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Frail

von

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Kapitel 1

Es hatte keiner damit gerechnet, dass Byou der erste war der ging. Eigentlich hatte Kazuki erwartet, dass er der erste war. Immerhin fühlte er sich ziemlich müde und geschafft, was wohl daran lag, das er die Nacht davor höchstens 5 Stunden geschlafen hatte. Warum wusste der Gitarrist selber nicht so genau, er war einfach ständig wach geworden und hatte auch relativ lange wach gelegen. Und sie hatten sich alle schon um 10 Uhr getroffen, um alles für den Dreh vorzubereiten. Da war auch keine Zeit gewesen sich nochmal gegen Mittag aufs Ohr zu hauen. Es war grade mal so Zeit gewesen zu duschen, da er immer wieder versucht hatte, wenigstens zu dösen.

Der braunhaarige gähnte und kniff kurz die Augen zu, als ob es eine kleine Erholung sein würde. „Da schläft aber einer gleich ein“, die tiefe Stimme von Manabu durchbrach diese kurze Erholungsphase und Kazuki schaute den jüngeren an. Er war immer noch so fit… So… Agil und kein bisschen müde. Er hatte wahrscheinlich auch durchgeschlafen, anders als der Lead-Gitarrist! „Ohh… Sollen wir dich ins Bettchen bringen? Und ein Gute-Nacht-Lied singen?“, Rui hatte ihm, wie eine Oma aus einem Film, in die Wange gekniffen und die Hand minimal hin und her bewegt. Zuerst schaute der Leader nur etwas zerknirscht, zog den Kopf etwas ein und schaute alle dann mit großen Augen an. „Ja…“, war die nuschelige Antwort seinerseits, die ein Lachen bei allen hervorbrachte.

Das sahen sie alle gerne. Kazuki, der einen auf niedlich machte und nur wollte, dass man ihn etwas bemutterte oder beschäftigte. „Ey, das ist gemein“, er wollte das anhaltende Lachen durchbrechen, doch er schaffte es durch seine Kommentare einfach nicht. „Wie kommst du eigentlich nach Hause?“, Jin hatte mittlerweile seinen aufgerauchten Stummel weg geschnipst und blies das letzte bisschen Rauch aus. Da war ja das Problem! Er war mit Byou mitgefahren und der war schon längst weg und hatte es genau so vergessen wie Kazuki selber. Seine Augen wurden immer größer und er sah die drei Jungs nur an. „Ich… ich…“, stammelte er. Durch Müdigkeit wurde Kazuki immer etwas anders… Er wurde verpeilt, verplant, sein Kopf arbeitete langsamer, so glaubten es zumindest alle. „Ich nehm dich schon mit“, beruhigte Manabu den Älteren dann und trat seinen Stummel nun auch aus. Rui musste wieder beginnen zu lachen, da der Blick des Leaders deutlich erleichterter war und er jetzt schon vor sich hin strahlte. Man hätte meinen können, Kazuki wäre leicht angeschwipst, aber er hatte kein bisschen Alkohol getrunken. Innerhalb weniger Minuten war der Gitarrist wohl schon so müde geworden, dass er kaum die Augen aufhalten konnte.

„Ich glaub, wir fahren dann mal besser. Sonst knackst du noch im stehen ein“, redete Manabu dann und Kazuki nickte nur beiläufig. Schnell verabschiedeten sich die beiden noch von Rui und Jin, die dann selber auch schon den Heimweg antraten. Noch bevor der Jüngere, schwarzhaarige sein Auto aufschloss, zog Kazuki am Griff und wunderte sich, dass die Tür nicht aufging.

„Deine Tür ist kaputt“, redete er mit monotoner Stimme und schaute zu Manabu rüber. Dieser konnte es nur selten fassen, wie verpeilt der Gepiercte in seiner Müdigkeit oftmals war. „Ich hab noch nicht mal aufgeschlossen“, gab er mit ruhiger Stimme zurück und tat dies nun. Sofort waren beide eingestiegen und dann startete Manabu den Wagen, um loszufahren.

