Zum Inhalt der Seite

Tage des Donners

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

el condor pasa

Das Flackern des Fernsehers wurde an die Flurwand geworfen. Zeus schaute sich sein Footballspiel an und Anzu wusste, dass er es hasste, wenn man ihn dabei störte. Sie saß in der Küche, die Sonne ging gerade unter, und warf einen Blick auf die große Uhr. Der Sekundenzeiger bewegte sich gleichmäßig, sie mochte das Geräusch. Es war die einzige Beständigkeit und in Zeiten des Kummers war es der jungen Frau ein Trost.

Einen Moment, ja, einen winzigen Moment, vor ein paar Wochen, da hatte sie geglaubt, dass jetzt alles anders würde. Das war gewesen, als Malik Ishtar Zeus festgenommen hatte. Doch Zeus war zurückgekommen, sie konnte sich noch genau an seine Miene erinnern und sie hatte sich schon darauf gefasst gemacht, dass er sie wieder schlug, aus Frust und weil er ihr die Schuld für seine Festnahme gab. Doch nichts war geschehen. Er hatte sie eisigkalt angesehen und sie dann gebeten, ihm ein Bier zu holen. Seitdem hatte er sie nicht wieder angerührt.

Und sie hatte angefangen, nachzudenken. Sie sehnte sich nach Liebe. Oft hatte sie an den Polizisten denken müssen. Malik Ishtar gefiel ihr, doch er war unerreichbar für ein Mädchen wie Anzu.

Weil er Sicherheit bedeutete und Geborgenheit und wann hatte sich Anzu in ihrem Leben je sicher und geborgen fühlen dürfen?
 


 

I'd rather be a sparrow than a snail.

Yes I would.

If I could,

I surely would.
 


 

Nachdenklich rührte sie in einer Tasse Tee herum. Der Tee war längst kalt und bitter geworden, weil sie den Beutel nicht entfernt hatte.

Wann hatte sie angefangen, ihre Träume zu vergessen? Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie Tänzerin werden wollen. Und sie hatte dafür geübt, seit sie ein kleines Mädchen war. Sie hätte es schaffen können, ganz bestimmt. Davon waren damals alle überzeugt gewesen. Ihre Mutter hatte ihre gesamten Ersparnisse für sie hingegeben, damit sie nach Chicago konnte, dort gab es die berühmteste Tanzschule des Landes und Anzu hatte sich damals als Zwanzigjährige auf den Weg gemacht, das Herz voll Hoffnung und Zuversicht und hätte sie nicht an einem schicksalshaften Tag bei einem Busstop die Bekanntschaft von Zeus Byrnes gemacht, der mit ein paar Kumpels auf der Durchreise war, wäre vielleicht alles ganz anders gekommen. Zeus hatte von Anfang an eine absolut faszinierende Wirkung auf das Mädchen gehabt, das zuvor noch nicht mit vielen Männern in Berührung gekommen war. Und sie hatte gedacht, naja, wenn ich ein zwei Tage später in Chicago ankomme, dann kann es wohl nicht schaden.

Aus diesen ein, zwei Tagen waren inzwischen vier Jahre geworden. Sie hatte den Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen, weil sie sich so schämte und es nicht über sich brachte, sie anzulügen.

Am Anfang, da war Zeus charmant gewesen, romantisch, er konnte Gitarre spielen und sang ihr Lieder dazu und er fuhr Motorrad. Sie war ihm gefolgt, denn sie war unsterblich verliebt in ihn gewesen, bis hierher in dieses vergessene Nest und fast ein Jahr war es wunderschön gewesen. Dann hatte er begonnen, sich zu verändern, ohne Grund. Er war schnell wütend geworden, hatte begonnen, sie zu schlagen, wenn ihm etwas nicht passte. Doch auch entschuldigte er sich immer wieder bei ihr, er brachte ihr Blumen und führte sie mal zum Essen aus und Anzu hatte immer wieder nachgegeben, weil sie ihn liebte und den Menschen, die man liebte, verzieh man.
 

Aus dem Wohnzimmer erscholl ein Jubelschrei – so wie es sich anhörte, hatte Zeus Lieblingsmannschaft ein Tor geschossen.
 

Die Entschuldigungen waren seltener geworden und irgendwann hatten sie ganz aufgehört und sie hatte es als gegeben hingenommen und hatte sich selbst ergeben. Sie hatte ignoriert, dass sie nicht glücklich war, denn einzugestehen, unglücklich zu sein, wäre einer Niederlage gleichgekommen, dem Eingestehen, dass man versagt hatte und, dass man es ohne fremde Hilfe nicht mehr schaffte.

Und dann war Malik gekommen und hatte diese vergessenen Träume in ihr wachgerüttelt. Anzu hatte 100 Dollar. Ein kleines Vermögen, das sie gespart hatte und das sie an einem sicheren Versteck vor Zeus aufbewahrte, denn alles Geld, das sie nachhause brachte, verlangte er für sich.

Die schokoladenbraunen Augen, die irgendwann einmal gestrahlt hatten vor Lebensfreude - insgeheim das, was Zeus damals an ihr aufgefallen war – sahen nun ernst und traurig aus.

