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Prince Mephisto

And the horny virgin
von

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Für dich


 

"Wir sind voneinander besessen

Nichts hält uns je mehr auf"

(Funker Vogt - Für dich)

- Laszlo -
 


 

Ich war es, der Milan häufig als kleines, arrogantes Arschloch sah, allerdings begann ich zu realisieren, dass ich gar kein Recht auf dieses Urteil hatte.

Denn schon während ich das ganze Geld in meiner Tasche verstaute, hätte ich mir am liebsten links und rechts eine geknallt, so beschissen fühlte ich mich, wie ein Arschloch eben - aber ich tat es trotzdem.

Weil ich einfach nur so eine verdammte Angst vor einer Zukunft als Penner unter einer Brücke hatte, wenn ich nach meinem letzten Arbeitstag auf der Straße stand, mit nichts weiter als den schönen Erinnerungen an Milan, die ich mir ganz allein getrübt hatte.

Ja, verdammt, es gab Abende, da lag ich in meinem Bett und stellte mir vor, wie schön es mit dem Kleinen gewesen wäre, wenn wir so richtig zusammen wären, aber eben weil ich ihn so sehr mochte, wollte ich nur das Beste für ihn.

Und das Beste war ich nicht.

Ich war ein Loser ohne Job, ohne Ausbildung und mit keiner Perspektive und ich musste zunächst mein Berufsleben einigermaßen in Ordnung bringen, ehe ich mich auf die Liebe einlassen konnte.

Deswegen stand ich auch gerade an der Kasse des kleinen Zeitungsladens im Bahnhof, um mir noch ein paar Zigaretten zuzulegen.

Das Zugticket hatte ich in meiner Jackentasche verstaut, welches mich locker bis nach Hamburg verfrachten konnte.

Oder nach Wiesbaden.

Oder München.

Mir war es ehrlich gesagt egal, ich würde einfach den nächsten Zug nehmen und mich in die Ferne tragen lassen.

Um ein neues Leben zu beginnen.

Irgendwo.

Wo Freaks und Loser wie ich willkommen waren, und wenn ich dazu in einer psychiatrischen Klinik anfangen musste.

Mir war alles recht.

Ich musste mich nur noch voll und ganz auf meine Jobsuche konzentrieren können und endlich dieses harten Stein im Magen ignorieren, der mich ständig an Milan erinnerte.

Dieser Junge fraß alle meine rationalen Gedanken und erleichterte es mir nicht wirklich, die Stadt zu verlassen, was die Gewissheit mit sich brachte, den Kleinen nie wieder zu sehen.

Doch es musste sein.

Mein Kopf war momentan wichtiger als mein Herz.

Zu Milan konnte ich ohnehin nicht mehr zurück, hatte mein Diebstahl doch den endgültigen Schlussstrich zwischen uns gezogen.

Bestimmt hasste er mich.

Und vielleicht war das auch gut so.
 

"Zwei Schachteln Marlboro light, bitte."

Abwesend beobachtete ich die Verkäuferin dabei, wie sie sich dem Zigarettenregal zuwandte und die von mir gewünschte Sorte ausfindig zu machen.

"Zwanzig Euro, bitte", nannte sie mir den Preis, als sie mein Suchtmittel auf der Theke ablegte.

Ziemlich widerwillig zückte ich die Scheinchen, wusste ich doch, dass ich mit den knappen Hunderttausend meine Existenz sichern musste und bereits das Zugticket war nicht das Billigste, geschweige denn würde die Wohnung sonderlich günstig sein, die ich mieten würde.

Aber ich vermutete, ich würde eine ganze Weile mit der Knete um die Runden kommen.

Mit Milans Knete.

Hach, das Schuldgefühl ließ sich einfach nicht abschütteln und ich fand es jammerschade, dass im Zug ein striktes Rauchverbot herrschte.

Schließlich waren Zigaretten Nervennahrung und Beruhigungsmittel zugleich.

So würde ich die ganze Fahrt über wieder nur an den Kleinen denken, an seine schönen Augen, sein schwarzes Haar - und es würde mich innerlich zerfressen.

Weil ich es verbockt hatte.

Ehrlich, umso länger ich grübelte, umso mehr hätte ich heulen können.

