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Strangers

von

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4,001.

Um genau zu sein, waren es 19 Rosen die ich ihr geschenkt habe. Warum 19? Ich weiß es nicht mehr. Die Zahl stand ihr gut, und obwohl sie verwirrt schaute, erkannte ich später doch ein Lächeln auf ihren Lippen. Ihr Lächeln war immer nur von kurzer Dauer. Aber ich fing es jedes Mal ein und behielt es für lange, lange Zeit in Erinnerung. So wie fast alles, was sie tat, oder zumindest gab ich mir die größte Mühe. Es klappte nicht immer.
 


 

0,667.

Ich hab sie nie verstanden. Das erste Mal habe ich sie vor mehr als zwei Jahren gesehen - in einem Club, schillernde Lichter, dröhnende Musik, überfüllte Menge. Der Schweiß tropfte dem einen vom Kinn oder rannte dem anderen den Hals hinab. Es war ein Freitag im Juli. Und sie war ein Mädchen, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Nicht nur ihr Gesicht, auch wie sie aussah und was sie ausstrahlte – ganz anders als alles, was ich kannte.

Ich starrte. Ich starrte sie die ganze Zeit an und verstand selbst nicht, was mit mir geschah. Bevor sie an mir vorbeigegangen war, und als unser Sichtkontakt unterbrochen wurde, hatte ich sie noch am Arm fassen wollen, doch durch das Gedränge und den Alkohol glitt meine Hand unter ihren Rock und zerrte noch daran, unbewusst, bis sie ihren Körper verließ. Wodurch sie sich verwirrt umdrehte und überrascht zu mir zurück sah, jedoch letztlich einfach weiterging.

Ich erinnere mich noch daran, dass eine Naht an ihrem Rock gerissen war, was ich schlussendlich erst sah als wir bei mir Zuhause angekommen waren. Dann war es schon zu spät.
 


 

0,668.

Manchmal begriff ich die einfachsten Dinge nicht. Warum ich zum Beispiel hier lag, in diesem weißen sterilen Zimmer.

»Wo ist eigentlich mein Handy?« fragte ich und meine Mutter, die neben mir saß, schüttelte abermals den Kopf.

»Das kann doch nicht dein Ernst sein.« antwortete sie, ohne es als Frage intonieren zu wollen. Perplex zog ich die Augenbrauen in die Höhe. Ach ja, sie hatte vorher etwas gesagt. Ich hatte nicht zugehört. Überhaupt stand sie schon auf und war bereits auf halbem Wege wieder draußen. »Ich muss jetzt los. Wenn dir dein Handy so wichtig ist dann musst du wohl lernen während der Arbeitszeiten nicht einfach so umzukippen.«

Das war meine Mutter. Einfühlsam kannte nicht. Weswegen ich ungern engere Kontakte hegte.
 


 

1500.

Inzwischen war ich wieder daheim. In dem leeren kleinen Apartment, in dem ich seit einem Jahr lebte. Ginge es nach mir, läge ich gerade jetzt wohl betrunken in einem der Metrozüge, oder auf der Rückbank eines Taxis. Da es aber seit gewissen Vorfällen nicht mehr nach mir ging, lag ich auf der Couch zu Hause.

Eine Kundin von früher hatte mich noch angerufen, sagte mir sie vermisste mich, wollte mich sehen, fragte aber nicht wie es mir ging. Ich sagte ihr ich vermisse sie auch, sei aber zu beschäftigt mit meiner Arbeit und legte bald daraufhin auf.

Mein Vater hatte Kontakte. Meine Eltern waren keine wohlhabenden Menschen und auch nicht die erträglichsten. Aber nachdem ich nach Tokyo gezogen war, und ihnen zu meinem Bedauern nach wenigen Jahren aufgefallen war, dass ich keinen vorbildlichen Job hatte, und es auch nicht so aussah als ob ich vor 30 heiraten würde, steckte mich mein Vater zu einem Freund in dessen Marketing-Firma, und so kam ich zu meinem derzeitigen Job. Ob ich dazu Lust hatte oder nicht, stand außer Frage.
 


 

0,676.

Der Aufenthalt im Krankenhaus kam mir vor wie ein Traum. Noch schlimmer, ich hatte immer wieder Phasen in meinem Alltag an denen es mich auf einmal überkam und ich nicht mehr wusste, ob das Leben, das ich glaubte zu führen, wirklich real war. Ich hatte nie über solche Dinge nachgedacht.

Andere Tage traf es mich wie ein Schlag auf den Kopf. Wie ein echter Schlag, nur das Auftreffen war kein physisches Gewicht. Irgendwas, das in dem inneren meines Kopfes einbrach. Als ob ich gleich umkippen würde; und ich fühlte mich so müde, als würde ich gleich einschlafen. Nur war es kein Einschlafen, es war wie das Eintauchen in eine andere Dimension, es zog mich hinein und ich konnte nur versuchen es zu verdrängen und zu vergessen.
 

0,669.

»Ab heute bin ich dein Freund.« sagte ich ernst und sah zu ihr rüber, nachdem wir gegessen hatten. Sie prüfte meinen Blick, und lachte als sie bemerkte, wie ernst ich es meinte.

»… ja. Vielleicht.« Sie strahlte, auch wenn es nur für einen weiteren kurzen Moment war.

Ich schmecke heute noch die Marlboro Reds, die ich an dem Abend geraucht habe. Und ich erinnere mich daran, wie sie direkt vor mir stand und tanzte, zu den schillernden Lichtern und der rastlosen Musik.

Der Rock, die gerissene Naht, die unsaubere Abtrennung, die Schwerkraft, die es nie gab. Die Bewegungen. Sie tanzte und tanzte und tanzte. Sie drehte sich, um alles und jeden und tanzte weiter. Niemand aber tanzte mit ihr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Jo_chan
2013-03-10T08:59:22+00:00 10.03.2013 09:59
Wirklich schöner Stil! Bin gespannt wie es weiter geht und wie weit wir noch in die aufkommende "Dunkelheit" ab tauchen!
Von:  Ashanti
2013-03-10T02:39:39+00:00 10.03.2013 03:39
Wow.. ich liebe es es ist einfach nur..wow!!
Dein Schreibstil ist totall toll.
Ich bin sehr auf weitere Kapitel gespannt. ♥


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