100 Dollar. Damit konnte man eine Busfahrkarte kaufen. Damit konnte man eine ziemlich weite Strecke fahren.
 

Zeus war immer noch mit seinem Spiel beschäftigt. Anzu stand auf und ging zum Kühlschrank. Sie nahm eine Bierflasche heraus und entfernte die Krone, schließlich ging sie ins Wohnzimmer.

Es war gerade Pause zwischen zwei Innings.

Sie trat seitlich an ihn heran und hielt die Flasche in sein Gesichtsfeld. Er nahm sie und klopfte ihr liebevoll auf den Hintern. „Bist‘n Engel, Kleines.“

Anzu lächelte bitter.

„Ich werde dich verlassen, Zeus“, sagte sie leise. Er sagte nichts. Aber sie wusste, dass er sie gehört hatte. Mit hämmerndem Herzen ging sie in das kleine Schlafzimmer, um eine Tasche zu packen. Sie nahm nicht viel, denn sie hatte nicht viel. Etwas Unterwäsche, wenig Kleidung zum Wechseln. Dann ging sie in die Küche, sah über die Schulter, ob er ihr etwa nachgekommen war, kniete sich dann hin um die untere kleine Platte der Herdverkleidung zu lösen. Sie griff darunter und holte einen Umschlag hervor, in welchem sich die 100 Dollar befanden.
 

Zeus wartete auf sie. Er stand gegen die Tür gelehnt und rauchte eine von seinen selbstgedrehten Zigaretten. Anzu schluckte. Werd nicht schwach, Mädchen. Das ist deine einzige Chance. Sollte es scheitern, würde sie niemals wieder den Mut aufbringen, zu gehen.

„Warum, Baby?“

Sie sah ihm in die Augen.

„Lass mich vorbei, Zeus“, sagte sie mit fester Stimme, „Ich liebe dich nicht mehr und habe was Besseres verdient, als das.“

Er schnaubte, „Wer hat dir denn die Flausen jetzt schon wieder in den Kopf gesetzt?“

Anzu presste die Lippen aufeinander.

„Lass mich vorbei.“

„Nein.“

Dieses einfache schlichte Nein machte sie plötzlich wütend. Sehr wütend.

„Ich gehöre dir nicht.“

„Doch, das tust du.“

Zeus hob die Hand und strich ihr über die Wange, die Finger spielten, beinahe zärtlich mit einer Strähne ihres kurzen, braunen Haares. Er hatte ihr damals eine Ohrfeige verpasst, als sie es sich hatte schneiden lassen.

„Wo willst du denn überhaupt hin?“ Er blies ihr Zigarettenrauch ins Gesicht. „Du hast nichts und du bist nichts. Sei doch nicht dumm, Baby.“

„Zeus, ich sage es nicht noch einmal. Lass mich vorbei.“
 

Zu ihrer Überraschung trat er einen Schritt beiseite. Hatte sie wirklich den Mut dazu? Sie sah Zeus ins Gesicht, einen Moment zeichnete sich Dankbarkeit auf dem ihren ab. Zeus‘ Miene war unlesbar. Dann wandte sie sich ab und drückte die Türklinke herunter. Im selben Moment drückte Zeus zu. Fünf Minuten später war Anzu Mazaki tot.

Zeus hob sie sanft auf die Arme und trug sie ins Schlafzimmer, wo er sie auf dem Bett niederlegte. Er schloss ihr die Augen. Er deckte sie zu.

Dann ging er zurück ins Wohnzimmer und sah sich das Spiel zu Ende an.
 

~*~


 

Der Deckenventilator gab ein regelmäßiges Flapp-Flapp-Flapp von sich. Ansonsten war es ruhig in der Bar. Bakura ließ eine Münze über die Fingerrücken seiner rechten Hand hin- und her gleiten. Sie fielen schon lange nicht mehr herunter.

Vor ihm auf dem Tisch stand ein unberührtes Tonic Water. Die Eiswürfel waren schon geschmolzen. Er trank keinen Alkohol. Das konnte er sich nicht erlauben. Er konnte keinen auch nur so winzigen Moment der Unzurechnungsfähigkeit zulassen, wenn er seinen Lebensunterhalt weiter verdienen wollte, ohne selbst einen Kopf kürzer gemacht zu werden.

Bakura hatte geschickte Finger. Diejenigen, die seine Messer zu spüren bekommen hatten, wussten das, auch wenn nicht alle davon berichten konnten. Eigentlich tötete Bakura nur, wenn es nicht anders ging. Er war kein Sadist und er war kein Mörder. Er rauchte nicht und trank nicht und zog keine Lines und rauchte keinen Shit. Aber Bakura The Kid war kein guter Mensch. Alles was er tat, diente nur zwei Zwecken. Über die Runden kommen und seinen Bruder zu finden. Stand man ihm dabei im Weg, bekam man die Konsequenzen zu spüren. Und die fühlten sich an, wie kalter Stahl in den Eingeweiden.

99 Mal, ohne, dass die Münze herunter gefallen war. Als sie wieder beim Zeigefinger anlangte, ließ er sie auf den Daumen kippen und schnipste sie in die Höhe. Sie drehte sich in der Luft und Bakura zählte dabei lautlos, wie oft sie sich drehte. 8 Mal. Dann fing er sie auf und ließ sie in der Tasche verschwinden, griff nach seinem Tonic.

Bitter, wie das Leben. Er trank das Glas zur Hälfte leer.

