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Evenfall

[Itachi x Sakura | non-massacre AU | dorks to lovers]
von

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A Step Forward

 
 

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Sakura wusste nicht, ob sie froh sein sollte über die Ablenkung im Krankenhaus oder nicht. Wenn sie ehrlich zu sich war, war es nicht schlecht, 'die Sache' abkühlen zu lassen. In stillen Momenten erwischte sie sich nach wie vor bei Erinnerungen an diesen Kuss. Sie seufzte. Wenn sie noch ehrlicher war, vermisste sie Itachi, so pathetisch es auch klang. Seit Kumogakure – und das war inzwischen ein halbes Jahr her – hatten sie sich regelmäßig gesehen. Dass diese Treffen schlagartig aufgehört hatten, war ihr nicht recht. Nichtsdestoweniger verstand sie die Gründe. Seit dem Überfall auf Konoha vor zwei Wochen arbeitete sie wegen akutem Personalmangel in Doppelschichten, manchmal sogar Dreifachschichten.

Dabei war es kein Personalmangel, sondern akute Überbelegung. Die Schlacht hatte mehr Opfer zutage gefördert als zuerst gedacht; stündlich kamen neue Patienten: Shinobi, die medizinische Hilfe bislang aus Stolz verweigert hatten, Zivilisten, die sich beim Wiederaufbau schwer verletzten. Entzündungen, Nachkontrollen, septische Anfälle, Neuzugänge und Entlassungen roulierten wie ein angetriebenes Kreisel. Sakura sah seit Tagen nicht mehr als weiße Kittel, Anamnesen, Krankenblätter und Bandagen. Sie schlief aus praktischen Gründen in ihrem Büro, in das sie sich eine geklaute Rolltrage gestellt hatte, die weder bequem noch entspannend war, was ohnehin keinen Sinn gemacht hätte. Das ganze Krankenhaus saß auf Nadeln, immer bereit für den nächsten Notfall. Sie als Verantwortliche des Hospitals saß auf einem ganzen Nadelkissen, in das ein besonders schlaues Individuum die Nadeln mit der Spitze nach oben gesteckt zu haben schien.

Im Endeffekt hatte sie wenig Zeit, um über Itachi und sich zu sinnieren – für den Fall, dass es diese Einheit überhaupt gab, was sie stark bezweifelte. Was hatte sie auch erwartet? Tatsächlich blieb während den Pausen trotzdem irgendwie immer noch genügend Zeit, an ihn zu denken. Es war eine nette Alternative zu dem Leid, das sie umgab. Itachi selbst, so hatte sie gehört, war mitsamt seines Teams mit diversen ANBU Angelegenheiten beschäftigt. Ein einziges Mal war er im Krankenhaus gewesen. Er hatte Asuka abgeholt, die sich während ihrer Hilfe beim Aufbau eines Gebäudes – was die Familie ihr strengstens untersagt hatte – eine Beinverletzung zugezogen hatte. Sakura hatte erst im Nachhinein davon erfahren, Stunden nachdem sie gegangen waren. Sie hatte sich unwohl dabei gefühlt, die behandelnde Ärztin danach zu fragen, ob er sich nach ihr erkundigt hätte. Getan hatte sie es trotzdem und die Antwort war eine Verneinung gewesen, die ihr für den restlichen Nachmittag die Laune verhagelt hatte.

Es war mittlerweile acht Tage her, seitdem hatte sie nicht einmal mehr von ihm gehört. Um ehrlich zu bleiben – und als Rechtfertigung, die sie ihm aufzwang – musste sie sich eingestehen, von niemandem etwas gehört zu haben. Ino war als Helferin im Krankenhaus stationiert und selbst diese bekam sie nur zu Gesicht, wenn der blonden Iryōnin ein Patient zu sterben drohte. Naruto und Sasuke schienen wie vom Erdboden verschluckt, wobei Sasuke gewiss in Familienangelegenheiten unterwegs oder eben nicht unterwegs war und Naruto angeblich von einer Baustelle zur nächsten rauschte, um Motivation und Freude überall dort zu versprühen, wo er konnte. Hauptsächlich ihm war es zu verdanken, dass auf Konohas Straßen manches Gesicht bereits wieder lächelte.

»Sakura-sensei!«, rief ein Pfleger sie herbei. Es war das vierundvierzigste Mal, dass sie sich seit Beginn ihrer zweiten Schicht angesprochen fand. Dieser war vor einer Stunde gewesen.

»Ja?« Aufmerksam legte sie ihr Klemmbrett auf das Pult zurück. Sie konnte kaum erwarten, wer es diesmal wagte während ihrer Schicht zu sterben. In den letzten fünf hatte sie niemanden verloren. Das würde auch für die sechste gelten.

»Jemand möchte Sie sprechen«, informierte der Pfleger weiter und sie zog überrascht die Augenbrauen hoch. Wer wagte es wohl, sie während der Arbeitszeit zu stören? Ein Funken der Hoffnung entzündete sich spontan in ihren Gedanken. Schlagartig wurde sie neugierig. »Wer?«

»Sakura.«

Die tiefe, männliche Stimme hatte sie schon länger nicht mehr gehört, aber sie hätte Inos faulen Teamkameraden überall erkannt. Dagegen half auch der Staub und Dreck auf Shikamarus Haut nicht. Als sie ihn fehlerfrei identifiziert hatte, wurde sie noch neugieriger.

»Shikamaru. Solltest du nicht in Sunagakure sein, um ein Chūninexamen zu planen, das nicht stattfinden wird?«

»Wir haben keine Zeit für Scherze, Sakura«, antwortete er ungeduldig, senkte angesichts der menschenbesetzten Kulisse jedoch sofort die Stimme. Er schob sie an den Schultern in eine unbeachtete Ecke, in der eine Topfpflanze ihr tristes Dasein fristete.

»Was ist passiert?«, fragte sie leise.

»Ein Fauxpas.« Er senkte die Lautstärke weiter, bis Sakura ihren Kopf näher zu ihm schieben musste, um ihn verstehen zu können. »Suna schleuste Spione nach Iwa ein, doch sie flogen auf. Ich kam so schnell ich konnte, aber der Vorfall ist bereits fünf Tage her. Inzwischen weiß der Tsuchikage von allem und hat sicherlich bereits Maßnahmen ergriffen. Hokage-sama ist in die Details meiner Mission eingeweiht, aber ich kann sie in diesem Trümmerfeld nirgends finden! Verdammt, Sakura, was ist hier passiert?«

»Orochimaru«, spuckte sie grimmig aus. »Tsunade-sama konnte ihn erledigen, jedoch liegt sie seitdem im Koma. Oto hatte sich mit Kiri verbündet, als es uns angriff. Wir verloren viele Leute – deine Eltern und deinem Team geht es gut, keine Sorge – aber ob Tsunade-sama jemals wieder das Bewusstsein erlangen wird ist fraglich.«

»Wer hat das Sagen? Ich brauche eine Autoritätsperson!« Shikamarus Griff um ihren Oberarm, mit dem er sie schräg Richtung Wand hielt, verfestigte sich. »Ich kann nicht entscheiden, wie es weitergehen soll, dazu habe ich zu wenig Kenntnisse und Befugnisse und Jiraiya-sama ist nicht auffindbar. Wir müssen irgendjemanden auftreiben, der weiß, was zu tun ist!«

»Ich habe das Krankenhaus seit zwei Wochen nicht verlassen, Shikamaru! Ich kann dir nicht hel –« Sakura brach ab, ihre grünen Augen verengten sich entschlossen. »Ich weiß nicht was zu tun ist, aber ich kenne jemanden, der es weiß.«
 

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Shikamaru verlagerte skeptisch sein Gewicht von einem Bein auf das andere als sie vor dem Gebäude ankamen.

