte mir meine Frage!“ befahl er und klang nun sehr gereizt. Er sprang auf und packte sie am Kragen ihrer Lederjacke. Daran zog er sie in eine sitzende Position und funkelte sie an.

Sie wollte nicht antworten, wollte sich nichts von der Angst in ihr anmerken lassen.

„Ich wollte den Kerl neben dem Polizisten überprüfen. Er war mir aufgefallen.“ antwortete sie und schlug sich erschrocken mit der Hand auf den Mund.

Der Blonde lächelte. Seine Fangzähne blitzen weiß und gefährlich, seine Augen funkelten vergnügt.

„Warum so schüchtern, dummes Mädchen? Versuch nicht mich zu täuschen, ich rieche deine Angst, kann hören wie dein Herz schlägt und ich sehe in deinen Augen die blanke Panik.“ Er ließ sie los und stand auf. Mit einem Griff in seine Tasche hatte er eine zerknitterte Schachtel Zigaretten gezückt. „Du weißt wenig über Vampire?“ fragte er, zog eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie sich mit einem schwarzen Feuerzeug, das er ebenfalls aus der Schachtel angelte, an.

„Es ist unmöglich genug über sie zu wissen.“ murmelte sie und schloss für einen Moment die Augen. Sie kämpfte mit der Angst und versuchte nicht die Beherrschung zu verlieren. Und sie hatte allen Grund dazu. Abgesehen von ihrer unbedachten Tat, saß sie einem Vampir zu Füßen, der gerade Blut getrunken hatte und so stark und mächtig war, das vermutlich keine hundert Jäger ihn aufhalten könnten. Sie war eine junge Frau, allein in dieser Gasse und unerfahren in der Jagd nach Vampiren. Doch sie erinnerte sich sehr deutlich an die Erzählungen der anderen Jäger. Ein jeder Blutsauger unterschied sich von dem anderen, genau wie die Menschen. Neben den ausgefeilten Techniken für die Jagd auf Menschen, besaßen sie meist übernatürliche Fähigkeiten. Ein jeder andere und ein jeder in anderer Intensität.

Die Jäger erzählten auch von der Macht der Stimme. Vampire besäßen die Fähigkeit, einen Menschen mit ihrer Stimme zu beeinflussen. Sie konnte sich nie vorstellen, wovon diese Revolverhelden da sprachen, bis jetzt der Blonde zu ihr sprach und jedes seiner Worte in ihr wiederhallte und irgendwas mit ihr anstellte.

„Dann ist dir jetzt sicher klar geworden, das du fast gestorben wärst?“ fragte der Blonde und klang zunehmend gereizter.

Sie dachte schweige lieber und antwortete: „Ja.“

Sie blickte ihn erschrocken an und seine Augen verengten sich.

„Du fürchtest was mit dir geschieht?“ wisperte er fast und sie nickte zustimmend, in diesem Augenblick freiwillig. „Ich trank dein Blut. Du bist mir eine Zeit lang unterworfen.“

Der Blonde zog an seiner Zigarette und bückte sich nach seinem Hut.

„Was dachtest du....“ er hob ihn langsam auf und klopfte den Dreck ab. „... was du da eigentlich tust?“

Ihre Augen weiteten sich und ein eiskalter Schauer jagte durch ihren Körper. Ihr wurde kalt, so fürchterlich kalt, seine Worte bohrten sich wie kleine Messer in ihren Leib und ihre Arme zitterten heftig, sodass sie sich selbst umklammerte.

„Hast du geglaubt, es wäre eine Trophäe mehr, in der Villa deiner Gilde? Ihr verdammten Jäger, haltet euch für die Götter dieser Welt! Ist es nicht so?“

Ängstlich blickte sie auf den Boden und biss sich auf die Lippen. Sie spürte wie das Etwas, über das sie die Kontrolle verloren hatte ein lautes 'Ja' brüllen wollte. Spürte wie der Vampir in ihr war, sie zwang, das zu sagen was er hören wollte.

„SIEH MICH AN!“ befahl er und sie blickte auf, in dieses Jade, durch welches ein rötlicher Schimmer lief. „IST ES NICHT SO?“

„Was willst du von mir hören?“ wisperte sie und rieb mit den Händen über ihre kalten Oberarme.

„ICH WEISS NICHT, VIELLEICHT DAS ES DIR LEID TUT? DAS ES EINE BESCHEUERTE IDEE WAR ODER DAS DU EINFACH NICHT WUSSTEST WAS DU DA TATEST? SAG ES MIR! SAG MIR, HÄTTE ICH DICH TÖTEN SOLLEN? GLAUBST DAS ICH DAS IMMER SO MACHE, WEIL ICH KEIN MENSCH BIN? SAG SCHON!“ donnerte er und Tränen stiegen in ihr auf. Ihr Blick verschwamm und sie fühlte sich fürchterlich erniedrigt. Ihre Ehre als Jäger war binnen Sekunden zu Staub zerfallen.
 

„Heulst du etwa? Ich hätte allen Grund zu heulen, über soviel Dummheit!“ knurrte Sonny und blickte auf das bibbernde Mädchen hinab. Kochend vor Wut entzündete er seine Zigarette ein zweites Mal, die während seines Brüllers erloschen war.