Kaum ein Auto war noch auf der Strecke unterwegs die er fuhr. Es war kein wirklicher Umweg für ihn, wenn er Kazuki nach Hause fuhr. „Manabu?“, die schläfrige Stimme ertönte und nur für einen Sekundenbruchteil hatte der Angesprochene rüber gesehen. „Kann ich bei dir schlafen?“, redete er dann weiter. Beinah hätte er „Wieso“ gefragt, doch das ließ er dann. Manchmal plante Kazuki spontan irgendwas, was man nicht sofort nachvollziehen konnte und Manabu hatte es mittlerweile aufgegeben, nachzuvollziehen, was seine Gedanken machten.

„Ja… Kein Thema“, antwortete er deshalb. Es war wirklich kein Thema. Sie waren alle schon so weit, dass jeder bei jedem Notfall-Klamotten hatte, falls solche Spontanen Sachen anstanden. So hatte er auch Klamotten eben von Kazuki und die Couch im Wohnzimmer war schnell hergerichtet für den Älteren.

Es dauerte nicht mehr lange, da hatte er das Auto geparkt und Kazuki vorsichtig geweckt. Zusammen hatten sie die stille Wohnung betreten und am liebsten hätte der Leader sich schon auf das Sofa gelegt. Doch schon wurde er wieder von Manabu hochgescheucht, der wenigstens schnell die kleinen Kissen gegen ein großes austauschen wollte, sowie die dünne Decke gegen eine richtige tauschte. Zeit um ein Lacken noch drüber zu werfen hatte er nicht, denn schon saß Kazuki wieder auf dem Bett. „Willst du dich nicht noch umziehen?“, Manabu stand neben dem Sofa und schaute ihn nur an. „Ja… Ja doch“, müde rieb sich sein Gegenüber über die Augen. Wenigstens musste das Make Up nicht mehr runter, das hatten sie schon hinter sich. Auf seine Antwort hin war der Wohnungseigentümer schon los in sein Schlafzimmer, um aus dem Kleiderschrank Kazukis Notfall-Klamotten zu suchen und sie ihm dann auf den Kopf zu werfen.

Nur langsam, fast wie in Zeitlupe hatte er sich an den Kopf gegriffen und die Klamotten in seinen Schoß gezogen, um Manabu dann anzusehen. Er schien noch was sagen zu wollen, aber er beließ es dann und trottete nur knautschig ins Bad. Um sich die Zeit dann etwas zu vertreiben, hatte er noch den Fernseher angemacht und zappte etwas durch die Programme. Viel Gutes lief um die Uhrzeit nicht mehr, das merkte man ganz deutlich und er hatte auch keine wirkliche Lust sich einen dieser schlechten Spät-Nacht Filme anzusehen oder diese ganzen Soft-Pornos. Fan von diesen Werbungen war er auch nicht sonderlich, weswegen er immer weiter zappte und bei einem der Musiksender stehen blieb.

Das konnte man sich doch gut antun. Es dauerte ziemlich lange und langsam bekam der jüngere Angst, dass Kazuki eingeschlafen sein könnte im Bad. Das fänd er nun gar nicht lustig, denn entweder müsste er ihn dann wecken, oder er müsste ihn auf das Sofa schleppen, wodurch er wahrscheinlich eh wach werden würde. Grade wollte Manabu aufstehen und anklopfen, da öffnete sich auf halbem Wege schon die Badezimmertür und der Gast trottete langsam hinaus. „Was hast du denn da drin gemacht? Geschlafen?“, fragte Manabu dann schlussendlich. Kazuki schaute ihn nur kurz an, schüttelte den Kopf und trottete weiter zum Sofa, um sich gleich dort hinzulegen. „Hab ich nicht“, war dann seine verspätete Antwort.