»Ernsthaft, Sakura?«, hakte er nach, als würde es etwas an der Realität ändern. »Von allen Menschen, die wir im großen Konohagakure no Sato kennen, ist dir als allererstes Uchiha Itachi eingefallen?«

»Sei doch ruhig«, brummte sie. Wenn er ihre Entscheidung infrage stellte, hätte er nicht mitkommen müssen. Er hatte sie um Hilfe gebeten, hier bekam er sie. »Wenn jemand weiß, was zu tun ist, dann Itachi.«

»Itachi

Sie verdrehte die Augen. Als wäre das ein geeigneter Zeitpunkt für eine sinnlose Diskussion über die rechte Handhabung von Suffixen, die nun wirklich niemanden interessierten! Sie hatte für ihn ihre Schicht vorzeitig beendet und Shizune die alleinige Verantwortung für ein gesamtes Krankenhaus überlassen, in dem Menschen starben, wenn sie nicht anwesend war. Ein wenig mehr Dankbarkeit hätte sie für angebracht gehalten, angesichts des Ernstes der Lage behielt sie sich jedoch vor, diesen Gedanken unausgesprochen zu lassen. »Möchtest du seine Hilfe nun oder nicht?«

»Jaja«, versetzte Shikamaru ihren ungeduldigen Unterton. Schweigend folgte er ihr im Eilschritt in das Haupthaus der Uchihas.

Wieso sie ihn gerade dort vermutete, wusste Sakura selbst nicht. Intuition, Gespür, Glück, es konnten viele Dinge sein, die sie dazu veranlasst hatten, gerade dort nachzusehen. Am einleuchtendsten erschien ihr die Tatsache, dass sie nicht wusste, wo sie sonst hätte suchen können. Ob Uchiha Itachi geheime Lieblingsplätze hatte? Wenn, dann waren sie tatsächlich geheim. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er viel außerhalb der Mauern des Uchihaviertels unterwegs war. Wenn sie in einem Distrikt leben würde, in dem es einen privaten Onsen, einen eigenen Trainingsplatz und sogar einen Kiosk gab, hätte sie nie auch nur einen Meter vom wahren Konoha gesehen.

Ihre Ahnung – Intuition, Gespür, Glück, was auch immer – erwies sich als korrekt. Er kniete im Seiza vor seinem Vater und seiner Tante, die beide in strengem Blick auf seine leicht gebeugte Statur herabsahen. Er wirkte, als hätte er eben eine Rüge bekommen, die er nur der Etikette halber akzeptierte. In seinen Augen loderte Einspruch, der ungesagt blieb. Sakura störte sich nicht an der intimen Szene, die sie und Shikamaru mit ihrem rüden Eintreten in aller Kunst zerstörten.

»Itachi-san!«, rief sie ihn bewusst höflicher als mittlerweile gewöhnt. Vor seinen Verwandten machte es gewiss keinen guten Eindruck, ihn allzu vertraut zu adressieren. Er schien erfreut zu sein, sie zu sehen, oder erleichtert, der heiklen Situation vor den tonangebenden Menschen des Klans mit einer guten Entschuldigung entkommen zu können. Sakura verbeugte sich erst vor Fugaku, anschließend vor Haru und bedeutete Itachi schlussendlich unangemessen unhöflich, ihr nach draußen zu folgen. Er erhob sich wortlos, zollte den Älteren den gebührenden Respekt mit einer Verbeugung und tat, wie ihm geheißen.

»Was ist passiert?«, wollte er ernst wissen. Dass sie nicht hergekommen war, um Hallo zu sagen, war alleine schon an Shikamarus Präsenz auszumachen. Diesem schnitt sie sogleich das Wort ab, ehe er sich erklären konnte.

»Wir brauchen jemanden mit politischer Macht, der auf unserer Seite steht. Jiraiya am besten. Bitte sag mir, dass Jiraiya-sama provisorisch das Amt des Hokage übernommen hat!

Itachis Kopfschütteln vernichtete den kleinen Keim ihrer Hoffnungen sofort. »Danzō ist nach wie vor im Gespräch. Jiraiya-sama lehnt es kategorisch ab, Konoha in diesem Krieg anzuführen, und ich denke auch nicht, dass er ein guter Heerführer wäre. Die derzeitigen Entscheidungen müssen sorgfältig getroffen werden.«

»Darum geht es ja!«, setzte sie aufgeregt fort. »Shikamaru, erzähl es ihm.«

Zum zweiten Mal skizzierte Shikamaru die Geschehnisse an der Grenze zu Ishi no Kuni, diesmal sehr viel ausführlicher. Itachi war nicht eingeweiht in die geheime Doppelmission, nickte jedoch ab und an und zog zwischendurch korrekte Schlussfolgerungen, die am Ende ein treffendes Gesamtbild ergaben. Mit jeder Silbe wurde seine Miene, sofern möglich, finsterer. Sakura konnte sich an die wenigen Momente vor dem Beginn ihrer Freundschaft erinnern, an denen sie ihn als Sasukes großen Bruder gesehen hatte. Genau dieses Gesicht, das er jetzt hatte, hatte sie ihn damals fürchten lassen. Selbst jetzt, nach allem, was sie miteinander erlebt hatten, lief ihr bei den düsteren Schatten auf seiner glatten Haut ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Dass er sie in keinster Weise anders behandelte als eine entfernt bekannte Kunoichi, war ein weiterer Punkt, der ihr unwohl zumute werden ließ.

Sie hasste sich für diese Gedanken. Noch mehr hasste sie sich dafür, dass sie unpassend und irrelevant waren. Konoha stand am Abgrund und sie machte sich Gedanken um ihr verqueres, nicht vorhandenes Liebesleben! Itachi hatte längst damit aufgehört, seine Wissenslücken restlos zu füllen. Er und Shikamaru nickten sich in stummen Einvernehmen zu, der jüngere von beiden sichtlich angespannt im Angesicht des berüchtigten ANBU Captains Konohas.

