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Wunsch

von

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Entschluss

Ich stand auf, wie jeden Tag. Zog mich an und begab mich nach unten um in angespannter Atmosphäre mit meinen Eltern zu essen. Überall im Haus, in der Villa, merkte man protzigen Reichtum, es brachte mich immer wieder fast zum Erbrechen. Langsam ging ich die Schreittreppe hinunter und versuchte mit so wenig vom Haus in Berührung zu kommen. Unten angekommen verschlang ich unter tadelndem Blick schnell und hastig mein Frühstück, verbeugte mich kurz vor meinen Eltern, die immer noch bei ihrem ersten Brötchen waren, und schritt aus der Halle mit dem langem Tisch, unserem, nein, ihrem Esssaal.

Ich schnappte mir die Tasche, die einer der Butler mir entgegenhielt und eilte aus diesem Haus, das mich fast erdrückte. Draußen verweilte ich ein wenig und atmete tief die Luft ein, so anders als die stickige Luft im Haus. Danach fing ich an zu rennen. Ich rannte den ganzen Schulweg und kam keuchend an. Kurz vor dem Schultor kam ich japsend zum Stehen. Ich atmete ein und aus, beruhigte meine Atmung. Ich legte eine ausdruckslose Miene auf mein Gesicht und betrat in würdevoller, fast arroganter Haltung die Schule. Meine Rolle als eine millionenschwere Erbin.

Während ich mit durchgestrecktem Rücken durch den Hof ging, wichen die Leute vor mir und machten mir Platz. Hier wurde ich meinem Ruf als reiche, verwöhnte Tochter gerecht. Ich schaute verächtlich auf die Anderen hinab und ging meines Weges.

Im Klassenzimmer angekommen hörten alle auf zu reden, als ich durch die Tür zu meinem Platz ging. Flüsternd setzte Getuschel ein, ich überhörte dies alles gekonnt und bedachte alle mit einem vernichtendem Blick. Der Unterricht verlief wie immer, die Zeit flog vorbei. Nach der Schule ging ich die vielen, belebten Straßen der Stadt entlang.

Irgendwann bog ich in eine dunkle Gasse ab. Sie lag abgelegen von dem weitem Trubel der Stadt, sie roch ein wenig muffig. Einige streunende Katzen hatten Mülleimer umgeworfen, dessen Inhalt sich jetzt auf dem Gassenboden ergoss. Ein unangenehmer Geruch streifte durch die Luft, doch ich ging einfach weiter, über die Müllhaufen und den Dreck, über Unrat, der an meinen Schuhen hängen blieb.

Ich fing an, durch die Gasse zu laufen, immer schneller. Ich rutschte fast aus, es hinderte mich jedoch nicht daran, mein Tempo zu mindern. Ich lief und rannte. Ich bemerkte noch nicht einmal, wie sich die Landschaft schlagartig veränderte und alles um mich herum die Form eines Gewirres annahm. Ich blieb erst stehen, als mich etwas an den Beinen streifte. Ich sah herunter und sah den schmutzigen Betonboden nicht mehr. Ich sah Rot, Orange und Gelb flimmern. Ich blickte auf.

Der Raum, der um mich herum war, hatte keine Form. Er veränderte ständig sein Aussehen, es sah aus wie eine Kollage. Vorsichtig um mich blickend ging ich in all diesem Gewirr weiter und irrte durch diesen Irrgarten. Wo war ich hier? Was ist das hier eigentlich? Kleine Gestalten lösten sich von den Wänden, falls das Wände waren, und kamen mit einem undefinierbarem Gesichtsausdruck auf mich zu. Ihre kleinen Augen waren hastig mit Buntstift gemalte Kreise. Ihr Körper bestand nur aus mehreren Strichen, einem Dreieck und einem Vieleck. Es scheint egal wo es ist, manche am Kopf, manche an den Beinen. Es war beängstigend, ich wich vorsichtig vor den kleinen Wesen zurück. Alles in mir schrie und wollte wegrennen und fliehen.