Der Fernseher ging aus und schlagartig hatte Kazuki die Augen wieder geöffnet. „Gib mir die Fernbedienung“, verlangte er dann und kurz runzelte Manabu die Stirn. „Warum?“ „Ich hör den Fernseher gern beim Einschlafen“, war die Antwort. So oft hatte Kazuki noch nicht hier geschlafen, dass Manabu es hätte wissen können und wenn, sind sie beide meistens vor dem Fernseher eingeschlafen, weil sie irgendwas gespielt hatten, oder einen Film schauten.

Es war aber heute eben anders. Schulterzuckend übergab er Kazuki die Fernbedienung und machte wieder Anstalten zu gehen. Diesmal fing der Ältere nicht nochmal an, mit ihm zu reden, weswegen er endlich ins Bad ging und sich selber fertig machte, um dann in sein Bett zu steigen.

Vieles war anders geworden in den letzten Jahren, aber einiges auch nicht. Yuuto war gegangen, doch auch wenn es teilweise gemein klang, Manabu konnte sich darüber nicht beschweren. In den letzten Monaten, wo der Bassist noch da war, hatte er selber aufgehört fröhlich zu sein. Zuerst war es nur ein Spaß gewesen, aber aus dem Spaß war ziemlich schnell ein fieser Streit geworden, der in so einigen Attacken geendet war.

In dieser Zeit hatte Manabu des Öfteren darüber nachgedacht, die Band zu verlassen. Immerhin hatte Yuuto oft beteuert, wie langweilig der jüngste doch war, wie untalentiert und unnötig er war. Keinem der anderen hatte er von seinen Gefühlen darüber erzählt und innerhalb der Gruppe hatte er immer so getan, als ob ihn das nicht stören wurde. Doch es störte ihn in Wirklichkeit sehr.

Bis heute hatte er keine Ahnung, wie Kazuki das gemerkt hatte, aber er hatte es bemerkt. Er war es auch, der so lange nachgefragt hatte, bis Manabu endlich mit der Sprache rausgerückt hatte. Ihm hatte der Jüngste erzählt, wie schlecht er sich Gefühlt hatte und das er mit dem Gedanken gespielt hatte, zu gehen.

Und dann wurde Kazuki immer mehr zu seinem großen Bruder in der Band. Er war es, der Angefangen hat sich mit Yuuto anzulegen, wenn er sowas mitbekommen hatte und er war es auch, der Manabu wieder aufbaute. Der ehemalige Bassist war nicht in einem Streit gegangen, man hatte sich allgemein angefangen auseinander zu leben, aber manchmal glaubte der Jüngste, dass er doch wegen ihm gegangen war. Wissen tat er es nicht, es war nur ein Gedanke, der ihn schon lange beschäftigte. Doch eine Antwort würde er wohl nicht darauf kriegen. Zwar hatte er sich halbwegs mit Yuuto vertragen aber das war dann doch wohl eher nur Oberflächlich gewesen.

Manchmal fragte sich Manabu auch, was gewesen wäre, wenn Kazuki nicht da gewesen wäre, oder wenn es ihn nicht interessiert hätte. Er wäre wohl heute nicht dort, wo er nun mal jetzt war.
 

Mittlerweile war es nun 23 Uhr und er saß schon, überpünktlich, an seinem Laptop und lag in seinem Bett. Momentan mied er den Fernseher, da seiner Meinung nach eh nur Schwachsinn lief und er sich sowas vor allem nicht zum Abend antun musste. Müde war er keineswegs und er fühlte sich auch nicht im Geringsten schwammig, nein. Er loggte sich sogar zur Richtigen Zeit ein, denn kurz nach ihm, erschien die Benachrichtigung, dass sie ebenfalls On war.

Sie schrieben schon lange nicht mehr, sie telefonierten schon. Doch in der letzten Zeit war das nicht mehr so häufig, denn sie arbeitete recht viel und vor allem auch lange. Byou hatte Verständnis dafür, auch wenn er nicht wusste, als was sie arbeitete. Aber richtig wichtig war das auch nicht.

