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Harvest Moon - The Distance Between Us

Chelsea&Vaughn
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi!

An dieser Stelle möcht ich mitteilen, dass ich mich sehr darüber freue, dass inzwischen 15 Leser sich in der Favoritenliste eingetragen haben!
Ich bin total überwältigt und freue mich natürlich ebenso, dass meine Fanfiction so großen Anklang findet und euch hoffentlich noch weiter unterhalten wird.

Dies ist eines meiner liebsten Kapitel in dem Geschichtsverlauf. Ich denke, darauf haben schon einige von euch sehnsüchtig gewartet, aber ich werde nichts vorab verraten. Hihi!

Außerdem ist schon knapp über die Hälfte von mir hochgeladen. Des Weiteren habe ich die Geschichte auch schon fast fertig geschrieben. Es fehlen nur noch ein Kapitel und der Epilog. Die Fanfiction ist insgesamt länger geworden, als sie ursprünglich von mir geplant war, aber auch das Jahr Pause war nicht von mir geplant gewesen. Irgendwie brauchte ich eine Schreibpause. Zumal es auf meine Abiprüfungen zu ging und anschließend mein Studium begonnen hatte.

Aber gut! Genug der vielen Worte. Viel Spaß mit dem neuen Kapitel. Ich hoffe, es wird euch genauso gut gefallen wie mir, als ich es vor Monaten geschrieben habe ;) Komplett anzeigen

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Prolog

Liebe Leser,
 

willkommen zu meiner neuen Fanfic! Auch diese wird wieder über Chelsea und Vaughn aus Harvest Moon handeln. Von diesem Pairing kann ich einfach nicht genug kriegen^^

In dieser Geschichte wird es eine andere Handlung geben, sogar mit fiktiven Charakteren, die es so in den Spielen nicht gibt. Meine letzte Fanfic finde ich am Ende ein wenig zu abgekarkt. Diese Mal soll es anders werden. Wie diese Story enden wird, weiß ich noch nicht und was die Charaktere alles erleben werden. Eine grobe Richtung ist aber vorhanden.

Außerdem fand ich manche Szenen, der letzten Fanfic nicht ausführlich genug erklärt. Das soll diesmal anders werden.

Ich hoffe, dass sie euch gefallen wird und würde mich über sämtliche Kommentare von eurer Seite aus freuen.
 

Viel Spaß beim Lesen! Es bedankt sich, jane-pride!
 

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Prolog
 

Es regnete. Seitdem Morgengrauen bedeckten triste, graue Wolken den Himmel und versperrten die Sicht zur strahlenden Sonne. Als ob ihr Leuchten an diesem trostlosen Tag meine Trauerstimmung heben würde.

Gewiss nicht.

Niemand wäre dazu in der Lage gewesen, selbst die schönsten Naturgewalten zogen an mir vorbei. Nichts vermochte meine Laune zu bessern. Kein Lächeln trat auf mein Gesicht. Meine Gesichtsmimik blieb erstarrt. Ich bezweifelte, dass irgendetwas jemals wieder meine innigen Gefühle wachrufen könnte. Warum auch? Das Leben hatte unter diesen Umständen für mich keinen Sinn mehr.
 

Vor einigen Stunden war die Welt, war mein Leben absolut perfekt gewesen. Ich war unsagbar glücklich. In den letzten Jahren hatte ich es geschafft all meine Träume wahr werden zu lassen. Sicher, es war nicht immer einfach gewesen, keineswegs, aber stets war ich optimistisch geblieben. Keine trüben Gedanken waren in schweren Zeiten aufgetreten. Immer war ich voller Zuversicht, besaß einen eisernen Willen, Kraft, Entschlossenheit…und ich hatte sie.

Sie war die einzige, die mein Herz erweichen ließ.

Sie war diejenige, die mir Kraft, Trost und Liebe schenkte.

Sie allein war dazu in der Lage, mich wieder aufzubauen, wenn ich mal mit meinem Latein am Ende war.

Andauernd hatte sie es geschafft, stets das Beste aus mir herauszuholen. Nicht ein einziges Mal wollte ich sie enttäuschen.

Ihr Lächeln, das soviel Liebe und Wärme ausstrahlte, war mein ständiger Begleiter, in guten als auch schweren Zeiten gewesen. Solange ihr Lächeln auf ihrem Gesicht vorhanden war, wusste ich, dass man die Hoffnung niemals aufgeben sollte, egal wie schlimm es um einen stand.

Sie war mein Anker, mein Halt, meine Zuflucht. Ihr gegenüber konnte ich Schwäche zeigen, konnte ich, ich selbst sein.

Jeden noch so steilen Berg habe ich bezwungen, solange sie an meiner Seite war.

Solange sie bei mir war, wusste ich, dass ich keine Angst im Leben zu haben brauchte.
 

Und jetzt…
 

Jetzt breitete sich in mir eine unendliche Leere aus, die von Stunde zu Stunde mehr Besitz von mir ergriff. Müde saß ich auf einen Stuhl, schlaff hingen meine Arme an mir herunter, dessen Ellenbogen lagen auf meinen Oberschenkeln. Mein Kopf war gesenkt. Stumm und emotionslos blickte ich zu Boden zu meinen Schuhen. Kein Gefühl regte sich in mir. Ich konnte nicht einmal meinen Herzschlag spüren, der ununterbrochen geschlagen haben musste. Doch ich nahm ihn nicht wahr. Ich nahm nicht mal mehr wahr, dass ich am Leben war. In diesem Moment war mir mein Leben genommen worden. Die letzten Jahre waren nun nichts weiteres, als eine weit entfernte Vergangenheit, die mir so endlos weit entfernt erschien, dass ich sie mit meinen ausgestreckten Arme nicht hätte greifen können.

Ich verlor von Minute zu Minute meinen Lebenswillen. Vor mir befand sich nichts, außer Verzweiflung und völlige Dunkelheit.
 

„Andreas? Andreas, hören Sie mich?“
 

Was sollte nun aus meinem Leben werden, wenn sie nicht mehr da war? Konnte es überhaupt noch weiter gehen? Wie gelang es der Erde sich noch um ihre eigene Achse zu drehen, wenn sie nicht mehr auf ihr weilen konnte?

Warum nur? Warum?

Was war schief gelaufen? Wer hatte die Dreistigkeit besessen, sie mir einfach so zu entreißen? Sie von mir zu nehmen und mich allein zurück zu lassen? Wieso? Was habe ich getan, um diese Strafe zu verdienen? Was?

Ich will sie wieder haben. Mein Leben. Ich brauchte sie mehr, als jemals sonst in meinem Leben. Sie gehört an meine Seite…und ich gehöre zu ihr.

Wir hatten uns geschworen, dass wir immer füreinander da sein wollten. Keiner sollte ohne den anderen sein. Keiner.
 

Doch jetzt…
 

Jetzt sitze ich hier und kann nicht aufhören an sie zu denken. Ich war noch nicht bereit sie loszulassen. Sie gehörte zu mir. Sie war ein Teil von mir. Ohne sie würde ich nie wieder vollständig komplett sein.

Ihr Körper. Ihre Wärme. Ihr Lächeln…Ihre Liebe.
 

„Andreas? Nun hören Sie mir doch zu!“
 

Was war das? Eine weit entfernte Stimme, die plötzlich an mein Ohr drang. Doch was sagte sie? Ich vernahm Laute, konnte mich aber nicht richtig darauf konzentrieren, was diese bedeuteten, ob diese überhaupt zu mir sprachen.

Es war alles sinnlos geworden. Mein Bewusstsein hatte sich von der Außenwelt abgeschirmt. Diese Welt existierte für mich nicht mehr, wenn sie nicht bei mir sein konnte.

Was sollte ich nun tun? Was konnte ich tun? Welches Recht besaß ich noch weiter zu leben, wenn sie es nicht mehr durfte? Warum? Warum bloß?

Ein Zucken durchfuhr meine schweren Augenlider. Ich spürte Tränen in sie aufsteigen. Die pure Verzweiflung drohte mich nun zu überfallen.

Ich konnte ihr nicht mehr entrinnen…
 

„Andreas.“
 

Eine kräftige Hand hatte sich plötzlich auf meine rechte Schulter gelegt. Sie war entschlossen, aber auch gleichzeitig sanft. Bevor meine Tränen aus meine Augen traten, schaffte ich es diese zu verdrängen. Dennoch dauerte es mehrere Minuten, ehe ich wirklich wahrnahm, dass jemand neben mir stand.

„Andreas. Sie müssen jetzt stark sein.“
 

Diese Stimme. Diese Stimme kannte ich, doch zu wem gehörte sie? Mein Erinnerungsvermögen bemühte sich krampfhaft diese männliche Stimme einem Gesicht zuzuordnen, dem ich irgendwann mal begegnet war. Aber wann?

Es war, als wäre diese Stimme genauso aus meinem Leben verschwunden, wie meine Frau, die jetzt nicht mehr bei mir war. Und es auch nie wieder sein würde…

Diese urplötzliche Erkenntnis traf mich wie ein unvermittelter Faustschlag.

Nie wieder…wirklich…nie wieder???
 

„Es wird Zeit, Andreas.“
 

Zeit? Wofür wurde es Zeit? Was laberte dieser unbekannte Mensch neben mir bloß? Konnte er sich nicht klarer ausdrücken? Was wurde hier überhaupt gespielt? Träumte ich das am Ende alles nur? War dies letzten Endes ein Scherz? Ein Alptraum? Bestand für mich die Möglichkeit daraus aufzuwachen?
 

Langsam, ganz langsam wandte ich meinen Kopf nach rechts und hob meinen Blick, um diese fremde Person anzusehen.

Es war kein geringerer als der Doktor.
 

„So ist es richtig, Andreas. Das Leben geht weiter, was immer Sie gerade durchleiden müssen. Es ist schwer, verdammt schwer, einen geliebten Menschen zu verlieren. Glauben Sie mir, ich kann es nachvollziehen. Dennoch müssen Sie gerade jetzt stark sein. Lassen Sie sich von ihrer Trauer nicht unterkriegen. Denken Sie an Ihre Kinder.“

Kinder? Ich habe Kinder? ...Stimmt! ich habe einen kleinen Sohn. Mark heißt er. Vor vier Jahren hatte ihn meine Frau zur Welt gebracht. Aber…Moment mal. Sprach der Doktor nicht gerade von Kindern? Wieso waren es auf einmal Kinder? Ich hatte lediglich einen Sohn.
 

Verdutzt und vollends verwirrt sah ich den Doktor an, der noch immer seine Hand auf meiner Schulter ruhen ließ.

„Kinder, Doktor?“ Meine krächzende Stimme war kaum mehr als ein angehauchtes Flüstern. Es war, als hätte ich seit einer Ewigkeit keinen Gebrauch mehr von ihr gemacht.
 

„Ja, mein treuer Freund. Sie haben seit drei Stunden auch eine Tochter.“
 

Ich verstand mit einem Mal gar nichts mehr. Wie war das möglich? Was…?

Moment mal. Wo befand ich mich eigentlich? Was für ein Zimmer ist das hier? Vor mir steht ein riesen Schreibtisch, dahinter ein monströses Regal mit unendliche vielen Akten. Alles sah so akkurat aus. Wo…?

Und dann dämmerte es mir. Mit einem Schlag waren sämtliche Erinnerungen der letzten Nacht wieder vorhanden. Bruchstückhaft kehrten sie in mein Gedächtnis zurück und hielten mir die letzten Geschehnisse vor Augen.
 

Spät in der Nacht hatte meine Frau mich geweckt, weil ihre Wehen einsetzten, die laut ihrer Schilderung ziemlich schmerzhaft waren. Ziehende Schmerzen, die von ihrem Unterleib ausgingen. Ich entsinne mich. Meine Frau und ich erwarteten ein zweites Kind. Wie lange hatten wir uns ein weiteres Kind, ein Geschwisterchen für unseren Sohn gewünscht?

So schnell wir konnten, fuhren wir ins Krankenhaus. Davor hatten wir unseren Sohn bei unseren langjährigen Nachbarn untergebracht. Meine Frau war sofort in den Kreissaal gebracht worden… und ich wartete. Unruhig und mit miesem Gefühl wartete ich Stunde um Stunde. Mit zunehmender zeit wurden meine Sorgen um meine Frau und um unser ungeborenes Kind immer größer.

Nach einer halben Ewigkeit erschien dann der Doktor. Sein Blick war gesenkt, als er zu mir trat. Von diesem Augenblick an ahnte ich es bereits. Ich wusste, dass die Geburt nicht nach Plan gelaufen war. Ich hatte es während der gesamten Zeit, die ich angstvoll auf meine Frau gewartet hatte, bereits geahnt. Ihre Schmerzen waren selbst für normale Wehen viel zu stark gewesen. Der Doktor bestätigte meine Angst. Meine Frau war an den Folgen der schweren Geburt gestorben.

Von diesem Moment an war ich in ein tiefes Loch gesunken, sodass ich alles andere vergessen hatte.
 

„Willst du sie sehen?“, fragte der Doktor. Ich brachte ein kurzes Nicken zustande, bevor der Doktor mich zur Säuglingsstation führte.
 

Vor einer großen Scheibe, durch die man hindurch sehen konnte, blieben wir stehen. Hinter der Scheibe konnte ich einige Neugeborene erkennen, die fast alle friedlich schliefen. Einige wenige weinten oder versuchten auf eine andere Art Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich war so gebannt von diesem Anblick, der mir neues Leben offenbarte, dass ich nicht mitbekam, wie der Doktor durch die Scheibe Anweisungen an eine Krankenschwester weitergab, die inmitten der Babys stand. Langsam trat sie an einen Säugling, der in eine rosa Decke gewickelt war. Behutsam nahm sie es in ihren Arm und trat mit ihm vorsichtig an die Scheibe heran. Unmittelbar vor meinen Augen blieb sie stehen und präsentierte mir dieses zarte, unschuldige, kleine Geschöpf, welches seelenruhig in den Armen der Krankenschwester schlief.

Sofort war mir klar, dass dieses entzückende Wesen meine kleine Tochter sein musste. Ich erkannte in ihrem Gesicht, die gleichen Gesichtszüge wie die von meiner Frau.

Nun wusste ich, dass meine Frau mich nicht ganz verlassen hatte. Einen Teil von ihr hatte sie zurückgelassen.

Unsere Tochter war am Leben. Unsere Chelsea durfte leben.

Der erste Eindruck

Kapitel 1
 

Der erste Eindruck
 

Sechzehn Jahre waren seit diesem schweren Schicksalsschlag vergangen. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an meine verstorbene Frau denken musste. Die Leere, die sie hinterlassen hatte, konnte nur durch den Anblick unserer kleinen Tochter gefüllt werden. Chelsea war ein reizendes Mädchen. So lebhaft und neugierig, wie sie als kleines Kind war, desto fröhlicher und freundlicher wurde, je weiter die Jahre verstrichen. Sie hatte soviel von ihrer Mutter, dass sich jeder, der meine Frau gekannt hatte, sich gezwungen sah, ebenfalls an sie zu denken, sobald man Chelsea begegnete. Meine Tochter wuchs zu einer verantwortungsbewussten und schönen jungen Frau heran. Mit ihrem Bruder, Mark, verstand sie sich außerordentlich gut. Er hatte ebenfalls eine schwere Trauer zu bewältigen, nachdem er gemerkt hatte, dass seine Mutter nie wieder zurück kommen würde. Doch er schaffte es viel leichter und schneller, im Gegensatz zu mir, seinem eigenen Vater.

Für mich waren die ersten Wochen, nachdem ich meine Tochter aus dem Krankenhaus mit nach Hause nahm, alles andere als leicht gewesen. Von einem Tag auf den anderen musste ich zwei Kinder alleine versorgen und großziehen. Ich war hilflos überfordert, zumal nebenbei ein landwirtschaftlicher Betrieb weiter geführt werden musste, den ich vor einigen Jahren aufgebaut hatte. Demnach hatte ich nicht nur meine zwei Kinder, um die ich mich kümmern musste, sondern auch noch Kühe, Rinder, Schafe, Pferde und einen Hund zu versorgen. Natürlich hatte ich meine Angestellten, Freunde und Verwandte, die mir zur Seite standen, doch die Hauptverantwortung lag dennoch bei mir. Wie ich es geschafft habe, gleichzeitig meine Kinder zu versorgen und den Betrieb am Laufen zu halten, blieb mir bis heute ein Rätsel. An manchen Tagen war ich der Verzweiflung so nahe gewesen, dass ich öfter nicht mehr weiter wusste. In solchen Momenten fehlte mir meine Frau ganz besonders. Abends, bevor ich zu Bett ging, suchte ich bei ihr Rat, wie es ohne sie denn weiter gehen sollte. Wohl wissend, dass ich darauf nie eine Antwort bekommen würde. Sie fehlte mir so unendlich, dass einzig und allein meine Kinder dazu in der Lage waren, ganz besonders Chelsea, meinen und gleichzeitig ihren Verlust zu verdrängen und nach vorne zu blicken. Ich wusste, dass ich für meine Kinder stark sein musste. Sie brauchten mich. Noch einen Elternteil sollten sie nicht verlieren.
 

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Der Morgen begann wie jeder andere, kurz vor 6 Uhr. Der Hahn krähte bereits, gleich nachdem die ersten Sonnenstrahlen am Firmament erschienen waren. Abgesehen davon, war es noch recht ruhig auf dem Hof.

Solche Momente in denen man hautnah miterleben konnte, wie die Natur mit all ihren Bewohnern, egal ob Mensch oder Tier, erwachten, bedeuteten für mich mitunter die harmonischsten Minuten, die mich daran erinnerten, wie herrlich das Leben, um einen herum, sein konnte. Jeder Morgen kündete einen Neuanfang an. Einige Augenblicke genoss ich diesen wunderbaren Anblick, der direkt vor meinem Haus stattfand, ehe ich mich an die Arbeit begab.
 

Nachdem ich meinen morgendlichen Rundgang auf dem Betrieb beendet hatte, kehrte ich ins Haus in die Küche zurück, wo mich ein verführerischer Kaffeeduft empfing.

„Guten Morgen, Vater! Hast du gut geschlafen?“

Und dort stand meine Chelsea, am Herd und bereitete das Frühstück zu. Jedes Mal aufs Neue zauberte mir ihr Anblick ein Lächeln auf die Lippen. Wie schnell sie doch erwachsen geworden ist. Sie wird ihrer Mutter von Tag zu Tag ähnlicher. Ihre langen braunen Haare hatte sie heute zu einem Zopf zusammengebunden, bis auf zwei kürzere Strähnen, die ihr seitlich an ihrem Gesicht herunter fielen. Ihre klaren blauen Augen strahlten, als sie lächelnd auf mich zutrat und mir eine Kaffetasse reichte.

„Mit Milch und etwas Zucker, wie du es gerne magst.“

„Danke, Chelsea. Du siehst hübsch aus heute Morgen.“

„Ach, Vater, übertreib nicht.“

„Es stimmt aber. Deine Mutter wäre stolz auf dich. Hast du deinen Bruder schon gesehen?“

„Er ist gerade im Bad und macht sich für die Uni fertig.“

„Stimmt ja. Hatte ich ganz vergessen. Das neue Semester beginnt heute.“

Wie aufs Stichwort, erschien daraufhin Mark in der Küche. Mark ist 4 Jahre älter als Chelsea und somit schon 20 Jahre alt. Er hat kurzes blondes Haar, welches grundsätzlich zerzaust in allen Himmelsrichtungen abstand. Genau wie seine Schwester hatte er klare blaue Augen. Heute trug er nicht seine übliche Arbeitskleidung, sondern eine schicke blaue Jeans und dazu ein gebügeltes weißes Hemd. Über seiner linken Schulter trug er seine Aktentasche mit allen wichtigen Unterlagen für sein Landwirtschaftsstudium.

Ich kann nicht annähernd sagen, wie stolz ich auf meinen Sohn diesbezüglich bin. Eines Tages würde er den Betrieb erben und weiter führen. Ein Familienbetrieb, der von Generation zu Generation weiter gegeben werden sollte. Genauso hatte ich mir das immer vorgestellt.

„Guten Morgen, Vater, Schwesterherz.“, grüßte Mark uns. „Ich bin etwas spät dran. Wenn ich es noch pünktlich schaffen möchte, muss ich leider schon los. Sorry, aber zum Frühstück kann ich nicht bleiben.“

„Kein Problem.“, antwortete ich. „Das Studium hat oberste Priorität. Beeil dich, damit du noch rechtzeitig ankommst.“

„Bruder!“ Chelsea hielt ihren Bruder noch kurz zurück. „Ich habe dir ein Lunchpaket gemacht. Unterwegs kannst du dann frühstücken.“

„Danke, Schwester. Du bist von allen Mädchen die beste. Also dann, bis nachher!“

Dann war er verschwunden.

„Dein Bruder schafft es abends auch nie zeitig ins Bett zu gehen.“, tadelte ich ihn neckend.

„Aber Vater. Er hat zurzeit echt viel zu tun. Neben dem Studium arbeitet er jeden Tag mit auf dem Hof. Er möchte beides nicht vernachlässigen.“

„Du hast ja Recht. Er hat es momentan wirklich nicht leicht. Lass uns jetzt aber frühstücken. Du musst dann ja auch bald los zur Schule.“
 

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Der Sommer war zwar zur Hälfte bereits vorbei, trotzdem hatte die Sonne noch nichts von ihrer Intensität der Wärme verloren. Erbarmungslos sandte sie ihre Sonnenstrahlen gen Erde. Der Schweiß tropfte nur so von meiner Stirn.

Es war gegen Mittag, als Chen, ein guter Freund von mir, unangemeldet auf dem Hof auftauchte.

„Hallo, Chen! Was führt dich denn hierher?“, begrüßte ich ihn. „Guten Tag, Andreas! Tut mir Leid, dass ich so unangekündigt auftauche, aber ich hatte in der Nähe gerade zu tun gehabt und dachte, ich schaue mal bei meinem alten Freund vorbei und gucke, wie es ihm so geht.“, erklärte Chen sein Erscheinen.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wie lange kennen wir uns bereits? Ich meine, dass es fast schon 10 Jahre sind. Folglich, kannst du kommen und gehen, wie es dir gefällt.“

„Dann bin ich aber erleichtert. Seitdem Markt hatten wir uns nicht mehr gesehen.“ „Du kennst es ja, es ist immer viel zu tun, wenn man sein eigenes Gewerbe betreibt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass meine Kinder mir tatkräftig zur Hand gehen, wenn sie nicht gerade in der Schule oder Universität sind.“

„Das glaube ich gern. Ich hoffe, dass mein Sohn, Charlie, mir ebenfalls unter die Arme greifen wird, wenn er etwas älter geworden ist.“, seufzte Chen. „Kommt er nicht nächstes Jahr in die Schule?“, harkte ich neugierig nach.

„Ja, nächstes Jahr im Sommer ist es endlich soweit. Unfassbar, wie schnell die Zeit doch vergeht. Allerdings muss ich gestehen, dass ich es kaum noch erwarten kann, wenn er dann für den halben Tag aus dem Haus sein wird. Ein wenig Entspannung ohne Kind muss doch hin und wieder mal sein.“

„Deine Situation kann ich mir sehr gut vorstellen. Charlie ist aber auch ein sehr lebhafter und aufgeweckter kleiner Junge mit einer Menge an Energie. Nimm es mir bitte nicht übel, aber mit dir tauschen wollen, möchte ich garantiert nicht. Selbst, wenn du mich dafür bestechen solltest.“

Wir beide mussten lachen. Chen und ich haben eine ähnliche Vergangenheit. Genauso wie ich, hatte auch er seine Frau verloren, die bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen war. Dieser Unfall liegt bereits einigen Jahre zurück. Charlie konnte damals nicht älter als zwei Jahre gewesen sein. Es ist schon schlimm, mit ansehen zu müssen, wie ein Kind ohne Mutter aufwachsen muss. Meinen Kindern ergeht es dabei nicht anders. Von einem Tag auf den anderen wird man gezwungen Vater und Mutter gleichzeitig zu sein, ohne einen wirklichen Plan zu haben, wie das eigentlich funktioniert.

So gut es ging, und wie es meine Zeit zuließ, habe ich versucht, Chen zu unterstützen, da ich logischerweise seinen Schmerz recht gut nachempfinden konnte. Leider konnte ich nicht, allzu viel Zeit für ihn erübrigen, alleine schon wegen meiner eigenen Kinder. Sie waren zwar nicht mehr ganz so klein gewesen zu diesem Zeitpunkt, aber meinen Betrieb konnte ich ebenfalls nicht lange vernachlässigen.

Doch Chen war ein starker, verantwortungsbewusster Mann, der es sicher geschafft hat, sich in dieser neuen Situation zurechtzufinden. Durch diese Ereignisse, die wir beide erlebt hatten, verband uns eine tiefe Freundschaft. Wir wussten, dass wir uns immer auf den jeweils anderen verlassen konnten.

„Weißt du schon das Neueste?“, fragte mich Chen, nachdem wir uns wieder beruhigt hatten. „Was denn?“

„Mirabelle sucht für ihre Tierpension einen neuen Arbeitnehmer. Ihr letzter Angestellter hatte aus der Einnahmekasse Geld gestohlen, weswegen sie ihn fristlos gekündigt hatte.“

„Wie? Redest du etwa von Lars? Er war mir gegenüber immer recht freundlich und machte einen vertrauenswürdigen Eindruck.“

„Tja, ich hätte das auch nie für möglich gehalten, aber so leicht kann man sich in andere täuschen.“

„Hmm. Dann hoffen wir mal, dass der Neue nicht so unbesonnen sein wird.“, merkte ich an.