Ein Jäger war es, der ihn in Schwierigkeiten gebracht hatte, kaum das er in Hollow angelangt war und nun versauerte dieser in irgendeinem Krankenhaus, weil er seinen Verstand verloren hatte. Eine Jägerin war es, die beinah in seinen Händen gestorben wäre und dem Waffenstillstand zwischen ihm und seinem Bruder ein jähes Ende bereitet hätte.

„Ich heule nicht.“

Sonny stutzte. Er ging in die Hocke und versuchte das Gesicht des Mädchens zu sehen, welche weiterhin stur auf den Asphalt blickte.

„Was sagtest du, dummes Mädchen?“ fragte er und blies ihr den Rauch ins Gesicht. Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen, in welchen zwar Tränen schwammen, doch der Blick war entschlossen.

„Ich sagte, ich heule nicht. Hast du Schwierigkeiten mich zu verstehen?“ fügte sie spöttisch hinzu.

Sonny musterte sie scharf, ihre hellbraunen Augen die unter Strähnen ihrer halb zusammengebundenen dunklen Haarpracht finster zu ihm aufblickten. Ihre Gesichtsfarbe war blass, vermutlich sein Verdienst. Er spürte zudem ihren geistigen Widerstand. Sie verwehrte ihn und schluckte die Antworten die er von ihr ab zwang wieder herunter. Er hatte nicht damit gerechnet so ein starkes Mädchen vor sich zu haben. Doch so jung....

Sie war Jägerin einer Gilde und für gewöhnlich nahmen Gilden nur sehr erfahrene Jäger bei sich auf. Junge Mädchen oder übereifrige Männer die ihren ersten Bartwuchs bekamen, wurden von Gilden nicht aufgenommen.

Während die meisten Jäger einfach irgendeine Kreatur jagten, waren Gilden organisierte Armeen, deren Ziele die Befreiung ganzer Städte oder Landstriche waren.

Ein solcher Jäger war ein Soldat, ein erfahrener Krieger der einem schnell gefährlich werden konnte, wenn man unachtsam war.

„Du hast Glück....“ murmelte Sonny und legte eine Hand an ihr Kinn um ihr noch besser in die zornigen Augen blicken zu können. „Du faszinierst mich, darum überhöre ich deine Beleidigung.“

„Dann tötest du mich nicht? Deine Gnade ist eine Beleidigung!“ zischte sie verächtlich und Sonny grinste.

„Ihr Jäger.“ murmelte er und stand auf. „Wie fühlst du dich?“

„Was kümmert es dich?!“

„Sage mir wie du dich fühlst.“ raunte Sonny sanft und er wusste das diese Stimmlage ihre Verteidigung durchbrechen müsste.

„Schlapp und zittrig.“ antwortete das Mädchen und ihre Augen glühten nun vor Zorn.

„Ich kann mir nicht helfen, obwohl du Schuld hast, fühle ich mich schlecht. Ich kann dich nicht hier liegen lassen. Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Du musst bei mir bleiben, bis es dir besser geht.“

„Du redest zu viel, Vampir!“ zischte das Mädchen und Sonny streckte ihr seine rechte Hand entgegen.

Sie sah verwundert auf die Hand.

„Mein Name ist Sonny. Schlag ein.“

Ihre Augen huschten über sein Gesicht zurück zu der dargebotenen Hand.

Scheinbar wägte sie ihre Möglichkeiten ab, denn ein Blick wanderte zum Container der den Fluchtweg aus der Gasse versperrte.

Obwohl er wirklich mächtig war, insbesondere nach seiner Stärkung, konnte er spüren wie sie sich ihm verweigerte. Sie kämpfte innerlich gegen ihn an und er musste sich konzentrieren um seine Macht über sie aufrecht zu erhalten. Das war höchst erstaunlich!

„Wenn ich dich töten wollte-“ begann Sonny sanft doch sie unterbrach ihn unwirsch.

„-hättest du es längst getan!“ sie schlug in seine Hand ein und stemmte sich langsam hoch. „Sag Zane zu mir.“
 

In seinem Glauben, stets zu wissen wie der nächste Schritt aussieht und allem vor raus zu sein, war er tief erschüttert. Seitdem er seinen Bruder auf der Tower Bridge stehen ließ, waren viele Stunden vergangen. Es ging ihm nicht gut, er musste etwas trinken. Er könnte einfach trinken.

Nachdenklich schwang er das Glas in seiner Hand und die dunkelrote Flüssigkeit darin schwappte zähflüssig hin und her. Doch es war nicht dasselbe. Was in diesem Glas vortäuschte das zu sein, was er brauchte, verbreitete einen chemisch beißenden Geruch. Die Lady hinter der Theke, an der er saß und skeptische Blicke auf das Glas warf, lächelte.

Natürlich fand er sie schnell. Die Vampire Hollows. Sie waren der Grund weshalb er überhaupt auf die Inseln gekommen war. Sie wurden von einer Lady angeführt, der er einige Fragen stellen wollte. Und nun saß er ihr gegenüber. Sie war so schön wie sie ihm beschrieben wurde. Ihre Haut war blass und das lange glatte schwarze Haar ging bis zu ihrem wohlgeformten Hintern. Unter ihren großen blauen Augen hatte sie auf der linken Seite einen Schöhnheitsfleck.

„Das ist der Fortschritt.“ säuselte sie und lächelte.