Er war eher zufällig auf sie gestoßen. Sie war ihm Vorgeschlagen worden, als „Freund“ von der Internetseite, wo die Musik gezeigt wurde, die man gerade hörte. Ihr beider Geschmack war zwar zum Teil komplett verschieden, aber zum anderen auch wieder nicht. Keiner wusste wie der andere Aussah, was aber daran lag, dass sie nie nach Fotos gefragt hatten und langsam schienen sie sich beide daran gewöhnt zu haben.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er das Geräusch hörte, welches ihm verriet das sie ihn grade anrief. „Hey na, wie geht’s dir?“, hörte er schon die immer zu fröhlich klingende, sanfte Stimme. Sie sprachen auf Englisch, auch wenn sie immer mal wieder versuchte von ihm japanisch zu lernen. Aber das war schwieriger als gedacht, denn sie Verstand die Hälfte nicht und betonte es immer falsch. Trotzdem aber machte es ihm nichts aus, denn sie verstanden sich ja trotzdem.

„Ganz gut und dir?“, der übliche Smalltalk zum Anfang. Sie schien es immer zu brauchen, denn sie hatten ein Gespräch noch nie anders angefangen. Erst nach ein paar Minuten und dem üblichen Gerede fing sie an, zu erzählen oder Fragen zu stellen.

Es hatte schon irgendwie was Liebenswertes, denn er versuchte sich immer wieder, sie dabei vorzustellen, auf der anderen Seite der Welt sitzend. „Oh und weißt du was? Ich hab bald Urlaub. 4 ganze Wochen lang“, erzählte sie dann und Byou hatte lächeln müssen, weil sie sich wirklich zu freuen schien. „Ich hab in 2 Wochen auch Urlaub“, antwortete er dann darauf. „Was ein Timing Mensch“ „Hast du irgendwas geplant?“, fragte Byou dann. Sie schienen wohl zur selben Zeit Urlaub zu haben und da konnten sie dann wohl öfter telefonieren, denn sie waren dann von der Zeit unabhängiger. „Eigentlich hatte ich geplant in die Heimat zu fahren… Aber so wies aussieht fällt das wohl flach und das heißt, ich suche grade ein neues Reiseziel. Weil hier bleiben will ich eigentlich nicht. Ich will was machen“, erzählte sie dann. Öfters schon hatte sie von „zurück in die Heimat“ gesprochen und als Byou nachgefragt hatte, hatte sie erzählt, dass sie schon lange nicht mehr in ihrem Geburtsland lebte. Grade als er Antworten wollte, hörte er ein Angsterfülltes japsen von seiner Gesprächspartnerin und das ließ ihn schon wundern. „Alles in Ordnung?“, fragte er sofort, denn das hatte nicht sehr gesund geklungen. „Nein… Ja.. Also… Eigentlich ja“, stotterte sie sich zu Recht und sie schien sich hinterm PC zu Bewegen, das hörte er deutlich. „Was ist denn?“ „Meine Deckenlampe hat grad den Geist aufgegeben“, war ihre leicht verschüchterte Antwort. „Okey… Und wieso dann der verschreckte Laut?“, Byou hatte schon an sonst was gedacht. „Ich… Ähm… Ich hab… Ich hab furchtbar panische Angst im Dunkeln“, stotterte sie weiter.

