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Du lässt mich nicht los

Erinnerungen an eine Freundschaft
von

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„Hey... wie geht es dir und deiner Freundin?“
 

Meine unbeholfenen Worte blieben zunächst kommentarlos im Raum stehen. Peinliche Stille trat ein, während wir beide uns gegenüberstanden, zentimeterweit voneinander entfernt, als stünde eine unsichtbare Mauer zwischen uns. Seit 8 Jahren hatten wir uns nun schon nicht mehr gesehen und dies sollte eine Art Zusammenkunft alter Freunde werden, nur fühlte es sich nicht so an. Es war nicht die emotionale Distanz, die uns das Gefühl von Fremdheit vermittelte und welche der Grund für unsere Verschwiegenheit war. Nein - es war viel mehr der Versuch, sich aus Höflichkeit nicht zu nahe zu treten.
 

„Nun, es ist alles beim Alten. Hat sich wirklich nicht viel geändert, seit du weggezogen bist.“
 

Er lächelte leicht und hielt seine linke Hand verlegen hinter den Kopf, während wir versuchten eine banale Konversation zu führen. Dies ist das Gesicht, was mir all die Jahre nicht aus dem Kopf ging; dieses Lächeln, das mich bis heute in seinen Bann zieht und nicht loslässt. Ich hätte dir so viel zu sagen, doch ich fühle mich nicht in der Lage, diese Worte auszusprechen.
 

Wir gingen noch ein Stück durch den Park und teilten uns unsere Erlebnisse der letzten Jahre mit, bis wir uns schließlich auf einer Bank niederließen. Seine Art zu reden war immer noch dieselbe und selbst seine Stimme hatte denselben unverändert melodischen Klang, der all die Jahre noch in meinen Ohren widerhallte und meine Sinne betörte.
 

„Weißt du noch...“, begann ich zu reden und blickte dabei auf den Kiesboden vor meinen Füßen, unfähig, ihm ins Gesicht zu sehen. So konnte ich zwar nicht seine Reaktion beobachten, dennoch vertraute ich darauf, dass er aufmerksam zuhören würde.
 

„All die Nachmittage, an denen ich bei dir war...“
 

„Und an denen wir zusammen Musik gemacht haben?“, beendete er meinen Satz und begann abermals zu lächeln, „Natürlich weiß ich das noch.“
 

In seinen Worten lag solch eine Selbstverständlichkeit, dass ich mich langsam sicherer in seiner Nähe fühlte. Es beruhigte mich zu wissen, dass wir beide noch immer dieselben kostbaren Erinnerungen teilten. Vorsichtig wendete ich mich zu ihm um und blickte in sein freundliches, und doch leicht wehleidig aussehendes Gesicht. So wie mir, war auch ihm bewusst, dass unsere gemeinsame Zeit bereits zur Vergangenheit gehörte und alles nicht mehr so sein würde wie früher. Um diese schmerzliche Erkenntnis zu überspielen, suchte ich schnell nach weiteren Worten.
 

„Immer wenn ich dir ein neues Lied gezeigt habe, warst du der Meinung gewesen, es wäre zu schwer für dich und am Ende konntest du es dann trotzdem immer perfekt spielen“, stellte ich gespielt vorwurfsvoll fest.
 

„Aber du hast dich am Anfang auch immer nicht getraut, vor mir zu singen, weil du davon überzeugt warst, dein Gesang wäre nicht gut genug. Und immer musste ich dir das Gegenteil beweisen, bis du dich dazu überwinden konntest“, konterte er.
 

Letztendlich sahen wir uns an uns brachen in Gelächter aus. Ich wünschte mir die Zeit anhalten zu können und alle positiven Gefühle dieses Momentes aufzufangen. Es wurde mir immer mehr bewusst, wie sehr ich noch an dir und den gemeinsamen Erinnerungen hing und gleichzeitig war mir nun klar, dass ich endlich einen Schlussstrich ziehen musste. Mein Blick verfinsterte sich allmählich wieder, während ich versuchte die richtigen Worte zu finden.
 

