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"I know I'm a Wolf"

Originalspeedwichteln 2013
von

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I know I’m a wolf and I’ve been known to bite,
 

But the rest of my pack, I have left them behind.
 

My teeth may be sharp and I’ve been raised to kill,
 

But the thought of fresh meat, it is making me ill.
 

So I’m telling you, that you’ll be safe with me.
 

 

 

In der Stadt loderten klagende Fackeln in den finsteren Nachthimmel hinauf, Stimmen erhoben sich vom Marktplatz und hallten bedrohlich durch die leeren Gassen, auf der Suche nach dem Schuldigen. 

 
 


 

 

Lucas hatte nicht viel Zeit. Er wusste, dass die Bewohner der Stadt sich bald auf den Weg machen würden und diesmal gab es keinen Grund, sie davon abzuhalten. Im Wald lebt ein Wolf und wir werden ihn jagen. Seine Schritte waren schnell. Er musste sich davon abhalten zu rennen, denn das knorrige Unterholz war dicht und ein falscher Schritt konnte fatal sein. Gespenstisch hohe Bäume säumten seinen Weg. Ihre dichten Kronen verschluckten das silbrige Licht des abnehmenden Mondes, ihre Schatten hüllten ihn in einen zerbrechlichen Schleier, der ihm das Gefühl von falscher Sicherheit vermittelte. In der Ferne hörte er das klagende Heulen der Wölfe; der, den er suchte, war nicht dabei. Der Wolf, den er suchte, war in dieser Nacht keiner und auch die Dorfbewohner würden das wissen. Unter seinen Füßen raschelte das Laub. Der eisige Wind zerrte an seinem Mantel und die Luft roch nach Winter. Er mochte den Schnee und die Kälte, aber es fiel ihm schwer jetzt an diese Jahreszeit zu denken, denn sie erinnerte ihn mehr als alles andere an vergangene Tage in einer zugigen Hütte mit einem prasselnden Feuer im Ofen und dem Lachen von Kindern.

Auch jetzt brannte in dem Häuschen Licht. Er konnte es von weitem sehen: ein warmes, einladendes Leuchten in der Dunkelheit und doch würde er jetzt lieber vor dem Pub stehen, in dem er abends so gerne trank. Er atmete noch einmal tief ein und richtete sich gerade auf, schob seinen Hut zurecht und strich mit der Hand einmal über den Revolver, als wolle er sich versichern, dass er noch da war. Silberkugeln sind kostbar. Dann klopfte er und wartete nicht auf das „Herein“ des Bewohners, denn die Tür war immer offen.

 

„Du?“, fragte der ganz in Schwarz gekleidete Mann, der mit einer Flasche Whiskey in der Hand in einem Sessel vor dem Kamin saß und sich nicht die Mühe machte, Lucas anzusehen.

Lucas antwortete nicht. Die Tür knarrte, als er sie hinter sich ins Schloss fallen ließ und den Schlüssel drehte. Sein Blick schweifte durch das spärlich beleuchtete Zimmer und blieb an den tanzenden Schatten auf Jareds Gesicht hängen. Er zog die Handschuhe aus und legte Hut und Mantel ab. Den Revolver behielt er bei sich. Nur für den Fall. Jared sah blasser aus als sonst, seine Haut wirkte sogar im warmen Licht des Kaminfeuers fahl. Das dichte schwarze Lockenhaar, das ihm wirr ins Gesicht hing, bildete einen starken Kontrast dazu. Auch der dichte Bart, der das kantige Kinn und die perfekt geformten Lippen fast vollkommen verbarg, machte es Lucas schwer, seinen Jugendfreund wiederzuerkennen. Doch als ihn der Blick des Anderen traf, fiel ihm das Hellgrün seiner Augen auf und er drohte sich darin zu verlieren. Es dauerte, bis der eigentliche Grund seines Kommens ihm wieder einfiel, doch dann traf es ihn wie ein Schlag: „Du musst hier weg.“