Beinah hätte er ja gelacht, denn für einen Moment hatte sie wie ein kleines Mädchen geklungen. „Ich weiß was du jetzt denkst. Du denkst jetzt bestimmt ich bin ein furchtbarer Schisser. Aber leider hast du damit sogar recht. Zumindest was das angeht“, verteidigte sie sich dann, weswegen er nun wirklich lachen musste. „Hey. Das ist nicht nett“, protestierte sie darauf. Aber er hörte raus, dass sie schon wusste, was er meinte und sie ihm auch nicht sonderlich böse war. „Sorry… Zurück zum Thema Urlaub, okay?“ „Ja also. Ich such halt ein neues Reiseziel. Und wie stehts bei dir so?“ „Du kannst ja her kommen“, schoss es aus seinem Mund heraus. Da hatte er nun wirklich nicht drüber nachgedacht, sondern einfach ausgesprochen, was für ein paar Sekunden als Möglichkeit in seinen Gedanken aufgeblitzt war. Stille kehrte ein, sie schwieg. „Ehm… Wir… Haben uns noch nie gesehen…“ „Also nein. Das war nur so ein Gedanke. Ein Witz quasi“, versuchte er die Situation noch zu retten. Ein Witz. Das war eigentlich kein Witz gewesen, er hatte sie wirklich eingeladen. „An sich… Wär das bestimmt ne coole Sache mal nach Japan zu fliegen und so. Aber was ist, wenn wir uns nicht vertragen sollten?“, war dann ihr Einwand. Irgendwo hatte sie ja recht. Sie hatten sich noch nie gesehen, sie telefonierten nur miteinander, aber das eben schon über eine ganze Zeit. „Naja, warum denn nicht? Ist ja nicht so, dass du hier gefangen wärst, als ob du das hier gebucht hättest wie ein Zimmer im Hotel“, Byou wusste selber nicht so genau, warum er sie davon überzeugen wollte, aber das hatte er sich in den Kopf gesetzt.

Wieder kehrte stille ein. Sie schien diesmal wohl zu überlegen, hoffte er zumindest. „Naja… Okey. Schaden kanns nicht. Also… Tauschen wir jetzt Fotos aus?“, fragte sie dann. Er war gerade in experimentier Laune, das merkte er selber und es schlich sich eine weiter blöde Idee in seinen Kopf. „Wie wärs, wenn wir uns überraschen lassen? Fotos können gut täuschen.“ „Und wie erkennen wir uns dann im Flughafen? Ich mein, ich muss nach… Tokio? Und der Flughafen ist sicherlich doppelt so groß wie der wo ich losfliegen muss“, wieder ein Einwand ihrerseits. „Ich schreib ein Schild, häng mir das um den Hals und du hast auch irgendwas zum erkennen. Obwohl, dich wird man bestimmt erkennen“ „Ja, außer andere europäische Frauen sind ebenfalls in dem Flugzeug“ „Ach, ich erkenn dich dann schon. Gibt etwas besonderes, was einem sofort ins Auge fällt?“, es war wohl der Nervenkitzel an dieser ganzen Geschichte. Nicht zu wissen, wie der andere aussah, doch irgendwie Vertraut sein und aufeinander warten. „Meine Haare“, eine knappe Antwort und Byou hatte die Augenbrauen ins Gesicht gezogen. „Wie jetzt? Hast du sie dir besonders gefärbt oder wie?“ „Nein… Du willst kein Foto, also kann ich dir nur so viel sagen. Das wirst du wahrscheinlich als erstes an mir sehen. Vor meinen Brüsten“, Byou musste Lachen.

Er hatte ihr ehrlich gesagt, dass er wohl fast an jedem Tag des Jahres pervers dachte, oder auf solche Dinge achtete.

Sie hatten noch ewig weiter telefoniert, ein Datum ausgemacht und sie hatte sogar tatsächlich schon nach einem Flug geguckt. Immerhin konnte sie sich diesen auch ein bisschen was kosten lassen, denn für Verpflegung und Unterkunft musste sie ja keinen Pfennig zahlen. Der Sänger machte sich keine Sorgen darum, dass es vielleicht komisch werden könnte, wenn sie sich wirklich nicht verstanden oder keine richtige Verbindung zueinander aufbauten. Diese Möglichkeit ließ er völlig außer Acht.
 

Keiner wusste von Byous Gast, der in einer halben Woche kommen würde. Bisher hatte er es noch nicht erzählt und niemand ahnte etwas davon, denn er sagte nur, dass jemand bekanntes ihn besuchen würde. Man stellte auch nicht viel Fragen darüber, denn sie versuchten sich die Privatsphäre zu lassen. Sie saßen nun grade bei einem Radiosender und warteten auf den Moderator, um seine vielen Fragen zu beantworten. Aber jeder sehnte sich an das Ende dieser Woche, denn dann konnten sie endlich etwas aus dem ganzen Trubel der Medien steigen. Nicht dass sie es nicht mochten, es gehört halt zum Job dazu, aber nach ein paar harten, anstrengenden Monaten war das einfach wirklich wichtig.