„Kannst du dich noch an unsere Verabschiedung erinnern, als ich diesen einen Tag unter Tränen vor deiner Haustür stand und dir irgendwie beibringen musste, dass ich wegziehe?“
 

Zugegeben, diese eher rhetorische Frage meinerseits war nur die Einleitung in das gewesen, was folgen sollte. Wer hätte sich nicht an den Moment erinnert, an dem die beste Freundin plötzlich vor der Tür stand und erklärte, dass sie einen verlässt?
 

Er antwortete mit einem stummen Nicken und blickte mir gebannt in die Augen, gefasst auf meine nächsten Worte. Er musste meine Anspannung gespürt haben und wie er mich kannte, ahnte er bereits, dass ich ihm etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Mir stockte geradezu der Atem, doch ich versuchte mich zu fassen und fuhr fort.
 

„Damals - es war mir wirklich schwer gefallen, dir zu sagen, dass ich umziehen muss. So sehr, dass du sogar bis kurz vor meiner Abreise nichts davon wusstest - das tut mir wahnsinnig leid.“
 

Ich fühlte mich so beschämt, dass ich es nicht länger ertrug ihn anzusehen und wendete mich ab. Bis heute hatte ich es nicht geschafft, mich deswegen bei ihm zu entschuldigen. Ich stand in seiner Schuld; so hatte ich das selbst aufgefasst. Doch auch eine andere Sache war unbeantwortet geblieben, die meine Antwort erforderte, wenn es auch 8 Jahre her ist, seit sie in Frage gestellt wurde.
 

„Und weißt du noch, was ich zu dir sagte, in dem Moment, als ich ging?“, fragte ich ihn leise, den Blick noch immer zu Boden gerichtet.
 

‚Bitte warte auf mich, bis wir uns wiedersehen. Ich muss dir etwas Wichtiges sagen‘, zitierte er meine Worte von damals.
 

Überrascht sah ich ihm direkt ins Gesicht. Die Verblüffung darüber, dass er das nach 8 Jahren noch nicht vergessen hatte, stand mir ins Gesicht geschrieben.
 

„Was ist? Dachtest du, ich könnte dich und all das, was du mir anvertraut hast, jemals vergessen?“

Und wieder wollte er ein Lächeln in mein Gesicht zaubern, doch seine warmen Worte berührten mich so sehr, dass mir stattdessen Tränen in die Augen stiegen und ich verzweifelt versuchte, gegen diese anzukämpfen.
 

„Hör auf zu weinen. Ich bin hier, um zu hören, was du mir sagen wolltest“, redete er mir ruhig zu.
 

Ich zögerte. So sehr ich mein Versprechen halten wollte und so sehr er mich auch ermutigte, hatte ich dennoch immer mehr das Gefühl, ihm nicht diesen einen Wunsch erfüllen zu können. Zu viel hing davon ab - und nicht nur unsere Freundschaft. Abrupt erhob ich mich von der Parkbank und wischte mir die Tränen vom Gesicht. Ich hatte mich so eben entschieden, das Versprechen zu brechen. Es sollte nichts wegen mir kaputtgehen.
 

„Entschuldige, ich kann es dir nicht sagen.“
 

Ich lächelte bitter. Das waren meine letzten Worte an ihn, bis ich schließlich Hals über Kopf aus dem Park stürmte. Die Tränen in meinem Gesicht wurden vom Wind davongetragen, während ich so schnell rannte, wie ich nur konnte und ihn allein zurückließ, ohne mich auch nur einmal umzudrehen. Ich blickte nicht mehr zurück; ich musste ihn, zusammen mit meiner Vergangenheit, hinter mir lassen.
 

Verzeih mir. Ich kann es dir nicht sagen. Ich kann nicht.

Weil ich dich liebe.



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