„Der Fortschritt riecht nach faulen Eiern.“

„Das ist fast schon eine Metapher.“

Vald stutzte. Er wollte das kommentieren, doch er war zu erschöpft dafür. Er warf einen weiteren Blick auf die Flüssigkeit und trank es dann in einem Zug.

Der eigenartige Geschmack ließ ihn das Gesicht verziehen.

„Es ist gewöhnungsbedürftig.“

„Es ist widerlich. Dennoch schulde ich dir Dank.... Ich habe einige Fragen an dich.“

Sie sah ihn aus ihren großen Augen fragend an.

Vald wägte ab, was er als nächstes sagen würde. Sie war das Oberhaupt dieser Gruppe in Hollow, doch sie war bei weitem nicht so alt und stark wie er. Dennoch war sie der Schlüssel. Ihr Name wurde genauso ehrfürchtig ausgesprochen wie seiner, aufgrund ihrer früheren Begleitung.

„Vern.... Ich muss wissen-“

„Schon gut.“ sagte Vern und legte einen Finger auf seine Lippen. „Man hört so einiges. Ich wusste das du kommen würdest. Ja, ich war tatsächlich mit ihr eine lange Zeit unterwegs. Bis sie mir zu abgedreht wurde. Ich fürchte jeden Tag, das sie durch diese Tür kommt und mir alles nimmt.“ Vern blickte zur massiven Holztür ihrer Bar. Vald folgte ihrem Blick. Ihm fiel auf, das die Tür mit Silber verstärkt war. Das konnte weder ihn noch sie aufhalten.

„Dann....“ er sah wieder zu Vern und schob das Glas mit dem künstlichen Blut weit weg. „... hast du keine Idee wo sie sich gerade aufhält?“

„Keiner weiß wo Elizabeth als nächstes hin geht. Ich dachte du wüsstest das....“

„Wäre ich hier wenn ich es wüsste?“ knurrte Vald. Ihn nervten diese jungen Blutsauger. Als er die Bar betreten hatte, wollte ein junger Rothaariger Kerl ihm den Zutritt verwehren. Er hatte seine tätowierten Arme schützend ausgebreitet und lange Reden geschwungen, warum er, Vald, nicht würdig wäre, dem Meister zu begegnen. Doch anstatt sich davon aufhalten zu lassen, hatte Vald ihn an seinen Piercings im Ohr gepackt und beiseite geschleudert.

Er lag noch immer auf der Couch neben der Tür und rieb sein Ohr, während er wütende Blicke zu ihm rüber warf. Vald funkelte zurück ehe er wieder Vern ansah.

„Dann erzähl mir einfach etwas über die Zeit bei ihr.“ verlangte er.

Vern war seinem Blick gefolgt. „Es tut mir Leid das Jassie sich so unhöflich benommen hat. Er ist meine rechte Hand, mein Schüler. Er weiß noch nichts von den Regeln unter uns.“ erklärte sie entschuldigend und holte einen Whisky unter der Theke hervor. „Es ist aber auch lange her, das ich den Regeln unterworfen war.“

Sie nahm ein Glas und schenkte einen Doppelten ein, den sie Vald vor die Nase schob. „Das Alter eines Gleichen, ist das Maß an Respekt und Ehrerbietung.“

„Das Leben ist heilig.“ murmelte Vald und nahm den Whisky dankbar an. Das würde den ekelhaften Geschmack des Fortschritts weg spülen. Die alten Regeln zu zitieren verlieh diesem Gespräch einen Hauch von Mystik, was ihm sehr gefiel.

„Anfangs hielt ich sie für eine Revolutionärin. Sie hatte Pläne, große Pläne und vor allem hatte sie Talent. Sie wusste wie sie andere für sich gewinnen konnte. Doch irgendwann redete sie nur noch davon Rache zu üben.“

Er leerte das Glas bis auf einen Tropfen. Nachdenklich beobachtete er das Spiel des Lichts in dem goldenen Tropfen.

„Sie war besessen davon und ständig verfolgten wir die Spuren ihres Ziels. Du weißt wovon ich rede, stimmt's?“

Er sah auf und blickte sie direkt an. Es wäre schwachsinnig das Gegenteil zu behaupten, doch er konnte sich nicht sicher sein, das Vern wirklich mit Elizabeth, wie sie sich jetzt nannte, gebrochen hatte. Für gewöhnlich brach niemand mit ihr und konnte danach noch darüber erzählen. Das war der Grund weshalb er Vern persönlich treffen wollte. Er musste sich versichern ob sie nicht doch log.

„Natürlich weiß ich das.“ antwortete er daher knapp. Alle wussten das sie auf Rache aus war und es war auch weithin bekannt an wem sie Rache üben wollte.

„Ich war es so Leid, Menschen zu foltern, weil sie den Blonden gesehen hatten oder weil sie sahen wie ein Schwarzhaariger einem Wolf den Kopf ab schlug. Sie redete jedoch nie darüber weshalb sie euch so verachtete. Irgendwann sagte ich ihr das ich gehen müsste.“

„Und du konntest einfach gehen?“ fragte Vald spöttisch und Vern lächelte.

„Unglaublich aber wahr. Sie legt keine Hand an ihre Kinder.“

Das Glas in Valds Hand zersplitterte und Blut rann über seine Handflächen. „Sie wandelte dich.“ stellte er fest.

