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Katzenjammer

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
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Ohne Worte

„Wohin möchtest du denn?“

Ich neigte den Kopf zur Seite und wich den goldenen Augen aus, welche so unermüdlich meinen Blick suchten.

„Ich weiß es nicht genau. Einerseits juckt es mir in den Fingern eure Welt kennenzulernen, andererseits mache ich mir Sorgen um meine Familie, also meinen Vater“, erwiderte ich.

„Deine Finger jucken dich?“

Die hochgewachsene Katzenherrin starrte mich neugierig an, ihre Blicke schienen mich noch mehr aufzusaugen, als wäre ich hier die Kuriosität und nicht sie hier.

„Ich glaube sie kennt deine Art der Sprache nicht“, erklärte mir Sissi, die sich nun als Alessdora herausgestellt hatte. Ich nannte sie dennoch Sissi.

Ach ja, das hatte ich fast vergessen, unsere Umgangssprache war hier nicht ganz so geläufig, zwar hatte Sissi unsere Sprache und weitläufige Umgangsformen näher gebracht, dennoch hatte ich es im Allgemeinen schon mit einer komplizierten Verständigung zu tun.

„Libellar, Kahee, ich erbitte etwas Zeit von euch. Sissi, ich meine Alessdora hat euch meine schwierige Situation geschildert und ich möchte euren Clan nicht beschmutzen, indem ich Regeln missachte oder aufgrund meiner Sprache jemanden beleidige.“

Kahee bedeutete Herr/in des jeweiligen Clans. Das Volk der Felm, also meine Katzenfreunde hier hatten weder einen König noch einen Bundeskanzler. Sie hatten sich stattdessen in Clans zusammengefunden und welche von den Kahee angeführt wurden, die sich wiederum den Ahaliken unterordneten. Die Ahaliken fungierten in einer Art Rat die ihre Rasse beschützte, Regeln festsetzte, Bestrafungen entschied und ganz nebenbei all die anderen wichtigen Dinge unternahmen.

Insgesamt gab es zehn solcher Ahaliken, welche von den 24 Clans gewählt worden waren. Die Felm hatten eine kleine Hauptstadt Kuching, mehrere Dörfer und ansonsten rastlose Wanderer, denn meist zogen die Clans von Gebiet zu Gebiet auf der Suche nach – das wusste ich leider noch nicht. Sissi hatte mir bisher verschwiegen, weshalb ihr Volk derart zum einen abgeschieden lebte, als auch wandernd war. Nach all diesen Informationen in dieser Woche, geschweige denn der Besuch bei der Kahee Libellar, war meine Neugier erst einmal befriedigt.

Ich betrachtete die goldene Tunika der Herrin, die weißen raspelkurzen Haare und erwiderte dann ihren Blick.

„Bast sei mit dir Tochter der Sonne. Du hast freies Geleit, ich erwarte dich jedoch in zehn Monden spätestens zurück.“

Auch wenn mir ihre Aussage nur zu einem Teil etwas sagte, immerhin wusste ich das Bast ihr Gott war, nickte ich artig und zog mich zurück. Sissi hatte gute Arbeit geleistet, ich agierte so, wie es den Katzenmenschen recht war und fiel nicht unangenehm auf. Meine Freundin schritt bald an meiner Seite, während ich die Hallen der Herrin begutachtete.

Denk daran. Wir sind schnell, wir sind schlau, unsere Sinne sind ausgeprägter bei Menschen und vor allem ist das Volk der Felm nicht gerade das Vertrauenwürdigste. Merk dir meine Worte, ich möchte dich nicht als halb zerfetzter Leib deinem Vater präsentieren.

Sissi zerrte plötzlich an meiner grünen Tunika und gebot mich stehen zu bleiben. Ihr Blick schweifte zum Eingang, wo ein junger Felm hineingebracht wurde. Er fauchte, zerrte an seinen Seilen und schien den Wachen großen Verdruss zu machen, als er auch diese biss. Ich zuckte zusammen, als er mich erblickte und plötzlich nichts mehr tat. Als würde Stille den völligen Raum einnehmen und der Herr der Zeit hätte persönlich die Zeit eingefroren.