»Ich werde Shizune holen«, schlug Shikamaru vor. »Sie als Hokage-samas Vertraute kann am besten mit ihren Argumenten agieren.«

»Gut.« Es klang wie eine Erlaubnis. »Ich gehe zu Jiraiya-sama, um ihn von den neuen Entwicklungen in Kenntnis zu setzen.«

»Ich komme mit«, entschied Sakura. Sie wurde von Sasuke, Naruto und Sai ständig übergangen. Diese Unart würde sie sich hier gar nicht erst einreißen lassen. »Ich bin immerhin Tsunade-samas Schülerin. Bitte, Itachi, die Iryōnin im Krankenhaus kommen auch ein paar Stunden ohne mich zurecht. Ich kann meine Augen nicht davor verschließen!«

»Du bist kein Ninja mit politischer Funktion«, verwies er sie auf ihr Level als Iryōnin. Itachis Stimme war nicht beleidigend, aber entschieden. »Weder die Goikenban noch Danzō werden auf das hören, was du zu sagen hast. Kümmere dich lieber um deinen Aufgabenbereich, anstatt meine Argumentation zu flankieren. Das hier ist größer als du dir vorstellen kannst.«

Sakura stieß raues Grollen gegen ihn aus und gestikulierte um ihren Körper herum. »Zur Hölle damit, ich bin Jōnin!« Sie biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab. Shizune. Shizune war vonnöten. Sie war Tsunades erfahrenere Schülerin. Und wenn Shizune ausgeflogen war, musste jemand das Krankenhaus am roulieren halten. »Schön«, fauchte sie unwirsch und verließ strammen Schrittes das Anwesen. Wenn Itachi ihre Anwesenheit nicht wünschte, würde sie sie ihm nicht aufzwingen. Es lag ihr fern, ihm ihre Präsenz jemals wieder aufzuzwingen.
 

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Itachi stand in einer Reihe mit Shizune vor Danzō, Jiraiya und den Goikenban. Nara war schnell gewesen. Als er am Kageturm angekommen war, hatte er kaum fünf Minuten auf Shizunes Ankunft warten müssen. Er hätte auch ohne sie in das Ratszimmer der Goikenban gehen können, immerhin war er über alles Relevante maßgeblich im Bilde. Nur ging es nicht primär um die neuen – akuten – Entwicklungen, sondern um Entscheidung, wie man weiter zu verfahren hatte. Dazu war Shizune nötig. Sie kannte die Hokage besser als jeder andere, hatte Jiraiya halbwegs im Griff und war am ehesten in alle Vorhaben ihrer Meisterin eingeweiht.

Zusammen waren sie in eine schwermütige Diskussion getreten, in der es, wie schon seit Tagen, darum ging, wen man zum neuen Hokage machen sollte. Irgendwann hatten sie sich festgefahren, weit weg von weltlichen Argumenten. Itachi konnte nicht behaupten, es ihnen nachempfinden zu können. Sobald ein Satz Punkt und Komma hatte, sollte der Sprecher bemüht sein, ihm zweifellose Sinnhaftigkeit unterzuordnen. Hätten die Kontrahenten sich an objektive Argumentationen zum Wohle Konohas gehalten, hätte die Diskussion längst ein Ende mit Jiraiyas Ernennung zum Rokudaime Hokage Kōho gehabt. Leider war dies Itachis subjektive Meinung. Er war nicht naiv genug, um mehrere Wahrheiten nicht nebeneinander existieren lassen zu können. Danzō mochte einen anderen Weg einschlagen wollen, seine Loyalität galt offiziell jedoch Konoha, ebenso wie Jiraiyas. Das Thema hatte sich ohnehin längst verkehrt: es ging nicht mehr darum, wer temporärer Vertreter der Godaime mit Aussicht auf den Posten als Rokudaime werden würde, sondern wer nicht.

»Itachi-san!«, grüßte Jiraiya ihn überrascht. Er stand leise ächzend auf und streckte sich ausgiebig. »Du kannst gleich hierbleiben, um dem neuen Hokage zu seinem Amt zu gratulieren.«

»Ist es entschieden?« Itachi neigte seinen Kopf zum respektvollen Gruß.

»Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese alten Käuze einknicken.«

»Wir können dich hören, Jiraiya!«, polterte Koharu von hinten. Auch sie erhob sich, was sie immer noch klein bleiben ließ. Ihr faltiges Gesicht zeigte eine negative Emotion, die unter den Schichten von Haut nicht zu deuten war. Was den Neuankömmlingen zu gleicher Maßen mehr Sorgen bereitete war die Schriftolle, die sie in der Hand hielt. Das karmesinrote Siegel war erbrochen worden. Noch wichtiger war die Tatsache, dass die Farbe des Wachses keiner der Shinobinationen entsprach, mit denen aktive Korrespondenz bestand. Shizune unterdrückte neben ihm den Angstimpuls, sich an das pochende Herz zu fassen.

»Gerade deswegen müssen wir handeln.« Danzō erhob sich zu seiner vollen Größe. »Wir bekamen einen äußerst bedenklichen Brief –«

»Schweig!«, fauchte Koharu. »Du hast nicht das Recht, vertrauliche Informationen an x-beliebige Shinobi weiterzugeben!«

»Bei allem Respekt«, mischte Shizune sich ein. Ihre Stimme war fester als sie sich zugetraut hätte. »Wir sind keine x-beliebigen Shinobi! Uchiha Itachi ist Captain der ANBU und ich bin die Schülern der wahren Hokage. Wenn es jemanden gibt, der Anrecht auf das Wissen um den Inhalt dieses Schreibens hat, sind es wir –«

Sie brach ab, als Itachi seine gleichmäßige, tiefe Stimme erhob. Wenn sie gedacht hatte, ihr Tonfall wäre steinhart, war der seine aus Granit. »Ich verlange diese Schriftrolle zu lesen.«

Shizune schluckte. Es war keine Aufforderung, es war ein Befehl, dem er der nach der Hokage wichtigsten Frau Konohas gab. Mental zählte er, wie lange Koharu brauchte, um zu gehorchen. Die Alte war sturer als gedacht, gegen seine Kompromisslosigkeit war jedoch auch sie machtlos. Sie haderte kurz mit sich – viel länger als er ihr zugetraut hätte – bis sie die Nachricht aufrollte und vorzulesen begann.

»Wir, Akatsuki, verlangen als Pfand für den Weltfrieden eine erbringbare Gefälligkeit auf Seiten Konohagakure no Satos. Zur Komplettierung unserer Ziele fordern wir die Offenlegung der Identität des Jinchūriki, der Kyūbi in sich hält, und seine unbedingt Auslieferung.«

»Das ist schlecht«, schlussfolgerte er. Shizune warf ihm einen ungläubigen Seitenblick zu. Das war also schlecht? Es war eine Katastrophe!

»Wir werden Naruto doch nicht ausliefern!«, rief sie aufgeregt. »Oder?«

Jiraiya zuckte die Schultern. »Es spielt keine Rolle mehr. Kumogakure erhielt ein recht identisches Schreiben, in dem Akatsuki ihren 'Anspruch' auf Hachibi deutlich macht. Da es sich bei dessen Jinchūriki um den Bruder des Raikagen handelt, hat Kumo die Forderung abgelehnt. Gleichzeitig schickten sie uns eine Abschrift der Allianzvereinbarung, die wir vor Jahrzehnten trafen. Laut derer sind wir verpflichtet in den Krieg zwischen Kumo und Akatsuki, Kiri und Ame einzusteigen.«

Wie befürchtet. Wer hätte gedacht, dass die Vorhersagen so präzise greifen würden?