Aber mein Schicksal hielt weitere Abgründe für mich bereit, in die ich, ohne es verhindern zu können, stürzte.

Und verantwortlich dafür war nur dieses kleine, harmlos aussehende Gerät, durch welches die Verkäuferin einen der Scheine zog.

Mein Leben war so ziemlich beendet, als das Ding zu piepen begann und zeitgleich eine rote Lampe aufleuchtete.

Auch wenn ich bisher noch nie in den Genuss gekommen war, Falschgeld zu besitzen, so wusste ich dennoch, dass ich geliefert war.

Milans Kohle war ein Fake.

Ein verfluchter Fake!

Ich fühlte mich, als würden meine Knie der Situation nicht mehr Herr werden.

Es ging alles so schnell.

Mir war schwindlig und ich nahm lediglich wie durch einen milchigen Schleier war, wie sich zwei Arme unter meine Achseln schoben und mich in ein Zimmer hinter der Ladentheke schleiften.

Ich konnte mich nicht wehren, nichts erklären, denn ich wusste überhaupt nichts mehr.

Man würde mich festnehmen, mich verknacken, und das alles verdankte ich nur meinem Schicksal, dass mich hart für meinen Diebstahl bestrafen wollte.
 

Ich war der schlechteste Mensch auf der Welt.

Und ich hatte das Gefühl, die Verkäuferin und der kräftige Mann, der wahrscheinlich dem Sicherheitspersonal angehörte, seinem Anzug nach zu urteilen, dachten genauso über mich.

Wie sie mich anschauten, während ich zitternd und frierend aufgrund der innerlichen Kälte auf diesem Stuhl in diesem Raum saß, so, als wollten sie mich jeden Augenblick lynchen.

So ähnlich fiel die Konsequenz für meinen Falschgeldbesitz auch aus.

Unverzüglich griff die Frau nach dem Telefonhörer und ich konnte heraushören, dass sie wohl die Polizei über mich und meine Tat verständigte.

Noch nie in meinem Leben hatte ich solch eine Angst verspürt.

Nicht einmal, als ich zum ersten Mal zu einem Kunden gehen sollte, schwirrten dermaßen dicke Hummeln durch meinen Hintern.

Und dann war da die unaufhörliche Panik, die in mir schwelte und mich förmlich lähmte.

Ich wollte nicht in den Knast, nein, um Gottes Willen, nein!

Die Horrorgeschichten, die ich darüber gehört hatte, wollte ich nie live erleben müssen.

Mein Leben würde einen gehörigen Knacks bekommen und eigentlich hätte ich bereits jetzt beteuern können, dass es mir leid tat und ich nie, nie wieder so einen dummen Fehler begehen würde.

Wenn die Bullen hier eintrafen, dann würde ich sie anflehen, mich gehen zu lassen, auch wenn es wahrscheinlich aussichtslos werden würde.

Ich war echt am Arsch.

Und ich hatte keinen Plan, was ich nun machen sollte.
 

Kalt lief es mir über den Rücken, als die Männer in blau eintrafen, zwei an der Zahl, kräftig aussehend und mich mit diesem Blick anschauend, der mich förmlich auf die Knie sinken und mich um Gnade bitten ließ.

Die Verkäuferin war gerade dabei, die Lage noch einmal zu schildern, doch ich fiel ihr einfach ins Wort, egal, was für schlechte Karten mir das einbringen würde, denn ich wusste, ich müsste jede Möglichkeit ergreifen, die Situation richtig zu stellen.

Und wenn ich unhöflich war - für mich ging es gerade um Leben und Tod.
 

"Das war alles nur ein großes Versehen!", schmetterte ich wenig intelligent, was die Polizisten stumm und prüfend zu mir blicken ließ. "Das Geld ist nicht von mir, ich ... ich ... hab es ..."

Oh, scheiße!

Ich hatte es gestohlen!

Wie sollte ich jetzt erst recht noch einen kühlen Kopf bewahren?

"Ich hab es von ... meinem Freund ... geschenkt bekommen."

Wie fadenscheinig, das wusste ich selbst.

Und nun auch noch Milan so hintergründig zu erwähnen war absolut beschissen, aber was bitte sollte ich in meiner Not machen?

Die Polizisten zweifelten ohnehin an meiner Aussage, kommentierten das Ganze gar nicht erst, sondern bedeuteten mir viel mehr, ihnen auf die Wache zu folgen.