Sie hatten einen Tornado voraus gesagt. Aber darum machte er sich keine Sorgen. Er hatte ohnehin nicht vorgehabt, länger als nötig hier zu bleiben. Denn er hatte nun endlich einen Anhaltspunkt. Nur die Durchführung des Planes, welcher sich daraus ergab, bereitete ihm noch Kopfzerbrechen.
 

Bakura legte ein paar Münzen auf den Tisch und stand dann auf, passierte kurz den Luftstrom des Deckenventilators und trat dann hinaus in die stickige Hitze Mexikos, wobei er die Sonnenbrille mit den dunkelbraunen Gläsern, welche bis eben am Hemdaufschlag festgeklemmt gewesen war aufsetzte. Es war schwül.

Er hasste dieses Land, und das nicht nur wegen dem Wetter, dieses Land war tot und es war voller Verbrecher. Das einzig Positive waren die Kopfgelder und dennoch wäre er allein ihretwegen niemals hierhergekommen. Es hatte lange gedauert, doch nun hatte er einen Namen.

Bakura fuhr einen Wagen, der schon fast grotesk modern in dieser heruntergekommenen Gegend wirkte und er war nicht so naiv zu glauben, dass er damit nicht auffiel und schon gar nicht war er so naiv zu glauben, dass er, nur weil er The Kid war, vor Diebstählen sicher war. Aber er ließ ihn nie weit aus den Augen, es sei denn, die Umstände erforderten es.

Unscheinbare Blicke folgten ihm, als er zu seinem Wagen ging. Sand und Kies knirschten unter seinen abgenutzten Stiefeln, deren Farbe wohl mal irgendeine seltsame Mischung aus Schwarz und Aubergine gewesen war.

Bakura ließ den Wagen an und sobald er fuhr, betätigte er die Automatik, um das Verdeck hochzufahren. Heutzutage hatten noch nicht viele Autos diese moderne Technik.

Er wusste genau, wo er hinwollte. Der Kerl im Gefängnis hatte es ihm gesagt. Al-Sayid war der Name: Es hatte lange gebraucht. Es hatte viele Leben gekostet. Und vielleicht würde es ihn eines Tages sein eigenes kosten. Doch zuerst musste er Ryou finden. Er hatte die Schuld und die Leere in seinem Inneren in kalten Zorn verwandelt. Zorn, den er berechnend zur Waffe werden ließ, das war der gefährliche Zorn. Nicht der heiße Zorn, der einen im Affekt einen Mann erschießen ließ.

Ein Kalkül, nach Belieben einsetzbar.

Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihm, dass sie ihm immer noch nachstarrten, bald jedoch wandten sie sich ab. Froh, das Übel namens The Kid los zu sein.
 

Es war heiß. Der Fahrtwind brachte leichte Kühlung. Die Sonne sengte. Er fuhr hinaus aus der Stadt, ließ die halbgare Zivilisation hinter sich. Er begab sich in verbotenes Terrain. Gefährliches Terrain. Dorthin wo die Mafia herrschte. Dorthin ins Herz des Bienenstocks, deren fleißige Helferlein er erst vor wenigen Tagen, oder waren es Wochen?, getötet hatte. Bakura fürchtete sie nicht, er war eine Ein-Mann-Armee. Es war der Glaube an die Unverwundbarkeit, an das Gute seiner Sache. Der Glaube an Gott, die Sünden seines Lebens, die er auszumerzen gedachte.

Vom Rückspiegel des Wagens baumelte der Anhänger eines kleinen silbernen Kreuzes. Amane hatte es ihm gegeben, bevor er aufgebrochen war. Damit sie sich nicht wieder aus den Augen verloren. Amane war in guten Händen. Sie war ein gutes Mädchen. Zwei verschollene Geschwister, doch zu zweit waren sie nicht vollkommen. Die Drei, die ewige Zahl, sie würde Bakura die Ruhe wieder geben, nach der er sich so sehr sehnte.
 

Er fuhr zwei Stunden durch die Wüste, nur kahles, verdorrtes Land. Genau hierher würde sich ein Verbrecher zurückziehen, der dem Gesetz entgehen wollte. Der richtige Ort für einen Mann, wie Akefia al-Sayid. Auf al-Sayid stand ein hohes Kopfgeld. Eines der höchsten, die Bakura wohl jemals eingestrichen hatte. Doch da gab es noch eine viel entscheidendere Sache, die ihn dazu verleitete, ein dermaßen hohes Risiko einzugehen. Er hatte herausgefunden, dass al-Sayid mit Ryou in Kontakt gewesen war und das für eine sehr lange Zeit. Und auf eine ganz spezielle Art und Weise. Wenn dieser Mann nicht wusste, wo Ryou war, wusste es keiner.
 


 

I'd rather be a hammer than a nail.

Yes I would.

If I only could,

I surely would.
 


 

Das Anwesen wurde bewacht von Männern mit Kopftüchern und Maschinengewehren. Sie richteten ihren Blick auf den Wagen der vorfuhr und den Neuankömmling, welcher ausstieg. Irritierenderweise war der Mann ganz alleine hierhergekommen. Wer war er? Zögernd traten sie einen Schritt auf ihn zu. Das weiße Haar war bezeichnend. Die beiden Männer warfen sich einen Blick zu. Irgendwo dudelte aus einem Radio mit schlechter Qualität ‚Ring of fire‘ von Johnny Cash.