Ich nahm mir den Moment und betrachtete ihn genau. Auch er hatte weiße Haare, seine waren allerdings länger bis zu seinen Schultern reichend, seine Augen waren silbern und sein Blick einschüchternd. Zumindest schüchterte er mich ein. Gleichzeitig faszinierte er mich, denn irgendwie erinnerte er mich an jemanden.

„Lass uns weiter gehen Sara, wir sollten verschwinden. Los hopp.“

Damit schob Sissi mich voran, vorbei an den Mann, der sich gegen die Wache stemmte um mich weiter beobachten zu können. Ich legte etwas an Tempo zu und versuchte so uneingeschüchtert wie möglich den Raum zu verlassen.

Dann jedoch ertönte von allen Seiten ein lautes Fauchen und ich konnte nicht umhin mich umzudrehen, um meine Neugier zu stillen. Der Mann hatte sich losgemacht und war im Begriff die Herrin anzugreifen. Ich stieß einen erstickten Schrei aus und befreite mich von Sissi, um ihm zu folgen.

Wie oft habe ich mich dabei erwischt erst gehandelt zu haben, bevor ich überhaupt dachte.

Bevor ich jedoch eingreifen konnte, als könnte ich etwas ausrichten, hatte die Herrin den Mann gepackt, ihre Krallen stießen sich in das Fleisch und schleuderte ihn von sich. Die Wache sprang ihm hinterher, doch etwas anderes ließ mich erschrocken nach hinten in Sissis Arme taumeln. Das schöne, blasse Gesicht der Kahee war eine wutverzerrte Maske, halb Mensch, halb Katze.

Sissi packte mich von hinten, hebelte sich sehr unsanft herein und zog mich unter Gewalt weg.

„Wie kannst du es wagen deiner Mutter Schande zu bereiten, Sho von Windgeflüster.“

Sho von wem?

Sho.

Just in diesem Moment begegnete ich Sissis panischen Blick und drehte mich erneut um. Konnte es sein? War es möglich?

„Lass es sein“, fauchte Sissi und schupste mich vom Ort des Geschehens weg.

Nein, das konnte nicht sein, was wenn er es wirklich war?

„Shoooo“, schrie ich.

Er drehte sich um und ich schmeckte die Atmosphäre förmlich. Hitze loderte plötzlich auf, eine weitere Wache schob sich zwischen mich und dem Geschehen und half Sissi mich wegzuschieben.

„Sei froh das Kahee dein Verhalten nicht ahndet, das wird dir allerdings kein zweites Mal passieren.“

Ich ließ mich abführen, doch meine Gedanken waren bei dem Felm. War das wirklich Sho? Mein Sho?

Draußen angekommen gaben meine Beine nach und plumpste auf den feuchten Boden. Meine Hand landete in einer Pfütze und so war ich auf allen Vieren und starrte mich in der Pfütze an. Moosgrüne Augen, haselnussbraune Haare und ein entsetztes Gesicht. Sissi half mir auf die Beine und nahm mich mit zu ihrer kleinen Hütte.

„Wie konntest du nur? Bist du verrückt geworden?“

Ihre Hände pressten sich hart auf meine Wangen und damit zwang sie mich sie anzusehen.

„Warum hast du das getan? Du kennst ihn doch gar nicht, wenn wir Glück haben, sieht sie darüber hinweg.“

Ich wusste selbst nicht, weshalb ich das getan hatte, es war einfach aus einem Impuls heraus geschehen. Aber die Hoffnung prangt in mir das es mein Sho sein könnte. Die Gewissheit, das er am Leben war, ich glaube mehr wollte ich nicht.

„Tut mir Leid Sissi.“ Ich senkte meinen Blick.

