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Katzenjammer

von

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Zwischenspiel: Die Frau namens Ein

Sonne wärmt.

Sonnenstrahlen finden ihren weg zu mir.

Einen kann Sonnenstrahlen fühlen.

Einen kann Sonnenstrahlen auf sich fühlen und es tut gut.

Einen ist glücklich.
 

Bulliger als ein Mann, größer als es ein Mensch sein könnte, sitzt auf der halb zerfallenen Bank, in der hintersten Ecke des Verlieses eine Frau. Wenn es spät abends ist und die Dunkelheit Einzug gehalten hat da kommen sie vorbei, ganz zufällig, halten die Lampe in die Höhe und starren sie lange an. Die Frau, die sich selbst Einen nennt.

Sie hat sich noch nie im Spiegel selbst angesehen.

Niemals auch ein Kleid getragen.

Auch kennt sie warme Worte nicht. Eigentlich schon, sie weiß um dessen Bedeutung. Doch wer schenkt ihr diese?

Doch aufgrund der anderen weiß sie, wer sie ist. Wie sie aussieht, was sie ausmacht.

Ihr Gesicht gleicht, dem eines halben Ochsen, ihre Augen seien milchig weiß. Ihre Haut ist der Farbe eines Misthaufens gleich.

Einen hebt ihre Hand, starrt ihr deformiertes Körperglied an. Sie hat sechs Finger und schwarze Flecken bedecken sie. Das muss den Menschen Angst machen denkt sie.

Sie wäscht sich so oft sie kann ihre Haut rein, doch nie verschwinden die Flecken.

Jetzt im Licht der Sonne erscheint ihre Haut so hell, als würde etwas Besonderes von ihr ausgehen, als würde ein Glanz in ihr sein, den die anderen nur nicht sehen konnten.

Ihre Finger streichen darüber, in Gedanken verloren, wie sie ist, wird der Besucher erst zu spät bemerkt.

Es klappert an der Zelle und zwei winzige Augen blicken ihr entgegen, winziger als all die anderen.

„Ein“, flüsterte die Kleinjungenstimme.

Ein, genau, so nennt der Junge sie immer. Fethe, so heißt er, genau das war es.

„Freund“, flüstert ihre dunkle, raue Stimme.

Fethe hat keine Angst vor ihr, er war der Erste, der ihr die Bedeutung von „warmen Worten“ beigebracht hat, auch derjenige, der diesen nahe kommen könnte. Hoffnung prangte in ihrem riesigem Herz, Hoffnung das Sie vielleicht auch einen Zweck haben könne. Ihr massiver Körper erhob sich und mit schlurfenden Schritten näherte sie sich diesem.

Seine Augen waren Himmelblau, das war das Erste, was sie immer sah und sein Lächeln freundlich und naiv. Doch heute lächelte er nicht, sondern Hände umklammerten die Stangen ihrer Zelle und statt einem freundlichen Lächeln spiegelte sich Furcht in seinen Augen wieder.

Sofort kniete sich die Frau nieder und umfasste die kleinen Hände des Jungen.

„Freund. Was ist passiert?“

„Ein“, eine kurze Pause folgte,“du musst weg von hier, ganz schnell und nie wieder kommen.“

In den Augen des Jungen sammelten sich Tränen. Ein hatte ganz schreckliche Angst um den Jungen, fast panisch wurde es ihr als sie den so ruhigen und liebevollen Jungen weinen sah.

„Freund. Ich gehen nicht, ich beschützen dich. Ich gehen nicht.“ Wie um ihn zu beschwichtigen, drückte sie ihn ganz sachte, doch dies schien die falsche Antwort gewesen zu sein.

„Nein! Auf keinen Fall darfst du bleiben, du musst schnell weg von hier, ich hab dir auch was mitgebracht.“

In der einen Hand hielt er den Schlüssel und als sie ihn genauer betrachtete fiel ihr auf das Er einen Beutel, der viel zu groß war, um seinen dünnen Körper geschlungen hatte. Warum weinte ihr Freund? Weshalb musste sie gehen? Hatte Ein ihrem Freund ärger bereitet?

Ihr Blick wurde so liebevoll, wie es ihr nur möglich war. „Ein bleiben bei Freund und nehmen Strafe auf sich, Ein werden Freund vor allem beschützen.“

Fethe klagte und zerrte an ihr, nachdem die Tür geöffnet worden war, doch sie verstand nicht, weshalb sie gehen sollte. Ein war noch nie geflohen. Ein war hier aufgewachsen und lebte nun schon seid zehn Jahren in der Zelle. Gelegentlich hatte man ihr erlaubt die Felder zu besuchen und ihren Bauernfreunden zu helfen, doch meist endete der Spaß am späten Abend und dann hockte sie wieder in ihrer kalten, muffigen Zelle.