Bakura blieb ruhig vor den Männern stehen. Einer von ihnen herrschte ihn auf Spanisch an: „Was willst du hier?“

„Ich will mit al-Sayid sprechen“, erwiderte Bakura in perfektem Spanisch und ließ sich dabei von den, auf ihn gerichteten, Gewehrmündungen nicht beeindrucken.

Die Männer lachten. „Das wollen viele, Amigo, wer denkst du, dass du bist, dass der Boss Zeit für dich aufbringen könnte?“

Bakura lächelte. Und eine Gänsehaut lief den Männern über den Körper. Im nächsten Moment war einer der beiden tot. Bakura hatte im selben Zug dem anderen das Maschinengewehr aus den Händen getreten und selbiger starrte ihn jetzt entsetzt und mit aufgerissenen Augen an, starrte auf seinen toten Kameraden und auf das Gewehr, dann wieder auf Bakura.

„Amigo, du kannst deinem Boss sagen“, flüsterte Bakura, während er ein Taschentuch aus seiner Manteltasche zog um damit die Klinge zu säubern, „Kid will mit ihm sprechen.“

Der Mann erbleichte und stotterte in stark akzentuierten Amerikanisch, „Sir, Verzeihung, Sir, wir, ich…

… bitte, wenn wir das gewusst hätten…“

Er brach ab, schüttelte zerstreut den Kopf und bat Bakura in angemessener Arschkriechermanier, ihm zu folgen.

Bakura erkannte schnell, wie groß dieses Anwesen war. Und wie viele von Sayids Männern sich hier aufhielten. Blicke folgten ihnen, als sie den Innenhof durchschritten, manche musternd, manche schlicht neugierig auf den Fremdling und manche erkannten Bakura auch und ließen die Hände zu ihren Waffen zucken, doch der Mann, der Bakura führte, warf ihnen einen warnenden Blick zu.

The Kid war unantastbar und das wussten sie alle.
 

Schließlich blieb der Mann stehen, wandte sich zu Bakura um und sagte duckmäuserisch, „Sénor, wenn Sie bitte einen Augenblick warten würden?“

Er ging zu einem anderen Mann, der wohl in der Rangfolge etwas höher stand – zumindest sagte Bakura das ein Blick auf die teuren Krokodillederschuhe, die er trug und die Ringe. Im Grunde konnte man davon ausgehen, je teurer die Ringe aussahen, die ein Mafioso trug, desto höher stand er in der Hackordnung.

Der Mann warf Bakura während dem Gespräch einen Blick zu, dann verengten sich seine Augen, schließlich wandte er sich mit finsterem Blick ab und ging kurz ins Innere des Anwesens, kam nach ungefähr zehn Minuten wieder. Bakura wartete, geduldig, wie es schien, kein Muskel zuckte und das war es, was dieses Unbehagen in den anderen Männern auslöste.

„Sénor“, trat der Mann, der gerade im Haus verschwunden war, wieder an ihn heran mit einem schmierigen Lächeln auf dem Gesicht, „Verzeihen sie José und diesem anderen Vollidioten. Don al-Sayid wird Sie empfangen. Er wartet schon lange auf einen Besuch von Ihnen. Bitte folgen Sie mir.“

Eine Augenbraue Bakuras war bei dem Letzten in die Höhe geschossen, doch er sagte nichts, als er ihm folgte. Er konnte spüren, wie sehr der Mann ihm misstraute. Bakura hatte feine Sinne.

Er führte Bakura in das Anwesen hinein, durch eine große Vorhalle. Die Stimme einer Frau drang an sein Ohr, sie sang, doch Die Stimme wurde schwächer, als sie die Vorhalle durchschritten hatten und Bakura, der den Kopf kurz in diese Richtung gedreht hatte, wandte den Blick wieder nach vorne.

Sie traten hinaus auf eine Terrasse.
 

„Sénor“, fistelte der Mann, der ihn hier her gebracht hatte, wobei er den Mann ansprach, der auf der weitflächigen hellen Terrasse in einem ausladenden Lehnstuhl saß und ließ die beiden allein.

Und da standen sich Akefia al-Sayid und Bakura The Kid gegenüber.
 

„Endlich begegnen wir uns persönlich“, sprach Akefia mit dunkler Stimme. Er rollte das R.

Er stand auf, um Bakura die Hand zu reichen, welcher sie ergriff und nicht länger als nötig in der seinen behielt. Akefia machte eine ausladende Geste mit der Hand.

„Bitte. Nehmen Sie Platz.“

Bakura ließ sich steif auf einem der Korbstühle gegenüber Akefia nieder, wo er den Eingang zur Terrasse im Blick hatte. „Sie haben einige meiner Leute umgebracht.“

Es war eine schlichte Feststellung.

„Natürlich mache ich Ihnen keinen Vorwurf. Wer sich töten lässt, hat es nicht besser verdient.“

„Wie angenehm, dass wir uns da einig sind“, erwiderte Bakura mit einem kalten Lächeln.

Akefia klatschte in die Hände, woraufhin ein Mädchen zu ihnen trat, „Emanuela, Getränke. Kid, was darf es für Sie sein? Wir haben hier einen ausgezeichneten Tequila.“

„Ich trinke nicht.“

Akefia lachte, „Sehr vorbildlich – Emanuela – avanti!“

Das Mädchen ging wieder ins Haus hinein, um die Getränke zu holen. Bakura war nicht entgangen, dass sie ein zugeschwollenes Auge hatte.
 