»Es kommt noch schlimmer«, sagte Itachi maßlos ruhig. »Ich nehme an, jeder in diesem Raum ist über die Doppelmission Sunagakures in Iwagakure im Bilde. Laut Berichten unseres Kontaktmannes schlug sie fehl. Iwagakure sympathisierte schon früher mit Sanshōuo no Hanzō. Seit seinem Ableben ist Akatsuki in ihr Interessensfeld gerückt.«

»Das ist leider wahr«, bestätigte Shizune unnötigerweise. »Akatsuki und der Tsuchikage verfolgen oberflächlich dieselben Ziele: Macht, Reichtum, territoriale Erweiterung. Tsunade-sama hatte monatelang versucht, den Clinch zwischen Tsuchi und dem Rest der Welt beizulegen, doch die Verblendung dieser Hinterwäldler lässt sie nicht erkennen, dass sie Akatsukis Werkzeuge sind. Es würde mich sehr wundern, wenn nicht in diesem Moment ein Vertrag unterzeichnet würde, der den Zusammenschluss dieser Großmächte besiegelt.«

»Wir rekapitulieren.« Danzō hob seinen Kopf. Sein Stock klopfte dreimal auf dem Boden auf, dann hatte er zu Ende überlegt. »Suna gegen Iwa. Konoha und Kumo gegen Ame, Akatsuki und Kiri, wobei Suna durch die Allianzverträge Konoha mit sich in den westlichen Disput zieht. Wir wiederum ziehen Kumo mit. Das ist ein Stellungskrieg an drei Fronten.«

Shizune warf unwirsch die Hände in die eisig gewordene Luft. »Das ist kein Stellungskrieg, das ist eine globale Katastrophe!«

»Ob Krieg oder Katastrophe«, fuhr er unberührt von dieser nichtigen Korrektur fort, »Tsunade hat Konohagakure no Sato mit ihrer oberflächlichen Beschwichtigungspolitik gekonnt an die Wand gefahren. Wir können froh sein, dass die Disparitäten sie dazu gezwungen haben, eine Armee zu formieren. Niemand kennt unsere wahre Schlagkraft. Wenn wir uns jetzt mobilisieren, sind wir in spätestens einem Monat bereit für einen Feldzug. Ich habe das Amt des Hokage erbeten, weil ich der einzige in diesem Dorf bin, der den Mut zu handeln aufbringt. Nun verlange ich es. Wenn wir weiterhin in der Defensive bleiben, können wir gegen diese Übermacht nicht gewinnen.«

Tiefes Brummen ging von den Goikenban aus. Die beiden sahen sich weder an, geschweige denn sprachen miteinander. Wie auch immer sie ihre Entscheidung gefällt hatten, sie hatten es im kompromisslosen Einvernehmen getan. Koharu sah mit ihren müden, von Falten überlappten Augen von einem Anwesenden zum nächsten. Shizune wusste, was sie beschlossen hatte. Diese senile Alte war nach allem, was sie durchgemacht hatte, immer noch das, als was sie berühmt geworden war: eine Kriegerin.

»Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen«, setzte sie zu jener Rede an, die Shizune vom ersten Augenblick an gefürchtet hatte. »Da sich Konoha in einer Ausnahmesituation befindet, ernennen wir dich, Shimura Danzō, zum temporären Oberbefehlshaber über die gesamte militärische Schlagkraft des Dorfes. Die politische Macht wird weiterhin bei uns als Vertreter der Hokage liegen. Von heute bis zum Ende des Krieges oder Tsunade-himes Rückkehr verfügst du über sämtliche Ninjas in Konoha. Sobald die schriftliche Kriegserklärung unterzeichnet ist, wird in Konoha der Kriegszustand ausgerufen.« Sie schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Jiraiya.«

Er zischte verächtlich gen Boden, die Hände an seiner Seite zu Fäusten geballt. »Ihr werdet sehen, was ihr davon habt, einen machtbesessenen Möchtegerndaimyō an die Spitze unseres Dorfes zu setzen. Wenn Konoha in diesem Krieg untergeht, ist es eure Schuld. Das wisst ihr hoffentlich. Ich habe noch etwas zu erledigen. Guten Tag.« Er verbeugte sich knapp, was nicht höhnischer hätte sein können, trat einen Schritt zurück und verschwand in einer dichten Nebelwolke.
 

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Man half mit geballter Kraft an jeder Ecke Konohas. Jeder noch so schwache, alte, junge oder antisoziale Bewohner, gleich Shinobi oder Zivilist, packte gleichermaßen mit Eifer an. Wirklich alle –  außer die hochwohlgeborenen Mitglieder zweier Klans, die sich zu fein für solch schändlich vulgäre Arbeit waren. Uchiha Sasuke hatte sich nicht ein einziges Mal bei den Aufbauarbeiten des Rekonstruktionsprogrammes blicken lassen, obwohl Naruto und Sakura ihn mehrfach darum gebeten hatten. Da das Uchihaviertel kaum beschädigt worden war, hätte man meinen können, zumindest die rangniederen Mitglieder des Klans auf den Baustellen antreffen zu können, aber diese von Sakura leichtfertig getroffene Annahme hatte sich zu ihrem Missfallen nicht bewahrheitet, was ihre mentale Statistik richtiger Prognosen zurückwarf. Dass sie sich nur ärgerte, weil nicht nur Sasuke nicht mithalf, sondern natürlich in weiterer Folge auch kein anderer Uchiha im Allgemeinen – Itachi im Speziellen –, brauchte sie vor sich gar nicht erst zu negieren. Natürlich wusste sie, dass Uchiha Itachi – Uchiha Itachi – weitaus Dringlicheres zu tun hatte, denn Ziegel auf Mörtel zu schichten, um den einzigen zerstörten Teil des Krankenhauses zu reparieren. Der angeschlagenen Südflügel war ein zu vernachlässigender Kollateralschaden gewesen, bis die Überbelegung langsam akut geworden war. Mit dem Wiederaufbau dieses Teils schaffte man neue Betten, die dringend gebraucht wurden.

Trotz dieses Problems war Sakura zufrieden. Dass sie Zeit hatte, an der Seite einiger anderer freiwilliger Helfer draußen in der Wintersonne Tonnen von Baumaterial hin und her zu transportieren, anstatt im Inneren hektisch von einem Notfall zum nächsten zu sprinten, war ein gutes Zeichen. Sie hatten die Infektionen in den Griff bekommen, die meisten Verletzten waren stabil und der Rest würde entweder überleben oder sterben. Ihr Zutun konnte in diesem Stadium keine Verbesserung mehr leisten. Dass sie nach über zwei Wochen unermüdlicher Arbeit im Krankenhaus endlich wieder körperlicher Betätigung nachgehen konnte, war befreiender als sie sich vorgestellt hatte. Trotzdem sie die einzige Frau unter den Helfern war, hatte sie freiwillig sämtliche schweren Arbeiten übernommen, bloß um ihrem Frust Raum zu schaffen. Wo immer sie Zementsäcke, Backsteine oder Metallplatten fallen ließ, stellte sie sich vor, wahlweise Sasukes oder Itachis Gesicht darunter begraben zu können.