„Ja. Kurz nachdem sie mich zu ihrer machte, befreite sie mich. Ich war nie ihre Schülerin. Sie.... Sie sagte stets das dieses Lehrer-Schüler- Verhältnis ein überholtes Relikt aus dem Mittelalter sei.“

Ein altes Relikt....

Vald fummelte gelassen die Splitter aus seiner Hand, damit die Wunden heilen konnten. So ergab das ganze ein Bild. Sie hatte schon damals über die Traditionen gelacht und auch in den Zeiten danach stets bewiesen das sie von Regeln und Gebräuchen absolut nichts hielt. Auch ihre Jagd auf ihn und seinen Bruder zeigten was für ein gefährliches Miststück sie wirklich war. Dabei war sie weder alt, noch besonders mächtig. Doch irgendwie hatte sie es geschafft innerhalb kürzester Zeit stärker zu werden. Sie zog mordend nahezu schlachtend durch die Welt. Alle Fragen, Wege und Hinweise, denen Vald nachging, führten schlussendlich zu ihr.

„Es hat mich etwas gewundert.... Das Glas werde ich ersetzen.“

„Nicht der Rede wert. Alle reagieren so, wenn sie erfahren wer meine Mutter ist.“

„Du nennst sie Mutter...“ sinnierte Vald und beobachtete wie die Wunden sich schlossen, ehe er die Hand zur Faust ballte.

„Ich wurde geboren, in ihren Armen. Es ist wie es ist, alles was zuvor war, verschwindet wie ein Traum kurz nach dem Aufwachen. Als sei man gestorben und wieder geboren. Sie selbst, betrachtete uns als Kinder.“

Vald wurde übel. Sie sprach von 'Uns' was hieß, das Elizabeth viele gewandelt hatte. Und diese vom Zwang der Ausbildung auch sofort befreite. Sie könnte doch gleich Bomben auf die Welt nieder jagen, dachte Vald grimmig und schnappte nach der Whiskyflasche, die noch immer auf dem Tresen stand.

Vern schob ihm lächelnd eine neues Glas zu.

„Wechseln wir das Thema? Mein Freund? Kommissar Nelson rief heute an und quetschte mich auch aus. Er fragte nach dir.“

Sagte sie Nelson?

„Der Kommissar?“ fragte Vald laut und Vern nickte.

„Er ist ein Freund, der uns vor vielen Jahren geholfen hat. Jedenfalls rief er an und fragte ob du schon bei uns aufgetaucht seist. Er müsse mit dir reden und er wollte wissen ob du wüsstest wo ein gewisser Idiot und ein Blonder Papagei stecken würden.“

„Mhm.... Habt ihr ein Telefon?“

„Hier.“ der Rothaarige legte ein Handy auf den Tresen und setzte sich auf den Barhocker neben Vald. „Du arbeitest mit Nelson zusammen, was? Hör zu du Vogel-“

„Nein, du hörst zu.“ Vald wandte sich dem Rothaarigen zu und blickte ihm in die Augen. Er konzentrierte sich um ihm genau das zu vermitteln was er wollte. Es funktionierte augenblicklich. Jassie wurde bleich und wich mit dem Oberkörper ein Stück zurück. Vald wusste das es jetzt nur noch von seinen Worten abhing beziehungsweise von dem was er in seine Worte fließen ließ.

„Du bist unbedeutend für mich, so jung, das ich dich zunächst für einen Menschen hielt. Und so jung das du nicht weißt, was es bedeutet, einem wie mir zu begegnen. Man sollte meinen, das du dann wenigstens die Klappe hältst, anstatt zu provozieren. Wenn du das willst...“ raunte Vald und ließ den Blick zu den Piercings im Ohr von Jassie wandern. Dieser schlug sofort eine Hand auf diese, „... dann lass ich mich auf deine Provokation ein und zerre jedes einzelne Silber aus deinen Lauschern, vielleicht hörst du dann ja besser!“

„Vald!“ mischte sich Vern ein und Vald ließ die halb erhobene Hand wieder sinken. Ihm war gar nicht aufgefallen das er die Drohung fast in die Tat umgesetzt hätte. Doch er schlug den Bogen, indem er mit dieser Hand die Whiskyflasche griff und sich nach schenkte. Sein Bruder sagte ihm auch oft, das er ab und zu zur Cholerik neigte.

„Jassie! Verschwinde!“ zischte Vern und Jassie rutschte widerwillig von seinem Hocker, „Was hast du mit dem Kommissar zu tun?“

„Du warst ehrlich zu mir, darum will ich ehrlich zu dir sein. Die Möhre hat recht, ich arbeite mit Nelson zusammen. Anscheinend hat die Stadt ein Problem.“

„Ja das hat sie wirklich aber keins womit wir uns beschäftigen sollten.“ erwiderte Vern skeptisch.

„Auf diesen Ruhestätten gibt es nichts was unsereins fürchten sollte!“ knurrte Vald, „Dachte ich zumindest bisher. Dort gehen seltsame Dinge vor sich und ich sah das die Zeitungen euch bereits in Visier nahmen.“

„Sie redete oft davon, das ihr euch in Dinge einmischt, die euch egal sein sollten.“ säuselte Vern und Vald seufzte. Er hatte keine Lust dieser Person Rechenschaft ab zu legen und griff sich das Handy von Jassie und tippte Nelsons Nummer ein, die er mit einem Kugelschreiber auf seinem Unterarm geschrieben hatte.
 