Es war wirklich wie in einem Gangsterfilm.

Sogar Handschellen wurden mir verpasst, ich kam mir vor wie ein Schwerverbrecher und kämpfte mittlerweile wirklich mit den Tränen.

Und mir war klar, dass dies kein Albtraum war, sondern die Realität, denn ich stieß mir sehr echt anfühlend den Kopf am Dach des Polizeiautos, als ich auf den Rücksitz verfrachtet wurde.

"Ich hab das nicht gewollt!", beteuerte ich noch einmal und verfluchte das Zittern in meiner Stimme, welches mich noch schwächer und machtloser dastehen ließ, als ich es eh schon tat. "Das Geld ist von Milan, ich hab das doch nicht gewusst, dass es nicht echt ist!"

"Wo wohnt dieser Milan?", kam es kühl von dem Polizisten auf dem Beifahrersitz und ich wusste, dass ich den Kleinen endgültig verpfiffen hatte.

Wenn ich jetzt die Auskunft verweigerte, würde es auch nichts mehr gerade rücken können, also nannte ich die Anschrift Milans, während ich mich mental als größtes existierendes Arschloch beschimpfte.

Wenn Milan mir die Sache mit dem Gelddiebstahl verziehen hätte, das hier hatte unser Verhältnis endgültig zerstört.

Ich würde mir das nie verzeihen können.

Und er mir auch nicht.
 

Wir erreichten bald schon ein Viertel mit Einfamilienhäuser, welches ich eindeutig als das identifizierte, in dem Milan heimisch war.

Immer schwerer wog der Stein in meiner Magengrube, umso näher wir dem Haus Milans Familie kamen, denn ich ahnte, was mir gleich bevorstand.

Bestenfalls würde er mich am liebsten verprügeln wollen, schlimmstenfalls sagte er mir, dass er mich nun hasste.

Das würde schrecklich weh tun, aber selbst diesen Schmerz hatte ich mir redlich verdient.

Schließlich konnte man so jemanden wie mich nur hassen.

Ich selbst mochte mich ja nicht mal mehr.

Und dieses Gefühl erfuhr seinen Höhepunkt, als das Polizeiauto direkt vor Milans Haus einparkte.

Ehrlich, ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich kotzen oder heulen sollte.

Am besten ich tat beides.

Eigentlich wollte ich gar nicht hinschauen, wie die beiden Polizisten zielstrebig aus dem Auto stiegen und sich der Haustür näherten, vor der ich selbst einige Male gestanden hatte.

Wie niedlich der Kleine war, als er mich so schüchtern begrüßte und ich dennoch genau wusste, was er am liebsten von mir gehabt hätte.

Er hatte mich sofort so gern und ich erwiderte diese Zuneigung, auch wenn ich mir zunächst nicht eingestehen wollte, dass ich ihm ebenfalls nah sein wollte.

Aber nun waren all diese Erinnerungen ohnehin irrelevant.

Es wäre besser gewesen, es hätte sie nie gegeben, denn dann wäre jetzt nichts in meinem Herzen, das geschmerzt hätte.

Wenn ich Milan nie begegnet wäre, hätte ich jetzt sicher noch meinen Job, besäße mein Herz und meinen Verstand und säße nun nicht in diesem beschissenen Polizeiauto!

Und in diesem Falle hätte ich nun nicht das total entsetzte Gesicht des Kleinen sehen müssen, den die Situation sichtlich überforderte.

Nie im Leben hätte ich ihn verpfeifen dürfen, nur um meinen Arsch zu retten zu versuchen.

Ich besaß schließlich seine Jungfräulichkeit; er hatte sich mir anvertraut, mir das Intimste geschenkt, was ein Mensch in sich trug, was das Kind von einem Mann trennte und ich trat es mir Füßen.

Nun wanderten seine geschockten Blicke weg von den Männern in blau hin zu dem Polizeiauto und ich ging jede Wette ein, dass er mich sehen konnte, denn in den schockgeweiteten Augen begann eine glühende Wut zu wachsen.

Jetzt konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten, das war zu viel.

Milan musste nicht erst sagen, dass er mich hasste; er vermochte es auch ohne Worte zu vermitteln.

Und es tat so schrecklich weh ...
 