„Ja. Ich muss dann auch wieder los. Die Pflicht ruft.“

„Erzähl mir mal was Neues. Dann, mach´ s gut! Wir hören voneinander.“

„Klar. Bis dann, Andreas!“
 

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Seit meinem letzten Gespräch mit Chen war fast eine Woche vergangen. Besorgungen, bezüglich meines Betriebes, trieben mich an diesem Tag in die Stadt. Meine Familie und ich wohnen etwas abseits vom Stadtzentrum, weswegen meine Kinder einen längeren Fahrweg zur Schule oder Universität haben, als andere in ihrem Alter. Trotzdem würde ich das Landleben niemals gegen das Leben in einer Großstadt eintauschen wollen. Auf dem Land hatte man alles, was man benötigte, um stressfrei zu leben und dem Trubel einer Großstadt entgehen zu können. Diese Hektik und das allgemeine Chaos in der Stadt vermisse ich kein bisschen, obwohl ich in einer aufgewachsen war. Damals war es teilweise unerträglich für mich gewesen, mich richtig in dieses Städteleben zu integrieren. Es war mir nie wirklich gelungen. Meine Eltern wohnen nach wie vor noch an so einem geschäftig betriebenen Ort. Was keineswegs verwunderlich ist. Mein Vater hatte dort seinen festen Arbeitsplatz und Wohnsitz gehabt. Das Land war ihm schon immer zu öde und eintönig erschienen. Es hat Jahre gedauert, bis er meinen Entschluss einen landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen, akzeptiert hatte. Seiner Meinung nach, hätte ich lieber ein Rechtsanwalt oder Arzt werden sollen. Er selber war Polizist gewesen, bis er vor fünf Jahren pensioniert wurde.

Doch mit der Zeit überwand mein Vater seine Sturheit und nahm meine Entscheidung, die ich für mein Leben getroffen hatte, an. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, denn das war das größte Lob, welches er mir jemals gemacht hatte. Das bedeutet mir, bis heute, unendlich viel. Unsere Beziehung zueinander wurde besser, als sie es vorher gewesen war. Nach jahrelanger Überzeugungsarbeit hatte er mich als Mann akzeptiert und mir Respekt entgegengebracht.
 

Mirabelle zählt mit zu den Leuten, mit denen ich ein gutes Verhältnis pflege. Sie betreibt neben ihrer Tierpension auch ein Geschäft für eine Vielfalt an Tierwaren, die sich nicht ausschließlich auf kleinere Haustiere, wie Hunde, Katzen oder Kaninchen beziehen, sondern auch auf Landtiere, wie ich sie auf meinem Hof halte. In dieser Gegend ist dies ein lukratives Geschäft, welches Mirabelle betreibt. Denn schließlich, ist mein Betrieb nicht der einzige auf dem Land. Dadurch bleibt leider der Konkurrenzkampf nicht aus. Doch mein Betrieb genießt einen wirklich ausgezeichneten Ruf und ich würde alles dafür geben, um den nicht zu verlieren. Verständlicherweise war es nicht leicht gewesen, diesen Ruf zu erwerben. Es kostete mich viel Fleiß und Zeit, die sich mit den Jahren als lohnenswert erwiesen.
 

Somit betrat ich an diesem Vormittag den Laden von Mirabelle, um eine größere Bestellung aufzugeben. Normalerweise erledige ich sowas per Telefon, aber ich dachte mir, dass ein persönlicher Besuch wieder angebracht war, zumal ich auch von Mirabelle hören wollte, wie sich der neue Angestellte macht.

„Na sowas! Das ist aber eine Überraschung! Was machst du denn hier, Andreas?“, fragte mich Mirabelle, nachdem sie mich erblickt hatte und trat zugleich auf mich zu, um mich kurz in die Arme zu schließen. Sie war um einiges kleiner als ich, weswegen es ein eigenartiges Bild abgeben musste. Mit ihrem Kopf reichte sie mir gerade so, knapp bis an die Brust.

„Morgen, Mirabelle. Es freut mich ebenfalls dich mal wieder zu sehen. Ich dachte mir, dass ein kurzer Tapetenwechsel von meinem Hof nicht schaden könnte.“, antwortete ich ihr.

„Und das aus deinem Mund zu hören, hätte ich nie für möglich gehalten. Du liebst doch dein Land über alles. In einer Tour redest du ausschließlich davon und wie schön ruhig es im Gegensatz zu hier ist.“

„Das stimmt auch. Daran wird sich auch niemals etwas ändern, das kannst du mir glauben. Manchmal lässt einem die Pflicht keine andere Wahl, als hin und wieder sein gewohntes Umfeld zu verlassen. Gerade dann, wenn man gute Freunde lange nicht mehr gesehen hatte.“

„Haha! Du wirst dich wohl nie ändern. Du hast schon immer die richtigen Worte im passenden Moment angebracht. Dies war auch eine der Vorlieben, die deine Frau immer an dir bewundert hatte.“

„Ich erinnere mich. Sie hatte mir das mal gesagt.“

Kurz schweiften meine Gedanken zu meiner verstorbenen Frau. Es tat nach wie vor noch ein wenig weh, wenn andere so unvermittelt von ihr anfingen zu reden. Mittlerweile komme ich aber besser damit klar. Anfangs hatte ich mich schnell zurückgezogen, um allein mit meinen Gedanken sein zu können. Der Schmerz über ihren Verlust war einfach zu groß gewesen, weswegen ich die Gesellschaft von Freunden nicht lange ertragen konnte. Auf Dauer wusste ich aber, dass das nicht so weitergehen konnte. Ich musste eben stark sein. Allein schon für meine Kinder. Ob es mir nun schwerfiel oder nicht.

„Na gut! Also, mich führen zum einen eine Bestellung hierher und der andere Grund ist der, dass ich mal hören wollte, wie sich dein neuer Angestellter macht.“

Mirabelle ist wirklich eine sehr gute Freundin. Natürlich hatte sie gesehen, dass ich mit meinen Gedanken bei meiner Frau gewesen war. Sie machte auch kein Geheimnis daraus. Mit einer Selbstverständlichkeit nahm sie es zur Kenntnis und bedeutete mir mit ihrem mitfühlenden Blick, dass sie immer für mich da ist, wenn ich jemanden zum Reden brauchte. Ich wusste, dass ich mich diesbezüglich auf sie verlassen konnte.
 

Wir tauschten gerade die neuesten Informationen aus, als die Tür hinter der Ladentheke aufging und ein junger Mann durch diese in den Laden trat. Er war mir völlig fremd, aber mir war sofort klar, dass er der neue Angestellte sein musste. Im ersten Moment war es schwierig für mich zu sagen, was ich von ihm halten sollte. Ein junger Mann, der kaum älter als 20 Jahre sein konnte, mit weißen Haaren, die ihm nach vorne ins Gesicht fielen und es fast bedeckten. Seine Augen konnte man kaum erkennen. Von dem, was ich sehen konnte, wirkten sie finster, fast sogar bedrohlich. Obwohl…Nein! Nicht bedrohlich, eher ziemlich ernst und gleichgültig. Zudem war er recht hoch gewachsen, etwa so groß wie mein eigener Sohn. Seine Statur wirkte sportlich und demnach gut durchtrainiert. Bestimmt besaß er viel Kraft in den Armen und wusste, was körperliche Arbeit bedeutete.

Jedoch musste ich mich unweigerlich fragen, was Mirabelle dazu bewogen hatte, diesen befremdlichen jungen Mann einzustellen. Seine Kleidung war in Ordnung. Eine schwarze Jeans und ein dunkelblaues Shirt. Nichts Auffälliges. Vom Weiten machte er gewiss einen passablen Eindruck. Allerdings, von der Nähe betrachtet, konnte ich ihn nicht wirklich einordnen. Er wirkte auf mich distanziert, gleichgültig gegenüber seinem Umfeld.

„Oh, Vaughn! Gut, dass du gerade kommst. Dann kann ich dich gleich einem unserer Stammkunden vorstellen. Außerdem ist er ein sehr guter Freund von uns.“

Mirabelle fing freudig an zu reden. Mir fiel auf, dass sie mit ihm sprach, als würde sie ihn bereits länger kennen. Sie lächelte ihn an und zog ihn so selbstverständlich ins Geschehen hinein, was mir auf eine gewisse Weise absurd vorkam.

„Andreas, darf ich vorstellen? Dieser junge Mann hier ist Vaughn. Seit drei Tagen ist er fest bei uns angestellt. Er hat auch eine Wohnung hier in der Nähe. Und Vaughn, dieser nette Herr hier ist Andreas. Er ist der Besitzer des Landwirtschaftsbetriebes, welches sich östlich von hier entfernt befindet.“, stellte uns Mirabelle gegenseitig vor.

„Willkommen, Vaughn. Auf eine gute Zusammenarbeit.“ Ich reichte ihm meine Hand, die er zugleich ergriff.

„Guten Tag. Ganz meinerseits.“

Seine Stimme war tief und ruhig, als er sprach. Selbst meinem Händedruck konnte er problemlos standhalten. Was diesen Punkt betrifft, hatte ich richtig gelegen. Vaughn war harte Arbeit gewohnt und scheute sich nicht mit anzupacken, wenn es gefordert war. Dessen war ich mir sicher. Trotzdem war nicht mehr aus ihm herauszukriegen.

Nachdem wir uns die Hände gereicht hatten, wandte er sich abrupt an Mirabelle und war danach so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war.

„Er macht keinen allzu gesprächigen Eindruck.“, offenbarte ich Mirabelle. Am liebsten hätte ich ihr sämtliche meiner Befürchtungen, was Vaughn betrifft, vorgehalten und sie um eine ausführliche Erklärung gebeten, warum sie ihn unter Vertrag genommen hat. Jedoch war ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich in der Lage, mir ein endgültiges Urteil über Vaughn an zu maßen. Es war verdammt schwer ihn richtig einzuschätzen. Trotzdem blieb dieses Gefühl, das er merklich sonderbar auftrat.

„Ich weiß, was du meinst.“, fing Mirabelle an zu reden. „Es mag den Eindruck machen, dass er sich nicht gerne mit anderen unterhält, aber ich denke, dass er sich erstmal richtig eingewöhnen muss, bevor man das endgültig beurteilen kann. Außerdem hat er einen fantastischen Umgang mit Tieren, du solltest ihn mal dabei beobachten. Es scheint so, als ob die Tiere ihm vertrauen würden.“

„Hmm. Ich hoffe du weißt, worauf du dich eingelassen hast.“

„Danke, Andreas. Es ist lieb von dir, dass du dich so um uns sorgst, aber mach dir mal keine unnötigen Gedanken. Ich habe ein gutes Gefühl, was Vaughn betrifft.“
 

Dem konnte ich mich zwar nicht anschließen, aber mir blieb schließlich keine andere Wahl, als es erstmal hinzunehmen. Ich musste Mirabelles Urteilsvermögen vertrauen, doch ein Rest Bedenken blieb.

Ich war nicht konkret in der Lage zu benennen, was mir an Vaughn nicht gefiel. Es war nur ein ungutes Gefühl. Doch ich nahm mir vor, erst einmal abzuwarten, was passieren würde. Vielleicht stellte sich am Ende meine Vermutung als verkehrt heraus und ich hätte mir umsonst Sorgen gemacht.

Die Zeit würde uns die Antwort schon noch liefern.
 

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Hi!
 

Dieses Kapitel ist viel länger geworden, als ich es ursprünglich geplant hatte. Ich hoffe, dass es euch trotzdem gefallen hat. Über zahlreiche Kommentare würde ich mich selbstverständlich freuen.

Auch dieses Kapitel ist aus Andreas Perspektive erzählt wurden. Im Laufe der Fanfiction habe ich vor diesbezüglich zwischen den Protagonisten zu wechseln. Aber keine Sorge, es wird kenntlich gemacht, welche Perspektive es gerade ist.

Also dann, bis zum nächsten Mal!

Gruß, jane-pride

Mädchengespräch

Kapitel 2
 

Mädchengespräch
 

Chelseas Sicht
 

Einerseits war ich froh darüber, dass die Sommerferien vorbei waren. Denn das bedeutete, dass der Herbst nicht mehr weit entfernt war. Andererseits war es allerdings auch schade, weil es zugleich bedeutete, dass die Wärme des Sommers vorübergehend verschwinden würde. Wie man es drehte und wendete, alles hatte seine Vor- und Nachteile. Das war aber auch gut so.

Seit den frühen Morgenstunden lag ich wach in meinem Bett und hing meinen Gedanken nach. Es war Sonntag, der einzige Tag in der Woche, an dem ich nicht so früh aufstehen musste. Dummerweise, hatte ich mich an meinen frühen Tagesrhythmus über all die Jahre zu sehr gewöhnt, sodass mir der Sonntag in dieser Hinsicht nicht viel brachte. Also hatte ich gelernt, diese ruhigen Stunden in meinem Zimmer zu verbringen. Entweder las oder strickte ich, oder aber ich träumte vor mich hin. Dies machte ich öfter, weswegen sich meine Freundinnen häufiger über mich ärgerten, weil es mir leider auch in Gesprächen passierte. Dadurch bekam ich nicht immer alles sofort mit und meine Freundinnen sahen sich gezwungen, mir alles noch mal zu erzählen. Es tat mir auch immer wieder Leid, aber es passierte einfach, ohne dass ich es bewusst steuerte. Ich weiß nicht mehr, wann es genau angefangen hatte. Es hatte sich nach und nach so entwickelt.

Der Zeiger meiner Uhr rückte immer näher an die 9 Uhr ran. Soviel Zeit hatte ich nun nicht mehr und beschloss aufzustehen.
 

In der Küche bereitete ich das Frühstück für meine beiden Männer zu. Sonntags saßen wir immer zu dritt zusammen am Tisch. Unter der Woche bewirteten wir auch unsere Angestellten. Es war dann immer eine sehr heitere und lebhafte Runde. Mir gefielen diese gemeinsamen Mahlzeiten, da diese mich von meinen Gedanken ablenkten. Es waren nicht immer traurige Gedanken, doch ich dachte oft an meine verstorbene Mutter, die ich zu meinem Leidwesen nicht kennen gelernt hatte, weil sie kurz nach meiner Geburt gestorben war. Als kleines Kind fiel es mir schwer zu begreifen, dass ich sie nie kennen lernen würde. All meine Altersgenossen hatte eine Mutter, warum dann ich nicht? Mit der Zeit hatte ich diesen Umstand akzeptiert. Dennoch fiel es mir manchmal schwer, nicht so traurig zu werden, wenn andere von ihr sprachen, die sie gekannt hatten. Darum belästigte ich meinen Vater auch nicht mehr mit Fragen, die mit meiner Mutter zu tun hatten. Denn ich hatte erkannt, dass es ihn mehr schmerzte als mir.

Der Kaffee war gerade fertig geworden und die aufgebackenen Brötchen hatte ich soeben aus dem Ofen genommen, als mein Vater zur Küche herein schritt. Natürlich hatte er bereits seinen morgendlichen Kontrollgang über seinen Betrieb gemacht. Dieser bedeutete ihm wahnsinnig viel, was ich verstehen konnte.

„Guten Morgen, Vater. Wie immer bist du der erste in der Küche. Hier ist dein Kaffee.“, begrüßte ich ihn.

„Guten Morgen, Chelsea. Wie immer gut gelaunt, wie ich sehe.“

„Du kennst mich doch.“, lachte ich ihn daraufhin an. „Was ich dir noch sagen wollte, für heute Nachmittag habe ich mich mit meinen Freundinnen verabredet. Wir sind bei Julia und wollen zusammen backen.“

„Das ist schön. Dann wünsche ich dir viel Spaß. Grüß alle von mir.“

In diesem Moment kam mein Bruder, Mark in die Küche. Er sah noch ziemlich verschlafen aus. Lustig wie seine Haare kreuz und quer auf seinem Kopf lagen. Ein Lachen konnte ich nicht unterdrücken.

„Morgen.“, grüßte er uns recht müde und gähnte dabei.

„Guten Morgen, Langschläfer. Sind wir aus dem Bett gefallen?“, fragte mein Vater grinsend.

„Ach, viel zu tun gehabt die ganze Woche über. Das Studium ist momentan recht anstrengend. Nächste Woche müssen wir eine Präsentation halten und unsere Professoren verlangen diesbezüglich viel von uns.“, erklärte Mark uns. Rettend griff er nach seiner Tasse Kaffee, die vor ihm auf dem Tisch stand.

„Du wirst das schon schaffen. Da bin ich mir sicher, Bruder.“, sprach ich ihm Mut zu.

„Danke, Schwester. Das wird schon werden. Ich möchte bloß einmal wieder ausschlafen. Mehr verlange ich gar nicht.“

„Danach wirst du es bestimmt wieder können.“, meinte mein Vater. „Die Pferdebox von Kleopatra muss überprüft werden. Die Tür hat sich etwas verzogen. Kannst du mir dabei noch behilflich sein? Oder hast du noch viel fürs Studium zu tun?“

„Kein Problem. Die Zeit habe ich, aber danach werde ich wohl den Rest des Tages in meinem Zimmer verbringen.“, antwortete Mark.

Somit verlief unser gemeinsames Frühstück ruhig und gelassen ab.
 

Bis zum Mittag erledigte ich meine häuslichen Pflichten. Bei einem Privatbetrieb war es zwangsläufig unumgänglich, dass jeder mit Anpacken musste. Es störte mich auch nicht. So war mein Leben von klein auf. Allerdings konnte ich die Begeisterung, die mein Vater und mein Bruder für das Landleben und den Betrieb hegten, nicht zu Hundertprozent teilen. Selbstverständlich liebte ich unsere Tiere und kümmerte mich auch gerne um sie. Trotzdem hatte ich seit längerem das Gefühl, dass mir irgendetwas fehlte. Das Leben und die Arbeit auf dem Land waren strikt routiniert. Jeder lebte hier nach einem strengen und disziplinierten Tagesplan. Manchmal wirkte es auf mich, wie ein mechanistisches Dasein, das keine Alternativen bot. Natürlich hatte es auch sein Gutes, aber das war für mich schon lange nicht mehr ausreichend. Ich sehnte mich nach Abwechslung. Nach etwas Neuem, das frischen Wind aufkommen ließ. Deswegen traf ich mich gerne mit meinen Freunden, die größtenteils alle in der Stadt wohnten. Es war für mich dort viel aufregender und faszinierender, als nur hier auf dem Land. Deshalb besuchte ich wahnsinnig gerne meine Großeltern, die Eltern meines Vaters. Ich würde es meinem Vater gegenüber wahrscheinlich niemals zugeben, aber bei ihnen fühlte ich mich mehr zu Hause, als bei mir daheim. Es herrschte dort keine bedrückte Stimmung, die zu Hause häufig zu spüren ist. Meine Großeltern und Freunde schafften es, mich aus meiner Gedankenwelt und Routine zu befreien. Kurzzeitig war ich dann nicht nur Chelsea, das Mädchen vom Land, sondern auch eine andere, die viel aufgeweckter sein konnte, wenn ich der Routine entkam.

Mein Vater schwört auf das Landleben, dass es nichts Besseres gäbe und wir glücklich sein können, dass es uns so gut geht und wir dieses Leben führen. Wie es in meinem Inneren aussieht, habe ich ihm bisher nie gesagt. Ich habe das Gefühl, dass er es nicht verstehen würde, weil er andere Erfahrungen in seiner Kindheit und Jugend mit der Stadt gemacht hatte, als ich.

Deshalb konnte ich ihm das nicht sagen. Er wäre zu sehr verletzt und enttäuscht, gerade weil er sich bemüht, uns das Bestmögliche zu geben.

Aber genug gegrübelt. Ich schweifte mal wieder viel zu weit ab, dabei musste ich das Mittagessen noch zubereiten, bevor ich zu Julia aufbrechen würde. Also dann, ran an die Arbeit.
 

Um 14 Uhr rum saß ich im Bus und fuhr die Feldwege bis zur Stadt entlang. Wie immer starrte ich dabei verträumt aus dem Fenster. Ich freute mich schon auf die anderen. Seitdem die Schule wieder angefangen hatte, saßen wir noch nicht wieder alle zusammen. Es war auch schwieriger für uns geworden alle unter einen Hut zu kriegen, weil Nathalie sich zunehmend mehr für Jungen interessierte. Aus diesem Grund gab sie sich häufiger mit den Jungen aus unserer Klasse ab, ging fast jedes Wochenende auf irgendeine Party oder in eine Discothek. Ihr Verhalten zeigte immer mehr, dass sie sich zunehmend für das andere Geschlecht interessierte und alles Mögliche unternahm, diesem auch näher zu kommen. Im Grunde genommen war es auch nichts Verwerfliches. Jeder von uns sprach über Jungs und dergleichen. Julia hatte als einzige von uns bereits einen Freund gehabt. Jedoch nicht lange, da sich herausstellte, dass er zweigleisig fuhr. Sie und Lana waren die einzigen von uns, die Nathalie auch mal auf eine Party begleitet hatten. Sabrina und ich bisher noch nicht. Was, wohlmöglich, so schnell auch nicht passieren würde. Sabrina erging es ähnlich wie mir. Ihr Vater hatte ein wohlbehütetes Auge auf sie und gestattete ihr relativ wenig Freiraum. Sie kam aus sehr gutem Hause und musste dem Ruf ihrer Familie gerecht werden. Für ein Mädchen schickten sich solche Veranstaltungen schon mal gar nicht. Sabrina war auch häufig traurig deswegen, weil ihr alles mehr oder weniger von ihrem Vater vorgeschrieben wurde. Mein Vater war nicht ganz so streng, doch auch er ließ mich nur ungerne auf solche Veranstaltungen gehen. Meistens sollte mich mein Bruder begleiten, damit er auf mich Acht geben konnte. Auch wenn mein Bruder und ich ein sehr gutes Geschwisterverhältnis zueinander haben, fand ich diese Reaktion recht übertrieben. Mein Bruder sah es ähnlich und hatte sogar versucht mit unserem Vater darüber zu reden. Er meinte, ich sei kein kleines Kind mehr und wäre durchaus in der Lage meine eigenen Erfahrungen zu machen. Leider war es zwecklos. Meine Vater ließ sich nicht umstimmen.

Der Bus hielt an der nächsten Haltestelle, an der ich aussteigen musste. Ich musste nur auf die andere Straßenseite gehen und schon stand ich vor Mirabelles Tierpension und Geschäft. Ihre Wohnung lag halb dahinter und darüber. Ein wirklich erstaunliches Wohnerlebnis. Ein wenig beneidete ich meine Freundin deswegen. Schnurstracks zielte ich auf den Hauseingang und betätigte die Klingel. Kurz nachdem der Ton ertönte, trat Sabrina um die Straßenecke und kam auf mich zu.

„Hey, Chelsea!“

„Hi, Sabrina! Schön dich zu sehen.“, lachte ich sie an. In diesem Moment wurde auch schon die Haustür von Julia geöffnet. Wir drei begrüßten uns stürmisch. Bei uns war es immer ein erstaunliches Phänomen. Die unmittelbaren Nachbarn wussten sofort, wenn wir uns allesamt trafen. Eine lautere Begrüßung gab es meiner Ansicht nach gar nicht. Obwohl die lauteste von uns Nathalie war. Wenn man vom Teufel spricht, dachte ich gerade, kam auch gerade Nathalie die Straße entlang auf uns zu und hatte Lana im Schlepptau. Somit war unsere Runde komplett.

Zuerst machten wir es uns auf Julias Balkon, der direkt an ihrem Zimmer angrenzte, bequem und tranken Eistee.

„Jetzt erzähl doch mal, Julia, wie macht sich denn der neue Angestellte? Soviel hat man von ihm noch nicht gehört.“, platzte Nathalie bereits vor Neugier, was bei uns nur ein Augenrollen hervorrief. War ja klar, dass sie diese Tatsache am meisten interessierte.

„Soviel gibt es da auch gar nicht zu erzählen.“, begann Julia zu reden. „Er ist bisher sehr gewissenhaft seiner Arbeit nachgegangen und kann mit den Tieren sehr gut umgehen. Meine Mutter ist, was das angeht sehr zufrieden.“

„Das ist alles schön und gut.“, unterbrach Nathalie sie. „Aber was uns besonders interessiert ist, wie er denn aussieht. Wie alt ist er und hat er eine Freundin?“

„Du bist wohl die einzige, die das von uns wissen will.“, meinte Lana und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. „Hast du nicht Freitag noch für diesen Tobi aus der 12 geschwärmt?“

„Ach der.“, wickelte Nathalie das Thema mit einer Handbewegung ab. „Es hat sich herausgestellt, dass Fußball ihm mehr zusagt als alles andere. Außerdem wuselt ständig eine sogenannte Bianka um ihn herum, da wurde mir das zu dämlich.“

„Faszinierend, wie schnell du doch deine Meinung änderst.“, warf ich ein.

„Ja ja, schon gut. Was ist denn nun mit Vaughn? Sieht er gut aus?“, hackte Nathalie erneut nach.

„Dazu kann ich nicht viel sagen. Ich habe ihn erst zweimal gesehen. Jedes Mal war er aber zu weit weg gewesen, dass ich das beurteilen könnte. Außerdem redet er nicht sonderlich viel.“, erzählte uns Julia.

„Was meinst du damit? Irgendetwas musst du doch wissen.“, behauptete Nathalie und fing an leicht ungeduldig zu werden.

„Wirklich, Nathalie, mehr weiß ich nicht.“, beteuerte Julia erneut und sah ihre Freundin eindringlich an.

„Aus ihm ist nichts herauszukriegen. Unterhalten kannst du dich höchstens über die Arbeit mit ihm, mehr nicht.“

„Vielleicht muss er sich noch ein wenig eingewöhnen. Wie lange ist er jetzt schon hier? Zwei Wochen?“, fragte Sabrina. Julia nickte bestätigend.

„Das einzige, was ich euch noch sagen kann, ist, dass er ein Zimmer in der Nähe des Bahnhofs gemietet hat. Das steht in seinen Personalunterlagen. Ach ja, er ist 19.“, fiel ihr da noch ein.

