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LIFESTYLE made in Japan

von

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Gefangen in der Klassensprecher-Hölle

Ich kannte zwei Mädchen aus meiner AG, deshalb war ich nicht völlig verloren. Ich fand die beiden auch recht schnell.

"Ach! Morgen Ōsama~", säuselte Maya.

Die beiden, Maya Murakami und Noriko Sawaguchi, nannten mich immer Ōsama, das bedeutete König, denn so war mein Nachname, aber ich hasste es einfach. Aus diesem Grund war ich auch nicht mit den beiden befreundet. Es nervte mich, wenn sie mich so nannten.

"Guten Morgen", grüßte ich die beiden.

"Schön, dass wir mal in einer Klasse sind", lächelte Noriko.

Notgedrungen setzte ich mich erst einmal neben die beiden. Wir würden später sowieso noch auslosen wer wo sitzen würde. An den Tischen befanden sich die Namen der Schüler, das war einfacher für die Lehrer. Jeder hatte also seinen eigenen Einzeltisch. Fürs erste blieb uns aber die freie Wahl. Als ich mich setzte betrat ein Mädchen das Klassenzimmer. Ziemlich viel an ihr verstieß gegen die Schulregeln. Ihre Haare waren wasserstoffblond gebleicht und nur teilweise zusammengebunden, sie trug zahlreiche Accessoires an ihrer Schuluniform. Sie war supersüß, aber sie würde definitiv Probleme bekommen. Sie hatte ihren Platz in der ersten Reihe. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich dieses Gesicht von irgendwo her kannte.

"Eh? Ist das nicht NOZOMI-chan?", flüsterte Maya.

"Das kann sein. Sie sieht ihr ähnlich", antwortete Noriko.

Das Getuschel der beiden ließ mir keine Ruhe.

NOZOMI-chan? NOZOMI-chan?!

Das konnte sein. NOZOMI war ein sehr erfolgreiches Model aus Okinawa, aber warum war sie hier in Tokio? Ich fragte mich warum sie an unsere Schule gewechselt (?) hatte. Vielleicht war sie ja auch nicht lange hier, sondern nur für wenige Monate. Das erklärte natürlich auch ihr Aussehen, als Star darf man alles. Ich wusste, dass NOZOMI ein Künstlername war, ich fragte mich, ob sie mit ihrem richtigen Namen an die Schule gewechselt war. Jetzt kam auch der Lehrer ins Zimmer, wir erhoben uns und begrüßten ihn höflich.

"Guten Morgen. Ihr könnt euch setzen", wies er uns an. "Ich begrüße euch im neuen Schuljahr, ihr seid schon alte Hasen und kennt euch in dieser Schule aus. Ab diesem Jahr wird Akira Hashimoto an unserer Schule sein, bitte unterstützt sie, damit sie sich eingewöhnen kann. Sag doch der Klasse ein paar Worte zur Begrüßung".

Das Mädchen stand auf und stellte sich vor die Klasse.

"Guten Morgen. Freut mich euch kennen zu lernen. Mein Name ist Akira Hashimoto, ich bin 16 Jahre alt und diesen Monat aus Okinawa nach Tokio gezogen. Meine Hobby's sind fotografieren und die Musik. Natürlich mag ich es auch fotografiert zu werden. Ich würde mich freuen, wenn wir gut miteinander auskommen würden", sie endete und verbeugte sich kurz.

In der ganzen Klasse hörte man Getuschel und Gemurmel.

"Ist das NOZOMI-chan oder nicht?", wollte Maya von mir und Noriko wissen.

Ein Mädchen hob jedoch bereits die Hand, nachdem der Lehrer ihr erlaubte zu sprechen, stellte sie die Frage, die allen auf der Zunge lag.

"Kann es sein, dass du das Model NOZOMI-chan aus Okinawa bist?", fragte sie.

"Ja, ich wurde von einem Privatlehrer unterrichtet, da es mir aufgrund meines Bekanntheitsgrades unmöglich war, eine normale Schule zu besuchen. Jetzt möchte ich das Modeln aufgeben und versuche in einer neuen Stadt in den Alltag einer Oberschülerin zurückzufinden. Ihr werdet das in den Magazinen lesen, ich wollte nur schon vor der Veröffentlichung weg, denn ich möchte den Trubel gerne vermeiden. Wahrscheinlich kann ich das eh nicht, aber einen Versuch ist es wert, oder?", zum Schluss lachte sie.