Akefia wandte sich wieder seinem unerwarteten Gast zu, hob an, etwas zu sagen, hielt dann einen Moment inne. Wieso fiel es ihm erst jetzt auf? An irgendjemanden erinnerte dieser Kid ihn. An jemanden, an den er schon lange nicht mehr gedacht hatte.

„Eigenartig“, sinnierte er dann, während er ein Whiskyglas von dem Mädchen annahm, das soeben wieder gekommen war. Bakura stellte sie ein Glas Sprudelwasser mit Zitrone und Eiswürfeln hin, „Mir war beinahe so, als wären wir uns schon einmal begegnet. Was also kann ich für Sie tun?“

„Sie müssen wissen, al-Sayid-“

„-Akefia.“

„Akefia. Dass ich kein Mann vieler Worte bin. Ich bin auf der Suche nach jemandem. Lange schon und seine Spur hat mich zu Ihnen geführt. Was ich Ihnen anzubieten habe, dürfte von Interesse sein. Natürlich nur, wenn ich mit Ihren Informationen etwas anfangen kann.“

Akefia sah Bakura aufmerksam an, während dieser sprach. Wo er ihn so betrachtete, stellte er fest, dass The Kid noch gar nicht so alt zu sein schien, für seinen Ruf irritierend jung. Nicht älter als 26. Was wurde nur aus den Kindern dieser Welt, dachte er innerlich seufzend.

„Was wäre es, das Sie mir anbieten?“, fragte Akefia schließlich ruhig, das Glas in seiner Hand leicht schwenkend, sodass die Eiswürfel gegeneinander klirrten.

„Ich werde Sie drei Jahre lang in Ruhe lassen. Ich werde keinen von Ihren Leuten aufgreifen oder ausliefern, ich werde keine Nachforschungen stellen und Sie nicht jagen. Das ist eine Menge Zeit.“

Akefia sagte nichts. Es klang verlockend. The Kid war tatsächlich dabei gewesen, zur Bedrohung zu werden. Doch es war nicht Akefias Stil, solche Männer einfach so auszuschalten. Männer wie Kid gab es nicht viele. Es wäre schade um ihn.

„Hhm, es klingt verlockend. Doch wer ist es nun, den Sie suchen?“

Zu seiner Verwunderung lächelte Bakura nun und für den winzigen Bruchteil einer Sekunde verschwand der verbissene, dunkle Zug vollständig aus seinem Gesicht und er hatte nun keinen Zweifel mehr.
 

„Sein Name ist Ryou. Nach meinen Informationen war er, als Sie sich damals in New York aufhielten, so etwas, wie Ihr-“, Bakura verzog leicht angewidert das Gesicht, „Betthäschen. Ich gehe mal davon aus, dass sie nachdem sie mein Gesicht vorhin so eingehend studiert haben, bereits erkannt haben, dass er mein Bruder ist. Ich möchte wissen, was aus ihm geworden ist.“

Akefia nickte nachdenklich. „Dieser Deal scheint mir fair zu sein. Allerdings will ich ehrlich zu Ihnen sein.“ Der Mafiaboss beugte sich nach vorne, „Es hat eine Razzia gegeben damals. Ryou wurde soweit ich weiß, von einem Polizisten mitgenommen, wir haben uns aus den Augen verloren. Ärgerlicherweise muss ich zugeben, dass der Kleine mir in gewisser Weise ans Herz gewachsen war, ein lächerliche Vernarrtheit, wenn Sie es so sehen wollen.“ Akefia verzog kurz spöttisch das Gesicht, Bakuras Miene jedoch blieb ausdruckslos.

„Ich habe ein paar Männer geschickt, um Nachforschungen anzustellen, allerdings kam Ryou wohl niemals auf der Polizeiwache an. Schlaues Kerlchen, hat sich vermutlich davon gemacht. Danach sind die Spuren jedoch verwischt. Wie es der Zufall jedoch wollte, berichtete mir einer meiner Leute von einem Trucker, der hin- und wieder gewisse … Auslieferungen für uns macht … Dieser Mann hat wohl eines Tages einen Jungen, der ziemlich genau auf die Beschreibung Ihres Jungen zutrifft, mitgenommen. Prahlte damit rum, er habe sich den Schwanz von dem Bürschchen lutschen lassen. Und wie gut er gewesen war, da wusste ich, dass er es gewesen sein muss.“

Ein dreckiges Grinsen schlich sich auf Akefias Gesicht.
 

Im nächsten Moment war Bakura über den halben Tisch gesprungen und hatte Akefia grob am Kragen hochgerissen: „Du gottverdammter Bastard, noch ein solches Wort, das meinen Bruder in den Dreck zieht und ich schneide dir deinen dreckigen Schwanz ab!“
 

Die Männer, die sich in der Nähe aufgehalten hatten, waren näher getreten, doch Akefia bedeutete ihnen, sich fern zu halten. Er blieb erstaunlich ruhig dafür, dass ihm gerade jemand an die Kehle ging. Er sah Bakura direkt in die Augen. Dann packte er dessen Handgelenke und zog sie von sich fort – sie ließen sich erstaunlich einfach wegzupfen.