„19, also.“, murmelte Nathalie und starrte in ihren Eistee. „Demnach wohnt er allein.“, stellte sie zudem noch fest.

„Das ist richtig.“, bestätigte ihr Julia. „Was mit seinen Eltern ist, kann ich allerdings nicht sagen. Wie gesagt, er ist extrem schweigsam, wenn man ihn nach seiner Herkunft fragt.“

Für eine Weile schwiegen wir und tranken unseren Eistee.

„Sag mal, Nathalie,“, brach Lana wieder das Schweigen. „bist du diesen Freitag nicht bei Lukas zu seiner Poolparty eingeladen? Ich meine den aus der Parallelklasse von Tobi.“

„Das stimmt.“ Sofort grinste Nathalie. Ihre Augen nahmen zugleich einen eigenartigen Glanz an, der zeigen sollte, dass sie einiges von dieser Party erwartete. Heute sah sie aber auch unglaublich gut aus. Ihre pinken Haare hingen offen von ihrem Kopf runter. Ihre blaue Jeans und ihr enges weißes Top betonten ihre Kurven. Ich musste zugeben, dass Nathalie eine sportliche und attraktive Figur hatte. Dreimal die Woche ging sie ins Fitnessstudio und formte ihren Körper. Die Mühe schien sich auch zu lohnen, denn das Resultat konnte sich wahrlich sehen lassen. Allerdings fand ich sie immer zu auffällig geschminkt. Manchmal wirkte sie dadurch so unnatürlich, dass ich sogar mal versucht hatte, offen mit ihr darüber zu sprechen. Es hatte, wie ich sehe, nichts gebracht. Im Gegenteil, sie hatte mir sogar noch vorgeworfen, dass ich davon keine Ahnung hätte und das nicht richtig beurteilen könne, weil ich schließlich vom Land komme und nicht all zu oft unter Leuten wäre. Damit könnte sie Recht haben, aber ich weiß, was ich schön finde und was nicht. Und dieses extreme Make-up gehörte definitiv nicht dazu. Zum Glück sind Geschmäcker verschieden, dachte ich mir damals nur und gab weitere Versuche auf.

„Die Einladung hatte er mir persönlich überreicht, nach Schulschluss am Freitag.“, sagte Nathalie und klang dabei mal wieder ziemlich überheblich. So nachdem Motto, ich wurde eingeladen und ihr nicht. Sie vergaß schnell, dass es uns egal war. Mit ihrem extravaganten Lebensstil konnten wir eben nicht viel anfangen.

„Woran denkst du denn schon wieder?“, fragte Sabrina. „Ich dachte dich interessiert jetzt Vaughn.“

„Tut er auch. Ich möchte ihn mir auf jeden Fall mal anschauen. Vielleicht gefällt mir ja, was ich sehe. Trotzdem kann ich mich doch währenddessen mit anderen treffen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Warum sich die Chance entgehen lassen?“

„Du wirst dich wohl nie ändern.“, meinte ich und schüttelte nur den Kopf. Diese Einstellung konnte ich einfach nicht begreifen.

„Aber, Chelsea, überleg doch mal.“, sprach sie mit mir als wäre ich begriffsstutzig. „Lukas ist einer der heißesten und beliebtesten Typen an unserer Schule. Ich wäre doch schön blöd, wenn ich die Gelegenheit nicht nutzen würde. Außerdem fühle ich mich geschmeichelt, dass er mir die Einladung persönlich gegeben hatte. Nicht mal bei Sina hatte er das gemacht. Sie sah ziemlich dumm aus der Wäsche, dass kann ich euch sagen.“ Ein triumphales Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Natürlich wussten wir, wie Nathalie allgemein auf Jungen wirkte. Ihr gutes Aussehen brachte ihr viel Bewunderung und Aufmerksamkeit entgegen. Wir alle waren der Meinung, dass es ihr nicht unbedingt gut tat. Doch was sollten wir dagegen unternehmen? Nathalie war nun mal so, und dass hatten wir akzeptiert. Außerdem war sie unsere Freundin. Alles andere war fast nebensächlich. Wenn einer von uns Hilfe brauchte, konnten wir uns auf sie verlassen. Nathalie konnte kräftig austeilen, wenn es darauf ankam.

Wir blieben noch eine Weile auf dem Balkon sitzen und gaben Nathalie Ratschläge, was sie zur Poolparty tragen könnte, um Lukas zu gefallen. Es war schwierig, da wie gesagt, Nathalie nicht einfach zufrieden zu stellen war, aber letzten Endes hatten wir es geschafft. Danach begaben wir uns in die Küche und probierten ein neues Kuchenrezept aus. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und schmeckte auch vorzüglich. Mit Schokolade konnte man aber auch nie etwas falsch machen. Wir beschlossen, diesen Kuchen bei nächster Gelegenheit noch mal zu backen. Eventuell sogar zum Geburtstag von Lanas Großmutter. Sie freute sich immer, wenn sie etwas Selbstgebackenes von ihrer Tochter bekam. Allerdings musste einer von uns ihr immer dabei helfen, weil ihre Koch- und Backkünste nicht ganz ausgereift waren. In dieser Hinsicht, hatte sie etwas mit Nathalie gemeinsam, denn auch sie war, was die Küche anging, völlig fehl am Platz. Die meiste Zeit schaute sie uns bei der Arbeit zu und feilte ihre Fingernägel.
 

Am Abend machten wir uns alle auf dem Weg nach Hause. Es hatte uns wieder richtig viel Spaß gemacht zusammen zu sein und zu quatschen. Ich war nur froh, dass ich mit meinen Gedanken nicht woanders gewesen war und mir diesbezüglich keine abfälligen Bemerkungen anhören musste.

Zu Hause aß ich mit meiner Familie noch zu Abend, bevor ich in mein Zimmer ging und die Schultasche für den morgigen Tag packte.
 

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Hi!

Endlich habe ich es geschafft ein weiteres Kapitel zu schreiben. Ich war doch ziemlich überrascht, wie lange das letzte Kapitel zurück lag.

Natürlich hoffe ich, dass euch dieses Kapitel gefallen wird.
 

Viel Spaß beim Lesen!

jane-pride

Eine harte Strafe für Nathalie

Kapitel 3
 

Eine harte Strafe für Nathalie
 

Es war eindeutig noch zu früh am Morgen, als Nathalies Mutter an ihre Zimmertür klopfte.

„Nathalie? Stehst du endlich auf? Du kannst doch nicht den ganzen Tag im Bett verbringen.“

Die Stimme ihrer Mutter war keineswegs zu überhören. Trotzdem tat das junge Mädchen so, als würde sie davon nichts mitkriegen und vergrub sich nur noch tiefer in ihre Bettdecke. Ein Blick auf die Uhr hatte ihr nämlich gezeigt, dass es zwar schon fast Mittag war, aber für sie, die erst nach 3 Uhr zu Hause war, wesentlich noch zu früh. Also, sah das verwöhnte Mädchen nicht im Geringsten ein, aufzustehen, wenn sie noch nicht ausgeschlafen und erholt von der letzten Party war.
 

Nathalie war gerade wieder dabei einzuschlafen, als ihre Zimmertür mit einem ohrenbetäubenden Knall aufgestoßen wurde und zwar von ihrem Großvater, persönlich.

„Jetzt reicht es aber! Raus mit dir aus den Federn!“

Abrupt, nahm Nathalies Großvater ihre Bettdecke in die Hand und zog diese mit einem Ruck von ihr runter, sodass das junge Mädchen bloß in einem knappen Top und Höschen da lag.

„Ahh! Sag, geht’s noch, Großvater? Ich habe kaum was an.“, beschwerte sie sich auch zugleich. „Du kannst nicht einfach in mein Zimmer stürmen und mir die Bettdecke vom Leib reißen!“

Wütend starrte sie ihren Opa an. Allerdings, konnte sie seinem Blick nicht lange standhalten, denn sie merkte ihm deutlich an, dass er meilenweit von guter Laune entfernt war, was auf Nathalies Verhalten zurückzuführen war.

„Und ob, ich das kann, junges Fräulein.“, entgegnete er ihr in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

„Wir hatten eine Vereinbarung gehabt, was diese Party gestern betrifft. Du hast dich nicht an die Vereinbarung gehalten, obwohl du uns versprochen hattest bis Mitternacht wieder zurück zu sein.“

„Aber, Opa. Die Party war im vollen Gange. Ich hätte nicht so einfach gehen können. Dann hätte ich vor meinen Freunden ziemlich blöd dagestanden.“, versuchte Nathalie ihr fehlgeschlagenes Verhalten zu rechtfertigen.
 

„Klappe!“
 

Sofort schloss das verängstigte Mädchen wieder ihren Mund und senkte den Blick. Aus Schamgefühl, hatte sie ihre Beine ganz nah an ihren Bauch herangezogen und ihre Arme darum gelegt. Denn in diesem Moment, kam sie sich ziemlich nackt vor, was sie vor ihrem Großvater als peinlich empfand.

„Du hast mir gefälligst zuzuhören, bis ich ausgeredet habe!“, brüllte nun der alte Mann in einer sehr hohen Lautstärke, dass selbst seine Tochter, also Nathalies Mutter, die auch mit im Zimmer war, kurz zusammenzuckte.

„Nathalie, du hast uns mal wieder sehr enttäuscht. Deine Mutter und ich waren beinahe krank vor Sorge, als du nicht wie vereinbart zurückgekommen bist. Was sollen wir nur mit dir machen? Du vernachlässigst die Schule, läufst halbnackt durch die Straßen und hintergehst uns, indem du dich nicht an deine Versprechen hältst. Aber damit wird jetzt Schluss sein! Hast du mich verstanden? Und sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“
 

Erschrocken, fuhr Nathalie, aufgrund dieser harten Aufforderung zusammen und hob langsam ihren Kopf. Inzwischen hatte sie wahnsinnige Kopfschmerzen bekommen, die durch das laute Schreien nur noch gefördert wurden. In diesem Augenblick, bereute sie die letzten ein oder zwei Cocktails, die sie gestern zu viel getrunken hatte.

„Noch dazu riechst du prägnant nach Alkohol. So kann es nicht mit dir weitergehen! Deine Mutter und ich werden das auch nicht länger dulden. Nimm dir mal ein Beispiel an deinem Bruder! So viel Kummer hat er uns nie bereitet.“

„Natürlich nicht. Er war ja auch ständig euer Liebling.“, flüsterte Nathalie kaum hörbar.

„Was hast du gesagt?“

„Nichts! Gar nichts, Opa.“, wich Nathalie der Frage aus. Eine weitere Standpauke wollte sie nicht auch noch. „Ich werde mich bessern. Ich schwöre es.“

„Das glaube ich dir erst, wenn ich es sehe. Für den Rest des Monats hast du Hausarrest und dein Taschengeld ist für den nächsten Monat gestrichen.“

„Waas?“ Entsetzt sprang Nathalie von ihrem Bett.

„Opa, das kannst du doch nicht ernst meinen. Mama, bitte sag doch was dazu.“

Mit einem gequälten Gesichtsausdruck wandte sie sich an ihre Mutter. Dieses schnelle Aufstehen machte ihre Kopfschmerzen nur noch schlimmer. Zudem wurde ihr schwindelig, weswegen sie fast zurück aufs Bett fiel.

„Es tut mir Leid, Nathalie. Du lässt und keine Wahl. Es ist dir eindeutig anzusehen, dass du erneut über die Strenge geschlagen und uns sehr enttäuscht hast. Dein Großvater und ich haben uns lange darüber unterhalten, was wir mit dir machen sollen, damit du wieder zur Besinnung kommst und das erschien uns als beste Lösung für dich. Außerdem, haben wir dir einen Job besorgt, den du…“

„Wie? Das wird ja immer besser. Habt ihr euch denn komplett gegen mich verschworen???“

Tränen rannen Nathalie über das Gesicht. Sie konnte das alles nicht glauben. Ihr Bruder wurde nie so hart bestraft. Sie fand das alles ziemlich ungerecht.

„Nein, meine Kleine, aber du lässt uns keine andere Wahl.“, sprach ihre Mutter, ebenfalls traurig weiter. „Ich bin mir sicher, dass es so das Beste für dich ist. Dein Vater ist genau derselben Meinung.“
 

„Mein Vater?“, entfuhr es Nathalie aufgebracht. „Seit wann redet ihr denn wieder miteinander? Er hat uns doch vor zwei Jahren einfach so im Stich gelassen, wegen seiner Sekretärin. Was für ein Recht hat er, dass er mit entscheiden darf?“

„Jetzt mach aber mal ´nen Punkt!“, herrschte ihr Großvater sie wieder an. „Ich weiß ganz sicher, dass dein Vater ziemlich enttäuscht von dir wäre, wenn er dich jetzt so sehen würde. Die Scheidung deiner Eltern war auch für ihn nicht leicht gewesen. Und jetzt wasch dich und zieh dir was an. Wir sind noch verabredet und du wirst uns begleiten, es betrifft deine neue Arbeit. Vorher würde ich aber gerne noch zu Mittag essen.“
 

Mit diesen abschließenden Worten ließen sie ein völlig verzweifeltes Mädchen zurück, die nun ihren Tränen freien Lauf ließ. Die ganze Welt erschien ihr mit einem Mal so ungerecht, dass sie am liebsten davon gelaufen wäre, wenn es nicht zu noch mehr Schwierigkeiten führen würde.

Tapfer bekämpfte sie ihre Tränen und ihre ansammelnde Wut, die gemischt war mit Enttäuschung und beeilte sich, so schnell sie in ihrer momentanen Verfassung dazu in der Lage war, unter die Dusche zu gehen.
 

+++++
 

Während der gesamten Fahrt, zu Andreas Hof, über, sprach Nathalie kein einziges Wort. Im weiteren Gespräch, was ihre Mutter und Großvater mit ihr führten, als sie am Mittagstisch saßen, haben sie ihr mittgeteilt, dass sie bis zum Winter bei Chelseas Vater aushelfen sollte. An diesem Nachmittag sollte alles Weitere dafür besprochen werden und um sicher zu gehen, dass Nathalie auch bei Andreas erscheint, brachte ihre Familie sie dorthin. Mit Ausnahme von ihrem Bruder, der sich zu Zeit in Amerika aufhielt, um sein Englisch zu festigen und Auslandserfahrungen zu sammeln, wofür er von seinem Vater monatlich finanziell unterstützt wurde, aber nur wenn er auch arbeiten ging, was er selbstverständlich tat.

Nathalie dachte nicht oft an ihren Bruder, weil er in ihren Augen immer bevorzugt wurde und nie für etwas bestraft worden war. Im Gegensatz zu ihr, glänzte er in der Schule mit einem herausragendem Sozialverhalten und Spitzennoten. Darüber hinaus, beteiligte er sich ehrenamtlich in einem Obdachlosenheim und war der Liebling sämtlicher Lehrer. Demnach wurde Nathalie häufig mit ihm verglichen, aber sie war vom Wesen ganz anders als er. Sie konnte sich noch so sehr anstrengen, wie sie wollte, sie kam nicht mal annähernd an seine Leistungen heran. Das wurde ihr von Lehrern und ihrer Familie immer vor Augen geführt, weswegen sie sich im letzten Jahr immer mehr geweigert hatte, die brave Tochter zu spielen und nach ihren eigenen Regeln leben wollte. Mit ihren 16 Jahren sehnte sich Nathalie nach Spaß und Zuwendung von Gleichaltrigen, was sie besonders bei den männlichen suchte, und das mit Erfolg.
 

Jedoch, musste das pinkhaarige Mädchen erkennen, dass ihr Plan nach hinten losgegangen war. Sie hatte ihre Freundinnen und mochte ganz besonders Chelsea gut leiden, trotzdem war sie gerade weit davon entfernt, sich über ihre bevorstehenden Wochen zu freuen. Nathalie verabscheute Landarbeit und konnte nicht verstehen, was ein Leben in dieser Einöde reizvolles zu bieten hatte.
 

Ihr Großvater fuhr in diesem Moment um die letzte Kurve, als auch schon der Betrieb von Andreas in Sicht kam. Je näher sie an das Anwesen heranfuhren, desto elender fühlte sich Nathalie. Am liebsten wäre sie aus dem fahrenden Auto gesprungen, wenn sie den Mut dazu gehabt hätte.

Am Tor erwartete sie bereits Chelsea, die freudig dem heranfahrenden Auto entgegen winkte.

Kaum waren alle drei aus dem Wagen gestiegen, stürmte Chelsea auf ihre Freundin zu und fiel ihr um den Hals.

„Ich freue mich, dass du die nächsten Wochen bei uns wohnen wirst, Nathalie. Dann bin ich nicht mehr das einzige weibliche Wesen.“

„Wie? Ich soll hier wohnen?“

Perplex sah Nathalie Chelsea an. Diese war ebenso überrascht, dass ihre Freundin anscheinend nichts davon wusste.

„Äh, weißt du das denn nicht? Du meine Güte, Nathalie! Wie siehst du denn aus? Du hast ganz rote Augen. Hast du etwa geweint?“

Beschämt drehte sich die Angesprochene zur Seite. Eigentlich hatte sie sich geschworen, dass ihre Freundinnen sie niemals weinen sehen sollten.

„Es ist nichts. Ich hatte bloß was im Auge, das ist alles.“, log sie und hoffte das Chelsea nicht weiter nachhacken würde.

Selbstverständlich, spürte Chelsea, dass etwas nicht in Ordnung war und ließ ihre Freundin mit weiteren Fragen vorerst in Ruhe, doch ihre Sorgen konnte sie nicht so leicht unterdrücken.

Sie begrüßte herzlich Nathalies Mutter und Großvater, nahm ihre Freundin an die Hand und führte alle ins Haus.

Ohne es zu merken, drückte Nathalie Chelseas Hand ganz fest, als befürchte sie jeden Moment den Boden unter ihren Füßen zu verlieren.
 

Chelsea begleitete ihre Gäste ins Wohnzimmer und erschien kurze Zeit mit einem Tablett voller Tassen, Teller und Besteck und verschwand noch einmal in der Küche, um Kaffee und Kuchen zu holen. Nachdem sie jeden versorgt hatte, setzte sie sich neben ihre Freundin und versuchte sie mit einem Lächeln aufzumuntern, als dann auch schon Chelseas Vater und Bruder auftauchten und Platz nahmen.
 

Zu Beginn, wurden Höflichkeiten ausgetauscht und sich über Nebensächlichkeiten unterhalten, wie es auf dem Betrieb allgemein läuft, was die Schule der Mädchen und Marks Uni betrifft. Nachdem sämtliche Neugierde gestillt wurde, wandte sich das Gespräch nun dem eigentlichen Zweck dieses Besuchs zu.

„So, “, fing Andreas das Gespräch an und setzte seine leere Tasse ab, „Nathalie soll also auf unserem Betrieb mit anpacken. Natürlich muss ich dazu sagen, dass ich über jede Hilfe dankbar bin, gerade weil mein Sohn, aufgrund seines Studiums zu Zeit sehr eingenommen ist. Aber keine Sorge, Nathalie, du wirst keine Zäune bauen müssen.“

Chelseas Vater musste über seinen eigenen Witz lachen, allerdings merkte er schnell, dass dieser bei dem Mädchen nicht so gut ankam und stellte es schnell wieder ein. Die Angesprochene sah die ganze Zeit stumm auf ihren Teller und weigerte sich am Gespräch teilzunehmen. Das braunhaarige Mädchen schaute sie hin und wieder von der Seite mitfühlend an und versuchte sich einen Reim aus Nathalies seltsamen Verhalten zu machen. So traurig und betrübt, hatte sie sie bisher noch nie erlebt und war einfach ratlos, weil sie nicht wusste, was sie tun sollte.

Sogar Mark, musterte das stille Mädchen verstohlen. Er erlebte eine Nathalie, die sich momentan ganz anders verhielt, als seine Schwester ihm erzählt hatte. Sie hatte gar nichts mit dem aufgeweckten, frechen und lachendem Mädchen gemeinsam. Ihm fielen Chelseas besorgte Blicke auf und nahm sich vor, sie nachher, alleine, darauf anzusprechen.
 

„Nathalie! Jetzt reiß dich zusammen und schau deinem Gegenüber wenigstens in die Augen, wenn man mit dir redet.“, befahl ihr Großvater streng. Nathalie gehorchte, wenn auch nur widerwillig.

„Also, Nathalie, deine Aufgabe wird es sein, meine Tochter in all ihren Arbeiten zu unterstützen. Ich denke, so wird es für dich leichter sein. Außerdem, kann dir Chelsea so auch alles Wichtige erklären, was du wissen musst.“, erklärte Andreas weiter und beschloss das eigenartige Verhalten von Nathalie erstmal zu ignorieren.

„Am Besten machen wir noch eine kurze Führung, um dir alles zu zeigen. Wenn Felicia und Taro wollen, könnt ihr uns gerne begleiten.“

„Aber gerne.“

Eifrig erhob sich Taro von seinem Stuhl. „Ich war ewig nicht mehr hier gewesen und würde nur zu gerne mit eigenen Augen sehen, wie sich dein Betrieb entwickelt hat.“
 

Die Führung war, einzig für Taro, sehr interessant. Zwar schaute sich Nathalie alles brav an, um nicht noch mehr von ihrem Großvater getadelt zu werden, dennoch hatte sie bereits im Stillen beschlossen, nicht all zu lange auf diesem Hof als Gast zu bleiben, geschweigen denn auf diesem zu arbeiten. Sie hatte, weiß Gott, besseres zu tun, als sich dieser Erniedrigung auszusetzten. Das Fass war bei ihr bereits übergelaufen, als sie während der Besichtigung von Chelsea erfuhr, dass sie sogar hier wohnen sollte. Zur Schule würde sie, jeden Morgen mit Chelsea und dem Bus fahren und danach wieder hierher zurück, um ihrer aufgezwungenen Arbeit nachzugehen.

Doch freiwillig, wollte sich Nathalie nicht geschlagen geben. Bei der erstbesten Gelegenheit, würde sie ihre Chance nutzen und von hier verschwinden, egal was ihre Mutter oder ihr Großvater dazu sagen würden. Es war immer noch ihr Leben, und sie entschied, was sie damit anfangen würde.
 

Nathalie war so in ihren eigenen Überlegungen versunken, dass Chelseas Bemühungen, etwas aus ihr herauszukriegen, was genau bei Nathalie zu Hause vorgefallen war, gänzlich fehlschlugen. Am Ende musste sie es aufgeben. Einerseits wusste sie, wie stur und bockig Nathalie sein konnte und zum anderen, war es für sie und ihre Mutter und ihren Großvater an der Zeit wieder zurück zu fahren, um für Nathalies morgige richtige Ankunft alles vorzubereiten. Nach Schulschluss, sollte Nathalie Chelsea mit ihren Sachen begleiten.
 

So, verabschiedeten sie sich. Chelsea drückte noch einmal ihre Freundin und flüsterte ihr dabei ins Ohr, dass alles gut werden würde. Für einen kurzen Moment war Nathalie ihrer Freundin dankbar, doch sie wollte jetzt unter keinen Umständen weich werden und sich ihr anvertrauen. Sie hatte beschlossen ihr Päckchen alleine zu tragen und dabei sollte es auch bleiben.

Vaughn

Kapitel 4
 

Vaughn
 

„Wirklich???Du veräppelst mich doch gerade!“

Fassungslos sprach Julia in den Telefonhörer. Sie konnte nicht glauben, was Chelsea ihr gerade erzählte.

„Doch Julia.“

Für einen kurzen Moment lachte das braunhaarige Mädchen, weil sie die Reaktion ihrer Freundin recht gut nachvollziehen konnte. Es war gerade mal eine Stunde her, dass Nathalie, ihre Mutter und ihr Großvater den Hof verlassen hatten. In dieser Stunde hatte sich Chelsea viele Gedanken um Nathalie gemacht. Sogar ihrem Bruder, Mark, war aufgefallen, das etwas mit ihr nicht in Ordnung war, und das, obwohl er sie gar nicht wirklich kannte. Doch, auch ihm konnte sie nicht erklären, was mit ihrer Freundin los war.

Allerdings war die Spannung, die innerhalb dieser Familie herrschte, deutlich zu spüren gewesen.

„Ab morgen, fängt Nathalie bei uns an, uns auszuhelfen. Ich bin auch schon ganz gespannt, wie sie sich machen wird.“

„Du meinst wohl eher, wie sie sich anstellen wird.“, korrigierte Julia sie.

„Ach, Julia. Wir wissen doch alle, das Nathalie eben, nun ja, speziell ist.“, versuchte sich Chelsea vorsichtig auszudrücken, obwohl sie insgeheim dasselbe dachte.

„Du bist einfach zu gut für diese Welt, Chelsea. Aber irgendetwas muss dann, demnach mit uns auch nicht stimmen. Immerhin sind wir mit ihr befreundet. Und ich mag sie.“, erklärte Julia sachlich. Jedoch, war es ernst gemeint und Chelsea wusste es.

„Ich schätze, so geht es uns allen.“, stimmte Chelsea ihr zu. „Doch, ich mache mir ernsthaft Sorgen, Julia. Du hättest sie heute sehen müssen. Sie hatte sogar geweint und so sieht man sie normalerweise nie.“

„Da gebe ich dir Recht. Tränen passen nicht zu ihr. Das bestätigt, dass sie auch nicht so hart ist, wie sie uns immer weiß machen will. Im Grunde, ist sie doch sehr sensibel. Seit, na ja, du weißt schon. Die Sache mit ihrem Vater.“

„Ich weiß, ich weiß.“
 

Das stimmte schon. Seitdem, Nathalies Vater, sie und ihre Familie vor zwei Jahren einfach verlassen hatte, hatte sich Nathalie sehr verändert. Sie gab sich in der Schule, keinerlei große Mühe mehr und bändelte mit den eigenartigsten Typen an. Von Tattoos bis hinüber zu Motorrad, war fast alles vertreten. Außerdem, waren sich Chelsea und ihre Freundinnen sicher, dass manches Mal Drogen mit im Spiel waren, wobei sie nach wie vor insgeheim hofften, dass Nathalie nichts davon anrührte, aber so ganz sicher waren sie sich nicht.
 