Ihre Stimme klang tiefer als im Fernsehen. Akira setzte sich wieder auf ihren Platz und der Unterricht begann. Die Information über NOZOMI verbreitete sich jedoch wie ein Lauffeuer. In der Mittagspause wusste es bereits jeder. Die Schüler belagerten sie. Ich hatte mich schon so auf eine Mittagspause mit meiner Clique gefreut, aber auch die hatten nur NOZOMI im Kopf. Ich verzog mich auf das Schuldach und genoss mein Obentō, meine Lunchbox. Ich hatte es gerade zur Hälfte gegessen, als ich plötzlich Gesellschaft bekam.

"Oh, hier ist schon jemand", stellte Akira fest. "Darf ich mich setzen? Ich halte diesen Hype um mich nicht mehr aus", lachte sie.

"Klar, setz‘ dich"

Das war ja schließlich nicht mein Dach. Sie setzte sich im Schneidersitz mir gegenüber.

"Ich bin Akira Hashimoto", stellte sie sich noch einmal vor.

"Mona", nannte ich ihr meinen Namen.

"Woher kommst du?", fragte sie mich, denn es war ja nicht zu übersehen, dass ich Ausländerin war.

"Aus Deutschland. Ich wohne hier seit ich zehn bin", erzählte ich ihr.

"Das ist echt cool", sie war begeistert.

Lustlos stocherte ich im Reis herum.

"Ist was?", fragte Akira besorgt.

"Ich wollte die Pause mit meinen Freunden verbringen, aber sie wollten unbedingt zu dir", seufzte ich.

"Und du nicht?", fragte sie.

"Ehhhhh?! Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, du bist total cool und ich bin ein riesengroßer Fan, aber ich dachte es würde dich nerven, wenn dich alle mit Fragen bombardieren, Fotos und Autogramme wollen. Außerdem willst du doch aus dem Business zurücktreten...", versuchte ich ihr irgendwie zu erklären warum ich nicht an ihr klebte wie der Rest der Schule.

"Danke", lachte sie.

"Aber wenn du ein wenig unauffälliger aussehen würdest, dann hätte es dir den Start wesentlich einfacher gemacht", riet ich ihr.

"Ohhh, du kannst dir gar nicht vorstellen wie unauffällig dieser Rückzug aus der Öffentlichkeit ist. Lass mir doch den Spaß", sie streckte mir die Zunge raus und ich verstand nur Bahnhof.

"Hä? Muss ich das jetzt verstehen?", fragte ich verwirrt.

Akira lachte.

"Nein, schon gut, vergiss es einfach", winkte sie noch immer lachend ab.

"Isst du das noch?", fragte Akira plötzlich.

"Nein, ich hab irgendwie keinen Hunger mehr", mit diesen Worten reichte ich ihr die Reste meines Lunchpaketes.

"Danke!", freute sie sich und ging in Position.

"Itadakimasu~", sagte sie und begann zu essen... zu schlingen.

Ich hatte noch kein Mädchen gesehen, das so schnell essen konnte. Ich staunte wirklich nicht schlecht. Innerhalb von eineinhalb Minuten hatte sie alles aufgegessen. "Gochisōsama!", bedankte sie sich.

"Gerne...", murmelte ich noch immer perplex.

"Das war sehr lecker. Hast du das selbst gemacht?", fragte sie.

"Nein, meine Mutter", erwiderte ich.

Ich stützte mich auf meine Hände, legte den Kopf in den Nacken und seufzte.

"Schade, dass der Himmel bewölkt ist"

"Ja", auch Akira sah zu den Wolken.

Die Mittagspause neigte sich langsam ihrem Ende. In der nächsten Stunde mussten wir die Klassensprecher wählen, außerdem wurde die Sitzordnung ausgelost. Ich war sehr gespannt auf dieses Schuljahr.

Akira und ich beschlossen zur Klasse zurück zu gehen. Nachdem auch der Lehrer sich in dem Klassenzimmer eingefunden hatte, klärten wir die organisatorischen Details. Der unbeliebte Nach-Schulschluss-Dienst, der Fege- und Aufräumdienst, wurde nach dem Klassenbuch verteilt. Dieser Dienst rotierte wöchentlich, so kam jeder einmal in den 'Genuss'. Bis K waren es zum Glück noch ein paar Wochen.

"Jetzt werden wir den Klassensprecher und den Vertreter wählen. Irgendwelche Freiwilligen oder Vorschläge?", kündigte der Lehrer an.