So unverwandt diese Worte seinen Mund auch verlassen hatten, sein Gegenüber schien nicht verwirrt. Seine Lippen kräuselten sich zu einem bitteren Lächeln, als er den Kopf schüttelte: „Ich habe nicht vor, diesen Wald zu verlassen.“

Lucas hatte nichts anderes erwartet und doch enttäuschte ihn das sture Verhalten seines Freundes. Er hatte seine eigenen Ideale verraten, um Jared diesen Vorschlag zu machen. Er wollte ihm die Chance zur Flucht zu geben, bevor der wütende Mob vor seiner Tür stehen würde… oder, wenn nötig, die Vergeltung selbst fordern. Ein Jäger, der den Wolf nicht jagt, ist kein Jäger. Er presste die schmalen Lippen fest aufeinander und strich sich durchs blonde Haar, suchte dann in seiner Tasche nach der Zigarettenschachtel. Es war schwer, in dieser Situation, ruhig zu bleiben.

 

Nervös blickte er aus dem Fenster, während er die glimmende Zigarette an seine Lippen führte. Er lauschte nach Geräuschen in der Nacht, die nicht von den Bewohnern des Waldes stammten. Doch es war nichts zu hören außer dem Pfeifen des Windes, der an Wänden der Hütte zerrte. Er trat vom Fenster weg und ließ sich auf die kleine Bank vor dem Tisch sinken, den Blick nun wieder auf Jared gerichtet. Dieser setzte gerade die Whiskeyflasche erneut an und trank in großen Schlucken, wischte sich danach mit dem Handrücken über den Mund. Seine Stimme klang gebrochen und war nicht mehr als ein Flüstern in der Nacht: „Wenn ich aufwache, schmecke ich noch immer das Blut meines Opfers.“ Er sah nicht zu Lucas, sondern starrte in das lodernde Feuer, „Ich kann auch jetzt noch seine Knochen zwischen meinen Kiefern knacken hören… Ich wache nicht in letzter Sekunde auf, um festzustellen, dass alles nur ein böser Traum war. Ich wache immer erst dann auf, wenn es längst zu spät ist.“

Bei diesen Worten musste Lucas an den heutigen Morgen denken – daran, wie die glutrote Sonne langsam hinter den Bergen aufgegangen war und den Schauplatz in ein unwirkliches Licht getaucht hatte. Das Blut glänzte fast schwarz, so als wäre es längst zu einem Teil des Waldes geworden.

 

Jared hatte sich von seinem Sessel erhoben und als Lucas’ Gedanken in die Gegenwart zurückkehrten, stand er bereits dicht vor ihm. Er beugte sich zu ihm herunter. Noch leiser als zuvor sprach er weiter, „Warum bist du hier? Du hast doch gesehen, was ich getan habe, also lass sie nun tun, was sie tun müssen.“ Sein Blick fiel von Lucas’ Gesicht ab zu dem Revolver, der noch immer fest im Halfter an dessen Hüfte steckte. Fast zärtlich strichen seinen Hände darüber, „Oder wolltest du es selbst tun?“ Er lächelte traurig und die Worte klangen nicht anklagend oder verletzt, sondern eher gerührt. Seine Finger fuhren weiter über den Ledergürtel und öffneten die Schnalle.

Lucas ließ es geschehen. Sein Mund fühlte sich plötzlich seltsam trocken an und in seinem Kopf rasten die Gedanken ohne Richtung. Er erinnerte sich an das letzte Mal, als Jared ihm so nah gewesen war und die Gegenwart verschwamm vor seinen Augen, verwandelte sich in etwas, das einem verdrängten Traum glich und doch keiner war. Er spürte Jareds Atem auf seinem Gesicht und roch den Alkohol. Wie in Zeitlupe erhob er seine Hand und vergrub die Finger in verfilztem schwarzem Haar. Jared schloss die Augen und der harte, grimmige Gesichtsausdruck verschwand endgültig von seinem Gesicht. Er wirkte plötzlich um Jahre jünger, und das machte es nur schwerer für Lucas einen klaren Kopf zu behalten. „Ich kann hier nicht weg…“ Jared sprach so leise, dass Lucas ihn kaum hören konnte.