„Chelsea?“

„Ja?“

Die besorgte Freundin war ganz in Gedanken versunken, dass sie durch Julias Stimme am Ohr ein wenig zusammenzuckte.

„Magst du morgen nach der Schule zu mir kommen? Nicht für lange, ich möchte dir nur gerne etwas zeigen. Nathalie kann natürlich mitkommen.“

„Oh, klar, das geht. Was ist es denn?“, hackte Chelsea neugierig nach.

„Das ist eine Überraschung. Aber, ich denke, du wirst begeistert sein.“

„Na dann, wenn du das sagst, wird es wohl stimmen. Nur, sag, wie soll ich mit Nathalie umgehen? Sie direkt darauf anzusprechen, hat wohl keinen Sinn. Sie würde sofort dicht machen.“

„Das sehe ich genauso. Wir wissen ja, wie stur sie sein kann. Sei einfach normal freundlich zu ihr. Wenn sich eine passende Gelegenheit ergibt, kann man sie fragen. Ansonsten, zeigen wir ihr einfach, dass sie nicht alleine ist. Das sie, auf jeden Fall, uns hat und sie sich darauf verlassen kann.“

„Das hört sich gut an. Danke, Julia. Es hat echt gut getan, mit dir darüber zu reden.“

„Kein Problem. Dafür sind Freundinnen doch da. Wir sehen uns dann morgen, in der Schule. Schlaf gut!“

„Ja, du auch Julia. Bis morgen.“
 

+++++
 

Nachdem sich Chelsea soviele Sorgen, um eine ihrer Freundinnen gemacht hatte, war sie überrascht und ziemlich irritiert, dass Nathalie am nächsten Tag, wieder ganz sie selbst war. Zumindest, hatte es den Anschein danach.

Das pinkhaarige Mädchen war aufgebrezelt, wie immer, lachte wie immer und flirtete ohne Unterlass. Von ihrer Hilflosigkeit, am gestrigen Tag, war keine Spur mehr zu sehen.

Natürlich wurden Lana und Sabrina, ebenfalls von Chelsea und Julia aufgeklärt, aber auch sie konnten sich keinen Reim auf Nathalies Verhalten machen. Sie wirkte, wie vorab erwähnt, normal.

„Vielleicht hatte sich alles gelegt, nachdem sie wieder zu Hause war. Möglich wäre es.“, sprach Lana als erste ihre Gedanken aus. Es war die letzte große Pause für die Mädchen in der Schule, weswegen sie Zeit und Ruhe hatten, kurz darüber zu reden. Nathalie befand sich, während des Gespräches, bei attraktiven Jungen aus der höheren Klasse auf dem Schulhof. Die vier Freundinnen konnten sie vom Fenster ihres Klassenzimmers aus beobachten.

„Möglich wäre alles. Doch, es passt nicht zu unserer Nathalie.“, äußerte Julia ihre Bedenken.
 

„Glaubst du denn, dass irgendetwas Schlimmes auf der Party vorgefallen war und sie Ärger mit ihrer Mutter deswegen bekam?“, fragte Sabrina.

„Ich denke nicht, dass es etwas mit der Party zu tun hat. Heute Morgen hat sie uns doch alles bis ins kleinste Detail erzählt.“, antwortete Julia. „Aber nicht von ihrer Familie. Mit keinem Wort hat sie sie erwähnt.“

„Was auch nicht wieder so ungewöhnlich ist.“, warf Lana ein. „Sie spielt immer die Coole und hält sich bereits für sehr erwachsen. Wisst ihr noch, wie sie einige Tage nicht mehr mit uns gesprochen hatte, nachdem wir versucht hatten, sie zu animieren, ihren Vater anzurufen?“

„Ich erinnere mich gut. Das war kurz nachdem gewesen, als Nathalie per Telefon von ihm erfahren hatte, dass ihre Eltern sich scheiden lassen werden. Bis dahin, hatte sie ja noch Hoffnung gehabt, dass sie wieder zusammen kommen werden.“, erzählte Julia. „Die Trennung oder der Betrug ihres Vaters macht ihr wohl sehr zu schaffen.“

In diesem Moment ertönte die Pausenglocke, die signalisierte, dass es nur noch fünf Minuten bis zur nächsten Stunde waren. Zeit für die Schüler, sich wieder in ihre Klassenräume zu begeben.
 

„Lasst uns erstmal das Thema beiseite schieben.“, meldete sich Chelsea zu Wort, die bis dahin keine einzige Silbe gesprochen hatte. „Nathalie fängt heute bei uns auf dem Hof an, dadurch habe ich ein Auge auf sie und kann ihr beistehen, sollte sie, vielleicht doch mal, reden wollen. Außerdem, haben wir jetzt noch zwei Stunden Englisch, die werden noch anstrengend genug.“

Mit einem gequälten Gesichtsausdruck setzte sich Chelsea zurück an ihren Tisch, der unmittelbar neben dem Fenster stand.

„Du hast Recht.“, pflichtete ihr Lana bei. „Wahrscheinlich wird es das Beste sein, wenn wir erstmal abwarten, was passiert. Wilde Spekulationen bringen uns auch nicht weiter.“

Julia und Sabrina nickten zustimmend. Nachdem sie alle auf ihren Plätzen saßen, kam eine fröhliche Nathalie ins Klassenzimmer gestürmt und erweckte nicht den Anschein, dass sie irgendwelche Probleme hätte.
 

+++++
 

Die letzten zwei Schulstunden zogen nur sehr langsam vorbei. Es war eine der wenigen Fächer, für die Chelsea nur wenig Begeisterung aufbringen konnte. Daher, war sie froh, als nach 90 Minuten endlich die erlöste Schulglocke läutete. Ihren Freundinnen ging es so ähnlich. Einzig Sabrina und Lana hatten keinerlei Schwierigkeiten mit der britischen Sprache, weswegen ganz besonders Lana, die anderen mir ihrer mangelnden Kenntnis aufzog.

Jedoch, ließ sie es heute ausnahmsweise bleiben. Zwar wirkte Lana nicht so, als ob sie übermäßig viel nachdachte, meist redete sie einfach drauflos, ohne sich wirklich Gedanken gemacht zu haben und war meistens heiter und gelassen, doch auch an ihr, ging das vorangegangene Gespräch nicht spurlos vorbei. Sie machte sich genauso viele Sorgen, wie die anderen und hielt es des wegen nicht für angebracht, ihre Freundinnen, wie gewohnt aufzuziehen.
 

Am Schultor verabschiedeten sich die fünf Freundinnen voneinander. Lana und Sabrina konnten zu Fuß zu sich nach Hause gehen, während Julia, Chelsea und Nathalie mit den Bus fahren mussten. Sie wohnten weiter von der Schule entfernt, als die anderen zwei. Normalerweise, Nathalie ebenfalls nicht. Doch, an diesem Tag zog sie bei Chelsea ein. Ihren Koffer konnte sie alleine kaum halten, so voll war er gepackt, dass Chelsea und Julia mit anfassen mussten, um das schwere Gewicht in den Bus zu kriegen.

Die Fahrt dauerte knapp zwanzig Minuten, dann erreichten sie das Haus von Julias Mutter.
 

„Was wolltest du uns denn nun Spannendes zeigen, Julia?“, nervte Nathalie zum x-ten Mal. „Du weißt genau, dass ich Überraschungen nicht wirklich leiden kann.“

„Jetzt hör doch auf zu meckern. Ich bin mir sicher, selbst dir wird es gefallen.“, konterte Julia und achtete nicht weiter auf ihre nörgelnde Freundin und führte sie weiter in den hinteren Bereich der Tierpension, wo sich viele ausgesetzte Tiere befanden.

„Hat es etwa mit Tieren zu tun? Ich kann sie nicht ausstehen.“

„Auch das ist mir bekannt, aber keine Sorge, du musst nichts anfassen. Es sei denn, du möchtest es.“, zwinkerte Julia Nathalie zu.

„Bestimmt nicht.“
 

Chelsea beobachtete die Auseinandersetzung der beiden mit Genuss und kicherte leise dabei. Solche Momente bereiteten ihr immer wahnsinnig viel Freude, in denen man erkennen konnte, dass sie sich so gut verstehen und gegenseitig aufziehen konnten ohne das es verletzend gemeint war.

Inzwischen, wurde auch sie extrem neugierig, was Julia ihnen zeigen wollte. Es musste etwas Außergewöhnliches sein. Eine andere Erklärung konnte sie nicht finden. Bloß, würde sie selber bald vor Neugierde platzen, wenn sie es nicht endlich zu sehen bekommen würde.

Julia war gerade dabei die letzte Tür zu öffnen, wie sie ihren Freundinnen verkündete, als diese bereits selbst, von innen aufgestoßen wurde und ein junger weißhaariger Mann unmittelbar vor ihnen stand.
 

Der junge Mann war genauso überrascht, wie die Mädchen, als sie plötzlich vor ihm standen. Er trug verdreckte blaue Gummistiefel und eine genauso schlimme Jeans, die am linken Hosenbein in Höhe des Knies ein Loch vorzuweisen hatte. Sein braunes Shirt war in einem besseren Zustand, aber man sah dem jungen Mann an, dass er geschwitzt hatte. Einzelne Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
 

„Hoppla! Hallo, Vaughn. Du warst wohl hier hinten am Saubermachen.“, begrüßte Julia ihn und schenkte ihm ein offenes Lächeln.

„Darf ich dir meine Freundinnen vorstellen? Das sind Nathalie, unser absolutes Sonnenscheinchen und die braunhaarige hinter uns, das ist Chelsea. Ihren Vater, Andreas, hattest du bereits kennengelernt, dem der große Betrieb außerhalb der Stadt gehört.“

„Hallo.“

Vaughn sah die beiden Mädchen nur kurz an, ehe er sich wieder an Julia wandte. Zumindest wollte er es. Denn Nathalie funkte mal eben dazwischen.

„Hey! Du bist also dieser, ominöse Neue. Nett dich endlich mal kennen zu lernen. Wir haben ja schon viel von dir gehört.“, flirtete sie zugleich mit ihm los.

Chelsea und Julia verdrehten bloß ihre Augen. Typisch Nathalie. War klar, dass sie sich diese Chance nicht entgehen ließ.

„Ach ja.“, sagte Vaughn. Wirkte aber nicht sonderlich interessiert, mehr von Nathalie zu erfahren.

„Ja, selbstverständlich.“, tönte Nathalie in einem sehr hohen Ton. „Sag, hast du Freitagabend schon was vor? Ich könnte dir ein wenig die Gegend zeigen.“

Verdutzt, hob Vaughn seine Augenbrauen. Mittlerweile hatte sich Nathalie so gut in Pose gestellt, dass ihre Oberweite mittels, ihrem sehr engen Top, hervorgehoben wurden, dass man sie kaum übersehen konnte. Das junge Mädchen wusste, dass diese Haltung bei vielen Männern dieselbe Wirkung erzielte. Allerdings, nicht bei Vaughn.

„Nein, lass mal. Ich bleibe lieber für mich.“

Somit wand sich der junge Mann erneut an Julia und berichtete ihr, dass die Laufwiese vom Kot der Tiere komplett gesäubert wurde.

Nathalie, die es nicht gewohnt war, von einem jungen Mann nicht beachtet zu werden, lief erzürnt rot an im Gesicht und zeigte Vaughn demonstrativ die kalte Schulter. Für sie stand somit fest, dass er für sie erledigt war.
 

Als das Gespräch zwischen Julia und Vaughn beendet war, machte er den Mädchen den Weg frei und ging links herum an ihnen vorbei. Julia und Nathalie gingen bereits weiter, doch Chelsea wandte sich noch kurz an Vaughn, um sich bei ihm für Nathalies aufdringliche Art zu entschuldigen.

„Entschuldige, dass Nathalie mit der Tür sofort ins Haus fiel. So ist sie nun mal, aber trotzdem sehr nett und hilfsbereit.“

Vaughn blieb kurz stehen, sah Chelsea aber nicht an, als er ihr antwortete.

„Kein Problem. Solche Mädchen kenne ich.“

Irritiert schaute das braunhaarige Mädchen, dem jungen Mann hinterher. Was sollte das denn gerade? , fragte sie sich. Jedoch, kam sie nicht weiter, sich über diese seltsame Aussage Gedanken zu machen, denn ihre Freundinnen riefen inzwischen nach ihr.
 

+++++
 

„Du meine Güte! Sind die aber süß!“, quiekte Nathalie, ohne aus ihrer Entzückung wieder herauszukommen. Vaughns Abfuhr war natürlich vergessen.

„Haha.“, lachte Julia. „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass es dir gefallen wird.“

„Sie sind wirklich süß.“, bestätigte Chelsea. „Wo habt ihr die Kätzchen her?“

„Ein Nachbar hatte sie am Wochenende vorbeigebracht. Er habe die drei kleinen, ausgesetzt am Straßenrand gefunden. Sie waren in einer Kiste eingesperrt. Als sie am Samstag hierher kamen, waren sie schon halbverhungert.“

„So etwas Grausames!“, rief Nathalie aufgebracht aus, wodurch eines der Kätzchen, die gerade dabei war an ihrer rechten Hand zu schnuppern, erschrocken zurücksprang. „Wie kann man solch niedlichen Wesen nur so was Böses antun?“

„Da bin ich überfragt.“, antwortete Chelsea und hob das einzige der drei Kätzchen hoch, was mit Ausnahme einer weißen Pfote und einem weißen linken Ohr komplett schwarz war. Zufrieden schnurrte das Kätzchen an ihrer Brust.

„Dieses hier finde ich ganz besonders niedlich.“

„Es scheint dich auch sehr zu mögen.“, entgegnete Julia und setzte sich zu ihrer Freundin auf dem Boden.

„Chelsea, meine Mutter hatte mich gebeten, dich zu fragen, ob es nicht möglich wäre die Kätzchen auf eurem Hof unterzubringen. Des Wegen, hatte ich dich hierher eingeladen.“

„Ach so. Ich weiß nicht, von mir aus gerne. Allerdings, sind sie noch zu klein. Wie alt sind sie denn? Älter als acht Wochen bestimmt nicht.“

„Damit liegst du richtig. Ein Tierarzt hat sie untersucht. Sie sind soweit gesund. Wenn sie ungefähr 16 Wochen alt sind, dachten wir, wäre es doch möglich, oder? Immerhin, können sie dann schon selber ein wenig jagen.“

„Schon, aber…Mein Vater muss das entscheiden. Ich werde ihn, auf jeden Fall fragen, wenn Nathalie und ich nach Hause fahren. Okay?“

„Ja. Danke, Chelsea. Damit hilfst du uns schon ein Stückchen weiter.“
 

Noch eine gute Viertelstunde, spielten und schmusten die drei Freundinnen mit den kleinen Kätzchen. Dann, war es für Chelsea und Nathalie an der Zeit, nach Hause zu fahren.

Zu Chelseas Leidwesen, musste sie nun die gesamte Heimfahrt über die Nörgeleien ihrer Freundin alleine über sich ergehen lassen. Denn sie beschwerte sich nach wie vor über das unmenschliche Gewicht des Koffers, obwohl sie ihn an einem Griff nur hinter sich herzuziehen brauchte und von ihr alleine so vollgestopft wurde und natürlich über Vaughns arrogante Art, Nathalie einfach zu ignorieren.

In diesem Moment wurde dem braunhaarigen Mädchen klar, dass eine anstrengende Zeit sie erwartete.

Die Last meiner besten Freundin

Kapitel 5
 

Die Last meiner besten Freundin
 

Die ganze Sache hätte Spaß machen können, wenn eine bestimmte Person bereit gewesen wäre, mal über ihren eigenen Schatten zu springen. Demnach, war aber nicht so.
 

Schon vom ersten Tag an, spürte man, dass Nathalie gegen ihren Willen auf Andreas Betrieb war, um einige Zeit dort auszuhelfen. Selbst die Anwesenheit ihrer Freundin, Chelsea, konnte sie nicht umstimmen, geschweige denn aufheitern.

Ständig fand sie Gründe, um sich zu beschweren oder warum sie eine Tätigkeit nicht bis zum Ende erledigen konnte. Wenn sie denn, eine angefangen hatte.
 

Zunächst, hatte Chelsea viel Mitleid mit ihrer Freundin gehabt. Immerhin, war es für sie eine ungewohnte Umgebung, selten war Nathalie zu Besuch gekommen, und dazu kam teilweise schwere körperliche Arbeit, die ein verwöhntes Mädchen wie sie nicht gewohnt war. Allerdings, schwanden auch Chelseas Mitleid und Sorge um sie nach kurzer Zeit wieder, da es nun mal offensichtlich war, dass sich Nathalie nicht die geringste Mühe geben wollte. Das sie für die Arbeit sogar bezahlt werden würde, stimmte sie ebenfalls nicht um, obwohl sie im ersten Moment ihre Chance darin sah, im nächsten Monat nicht ganz ohne Geld dazustehen. Schließlich hatte ihr Großvater, ihr Taschengeld für den kommenden Oktober gestrichen. Trotzdem, blieb Nathalie eine ewige Zicke, die schnell ihrem Ruf alle Ehre machte.
 

Am Ende des zweiten Tages, nahm Andreas seine Tochter zu Seite, um unter vier Augen mit ihr über Nathalie zu reden.
 

„Chelsea, dir ist doch bestimmt klar, warum deine Freundin hier ist, oder?“, fing Andreas ohne Umschweife das Gespräch an

.

Chelsea nickte. „Ja, Vater. Du schuldest Taro, Nathalies Großvater, noch einen Gefallen und hast des wegen zugestimmt, dass sie hier arbeiten darf.“
 

„Genau, obwohl wir genug Arbeitskräfte vor Ort haben.“

Bedrückt schaute Andreas kurz aus dem Fenster in seinem Büro. Seine Tochter ahnte, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte, dafür kannte sie ihren Vater zu gut.
 

„Weißt du, Chelsea, unter anderen Umständen, also, wenn dies eine Probezeit wäre, ist dir vermutlich selber schon aufgefallen, hätte ich Nathalie, spätestens heute wieder nach Hause geschickt.“
 

Wieder nickte Chelsea. Doch sie entgegnete noch nichts. Sie wollte erstmal abwarten, was ihr Vater noch dazu sagen würde.
 

„Ehrlich gesagt, bin ich etwas ratlos. Ludwig kam vorhin zu mir und hat mit einem flammendroten Kopf mitgeteilt, dass, in seinen Worten ausgedrückt: „dieses unverschämte Weib schnellstmöglich von ihr verschwinden sollte“. Du kennst Ludwig, normalerweise ist er die Güte in Person.“

„Wenn selbst er das sagt, muss es verdammt ernst sein.“, antwortete Chelsea darauf. „Aber weißt du, Vater, ich kenne Nathalie. Natürlich ist sie zickig und sehr egoistisch, aber trotz allem eine sehr gute Freundin, die immer für uns da war, wenn wir sie brauchten.“
 

„Das reicht hier leider nicht.“, wandte Andreas ein. „Chelsea, ich…“
 

„Bitte, Vater!“, unterbrach seine Tochter ihn und sah ihn mit flehenden Augen an.

„Gib Nathalie nicht so schnell auf. Ich rede mit ihr. Mit Nachdruck werde ich ihr versichern, dass sie so nicht weitermachen kann. Das es Nachteile für sie und uns hat. Sie hat es momentan verdammt schwer und…ach, ich weiß auch nicht.“
 

Selbstverständlich, war Chelsea klar, dass es damit nicht erledigt wäre. Nathalie hatte nun mal einen gewaltigen Dickschädel. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es sehr schwer, fast unmöglich, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Dennoch, wollte und konnte Chelsea ihr diese Demütigung nicht antun. Im Moment, schien es für ihre Freundin nicht so wichtig zu sein, aber sie hatte das unangenehme Gefühl, dass ihre Familie alles andere als begeistert davon wäre. Zu erfahren, dass ihre Tochter versagt hätte.
 

„Chelsea.“, holte Andreas seine Tochter wieder aus ihren Gedanken. „Ich kann verstehen, was in dir vorgeht. Sie ist deine Freundin, auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich darüber wundere. Doch, sei´s drum. Nathalie wird uns nicht sofort verlassen. Taro hatte mich gewarnt, dass es höchstwahrscheinlich nicht einfach werden würde, und es wurde bestätigt. Ich gebe ihr maximal zwei Wochen. Zwei Wochen in denen ich mir das Ansehen werde. Sollte sie allerdings, in den nächsten Tagen, es noch mehr übertreiben, wird sie uns bereits diese Woche verlassen müssen. So leid es mir, besonders für Taro und Felicia tut. Sie scheinen es mit Nathalie nicht einfach zu haben.“
 

Vor Freude fiel Chelsea ihrem Vater um den Hals.

„Danke! Ich denke, dass dies ausreicht, um Nathalie etwas Vernunft einzubläuen. Zumindest, werde ich es versuchen. Es wird nur schwierig werden. Auf mich gehört, hat sie eigentlich noch nie, so weit ich mich erinnere.“
 

„Versuche es trotzdem. Das ist auch meine Bitte an dich. Ich werde auch noch mal mit ihr reden müssen. Schließlich ist das mein Job und sie momentan meine Angestellte.“
 

Vater und Tochter mussten darüber lachten. Beide hatten in diesem Moment denselben Gedanken, dass sie insgeheim froh darüber waren, dass Nathalie, wenn man es arbeitstechnisch betrachtete, garantiert nicht auf Dauer bleiben würde.
 

+++++
 

Wie Chelsea es bereits vorausgesehen hatte, war es kein leichtes Unterfangen, auf vernünftiger Basis mit ihrer Freundin über ihre Arbeitsmoral zu sprechen.
 

„Ich verstehe gar nicht, “, setzte Nathalie von neuem an, „warum wir darüber diskutieren müssen. Du weißt genau, dass mein Großvater diese ganze Sache arrangiert hat. Nicht ich!“

Aufgebracht, erhob sich Nathalie von ihrem Bett (für die Dauer ihres Aufenthaltes hatte sie ein eigens Zimmer mit kleinem Bad) und setzte sich auf die Fensterbank. Demonstrativ starrte sie nach draußen und weigerte sich, auch noch ein weiteres Wort über die ganze Sache zu verlieren.

Inzwischen, war Chelsea mit ihrem Latein am Ende. Jedoch, weigerte sie sich, so schnell das Handtuch zu werfen. Selbst so eine harte Nuss, wie Nathalie, musste doch zu knacken sein. Und wenn es nur ein wenig ist. Immerhin besser als gar nichts.
 

„Nathie,“, startete sie einen neuen Versuch. Für einen kurzen Augenblick war die Angesprochene geneigt, sich zu ihrer Freundin umzudrehen. Es war schon lange her, dass jemand ihren Spitznamen benutzt hatte. Ihr wurde bewusst, dass es zuletzt ihr Vater getan hatte und diese Tatsache schmerzte sie.

Dadurch hatte Chelsea ihre komplette Aufmerksamkeit wieder erlangt und das war ihr Ziel gwesen.
 

„Du wirst keineswegs gezwungen, diese Arbeit ein Leben lang zu verrichten, es sind doch nur ein paar Wochen. Ich bin mir sicher, dass sie schnell vergehen werden. Außerdem, hatte ich mich wahnsinnig darauf gefreut, dich hier zu haben. So bin ich nicht die einzige weibliche Person hier. Es hätte also, für uns beide Vorteile.“
 

„Ach, und welche für mich?“, fragte die pinkhaarige patzig und verdeckte ihr Gesicht mit ihren langen Haaren, weil sie kurz davor war, innerhalb weniger Tage, erneut in Tränen auszubrechen. „Man wird schmutzig und riecht nach Kuhmist. Das ist doch erniedrigend.“
 

„Das siehst du falsch. Sicher, es ist viel schmutzige Arbeit, aber wir haben auch noch unsere Felder und wir bewirten unsere Angestellten, wofür wir beide sowieso hauptsächlich zugeteilt sind. Glaube mir, das eigene Gemüse zu verarbeiten, hat etwas überaus Befriedigendes. Schließlich, mache ich das schon von klein auf.“
 

Nach diesen Worten drehte sich Nathalie wieder zu ihrer Freundin um und sah ihr in die Augen.

„Das glaube ich dir nicht.“
 

„Was? Was meinst du?“, fragte die braunhaarige überrascht.
 

„Das dich die Arbeit oder das Leben hier befriedigt.“, antwortete Nathalie direkt. „Ich kenne dich, Chelsea. Ich bin weiß Gott nicht so eingebildet, wie viele von mir denken und nicht so oberflächlich. Natürlich, sehe ich für mein Leben gerne hübsch aus, kleide mich modebewusst und flirte gerne mit Jungs, aber das heißt noch lange nicht, dass ich blind bin oder übersehe, dass eine meiner Freundinnen nicht immer so glücklich und zufrieden ist, wie sie tut.“
 

Für wenige Sekunden war Chelsea sprachlos. So ehrlich, offen und ernsthaft hatte Nathalie noch nie mir ihr gesprochen. Eher im Gegenteil. Häufig lästerte sie über ihr primitives Leben, wie sie es in ihren Augen sah, und zog sie damit auf, dass sie nicht die angesagtesten und teuren Modemarken kannte, bzw. trug, aber auf eine Art, die deutlich zeigte, dass sie Chelsea des wegen nicht abwertete.
 