Mit zunehmender Zeitspanne seit dem Kuss hatte sich ihre Meinung zusehends ins Gegenteil verkehrt. Sie war sauer. Verärgert. Genervt. Gestern hatten sie einander zum ersten Mal seit dem Zwischenfall wiedergesehen und obwohl Sakura trotz der angespannten Situation Itachis Verhalten genau beobachtet hatte, hatte er nicht einmal den leisesten Anschein einer Reaktion auf sie gezeigt. Das machte sie wütend. So vorgeführt zu werden! Ignoriert! Einfach so! Dieser Mistkerl hielt sich nach wie vor für etwas Besseres, selbst nachdem sie ihr Herz vor ihm ausgeschüttet hatte.

Naja, fast.

Mit diesem Ärger im Bauch stach sie einen Spaten in die Erde, bloß um niemandem weh zu tun. Es hatte einen Rohrbruch gegeben, der behoben werden musste. Angetrieben von diesem Ärger war sie mit Narutos – überraschenderweise stummen – Hilfe anderthalb Meter tief gekommen, wo die Spitze ihrer Schaufel endlich auf die Leitung traf. Mit ihrem Unterarm wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und sah auf, als jemand ihren und Narutos Namen nannte.

»Naruto! Sakura-chan!«

»Ero-sennin!«, entgegnete Naruto erfreut. »Wollen Sie uns helfen? Wir müssen noch sieben Meter lang Rohre freilegen.«

»Müsst ihr nicht«, berichtigte der letzte ansprechbare Sannin. Er half Sakura zuvorkommend aus der länglichen Grube, Naruto musste sich alleine auf die Oberfläche zurückhieven. »Ich habe eine spezielle Aufgabe für euch; das bedeutet eher für dich, Sakura.«

Das machte sie neugierig. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als er auf ihren fragenden Blick hin nicht antwortete. Eine Minute lang geschah nichts, dann pufften zwei Shinobi aus dem Nichts etwas abseits der drei aus einer Nebelwolke. Zwei Uchihas. So viel also dazu, Teufel mit Gedanken zu beschwören. Zu gerne hätte Sakura den beiden Werkzeuge in die Hand gedrückt, doch die ungewöhnlich ernsten Gesichtsausdrücke der beiden älteren Shinobi ließ sie innehalten. Von Itachi war sie verbissene Mimik gewöhnt, Jiraiya war ein anderes Blatt.

»Danke, dass du ihn so schnell hergebracht hast, Itachi-san«, bedankte Jiraiya sich. Mit einem Kopfnicken holte er Sasuke zu seinen Teamkameraden.

»Ich habe nur meine Arbeit gemacht, Jiraiya-sama.«

Bescheiden wie immer, zischte Sakura grimmig in Gedanken. Sie rollte mit den Augen, wohl zu auffällig, denn Itachis verständnisloser Blick traf sie sofort, woraufhin sie missmutig schnaubte und ihn in weiterer Folge rigoros ignorierte. Exakt zwölf Sekunden lang. Noch vor einer Minute hatte sie sich gewünscht, er möge ihr Aufmerksamkeit schenken, nun revidierte sie diese Leichtfertigkeit. Sein Blick verriet jeden Tadel. Sie war dreckig, verschwitzt, ihre Kleidung war zerschlissen und ihre Haare ungewaschen. Obwohl sie sich nicht danach fühlte, hatte sie ihrem Körper mal wieder mehr abverlangt als notwendig, bloß weil Emotionen sie geleitet hatten. Das und mehr konnte sie aus seinen Augen lesen, die zwar nur kurz, dafür aber umso eindringlicher auf ihr ruhten.

»Du solltest dich nicht gewohnheitsmäßig über deine Grenzen zwingen, Sakura«, verlieh er seinen Gedanken schließlich verbalen Ausdruck. »Festeres Schuhwerk wäre außerdem angebracht.« Dann verbeugte er sich vor Jiraiya, verschwand und ließ Sakura mit hochrotem Gesicht zurück, das sie gen Boden gerichtet hatte, beide Hände zu Fäusten geballt.

»Pass auf, dass du nicht explodierst«, riet Sasuke ihr, doch sein Scherz kam nicht bei ihr an. Eine Erkenntnis schrie in ihr und übertönte alles. Nichts hatte sich verändert. Uchiha Itachi war eine pedantische Nervensäge, ein Klugscheißer und zudem auch noch die Dimension von Anmaßung. Es dauert einige Herzschläge, bis sie ihren Ärger über ihn und sich selbst hinuntergeschluckt hatte. Explodieren würde sie nicht, dafür erschien ihr eine Implosion ziemlich möglich. Es war beschlossene Sache: sie würde diesen Kuss vergessen.

»Würden Sie uns endlich erklären, wieso Sie hier sind, Jiraiya-sama?«, presste sie aus zusammengebissenen Zähnen hervor, sich ihrer angespannten Tonlage, die aus dem Nichts zu kommen schien, durchaus bewusst.

Jiraiya klatschte aufmunternd in die Hände. »Für lange Erklärungen bleibt keine Zeit. In wenigen Stunden wird in Konoha der Kriegsnotstand ausgerufen. Ich möchte euch nichts vormachen. Dieser Krieg ist das Resultat einer langen Verkettung ungünstiger Umstände, im Endeffekt jedoch ausgelöst durch die beiden verbleibenden Jinchūriki, den Wirten von Gyūki und Kyūbi. Es wird Anschuldigungen von einigen Seiten geben, die ungerecht und haltlos, aber belastend sein können. Akatsuki ist hinter den letzten zwei Bijū her, das macht Naruto zu einem von zwei Hauptzielen, was wiederum euch auf den Plan ruft. Sasuke, Sakura-chan. Ich möchte – ich verlange von euch – und dies ist ein offizieller Befehl, dass mindestens einer von euch immer an Narutos Seite ist. Wenn wir Akatsuki richtig einschätzen, werden sie nicht so dumm sein, nach Konoha zu marschieren, um Naruto zu entführen, aber sie könnten Schergen aussenden. Kirinin, Iwanin, fanatische Abtrünnige. Sakura-chan, du hast schon einmal einen Akatsuki in alle Einzelteile zerlegt und Uchiha ist durch das Sharingan das perfekte Frühwarnsystem.«

»Ich will nicht Narutos Kindermädchen spielen«, resümierte Sasuke wenig begeistert von dieser Vorstellung. Er suchte Sakuras Blick, die ebenso wenig von dieser Aufgabe hielt.

»Er kann auf sich selbst aufpassen«, meinte sie.

»Er ist ein Hitzkopf«, konterte Jiraiya, womit er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.