Hilflos sah ich mit an, wie die Polizisten Milan ebenfalls in Handschellen legten, während dieser sich im Gegensatz zu mir zunächst zur Wehr setzte und laut irgendwelche Flüche von sich gab, aber die Männer waren stärker und so bugsierten sie den Kleinen, der mächtige Gegenwehr leistete, zu mir auf die Rückbank.

In meinem Magen explodierte etwas, als sich die Tür öffnete und Milan regelrecht ins Auto geworfen wurde, die Haare zerzaust, sodass sie sein Gesicht verdeckten.

"Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, bei meinem verdammten Leben: Dieses Geld lag eines Morgens vor meinem Fenster! Und ich hab keine Ahnung, wie es dorthin gekommen ist!"

Die Polizisten gingen nicht auf Milans Beteuerungen ein, wie schon bei mir, der eine schwieg und der andere antwortete seinem sich bemerkbar machenden Handy.

So außer sich hatte ich den Kleinen noch nie erlebt.

Nie hatte ich geglaubt, dass seine Stimme so ein Volumen annehmen könnte, ich hatte nun selbst regelrechte Angst vor ihm, vor allen Dingen, weil die Polizisten ihn und das, was er zu sagen hatten, ignorierten und er somit Gelegenheit hatte, sich mir zu widmen.

Er schüttelte erregt sein Haar nach hinten und plötzlich trafen sich unsere Blicke, woraufhin ich mit meinem hastig in eine andere Richtung auswich, aber es war zu spät.

"Du beschissenes Arschloch! Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich verabscheue? Nur wegen dir passiert mir diese ganze Scheiße, du ruinierst mein ganzes Leben! Es ist echt geil, dass die Polizei dich geschnappt hat, denn du verdienst es, in den Knast zu kommen! Du hinterhältiges Schwein!"

"Milan ..."

Ich heulte, aber das schien ihn in seiner Rage nicht zu interessieren; niemanden schien es zu jucken, dass ich nicht mehr konnte, dass mich die Verzweiflung übermannte.

Er hatte ja recht mit dem, was er sagte, aber das aus seinem Mund zu hören war mehr, als ich ertragen konnte.
 

"Milan ... ich lieb dich doch, Milan ...", stammelte ich, es kam einfach so über meine Lippen, egal, wie unpassend dieses Geständnis in dieser Situation war, in der wir nebeneinander in einem Polizeiauto saßen, die Hände mit Handschellen zusammengehalten.

Aber es fühlte sich an wie die Wahrheit.

Ich liebte diesen Kerl, ich spürte es sogar jetzt inmitten dieser Trauer, dieser verzehrenden Angst und der Panik.

Meine Worte schafften es unerwarteter Weise sogar, ihn zum stillschweigen zu bewegen, anscheinend hatte er damit nicht gerechnet.

Vielleicht überlegte er sich aber auch nur, ob er den Polizisten sagen sollte, dass ich ein Dieb war, verdient hätte ich es ja.

Aber anscheinend war er nicht so ein Verräter wie ich.

Milan, mein guter Milan ...

Er öffnete bereits wieder den Mund, um erneute unkontrollierte Worte hinauspurzeln zu lassen, aber der telefonierende Polizist hatte sein Gespräch beendet und schien eine Ansage machen zu wollen.

"So Jungs, den Bandenführer der Geldfälscher wurde soeben geschnappt, er hat sofort alles gestanden. Er bestätigt sogar Ihre doch sehr unglaubwürdige Geschichte, Herr Jovanovic."

Mir fiel ein Felsbrocken vom Herzen.

Wendete sich jetzt doch noch alles zum Guten?

"Dennoch hätten Sie mit dem Geld zur Polizei kommen sollen, anstatt es still und heimlich einzubehalten. Wir lassen Sie beide erstmal unter Vorbehalt frei, aber rechnen Sie mit Rückfragen."

Nicht nur ich konnte meine Freude kaum fassen, auch auf Milans Gesicht wuchs ein breites Lächeln heran und ich hörte, wie erleichtert er aufatmete.

Gott sei dank.

Es war alles vorbei.
 

"Oh Mann, danke, danke, ich bin Ihnen so dankbar!", stammelte er mit vor Freude bebender Stimme, als die Polizisten uns von den Handschellen befreiten und uns auf der Straße abstellten und auch ich stimmte mit in die Dankeshymne ein.