„So schlimm ist es nicht…“

„Ich bitte dich, Chelsea.“, fuhr Nathalie ihr brüsk über den Mund. „Mich würde es stark wundern, wenn du dich nicht mal nach etwas anderem, aufregenderem sehnst, als ständig dieselbe Routine und das Tag für Tag für Tag. Wenn es nicht so ist, entschuldige, was ich gesagt habe. Doch, ich habe einen anderen Eindruck.“
 

„Vielleicht hast du Recht.“, entgegnete Chelsea. „Doch was würde es ändern? Ich liebe meine Familie und solange ich noch nicht fort kann, werde ich mich nicht dagegen stellen und mich aus allem entziehen. Es würde nichts bringen, bloß ein Haufen Probleme.“
 

„Nein. Du könntest deine eigene Persönlichkeit entwickeln. Doch, aus irgendeinem Grund, fürchtest du dich davor.“
 

„Hör zu, Nathalie!“, erhob Chelsea mit einem Mal ihre Stimme. Selten, verlor sie ihre Beherrschung, weswegen Nathalie überrascht ihre Augen weitete und verstummte.

„Die ganze Welt kann sich nicht die ganze Zeit, nur um einen alleine drehen. So, wie du es gerne hättest. Manchmal, muss man auch zurückstecken, zum Wohl der anderen, wenn, wie hier, ein Betrieb am Laufen gehalten werden soll oder muss. Dann ist jeder gefragt. Von jedem wird dann etwas gefordert. Ich bin keine Sklavin, Nathalie. Dir scheint sowas gänzlich weltfremd zu sein.“
 

Eine angespannte Stille herrschte im Raum. Minutenlang schwiegen die Freundinnen sich an. Beide mussten erstmal, dass jeweils gesagte und gehörte verarbeiten.

Chelsea war außer Atem und zu recht überrascht von sich selber. Hatte sie eben, ihrer sturen Freundin einen Vortrag gehalten? Noch dazu mit resoluter Stimme? Und hatte Nathalie Chelsea überhaupt verstanden?

Am Ende, war es Chelsea die die Stille durchbrach.
 

„Nathie, vielleicht solltest du es hier als eine Chance sehen, in der du dich selber etwas beweisen kannst oder noch besser: in dem du es deiner Familie beweist, wie ausdauernd du bist und keineswegs dieses verzogene Püppchen, für die du dich gerne ausgibst.“

Noch einmal nahm Chelsea einen tiefen Atemzug: „Ich weiß nicht, was genau in dir vorgeht. Ich kann es nur erahnen. Doch, wir sind bei dir, Nathalie. Julia, Lana, Sabrina und ich. Wir sind deine besten Freundinnen und mit uns kannst du über alles reden. Wenn du willst und du soweit bist.“
 

Für eine Weile, dachte Nathalie über diese letzten Worte nach. Sie war nicht dumm und wusste, erkannte es auch, das ihre Freundin Recht hatte mit dem, was sie gesagt und angedeutet hat. Allerdings, war es immer noch schwierig für sie über ihren eigenen Schatten zu springen. Dem Ganzen wollte sie sich nicht so leicht fügen, gerade weil es ihr, in ihren Augen, aufgezwungen worden war.

In einem Punkt aber, stimmte sie Chelsea voll und ganz zu. Dies war eine Gelegenheit, ihrer Familie etwas zu beweisen und dies würde sie auch tun. Zusätzlich, hätte sie die Möglichkeit, Chelsea zu zeigen, dass sie ebenfalls ein Recht auf mehr Privatvergnügen und persönliche Entfaltung hatte. Das es ein Leben, außerhalb von ihrem zu Hause gibt.
 

„Dasselbe gilt auch für dich, Chelsea.“, sagte Nathalie in die anhaltende Stille. „Ich verspreche dir, dass ich mir Mühe geben werde.“
 

Erleichtert umarmten sich die Mädchen. Besonders, Chelsea fiel ein massiver Stein vom Herzen, dass sie zu Nathalie durchgedrungen ist und war nach diesem langem Gespräch bester Zuversicht, dass von nun an alles besser werden würde.

Mirabelles Sorge

Kapitel 6
 

Mirabelles Sorge
 

In Mirabelles Tierpension, was tatsächlich auch diesen Namen trug, ging ein anstrengender Arbeitstag zu Ende.
 

Anfangs, war die Tierpension dazu gedacht, Tiere nur für eine festgelegte Dauer zu betreuen und unterzubringen, wenn zum Beispiel, eine Familie in den Urlaub fahren wollte und ihren Hund nicht mitnehmen konnte, war die Tierpension die Möglichkeit, das Haustier hier in Pflege zu geben. In all den Jahren, ist dies nach wie vor möglich, allerdings blieben die betreuten Tiere nicht ausschließlich für die vereinbarte Zeit dort, sondern, teilweise ein Leben lang. Hin und wieder, kommt es vor, dass Familien ihre Tiere hier abgeben und sie einfach nicht mehr abholen. Zwar wird eine Kundenkarteikarte geführt, doch, entweder sind die angegebenen Adressen falsch oder die Personen sind umgezogen und keiner weiß wohin.

Zusätzlich, werden auch ausgesetzte Tiere bei Mirabelle abgegeben, darunter auch kranke oder verletzte. Das ist der Grund, weswegen die Tierpension, richtigerweise als Tierheim bezeichnet werden müsste.
 

Von Zeit zu Zeit, zweifelt die Besitzerin an das Gute in den Menschen und tobt des wegen manche Abende. Sie beruhigt sich dann wieder, doch ihre Einstellung hatte sich auch verändert. Nach wie vor, besitzt sie ein Herz für Tiere und könnte es niemals über sich bringen, einem Tier die Aufnahme und Unterbringung zu verweigern. Jedoch, werden dadurch ihre laufenden Kosten nicht wirklich weniger.

Manche Monate sahen richtig übel aus, dass Mirabelle ernsthaft überlegen musste, die Pension zu schließen. Trotz Einsparungen hatte sie viele Male nicht gewusst, wie sie sich und die Pension weiter finanzieren sollte.
 

Doch dann, hatte sie Andreas getroffen, der ihr vorgeschlagen hatte, ob sie nebenbei die wenigen landwirtschaftlichen Betriebe, die es im Umkreis der Stadt noch gibt, mit Futterware beliefern könnte. Mirabelle musste zugeben, dass sie an diese Möglichkeit überhaupt noch nicht gedacht hatte und es zugleich in Angriff nahm. Andreas hatte ihr dabei geholfen alles Nötige in die Wege zu leiten. Aus diesem Grund, waren Mirabelle und er gute Freunde geworden und die glückliche Tierliebhaberin lernte gleichzeitig seine gesamte Familie kennen. In Andreas´ schlimmsten Lebensphase stand sie ihm zu Seite und sorgte mit dafür, dass seine geschrumpfte Familie durch diese harte Zeit kam.
 

Inzwischen war dies viele Jahre her, genau genommen, 16 Jahre und Mirabelle plagten heute andere Sorgen.

Diese waren erst vor kurzem hinzugekommen. Obwohl sie durch ihre Pension schon viel Arbeit hatte, ist Mirabelle auch der Typ Mensch, der sich um andere grundsätzlich sorgte, wenn sie spürte oder das Gefühl bekam, dass etwas nicht in Ordnung war. Ihre momentane Sorge galt ihrem neuesten Mitarbeiter, Vaughn.

Er erledigte seine Arbeit sehr gut und gewissenhaft. Jeden Morgen erschien er pünktlich und war abends fast immer der letzte, bevor er nach Hause ging. Mirabelle erkannte, dass er ein gutes und einfühlsames Händchen für die Tiere besitzt. Schnell hatten die Tiere Vertrauen zu ihm aufgebaut. Wenn die Eingewöhnungszeit vorüber war, dachte Mirabelle, dass sich auch Vaughns reservierte Art legen würde. Doch, sie musste zugeben, dass sie damit danebengelegen hatte. Der junge Mann blieb, wie es schien, in seiner eigenen Welt und hatte wohl nicht vor, jemanden näher an sich heran kommen zu lassen, geschweige denn Freundschaften zu schließen. Er blieb höflich, zeigte respektvolles Benehmen ihr und den Kunden gegenüber und war keineswegs unhöflich zu ihrer Tochter, von der er sich auch fernhielt. Privates gab er nie von sich preis, selbst wenn man ihn direkt darauf ansprach. Eltern hätte er keine mehr und sein Tonfall machte zudem deutlich, dass er nicht darüber reden wollte. Mirabelle und Julia ließen ihn diesbezüglich auch in Ruhe. Schließlich, war es nicht ganz so, dass er kein einziges Wort sprechen würde, über die Arbeit konnte man sich bestens mit ihm unterhalten, mehr jedoch nicht.
 

Also, saß Mirabelle in ihrer Küche, trank eine Tasse grünen Tee und dachte mal wieder über Vaughn nach. Vielleicht sollte sie etwas tun, aber was? , fragte sich Mirabelle zum tausendsten Mal. Immerhin, war Vaughn 19 Jahre alt, fast 20, wenn sie es noch richtig aus seinen Personalunterlagen in Erinnerung hatte. Demnach, war er kein kleines Kind mehr, das man erziehen musste. Er war alt genug, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und sie hatte keinerlei Recht, ihm Vorschreibungen zu machen.

Trotzdem, hatte Mirabelle das Gefühl, das sie etwas unternehmen sollte. Zumindest, ihn unter Leute zu bringen, konnte nicht so verkehrt sein. Jetzt musste sie nur noch überlegen, wie sie es anstellen sollte, dass Vaughn sein gewohntes Umfeld freiwillig verließ.
 

+++++
 

Fast zwei Wochen waren nun vergangen, dass Nathalie vorübergehend bei Chelsea eingezogen war. Nach ihrem intensiven Gespräch hatte sie tatsächlich ihr Wort gehalten und versucht, sich seitdem richtig Mühe zu geben und nicht gleich zu Beginn, die Arbeit stehen und liegen zu lassen. Dies hatte zu Folge, dass Nathalie ruhiger war als sonst. Die ungewohnte körperliche Arbeit überforderte sie anfangs, doch sie nahm sich zusammen und übte sich fleißig in Geduld. Tagsüber, konzentrierte sie sich sehr darauf, dass ihre Freundinnen nicht mitbekamen, dass sie

am liebsten auf der Stelle das Weite gesucht hätte. Es wurde für sie nicht besser. Einzig Chelsea zuliebe, beherrschte sie sich, doch nachts heulte sie sich in den Schlaf. Das konsequente Verhalten ihrer Mutter und ihrem Großvater nahm sie ihnen nach wie vor übel und sie hatte sich, bisher noch nicht ein einziges Mal bei ihnen gemeldet. In den letzten 14 Tagen war es nur ihre Mutter gewesen, die einmal bei ihr auf dem Handy angerufen hatte, um zu erfahren wie es ihr geht. Jedoch, weigerte sich Nathalie mit irgendeinem aus ihrer Familie zu sprechen. Das war ihre Strafe an sie. Zudem, fand sie, dass sie es auch verdient hätten.
 

Gelegentlich, wenn Nathalie nicht so sehr auf ihren Zorn fixiert war, merkte sie, dass ihr das Zusammensein mit Chelsea gefiel. Sie lachten viel und das pinkhaarige Mädchen hatte dadurch die Möglichkeit mehr von ihrer Freundin zu erfahren. In solchen Momenten, ging ihr die Arbeit viel schneller von der Hand und sie war irgendwo doch stolz darauf zu sehen, was sie geschafft hatte.
 

Nathalie war gerade dabei das Gemüse zu waschen, welches sie für das Mittagessen verwenden wollten, als das Telefon plötzlich neben ihr klingelte. Sie wartete bis Chelsea oder ihr Bruder rangehen würden, doch nach dem fünften oder sechsten Klingeln trocknete sie ihre Hände und nahm den Hörer selbst ab.
 

„Hallo! Hier spricht Andreas persönliche Assistentin.“, meldete sie sich heiter zu Wort.
 

Am anderen Ende der Leitung herrschte erstmal Stille. Ungeduldig, versuchte es Nathalie erneut.

„Hallo? Wer ist denn dran? Der Chef ist gerade außer Haus. Kann ich Ihnen dennoch behilflich sein?“
 

„Ja, hallo. Hier spricht Vaughn, aus Mirabelles Tierpension.“
 

Damit hätte Nathalie im Leben nicht gerechnet. Seit ihrem ersten und letzten Zusammentreffen hatte sie sich geschworen, niemals wieder ein Wort mit diesem arroganten Typen zu wechseln. Leider, hatte sie ihn jetzt am Telefon und sie verfluchte sich im Stillen, dass sie überhaupt an den Hörer gegangen war.
 

„Tag, Vaughn. Wir kennen uns. Julia hatte uns vor zwei Wochen vorgestellt. Ich bin es, Nathalie.“, fand sie ihre Stimme wieder, wobei es nicht zu überhören war, dass sie sich keineswegs freute.
 

„Die Stimme kam mir doch gleich so bekannt vor. Wenn ich mich richtig erinnere, war auch ein braunhaariges Mädchen dabei, oder?“
 

„Exakt.“, bestätigte Nathalie es ihm und kümmerte sich nebenbei wieder um die Karotten. „Du redest von Chelsea.“
 

„Genau, Chelsea. Mirabelle hatte mir ihren Namen noch gesagt.“
 

„Und was willst du?“, fragte das Mädchen genervt.
 

„Kein guter Tag, heute, was?“
 

„Jetzt, hör aber mal zu! Ich…“
 

Doch weiter kam das aufgebrachte Mädchen nicht. Denn, in diesem Moment kam Chelsea zurück in die Küche und fragte sie, mit wem sie telefonierte.
 

„Stell dir vor, unser Miesepeter ist dran. Keine Ahnung, was er will. Finde es selbst heraus.“
 

Mit diesen Worten nahm Nathalie den Hörer vom Ohr, Vaughn hatte ihre Worte zuvor deutlich gehört, und warf ihrer Freundin das Telefon zu. Pfeifend drehte sie sich wieder zur Spüle und begann die Möhren zu schälen.

Das braunhaarige Mädchen schüttelte kurz ihren Kopf über Nathalies Verhalten, bevor sie das Gespräch entgegen nahm.
 

„Ja, hallo? Vaughn, richtig? Hier ist Chelsea.“
 

„Hi! Deine Freundin ist wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden.“

„Kann schon sein.“ Chelsea kicherte. „Passiert ihr öfter.“
 

„Was macht sie bei euch auf dem Hof? Ist sie dort nicht fehl am Platz?“
 

„Ist eine lange Geschichte. Für einige Wochen hilft sie uns aus.“
 

„Hey! Lästert ihr etwa über mich?“, ertönte Nathalies Stimme aus dem Hintergrund.

„Ich wusste gar nicht, dass ihr so gut befreundet seid.“
 

„Mensch, Nathalie! Reg dich nicht auf. Wenn es dir lieber ist, gehe ich nach neben an.“
 

„Tu das. Dann seid ihr zwei Turteltäubchen ungestört.“
 

Hastig, verließ Chelsea die Küche und flüchtete ins Wohnzimmer. Hoffentlich, hatte Vaughn das eben nicht mitbekommen.
 

„Tut mir Leid, dass du das eben mit anhören musstest. Nathalie übertreibt ganz gerne mal.“
 

„Das hast du schon mal gesagt.“, erwiderte Vaughn. „Doch, lassen wir das. Die Bestellung deines Vaters kam früher an als erwartet. Ich kann sie gegen Abend noch vorbeibringen und wollte wissen, ob jemand sie in Empfang nehmen wird.“
 

„Ja, das ist kein Problem. Es ist immer jemand da. Das wäre super, wenn du das noch machen würdest.“
 

„Gut. Dann werde ich gegen 17.30 Uhr da sein, okay?“
 

„Das ist gut. Ich gebe meinem Vater bescheid. Dann bis nachher!“
 

„Bis dann.“

Sofort legte Vaughn auf und Chelsea ging zurück in die Küche.
 

„Na? Habt ihr ein Date?“, neckte Nathalie ihre Freundin, kaum dass sie neben ihr stand, um ihr mit dem Gemüse behilflich zu sein. Unwillkürlich errötete sie.
 

„Sei still und kümmer dich um das Gemüse.“, fuhr Chelsea ihre Freundin an. „Ich kenne ihn doch kaum, also lass deine blöden Scherze.“
 

„Mein Gott, sei doch nicht so empfindlich.“

Kopfschüttelnd, machte Nathalie unbeirrt mit dem Schälen weiter und beide verloren erstmal kein Wort mehr darüber.
 

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Zum ersten Mal, fuhr Vaughn zum Abend hin, mit dem Transporter, den sich Mirabelle im vergangenen Jahr zugelegt hatte, um Bestellungen auch nach Hause liefern zu können. Allerdings, konnte sie mit dem nicht fahren, das mussten Angestellte für sie erledigen. Glücklicherweise, besaß Vaughn den passenden Führerschein dafür. An diesem Tag, hatte Mirabelle kurzerhand beschlossen, dass Vaughn, abwechselnd mit Erwin, der bereits seit vielen Jahren für Mirabelle tätig war, diesen Part übernehmen sollte. Auf diese Weise, kam Vaughn auch mal woandershin, als nur zur Arbeitsstelle und, was noch viel wichtiger war, er kam unter Leute.

Natürlich, hatte sich Vaughn gewundert, dass er nun auch Lieferungen erledigen sollte, doch er hackte nicht weiter nach und hatte schließlich zugestimmt.
 

Mit dem kleinen Lkw war Vaughn knapp eine halbe Stunde unterwegs. In diesem Monat, den er mittlerweile hier wohnte, hatte er noch nicht viel gesehen. Außer den Bahnhof, den Weg zu seiner Wohnung und zum nahegelegenen Supermarkt und seinen Weg zur Arbeit, die bloß eine Viertelstunde entfernt war. Bisher, hatte Vaughn auch nicht das geringste Bedürfnis dazu verspürt, seinen Wohnort genauer zu erkunden. Er war schon immer ein Einsiedler gewesen und dieser Umstand störte ihn auch nicht. Seiner Meinung nach, brauchte man nicht viele Menschen um sich herum, wobei die meistens sowieso unehrlich waren und häufig nur an sich dachten. Vaughn kannte solche Leute zu genüge und blieb des wegen lieber für sich. Selbst Frauen ging er aus dem Weg. Seine Erfahrungen waren in dieser Hinsicht nicht die Besten und er fühlte sich nun mal wohler, wenn er sich gar nicht erst mit einer einließ.
 

Pünktlich erschien Vaughn auf Andreas Hof. Er hatte kaum den Motor ausgeschaltet, als zu seinem Leidwesen, Nathalie aus eine der Türen kam und ihn fixierte.
 

„Na, sowas! Sehen wir uns doch wieder.“, rief sie ihm vom Weiten entgegen, wobei sie sich keinen Schritt weiter von der Tür entfernte, sich zugleich gegen sie lehnte und die Arme vor ihrer Brust verschränkte.
 

Seufzend, sprang der junge Mann aus dem Transporter und knallte die Tür zu. Was hat dieses Mädchen überhaupt auf einem Hof verloren? , fragte er sich. Sie war definitiv nicht der Typ Mädchen, die sich hier freiwillig aufhalten würde.
 

„Wo finde ich, Andreas?“, fragte er ohne Umschweife und hoffte, dass er sie schnellstmöglich wieder los war. Im Grunde, ging es ihn auch nichts an, was Nathalies Anwesenheit hier zu bedeuten hatte.
 

„Manieren kennen wir also auch nicht. Wundert mich gar nicht.“, schaute Nathalie auf ihre Fingernägel, die dringend wieder manikürt werden müssten und ignorierte somit Vaughns Frage.
 

„Hör zu, “, startete Vaughn einen neuen Versuch, „ich habe noch andere Dinge zu erledigen. Würdest du mir einfach sagen, wo ich ihn oder jemand anderen finden kann?“
 

„Kommt drauf an. Was hast du mit meiner Freundin vor?“
 

„Wie?“
 

Ab jetzt verstand Vaughn gar nichts mehr. Was war das nur für ein ungezogenes Mädchen und warum ließ sie ihn nicht einfach in Ruhe? Sie ist wohl komplett übergeschnappt.

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

„Ach! Tu doch nicht so. Heute Mittag habt ihr miteinander telefoniert und Chelsea hat gekichert. Also, was willst du von ihr?“
 

„Ich meine es ernst, kannst du endlich jemanden holen, der die Lieferung in Empfang nimmt?“
 

„Erst wenn du freundlicher wirst. Vorher nicht.“
 

Fast hätte Vaughn Nathalie angeschrien, doch zu seinem Glück erschien Chelsea hinter dem frechen Mädchen und er atmete erleichtert auf. Noch nie war er so froh gewesen jemanden zu sehen, der ihm von seinem Leid erlösen konnte.
 

„Nathalie, was machst du hier? Wir müssen noch den Tisch decken, wenn die anderen mit ihrer Arbeit fertig sind, wollen sie auch gleich zu Abend essen können ohne lange zu warten.“
 

Dann entdeckte sie Vaughn und sie erinnerte sich in diesem Moment, dass er sich mit einer Lieferung angekündigt hatte.

„Oh, Vaughn! Das hätte ich fast vergessen.“

Eilig rannte sie auf ihn zu und reichte ihm ihre Hand, die er jedoch nicht ergriff.
 

„Hi! Wo kann ich die Ware abstellen?“
 

Sofort merkte Chelsea, das er nicht gut gelaunt war und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass eine gewisse pinkhaarige Person dafür verantwortlich war.
 

„Natürlich. Ich führe dich hin. Und du, Nathalie.“, drehte sie sich zu ihrer Freundin um, die belustigt an Ort und Stelle stand. „Gehst wieder rein und fängst an den Tisch zu decken. Ich komme dann so bald wie möglich nach.“
 

„Wie du es wünscht, eure Hoheit.“ Um ihren Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen, vollführte Nathalie einen kleinen Knicks und wandte sich dann von den zweien ab.

„Aber geknutscht wird nicht.“, rief sie ihnen noch zu und verschwand lachend wieder im Haus.
 

Entsetzt schlug sich Chelsea mit der flachen Hand gegen die Stirn. Die ganze Situation war ihr so oberpeinlich.
 

Sie wollte sich gerade bei Vaughn für das unmögliche Benehmen ihrer Freundin entschuldigen, als er das Wort an sie richtete.

„Wie hältst du es nur mit ihr aus?“
 

„Hä? Oh, das…nun ja,“ , stammelte sie unbeholfen vor sich hin, „so schlimm ist sie nicht. Sie übertreibt vieles und weiß oft nicht, wann es angebracht wäre den Mund zu halten, aber trotz allem ist sie kein schlechter Mensch. Wir kennen uns schon länger und bisher…“
 

Chelsea verstummte. Wie hätte sie Vaughn in wenigen Sätzen Nathalie richtig beschreiben sollen? Das sie kein verkehrter Mensch war und durchaus auf sie Verlass ist. Außerdem, wozu sollte es nötig sein? Sie hatte Vaughn bisher zweimal gesehen. Demnach, bestand kein Grund, es ihm zu erzählen.
 

„Du bist eigenartig.“, wandte sich Vaughn wieder an das braunhaarige Mädchen vor ihm.
 

„Was?“, fragte sie irritiert.
 

„Deine Freundin ist schon merkwürdig, aber irgendwie, wie die meisten Mädchen es sind. Aber du, du bist sonderbar. Dich kann ich nicht einordnen.“, äußerte der junge Mann ehrlich seine Gedanken. Was für ihn mehr als ungewöhnlich war. Normalerweise, behielt er in jeder Situation seine Überlegungen für sich. Wie er dazu kam, Chelsea so eine Frage zu stellen, konnte er nicht nachvollziehen, obwohl er sich schon in Gedanken fragte, wie zwei so offensichtlich unterschiedliche Charaktere befreundet sein konnten. Nathalie war für ihn ein ungezogenes, arrogantes Gör, was keine gute Kinderstube genossen zu haben scheint, aber das Mädchen vor ihm war anders. Auf jeden Fall, anders als ihre Freundin. Soviel stand für ihn fest.

Damit entschied er sich, seine spontanen Überlegungen erstmal ruhen zu lassen und lenkte das Thema wieder zu dem eigentlichen Grund seines Besuches.
 

Chelsea atmete erleichtert aus und zeigte ihm schnurstracks die Lagerhalle, in der sie ihren Vater vorfanden und sie sich von Vaughn verabschieden konnte. Diesmal, erwiderte er ihren Händedruck und das Mädchen hastete eilig davon. Dieser junge Mann hatte sie ein wenig aus dem Konzept gebracht, mit seinen seltsamen Fragen.

Der Neue

Kapitel 7
 

Der Neue
 

Aufgeregt stürmte Nathalie in den Klassenraum, in dem sich ihre Freundinnen aufhielten und begrüßte sie lauthals.

„Juhuh! Mädels, wisst ihr schon das Neueste?“
 

„Du hast Taylor Lautner getroffen und ihn sofort um ein Date gebeten.“, antwortete Lana ohne von ihrer Englischlektüre aufzusehen. Julia und Sabrina lachten.
 

„Haha, sehr witzig.“, kommentierte Nathalie. „Wenn, dann würde ich Robert Pattinson um ein Date bitten und niemals einen tollwütigen Köter.“
 

„Also doch, die Blutsauger. Warum überrascht uns das nicht?“, warf Julia ein und zwinkerte Lana zu.
 

„Mensch, Mädels, jetzt hört auf mit diesen albernen Witzen und hört gut zu. Wir bekommen einen neuen Schüler an unsere Schule. Ist das nicht wunderbar? Ich habe es von Lukas erfahren, ihr wisst doch noch, der der mich letztens zu seiner Party eingeladen hatte.“
 

„Es war nicht nötig uns daran zu erinnern. Das wissen wir noch ganz genau. Erstaunlich, dass du dich noch mit ihm triffst. Langweilig, scheint er dir nicht zu werden.“
 

„Ja, er sieht aber auch zu gut aus, Julia. Und aufregend ist er, das sage ich euch.“
 

„Was ist nun an diesem neuen Schüler so besonders? Kennst du ihn? Ist er ein Sänger oder Filmstar? Oder warum ist es für dich so wichtig, wo du dich mit Lukas so gut verstehst?“, fragte Lana desinteressiert nach. Sie wollte nur so schnell wie möglich das Thema abgehackt haben, denn eher würde Nathalie keine Ruhe geben, so viel war ihnen klar.
 