In einer Ecke des Zimmers lagen schwere Ketten aus Metall. Die Tür, die in den Keller führte, war aus den Angeln gerissen worden und das Holz vollkommen zersplittert. Auf der einen Seite konnte man den tiefen Kratzer von scharfen Krallen sehen.

„Es war nicht deine Schuld“, stellte Lucas schließlich fest. Ein kleiner Teil von ihm musste dadurch selbst noch überzeugt werden, „Die Schilder. Jeder weiß, dass der Wald nachts nicht betreten werden sollte. Schon Großmutter hat dafür gesorgt, dass die Gruselgeschichten die Menschen davon abhalten hierher zu kommen. Und ich… ich hab weitergemacht.“

„Du hast dich damals nicht abschrecken lassen“, erneut umspielte ein feines Lächeln seine Lippen, das Lucas mehr erahnte, als dass er es sah. „Das war etwas anderes“, und er dachte an das kleine Mädchen im roten Kleid, das ihn zum ersten Mal zu dieser Hütte geführt hatte, in dem ein anderer Junge mit wildem schwarzem Haar gemeinsam mit seiner Großmutter lebte. So viele Jahre sind seitdem vergangen. So viele Jahre, „Ich war schon immer besonders unerschrocken.“ Und doch hatte Lucas in diesem Moment Angst, nicht vor dem Wolf, davor hatte er sich nie gefürchtet, aber bei dem Gedanken an den Ausgang dieser Nacht, wurde ihm eiskalt.

 

„Ja, du bist immerhin der Jäger in dieser Geschichte. Du musst dich jeder Gefahr stellen“, Jared kniete mittlerweile auf der Bank und ließ sich in Lucas’ Schoß nieder. Er war viel zu leicht für Jemanden, der so groß war. Seine Finger fanden erneut ihren Weg zu Lucas Hosenbund und lösten dort den Verschluss. „Lilly war unsere Prinzessin, das kleine Rotkäppchen, das im verbotenen Wald Blumen pflückte und Großmutter gern besuchte. Sie hat uns vergessen.“ Und dann war da noch die Angst vor dem bösen Wolf.

Jareds kühle Finger berührten ihn zärtlich aber bestimmt. Lucas unterbrach ihn nicht. Weder in seinem Tun, noch in seiner Rede. Genau wie damals. Er lehnte sich lediglich weiter zurück und spürte die Kante des Tisches deutlich in seinem Rücken. „Siehst du sie noch manchmal?“, er war ihm so nah, dass nur wenige Zentimeter ihre Lippen voneinander trennten.

Die Wahrheit war, dass er sie wirklich noch traf. Nicht oft, aber immer mal wieder, nur würde er das nicht sagen. Nicht jetzt, nicht so. Lilly war noch immer seine Freundin und sie schüttelte jedes Mal den Kopf, wenn er von diesem Wald sprach und tat so, als gäbe es hier nichts, dass sie an ihre Kindheit erinnerte.

Bevor er jedoch antworten konnte, überbrückte Jared die letzte Distanz zwischen ihnen und küsste Lucas. Seine Lippen waren rau und der Kuss schmeckte nach Whiskey und Zigaretten, nach einer fast verblassten Erinnerung, die nun vor Lucas’ Augen erneut aufflammte. Jareds Hände, seine blasse Haut, die atemlosen Küsse und das heisere Stöhnen – Lucas erinnerte sich plötzlich an jedes Detail und sein Körper fand den alten Rhythmus ganz von allein wieder. Er öffnete Jareds Hemd und schob es ihm von den Schultern. Seine Bewegungen waren fließend und langsam, auch wenn Jared in seinem Schoß ungeduldig nach mehr verlangte. Lucas wusste selbst, dass die Zeit drängte und doch konnte er einfach nicht anders, als diesen Moment zu genießen. Er verstand nicht, warum es jedes Mal eine Katastrophe brauchte, um sie auf diese Art und Weise zusammenzubringen. In der ersten und einzigen Nacht, die sie bisher miteinander verbracht hatten… Dieser Gedanke verlor sich irgendwo auf dem Weg von der Bank zum Bett.