Kazuki kaute nervös auf seinem Piercing rum, das tat er vor Interviews immer. Egal ob es vor der Kamera war oder „nur“ für ein Radio oder eine Zeitschrift, wo keiner ihn sehen konnte. Er war immer nervös, aber in dem Rahmen war die Nervosität noch Gesund. Manabu hingegen schien die Ruhe selbst zu sein, wie er so verträumt vor sich hin schaute, die Umwelt wohl gar nicht richtig wahrnahm. Rui war auch relativ ruhig, auch wenn er manchmal mit seinem Fuß wippte, oder seine Hände durchzukneten schien. Dann war da noch Byou, der ebenfalls ziemlich ruhig war, wie Manabu. Die Sonnenbrille auf der Nase, den Kopf auf seiner Faust stützend.

Ihre Haltungen änderten sich erst, als der Moderator eintrat und sie sich alle begrüßten. Man konnte denken, für die Jungs war das einfach ein übliches Prozedere, aber nein. Es war jede Mal anders, jedes Mal war jeder der Jungs doch irgendwie nervös und es machte eigentlich Spaß. Auch wenn es manchmal Fragen gab, wo sie sich alle synchron am liebsten die Haare raufen würden, sie freuten sich doch zumeist.

Hier war es dasselbe: Wieder gab es Fragen, die am liebsten alle gleichzeitig beantworten würden und auch sehr ausführlich, aber auch der anderen Seite stellte der Moderator auch Fragen… Die Teilweise wirklich einfach nur blöd waren! So dachte zumindest Kazuki, als sie das Gebäude grade verließen. „So ein Blödmann“, prustete er und stieß dabei den Rauch seiner Zigarette aus. „Naja… Es ging ja noch“ „Es ging ja noch? Wieso fragte er Manabu so eine Scheiße“, Kazuki schien vor Wut fast zu Platzen. Der angesprochene, jüngere blieb ganz ruhig und schaute zwischen Rui und Kazuki hin und her. „Ja, die Frage war blöd, da hast du recht“ „Wieso kommt er überhaupt darauf nach all der Zeit nach Yuutos und Manabus Beziehung zu fragen? Wieso?“, es schien für den Gitarristen wirklich unerklärlich zu sein.

Aber für Manabu war es das ebenfalls. Immerhin waren schon ein paar Jahre vergangen und bisher hatte niemand den Jüngsten nach der Beziehung gefragt. Der war so verwirrt gewesen bei der Frage, dass der Moderator sie nochmal gefühlte 2-3-mal wiederholte. „Man ey. Ich könnt ja platzen vor Wut“, fast hätten sie alle auf diesen Kommentar im Chor Ja gesagt, aber dann würde der braunhaarige wohl wirklich unter der Decke kreisen.

„Die Frage war blöd, aber immerhin hat keiner von uns eine dumme Antwort gegeben. Also komm wieder runter“, versuchte nun Byou sein Glück bei dem Leader. Je mehr er von der Zigarette rauchte, desto ruhiger schien er zu werden. Kurz trat schweigen ein und sie begaben sich alle zu dem Sieben-Sitzer, der auf sie wartete und ins Studio brachte, wo sie kurz die Lage besprachen.

Verstimmt zischte der Leader, setzte sich auf den Mittleren Platz und ließ kurz den Blick schweifen. Links neben ihm saß Byou, der aus dem Fenster schaute und rechts von ihm war es Manabu. Hinter ihm saßen Jin und Rui und der Beifahrerplatz war leer. Warum? Warum hatte sich keiner dort hingesetzt?

Kazuki schüttelte kurz den Kopf. Wieso fing er jetzt an sich über alles den Kopf zu zerbrechen? Nur wegen dieser blöden Frage? Er musste damit aufhören, das wusste er und so versuchte er sich auch sofort abzulenken.