Es entstand ein Getuschel, doch der Name der am häufigsten fiel war NOZOMI-chan, Akira Hashimoto. Ein Mädchen hob zittrig ihre Hand.

"Yamada-san", forderte der Lehrer sie auf zu sprechen.

"Ich fände es toll wenn Hashimoto-san, die Klassensprecherin werden würde", sagte sie leise.

"Hashimoto-san?", bat unser Klassenlehrer sie zuzustimmen oder abzulehnen.

"Abgelehnt", das einstimmige "Ohhhhhhh" im Raum ignorierte sie. "Ich schlage Mona König vor", sagte Akira.

Ich starrte sie von meinem Platz aus an.

"Sie macht sich von allem ein objektives Bild, ist nicht voreingenommen und kein Mitläufer", wollte sie meine guten Eigenschaften aufbauschen, doch diese Eigenschaften existierten nicht.

Ich war ein Mitläufer, denn was andere machten, machte ich auch. Entscheidungen konnte ich nicht treffen, weil ich vor den Konsequenzen Angst hatte. Ich war ein Jasager, ein Nichtskönner und ließ lieber die Anderen die komplizierten Dinge regeln. Ich konnte keine Klassensprecherin werden, denn ich hasste es vor einer Masse an Menschen zu stehen und zu sprechen. Die meisten aus der Klasse waren auch noch fremd!

"Nein, ich kann das nicht und ich will das nicht", versuchte ich mich rauszureden.

"Wer stimmt noch für sie?", fragte Akira und hob ihre Hand.

"Na, wenn NOZOMI-chan sie für die Richtige hält", in der Klasse begann man ihren Worten zu glauben.

Ich war verloren. Nach und nach hoben meine Klassenkameraden die Hände.

"Dann ist es entschieden. König-san ist Klassensprecherin.

Mein Herz setzte aus und mir schossen bereits die Tränen in die Augen. Ich wollte nicht, ich konnte das wirklich nicht. Nur mit halbem Ohr bekam ich mit, dass Koji Masuda zu meinem Stellvertreter gewählt wurde.

"Die Klassensprecher sind gewählt. Ich werde euch jetzt alleine lassen, dann könnt ihr in Ruhe die Sitzordnung auslosen. Die Klassensprecher übernehmen die Leitung", sagte Herr Murata und verließ den Raum.

"Komm", sagte Koji als er an mir vorbei nach vorne ging.

Ich zitterte, als ich ihm folgte. Ich sah nur eine Sekunde in die Gesichter meiner Klassenkameraden und fing an zu heulen.

"Die heult ja", wisperten die ersten.

"Wie peinlich", kicherten andere.

"Ōsama, du musst uns nur Zettel ziehen lassen", lachte Noriko.

"Das kannst du ja wohl", meinte Maya.

Ich wusste, dass ich mich zusammenreißen musste, aber ich hasste das und wie war ich hier nur reingeraten? Ich war so peinlich mit meinem Geflenne, doch dagegen war ich im Moment machtlos.

"Masuda-kun, steh nicht so da, du bist Vertreter, hilf ihr", sagte Akira plötzlich.

"Eh okay, also... die Sitzplätze sind alle auf den Zetteln, jeder zieht nach und nach einen aus der Box und dann stellt ihr die Tische um", begann Koji.

"Nach der alphabetischen Reihenfolge, also fangen wir mit A an", fügte er noch hinzu und schlug das Klassenbuch auf.

"Yukio Aizawa", las Koji den ersten Namen vor.

Yukio ging nach vorne und zog einen Zettel, somit begann das Geräume. Ich bekam nicht viel davon mit, denn ich war noch immer mit heulen beschäftigt.

"Ramona König... Ramona König", Koji sah mich an und sprach nun lauter.

"Mona-chan, du bist dran", hörte ich dann Akiras Stimme.

Ich schreckte auf und sah in die leicht genervten Gesichter meiner Klassenkameraden. Schnell wischte ich mir die Tränen aus den Augen.

"Was denn?", fragte ich.

"Du bist dran", sagte Koji noch einmal.

Die anderen Schüler kicherten wieder. Mein Gesicht war noch immer tränenverschmiert als ich in die Box griff und meinen Zettel zog. Ohne etwas zu sagen stellte ich meinen Tisch um, ich stellte fest, dass ich neben Akira am Fenster saß. Gott sei Dank. Ich blieb sitzen und ging nicht wieder nach vorne. Koji leitete die Platzverteilung bis zum Ende.



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