Dann hörte ich Schüsse. Es war leise, kaum hörbar, doch die Wesen nahmen es war. Sie krümmten sich und hielten sich ihre Augen mit ihren Drei- oder Vielecken. Panisch blickte ich um mich, jeder Faser meines Körpers zur Flucht bereit. Mein Blick wanderte hin und her, Schweiß rann mir über die Stirn. Ich merkte nicht die Fluchtgelegenheit, die sich mir bot, als die Wesen ihren Rückzug antraten. Ich blieb stocksteif erstarrt an Ort und Stelle, unfähig mich zu rühren. Wellen der Angst rückten durch meinen Körper, ich sah zu, wie die Wesen sich weiter entfernten und nur einen immer wiederkehrenden Chorus aufsagten.

"Sie. Ist. Nicht. Wir. Nehmen. Sie. Bringen. Sie. Zu Ihr. Er. Erwartet. Uns." Immer und immer wieder sagten die Wesen diese Sätze, Wörter, ich hörte sie selbst dann noch im Hintergrund, als sie längst nicht mehr zu sehen waren, mit dem sich bewegendem Raum verschwunden waren.

Zögerlich bewegte ich mich ein wenig, streckte meine Hand aus. Mein Körper war vor Schock immer noch wie gelähmt und ich kam nur Stück für Stück von meinem bisherigem Standpunkt weg. Alles in mir war angespannt und bereit, bei der kleinsten Gefahr die Flucht zu ergreifen.

Jeden meiner Schritte wählte ich mit Bedacht und durchschritt diesen seltsamen Raum mit seinen sich bewegenden Mustern und Farben. Klaffende Löcher, die sich vor mir auftaten und wieder verschwanden. Nun hörte ich wieder einen Knall. Dann noch einen. In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken, doch diesmal bewegte ich mich weiter, ging in die Richtung, aus der die Schüsse gekommen waren. Ich entdeckte eine Tür in all dem Gewirr und wollte sie gerade öffnen, als die Wesen aus der Tür rauschten.

Sie kreischten alle durcheinander und schienen vor etwas zu fliehen. Ein Schuss streifte eins der Wesen, es zerfiel zu Staub. Angsterfüllt drehte ich mich langsam zu der Tür und blickte hinein. Ein Mädchen, bestimmt nicht älter als ich, stand in der Mitte von Schmetterlingsflügeln, allesamt verzerrt und unheimlich bemalt. Sie hatte den Rücken zu mir gewandt und hielt ein Gewehr in der einen Hand. Ihre Kleidung war zerrissen und sie schoss immer weiter und weiter auf die Flügel, ununterbrochen.

Ich konnte nur dastehen und ihr zusehen, war unfähig, etwas zu tun. Dann schien sie meine Anwesenheit zu bemerken, denn sie drehte sich zu mir um. Leere Augen streiften meinen Blick, bevor er weiterwanderte. Schüsse knallten und streiften mich gefährlich nahe. Vor Schreck erstarrt sank ich zu Boden, mein Herz raste. Ich hatte vergessen zu atmen, holte dies jetzt vorsichtig nach.

Das Mädchen starrte mich an. Ihre Augen waren verschleiert, ich sah nur Verzweiflung und Selbsthass. Ihr Ausdruck war leicht wahnsinnig. Ich fragte mich, was es damit auf sich hatte. Angst überrollte mich, Angst, wie ich sie noch nie in meinem Leben verspürt habe. Auf einmal schoss ein schwarzer Strahl aus dem Körper des Mädchens, dann noch einer. Sie schossen zur scheinbaren Decke hoch und sammelten sich dort, das Mädchen selbst sackte zusammen. Der seltsame Raum um uns verschwand.

Über uns leuchtete ein strahlend blauer Himmel. Die Gassen waren dunkel und grau, im Schatten lag das Mädchen. Es hatte überall Wunden und langsam, nach und nach kam wieder Leben in ihre Augen. Doch die Verzweiflung und die Angst blieb.

Ich wollte mich ihr nähern und ihr helfen, sah dann aber ein Leuchten. Wieder klebte ich an ein und derselben Stelle fest und konnte mich nicht rühren. Diesmal jedoch war es nicht die Angst, die mich an meinem Standpunkt fesselte, sondern ein Licht. Ein Licht, es strahlte und leuchtete unglaublich hell und warm, einladend und doch wollte ich mich von ihm fernhalten, denn dieses Licht ist nicht für mich bestimmt.