Wenn ich eines hier gelernt hatte, dann dass das Katzenvolk sehr nachtragend ist und selten vergisst. Sissi hatte mir einmal erzählt das ein Junge sich einmal Milch geklaut hatte, jetzt nach fünfzehn Jahren durfte er noch immer keine kaufen, aber diese Lösung schien besser zu als wenn derjenige aus dem Clan gestoßen würde. Dies hätte zur Folge das derjenige sonst seine Persönlichkeit verloren hätte, denn der Clan stand für die Gemeinschaft und war somit ein teil Persönlichkeit. Allerdings vermute ich das es mehr die Bedeutung hat sein Gesicht zu verlieren, denn die Erklärungen des Katzenvolks können bisweilen etwas ungenau sein.

„Los wir packen“, orderte Sissi an und hob einen kleinen Kleiderhaufen vom Boden auf um ihn in einem Lederrucksack zu verstauen. Genauso verhielt es sich mit anderen Dingen wie einer Trinkflasche, ein paar Umschläge, Salben, ein Buch, ein Pass und die Genehmigung der Katzenherrin für mich. Ich stand mehr nutzlos als alles andere herum, machte mich aber rar und ging aus dem Weg um nicht im Weg zu stehen. Ich stand sowieso neben der Spur, mein Kopf schwirrte, ich schaffte es nicht meine Gedanken richtig zu sortieren.

Ich weiß nicht was dies vorhin für ein Gefühl gewesen war, nur das es weder durch mein Herz, noch meinen Kopf gegangen war. Vielmehr schien es eine Art Instinkt gewesen zu sein, ein Reflex der irgendwo in mir Verankert war. Erst jetzt dämmerte mir mein törichtes Verhalten und ich argwöhnte das die Kahee mich in keinster Weise so leicht gehen lassen würde.

Nackte Angst befiel mich, doch ich biss die Zähne zusammen, schließlich hatte ich mich entschieden bei Sissi zu bleiben. Irgendetwas ließ mich nicht ziehen, eigentlich wollte ich so bald nicht nach Hause kommen, denn vielleicht würde er mich ja vermissen …

Sissi war grob. Sie schmiss mir einfach die Zügel des riesigen Panthers zu.

Ja, es war ein wirklich riesiges und imponierendes Reittier, dessen bernsteinfarbene Augen mich unentwegt fixierten.

„Amber ist temperamentvoll, aber zuverlässig. Außerdem ist sie die Einzige welche ich für dich auftreiben konnte.“

Amber war ein passender Name und ich näherte mich vorsichtig der Schnauze des Tieres um es Schnuppern zu lassen. Zugleich erging mir ihr Tadel natürlich nicht, doch ich war nicht in der Position mich abfällig zu äußern. Mittlerweile strich ich vorsichtig über das seidig weiche Fell und nachdem Amber schnurrte kraulte ich mein „Kätzchen“ richtig.

Ich frage mich wie das Volk der Katzenmenschen entstanden ist und warum sie sich in kleine Katzen verwandeln können. Eigentlich wusste ich nur von Sissi das diese sich in eine kleine Katze verwandeln konnte, die anderen hatten sich in keiner Form dergleichen präsentiert. Dennoch, sie hatten spitze Ohren welche den der Katzentiere sehr ähnlich sahen glichen und meistens auch noch einen Katzenschwanz. Zudem wusste ich auch das sich ihr Äußeres außer zu einer Verwandlung erneut verändern konnten.

Ich schwang mich auf Amber, die Zügel waren eher Deko denn Amber trottete Sissi hinterher, welche in ihrer Katzengestalt unterwegs war und ich hatte so eher die Möglichkeit mich festzuhalten.

Die Herrin hatte sich zwar erkundigt wohin meine Reise gehen sollte, schlussendlich war ich mir allerdings nicht sicher und überließ das Ziel Sissi. Ich wollte das Land und die Kulturen kennenlernen, schließlich hatte mir Jordan, eine junge Kriegerin erzählt das es weiter Kulturen außerhalb der Felm geben soll.

So ließ ich mich im Takt der Bewegung mitreißen, Amber war wirklich atemberaubend. Wir waren schnell, huschten durch das Unterholz, sprangen ab und an über Bäche und kleine Flüsse und trotzdem war sie so grazil als wäre dies nur ein Spaziergang. Immer wieder strich ich ihr mit der einen Hand über das Fell und kuschelte mich schlussendlich an sie.