„Es war kalt, damals…“ begann sie. „Nicht wie heute… Keine Kälte die durch das Wetter verursacht wird, es war… eine andere verheerende Kälte.“ Der Mond schimmerte durch die Wolken und warf einen silbrigen Lichtstreif auf das Dach einer Kapelle. Dort saßen zwei Gestalten. Die eine strich sich ihr lockiges Haar zurück und klemmte es hinter ihr Ohr, dann umschlang sie wieder ihren Oberkörper. Neben ihr saß ein großer blonder Mann. Ein Bein hatte er angewinkelt, das andere ausgestreckt. Ein Cowboyhut zierte sein Haupt.

„Der Waffenstillstand war längst in Kraft getreten und wir kamen mit den ersten hierher. Im Grunde waren wir Flüchtlinge, unser Zuhause…“ Sie brach ab und schüttelte den Kopf.

Der Blonde hatte sie nach seinem Übergriff regelrecht umsorgt. Lud sie zum Essen ein, bedrängte sie ständig, etwas zu trinken. Doch er stellte auch Fragen, Fragen über ihr Zuhause, die Gilde, über sie. Sie hatte sich erbittert dagegen gewehrt, diesem Blutsauger irgendwas zu erzählen. Schließlich war sie ein Mensch und er eine Kreatur, die Menschen jagte und sie tötete. Doch seine Macht über sie war zu groß, sie sah keinen Weg sich von ihm los zu reißen oder ihm Schaden zu zufügen. Wenn er rief, folgte sie, ob sie wollte oder nicht.

Doch er war zwischendurch… anders. Nach dem Übergriff hatte er sie in eine psychiatrische Klinik geschleift und dort einen Typen besucht, welcher eher seltsame Dinge erzählt hatte, von Friedhöfen und Sonnenblumen. Er war sehr nett zu dem kranken Mann gewesen, fast schon fürsorglich. Ein Vampir, der kranke Menschen besuchte?

Bis dato, glaubte sie, das der Blutsauger sie nur mitgeschleift hatte um sich ihrer irgendwie unauffällig zu entledigen, damit nicht aufflog, das er gegen den Waffenstillstand verstoßen hatte. Doch er begann stattdessen Anekdoten zu erzählen. Wie er andere um ihr Geld betrog und eine Geschichte wie er sich im Wald verlaufen hatte.

Wieder und wieder, warf sie ihm Schmähungen an den Kopf, hackte nach , was er von ihr wolle. Doch er lachte immer nur und fragte sie wie sie sich fühle und ob sie nicht etwas von sich erzählen wolle.

Schlussendlich erzählte er ihr, das sie verfolgt wurde von zwei Jägern und ob diese Beiden zu ihr gehörten.

Das taten sie nicht. Zane wurde überwacht und es verwunderte sie nicht einmal. Die Wut darüber war dennoch groß gewesen und sie hatte sich auf offener Straße empört und dem zweifelhaften Angebot des Vampirs, die Verfolger abzuschütteln nichts entgegen gesetzt. Die Jagd durch die Stadt, hatte ihr sogar Spaß gemacht und im Laufe der Stunden fühlte sie, wie seine Macht über sie mehr und mehr schwand.

Am Ende waren sie vor einem Friedhof angekommen und er sagte, dass sie die beiden Jäger nun endlich los seien. Sie hatten sich einen Augenblick angesehen. Sie spürte, dass sie frei war und er hatte nur gegrinst.

Nun saßen sie auf dem Dach einer Kapelle auf eben jenem Friedhof den sie vor einiger Zeit erreicht hatten. Zane fühlte sich schwermütig und verwirrt. Soviel Spaß hatte sie schon sehr lange nicht mehr gehabt, oder jemals?

„Ich weiß das ich eigentlich nichts erzählen sollte!“ sagte sie daher laut um sich selbst zu erinnern, an ihren Beruf und an ihr Wissen über Kreaturen.

„Dann lass es.“ Murrte er, der sich Sonny nannte. Was für ein Name, dachte sie und lächelte, irgendwie ironisch.

„Nein, sie haben mich eh mit dir gesehen, was habe ich schon noch zu verlieren?“

Vampire tranken das Blut von Menschen um zu überleben. Sie töten dabei häufig ihre Opfer und sie besitzen Fähigkeiten, die einen Menschen manipulieren, ihn unterwerfen und zwingen sein Leben freiwillig hin zu geben. Hatte sie nicht selbst gespürt, wie fürchterlich sich das anfühlte? War sie nicht selbst Opfer? Doch sie lebte, sie lachte, sie spürte keine Angst. Neben ihr saß ein Vampir und ihr bisheriges Leben lehrte sie diesen sofort an zu greifen, oder zumindest zu fliehen. Doch sie genoss es hier zu sein, neben ihm und einfach nur zu plaudern. In der Gilde hatte sie niemandem dem sie sich anvertrauen konnte, niemanden mit dem sie je soviel Spaß gehabt hätte.

„Werden sie dich suchen?“ fragte er und beugte sich etwas vor.