Ich sah wieder ein Mädchen, es hatte ein weißes Kleid an. Haare, in einem weichem Rosa gehalten, umflatterten ihr sanft blickendes Gesicht. Sie schien mich nicht zu bemerken, ihre Aufmerksamkeit war ganz dem anderem Mädchen gewidmet. Sie beugte sich leicht zu ihr hinunter, einige Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Ich bemerkte ihre zwei Zöpfe, die von weißen Bändern zusammengehalten wurden. Sachte glomm ein Leuchten auf, es kam von dem verletztem Mädchen. Ihre Augen lachten wieder, dann blendete erneut ein Licht meine Augen und ich schloss sie.

Nach einigen wenigen Sekunden öffnete ich meine Lider wieder, doch beide Mädchen waren verschwunden. Immer noch halb erstarrt sah ich nach oben in den weiten Himmel. Hier in der Gasse schien er begrenzt zu sein. Ich ließ mich auf den Boden sinken und spürte den Schmutz, die feuchte Erde, die kaputten Pflastersteine. Versuchte das aufzunehmen, was sie wohl gespürt haben mochte.

Ich stellte mir die Frage, wer sie war. Das Mädchen in dem bizarrem Raum hatte ein farbenfrohes Kleid mit vielen Rüschen getragen, welches jedoch während des Kampfes zerschlissen geworden war. Mit wem hatte sie gekämpft? Ich konnte es nicht erkennen, nicht von den sich wandelnden Wänden und Wesen unterscheiden. Wo war ich überhaupt gewesen? Immer mehr Fragen zerrissen meine Gedanken und hinterließen nichts als Unruhe in mir.

Die Sonne zog friedlich weiter ihre Bahnen am Himmel, so, als ob nicht gewesen wäre. So, als hätte sie die Szene eben nicht bemerkt oder würde sie gar ignorieren. Ich mochte sie nicht. Plötzlich wurde ich mir der späten Uhrzeit bewusst. Hastig erhob ich mich, meine Sachen waren eingedreckt und stanken nach Mief und einer dunklen Gasse. Ich durchschritt die Gassen und als ich wieder in das Sonnenlicht, in die helle Wirklichkeit trat, nahm ich wieder die Rolle einer Erbin an. Durchgestreckter Rücken, erhobener Kopf und ein alles überschauender Blick.

Die meisten Leute wichen mir mit einem Naserümpfen aus, ich ignorierte sie und schritt weiter durch die Stadt und auf zu der Villa meiner Eltern. Ich wich den Stellen aus, wo mein Butler mich wahrscheinlich mit der Limousine fahrend suchen würde. Ich machte große Umwege in die Natur, die noch in der Großstadt existierte und genoss das Gefühl, welches ich immer verspürte, wenn bald der Mond am Himmel stehen würde. Freudige Erwartung zuckte in meinen Fingerspitzen. Hüpfend setzte ich meinen Weg fort.

Durch Büsche und Waldland, Wiesen und Felder. Durch den Trubel der Großstadt, Menschenmassen. Durch mein Leben.
 

Nach vielen Umwegen und Kreuzungen kam die Villa in Sicht. Prächtig erhob sie sich von den weiten Wiesen und Wäldern, die sie umgaben, und leuchtete in einem strahlendem Weißglanz. Polierter Marmor blitzte auf den Außentreppen, blank geputzte Fenster luden ein. Die große Ebenholztür in der Mitte des mächtigen Gebäudes stellte den Eingang da. Stets warteten dort einer der zahlreichen Butler oder Dienstmädchen darauf, Gäste anzukündigen.

Heute stand dort meine Dienerin Griselda. Sie lief vor der Tür hin und her. Besorgt blickte sie nach allen Seiten und wippte unruhig auf der Stelle, bevor sie ihr nervöses Hin-und-Her-Laufen fortsetzte. Dann hatte sie anscheinend mich entdeckt, denn sie stoppte augenblicklich und raste auf mich zu. Ich war erstaunt, was für ein Tempo sie vorlegen konnte, wenn sie wollte.

Sie achtete nicht auf den Dreck auf meinen Kleidern, sondern gab mir eine dicke Umarmung. Ich spürte etwas Nasses auf meiner Schulter und hörte leises Weinen.

"Griselda...?", fragte ich, leicht verwirrt. Behutsam legte ich einen Arm auf ihren Rücken, dann den anderen.