Sasuke schnaubte. »Das vielleicht, aber wie stellen Sie sich das vor, Jiraiya-sama? Sollen wir uns alle in seiner Wohnung einquartieren? Er wohnt in einem Rattenloch!«

»Er«, fuhr Naruto dazwischen, »Kann auf sich selbst aufpassen! Er ist übrigens ich! Hört damit auf, Dinge über mich über meinen Kopf hinweg zu entscheiden!«

»Könntest du bitte weniger egozentrisch sein?« Sakura stieß ihn in die Saite. Fester als geplant, woraufhin er sie entsetzt ansah. »Hier geht es doch nicht um dich als Person! Es ist eine Frage der internationalen Sicherheit. Man kann sich nicht vorstellen, was geschähe, wenn sie alle Bijū zusammen hätten. Es steht viel auf dem Spiel. Sind zwei Jōnin genug? Jiraiya-sama, Sie wissen, wie launisch Naruto sein kann.«

»Ich bin nicht launisch!«, mischte der Blonde sich von seitlich ein. »Und hört damit auf, von mir zu sprechen, als wäre ich nicht hier!«

Jiraiya überging ihn gekonnt. »Sai wird mit einem Team zusammen die Umgebung überwachen, außerdem sind mehrere operative ANBU Teams sowie Itachis Trupp als Grenzpatrouillen unterwegs, um mögliche Angreifer fernzuhalten.«

Das beendete wenigstens die Option, Itachi zufällig über den Weg zu laufen, was Sakura nicht unbedingt unangenehm war. Zumindest versuchte sie sich das einzureden. Mit einer neuen Aufgabe betraut war es gewiss einfacher, ihn sich aus dem Kopf zu schlagen. Selbst wenn sie diesen mit einem Vorschlaghammer bearbeiten müsste: spätestens Sasuke würde ihr dabei liebend gerne zur Hand gehen.

Jiraya musterte das Trio skeptisch, seufzte und sagte ernst: »Eure Schicksale sind verwoben wie keine anderen. Findet euch damit ab; noch besser: lernt voneinander, miteinander, füreinander. Eure größte Stärke ist euer Teamwork, eure nahtlose Verbundenheit. Macht das Beste daraus. Ihr könnt anfangen, indem ihr euch bei euren Kameraden für euer ausfallendes Benehmen entschuldigt.«

Drei Blicke trafen für einen Lidschlag aufeinander. Azur, Onyx, Smaragd. Bloß um sich voneinander abzuwenden. Es blieb still.

»Fein«, resignierte Jiraiya, »Dann eben nicht. Aber bleibt zusammen.« Er verschwand in einer Rauchwolke. Und ließ drei fragende Gesichter zurück.
 

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Naruto stellte die zweite leere Ramenschüssel auf den Tresen. Seine Faust tippte unruhig daneben, wo Sakuras Stäbchen fröhlich in seinem Takt auf und ab hüpften.

»Ich finde das albern. Wie alt sind wir denn, dass man uns derart vorführen kann? Ich hasse es, wenn man Trara um mich macht. Vor allem wegen Kyūbi. Ich bin doch kein kleines Kind.«

Sakura nahm ihm seine Stäbchen weg, um damit anklagend auf ihn zu zeigen. »Im Moment benimmst du dich aber so.« Sie hatte ernster gesprochen als geplant. Es hätte ein Scherz werden sollen. Locker, leicht, ein wenig ironisch, wie immer eben. Es war unmöglich, Leichtigkeit in ihre Worte zu legen, wenn hinter ihnen Sirenen ertönten.

»Es tut mir leid.« Narutos Worte war an Sasuke gerichtet, ohne dass Naruto ihn ansah. Sein blitzblauer Blick war auf die Anhöhe der Servierfläche vor ihm geheftet, als hätte das rustikale Zedernholz des Ramenstandes etwas sonderbar Anziehendes an sich. So musste es sein, denn auch Sasuke hatte die Anrichte anvisiert. »Dass ich dich geschlagen und verflucht habe«, fuhr er fort. »Sakura-chan und ich … wir waren stinksauer, als du Team Sieben verlassen hast. Das haben wir dir nie wirklich verziehen.«

»Was Naruto damit sagen will«, lenkte Sakura ein, ehe die Entschuldigung ihres Freundes in eine ungewollte Hasstirade ausarten konnte, »Ist, dass wir nachvollziehen können, wieso du dich entschieden hast, innerhalb des Klans zu trainieren, anstatt dich weiterhin mit einem Waisen und einer Hysterikerin zu beschäftigen. Das bedeutet nicht, dass wir es jemals gutheißen werden, selbst wenn es dich sehr schnell sehr weit gebracht hat. Wir wissen, dass diese Entscheidung nicht alleine dir zuzusprechen ist. Wenn wir allerdings ehrlich sind, bleibt sich das Ergebnis gleich. Es ist nicht so, als hättest du das Dorf verraten, du hast bloß ein anderes Training bekommen. Darum werden wir dir dein Fehlverhalten nicht länger nachtragen – lass mich ausreden«, überging sie Sasukes Einwand eindringlich. »Ich bin nicht vermessen genug zu behaupten, ich könne Richtig und Falsch beurteilen. Es hat sicherlich sein Gutes, dass du mit deiner Familie trainiert hast. Aber wir … wir hätten diesen Entschluss gerne von dir gehört, anstatt von Kakashi-sensei. Wir hatten nie die Chance, uns zu verabschieden, darum konnten wir nie mit dem alten Team Sieben abschließen.«

»Vielleicht ist das aber auch gut so«, setzte Naruto fort. Endlich sah er auf, direkt in Sasukes Augen, die längst erst auf Sakura und dann auf ihm geruht hatten, »Weil dies hier kein Neuanfang ist, sondern das Ende einer sehr, sehr langen Pause. Kannst du uns verzeihen, dass wir uns dir gegenüber benommen haben wie die letzten Ärsche dieser Welt?«

Sakura nickte, obwohl sie die 'Ärsche' anders formuliert hätte. Sasuke sah gebannt auf Naruto, danach wieder zu ihr, ehe er erschlagen von derartiger Aufrichtigkeit nickte. »Ähm … danke?«

Sasukes Reflexen und Sakuras schneller Reaktion war es zu verdanken, dass Naruto ihn nicht mit einem Faustschlag ausgeknockt hatte. Stattdessen wütete er in Sakuras Armen, die ihn tapfer zurückhielten.

»Wir schütten uns Herz aus und alles was dir einfällt ist 'ähm danke'?!«

Sasuke duckte sich unter Narutos wild um sich schlagenden Gliedmaßen hinweg und hob schützend die Arme vor die Brust. »Tut mir leid, okay? Ich bin eben kein gefühlsduseliger Mensch, dreht mir daraus keinen Strick! Wenn ihr darauf besteht: ich hätte euch gegenüber meiner Familie viel mehr verteidigen müssen. Es wird nicht wieder geschehen, dass ein Uchiha ungestraft schlecht über euch redet, das verspreche ich euch.«

»Jaja«, winkte Sakura wenig überzeugt ab, entließ den sich beruhigen Naruto aus ihrem Würgegriff und legte ein paar Münzen auf den Tresen. »Es erscheint mir sehr utopisch von dir, unseren schlechten Ruf in einem kreisrunden Klan anzufechten, aber danke für den Versuch. Wenn wir ehrlich sind, ist Vieles nicht einmal gelogen.« Sie lachte unschuldig. Der Uchiha zu Narutos Linken stimmte nicht ein.