„Leider nichts dergleichen.“, antwortete die pinkhaarige wahrheitsgemäß. „Aber, wenn schon jemand Neues an unsere Schule kommt, muss man sich ihn doch mal ansehen. Vielleicht sieht er ja ganz gut aus.“
 

„Dasselbe hast du auch über Vaughn gesagt und was ist daraus geworden?“, neckte Julia ihre Freundin, obwohl sie genau wusste, dass sie nicht gut auf ihn zu sprechen war. Zur Bestätigung warf Nathalie ihr auch einen bösen Blick zu.
 

„Vaughn? Der kann mich mal. Dieser eingebildete Kerl soll bleiben, wo der Pfeffer wächst.“
 

„Aber Nathalie, so oft bist du ihm doch noch gar nicht über den Weg gelaufen.“, wandte sich Sabrina direkt an sie.
 

„Na und? Chelsea kann bestätigen, dass er ein ungehobelter Typ ist, nicht wahr, Chelsea? Chelsea?“
 

In diesem Moment, fiel den Freundinnen auf, dass Chelsea die ganze Zeit über aus dem Fenster gestarrt hatte und anscheinend gar nichts von ihrem Gespräch mitbekommen hat.
 

„Hallo! Erde an Chelsea.“

Nathalie war ganz nah an Chelsea rangegangen und wedelte mit einer Hand direkt vor ihrer Nase herum.

„Kuckuck. Hey, Chelsea!“
 

Endlich, löste sich das braunhaarige Mädchen aus ihrem Tagtraum und blickte ihre Freundinnen verwundert an.

„Was? Was ist denn los?“
 

„Was los ist?“, echauffierte sich Nathalie.

„Ich komme mit brandheißen News und du hast nichts Besseres zu tun, als vor dich her zu träumen. Also wirklich, Chelsea. Manchmal, habe ich das Gefühl, dass dir nicht mehr zu helfen ist.“
 

„Sei nicht so gemein, Nathalie.“, mischte sich Julia ein. „Nicht jeder springt eben sofort auf und fällt vor dir auf Knie, wenn du den Raum betrittst.“
 

„Ach, nein! Vielleicht wäre es aber an der Zeit, genau das zu tun, verehrte Julia.“
 

Aggressiv standen sich nun die beiden Freundinnen gegenüber und funkelten sich gegenseitig an. Julia war schon immer sehr direkt, Nathalie gegenüber gewesen, weswegen sie sich häufig in den Haaren lagen, selten sogar mehrere Tage.
 

„Jetzt hört auf! Es ist doch alles gut.“, sprang Chelsea zwischen die zwei Streithähne. Inzwischen hatten die Freundinnen reichlich Zuschauer gewonnen, denn auch ihre anderen Klassenkameraden wollten erfahren, was nun genau vorgefallen war.

Allerdings, blieben sie in ihrer Unwissenheit, denn ihr Klassenlehrer betrat in diesem Augenblick den Klassenraum und bat alle um Ruhe und das sich jeder auf seinen Platz zu begeben hatte.

Nathalie war das nur Recht. Hochnäsig stolzierte sie zu ihrem Platz, in der Mitte des Raumes und würdigte ihre Freundinnen keines Blickes mehr.
 

+++++
 

„Du tust mir Leid, Chelsea.“, sprach Julia zu ihrer Freundin als die Schulglocke, das Ende des Unterrichts einläutete.
 

„Hä? Was meinst du?“
 

„Nun ja, wir können alle vergnügt nach Hause fahren ohne das eine Diva mit uns gehen muss, aber du, du hast Nathalie weiterhin am Hals und musst auch noch mit ihr zusammen arbeiten.“, erklärte Julia, schwang sich ihre Schultasche über und verließ zusammen mit ihren Freundinnen den Klassenraum. Nathalie war bereits verschwunden. Beim Sportunterricht würden sie sie jedoch wiedersehen.

„Das ist nicht so wild.“, setzte Chelsea an. „Mittlerweile, hat sie sich eingelebt. Nun ja, immerhin ein bisschen.“
 

„Hast du denn herausbekommen, was zwischen ihr und ihrer Familie vorgefallen war?“, fragte Lana.
 

Chelsea schüttelte ihren Kopf.

„Ich kann euch nur sagen, dass sie bisher nicht mit ihren Eltern gesprochen hat, seitdem sie bei uns wohnt. Felicia hatte schon ein paar Mal angerufen, doch Nathalie weigerte sich das Gespräch entgegen zu nehmen.“
 

„Sie tut mir Leid.“, erwähnte Sabrina. „Ihre Mutter macht sich bestimmt Sorgen. Ich meine, sie wird wissen, dass ihre Tochter bei euch gut aufgehoben ist, aber trotzdem möchte man schon gerne hören, wie es einem geht. Immerhin, wohnt Nathalie für mehrere Wochen bei euch.“
 

„Ihr wisst doch, wie sie ist. Ein sturer Dickkopf, der unbedingt mit dem Kopf durch die Wand will.“, ärgerte sich Julia immer noch über ihre Freundin.

„Alles Reden hilft bei ihr nicht. Lasst uns lieber abklären, was wir am Wochenende machen wollen. Ein gemeinsames Treffen wäre wieder mal fällig.“
 

Damit war das Thema Nathalie erstmal beiseite gelegt und mit Begeisterung überlegten sie sich, was sie am Wochenende zusammen machen wollten.
 

+++++
 

Im Stadtzentrum herrschte reges Treiben. Es war später Nachmittag und sämtliche Arbeitnehmer hatten endlich ihren ersehnten Feierabend. Dadurch, war auf den Straßen viel Verkehr. Noch dazu kamen Schulkinder, die von der Schule nach Hause wollten, weswegen besondere Achtsamkeit geboten war.
 

Für Vaughn bedeutete es viel Geduld. In den letzten drei Tagen ist er mit dem Lkw häufig unterwegs gewesen, um Bestellungen auszuliefern oder Ware vom Händler abzuholen. Normalerweise, würde es ihm auch nicht so viel ausmachen. Leider, war Vaughn noch ziemlich neu in der Stadt und er musste öfter auf seinen Straßenplan gucken, um den richtigen Weg zu finden. Der große Trubel im Straßenverkehr erleichterte ihm seine Aufgabe nicht gerade. In der letzten Stunde verfluchte er mehrere Male den Stadtplan und nahm sich felsenfest vor ein Navigationsgerät zuzulegen oder es Mirabelle nahe zu legen. Der eigentliche Fahrer, Erwin, brauchte eine solch technische Ausstattung nicht. Er war in dieser Stadt geboren und groß geworden. Demnach, kannte er sie in und auswendig, doch für einen neuen Bewohner, wie Vaughn war es die totale Katastrophe. Zumal, er sich nie freiwillig die Mühe machen würde, seinen Wohnort näher zu erkunden. Ihm reichten seine vier Wände und sein Arbeitsplatz. Alles andere war nebensächlich.
 

Vielleicht sollte er mit Mirabelle reden, dass er für solche Aufträge nicht gewachsen war. Doch, es war keineswegs Vaughns Art, eine Arbeit anzutreten und nur die Hälfte davon zu erledigen. In der Stellenanzeige, wurde nun mal extra angegeben, dass man einen Führerschein besitzen sollte. Also, konnte man davon ausgehen, dass man für solche Touren eingesetzt werden würde.

Es half alles nichts. Jammern kannte er zudem ebenfalls nicht, er würde schon noch einen Weg finden, sich damit zu arrangieren. So oder so, würde ihm nichts anderes übrig bleiben.
 

Am Ende, fand Vaughn noch sein Ziel, doch seine Gemütsstimmung war nicht mehr die beste. Zum Glück machte ihm der Kunde keine große Szene. Er war zwar etwas mürrisch, aber er nahm Vaughns Entschuldigung an und er versprach, dass es nie wieder vorkommen würde.
 

Damit war für den jungen Mann der Tag erledigt und viel wichtiger, seine Arbeit getan. Einigermaßen erleichtert atmete er aus. Jedoch, musste er noch den Weg zurück zur Tierpension finden. Für ihn war klar, dass es nicht einfach werden würde. Er hatte zum letzten Kunden, recht weit aus der Stadt rausfahren müssen. Hoffentlich, fand er den Rückweg schneller als den Hinweg.
 

Eine Weile fuhr er an vielen Feldern vorbei. Ruhig und friedlich lag die Landschaft vor seinen Augen.

Nach mehreren Metern erkannte er zu seiner Rechten, dass Andreas Hof in Sichtweite kam. Dieser rückte immer näher und er dachte an seinen kurzen Besuch zurück, den er letztes Wochenende dort gemacht hatte. Ein richtiger Besuch war es nicht, sondern sein erster Auftrag eine Bestellung abzuliefern. Ganz schön perplex war er, als er Nathalie vor Ort gegenüber stand. Dieses Mädchen passte so gar nicht in dieses ländliche Bild. Was sie dort zu suchen hatte? Noch dazu, war sie mit Andreas Tochter befreundet, dieser Chelsea. So viele Gegensätze konnten gar nicht aufeinanderprallen, in diesem Fall aber schon. Vaughn musste zugeben, dass ihn dieser Umstand wunderte. Eine solche Begebenheit war ihm bisher noch nie untergekommen. Er hatte Mädchen kennengelernt, die sich im Großen und Ganzen immer alle ähnlich waren. Dieselben Interessen, Hobbies, Freizeitaktivitäten und so weiter. Jede von ihnen wirkte gleich und gab sich wie die andere, aber bei den zwei Freudinnen war es nicht so.
 

Nathalie war für ihn eine richtige Zicke, die ziemlich arrogant und eingebildet war. Sich zurecht machen und halbnackt rumlaufen, was anderes konnte sie nicht. Darüber musste Vaughn auch nicht länger nachdenken. Es war eine Tatsache.
 

Und Chelsea? Bei Chelsea war er noch nicht weiter gekommen. Sie war ruhig und freundlich. Kein Mädchen, was sonderlich auffiel. Das totale Gegenteil von Nathalie.

Wirklich seltsam, aber es sollte nicht sein Problem sein. Diese Mädchen gingen ihm nichts an.

Er war zum Arbeiten in diese Stadt gekommen und er wollte für sich allein sein. Abgegrenzt, von seinem vorigen Leben und das, wenn es für ihn möglich war, für immer.
 

+++++
 

Die vier Freundinnen wurden am nächsten Tag auf eine harte Probe gestellt. Nachdem, Nathalie bereits am frühen Morgen ausschließlich vom neuen Schüler sprach und den anderen damit tierisch auf die Nerven ging, war sie nicht mehr zu bremsen gewesen, als sie den Neuen in der zweiten Pause endlich zu Gesicht bekam.

Chelsea hatte sich von ihr überreden lassen, sie zu begleiten. Außerdem, fühlte sich Chelsea schuldig, dass sie ihrer Freundin am Vortag keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Den ganzen Heimweg hatte sie es sich von Nathalie anhören müssen, dass sie nicht mitten am Tag vor sich her träumen könne, sonst würde sie zu viel verpassen und das wäre doch nicht Sinn der Sache. Dem braunhaarigen Mädchen wurde es irgendwann zu bunt und sie gab schließlich nach, wenn sie ihr versprach, sie für den Rest des Tages damit in Ruhe zu lassen.

Bis gestern Abend hatte es funktioniert und heute strapazierte Nathalie wieder sämtliche Nerven. Irgendwann, dachte Chelsea, werde ich keine mehr besitzen. Mal sehen, wie lange sie noch ausreichen.
 

„Chelsea, sieh doch!“, zog Nathalie ihre Freundin am Arm hinter sich her. „Dort ist Lukas. Sie kommen gerade aus ihrem Klassenraum. Und gleich sehen wir bestimmt…“
 

„Wollen wir nicht lieber wieder gehen? Hier auf dem Gang ist es doch ziemlich eng.“, wagte Chelsea einen kleinen Versuch. Sie würde nur zu gerne das Weite suchen. Mit den älteren Jahrgängen hatte sie nicht viel tun, genau genommen gar keine und mit Jungs schon gar nicht. Nathalie war diejenige von ihnen, die sich regelmäßig auf der zweiten Etage der Schule aufhielt und mit den Jungs flirtete.
 

„Jetzt stell dich nicht so an. Bist du nicht wenigstens ein bisschen neugierig?“
 

„Wieso sollte ich das sein? Er ist bestimmt ein Junge wie jeder andere.“
 

„Nicht alle sind gleich, naive Chelsea.“, erklärte Nathalie ihrer Freundin besserwisserisch.

„Je besser sie aussehen, desto interessanter werden sie.“
 

„Aha. Wenn du das sagst.“

Chelsea bezweifelte es, sagte aber nichts dazu. Es war ihr sowieso egal und sollte Nathalie doch glauben, was sie wollte.
 

Das junge Mädchen war in Gedanken wieder ganz woanders, als plötzlich neben ihr ein helles Quieken ertönte. Nathalie war leicht hochgesprungen und hüpfte vergnügt auf eine Gruppe von Jungen zu, die zuletzt aus dem Klassenzimmer getreten waren.

Sofort wurde das pinkhaarige Mädchen von Lukas und den anderen Jungs begrüßt und danach auch gleich dem Neuen persönlich vorgestellt.
 

Denny, hieß er und er war, vom letzten Sommer anscheinend noch, gut gebräunt. Er hatte kurze wellige braune Haare und überragte Nathalie um eine Kopfgröße. Seine Arme wirkten aus Chelseas Entfernung muskulös und durchtrainiert. Wahrscheinlich, machte er Krafttraining, wundern würde es mich nicht, dachte Chelsea. Des Weiteren, trug er eine dunkelblaue Jeans, die etwas verwaschen aussah und ein weißes T-Shirt mit einer schwarzen Weste darüber.
 

Er lächelte Nathalie zu und beide schienen sich auf Anhieb zu verstehen. Nathalie geizte auch nicht mit ihren Reizen. Häufiger fuhr sie sich mit ihrer linken Hand durch ihr Haar, welches sie heute offen trug und verlagerte öfter ihr Gewicht von einem Bein auf das andere. Ihre helle Jeans saß einige Zentimeter unter ihrem Bauchnabel, wodurch ein gutes Stück Bauch von ihr sichtbar war. Passend dazu, trug sie einen trägerlosen BH, ein kurzes grünes Top und eine blaue Jeansjacke, die vorne nicht zugeknöpft war, wodurch ihre Brüste wunderbar betont wurden.

Dieser Neue schien für Nathalie definitiv zu den Interessanteren zu gehören.
 

Geduldig wartete Chelsea auf ihre Freundin und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und kreuzte ihre Beine übereinander. Um sich nicht all zu sehr zu langweilen, träumte sie wieder vor sich hin und überlegte zwischendurch, was sie heute Abend zu Essen machen könnte. Sie dachte an Nudeln mit Tomatensoße, aber sie war sich gerade nicht sicher, ob Nathalie sowas essen würde. Vielleicht etwas Vegetarisches mit viel Gemüse. Ein Gemüseauflauf vielleicht oder lieber doch mit ein wenig Fleisch. Ihr Vater, ihr Bruder und die anderen Arbeiter auf dem Hof würden sich garantiert freuen. Wohlmöglich Gyrosfleisch mit Fladenbrot und Zaziki, dann hätte Chelsea nicht soviel zuzubereiten.
 

„Das hört sich lecker an. Bin ich auch eingeladen?“
 

Chelsea schrie vor Schreck beinahe auf und hob dabei ihren Kopf, der bis eben auf ihre Füße gerichtet war.

Überrascht starrte sie ihren, Gegenüber an. Vor ihr stand der Neue, den Nathalie so dringend kennen lernen wollte. Der Junge überragte auch Chelsea und war einen guten Kopf größer, wenn nicht sogar mehr.
 

„Wie? Was hast du gesagt?“, fragte Chelsea irritiert. Sie warf kurz einen Blick nach rechts, wo Nathalie und die anderen Jungen nach wie vor standen. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sich ihr jemand genähert hatte. Zudem, sah Nathalie nicht gerade zufrieden aus.
 

„Das Gericht, was du kochen möchtest, das hört sich richtig lecker an.“, antwortete Denny und lächelte sie an. Seine braunen Augen waren ausschließlich auf Chelsea gerichtet.
 

„Woher weißt du, dass ich über das Essen nachgedacht habe?“
 

„Nachgedacht ist gut. Du hast laut vor dich her gesprochen.“
 

„Wirklich?“

Abrupt lief Chelseas Gesicht rot an. Warum passierten nur ihr immer solche Sachen? Noch dazu, wurde sie dabei erwischt und das von einem Jungen. Das ganze war ihr so peinlich, dass sie auf der Stelle das Weite suchte ohne sich noch einmal umzudrehen.
 

„So warte doch!“, rief Denny hinter ihr her.

Doch Chelsea lief weiter bis zur Treppe und in den unteren Stock. Im selben Moment, läutete die Pausenglocke, weswegen sich alle anderen wieder in ihre Klassenräume begeben mussten.
 

Nathalie war die einzige, die sich von den Schülern nicht beeilte. Ein zweites Mal wurde sie von einem Jungen, der durchaus attraktiv war, nicht beachtet. Hinzu kam, dass er sie wegen ihrer Freundin hatte stehen lassen. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Ein eigenartiges Gefühl überkam sie. Wie konnte jemand sie, Nathalie, die wahrlich hübscher, als die meisten Mädchen war, wegen einer anderen, noch dazu ein unscheinbares Mädchen wie Chelsea, völlig ignorieren?

Vielleicht bildete sich, dass Nathalie aber auch nur ein. Immerhin hatte Chelsea, nicht gerade leise Selbstgespräche geführt. Es könnte auch sein, dass er sie darauf aufmerksam machen wollte. Möglich wäre es.
 

Langsam setzte das nachdenkliche junge Mädchen einen Fuß vor den anderen und begab sich zurück in ihr Kassenzimmer.

Chelsea und Denny (1)

Kapitel 8
 

Chelsea und Denny (1)
 

Ein langer Arbeitstag neigte sich dem Ende entgegen und somit eine aufregende Woche. Chelsea konnte den Freitagabend gar nicht früh genug herbeisehnen. Denn dieser Tag hatte es wirklich in sich gehabt.
 

Es fing bereits morgens an, dass sie das unangenehme Gefühl beschlich, dass mit Nathalie etwas nicht stimmte. Doch beim Frühstück wusste sie noch nicht, was es war. Erst später, als sie beide im Bus saßen auf dem Weg zur Schule, wurde ihr bewusst, dass Nathalie noch kein Wort gesprochen hatte und das war äußerst ungewöhnlich. Dieser Zustand hielt solange an, bis sie in der Schule ankamen und dort begab sich Nathalie gleich auf den Weg zu Lukas und seinen Kameraden. Ihre Freundinnen begrüßte sie lediglich mit einem knappen „Hallo“ und das war´s.
 

„Sagt mal, sind wir jetzt nicht mehr eines vernünftigen „Guten Morgen“ wert?“, wütete prompt Julia los. „Dieses Mädchen treibt mich noch zur Weißglut!“
 

„Beruhige dich, Julia.“, redete Sabrina sanft auf sie ein. „Wenn sie einen neuen Schüler erblickt hat, wissen wir doch, dass sie dann nicht zuhalten ist.“
 

„Das stimmt schon. Doch normalerweise, geht sie uns damit immer solange auf die Nerven, bis wir sie genervt anfahren, sie uns auslacht und dann verschwindet. Nicht schon vorher!“, erklärte Julia in einem recht lauten Ton, dass sich sogar andere Schüler auf dem Hof nach ihnen umsahen.
 

„Jetzt, brüll doch nicht so. Wir werden schon beobachtet.“, startete Chelsea ebenfalls einen Versuch, um ihre Freundin zu bändigen.
 

„Apropos, beobachtet.“, wandte sich Lana dazwischen. „Ist dieser gutaussehende Junge, da am Tor, nicht unser neuer Schüler, auf den Nathalie so neugierig war?“
 

Ausnahmslos alle, schauten in die Richtung, die ihre Freundin genannt hatte.
 

Chelsea nickte zögerlich und vermied es all zu lange zu ihm zu sehen.

„Ja, das ist er.“
 

„Warum wirst du denn auf einmal so rot? Haben wir irgendwas verpasst?“, hackte Julia neugierig nach und beäugte ihre braunhaarige Freundin eingehender. Unter diesem taxierenden Blick wurde Chelsea nur noch unwohler.
 

„Nichts ist passiert.“, sprach sie kleinlaut und hoffte, dass ihre Freundinnen nicht weiter nachfragen würden.
 

„Das kann aber nicht sein.“, äußerte sich Lana erneut. „Denn, warum kommt er sonst zielstrebig auf uns zu?“
 

Das hatte Chelsea gerade noch gefehlt. Fluchtartig wollte sie in das Schulgebäude verschwinden, doch Denny war schneller. Mit einem Mal stand er direkt vor ihr und schnitt ihr somit den Weg ab.

„Hallo! Lange nicht gesehen.“, begrüßte er sie fröhlich und baute sich lässig vor dem schüchternen Mädchen auf.

„Ich konnte mich gestern gar nicht mehr vorstellen, ich heiße Denny. Meinem Vater wurde hier ein besserer Job angeboten, des wegen sind wir hierhergezogen.“
 

Da Chelsea immer noch nicht reagierte, außer stumm vor sich hin zu starren, wobei sie es vermied ihren gegenüber in die Augen zu sehen, redete Denny einfach weiter.

„Du bist eine Freundin von Nathalie, stimmt´s? Wie heißt du?“
 

Soviel Aufmerksamkeit von einem Jungen war Chelsea nicht gewohnt, daher dauerte es ehe sie darauf antwortete.

„Chelsea.“
 

„Wie bitte?“, fragte Denny nach. „Ich habe es akustisch nicht verstanden.“
 

Noch einmal holte Chelsea tief Luft.

„Mein Name ist Chelsea.“, brachte sie schließlich so laut hervor, dass man sie verstehen konnte.

„Und das, “, drehte das überforderte Mädchen sich ruckartig um, „sind meine Freundinnen Julia, Sabrina und Lana.“
 

Höflich nickte Denny ihnen zu. Dann wandte er sich erneut an Chelsea.

„Das ist ein schöner Name. Er gefällt mir.“
 

Wenn man überhaupt noch röter im Gesicht werden konnte, Chelsea wurde es. Es kam ihr so vor, als würde sich sämtliches Blut in ihrem Gesicht ansiedeln. Ihr Blutdruck schoss gerade bestimmt, in gewaltige Höhen.
 

„Sehen wir uns in der Pause? Hinter der Schule auf dem Schulhof? Deine Freundinnen dürfen gerne mitkommen.“
 

„Ähm…ich weiß nicht. Normalerweise, bleiben wir in unserem Klassenzimmer.“

Hilfesuchend wandte sich Chelsea an ihre Freundinnen, dass sie sie aus dieser Situation befreien würden. Jedoch, nickten sie ihr ermutigend zu und flüsterten ihr zu, dass sie sich trauen soll. Es war die Art von Hilfe, die Chelsea nicht wollte, doch anscheinend blieb ihr nichts anderes übrig.

„Okay.“, stimmte sie am Ende zu.
 

„Super! Dann bis nachher, Chelsea. Ich warte auf dich.“

Zwinkernd, verabschiedete sich Denny von ihr und winkte kurz den anderen zu. Dann war er auch schon im Gebäude verschwunden.
 

Kaum war er außer Sichtweite, stürmten die drei Mädchen auf ihre sprachlose Freundin zu.

„Hey, Chelsea! Wer hätte das gedacht?“, sprach Lana als erste ihre Gedanken aus. „Er scheint auf dich zu stehen, oder was sagst du dazu?“
 

„Natürlich steht er auf dich.“, beantwortete Julia die Frage. „Das wird aber auch Zeit, dass du mal einen Jungen kennen lernst.“
 

„Aber…aber…“, begann Chelsea zu stottern. „Ich bin doch gar nicht so hübsch, wie andere Mädchen. Was sollte er also von mir wollen?“
 

„Das Äußere ist doch nicht so wichtig, Chelsea.“, beteuerte Lana ihr. „Außerdem, bist du schon sehr hübsch, du hast alles, was ein Mädchen zu bieten hat.“
 

„Genau.“, bestätigte auch Sabrina.
 

„Siehst du.“, lächelte Julia ihr aufmunternd zu. „Du bist alles andere als hässlich. Dein Problem ist nur, dass du es selber nicht wahrnimmst. Was wir anderen aber sehen.“
 

„Ich weiß nicht, ich…“

Chelsea fehlten die Worte. Wie sollte sie ihren Freundinnen begreiflich machen, dass sie mit so einer Situation völlig überfordert war und sie nicht den nötigen Mut dafür aufbringen konnte? Sie hatte so etwas noch nie gemacht. Sich mit einem Jungen zu treffen, kannte sie nicht. Ihr fehlte die Erfahrung, die Julia und Lana bereits gemacht hatten. Auch Nathalie. Am liebsten würde sie mit Sabrina alleine darüber reden, denn sie wäre die einzige, die sie diesbezüglich verstehen würde, weil es ihr genauso ging.
 

Leider, war es momentan nicht möglich, denn die erste Stunde würde gleich beginnen und ihre Freundinnen bedrängten sie gerade, für ihr Empfinden, zu sehr. Sie wusste, dass sie es nur gut mit ihr meinten, dennoch, war es ihr zu viel.
 