„Wie dem auch sei“, nahm er den Faden wieder auf. „Der Mann wollte nach New Mexico, hat ihn da an einer Autobahnraststätte rausgeschmissen. Mehr weiß ich nicht.“
 

Bakura dachte kurz nach. „Aber er lebt?“, hakte er dann nach, Akefia nickte.
 

„Kid“, sagte Akefia, als sie sich die Hände reichten, um ihren Deal zu besiegeln. Bakura sah auf.

„Überlegen Sie sich, ob Sie nach dem Ablauf dieser drei Jahre nicht für mich arbeiten wollen. Ich kann Ihnen einen Verdienst bieten, der das, was sie jetzt wohl einbringen, um ein Weites in den Schatten stellt.“ Dann grinste er charmant, „Einen Mann wie Sie habe ich lieber auf meiner Seite, als zum Feind.“

Bakura lächelte, „Nichtmal, wenn die Hölle zufriert, Sénor.“

Der Mafiaboss lächelte nur, „Das habe ich mir bereits gedacht. Falls Sie es sich anders überlegen wissen Sie, wo Sie mich finden. Und übrigens, ein gut gemeinter Tipp!“, rief er ihm hinterher, als Bakura schon dabei war, zu gehen. Er hielt einen Moment inne. „Nehmen Sie sich vor Sundance in Acht. Er soll sich momentan da in der Gegend rumtreiben.“

Bakuras Augen verengten sich. Sudance Death. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem Grinsen. Vielleicht konnte er dann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Dieser Verbrecher wandelte schon viel zu lange auf Erden.
 


 

I'd rather be a forest than a street.

Yes I would.

If I could,

I surely would.
 

Bakura ging zu seinem Wagen zurück. Runzelte die Stirn. Eine dunkelhaarige Frau lehnte daran und sah ihm entgegen. Eine verdammt schöne Frau.

„Baby, das ist meiner“, raunte er, als er bei seinem Wagen war. Sie beachtete seinen anzüglichen Blick nicht, sondern sah ihm fest entgegen.

„Ich wusste, dass Sie kommen würden, Bakura“, sagte sie mit sanfter Stimme und er war einen Moment irritiert, dass sie seinen Namen kannte. „Ich habe von Ihnen geträumt.“
 

~*~


 

Als Malik an diesem Abend nachhause kam, der alles in seinem Leben verändern sollte, bemerkte er Ryous Verschwinden noch nicht. Denn just in diesem Moment wurde er angerufen, noch ehe er seine Kleidung abgelegt hatte. Die aufgeregte Stimme eines Aushilfs-Deputys, erklang an seinem Ohr, welcher ihm irgendwelche zusammenhanglosen Dinge vorfaselte, sodass Malik sich genötigt sah, den Mann zu unterbrechen.

„Schnauze jetzt!“, herrschte er ihn an und setzte dann ruhiger nach, „Was genau ist passiert?“

„Die haben eine Mädchenleiche gefunden…“

Malik verengte die Augen und machte sich sofort auf den Weg zum Tatort. Als er in Windeseile aus der Wohnung stürzte, fegte der Luftzug Ryous Nachricht von der Kommode.
 

Er hatte sie erwürgt. Anzus Augen waren aufgerissen, die Zunge aus ihrer Kehle gequollen. Eine stumme Frage lag darauf. Ein stummer Schrei des Schmerzes. Malik erstarrte einen Moment. Anzu. Sie … er stellte seine Gedanken ab. Und arbeitete. Vorbildlich sogar, forderte die Spurensicherung an, denn das fiel nicht mehr in seinen Zuständigkeitsbereich. Gab Anweisungen.

Doch er wusste auch ohne Spurensicherung, was hier geschehen war.

Er wusste, wer es getan hatte. Malik war bar jeder Emotion, als er wenig später Mais Bar betrat. Als sie ihn sah, merkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Sie fragte ihn danach, doch Malik antwortete nicht, sondern bestellte nur einen starken Whisky, den er zur Hälfte trank. Er wirkte erstaunlich ruhig.

Er bekam Anzus Anblick einfach nicht aus dem Kopf. Er hätte sie retten können. Er hatte doch gewusst, was für ein Schwein Zeus war. Es gab keinen Zweifel, dass er es gewesen war. Er hatte noch sogar seinen Gestank am Tatort wahrnehmen können, seinen Gestank an ihr, als er sich noch nach ihrem Tod an ihr vergangen hatte.
 

„Malik!“, sagte Mai plötzlich laut und schnipste vor seinem Gesicht herum. „Herrgottnochmal, was ist denn los mit dir, deine Miene macht mir Angst!“

Er hob den Blick. Er konnte es ihr nicht sagen.

„Ich habe noch etwas zu erledigen…“, murmelte er dann. Und schließlich. „Zeus hat Anzu umgebracht.“

Er verließ den Saloon, sah nicht mehr, wie Mai die Hände vor dem Gesicht zusammenschlug im Unglauben.
 

Malik fuhr nachhause. Dann zog er sich um. Er hatte gerade beschlossen, dass er einen Menschen töten würde. Sonst würde er sich ewig schuldig fühlen. Denn er hatte die Gewissheit. Die plötzliche Gewissheit, dass Zeus auch für Ryujis Tod damals verantwortlich war. Seine Leiche war nie gefunden worden. Aber irgendwie hatten sie es alle gewusst.