Doch das Manabu neben ihm saß, half ihm dabei nicht. Nicht nur, dass der Jüngere ihn an die Frage erinnerte, nein, er erinnerte ihn auch an die Zeit mit Yuuto. Wie oft hatte Kazuki damals versucht an den Jüngsten ran zu kommen, denn er schien fast der einzige gewesen zu sein, der eine Veränderung bemerkt hatte. War Yuuto da, hatte er kaum gelächelt. War er weg, hatte er gestrahlt. Da hatte er natürlich nachgefragt und das nicht nur einmal.
 

Geknackt hatte er den jüngeren dann, als er einfach, völlig spontan vor seiner Tür gestanden hatte und mit ihm reden wollte. Er war einfach in seine Wohnung gegangen, ohne das Manabu ihn rein gebeten hatte und das war wohl auch gut so gewesen. Wahrscheinlich wäre er sonst direkt an der Tür abgewiesen worden und so musste Manabu wohl mit ihm reden. Er hatte ihm alles anvertraut, wie er sich fühlte die ganze Zeit, was das für eine riesen Belastung war und das er sogar darüber nachdachte, wieder zu gehen. Der Ältere hatte seinen Ohren kaum getraut, als er das erzählte. Klar, von der Sache mit der Mayonnaise hatten sie alle gewusst, aber da war ja mehr, da waren ja immer wieder diese kleinen Anfeindungen gewesen. Kazuki hatte sich gefragt, was der Jüngste alles hatte ertragen müssen, aber er fragte sich auch, ob er das vielleicht nicht alles etwas zu ernst nahm. Und dann war er mit der ganzen Wahrheit rausgerückt, dass er in seiner Schulzeit anfänglich ähnlich behandelt wurde, ehe man ihn in Ruhe gelassen hatte. In diesem Moment hatte Kazuki sich schuldig gefühlt, dafür dass er nichts bemerkt hatte und einfach gedacht hatte, dass es nicht wäre. Das würde wieder werden. An dem Abend hatte er noch viel Zeit mit Manabu verbracht und ihm versichert, dass es besser werden würde, dass es anders werden würde. Nach diesem Gespräch hatte der jetzige Leader ihn mit ganz anderen Augen gesehen. Plötzlich war der Jüngste wie ein Bruder geworden, der Schutz brauchte, der es alleine nicht schaffte und er hatte sich verantwortlich gefühlt. Nach diesem Abend hatte es viele Gespräche gegeben mit Yuuto, wenn auch zuerst nur Privat. Bald mussten sie aber die ganze Band mit einbeziehen und es hatte einige Gespräche gegeben. Zum Ende hin hatten die beiden sich dann doch vertragen, aber alle wussten, dass es nur Oberflächlich gewesen war und man wusste auch, dass Manabu und Yuuto keinen Kontakt gehalten hatten. Es war so verrückt, denn zu Anfang hatten sie sich gut verstanden, wirklich prächtig. Warum der Bassist dann wirklich ausgestiegen ist, wussten sie nicht unbedingt. Zumindest wusste Kazuki es einfach nicht. Vielleicht war es auch besser das nicht zu wissen. Aber der Nachfolger stand schon in den Startlöchern, auch wenn Kazuki zuerst Angst hatte, es würde genau so werden wie vorher. Es wurde jedoch anders. Rui hatte sich gut in die Band eingefügt und es war alles so nahtlos gewesen, das man hätte meinen können, er wäre schon immer dabei gewesen.
 

Anscheint hatte der Leader Manabu zu lange angesehen, denn der schaute ihn verwirrt an. „Ist was?“, fragte er folglich auch und Kazuki hatte nur den Kopf geschüttelt, mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen. „Nein nein, alles in Ordnung“, war seine Antwort gewesen.

Eigentlich war auch alles in Ordnung, also sollte er wohl besser aufhören, sich einfach den Kopf zu zerbrechen, denn es war doch so unnötig.

Im Studio angekommen besprachen sie nur noch das nötigste, für das letzte Interview, welches sie führen mussten. Am Ende war jeder nach Hause gefahren, denn es war doch anstrengender gewesen als gedacht.



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