„Mach dir keinen Kopf, Chelsea.“, versuchte Julia ihr Mut zu machen. „Probier es wenigsten. Vielleicht ist Denny ja ganz nett und ihr versteht euch auf Anhieb.“
 

„Trotzdem, ich…“
 

„Erspart euch doch die Mühe.“, ertönte hinter den vieren plötzlich Nathalies Stimme. Es war ihr anzuhören, dass sie keine gute Laune hatte.

„Ihr seht doch, dass unsere höfliche und nette Chelsea, sich vor Angst fast in die Hose macht. Also, könnt ihr eure Überredungskünste auch gleich lassen.“
 

„Nathalie! Hast du sie nicht mehr alle? Wie kannst du so boshaft sein?“, baute sich Lana vor ihrer Freundin auf und Julia trat sofort neben sie.

„Das war wirklich gemein von dir. Nicht jeder, besitzt so ein schamloses Selbstvertrauen wie du.“
 

„Immerhin habe ich eins. Nicht so, wie manch andere.“, konterte Nathalie. Wichtigtuerisch, warf sie ihren Zopf mit einem Schwung nach hinten.

„Guckt euch Chelsea doch an. Sie läuft rum, wie ein Mauerblümchen, total unschuldig und träumt den ganzen Tag vor sich hin. Wer sollte sich schon ernsthaft für sie interessieren?“
 

Enttäuscht, schaute Chelsea ihrer Freundin ins Gesicht. Was sie dort sah, ließ sie innerlich verkrampfen. Nathalies blaue Augen sahen sie mit einer Spur von Hass an, dass Chelseas Knie leicht anfingen zu zittern. Zudem, wusste sie nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie hatte keine Ahnung, dass ihre Freundin sie so sah. Außerdem, stimmte es denn nicht? Nathalie hatte Recht, dass Chelsea fast immer dieselben Klamotten trug. Typisch an ihr waren, eine normale Jeans und ein einfaches, meist einfarbiges Shirt. Ihre Haare waren schulterlang, die sie jeden Tag zu einem Zopf zusammenband, selten trug sie die offen. Außerdem, waren ihre Haare naturbraun, noch nie hatte sie sie gefärbt oder getönt. Den einzigen Schmuck den sie an sich hatte, waren ein paar Ohrstecker, mehr jedoch nicht. In dem Punkt hatte Nathalie demnach wirklich recht, modisch machte sie nicht viel her, eher das Gegenteil.
 

Trotzdem, hatten Nathalies Worte sie verletzt. Beinahe hätte sie auf der Stelle angefangen zu weinen. Es kostete sie große Mühe, nicht vor allen Umstehenden in Tränen auszubrechen.
 

„Du wirst dich sofort für deine Worte entschuldigen, Nathalie!“, forderte Julia sie auf. „Chelsea hat dir nichts getan. Und das Denny sich mehr für Chelsea, anstatt für dich interessiert, dafür kann sie nichts.“
 

„Was hat denn Denny damit zu tun?“, blaffte Nathalie ihre Freundin an. „Dieser Typ geht mir doch am Arsch vorbei!“
 

„Ach ja? Zuerst wollte Vaughn nichts von dir wissen und hat dich einfach ignoriert und Denny hat dich einfach bei den anderen stehen lassen und ist schnurstracks auf Chelsea zugegangen. Deinen eifersüchtigen Blick habe ich doch gesehen. Also, leugne es nicht.“
 

„Pff! Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst.“
 

„Nathalie, ich werde gleich…“
 

„Schluss jetzt! Es reicht mir mit euch!“
 

Mit einem Mal erstarb das hitzige Gespräch zwischen Julia und Nathalie. Die beiden, Lana und Chelsea drehten sich überrascht zu Sabrina. Alle waren sichtlich erstaunt darüber, ihre Freundin so energisch reden zu hören. Das kannte bisher, keine von ihnen.
 

„Ihr streitet euch rücksichtslos, ohne auf Chelsea Gefühle zu achten. Ihr hört euch an, als wäre es ein Wettbewerb, wer als Erste den besten Jungen abkriegt. Ihr solltet euch wirklich mal reden hören. Wir sind Freundinnen, verdammt! Solche Rivalitäten sollte es unter uns nicht geben.“
 

Peinlich berührt blickten die Beteiligten gen Boden. Jetzt erst, wurde ihnen bewusst, was sie hier veranstalteten und das ihre Freundin recht hatte. Ein solches Verhalten schickte sich nicht unter Freundinnen. Neid und Arroganz waren hier gänzlich fehl am Platz.
 

„Morgen treffen wir uns doch alle zusammen bei Julia und veranstalten eine Pyjamaparty. Es wäre schade, wenn sie ausfallen würde. Ich habe euch alle gern und bin gerne mit euch zusammen. Ich möchte euch, wegen so etwas Dummen, nicht verlieren.“

„Sabrina spricht weise Worte.“, meldete sich Lana in der anhaltenden Stille zu Wort.

„Wir kennen uns schon so lange. Es wäre wirklich schade, wenn wir jetzt auf einmal auseinandergehen würden. Jungs sollten nicht der Grund dafür sein.“
 

„Richtig.“, übernahm nun Chelsea das Reden und trat auf Nathalie zu. „Ich bin genauso überrascht wie du, Nathalie, dass ein Junge Interesse an mir zeigt. Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn ich dich um Rat fragen könnte, wenn ich ihn brauche. Außerdem, wäre es nie meine Absicht, dir jemanden auszuspannen. Wenn ich dich damit verletze, dass ich Denny in der Pause nachher treffe, dann bitte sag es mir. Ich werde dann nicht hingehen.“
 

Schuldig, sah Nathalie Chelsea in die Augen. Ihre blauen Augen schauten sie mit soviel Freundlichkeit an, dass Nathalie ein schlechtes Gewissen bekam und ihre scharfen Worte auf der Stelle bereute. Das hatte Chelsea nicht verdient, dachte sie. Immer ist sie für mich und die anderen da und hört uns zu, wenn wir Probleme haben. Eine bessere Freundin kann es gar nicht geben. Dennoch, war ich so fies zu ihr. Dabei konnte sie wirklich nichts dafür.
 

„Es tut mir Leid, Chelsea. Ich bin nun mal sehr impulsiv, aber das ist keine Entschuldigung. Ich bin es eben nicht gewohnt, wenn man mich einfach ignoriert, noch dazu von einem Jungen.“

Ein schwaches Lächeln erschien auf Nathalies Gesicht.

„Im Grunde, freue ich mich für dich. Es ist wirklich an der Zeit, dass auch du jemanden triffst und du nicht ewig so alleine bist. Sabrina natürlich auch.“
 

„Ich fühle mich nicht einsam, Nathalie.“, antwortete Chelsea. „Wenn ich mit euch zusammen bin, kann ich mich gar nicht alleine fühlen. Ich habe immer so viel Spaß mit euch, dass gefällt mir und lenkt mich von meinen familiären Pflichten ab. Inzwischen, kennst du sie ja ganz gut.“
 

„Ja, ich habe sie erst kürzlich am eigenen Leib erfahren.“

Beide mussten daraufhin lachen. Nach wenigen Augenblicken stimmten auch ihre Freundinnen mit ein.
 

In diesem heiteren Moment sah Sabrina flüchtig auf ihre Uhr und erschrak.

„Mädels, die erste Stunde hat vor einer Viertelstunde angefangen. Wir kommen zu spät.“
 

Jetzt erst, fiel den Mädchen auf, dass sich der Hof schon längst geleert hatte und sie die einzigen waren, die sich noch außerhalb des Schulgebäudes befanden. Keine von ihnen hatte die Schulglocke gehört.
 

„Das ist das erste Mal, dass wir alle zu spät zum Unterricht kommen. Sonst passiert dies, doch nur Nathalie.“, rief Lana aus. Jede von ihnen lief so schnell sie konnte, auf den Schuleingang zu.

„Hey! So oft passiert mir das auch wieder nicht.“
 

Doch, Nathalie fühlte sich nicht im Geringsten angegriffen. Im Gegenteil, sie fing an zu lachen und ihre Freundinnen stimmten schnell mit ein.

Chelsea und Denny (2)

Kapitel 9
 

Chelsea und Denny (2)
 

Ihre Deutschlehrerin war nicht gerade erfreut, als die fünf Mädchen zu spät zum Unterricht erschienen. Mit schmalem Mund, der eindeutig verriet, dass sie ein solches Benehmen nicht tolerierte, forderte sie die Mädchen auf, sich eilig auf ihre Plätze zu begeben und kündigte im Vorfeld an, dass dies Konsequenzen haben wird.

Beschämt sahen sich die Freundinnen an. Ihnen war klar, dass das passieren würde. Doch froh darüber, waren sie dennoch nicht.
 

Nach Ende der 90 Minuten rief die Lehrerin die Freundinnen zu sich und klärte sie auf, dass sie sich mit ihrem Klassenlehrer beraten werde, welche Strafarbeit sie erwarten würde.
 

„Na toll.“, beschwerte sich Lana, nachdem ihre Deutschlehrerin gegangen war. „Als ob, wir nicht schon genug Hausaufgaben machen müssten.“
 

„Vielleicht wird es auch ein allgemeiner Dienst an die Schule sein. In der letzten Stunde werden wir genaueres wissen.“, bemerkte Sabrina.

Sie sah gar nicht zufrieden aus. Hoffentlich, wurden ihre Eltern nicht davon in Kenntnis gesetzt, denn das schwarzhaarige Mädchen wusste genau, wie ihr Vater darauf reagieren würde.
 

„Jetzt zerbrecht euch mal nicht den Kopf.“, versuchte Lana sie aufzumuntern und legte eine Hand auf die Schulter ihrer besorgten Freundin. „So schlimm wird es nicht werden. Immerhin, werden wir bestimmt alle zusammen sein und die Strafe absitzen.“
 

„Da hast du vermutlich Recht.“, antwortete Chelsea und lächelte ihre Freundinnen an.
 

„Aber Chelsea, warum bist du noch hier? Du bist doch mit Denny auf dem Schulhof verabredet.“, wunderte sich Nathalie.
 

Die Angesprochene sah sie für einen kurzen Moment verständnislos an, doch dann begriff sie und errötete leicht.

„Stimmt ja, das hätte ich fast vergessen.“
 

„Vergessen!“

Prompt erhob sich Nathalie von ihrem Stuhl und zerrte ihre Freundin am Arm hinter sich her.

„Ich werde dich höchstpersönlich begleiten. Am Ende kommst du gar nicht erst an.“
 

Chelsea blieb keine andere Wahl. Im Stillen musste sie über ihre Freundin lachen, dass der Disput von vorhin so rasch verschwunden war. Doch dann, fühlte sie leichte Panik in sich aufsteigen. Worüber sollte sie nur mit Denny reden? Was wollte er überhaupt von ihr?
 

+++++
 

Als Chelsea und Nathalie auf dem Schulhof ankamen, fanden sie Denny, links von ihnen an der Schulmauer gelehnt. Der junge Mann hatte die ganze Zeit die Tür über im Auge gehabt und winkte ihnen zugleich zu. Ein Lächeln trat auf sein Gesicht.
 

„Bitte Nathalie, lass mich nicht mit ihm allein.“, bat die braunhaarige ihre Freundin. Ihr wurde ganz mulmig zumute.
 

„Mach dir keine Sorgen. Er wird dir schon nicht den Kopf abreißen oder dich auf der Stelle vor allen anderen vernaschen.“, neckte Nathalie ihre Freundin und zwinkert ihr zu.
 

„Lass die blöden Witze! Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll.“, flehte Chelsea fast.
 

„Sei einfach du selbst.“, half Nathalie ihr. „Das kannst du am besten.“
 

Perplex, starrte Chelsea ihre Freundin an. Damit hatte sie nun gar nicht gerechnet.
 

„Jetzt geh schon.“, drängelte die pinkhaarige ihre Freundin in Richtung Denny, der geduldig auf sie wartete.

„Ich bin dort drüben, bei den Tischtennistischen.“
 

Etwas beruhigt nickte Chelsea und ging langsam auf Denny zu.
 

„Hi!“, begrüßte er sie und lächelte sie aufmunternd an. „Ich hatte schon befürchtet, du würdest nicht kommen. Gott sei Dank, habe ich mich geirrt.“
 

„Ja, sorry, dass ich zu spät bin, aber unsere Lehrerin wollte noch mit uns sprechen.“, erklärte Chelsea und sah verlegen zu Boden.
 

„Du bist nicht zu spät. Wir haben noch etwa zehn Minuten Pause, das ist lang genug.“, lachte Denny und lehnte sich abermals mit dem Rücken an die Mauer.

„Habt ihr etwas angestellt?“
 

„Was meinst du?“
 

„Eure Lehrerin, sie wollte doch mit euch sprechen.“

„Ach so, ja, klar.“, verlegen kratzte sich Chelsea an ihrem Hinterkopf. Das fing ja gut an.

„Meine Freundinnen und ich, wir kamen zu spät. Wir hatten die Zeit nicht beachtet und die Schulglocke nicht gehört.“
 

„Kommt vor. Ihr versteht euch sehr gut, nicht wahr?“
 

„Ja. Sie sind meine besten Freundinnen.“
 

„Das ist schön.“
 

Einen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen, bevor Denny erneut das Wort an Chelsea richtete.

„Wohnst du hier in der Gegend?“
 

„Nein, ich komme von außerhalb. Mein Vater besitzt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Feldern und einigen Nutztieren.“
 

„Oh, dann musst du bestimmt oft helfen.“
 

„Ja, jeden Tag. Hauptsächlich bin ich dafür da, um meine Familie und unsere Angestellten zu bewirten.“
 

„Daher, deine lauten Überlegungen, gestern.“
 

Sofort wurde Chelsea wieder rot. Diese peinliche Situation war ihr noch zu sehr bewusst.
 

„War ich denn so laut?“

„Als deine Freundin zu mir kam, habe ich dich gesehen, wie du da allein gestanden hast und sich deine Lippen bewegten. Was du gesagt hast, habe ich erst mitbekommen, als ich direkt vor dir stand. So laut war es also nicht, keine Sorge.“
 

„Puh, dann ist ja gut.“
 

Erleichtert seufzte Chelsea und hielt sich dabei eine Hand an ihre linke Brust, direkt auf ihrem Herzen. Denny musste schmunzeln. In diesem Moment, fand er, dass sie ziemlich niedlich aussah. Irgendwie… unschuldig. Zumindest, hatte dieses Mädchen vor ihm sein Interesse geweckt.
 

„Sag, du hast nicht zufällig Lust, mit mir etwas zu unternehmen?“, fragte er sie zögernd und so unvermittelt, dass Chelsea nicht wusste, wie sie darauf reagieren und was sie vor allen Dingen antworten sollte.
 

Flüchtig, warf sie Nathalie einen Blick zu, doch sie war gerade anderweitig beschäftigt, wie Chelsea erkannte. Wie schnell sie doch über unerwiderte Zuneigung hinweg kam. Wenn, Chelsea richtig sah, war Nathalie gerade dabei, sich an jemanden ranzumachen, der sie sehr wohl wahrnahm und überaus begeistert war, wie Nathalie gestylt war. Das bestätigte mal wieder, dass Nathalie bei den meisten Jungs, sehr wohl ankam, demnach musste sie sich doch keine Sorgen machen. Warum sie dann so überreagiert hatte, konnte Chelsea nicht nachvollziehen, aber sie hatte ihre Freundin bis jetzt noch nie richtig verstanden. Allerdings, hoffte sie auch, dass sich Nathalie nicht irgendwann gewaltigen Ärger einhandelte oder großen Kummer.
 

„Chelsea? Bist du noch da?“
 

„Was? Ja, ähm, tut mir Leid.“, stammelte das braunhaarige Mädchen und würde sich am liebsten auf der Stelle ohrfeigen. Das ihr das, aber auch immer wieder passieren musste.
 

„Was war denn so interessant?“, hackte Denny nach. Chelsea fiel auf, dass sich Dennys Tonlage verändert hatte. Sie nahm gerade noch seinen Blick wahr, den er zu Nathalie und dem Typen zugeworfen hatte.

„Manchmal mache ich mir Sorgen um Nathalie.“, antwortete Chelsea und sah ein letztes Mal zu ihr rüber. „Aber, wahrscheinlich umsonst. Dummerweise, kann ich es nicht abstellen.“
 

Natürlich begriff Denny, was Chelsea meinte und zugleich war er erleichtert. Für einen kurzen Moment, dachte er, dass sie den Typen bewundert hatte, mit dem sich Nathalie unterhielt. Komisch eigentlich. So lange kenne ich Chelsea doch noch gar nicht.
 

„Und, was sagst du? Würdest du dich mit mir treffen wollen?“
 

„Nun, ich…“, stammelte Chelsea. „So viel Zeit habe ich nicht. Wegen unserem Betrieb und…“
 

„Du kannst es dir ja überlegen. Doch, ich würde mich sehr freuen, wenn du mir ein wenig die Gegend zeigen könntest. In netter Gesellschaft macht so was mehr Spaß.“

Freundlich lächelte er Chelsea an.

„Bis Montag, okay?“
 

Die braunhaarige nickte nur. In diesem Moment, läutete auch die Schulglocke und innerlich atmete sie erleichtert auf.

Zusammen machten sie sich auf den Weg ins Gebäude zurück und Nathalie schloss sich ihnen an.
 

+++++
 

Am Ende der letzten Stunde, wurde den fünf Mädchen mitgeteilt, dass sie für eine komplette Woche den Schulhof am Eingang fegen müssen, ab nächsten Montag. Begeistert war keine von ihnen, doch niemand wagte es zu widersprechen. Es folgte noch ein Vortrag über Disziplin und hauptsächlich Pünktlichkeit, dass die Mädchen nach wenigen Minuten ihren eigenen Gedanken nachhingen und nicht mehr wirklich zuhörten, was er ihnen sagte.
 

Sobald, die Predigt überstanden war, verließen die Freundinnen ihren Klassenraum und löcherten Chelsea, wie das Gespräch mit Denny gewesen ist.
 

„Und? Was hat er gesagt? Was hast du gesagt? Trefft ihr euch wieder?“
 

„Mensch Lana, jetzt löchere sie doch nicht gleich.“, versuchte Julia ihre Freundin zu besänftigen, obwohl sie selbst vor Neugierde fast platzte.
 

„Richtig. Also, Chelsea, spuk´s aus. Wie ist er so?“, hackte Nathalie ebenso so penetrant nach.
 

„Äh, ich weiß nicht. Nett.“, antwortete Chelsea zaghaft. So, im Mittelpunkt zu stehen, war sie einfach nicht gewohnt und sie wollte zügig wieder aus diesem Fokus heraus.
 

„Nett?“, fragte Nathalie wenig begeistert. „Chelsea, wir wollen wissen, ob er vom nahen genauso umwerfend ist, wie vom weiten.“
 

„Ich dachte, das weißt du bereits.“, schaltete sich Lana dazwischen. „Gestern, bist du doch gleich in der ersten Pause zu ihm geeilt.“
 

„Ja, schon.“, erwiderte die pinkhaarige leicht gereizt, hielt sich aber zurück. Einen zweiten Streit wollte sie nicht schon wieder riskieren.

„Es wäre aber sehr interessant zu erfahren, wie Chelsea ihn sieht.“
 

„Stimmt! Und Chelsea, wie ist er so?“, fragte Lana wissbegierig nach und funkelte ihre Freundin mit ihren strahlend blauen Augen an. Sie passten exakt zu ihren langen blonden Haaren, die im Wind draußen um ihr Gesicht wehten.
 

„Ja, also, er…er ist nett und…freundlich, also…“
 

„Chelsea, du musst doch wissen, wie er dir sonst gefällt, außer, das er NETT ist.“, meinte Julia eindringlich. Neben ihr stand Nathalie und verdrehte ihre Augen gen Himmel. Das war mal wieder typisch Chelsea.
 

„Ja, ich…So genau habe ich nicht darauf geachtet. Ich habe es weitgehend vermieden in genauer anzusehen.“
 

„Wieso? Hat er dich geärgert?“, fragte Sabrina besorgt und fürchtete schon das schlimmste.

„Nein, nein, wirklich nicht.“, schüttelte Chelsea nachdrücklich ihren Kopf. „Es ist nur so, es war mir so peinlich, so direkt angesehen zu werden. Das bin ich nicht gewohnt.“
 

„Man Chelsea, du brauchst dringend etwas mehr Selbstvertrauen, weißt du das?“, erwiderte Nathalie, legte ihre linke Hand auf Chelseas Kopf und tätschelte sie.

„Aber, das kriegen wir schon hin. Wir helfen dir. Dann ist es sogar gut, dass ich unmittelbar vor Ort bin und dich managen kann.“
 

„Nein, bitte nicht.“, sprachen Julia, Lana und Sabrina im Chor. Verwundert weitete Nathalie ihre Augen.

„Was soll das heißen? Etwas mehr Selbstvertrauen kann niemandem schaden.“
 

„Selbstvertrauen, ja, aber bitte nicht dein Lebensstil. Eine wie du, reicht uns völlig aus.“

„Keine Sorge, Lana.“, winkte Nathalie ab. „Das würde gar nicht zu unserer lieben, unschuldigen Chelsea passen. Nein, sie bekommt ein eigenes Image. Auf jeden Fall.“
 

„Sehr gut. Lasst uns zusammen beratschlagen, wie wir das am besten angehen sollten.“, teilte Julia ihre Meinung mit. „Vielleicht, entwickelt sich ja was mit Denny. Wenn du ihn wiedersiehst, Chelsea, solltest du vorbereitet sein.“
 

„Aber, ich,“ , versuchte Chelsea gegen das Vorhaben ihrer Freundinnen anzugehen, „ich weiß, dass ihr es nur gut mit mir meint, aber bitte, nicht so hastig. Das ist alles etwas zu viel für mich. Außerdem, erwartet Denny am Montag eine Antwort von mir und…“
 

„WAS?“

Sofort belagerten die Freundinnen Chelsea erneut und nahmen sie in ihre Mitte.

„Was will er denn wissen? Was für eine Antwort?“ Stürmten die Fragen nur so auf Chelsea herab.

Es dauerte bis sie sich wieder beruhigt hatten und Chelsea es ihnen erzählen konnte.
 

„Aha! Er bittet dich also, um ein Date.“, schlussfolgerte Nathalie besserwisserisch.

Triumphierend, stimmte Julia ihr zu und erwiderte, dass sie das erwartet hätte.
 

„Du wirst garantiert ja sagen. Nicht wahr, Chelsea?“, bedrängte Lana sie.
 

„Nun ja, ich weiß es nicht.“
 

„Natürlich! Sag ja, Chelsea. Ich bin mir sicher, es wird sich lohnen.“
 

„Das sagst du, Lana. Es ist nur, ich war noch nie mit jemanden aus.“
 

„Aus diesem Grund, wird es auch höchste Zeit.“, betonten Julia und Nathalie wie aus einem Munde. Überrascht sahen sie sich an und lächelten sich dann einig zu.

„Du musst es einfach nur wagen, glaub mir. Es wird bestimmt schön werden.“
 

„Meint ihr das wirklich?“, fragte die brünette in die Runde und sah zum Schluss besonders Sabrina lange an. Ihre Ansicht, hatte sie bisher noch nicht dargelegt.
 

„Ich denke auch, dass du ja sagen solltest.“, antwortete die schwarzhaarige. „Es kann nicht verkehrt sein, oder hast du ein schlechtes Gefühl, was Denny betrifft?“
 

„Nein, das nicht…Okay. Ich werde ihm sagen, dass wir zusammen etwas unternehmen können. Ist damit das Thema erledigt? Lasst uns über unsere Pyjamaparty morgen sprechen.“
 

„So leicht kommst du uns nicht davon.“
 

Ihre Freundinnen hatten Recht. Bis sie sich trennen mussten, aufgrund verschiedener Heimwege, redeten die Mädchen auf Chelsea ein und gaben ihr Stylingtipps und dergleichen.
 

Zu Hause, ging diese Tortur, wie sie Chelsea empfand, durch Nathalies Anwesenheit weiter.

Erst am späten Abend, als Chelsea alleine in ihrem Bett lag, fand sie die Ruhe wieder, die sie brauchte. Den ganzen Tag über, hatte sie sich gefragt, wie ihr das passieren konnte. Sie war nie auffällig gewesen und hatte es nicht darauf angelegt, von irgendeinem Jungen wahrgenommen zu werden. Dann tauchte plötzlich dieser Denny auf und alles schien sich zu ändern. Ihre Freundinnen waren wie ausgewechselt und wirkten aufgeregter als sie es war. Wieder, fragte sie sich, ob etwas mit ihr nicht stimmte, weil sie nicht dieselben Gedanken, wie ihre Freundinnen hatte, was Jungs betrifft. Denny war gewiss kein schlechter Kerl, aber so beeindruckend fand sie ihn nun auch nicht, wie die anderen ihr weismachen wollten.

Vermutlich, wäre es das Beste, erst einmal abzuwarten. Normalerweise, würde sich Chelsea keine großen Gedanken darüber machen, aber in diesem Fall, war es ihr passiert und aus irgendeinem Grund, den sie nicht kannte, gefiel ihr das nicht.
 

Es war nach Mitternacht bis Chelsea endlich einschlief. Wild durcheinander waren ihre Träume, doch als sie am nächsten Morgen aufwachte, konnte sie sich an keine ihrer Träume erinnern.

Die Pyjamaparty

Kapitel 10
 

Die Pyjamaparty
 

„Vielen Dank, Vaughn, das auf dich so viel Verlass ist. Ansonsten, würde ich heute Nacht kein Auge zukriegen.“
 

Es war später Samstagnachmittag und Mirabelle war von diesem Tag völlig erledigt. In der Früh, als sie den Laden aufmachte, musste sie feststellen, dass jemand in ihr Geschäft eingebrochen war. Zwar wurden keine Nahrungsmittel oder anderes Zubehör für Tiere gestohlen, aber an der Kasse wurde sich zu schaffen gemacht. Sie wurde aufgebrochen. Sämtliches Geld, was sich in ihr befunden hatte, wurde entwendet. Mirabelle hätte fast der Schlag getroffen, wenn nicht kurze Zeit später, nach ihrer Entdeckung, Vaughn den Laden betreten hätte. Zusammen mit ihm, konnte sie klarere Gedanken fassen.
 