Und er hatte es ein zweites Mal zugelassen. Ein zweites Mal, das war unentschuldbar.

Als Malik die Waffe aus seinem Waffenschrank nahm, bemerkte er, dass eine fehlte. Aber es war ihm egal. Er wartete, bis die Sonne begann, unterzugehen.

Sein Wagen war nicht da. Vielleicht hatte Ryou ihn sich ausgeborgt, das machte er öfter mal. Er ging zu Fuß. Er beeilte sich nicht. Er hatte Zeit. Bitterkeit wuchs in seinem Herzen. Bitterkeit über all das Schlechte in der Welt. Bitterkeit darüber, dass er es schon wieder nicht hatte verhindern können.
 


 

I'd rather feel the earth beneath my feet,

Yes I would.

If I only could,

I surely would.
 


 

Er fand Zeus Byrnes auf dem Schrottplatz. Der Mann war betrunken und machte unsichere Schießübungen auf verrostete Blechdosen.

Er bemerkte Malik nicht, welcher langsam an ihn heran trat. Er hielt Zeus die Mündung seiner Waffe in den Rücken. Zeus hielt inne.

„Scheiße“, dann ließ er seine eigene Waffe fallen.

„Mann, ich wollte das nicht…“, krächzte der Mann heiser, denn er wusste, warum Malik gekommen war und dass er es war. Doch Malik war seine falsche Reue egal. Zeus wusste, warum er gekommen war.

„Wir ha’m gestritten, Mann. Das war ‘n Unfall. Sie is‘ mein Mädchen, ich wollt sie doch nich‘ kill’n!“

Zeus Stimme zitterte. „Ich konnt‘ sie doch nich‘ geh’n lassen.“

Maliks Stimme war leise und drohend, als er sprach:

„Es ist mir egal, warum du es getan hast. Ein Schwein bleibt immer ein Schwein, das hätte ich damals schon wissen sollen. Warum Otogi?“

„W…“

„Sag nicht, du erinnerst dich nicht an ihn. Zierlich, schwarze Haare. Ein Schlitzi, wie du und deine minderbemittelten Freunde es immer gerne ausgedrückt habt.“

„Das war ein…“

„… Unfall, ich weiß.“

Zeus schwieg. Malik spürte, wie er zitterte. Er verspürte keine Skrupel. Dann entsicherte er die Waffe.

„Wo habt ihr ihn vergraben?“

Zeus antwortete nicht. Malik drückte ihm die Waffe stärker in den Rücken.

„Du weißt es nicht mehr, hm? Wahrscheinlich wart ihr wieder auf einem eurer Trips, hm?“

Der Mann begann zu schluchzen. Malik hatte immer gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, ehe er einknickte. Dass hinter diesem großspurigen Machogehabe in Wahrheit ein elender Feigling stand.

„Du weißt, dass du verdient hast, was ich gleich mit dir mache.“

„Bitte, Mann, bring mich nicht um. Ich wird alles gestehen, alles, ich schwörs dir, ich hab das Recht auf ‘n Richter, ich…“

„Einen SCHEIßDRECK HAST DU!!!“, brüllte Malik und trat Zeus so plötzlich in den Rücken, dass dieser vorneüberkippte und schmerzhaft in mitten eines Haufens verrostetem Alteisen landete. Er kroch von Malik weg, leicht benommen und wandte sich um – sah sich zu seiner eigenen Waffe um, doch die hatte Malik soeben an sich genommen.

„Dein Recht auf eine Verhandlung hast du in dem Moment verwirkt, als du angefangen hast, zuzudrücken“, sagte Malik ruhig. „Wer bist du, dass du Gott spielst, du Penner?“

„Und wer bist du, dass du es tust?“ Die Worte waren erstaunlich ruhig gekommen im Vergleich dazu, dass der Mann wenige Sekunden zuvor noch um sein Leben gewimmert hatte und Zeus sah ihn nun mit seinen silbergrauen stechenden Augen an. Ihre Blicke trafen sich. Malik sagte nichts. Die Finger seiner linken Hand gruben sich in die Handflächen. Er nahm die linke Hand hoch, um die rechte mit der Waffe zu fixieren. Nur ein Schuss. Ein Schuss, nicht mehr.

„Ich bin das Gesetz hier, du Penner“, knurrte er. Dann drückte er ab. Der Schuss ging direkt durch die Stirn. Der Knall ließ vereinzelt Krähen auffliegen, die sich hier auf dem Schrottplatz hin und wieder tummelten. Dann war es sehr still.

Malik seufzte, dann setzte er sich auf einen herausgerissenen Autositz und starrte vor sich her.
 

Was war das nur für eine Welt? Warum konnten die bösen Jungs immer so lange böse sein, ehe ihnen jemand das Handwerk legte? Und warum starben fromme Menschen so früh, warum mussten fürsorgliche Menschen mehr leiden als alle anderen. Während es Menschen wie Zeus einfach gab. Malik hatte immer nach dem Gesetz gehandelt. Er hatte selbst nie etwas Unrechtes getan, bis zum heutigen Tag. Und doch fühlte es sich nicht wie Unrecht an. Es fühlte sich gut an. Befriedigend.

Malik beugte sich zu Zeus herunter und holte dessen Drehtabak aus seiner Brusttasche. Er zog eine der bereits vorgedrehten Zigaretten aus der Packung und zündete sie mit einem der Streichhölzer an, die ebenfalls in der Packung gewesen waren.