So verharrten wir noch eine Weile auf dem Bürgersteig, stumm, erleichtert und dem Auto ganz in Gedanken versunken hinterherblickend, während es in der Ferne verschwand.

Erst jetzt merkte ich, wie fertig mich die ganze Situation, die Angst und die Ungewissheit gemacht hatten.

Am liebsten hätte ich mich in mein Bett verzogen, jetzt auf der Stelle, aber mir fiel ein, dass das ja nicht ging; ich war theoretisch obdachlos, hatte keine müde Mark mehr in den Taschen.

Mh ...
 

"Hatte ich einen Schiss", gestand ich, obwohl ich die Eiszeit zwischen uns physisch spüren konnte und nicht wirklich mit einer Erwiderung Milans rechnete, die wie erwartet ausblieb.

Der Kleine starrte abwesend ins Leere, seine langen Haare wehten im lauen Frühlingswind und auf seinem Gesicht war keine Spur mehr von der anfänglichen Freude über seine Freilassung.

Sie war einem bitteren Ausdruck gewichen, und ich wusste auch, wer diesen zu verantworten hatte.

Ich schämte mich nun umso mehr und machte Anstalten, mich schleunigst zu verpissen, denn eine Versöhnung zwischen uns erschien mir aussichtslos.

So, wie Milan mich beschimpft hatte, so dachte er auch über mich in seinem tiefsten Inneren, auch wenn er nun seinen Mund hielt und mich komplett ignorierte.

Ich musste nun die Zähne zusammenbeißen, akzeptieren, dass es so sein sollte, dass wir zerstritten auseinandergingen, zerstritten, obwohl ich ihn so sehr mochte.

Und er mochte mich auch ...?

Nein, da war ich mir überhaupt nicht mehr so sicher.

Und ich hätte es ihm auch nicht verübeln können, wäre da kein einziger Funken Zuneigung mehr von seiner Seite.
 

Endlich hatte ich mich dazu durchgerungen, mich langsam von ihm zu entfernen, dachte gerade darüber nach, wo ich unterkommen konnte, aber plötzlich setzte Milan wider Erwarten zum Reden an.

Mein Herz bollerte bis zum Hals und ich wagte es sogar, ihn erwartungsvoll anzuschauen, auch wenn mein Blick immer wieder eingeschüchtert an den Häuserwänden abglitt.

"Erst beklaust du mich, dann fickst du mich, ohne den Anflug eines schlechten Gewissens und dann - und das ist die Krönung - verpfeifst du mich bei den Bullen."

Er hielt inne, während ich nicht wusste, ob es richtig war, irgendetwas zu sagen, denn ich hatte kein Recht dazu, Einspruch einzulegen, wo doch alles stimmte, was er mit einer bedrohlichen Seelenruhe von sich gab.

Doch ich wettete, innerlich tobte er noch genauso wie im Polizeiauto, denn ich merkte, wie er absichtlich in eine andere Richtung schaute.

Bestimmt, damit es ihm leichter fiel, seine Worte zu formulieren.
 

"Du bist echt mies, so richtig mies, man kann es kaum beschreiben. Was denkst du eigentlich, wie ich dich verflucht habe, als ich bemerkte, dass die Kohle weg ist! Ich habe sogar meine Mutter beschuldigt, aber dann erschien es mir logisch, dass du es warst. Du konntest es nur gewesen sein. Am liebsten hätte ich dir eine reingehauen, ich war sogar drauf und dran, aber dann hat dein verdammter Ex-Chef mir feierlich eröffnet, dass du nicht mehr für ihn arbeitest."

Ich brauchte eine Zigarette, dringend, doch mein Vorrat war schon lange aufgebraucht und Nachschub ... davon konnte ich lediglich träumen.

Allerdings vergaß ich sowieso mein Suchtmittel, als Milan seinen Kopf in meine Richtung drehte, zaghaft, dann aber mit diesem festen und bitter enttäuschten Blick, der den Wunsch in mir weckte, alles wieder gut zu machen.

Diese traurigen Augen sollten wieder strahlen, man!

So wie nach unserem ersten Mal.
 

"Du bist wegen mir geflogen, stimmts? Weil du den Kunden wegen mir stehen gelassen hast."