Ich wollte nicht nach Hause, das Heim welches eigentlich seid einem Jahr nicht mehr vorhanden war. Seid Mama tot war, war es still und kalt. Ich hatte mich die ganze Zeit einsam gefühlt.

Hier schien es als würde neue Energie in mich fließen und mit neuem Mut beflügeln.

Ich hatte zwar ein schlechtes gewissen, aber Sissi hatte mir versichert das die Zeit auf den beiden Seiten unterschiedlich floss.

Weshalb wusste eigentlich Sissi derart viel? Hatten sie vor weitere Menschen aus unserer Welt zu denen zu holen? Warum war Sissi genau nach dem Tod meiner Mutter bei mir gelandet? Natürlich hatte sie mir Schmerz und Kummer genommen, dennoch verunsicherte mich alles. Ich hatte keinen Gedanken daran verschwendet das ganze zu hinterfragen, sondern war blindlings gefolgt und hatte vertraut.

Ich wurde je gestoppt als Sissi stoppte ihre Gestalt änderte und mich anhielt etwas Wasser zu mir zu nehmen. Ich packte die Gelegenheit am Schopf und zupfte an ihrem Oberarm, da sie vollkommen nackt war.

„Sag mal Sissi, wieso bist du eigentlich meine Katze gewesen?“ Ich blickte in ihre Augen und lächelte sie unsicher an.

„Warum bist du eigentlich in unsere Welt gekommen?“

Sie nahm meine Hand weg, hielt sie kurz und ließ diese dann fallen. „Es hatte keinen besonderen Grund, ich war einfach neugierig.“ Sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, aber irgendwie hatte mich ihre Antwort noch mehr verunsichert. Innerlich brodelte etwas in mir, doch ich war ohne sie verloren und hielt mich zurück.

„Es tut mir Leid wegen vorhin Sara, ich mache mir einfach sorgen und kenne die Kahee einfach besser.“

Eine Hand landete beschwichtigend auf meiner Schulter.

Mein Gefühl trügt mich eigentlich selten deshalb war ich der festen Überzeugung dass mein unbedachtes Handeln irgendwann Konsequenzen haben musste.

„Lass uns aufbrechen, wir müssen es bis zur Abenddämmerung zum heilenden Tropfen schaffen.“

Ich nickte und sammelte ein einfaches Kleid auf, nachdem sie sich wieder in Gestalt einer Katze befand. Sie zog es meist an wenn sie sich immer in kurzen Abständen verwandeln würde.

Ich surrte die Wasserflasche und das Kleid eben an Amber fest da blickte ich mich um. Mir war als hätte man mich gerufen.

...ss... ge..m

„Sissi hast du was gesagt?“, rief ich und trat von Amber weg.

Doch da war weder eine Katze noch sonst irgendwer.

„Hallo?“ Doch niemand antwortete.

Ich blickte mich um, doch außer riesige Bäume mit dichten Baumkronen aus rotbraunen Blättern und haufenweise Moos konnte ich nichts sehen. Doch, da war etwas. In der Ferne konnte ich das plätschern von Wasser hören.

„Warte hier Amber, ich bin gleich wieder da.“

Vergessen war Sissi ich folgte einfach dem stärker werdenden Geräusch. Ich kämpfte mich durch einige dornige Büsche bis sich die Bäume etwas lichteten. Die Strahlen der Sonnen fanden ihren Weg durch die Baumkronen und verliehen diesem Ort etwas Zauberhaftes. Dort war auch eine Quelle und eine Frau. Ich ballte meine Hand zu einer Faust und hielt ihrem musterndem Blick stand.

Mir war klar das sie kein Mensch war, denn ihre Haare schienen von einem unsichtbaren Wind getragen zu werden und ihr Kleid schien aus tausend glitzernden Wasserperlen zu bestehen. Außerdem waren ihre Haare himmelblau, die Augen fuchsrot und ihre Hautfarbe erschien smaragdfarben.