Sie schüttelte den Kopf, „Dann müssten sie zugeben gescheitert zu sein und das sieht man bei uns nicht gern. Aber zurück zu meiner Geschichte…“ Sie seufzte und streckte die Beine aus. Wind kam auf und blies ihr einen kühlen, erfrischenden Hauch ins Gesicht. Sie erinnerte sich als wäre es gestern gewesen. Bilder, die sich eingebrannt hatten, Geräusche, an die sie schon lange nicht mehr gedacht hatte kehrten zurück und versteinerten ihr Gesicht, fegten die letzten Stunden hinweg, als hätte es sie nie gegeben.

„Ich war sehr klein als wir mit den ersten Flüchtlingen an den Grenzen Hollows ankamen. Auf unserem Weg war uns einiges geschehen. Des Nachts wurden wir angegriffen und viele sind gestorben. Wir waren müde, hungrig, durstig und an unseren Grenzen. Nelson war auch da. Er hatte uns angeführt. An den Grenzen der Stadt waren auch die Jäger angekommen, was wir da noch nicht wussten. Wir sahen den zerstörten Distrikt und dahinter Häuser. Einige rannten los um nach Menschen zu suchen. Sie kehrten zurück mit Lebensmitteln und der Kunde, dass die Stadt eine Geisterstadt sei.

Meine Eltern brachen in ein kleines Haus im Distrikt ein und die anderen schlugen sich weiter in die Stadt durch. Doch ich war am Ende. Wir erholten uns alle recht schnell und bald kamen weitere Flüchtlinge. Nachts verriegelten wir die Türen, doch wir hörten nichts. Stille…. Es war unheimlich. Bis wir dort ankamen, hatten wir nachts immer Geräusche gehört, Schreie, Laute, Schritte… doch hier in Hollow, war es still. Alle schöpften wir Hoffnung. Eines Tages klopfte es an unserer Tür. Es war Robert Mayne, der Großmeister des Ordens des Greifen und flammenden Phönix. Meine Eltern waren während der Dämmerung ihrerseits Jäger, bis sie mich bekommen hatten. Und sie waren wohl auch bekannt. Mayne wollte sie für seinen Orden.“

Der Blonde rutschte etwas auf seinem Platz. Sie blickte zum Nachthimmel auf der sich langsam aufklarte.

„Doch sie lehnten sein Angebot ab. Sie stellten mich ihm vor, ich hatte damals Angst vor ihm. Er sah aus wie ein wilder Löwe:“ Erinerungsselig lächelte sie, „Doch er verstand. Danach habe ich ihn lange nicht mehr gesehen. Die Stadt wuchs und schon bald war auch Maynes gilde in aller Munde. Immer mehr Flüchtlinge landeten in der Stadt und es zog Normalität ein. Läden eröffneten, Trümmer im Distrikt wurden geräumt und überhaupt… Einige sprachen davon, das hier in Hollow die Dämmerung nicht spürbar sei. Über viele Jahre hinweg herrschte hier Frieden. Ich wurde von meinen Eltern ausgebildet in der Jagd. Heute weiß ich das es mir zur Jagd dienen sollte. Damals sagten sie mir, das ich lernen müsse, mich zu verteidigen. Schließlich kam Vern.“

Zane legte eine Pause ein und Sonny rutschte etwas näher zu ihr. „Vern?“ fragte er neugierig.

Sie nickte, „Ja. Vern ist ein Vampir, sie und ihre… ‚Familie‘ nannte sie es… Sie kamen nach Hollow, auf der Suche nach Zuflucht. Sie suchten sich ein abgelegenes Viertel und ließen sich dort nieder. Mayne war außer sich vor Wut. Doch damals erlebte ich Nelson als Vermittler. Er schloss einen Vertrag zwischen uns Menschen und den Vampiren. Ich wusste nicht was ich von dem alten Zausel Nelson halten sollte. Er hatte uns nach Hollow gebracht und ich dachte bis dahin, der er für die Menschen gekämpft hatte. Es hatte mich sehr verstört, das er Vern ein Zuhause gab. Doch ich war sehr jung. Die Jahre vergingen, als andere nach Hollow kamen. Sie kamen des Nachts und verschanzten sich in den Trümmern von Hollow. Ich war neu oder zehn und ich war gerade im Bett am Einschlummern…. Als ich es hörte. Im Erdgeschoss schrie meine Mutter fürchterlich…“ Zane brach ab. Sie atmete tief ein und aus. Das war Vergangenheit, es lag hinter ihr…

„Wer waren sie?“ fragte Sonny dunkel und bot ihr eine Zigarette an, welche sie dankend annahm.

„Gestaltwandler vielleicht. Sie sahen aus wie Menschen aber sie waren flink, stark und meinen Vater hatten sie bereits in Stücke gerissen. Als ich das sah, rannte ich wieder ins obere Stockwerk. Meine Mutter schrie nicht mehr… Eins von ihnen jagte mir hinterher. Ich rannte panisch in mein Zimmer zurück und schlug die Tür zu. Das Ding zerrte an der Tür,. Versuchte sie aufzustoßen, als es im unteren Stockwerk rumpelte. Mayne war gekommen. Er tötete sie alle und holte mich aus dem Haus raus. Meine Eltern waren tot und er… er nahm mich auf.“

„Stopp mal, der Großmeister der Jägergilde hier in dieser Stadt… ist dein Vormund?“ fragte Sonny ungläubig. Zane sah ihn an, er wirkte erschüttert.