Ich nickte stumm, jedes Wort war jetzt zu viel und konnte das kleine Pflänzchen Harmonie, das gerade zwischen der Müllhalde aus Wut und Hass wuchs, zerstören.

"Wieso hast du nichts gesagt? Wieso hast du einfach dein eigenes Ding durchgezogen? Wir sind ... waren uns so nah, so nah, wie ich niemals einem Menschen vor dir nahe war, und du machst das einfach kaputt. Aber im Grunde ..."

Was?

Ich unterdrückte das Gefühl der Hoffnung, das sich in mir meldete, denn umso niederschmetternder wäre eine Zerstörung dessen gewesen.

Milan atmete nun tief durch, ich sah ihm an, dass es ihm nicht leicht fiel, weiter zu sprechen.

Er haderte mit sich.

"Im Grunde bin ich ja selbst mit schuld an der ganzen Scheiße. Wegen mir hast du deinen Job verloren. Wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du keinen Diebstahl begangen und auch kein Falschgeld bessen."

"Sag nicht sowas", versuchte ich ihn kleinlaut zu beschwichtigen, aber es nutzte nichts.

Seine Augen sahen mich fest an.

"Doch. Es ist unsere Scheiße. Ich war scheiße und du warst scheiße und eigentlich sind wir nun quitt. Natürlich, ich has ... könnte dich auf den Mond schießen, für das, was du gemacht hast und Vertrauen zu dir hab ich auch keines mehr. Seit Tagen liege ich des Nachts wach und überlege, wo du jetzt bist und wie ich dir am besten Juckpulver in das Shirt schütten könnte. Ich denke also sehr viel an dich. Und all dieses verdammte Zeug hat überhaupt keinen Einfluss darauf, dass ich übelst in dich verknallt bin. Wahrscheinlich bin ich einfach nur ein Masochist."

Oh mein Gott.

Ehrlich, ich hatte keine Worte mehr für das, was er mir gerade gestanden hatte.

Ich wusste nicht einmal mehr, was ich denken sollte, geschweige denn, was ich erwidern konnte.

Mir lag zwar etwas auf der Zunge, aber es wollte meinen Mund nicht verlassen.

Vielleicht war es besser, wenn ich einfach nur noch schwieg und abwartete.

Wartete, was Milan nun vorhatte.
 

"Was machst'n nun eigentlich, ohne Job?"

Ich zuckte mit den Schultern.

"Ich wollte weg, aus der Stadt, irgendwohin, deswegen hab ich auch das Geld ..."

Ob er das verstand, wusste ich nicht.

Und es war auch relativ egal, denn Milan kam langsam ein paar Schritte auf mir zu, bis er schließlich direkt vor mir stand und ich bereits damit rechnete, mir eine deftige Ohrfeige einzufangen, die, die Milan mir schon lange einmal geben wollte.

Reumütig blickte ich auf den Boden, immer noch daran denkend, dass Milan meine Gefühle erwiderte, dass er mich auch irgendwie zu lieben schien, aber wahrscheinlich würde er mir den Gefallen nicht tun und einfach alles zulassen, was er ebenfalls wollte.

Aber es stellte sich wiedereinmal heraus, dass wir Männer manche Dinge eben nicht so kompliziert gestalteten und von Rache nicht sonderlich viel hielten.
 

"Weißt du was?", begann Milan nun wieder recht leise und blickte ebenfalls zu Boden, rührte mit dem Fuß auf dem Asphalt herum. "Das Ganze hatte ein Gutes, ich meine, dass die Polizei dich geschnappt hat und du mich verpfiffen hast. Ja, das hatte wirklich ein Gutes, so bescheuert wie es klingt. Denn ohne dem hätten wir uns wahrscheinlich nie wieder gesehen."

Plötzlich fanden sich unsere Blicke, so, als hätten wir uns abgesprochen.

Ich wusste kaum mehr, wie mir geschah, als Milan sich mir noch ein Stück entgegenschob, seine Arme sich um meine Hüften schlungen und er fast schon bittend zu mir hochschaute.

Das war für mich das Signal, dass ich sanft meine Hände auf seine Wangen legen durfte, die letzte Distanz zwischen uns überbrücken und ihn küssen sollte.