"Ich... dachte...", fing sie schluchzend an, der Rest ging in ihren Tränen unter. Ich tat wieder nichts und stand unfähig da. Vorsichtig fing ich an, ihr über den Rücken zu streicheln. Einige Sekunden, vielleicht auch Minuten, später hatte sie sich wieder erholt und beendete ihren Satz.

"Ich dachte Ihr kommt nie wieder zurück", sagte sie, während erneut eine Träne den Weg aus ihrem Auge und an ihrer Wange hinunter fand. Unbewusst fing ich an zu lächeln. Sie hatte sich Sorgen um mich gemacht.

"Ich würde dich nicht verlassen", murmelte ich und drückte sie noch einmal ganz fest, "Ich würde immer zu dir zurückkehren..." Auf einmal übermannte mich die Müdigkeit und ich sackte zusammen. Ich sah nichts mehr, außer die Schwärze des Traumlandes, die mich jetzt umgab und in den Schlaf wiegte.
 

Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, lag ich in meinem weichem Himmelbett in der Villa. Die Sonne lachte durch das Fenster hinein. Immer noch benommen vom Schlaf wischte ich mir über meine Augen und setzte mich aufrecht hin. Ich bemerkte eine Gestalt an meinem Bett, sie schlief. Den Kopf auf die Arme eingebettet hob und senkte sich ihr Brustkorb in regelmäßigen Abständen. Lange blonde Haare verdeckten ihr Gesicht. Es war Griselda.

Ihr Anblick, wie sie so schlafend an meinem Bett wachte, erweckte Wärme in mir. Ich sah sie zärtlich an, doch wusste ich auch, dass ich sie bald verlassen würde. Verlassen um sie zu finden. Diesen Entschluss hatte ich irgendwann gefasst, vielleicht in meinen Träumen, vielleicht kurze Zeit nach der Begegnung mit ihr. Ich wusste es nicht mehr. Das Einzige, was sich ganz klar in meinen Gedanken bildete war, ich musste nach Japan gehen. Nach Tokyo. Wieso und weshalb, ich wusste es nicht.

In meinen Träumen hatte ich ein schwarzhaariges Mädchen gesehen. Sie hatte mich nicht angeblickt, überhaupt hatte sie einfach nur dagestanden. Inmitten von den vielen schwarzen Schatten und Gestalten, die nach ihr zu greifen schienen. Es war ein faszinierender und abschreckender Anblick. Ihre violetten Augen hatten einen zielbewussten Ausdruck. Sie erhob sich zum Kampf gegen die Wesen der Nacht, diese Schatten, die nach ihr griffen und sie stürzen wollten.

Eine kleine Bewegung im Augenwinkel riss mich aus meinen Gedanken heraus. Griselda wachte wieder auf. Müde rieb sie sich den Schlaf aus den Augen und sah in meine Richtung. Ihr Gesicht sah wacher aus, nachdem sie gemerkt hatte, dass ich aufgestanden war.

"Wie fühlen Sie sich? Geht es Ihnen gut?", fragte sie immer noch besorgt.

"Mir geht es gut, danke", erwiderte ich und wollte aus dem Bett steigen, doch dann überkam mich ein Schwindelgefühl. Ich taumelte und setzte mich schnell wieder auf die Kante des Bettes. Griselda kam sofort näher und legte mir eine Hand auf meine Stirn, fühlte meine Temperatur. Ich spürte ihre Erleichterung, als sie merkte, dass meine Temperatur nicht sonderlich hoch war. Sie erhob sich wieder und sagte: "Ich gehe Ihnen schnell ein Frühstück zubereiten. Bitte warten Sie kurz, Miss." Sie eilte davon und ließ mich eine Weile allein.

Wieder kehrten die Gedanken an die Mädchen zurück. Ich wollte so gerne zu ihnen gehen, doch wie sollte ich es Griselda mitteilen? Ich zerbrach mir den Kopf, nur um danach auf den Entschluss zu kommen, es ihr einfach zu sagen. Also wartete ich nun auf sie.