»Der Klan ist der Klan. Ihr seid meine Freunde; die Familie, die ich mir selbst aussuchen konnte. Bloß weil ihr Blut in meinen Adern fließt, gibt ihnen das nicht das Recht, jene zu diskreditieren, die in meinem Leben nicht minder wichtig sind. Vielleicht sogar wichtiger.«

»Jetzt werd' doch nicht pathetisch«, lenkte Sakura ein. Sie empfand fast etwas wie schlechtes Gewissen, weil der große Uchiha Sasuke ihnen eine Hymne zu Füßen trug. Selbst wenn sie durch Narutos Ausbruch womöglich etwas übertrieben war. »Ehrlich gesagt ist es uns egal, was der Klan über uns denkt. Nicht nur die Uchihas, eigentlich scheren wir uns bloß um wenige Meinungen. Wer mit dieser wandelnden Entropie befreundet ist, legt sich schnell ein dickes Fell zu.« Naruto nickte bekräftigend. Ob er verstanden hatte, dass sie ihn gerade beleidigt hatte? »Was zählt schon Ansehen und Respekt, wenn wir uns damit für Anstand verbürgen müssen?«

Wieder wollte sie ihre Hommage an das Chaos in einem Scherz ausklingen lassen, wieder reagierte niemand mit Lachen oder Lächeln auf ihren Witz, der kein Witz war, sondern die bittere Wahrheit.

»Wenn wir schon dabei sind, uns beieinander zu entschuldigen«, begann Sasuke, diesmal hörbar widerwilliger als zuvor, »Bringe ich es lieber hinter mich.« Ja, genau so klang er. Es machte sie neugierig, woraufhin sie sich ein Stück nach vorne beugte, um freien Blick auf den Uchihaspross zu haben, der in seinem Inneren einen Kampf ausfocht. Naruto war nicht weniger interessiert an dem, was sein bester Freund vorbringen würde.

»Ja?«, fragte sie in der Annahme, die Entschuldigung ginge an sie. Sie lag richtig.

»Was auch immer zwischen dir und meinem Bruder ist, Sakura, ich hätte mich nicht einmischen dürfen. Schon gar nicht derart … deplaciert. Ich wollte dich beschützen, weil ich Itachi kenne. Er nutzt Menschen wie Gegenstände, bloß taktvoller, um ein Ziel zu erreichen, das man erst erkennt, wenn er bekommen hat, was er wollte. Ich dachte, bei dir sei es genauso. Wenn er Gefallen an dir gefunden hat, ist mir das zwar unverständlich, weil ich nicht dachte, dass er Hormone und menschliche Gefühle besitzt, aber es ist eure Sache. Ihr braucht weder meine Einmischung, noch meinen Segen. Also … tut, was immer ihr nicht lassen könnt, bloß –« Seine Stimme wurde fordernder, rauer und verzweifelter. »– lasst es mich ja nicht wissen. Alleine die Vorstellung, er könnte irgendjemanden küssen, vor allem dich, treibt ein Gefühl der Übelkeit und Anwiderung in mir hoch, das zu beschreiben bloß einen weiteren Brechreiz zur Folge hätte.«

Sakura war im ersten Moment zu perplex, um etwas anderes zu tun als Sasuke fassungslos anzustarren. Hundert Gedanken preschten auf sie ein, der lauteste fragte sich, woher er von dem Kuss wusste. Erst nach reiflicher Überlegung kam sie zu dem Schluss, dass Sasuke es nicht wissen konnte. Vermutlich vermutete er es nicht einmal, sondern hatte einfach eine übergeordnete romantische Geste für die Beschreibung einer Beziehung, Affäre oder wie auch immer gearteten intimen Verbundenheit postuliert. Dass er mit seinem Raten ins Blaue mitten ins Schwarze getroffen hatte, konnte er nicht wissen. Sakuras aufgeregtes Herz, das ihr für einen Moment in die Hose gerutscht war, erklomm langsam wieder den Gipfel des Normalzustandes, wo es ein wenig schneller schlagend verblieb als zuvor. Die zweite laute Frage, die die erste nun übertönte, schrie vor allem eines: wie kam Sasuke auf die Idee, dass etwas zwischen ihr und Itachi lief, das mehr war als eine Nutzgemeinschaft? Und, noch viel wichtiger: wenn er es nicht nur annahm, sondern wusste, woher wusste er es?

All diese Fragen erhielten keine Antworten. Vorwiegend, weil Sakura sie nicht stellte. Es war irrelevant. »Hast du mich gerade wirklich implizit als die hässlichste Person auf Erden beschrieben, die Brechreiz in dir auslöst?«

»Was?«, fragte Sasuke unschuldig. »Nein! Aber … Itachi ist mein Bruder. Ich finde es schon widerlich, wenn er mit Frauen flirtet – nicht, dass er das oft machen würde – darum ist alleine die Vorstellung, er könne sowas wie ein ...« Er senkte die Stimme zu verschwörerischem Flüstern. »… Sexleben haben, ist …«

Sakura hob ihre Hand. »Bitte, sprich nicht weiter, Sasuke. Das aus deinem Mund zu hören ist wirklich etwas, auf das ich verzichten kann. Du bist nicht Ino. Nur fürs Protokoll: selbst wenn ich nichts auf das Bild gebe, das dein Klan von mir hat, Sasuke, der Klan tut es. Ich bin im Umgang mit Dōjutsus die versierteste Iryōnin Konohas, vielleicht sogar besser als Tsunade, aber ich bleibe eine weitgehend mittellose, standeslose, unadelige Kunoichi. Darum und nur darum sind Itachi und ich befreundet. Ich muss es wissen, nicht wahr? Du brauchst dir diese Freundschaft nicht schönzureden. Mir erst recht nicht.«

Dies war ihr Schlussplädoyer für die Akte Uchiha Itachi. Es war alles gesagt; nicht in tausend Jahren könnte sie gut genug für ihn werden. Das hatte sie akzeptiert.

Naja, fast.

 

 
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  Dark-san
2014-05-27T18:35:20+00:00 27.05.2014 20:35
Hallo liebe Five ;)

Ich schaue hier mal wieder vorbei. Langsam krieg ich es raus, wie ich regelmäßiger auf Mexx lesen kann. Allerdings muss ich sagen, dass Mexx mir momentan zu verworren ist. Ich komme im Moment tatsächlich nicht zurecht. Ich hatte schon mehrere PersStar Benachrichtigungen, konnte aber nie herausfinden, wo die herkamen :D
Verzeih' mir daher diesen ewiglangen Verzug. Es wird sich jetzt bessern. ;)

Nun zum interessanten Teil meines Kommentars: dem Kapitel.