Zwischen uns war zwar einiges kaputtgegangen, aber die Gefühle, die wir füreinander entwickelt hatten, würden so schnell nicht sterben können, egal, was passierte.

Und vielleicht würde ihre Intensität die Scherben wieder zusammenfügen können, die Wunden in unsere Herzen geschnitten hatten.
 

Ein verliebtes Herz kann nicht hassen.

Und ein verliebtes Herz möchte auf jeden Fall seine Gefühle teilen.

Es war blind für Arschlöcher und hatte keinen Verstand.

Vielleicht war es gut so.

Vielleicht würde nun alles gut werden.

Denn ich hatte Milan.

Und das war mir das Wichtigste.

Das Wichtigste auf der ganzen Welt.
 

*****
 

"Ich weiß noch ganz genau, wie ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Man ey, du glaubst gar nicht, wie geflashed du mich hast."

"Und ich kann mich noch daran erinnern, wie du dich mir vorgestellt hast ... Milan Jovanovic. Ich hab nur gedacht: Sowas Knuffiges kann doch kein Kunde sein."

Milan kicherte gerührt.
 

Es war zwar das zweite Mal, dass wir gemeinsam an diesem Ort waren, aber damals was es anders.

Zwar wusste ich sofort, dass Milan kein herkömmlicher Kunde für mich sein würde, aber das Prickeln in meinem Bauch, welches mir eigentlich gleich signalisiert hatte, dass zwischen Milan und mir etwas mehr lag als eine Geschäftsbeziehung, ließ ich nicht zu.

Wahrscheinlich hatte sich erst dadurch ein wahres Knäuel an Gefühlen in mir zusammengeballt, den nichts und niemand mehr lösen konnte.
 

Heute war es anders, aber doch irgendwie ähnlich.

Wir betraten Hand in Hand die schicke Gaststätte und ich wünschte mir still, dass hier draußen ein Spiegel wäre, damit ich sehen konnte, wie schön wir zusammen aussahen.

Vielleicht sollte ich Milan den Vorschlag unterbreiten, dass wir endlich ein gemeinsames Foto schossen, das wir dann gegen den Willen seiner Mutter im Wohnzimmer aufhängten.

Widerwillig hatte sie mich bei sich wohnen lassen, Milan hatte mir schließlich erzählt, dass sie durch eine Schnüffeltour von meinem ehemaligen Job erfahren hatte und natürlich nicht sonderlich begeistert war.

Aber da mein Kleiner ein wahres Überzeugungstalent darstellte, wie ich schon längst wusste, brauchte es nur ein paar seiner bezaubernden Augenaufschläge, um seine Mutter milde zu stimmen.

Und ich war heilfroh, eine vorläufige Bleibe gefunden zu haben, bis meine Jobsuche endlich von Erfolg gekrönt war.

Es würde hart werden, eine Arbeit zu finden, aber Milan unterstützte mich tatkräftig bei allen Vorstellungsgesprächen und im Moment wartete ich noch auf eine Antwort eines Friseurs, bei dem ich vielleicht die Chance hatte, eine Ausbildung zu ergreifen.

Aber was dachte ich jetzt über mein Leben nach?

Heute Abend gab es nur Milan und mich, nur uns und unsere Gefühle, die nach wie vor unzerstörbar waren.

Ich glaubte sogar, er hatte mir meinen Fehltritt verziehen, ebenso, wie ich ihm nicht böse war, dass ich wegen ihm meinen Job eingebüßt hatte.

Ehrlich gesagt sprachen wir auch nicht mehr darüber und bisher hatten wir uns beide ganz gut geführt in unserer ... Beziehung.

Auch dies hatten wir nie konkret besprochen, aber im Prinzip war es klar, in welchem Verhältnis wir zueinander standen; wir verbrachten fast jede freie Minute miteinander, wir konnten selbst in der Öffentlichkeit nicht die Finger voneinander lassen und riskierten gar die abschätzigen Blicke der Leute, während wir uns abknutschten.

Von unserem Sexleben musste ich wohl gar nicht erst anfangen; unsere junge Liebe verzehrte sich regelrecht nach täglicher Leidenschaft.

Ob wir wohl heute Nacht wieder ...?
 

"So wie du grinst, denkst du schon wieder an das Eine."