Fethes Schluchzen war so groß das Er ihre Gedanken unterbrach. Sie umarmte den Jungen just in diesem Moment, als die Tür zum Kerker geöffnet wurde. Das gleißende Licht von draußen blendete sie, dass sie eine Hand über ihre Augen zog.

„Oh nein, sie hat den Jungen, los schnell schnappt sie.“ Sie schnappte den Satz zwar auf, verstand den Sinn jedoch nicht wirklich. Wer hatte den Jungen? Ein schützte ihren Freund nur.

Sie spürte die harten Hände der Männer, welche sie von Fethe weg zogen. Ihre schreie und Rufe hallten durch den gesamten Kerker. Ein würde nicht gehen, deshalb verstand sie auch nicht, weshalb die Männer sie mit ihren Waffen bedrängten.

Als der Magier in das Verlies schritt, die Robe wallend, der Stab galant an seiner Seite fühlte sie das nackte Grauen.

„Lasst Ein in Ruhe!“, schrie der Junge. Er war außer sich, trat und biss jeden der es wagte ihn zu packen.

„Ihr könnt ihr nicht wehtun, sie versteht euch nicht.“

Wen verstand Ein nicht? Sie tat niemanden weh, doch ihr Kopf schmerzte so sehr, dass sie sich widerstandslos abführen ließ. Draußen strahlte die Sonne so hell und die Hitze war nahezu unerträglich.

Da waren die Blicke wieder, diese angsterfüllten Augen, die offenen Münder und der blanke Hohn, den sie darin erkennen konnte.

Sie führten die riesige Frau in die Mitte des Hofes und ließen sie niederknien. Erneut vernahm sie Fethes schreie, doch noch immer verstand sie nicht. Sie konnte nicht ahnen, dass die Menschen des Landes sie für ein Verbrechen schuldig machten, dass sie unmöglich tun konnte. Vereinzelt waren auch Personen anderer Rassen anwesend. Der Magier war ein Dunkelelf, in der Ecke stand eine Sidhe die Ein ganz gespannt betrachtete. Egal ob Menschen oder andere, niemand würde ihr zur Hilfe kommen. Keiner. Außer vielleicht ...

Es brach Tumult aus. Fethe hatte sich aus den Armen seines Peiniger mithilfe von einigen Tricks befreien können, doch das hatte den Zorn seines Meisters, dem Elfenmagier auf sich gezogen. Ein großes Gerangel herrschte und als der Junge den Herrn der Burg auch noch anspuckte, schien auch das Schicksal desjenigen festzustehen.

Ein starrte das Schauspiel mit großen Augen an.

Fethe? Er sollte an den Galgen? Plötzlich spürte die Frau die Gefahr, sie schlug um sich. Ihr massiger Körper stampfte die vier Soldaten in den Boden. Jeder der ihr zu nahe kam wurde von riesigen Pranken niedergestreckt. Die einfachen Menschen flüchteten vor der Kraft des ausgebrochenen Bösen oder feuerten die Soldaten an. Der Burgherr hatte sich zurückgezogen und nun war als Einziger der Magier zwischen ihr und dem halb bewusstlosen Jungen nebst Soldaten.

„Freund. Ich beschütze.“

Der Magier war hochgewachsen, von schlankem Wuchs genau wie Fethe, doch sein Gesicht spiegelte Abscheu statt Freundlichkeit wieder. Er hob seinen Stab und ließ einen Feuerregen niedergehen.

Sie brannte, innerlich wie äußerlich. Ihre Haut schien sich abzutrennen und ihr Herz schmerzte, weil so viel Boshaftigkeit herrschte. Wie konnte man einander nur so weh tun? Ihr kamen die Tränen. Welchen Schmerz musste der Magier durchgemacht haben, um ihr so weh zu tun.

Nichtsdestotrotz kämpfte sie sich weiter, bald erreicht eine Hand den Mann. Ihre Finger umklammerten den Hals des Mannes und drückten ganz fest zu. Fest. Und noch viel mehr.

Als das Keuchen von Fethe erklang, ließ sie den Elfen zu Boden sinken und schubste den Soldaten beiseite.

Die himmelblauen Augen des Jungen wirkten müde, doch er lebte. Sie hob ihn hoch, setzte ihn auf die massigen Schultern ihres Körpers, griff noch nach dem ihr erscheinenden winzigen Sack und bahnte sich einen Weg durch die Menge.

Dabei stapfte sie extra fest auf den Boden, um die Massen zu vertreiben. Niemand konnte ihr etwas anhaben, denn keiner würde Fethe je verletzen können, dafür würde Ein sorgen.

„Wohin jetzt?“, seine Frage klang so unendlich müde.

„Sonnenstrahlen. Kinder der Sonne.“

Fethe klammerte sich an ihren Kopf und legte seinen auf ihren.

„Ich vertrau dir nur denk daran, dass wir einen Schlafplatz brauchen und essen.“

„Ein wird dich beschützen.“



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