Ich muss sagen, dass das hier bisher mein Lieblinvlgskapitel ist. Einfach weil es sehr facettenreich ist.
Zum einen finde ich es toll, wie du Sakuras Innenleben beschreibst, dann zu politische Fragen zurückgehst, dann einfach Mal Team 7 zusammenbeingst (mit der entsprechenden Komik) und den Kreis dann wieder mit Sakuras Innenleben schließt.
Ich finde diesen Aufbau allein schon sehr gelungen.

Inhaltlich hat mir am besten gefallen, dass Sakura von Itachi nicht loskommt. Warum hat mir das so gefallen?
Ganz einfach, weil ich deine Darstellungen absolut realistisch finde.
Obwohl Konoha von der größten, vorstellbaren Katastrophe betroffen ist und Sakura dieser Katastrophe im Krankenhaus am nächsten ist, kann sie nur an Itachi denken bzw überwiegend. Und ich kann sie da total verstehen. Da taut man so einen Kerl woe Otachi etwas auf und dann kommt nichts mehr! :D
Dass sie dann durch seine "Abfuhr" erst recht sauer auf ihn ist, kann ich sogar nocj viel besser nachvollziehen. ;)
Das hast du wirklich toll rübergebracht. Das hat mir auch wirklich sehr gefallen.

Der Abschnitt mit Jiraiya und Danzo war dann eher so ein, in meinen Augen, "notwendiger" Teil, um die Geschichte voran zu treiben. Ich fand das sehr vorhersehbar, aber das musste jetzt so. Wenn Jiraiya Hokage geworden wäre, wäre es etwas langweilig geworden ;)

Die Zusammenführung von Team 7 ist dann der süße und schnulzige Teil dieses Kapitels. Einerseits finde ich es gut. Vor allem bin ich gespannt, inwieweit Sakura Itachi verdrängen kann, wenn seine Miniaturausgabe ständig bei ihr ist.
Auf der anderen Seite war es etwas ZU ...schnulzig für meinen Geschmack, aber du hast das mit Sasukes Aussage über Itachis Sexleben ziemlich gerettet. Respekt dafür. ;)

Ich bin wirklich gespannt, ob Team 7 sich wirklich daran hält, Naruto zu beschützen, oder ob sie vielleicht sogar ausbüchsen und etwas auf eigene Faust unternehmen und Papa Itachi die Kinder dann einfangen muss.
Ich hoffe auch, dass Tsunade in einem episcjen Kampfmoment wieder auf die Bühne teitt und Danzo mal so richtig vermöbelt.
Ich bin gespannt auf deine Darstellung des Krieges! Sehr sogar.

Alles in allem ist das hier ein sehr rundes und stimmiges Kapitel. Ich glaube, hier bleiben keine Wünsche offen. :)
Und wenn ich dann mal auf Mexx bin, bin ich sehr froh, so etwas Gutes lesen zu dürfen. ;)

Liebe Grüße
Dark-san

P.S.: Im Laufe dieser Woche antworte ich noch auf deinen GB-Eintrag. Aus technischen Hründen hat das bisher nicht so geklappt -,-


Antwort von:  Dark-san
27.05.2014 20:36
P.P.S.: Achte bitte nicht auf Rechtschreibung. Dieser Kommentar wurde mit dem Handy getippt.;)
Von:  JRockfan
2013-12-10T13:00:16+00:00 10.12.2013 14:00
Moin :)
Das Kapitel ist dir sehr gut gelungen.
Das Gespräch zwischen Team 7 war etwas zum schmunzeln, aber es hat mir gefallen das sie sich mich mal auf dieser Ebene unterhalten haben.
Ich bin gespannt, ob damit die Spannungen im Team vorbei sind ^^ Auch witzig wie Sasuke ins Schwarze getroffen hat :D

Itachis Reaktion war passend und für mich als Leser durchaus amüsant, aber leider nicht für Sakura.
In der Tat hat man leicht das Gefühl es wäre wie am Anfang. Ich frage mich ganze Zeit, ob Itachi tatsächlich Ärger bekommen hat bzw weswegen.

In derselben Spannung freue ich mich auf die politische Entwicklung, insbesondere in Konoha mit Danzou als Hokage. Du hast es ja bereits unterstrichen, dass er anders handeln wird als Tsunade.

Eine kleine Frage hätte ich allerdings: Gibt es einen bestimmten Grund warum das Kapitel keinen Titel hat?

LG JRockfan
Von:  Verovera
2013-12-10T10:41:54+00:00 10.12.2013 11:41
Immer wieder eine Freude, ein neues Kapitel zu lesen. Der letzte Satz war toll: Naja, fast. Hihi da kommt sicher noch was. :)
Von: abgemeldet
2013-12-09T18:11:15+00:00 09.12.2013 19:11
Hey, kann mich den anderen echt nur anschließen. Die Geschichte wird echt gut beschrieben;
Ich kann der politischen Handlung sogar folgen xD. Sakuras Verhalten ist so authentisch und nachvollziehbar, als wäre sie eine "etwas" temperamentvollere Sorte meiner Freundinnen.
Freue mich schon auf's nächste Kapi

LG LaYout
Von:  MiezMiez
2013-12-09T13:47:14+00:00 09.12.2013 14:47
Hallo,
deine Kapitel fühlen sich beim Lesen immer so echt an, als ob es wirklich passiert ist. Bin schon sehr gespannt wie es mit Itachi und Sakura weiter geht.
lG MiezMiez
Von:  L-San
2013-12-09T10:53:37+00:00 09.12.2013 11:53


Yo Five!^^


Da ist ja schon das neue Kapitel.
Amüsant wie immer. ;D
Mir gefällt es sehr gut, wie du Sakura hier darstellst, ihre Wut usw.
Das wirkt so unglaublich authentisch, und man kann das alles nachvollziehen.
Über die Arroganz und Kommentare der Uchiha-Brother musste ich mich schlapp lachen. ;D
Sasuke ist ja wie immer sehr freundlich.^^

Ein Konflikt zieht einen anderen mit sich.
Wo das wohl hinführt.
Da Danzou nun für eine Weile Hokage ist, wird das so ziemlich üble Konsequenzen mit sich ziehen.

Und was Kurama angeht, beherrscht Naruto etwa den Bijou-Modus, bzw. hat er sich schon mit dem Fuchs angefreundet?
Den Namen erfährt er ja erst im Manga, nachdem er sich mit Kyuubi angefreundet hat.
Bin etwas verwirrt, na ja, ich werde sehen.^^

Wie immer ein tolles Kapitel. ;]


LG
L-San


Von:  DarkBloodyKiss
2013-12-09T08:43:49+00:00 09.12.2013 09:43
Tagchen ^^
WOW WOW WOW !!!!!
Super tolles Kappi !!!!!
bin sehr gespannt wie es weiter geht !!!!!
freue mich tierisch derbst aufs nächste Kappi !!!!!

glg & einen ganz tollen Wochen start DarkBloodyKiss ^^
Von:  fahnm
2013-12-09T00:33:33+00:00 09.12.2013 01:33
Klasse Kapi^^


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