Keine Ahnung, wie Milan es schaffte, in mir zu lesen wie in einem offenen Buch.

Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass er ebenfalls sehr oft mit seinen Gedanken der körperlichen Liebe nachhing ...

"Denk daran", raunte ich ihm grinsend zu, als wir uns an genau denselben Platz setzten, den wir bei unserem ersten Treffen gewählt hatten, direkt unter diesem vielsagenden Bild von dem Engel und dem Teufel. "Offiziell dürfte ich gar nicht mit dir schlafen."

"Offiziell", wiederholte er und zog die Augenbrauen wissend nach oben, während auch seine Mundwinkel amüsiert zuckten.

Meine Aufmerksamkeit hatte inzwischen aber wieder das Bild angezogen, was Milan freilich bemerkt hatte.

"Ich glaube ja immer noch, dass das zwei Männer sind", gab ich meine Meinung dazu ab, der Kleine allerdings schüttelte dieses Mal bestimmt den Kopf.

"Nein, Lassi, das ist nur ein Mann."

Was?

Nicht mal gegen den doofen Spitznamen konnte ich Protest einlegen, weil ich den ganzen Abend über mit Nachdenken über Milans Antwort beschäftigt war.

Und erst, als wir den Heimweg antraten, kam ich zu einer Lösung.
 

Der Engel symbolisierte die gute Seite des Menschen.

Der Teufel die böse.

Und diese beiden standen in einer so engen Beziehung, dass man sie unmöglich trennen konnte.

Manchmal verschmolzen sie gar miteinander und ließen keine Grenzen mehr erkennen.

Dann waren sie eins.

Denn auch ein guter Mensch tat manchmal etwas Unrechtes.

So war das Leben.

Und so lebte auch in einem Prince Mephisto ein Erzengel Gabriel, dessen Erscheinen man durch das Funkeln in Milans Augen bemerkte.
 

Und jemand, der auch nur einen Menschen glücklich machte, dessen Seele hatte zumindest einen heiligen Teil.

Man musste nur darauf achten, dass der Teufel nicht übermächtig wurde.

Aber mit Liebe im Herzen hatte das Böse kaum mehr eine Chance.
 

Und dann wurde aus dem Teufel ein weiterer Engel, der den anderen im Rausch der Gefühle nicht mehr loslassen konnte.

Weil Liebe gefallene Seelen rettet.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Danke an alle Mitleser und ganz besonders an die lieben Reviewer, die es jedesmal schaffen, mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. :)

Ich würde mich sehr freuen, euch auch bei meinen anderen Geschichten als Leser begrüßen zu dürfen. ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: Karma
2013-04-14T09:16:05+00:00 14.04.2013 11:16
Ach, wie süß.
*____*
Ich fand ja Laszlos Liebesgeständnis hinten im Polizeiwagen sehr knuffig.
*hrrhrrhrr*

Mehr davon! Nicht nur unbedingt von den beiden (die dürfen gerne unbeobachtet weitermachen *heimlich Kameras installier*), sondern allgemein von Deinen Geschichten.
^___^

Bin schon gespannt, was als nächstes kommt.

Karma
Antwort von:  Anemia
14.04.2013 12:05
Da ich absolut schreibsüchtig bin, wird es sicher noch viel von mir geben. Einfach immer wieder mal nachgucken, obs was Neues gibt. ;)

Schön, dass du die Story mochtest. :D

lg Serpa
Von:  Khaosprinzessin
2013-04-11T20:31:48+00:00 11.04.2013 22:31
schööööööööööööööööööööööööööön *.* und schade, dass es vorbei ist. natürlich nicht für die beiden!!! die sollen weiter turteln und blödsinn machen und verliebt sein und so :D

bis zum nächsten kommi ;)

*knicks*
K.haosprinzessin
Antwort von:  Anemia
12.04.2013 08:12
Die turteln auch weiterhin...keine Angst. Nur darf nun niemand mehr zugucken. ;) Ich hab sie sozusagen in das Leben entlassen. :D
Von:  FrauGeneral
2013-04-10T08:07:22+00:00 10.04.2013 10:07
:) immer diese Druckereien..... *schmacht* endlich haben sie sich ..... sehr schön
Antwort von:  Anemia
10.04.2013 10:09
Jaaa...Happy Ends sind doch was Feines. ;)


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