„Ja.“
 

Sonny fühlte sich wie eine Lampe. Eine Lampe die die größten Motten der Gegend anzog. Soeben hatte er erfahren das er das Mündel des Großmeisters einer Gilde angefallen hatte. Na wenn es weiter nichts ist. Müde ließ er seinen Kopf in die Hand sinken. Irgendwann würde alles eskalieren und sein Bruder würde ausflippen. Dieses Mal brachte er ihn um, mit Sicherheit.

„Was ist mit dir?“ fragte sie und beugte sich etwas zu ihm. Der Geruch nach Leder kribbelte in seiner Nase.

„Nichts, alles gut.“ antwortete er monoton.

„Es ist meine Schuld...“ sagte sie und setzte sich in den Schneidersitz. „Mayne würde mir den Kopf abreißen wenn er erführe was heute geschehen ist. Ich werde die Klappe halten.“

Der Mond stand nun in voller Pracht am Himmel und die Wolken hatten sich gänzlich aufgelöst. Eine klare Nacht.

Da hörte er es. Er hatte so etwas noch nie gehört.

„Sonny, weißt du-“

„Sch, hörst du das?“ fragte er und legte einen Finger auf ihren Mund. Er sah sie gespannt an, doch sie blickte nur fragend drein. Anscheinend konnte nur er das hören.

Es wurde allmählich deutlicher und klang doch dumpf.

„Wie ein Schmatzen...“ murmelte er und spitzte die Ohren.

„Ich glaub ich höre es auch.... Was ist das?“

„Keine Ahnung...“

Er versuchte die Herkunft des Geräusches zu lokalisieren, doch es schien als würden viele Schmatzen. Das widerliche Geräusch ertönte aus unzähligen Richtungen. Dumpf und stetig.... Als würde...

„Als würde es unter der Erde stattfinden....“ sprach Sonny seinen Gedanken laut aus.

„Mir wird schlecht....“ kommentierte Zane und griff sich an die Hüfte und zog ihren Dolch aus der Scheide.

„Wir sollten abwarten, was als nächstes geschieht. Ich gehe nach sehen, du wartest hier.“ Er sprang vom Rand des Daches, der kleinen Kapelle und Zane zischte wütend: „Warum muss ich hier warten? Das ist Diskriminierung!“

Doch Sonny ignorierte sie. Nun war es noch deutlicher, das es unter seinen Füßen rumorte. Die Erde bewegte sich und das Schmatzen drang deutlich daraus hervor.

„Hey, Zane! Kannst du mich hören?“

„Ja!“ tönte es wispernd vom Dach.

Sonny bewegte sich auf ein Grab zu. Vorsichtig und mit Bedacht setzte er einen Fuß vor den anderen und bei jedem seiner Schritte fühlte er wie sich das Etwas unter ihm mit bewegte.

„Als ich in diese Stadt kam, hätte ich nie gedacht, das ich mit einem Jäger Freundschaft schließen würde.“ wisperte Sonny und dachte an sein erstes Friedhofsabenteuer in Hollow.

„Schön das du auch voller Vorurteile bist!“ zischte sie vom Dach.

Sonny war inzwischen vor dem Grabstein angelangt. Die Blumen darauf bewegten sich wellen artig. Doch das war nicht das Einzige was er sah. Da saß ein kleines Mädchen auf dem Grabstein und blickte ihn aus leeren Augen an.

„Wer bist du?“ flüsterte Sonny so leise, das Zane es nicht hören konnte.

Das Mädchen sprang vom Grabstein und deutete auf den darauf eingemeißelten Namen.

„Hallo, Anna.“

Sonny ging in die Hocke um auf Augenhöhe mit dem Geist zu sein.

Anna hatte langes glattes Haar und trug ein Kleid. Der Inschrift des Grabsteins zufolge war sie an ihrem ersten Schultag durch einen Unfall gestorben.

„Warum bist du hier?“ fragte Sonny und das Mädchen zuckte mit den Schultern. Der Boden bewegte sich erneut und sie blickte traurig auf die Blumen, welche sich aus dem Boden lösten und um fielen.

„Du kannst nicht gehen, weil dein Körper keine Ruhe findet.“

Anna sah wieder zu ihm und öffnete den Mund. „Wenn es nicht aufhört....“ sagte sie und ihre zarte Stimme hallte in seinen Ohren wieder, „... werden alle sterben. Es kommt und tötet, doch es macht kein Ende.“

„Was meinst du mit Es?“

„Sonny mit wem sprichst du da?“ zischte Zane doch Sonny war gebannt von dem Mädchen, das nur er sehen konnte, das nur er hören konnte.

„Es ist bereits auf dem Weg.“ antwortete das Mädchen. In diesem Augenblick krachte es und ein Baum wackelte in der Ferne. Sonny wandte sich um. Schlagartig hörten die Bewegungen unter der Erde auf und auch das Schmatzen verstummte. Bleierne Stille legte sich über den Friedhof. Sonny wollte dem Mädchen noch Fragen stellen, doch Anna war verschwunden.

Er vernahm ein schlürfendes Geräusch und es roch zunehmend nach fauligem Fleisch. Sonny sah zur Kapelle. Dort auf dem Dach saß Zane, welche gebannt auf den Baum blickte, der sich vor kurzem bewegt hatte. In ihrer Hand hielt sie immer noch den Dolch.