„Du bist da mein Kind.“ Ihre Stimme war rauchig.

Ich wollte zurück weichen, doch meine Beine bewegten sich keinen Millimeter. Als ich einen Blick nach unten wagte sah ich das sich eine feine Wasserschicht um meine Füße gebildet hatte. Verängstigt blickte ich der Frau entgegen, mein Herz pochte lautstark in meiner Brust. Ich wollte wegrennen, noch nie hatte ich einen derartigen Fluchtinstinkt gehabt doch es war mir unmöglich.

„Lassen sie mich frei. Ich tu ihnen dich nichts“, schrie ich ihr panikerfüllt entgegen, doch sie lächelte mich mit ihrem seidigen Lächeln an und kam auf mich zu. Meine Arme ruderten wie wild um mich herum, doch statt mich zu befreien schlangen sich Pflanzen um meine Arme die mich stark an Seetang erinnerten.

„Bitte, lassen sie mich gehen, ich Gehör doch gar nicht hier her!“, brüllte ich ihr entgegen.

Etwas hatte ich zumindest erreicht, sie lächelte nicht mehr.

„Sonnenkind.“

Ihre Hände umfassten mein Gesicht, die Daumen rieben mir über die Wangen.

Meine Lunge, ich wagte kaum zu atmen, meine Lungen sollten endlich Luft holen, doch es gelang mir nicht, es war als würde ich in ihren Augen ertrinken.

Ich röchelte, mein Kopf knickte nach hinten und als ich nach oben sah erblickte ich einen Spiegel aus Wasser.

„Sieh hinein mein Kind und sag mir was du siehst.“

Ich hatte das Gefühl die ganze Welt drehte sich, als hätte man die Luft im Wasser zu lange angehalten und das Gehirn klinkte sich langsam aus.

Sieh hinein und begreife.
 

Mir war so warm. Wie im Bett, die Beine an den Körper gezogen, der Kopf weich gebettet und man mochte nicht erwachen, nicht das warme, kuschelige Bett verlassen. Jemand rüttelte an meiner Schulter. Ich strebte mich dagegen, doch es ließ nicht nach und irgendwann öffnete ich die Augen. Ich befand mich in einer Kugel aus Wasser und als ich gerade aus blickte war da ein Ausgang mit ungewissem Ende. Doch ich wollte nicht raus, ich hatte schreckliche Angst, denn etwas lauerte dort.

„Komm mein Schätzchen, bald hast du es geschafft.“, sagte die Frauenstimme.

Das war … Das war Mamas Stimme. Ich streckte mich, stemmte meine Arme und Beine auseinander. Als ich durch die Wasserkugel hinaus blickte, konnte ich ihr Gesicht erkennen, die feinen Sommersprossen, ihre moosgrünen Augen.

Genau, ich kannte die Szene. Ich schloss meine Augen und öffnete sie erneut, direkt meiner Mutter anblickend. Damals hatte ich im Krankenhaus gelegen, es war eine Salmonellenvergiftung gewesen. Das hatte ich ganz vergessen. Wie gut es tat ihr freundliches Gesicht wiederzusehen.
 

Ich öffnete die Augen abrupt. Statt ich gefangen war, lehnte ich am Baum, die blauhaarige Frau hockte neben mir und hielt mir einen Kelch mit Wasser hin.

„Trink das Kind.“ Ich fackelte nicht lange und trank in langen schlucken, meine kehle schien wie ausgebrannt.

„Was ist passiert Sara? Was hast du gesehen?“, fragte mich die Frau.

Woher kannte sie meinen Namen? Wer war sie das sie mich kannte? Ich war schließlich nicht von hier und trotzdem hatte diese Frau mich beim Namen genannt, das war mir nicht geheuer.

„Woher wissen sie wer ich bin und was sollte das eben?“

Ich erhob mich sachte und stemmte dann die Arme in die Hüfte.

„Wie dich nicht kennen? Das...“ Röcheln folgte, ihre Augen wurden riesig und ihre Hände griffen nach ihrem Hals indem eben ein Pfeil seinen Weg gefunden hatte. Finger griffen nach mir, wollten halt suchen.