Kurze Zeit später kam sie mit einem vollbeladenem Tablett wieder in das Zimmer. Sofort erfüllte ein heimeliger Duft den Raum nach Croissants, frischgebackenen Brötchen, frischer Marmelade und heißem Kakao. Sie stellte das Tablett mit den noch dampfenden Sachen auf den leeren Nachtisch und holte aus einem der vielen Schränke einen kleinen Klapptisch heraus, der extra für Frühstück am Bett gemacht worden ist. Das dunkle, glatte Holz war schwer und ich merkte, wie meine Matratze mindestens fünf Zentimeter an den Stellen, wo die Füße des Tisches die Matratze berührte, nach unten sank. Behutsam und langsam stellte Griselda das Tablett ab.

Darauf standen ein leerer Teller, ein Korb mit verschiedenen Brötchen und Croissants, eine Tasse dampfender Kakao und eine schmale, weiße Vase mit einer kleinen Sonnenblume. Messer, Gabel und Löffel lagen dort, wo sie auch beim Abendessen lagen. Löffel über dem Teller, Messer rechts und Gabel links. Griselda nahm ein Brötchen und ein Messer in die Hand, schnitt es krümelfrei auf und bestrich es mit einer Mischung aus Himbeer- und Kirschmarmelade. Nach getaner Arbeit positionierte sie das bestrichene Brötchen auf meinem Teller. Ich nickte kurz und fing an zu essen.

Ich versuchte, nicht allzu viel zu krümeln, doch das ging gründlich daneben.

"Und genau dies ist der Grund, weshalb Sie normalerweise nicht am Bett essen dürfen", tadelte Griselda mich, während sie vorsichtig einige Krümel von meiner Bettdecke aufsammelte und auf ein kleines, leeres Schälchen tat, welches auch auf dem Tablett gewesen war. Anscheinend hatte sie das schon geahnt.

Ich murrte nur mampfend. Um meinen Mund herum hingen auch Krümel, die bei jedem weiterem Bissen abfielen und auf die Bettdecke rieselten. Ich genoss noch kurz die morgendliche, freundliche Atmosphäre, wusste jedoch, dass es bald Zeit werden würde.

"Griselda?" Ich räusperte mich und trank noch einen großen Schluck Kakao.

"Ja?" Das kleine Schälchen, wo sie die Krümel ablagerte, war schon voll.

"Ich möchte nach Japan gehen. Nach Tokyo." Sie erstarrte mitten in ihrer Bewegung. Sie wendete mir ihr Gesicht zu, es sprach von Ungläubigkeit.

"Was? Aber wieso möchten Sie nach Tokyo? Gefällt es Ihnen hier etwa nicht?"

"Nein, das ist es nicht... Nur...", ich zögerte und wusste nicht, ob ich ihr von ihnen erzählen sollte. Nein, ich konnte es nicht. Sie würde es nicht verstehen, dieses Undefinierbare, was mich zu ihnen zog. In meinem Herzen machte sich eine große Sehnsucht breit, ich konnte sie nicht kontrollieren, ihr Ausmaß nicht verringern. "Ich würde gerne nach Tokyo gehen. Alleine", fügte ich noch hinzu, auch wenn mir klar war, dass ich sie so auch schon genug verletzt hatte, konnte aber nicht anders. Ich musste dorthin, auch wenn sie es nicht verstehen würde.

"Aber..." Ihre Ungläubigkeit wich blankem Entsetzen. "Sie haben mir doch gesagt, dass ..."

"Ich komme auch wieder zurück, versprochen."

Sie schluckte und sah auf den Boden. Es herrschte Schweigen, Totenstille. Ich hörte das leise Zwitschern der Vögel, das Rascheln der Blätter und Schritte, die durch die großen Flure im Haus hallten. Und ich hörte Stille, die sich zwischen ihr und mir ausbreitete. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich, wenn ich zurückkomme, wahrscheinlich nicht mehr dieselbe sein werde. Die Vorstellung stieß sich wie ein Stich des Zweifels in mein Herz. Schnell schüttelte ich diesen nagenden Zweifel von mir ab.

Griselda fing an, erneut zu sprechen. "Wenn es Euer Wunsch ist, kann ich Sie wohl nicht davon abhalten." Sie lächelte traurig und räumte ab. Nachdem sie alles verstaut hatte, nickte sie mir bekümmert zu und schloss die Tür lautlos hinter sich. Nun war ich wieder allein, am Rande nahm ich ihre sich entfernenden Schritte wahr.



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