Es war seine erste Zigarette nach vielen Jahren. Und er genoss sie, denn sie schmeckte nach Genugtuung und erfüllter Rache.
 


 

Away, I'd rather sail away

Like a swan that's here and gone

A man get tied up to the ground

He gives the earth

It's saddest sound
 


 

~*~


 

Das Auto war ihm schon zweimal stehen geblieben. Beim dritten Mal gab er es auf. Er wartete, bis die Nacht kam und dann schlief er im Auto mit hochgeklappten Verdeck. Es war verdammt kalt Doch die Sterne … Die Sterne waren wunderschön. Ryou lag still auf dem Rücksitz des Wagens und rauchte eine Zigarette und sah dabei hoch in diesen unendlich weiten Sternenhimmel. Man sagte, die Sterne seien über der Wüste am schönsten. Die Nacht fühlte sich klar an.

„Schmerzbringerin… Ich sehe schon, meine Stelle unter den Nächten“, murmelte Ryou. Er fühlte wie eine ungeheure Sehnsucht ihn durchströmte, er nahm ihn auf in sich, den Geist der Nacht und der Ferne.

Das erste Mal seit sehr langer Zeit dachte er an die Vergangenheit, die er immer verdrängt hatte. Den Bruder, den er verloren, die Mutter die er zurückgelassen hatte. Und seine Schwester… wie hatte sie ausgesehen? Er erinnerte sich nicht mehr. Wie konnte ein Mensch so viel Schmerz empfinden? Warum empfinden wir überhaupt Schmerz, dachte er. Nur, weil wir Menschen sind? Und dabei ist das Leben so kurz. Bakura hatte ihn früher immer beschützt. Wie er jetzt wohl aussah? Auch sein Gesicht verblasste, aber wenn er an ihn dachte, war da immer ein Gefühl von Geborgenheit. An dieses Gefühl erinnerte er sich, aber nicht an das Gesicht. Ob sie sich erkennen würden, wenn sie heute voreinander standen? Ryou war nicht mehr der, der er mal war. Er war nicht mehr naiv, er glaubte nicht mehr an all das Gute in der Welt. Sein Körper war stark in Mitleidenschaft gezogen. Er war dürr und doch zäh. Gleichsam zerbrechlich. Sehnsuchtsvoll wie mutlos.

Ryou blies Rauch aus, welcher durch die Kälte der Nacht sichtbar wurde.

„Wenn das meine Seele wäre…“, sagte er und war überwältigt von der philosophischen Erkenntnis. Wir sind alle sterblich. Schrecklich sterblich. Und wenn ich morgen sterbe? Was bleibt dann zurück von mir? Nichts, nur ein leerer Körper, eine Hülle aus Fleisch, Knochen und Gedärmen in denen sich bald die weißen Maden tummeln. Er schauerte.

Das, was er empfunden hatte, als er bei Mariku gewesen war. Das war so unglaublich gewesen, so intensiv, er hatte sich so lebendig gefühlt.

Der Schlaf übermannte ihn und er wachte auf, als die Sonne ihre ersten Strahlen schickte.

Sundance … Ryou lächelte. Und in ihm war Gewissheit.
 


 

It's saddest sound.
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SakuraxChazz
2013-12-08T14:03:35+00:00 08.12.2013 15:03
So endlich komm ich dazu es zu kommentieren. Hab es schon vor ein paar Tagen gelesen und kam dann nicht mehr zum kommentieren. Arbeit geht ja leider vor...
Hach ja.. Anzu tut mir do Leid... Da hat sie sich endlich aufgerafft Zeus zu verlassen und dann bringt er sie um, weil er sie liebt und bekommt es erst verspätet mit. Und Malik wird zum Mörder wegen des Mörders... Ich kann verstehen warum er Anzu gegenüber ein schlechtes Gewissen hat. Immerhin konnte er Rache nehmen für seinen alten Freund und Anzu. Auch wenn Mord nicht unbedingt die Lösung aller Probleme ist, aber um Zeus ist es nicht schade. Der hätte sich eh nicht geändert.
Bakura hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm. Sein Auftritt ist cool. Kid und Sundance gefallen mir am besten als 'Bösewichte'. Und Ryou mittendrin. Akefia ist auch nicht schlecht wie er da so á la Pate durchs Anwesen schwebt und alles im Gespräch löst außer man will es nicht anders. Kids Angebot war richtig nett und das er es angenommen hat spricht für ihn. Ich wünsche ihm ja das er seinen Bruder wiederfindet. Aber das gibt einen riesen Konflikt. Er will Ryou schließlich glücklich sehen und ich glaube nicht, das er glücklich werden kann ohne Sundance. Wirkt zumindest auf mich so. Das wird ein harter Kampf.
Ich freu mich aufs nächste Kapitel!

LG Saku

PS.: Einen schönen zweiten Advent!
Von:  DivaLila
2013-11-30T21:29:28+00:00 30.11.2013 22:29
Wow, unglaublich intensives Kapitel!
Gefällt mir sehr gut, besonders der Tod von Anzu (also die Beschreibung davon) und Ryou philosophier Geistesblitz...
Und natürlich toll, dass das Kapitel so lang ist :3
Ich meld mich ausführlicher, wenn ich Zeit hab ^^



Zurück