Ich taumelte geschockt zurück. Ich sah wie der blaue Lebenssaft aus ihrer Wunde sickerte, in ihren Augen bildeten sich blaue Tränen während sie auf die Quelle Zuwankte.

„Alles in Ordnung Sara?“ Es war Sissi die sich mir näherte, in ihrer Hand hatte sie einen Bogen.

Sie stand nun direkt vor mir, etwas außer Atem, aber mit einem glücklichen Lippen auf den Lippen. „Geh nicht mehr alleine weg, diese Krenäe hätte dich umbringen können.“

Sie zog mich in ihre Arme und herzte mich.

Ich war wirklich froh das mir nichts zugestoßen war. Wirklich. Das hätte echt übel enden können, doch weshalb musste Sissi sie unbedingt so außer Gefecht setzen.

Als ich zur Quelle blickte, war da nur noch Schaum. Hatte Sissi eben wirklich eine gefährliche Person unschädlich gemacht? Langsam gruselte mir alles und ich befreite mich aus ihrer Umarmung. Ich murmelte eine Entschuldigung und lief zurück zu Amber die mich aus klugen Augen heraus bemitleidend ansah.

Etwas stimmte hier ganz und gar nicht.
 

Zur gleichen Zeit am falschen Ort

„Sind wir hier denn richtig?“, erklang die Jungenstimme. Ein langes Gähnen ertönte woraufhin die Frau namens Ein den Jungen sachte zu Boden ließ.

„Ganz richtig. Richtiger Ort.“, erwiderte Ein und marschierte in das einzelne Zelt hinein. Fethe blickte sich ängstlich um, sie hatten am Wegesrand gehalten nur einen Fuß vom Wald entfernt. Es war dunkel und schaurig und er hatte tierischen Hunger. Gänsehaut kroch seinen gesamten Körper hinab, doch er wollte das Zelt nicht betreten da er keine Ahnung hatte wer darin hauste. Er vertraute zwar Ein hatte jedoch leichte Zweifel ob sie wusste wohin sie beide gebracht hatte.

„Fethe kommen“, erklang ihr rufen und er setzte vorsichtig einen Fuß hinein in das Zelt.

„Ein Felm“, keuchte Fethe und starrte den jungen Mann an.

„Nicht ein irgend Felm“, tadelte ihn Ein.

„Prinz von Prinzessin“, erwiderte sie und lächelte ihn breit an.

Fethe hatte sich die Felm nicht nur anders vorgestellt, sondern erst recht viel schauriger. Man erzählte sich nicht umsonst allerlei böse Dinge über die Felm, doch dieser hier wirkte recht nett und für einen Prinzen ganz normal.

„Ich bin kein Prinz“, lachte der Mann.

Ein schüttelte zwar den Kopf, lächelte jedoch. Sie hob Fethe auf ihren Schoß und reichte ihm den Besser mit frischem Wasser. Der kleine Mann trank als wäre er halb verdurstet und lauschte den Worten des Felm.

„Es tut mir Leid Ine, ich bin leider alleine hier. Aber nicht mehr lange, dann haben wir es geschafft.“

Fethe stutzte. Hatte er sie eben Ine genannt? War sie nicht Ein? Er stellte seinen Becher ab und griff nach ihrer Hand.

„Bist du nicht Ine?“

Ein nickte und lächelte, auch der Felm nickte und lächelte ihm freundlich zu. Also war Ein auch Ine. Er lehnte sich an Ein und dachte über das Gespräch nach.

„Wen suchst du denn Katze?“ Der Junge lehnte sich nach vorne und starrte die Katzenohren an.

„Jemand ganz spezielles, Spitzohr.“ Die Hand des Mannes wuschelte ihm durch die Haare.

„Dann macht es euch gemütlich, wir müssen morgen in aller Frühe weiter wenn wir es rechtzeitig schaffen wollen.“
 

„Sag mal Sara, hast du eben in der Sprache der Felm gesprochen?“ Erschrocken blickte ich auf und fasste mich an den Mund. Hatte ich das? Auch verstand ich plötzlich Ambers Laute, als wäre dies meine eigene Sprache.