Er erinnerte sich an die Geschwindigkeit des Etwas und schlug seinen Mantel zurück, um ihn am Rücken fest zu knöpfen. Dann zog er seine Revolver und legte seinen Hut auf Anna's Grabstein.

„Pass gut darauf auf.“ wisperte er und entfernte sich vom Grab ein Stück. Der Geruch war nun überwältigend und das Schlürfen endete abprubt. In seinem Nacken kribbelte es. Das Etwas war da und es beobachtete ihn.

„Wir sind uns schon einmal begegnet!“ sagte Sonny laut und stierte in die Finsternis. Dort saß ein Ding. Anders konnte er es nicht umschreiben. Es hatte eine krumme, pelzige Schnauze und goldene Augen. Im Entferntesten glich es vielleicht einem Wolf, doch die Klauen waren dafür zu lang und noch dazu tropfte irgendwas von ihnen. Es lief auf den gekrümmten Hinterbeinen und hielt die Vorderbeine vor seinem Leib.

Die Gier und Mordlust blitzte in seinen Augen und ehe sich Sonny an den Anblick gewöhnt hatte, war es verschwunden.

Der Geruch, ermahnte sich Sonny und sprang einen Satz nach vorn. Er hörte wie etwas in den Boden krachte. Er war nur knapp entkommen.

Blitzschnell entsicherte er die Revolver und drückte auf das Ding zielend ab, doch es war wieder verschwunden und die Kugeln schlugen in die Wand der Kapelle ein.

Der Geruch um wehte ihn dieses Mal von Rechts, ein weiterer Sprung und die Klauen umgriffen nur Luft. Zunehmend stieg Angst in Sonny auf. Es war zu schnell, er hatte keine Chance gegen dieses Ding und das Beste wäre die Flucht zu ergreifen, doch er konnte nicht sicher sein, ob dieses Ding nicht auf Zane losgehen würde. Er dachte nur 'Hilfe' und ließ sich nach hinten fallen.

Ein fauliger Windzug strich über sein Gesicht und Sonny drückte erneut ab.

Dieses Mal flogen Fellfetzen durch die Luft.

Ein Streifschuss! Sonny sprang schnell wieder auf die Beine und konzentrierte sich auf den Geruch. Doch er roch nichts.

Einige Sekunden geschah nichts. Das war die Chance, dachte er bei sich.

„ZANE!“

„WAS?“

„VERSCHWINDE!“ brüllte er und rannte dabei zur Kapelle. Das Vieh hatte sich erschrocken, doch es würde gleich wieder angreifen. Sein Treffer war jedoch nur ein Glückstreffer.

Plötzlich umhüllte ihn der Geruch nach Verwesung, Geifer rann seinen Mantel hinab. Er hielt die Luft an.

„SONNY!“ brüllte Zane panisch vom Dach der Kapelle.

Keine Chance, schoss es ihm durch den Kopf, er kriegt mich vorher.
 

Man sagt, das zwischen Zwillingen eine besondere Verbindung besteht, wodurch sie es spüren, wenn es dem anderen schlecht geht. Ein Phänomenen das die Wissenschaft nicht erklären kann. Obwohl die Zwillinge voneinander getrennt sind, wissen sie sofort, wenn der andere in Gefahr ist. Sie selbst können es nicht erklären, sie wissen es einfach.

Es heißt, das eine solche Verbindung ebenso zwischen gewöhnlichen Geschwistern bestehen kann, das solch eine Verbindung auch zwischen Menschen besteht, die einfach nur sehr viel Zeit miteinander verbracht haben.

Sie spüren den Zustand des anderen, fühlen es wenn dieser sich nicht fühlt oder in Gefahr ist. Ein Augenblick, der ein sofortiges Handeln erfordert ohne dabei die eigenen Risiken ab wägen zu können.
 

„RUNTER!“ donnerte eine dunkle Stimme und vor Sonny tauchte ein schwarzer Blitz auf, Sonny ging in die Knie, als die Bestie die Klauen nach ihm aus schlug. Das nächste was er roch drehte ihm den Magen um.

„NEIN!“ brüllte das Mädchen und das Vieh heulte auf. Ein schlurfendes Geräusch und der Geruch der Verwesung verschwand. Zurück blieb der bleierne Geruch nach Blut.

Sonny blickte auf. Vor ihm stand Vald, das Schwert fest umklammert und schwarzes Blut tropfte von der Spitze der Klinge. An seiner Schulter breitete sich ein nasser Fleck auf und zwischen zerrissenem Stoff trat dunkles Blut hervor. Es floß dickflüssig aus der gewaltigen Wunde.

„Warum heilt es nicht?“ fragte Sonny mit hoher Stimme.

Zane kletterte vom Dach und Vald packte Sonny bei der Schulter. „Weißt was ich fürchte?“ raunte er dunkel und Sonny stütze ihn da er plötzlich gefährlich schwankte. Seine Augen flackerten.

„Vald, warum heilt es nicht?“ Sonny's Stimme klang immer höher und er fühlte wie Zane an ihm zerrte, doch er hörte sie nicht, er sah nur seinen Bruder.

„Ich fürchte den Tod.“ murmelte Vald und brach zusammen. Das Blut schoss dickflüssig aus der Schulter und lief nun über Sonny's Hände. Dieser blickte versteinert auf den leblosen Leib seines Bruders hinab.



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