 

Lucas konnte nicht mehr genau sagen, wie genau sie es geschafft hatten, zum Bett hinüber zu stolpern, ohne sich dabei ernsthaft zu verletzen.

Gedankenverloren zeichnete er die Narben auf Jareds Oberkörper nach. Dieses Leben war ein Fluch und trotzdem war es gerade jetzt perfekt. Zumindest in seinen Augen.

„Was ist meine Rolle in der Geschichte?“ Jared richtete sich auf und suchte nach einem Hemd, das irgendwo am Fußende des Bettes zu liegen schien, „Manchmal träume ich davon der Held zu sein.“ Er bändigte das lange Haar in einem Zopf und Lucas’ sah ihm stumm zu. Er hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen, aber er wusste nicht was. „Du jedenfalls gehörst eigentlich nicht in mein Bett, sondern in ihres“, erklärte er trocken und wollte aufstehen. Lucas ließ ihn nicht gehen. Er packte Jared vielleicht etwas zu grob am Arm und zog ihn zurück aufs Bett. „Das ist kein Märchen. Das sind nur wir und jetzt müssen wir hier weg. Zusammen.“ Er küsste seinen Hals und Jared lachte: „Da draußen ist nichts für mich. Da ist nur dein Leben und nicht jede Nacht ist wie diese.“ Nicht bei Vollmond.

 
 


 

 

Von Draußen erklang wildes Geschrei, das immer näher kam. Jemand schlug ein Fenster ein und andere hämmerten gegen die Tür. Jared küsste ihn ein letztes Mal, bevor er sich von ihm entfernte. „Sie sind da.“ Aber wo ist das Happy End?

 

 

Oh, rabbit. My claws are dull now, so don’t be afraid



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ixtli
2013-03-24T20:30:37+00:00 24.03.2013 21:30
Aloha!

Wie im Zirkel schon erwähnt, liebe ich diese Geschichte, ganz egal, wie lange sie ist. Sie ist genau richtig, alles, was gesagt werden muss, wurde gesagt. Ich hatte während des Lesens nie den Eindruck, als hätte etwas gefehlt. ^^

Und ja, auch nach mehrmaligem Lesen wird man nicht müde, entdeckt immer etwas anderes.

Der Märchenbezug und dass man ihn nicht gleich bemerkt, ist sehr geschickt gewählt.
Alleine diese Idee, den Jäger und den Wolf die Geschichte erzählen zu lassen. Diese Konstellation und dieser Plot. Fantastisch.

Der Schluss - zuerst hat es mich erschüttert, weil ich die Entwicklung davor nur vor Augen hatte, aber dann fiel mir plötzlich ein, dass kein Ende ja nicht bedeutet, dass es schlecht endet. Kein Ende ist ja eine Möglichkeit, eine gute Möglichkeit, die ich an Stories wie dieser sehr schätze.
Wer weiß, vielleicht haben Lucas und Jared es ja trotzdem geschafft?
Und darüber denke ich noch weiter nach, spinne ein bisschen herum.

Deine Mission war erfolgreich. Die Geschichte bleibt mir im Gedächtnis. :D

(P.S. Das Lied habe ich mir auch angehört. Zum Glück erst, nachdem mir der Gedanke kam, dass kein Ende dennoch ein gutes Ende bedeuten kann. Es passt einfach, fügt sich in die Geschichte ein, als wäre es dafür geschrieben worden.)


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