„Sissi, was geht hier vor sich?“

Doch Sissis Blick wurde abschätzend, als wüsste sie selber nicht genau ob sie mir vertrauen könne.

Warum war Sissi genau nach dem Todestag meiner Mutter ausgerechnet bei uns gelandet? Hatte Vater damals Katzen nicht verboten gehabt?

Mir dämmerte plötzlich eine Erkenntnis. Vater hatte nie Katzenfutter mitgebracht gehabt.

Ich tat einige Schritte zurück.

„Was ist los Sara? Wieso bist du auf einmal so komisch?“ Ich drehte mich von Sissi weg, ging zu Amber und schnappte mir das kleiner Messer aus der Tasche.

Am Baum hielt ich meine Hand gegen die Rinde und hackte die spitze in meinen Handrücken. Ich vernahm den spitzen Schrei Sissis, reagierte jedoch nicht. Ein kleiner weißer Knochen ragte aus der Wunde und ich zog ihn heraus, eine spitze war völlig verkohlt, die andere silbern.

Und plötzlich konnte ich atmen. Tief sog ich die Luft ein und fühlte die Wunde schmerzlich. Doch, ich fühlte wirklich, ich hatte das Gefühl jetzt erst richtig aufgewacht zu sein, denn als ich Sissi erblickte sah ich nur eine Fratze. Einzig Amber war so schön wie eh und je, wie eben ein Panther zu sein vermochte.

„Was ist hier los verdammt noch mal?“, schrie ich ihr entgegen. Eine Flut von Gefühlen prallte auf mich ein, Hoffnung, Freude, Wut und Liebe. Angst und Furcht schienen nicht mehr die einzigen zu sein. Wie Schuppen vor den Augen viel alles von mir ab. Keine Woche hatte ich hier verbracht, sondern ein gesamtes Jahr, ein Jahr indem ich soviel erlebt hatte, doch ich konnte mich nicht mehr erinnern. Nur einige verschwommene Bilder ragten vor meinem inneren Auge auf.

Ich wusste das Sissi mich damals hierher gebracht hatte und dann verschwamm alles. Da war ein Mann gewesen, er hatte mich mitgenommen und dann sah ich alles nur durch einen Schleier. Irgendwann war ich wieder zu Sissi zurück gekehrt. Irgendetwas wichtiges war in mir das ich unbedingt wieder finden wusste.

Mein erster Gedanke ließ mein Herz jedoch höher schlagen. Wut und Glut raste durch meine Blutbahnen während ich Sissi hasserfüllt anstarrte.

„Wo ist er?“

„Von wem redest du, Sara?“, entgegnete sie.

Doch ich ließ mich nicht beirren, nicht nachdem ich langsam wieder zu mir zurück fand.

„Shoooo!“, schrie ich dem Wald entgegen. Die Vögel in den Bäumen erhoben sich wütend, ich hörte ihre Flügel schlagen, ihren meckernden Singsang.

Wie konnten sie es nur wagen mir meine Erinnerungen zu nehmen.
 

Ein erwachte, erfasste Fethe und drückte den Jungen an sich.

„Fethe nicht weinen, Ein bei ihm.“ Er schluchzte herzzerreißend und drückte sich näher an die Riesin heran.

Auch der Felm nebenan war erwacht, allerdings nicht wegen Fethe. Er zog sich die beige Tunika über und verließ das Zelt. Im Schein der sieben Monde dieser Nacht hatte er den Aufschrei vernommen. Die Zeit war gekommen und rechtens um sein Tribut einzufordern.

Seine Augen blickten gen Himmel, auch andere waren unterwegs um ihren Tribut zu zollen.

„Ein, Fethe, macht euch fertig. Wir müssen sofort los.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Glossar:
Kahee - Herrin des Clans
Ahalok - Ratsmitglied
Kuching - hauptstadt der Katzen
Krenäe(n) - Wassernymphe, speziell Quellnymphe Komplett anzeigen

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