„Das ist kein Problem.“, antwortete der junge Mann gerade und inspizierte zum letzten Mal die Kasse und kontrollierte die heutigen Einnahmen.

„Wir können von Glück reden, dass die Kasse nicht komplett gefüllt war. Das ist die Einnahme von heute. Soll ich sie aus Sicherheitsgründen komplett leeren oder etwas Wechselgeld für Montag drin lassen?“
 

„Mir ist es lieber, wenn ich die ganzen Scheine mitnehme. Vom Hartgeld, lassen wir ruhig ab 50 Cent alles drin. Falls derjenige wieder auftauchen sollte, vorausgesetzt es ist nur ein einziger gewesen, wäre es nicht so ein großer Verlust.“

Vaughn nickte und überreichte ihr jeden einzelnen Schein.
 

„Ich denke nicht, dass er wieder kommen wird. Wer auch immer es war, wird jetzt gemerkt haben, dass es hier nicht viel zu holen gibt. Ein zweites Mal wird er seine Zeit nicht vergeuden.“
 

„Ich hoffe es, Vaughn. Ich hoffe es.“, seufzte Mirabelle. Der Vorfall ging ihr noch ziemlich an die Nieren.

„Erst vor kurzem wurde ich von einem meiner eigenen Mitarbeiter bestohlen und jetzt schon wieder. Das Gute daran ist, dass es ein Außenstehender war. Das hat auf jeden Fall etwas Tröstliches.“
 

„Konnte die Polizei denn näheres erzählen?“
 

„Nein. Nur, das wir nicht die ersten waren. Der Antiquitätenladen, hier um die Ecke, hatte vor einer Woche einen Diebstahl gemeldet.“
 

„Dann kann man davon ausgehen, dass es derselbe war.“, fasste Vaughn zusammen.

„Wie auch immer. Ich werde heute Nacht, hier bleiben und ein Auge auf dem Laden werfen.“
 

„Nochmals, vielen Dank, Vaughn. Die Überstunden kriegst du natürlich bezahlt. Am Montag kannst du dir dann freinehmen.“

„Danke, Mirabelle. Ich werde jetzt noch kurz nach Hause gehen und gegen 20 Uhr wieder kommen. Ist das in Ordnung?“
 

„Ja, sicher. Da fällt mir gerade ein, meine Tochter bekommt heute noch Besuch von ihren Freundinnen. Sie werden über Nacht bleiben. Damit du bescheid weißt.“
 

„Wie viele werden es denn sein?“
 

„Nun, es kommen Lana, Sabrina und Chelsea und Nathalie. Die beiden hast du ja bereits kennen gelernt.“
 

„Ja, das habe ich.“
 

Ungern, dachte Vaughn an seine Begegnung mit Nathalie zurück. Zwar, waren inzwischen einige Tage vergangen, dennoch hatte sich seine Meinung über dieses Mädchen keinerlei geändert.

„Also, ein Abend unter Freundinnen.“
 

„Ja, die Mädchen veranstalten mal wieder eine Pyjamaparty. Mit Musik und DVD. Als ich noch jung war, kannte ich sowas gar nicht. Mein Vater war auch sehr streng gewesen, was das betrifft.“
 

„Gut, dann weiß ich bescheid. Wir sehen uns dann später.“
 

„Bis nachher, Vaughn.“
 

Für einige Sekunden, schaute Mirabelle, dem jungen Mann noch hinterher. Nach wie vor, ist er nicht sehr aufgeschlossen, wenn es um private Gespräche geht. Nun ja, es wird garantiert noch kommen. Man muss nur abwarten.
 

+++++
 

Etwas verspätet, rannten Chelsea und Nathalie aus dem Haus, um noch rechtzeitig den Bus zu erwischen. Was kein leichtes Unterfangen war, denn die Mädchen waren bepackt mit zwei großen Rucksäcken und zwei Isomatten, die beim Laufen ein wenig hinderlich waren.
 

„Einen Schritt schneller, Nathalie.“, keuchte Chelsea vorne weg. „Was musstest du auch solange im Bad stehen und deine Haare machen? Wir bleiben über Nacht, schon vergessen?“
 

„Schieb nicht mir die alleinige Schuld in die Schuhe.“, rief die pinkhaarige zurück. „Es war deine Aufgabe auf die Zeit zu achten.“
 

„Ich habe dich häufiger daran erinnert. Du hast doch die ganze Zeit behauptet, dass wir noch so viel Zeit hätten und du nicht solange brauchst.“
 

„Meine Haare gingen auch schnell. Doch dann musste ich mir auch noch die passenden Schuhe raussuchen.“

„Klar. Und weil wir auf dem Land leben, hast du dir weise überlegt, heute Highheels anzuziehen. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, hier gibt es kaum asphaltiert Wege.“
 

„Warum legt ihr dann nicht endlich welche an? Das Gehen wäre dann viel einfacher.“, meckerte Nathalie und wäre beinahe gestolpert, konnte sich aber noch im letzten Moment halten.
 

„In NORMALEN Schuhe ist es das auch. Du musst dich schon deiner Umgebung anpassen.“

„Davon träumst du wohl.“

„Beeilung! Da vorne sehe ich schon den Bus.“
 

Die Mädchen hatten Glück. Der Busfahrer sah sie angelaufen kommen und öffnete ihnen die Tür.

Gänzlich, außer Atem bedankten sich die Mädchen bei ihm und setzten sich keuchend auf freie Plätze, nahe der Tür. Ihr Gepäck wanderte zwischen ihre Beine.
 

„Oh nein!“, fluchte Nathalie mit einem Mal neben Chelsea.

„Was ist denn los?“, fragte sie immer noch nach Luft ringen.

„Meine Haare. Meine Frisur ist völlig im Eimer.“
 

Entsetzt starrte Nathalie in ihren Taschenspiegel und betrachtete ihr Spiegelbild.

„Noch dazu, zerläuft mein Make Up.“

„Bitte Nathalie, keine Szene. Wenn wir bei Julia sind, werden wir dich wieder komplett herrichten. Versprochen.“
 

Die gesamte Fahrt über jammerte die junge Frau weiter und schimpfte darüber, bei Chelsea untergekommen zu sein.

Die Brünette schaltete die Dauer über auf Durchzug. Hoffentlich beruhigte sie sich bald wieder.
 

+++++
 

Im Laufe des Abends, erschienen die Mädchen bei Julia und richteten ihr Quartier für die Nacht im Wohnzimmer her. Dazu wurden die Sessel, der Tisch und das Sofa beiseite geschoben, damit alle genügend Platz haben konnten. Gemeinsam breiteten sie die Isomatten aus und pusteten die Luftmatratzen auf. Leider, gab es keine Luftpumpe, weswegen jede von ihnen nach kurzer Zeit die Luft ausging. Doch sie schafften es und waren froh, als sie alles vorbereitet hatten.

Jetzt fehlten nur noch Kissen, Decken und Getränke und Snacks und ihr Mädelsabend konnte beginnen.
 

Die Vorbereitungen hatten ihnen viel Zeit gekostet. Inzwischen war es fast 21 Uhr geworden.

Zuerst, entschieden sich die Mädchen für eine DVD. Selbstverständlich ein Liebesfilm, und welcher Film wäre dafür besser geeignet als der Film „Während du schliefst“ mit Sandra Bullock. Zwar, war es von der Jahreszeit her Herbst, aber trotzdem konnte man diesen Film, der zur Weihnachtszeit spielte, jederzeit gucken.

Es dauerte auch nicht lange und jede der Mädchen träumte oder wünschte sich, während sie ihn schauten, dass ihnen sowas auch im realen Leben passieren könnte.
 

Als der Nachspann ablief, waren die fünf auch schon bei ihrem wichtigsten Thema angelangt.
 

„Also, Chelsea.“, läutete Lana das Gespräch ein und machte es sich auf ihrer Matratze mit einem Glas Orangensaft bequem.

„Erzähl uns, wie du dich entschieden hast. Was dich und Denny betrifft.“
 

„Au ja, das wollen wir alle nur zu gerne wissen.“, tat auch Julia ihre Ansicht kund.

Mit diesen Worten hatte sich jeder der Mädchen um Chelsea herum versammelt und blickte sie erwartungsvoll an.
 

„Tja, also ich, was soll ich noch sagen? Wir hatten doch schon gestern lang und breit darüber gesprochen.“
 

„Aber, das war gestern. Wie sieht es heute damit aus? Hast du dich schon entschieden, was du anziehen wirst?“, hackte Nathalie neugierig nach.
 

„Sie weiß doch noch gar nicht, wo es hingeht, also was sie zusammen unternehmen werden.“, klärte Lana ihre Freundin auf und nahm einen großen Schluck aus ihrem Becher.

„Hatte Denny, denn schon etwas angedeutet? In der Regel haben Jungs, was das angeht eine genaue Vorstellung, wenn sie ernsthaft interessiert sind.“
 

„Denny hat Chelsea doch erst zweimal gesehen.“, brachte sich Sabrina ins Gespräch ein. „Kann er das dann schon wissen?“
 

„Na klar.“, beteuerte Julia. „Manchmal reicht ein Blick und sie fragen das Mädchen.“
 

„War es bei dir und deinem Freund genauso?“, fragte Chelsea zaghaft nach. Sie wusste genau, dass das bei Julia ein heikles Thema war, denn ihre Beziehung ging nicht im Guten auseinander.
 

Ihre Freundin zögerte auch kurz, ehe sie antwortete.

„Ja, irgendwie schon, aber mit ihm war es anders. Also, kein Vergleich.“, wich sie mehr der Frage aus. Man spürte, dass ihr die Sache noch zu nahe ging. Keine der Freundinnen bohrte auch weiter nach. Viel lieber, konzentrierte sich jede wieder auf Chelsea.
 

„Nun ja, Denny ist auch noch neu an der Schule. Keiner kennt ihn wirklich, aber er macht einen vielversprechenden Eindruck.“, nahm Nathalie das eigentliche Gespräch wieder auf.
 

„Was genau meinst du?“, wollte Chelsea von ihr wissen.
 

„Das ist doch klar. Er sieht super gut aus und scheint auch noch ganz nett zu sein. Außerdem, ist er sehr sportlich. Das sieht man ihm an und Lukas hat erzählt, dass Denny im Sommer oft am Meer ist und surfen geht. Daher seine gebräunte Haut.“, erklärte die pinkhaarige ihren Freundinnen.

„Zudem, spielt er Basketball. Angeblich, will er sich hier einen Verein suchen, dem er beitreten kann.“
 

„Du hast dich aber genauestens über ihn informiert.“, warf Lana ein.

„Natürlich. Zuerst aus eigenem Interesse, aber jetzt geht es darum Chelsea zu unterstützen. Zu viel Information schadet nie.“

„Da hast du Recht. Nur, was fangen wir jetzt damit an?“, wollte Lana auch zugleich wissen.
 

„Chelsea könnte sich für Sport mehr interessieren oder eventuell so tun. Vielleicht steigert das ja, Dennys Aufmerksamkeit.“, schlug Julia vor.
 

„Könnte klappen, aber was, wenn das schief geht? Chelsea braucht sich nur so verplappern und schon wird er merken, dass sie keine Ahnung davon hat.“, redete Lana weiter. „Vielleicht sollte Chelsea auf ihr Äußeres setzten. Sich etwas mehr herausputzen.“
 

„Das ist eine gute Idee.“, rief Nathalie aus und war sofort Feuer und Flamme.

„Dabei kann ich dir, denke ich, am meisten Helfen. Immerhin, wohne ich zu Zeit bei dir und kann dich vor Ort beraten.“

„Stimmt. Das wäre mir fast wieder entfallen. Wie lange eigentlich noch?“

„Mal sehen, Lana. Wahrscheinlich nicht mehr solange. Lasst uns lieber über Chelseas erstes Date reden, was ihr bald bevorsteht.“
 

„Wohlmöglich, würdest du Denny mit einem Rock umhauen. Du hast lange keinen mehr getragen. Seit der 5.Klasse nicht mehr, wenn ich mich recht entsinne.“, warf Julia ein.
 

„Richtig. Besitzt du keine mehr?“, hackte Lana nach.
 

„Doch, aber ich trage sie nicht so gerne. Sie sind auf dem Hof unpraktisch. Außerdem, weiß ich nicht, was dieser ganze Aufwand soll.“, teilte ihnen Chelsea ehrlich mit.
 

„Hä? Was meinst du? Willst du ihm denn nicht gefallen?“, fragte Nathalie irritiert.
 

„Das hat mit Gefallen gar nichts zu tun.“, verteidigte sich Chelsea.

„Es ist nur, ich war noch nie mit einem Jungen aus. Ihr wisst genau, dass ich im Verstellen nicht so gut bin. In meiner alltäglichen Kleidung fühle ich mich wohl. Sonst würde ich mir die ganze Zeit komisch vorkommen und das würde mich sehr wahrscheinlich nur noch mehr verunsichern. Das will ich einfach nicht. Außerdem, ich kenne Denny doch gar nicht. Warum ein riesen Aufwand für jemanden den ich vor zwei Tagen zum ersten Mal gesehen habe? Ich verstehe das nicht.“
 

„Das wiederum verstehe ich nicht.“, antwortete Nathalie. „Willst du denn niemals einen Freund haben?“

„Nun ja, schon. Nur…“

„Dann kann ich dein Problem echt nicht nachvollziehen.“
 

„Ich schon.“, sprang Sabrina ihrer Freundin bei.

„Chelsea mochte schon irgendwann die große Liebe kennen lernen. Jedes Mädchen wünscht sich das. Doch mit Gewalt lässt sich sowas nicht erzwingen. Man sollte es dem Schicksal überlassen. Wenn man Glück hat, findet man schon den Richtigen.“
 

„Das hast du schön gesagt, Sabrina.“, erwiderte Lana darauf.

„Dem stimme ich zu. Ich mag Chelsea, so wie sie ist sowieso am liebsten. Für niemanden sollte sie sich ändern.“

„Genau.“, stimmte Julia dem zu. „Das sollten wir alle beherzigen. Aber, wenn du Hilfe brauchst, sind wir für dich da.“
 

„Danke. Das weiß ich zu schätzen.“
 

Die Mädchen nahmen sich daraufhin alle in den Arm. Einzig Nathalie meinte dazu, dass es trotzdem nicht schaden würde, wenn man etwas dafür tun würde, um dem ganzen auf die Sprünge zu helfen. Außerdem, schwöre sie, dass die meisten Jungs nach dem Äußeren beurteilen.

Doch, keine von den Mädchen ging näher darauf ein.
 

Damit, war das Thema erledigt und die Mädchen beratschlagten sich, was sie als nächstes tun könnten.
 

Nachdem, sie verschiedene CD´s aufgelegt hatten, dazu getanzt und gesungen hatten, folgte eine weitere DVD. Diesmal, ein Horrorfilm. Es war vorauszusehen, dass sich die Mädchen danach gruseln würden, doch keine von ihnen wollte es zugeben. Zusammen machten sie sich im Bad fertig, um schlafen zu gehen.

Und wie sie es vorausgeahnt hatten, dauerte es einige Zeit, bis sie das Gefühl bekamen, ruhig und sicher einschlafen zu können.

Geheimnisse der Nacht

Kapitel 11
 

Geheimnisse der Nacht
 

Nach endlosen Stunden, in denen gespielt, getanzt, gealbert und gelacht wurde, fanden die Mädchen nach einem Horrorfilm, endlich ihren erlösenden Schlaf. Zumindest, die meisten von ihnen.
 

Chelsea war die einzige, die sich häufiger von einer Seite auf die andere wälzte, und immer nur für ein paar Minuten etwas Schlaf fand. Wenn sie denn schlief, träumte sie kuriose Dinge, die für sie keinen Sinn ergaben. Entweder wurde sie von einem Unbekannten verfolgt oder sie fiel aus tausend Meter Höhe, doch der Boden kam nie in Sicht.

Dann wieder, tauchte plötzlich Nathalie vor ihrem Auge auf und lachte sie gehässig aus. Ihre anderen Freundinnen wendeten sich von ihr ab. Sie selber, wollte ihnen hinterherlaufen, doch sie konnte sie kein einziges Mal einholen. Immer waren sie ein gutes Stück weiter von ihr entfernt, je näher sie ihnen kam.

Nachdem, das alles nichts brachte, stand sie mit einem Mal in ihrem Klassenzimmer mit dem Rücken zur Tafel und sämtliche ihrer Klassenkameraden vor sich. Sie spürte, dass sie einen Zettel in der Hand hielt, der beidseitig beschrieben war. Anscheinend, musste sie einen Vortrag halten, doch wie sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte die Worte, die auf dem Zettel geschrieben waren, nicht entziffern. Mit einem Mal, redete sie in Babysprache vor der gesamten Klasse. Daraufhin, fingen diese an sie auszulachen. Vor Scham wollte Chelsea, im nächsten Erdloch versinken, doch es tat sich keiner unter ihren Füßen. Dabei bemerkte sie erst, dass sie ihre Beine überhaupt nicht mehr bewegen konnte. Vor Panik, fing Chelsea an zu schreien.

Dann, entdeckte sie mit einem Mal, Vaughn, der an der hinteren Wand des Klassenzimmers gelehnt stand. Niemand sonst, schien ihn zu bemerken. Sie wollte ihn gerade um Hilfe bitten, als Worte von ihm an ihr Ohr drangen.

„Warum hast du nichts an? Willst du wie deine verrückte Freundin werden?“

Tatsächlich. Chelsea sah an sich hinunter und hatte wirklich keine Kleidung mehr an. Splitterfasernackt stand sie vor ihrer Klasse, die sie ungeniert anstarrten und auslachten.

Vaughn war verschwunden. Und Chelsea fing hemmungslos an zu weinen. Schützend, schlang sie ihre Arme um sich, um ihre Blöße halbwegs zu verdecken und sank ohnmächtig zu Boden.
 

Urplötzlich, schlug Chelsea ihre Augen wieder auf und setzte sich keuchend auf ihrer Matratze auf. Kerzengerade, starrte sie an die Wohnzimmerwand, und versuchte wieder gleichmäßig zu atmen. Ihr Puls überschlug sich fast. Sie spürte, dass sie schwitzte und warf die Decke von sich.

Der Vollmond schien durchs Fenster und spendete so, viel Licht, sodass Chelsea in der Lage war, ihre Freundinnen um sich herum auszumachen. Friedlich lagen sie auf ihren Matratzen, manche zugedeckt, einige nur halb und schliefen. Keine Alpträume schienen sie zu plagen. Gleichmäßig ging ihre Atmung. Chelsea konnte Lana schnarchen hören.

Durch diesen beruhigenden Anblick, fasste sich Chelsea wieder und ihr Herz schlug wieder im regelmäßigen Takt. Zur Sicherheit, legte sie ihre linke Hand darauf und hörte in sich hinein.

Einige Minuten verharrte Chelsea in dieser Haltung. Dann spürte sie, dass ihre Kehle trocken war und sie dringend etwas zu trinken brauchte.

Langsam und sehr leise, um bloß nicht ihre Freundinnen zu wecken, erhob sie sich und lief barfuß und auf Zehenspitzen zur Wohnzimmertür. Zum Glück, lag sie dieser recht nahe, weswegen sie diese mit wenigen Schritten erreichte.Wieder hatte sie Glück, denn die Tür gab beim Öffnen keinen Laut von sich.

Zu ihrem Leidwesen, befand sie sich nun in einem rabenschwarzen Flur. Aus dem Gedächtnis heraus wusste sie, dass sie nach links gehen musste. Dort war die Tür, die zur Küche führte.
 

Natürlich, war Chelsea ziemlich mulmig zumute. Einerseits konnte sie nicht einmal die eigene Hand vor Augen erkennen, andererseits war sie in diesem Moment nur im kurzen Schlafanzug gekleidet, der aus einer knappen Hose und einem spaghettiträger Hemd bestand. Hoffentlich, begegnete sie niemanden, denn zudem trug sie auch keinerlei Unterwäsche, also war ihr selbstredend, nicht der Sinn danach, jemanden um diese Zeit zu treffen. Augenblicklich später, fiel ihr ein, dass sie höchstens Julias Mutter, Mirabelle, über den Weg laufen konnte. Diese Tatsache stimmte sie sofort ruhiger.

Also, tastete sich Chelsea blind, links an der Wand entlang. In den letzten Jahren war sie regelmäßig zu Besuch gewesen, weswegen ihr die Einrichtung bestens vertraut war.

Zu ihrer eigenen Sicherheit, machte sie dennoch nur sehr kleine Schritte. Außerdem, war sie nach wie vor bedacht darauf, niemanden im Haus zu wecken.
 

Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen, als sie endlich die ersehnte Treppe erreichte. Haltsuchend, griff sie nach dem Geländer, der sich nun rechts von ihr befand und tastete sich weiter mit ihren Füßen vorwärts. Aus reiner Gewohnheit sah Chelsea dabei hinunter Richtung Füße, obwohl sie nichts erkennen konnte. Dabei fielen ihre braunen Haare nach vorne ins Gesicht, die sie nachts nur im Sommer, wenn die Nächte so heiß waren, zusammenband. Nach wenigen Sekunden, gelangte sie ans Ende der Treppe und orientierte sich erst mal neu.

Dabei lauschte sie auf jedes noch so leise Geräusch, um am Ende festzustellen, dass sie nichts hörte. Selbst von draußen, schienen keine Geräusche ins Haus zu dringen.

Dankbar seufzte Chelsea und sie setzte ihren nächtlichen Spaziergang fort. Jetzt musste sie nur noch ein Stück geradeaus und dann rechts abbiegen und schon wäre sie in der Küche angelangt.
 

Als, Chelsea sich sicher war, genügend Schritte nach vorne gemacht zu haben, wand sie sich nun zu ihrer Rechten und griff im Dunkeln mit ausgestreckten Armen nach vorne, in der Erwartung, den Türgriff zu finden. Tatsächlich, ertastete sie vor sich eine Tür und zugleich auch den Griff.

Vorsichtig drückte sie ihn nach unten. Inzwischen, wurde Chelseas Durst nur noch schlimmer. Sie brauchte dringend Wasser.
 

Nachdem sie einen Schritt in die Küche gesetzt hatte, zumindest hatte sie es gehofft, erkannte sie, dass sie sich in den Tierladen verirrt hatte. Wobei, verirrt auch nicht das richtige Wort war. Sie war lediglich, nach der Treppe zu weit gegangen und hatte aus Versehen, die zweite Tür erwischt, die in den Laden führte. Von der Eingangstür fiel Licht von draußen in den Raum, weswegen sie es erkennen konnte.
 

Da sie hier, im Leben nicht, etwas zu trinken finden würde, drehte sich Chelsea wieder um. Kaum hatte sie einen Schritt getan, als sie eine Bewegung hinter sich wahrnahm.

Chelsea hatte keine Zeit sich erneut umzudrehen, als sich auch schon große und starke Arme von hinten um sie schlangen und sie festhielten. Für einen Moment, war sie zu geschockt, um auf der Stelle los zu schreien. Das war ihr Fehler, denn recht schnell legte der Angreifer eine Hand auf Chelseas Mund und erstickte somit jeden Laut von ihr.

Abrupt, wurde sie hochgehoben, als wäre sie ein Fliegengewicht und baumelte mit ihren Füßen in der Luft herum.

Trotz Panik und Angst, die von Chelsea Besitz ergriffen, merkte sie, dass ein Mann sie hochgehoben hatte und hinter die Ladentheke trug. Erst jetzt sah sie, dass eine Tür dahinter geöffnet wurde und schwaches Licht daraus hervordrang. Sie selber hatte an einer viel zu dunklen Stelle gestanden, wodurch ihr nichts aufgefallen war und sie sowieso nicht allzu sehr auf ihre Umgebung geachtet hatte.
 

Entschlossen, trug der Fremde sie dorthin. Mittlerweile, hatte sich Chelsea die wildesten und brutalsten Fantasien ausgedacht, was ihr nun unmittelbar bevorstand.

Tränen traten aus ihren Augen und bahnten sich einen Weg über ihr Gesicht. Sie hatte nur noch den einen Gedanken, dass sie nicht sterben wollte, egal was nun geschehen würde.
 

Der Fremde hatte nun den Raum betreten und ließ sie urplötzlich los, womit sie nicht gerechnet hatte und auf den Boden fiel.
 

„Habe ich dich er…“
 

Perplex, hielt Vaughn inne und starrte das Mädchen, das auf den Boden vor ihm lag irritiert an. Spontan kam sie ihm bekannt vor. Doch, da er ihr Gesicht nicht sehen konnte, fiel es ihm auch nicht ein. Die zweite Überraschung für ihn war, dass das Mädchen nur im Schlafanzug gekleidet war, noch dazu in einem recht kurzem.
 

„Wer bist du?“, fragte er, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte.
 

Chelsea zitterte noch immer am ganzen Körper. Jedoch, kam ihr die männliche Stimme bekannt vor. Allerdings, traute sie sich noch nicht, sich nach hinten umzudrehen. Mühsam, nahm sie ihre neue Umgebung war. Sie musste sich in einem Büro befinden. Ein Sofa war, hinten an der Wand zu einem Schlafsofa umfunktioniert wurden. Verständnislos, hob sie ihren Kopf und wischte sich mit einer Hand ihre Tränen vom Gesicht.
 

„Bist du das etwa, Chelsea?“
 

In diesem Moment erkannte die Angesprochene die Stimme, die zu ihr sprach. Sie wandte sich Vaughn zu und starrte ihn ebenfalls verwundert an.
 

„Vaughn? Was machst du hier?“
 

„Viel wichtiger ist, was du hier machst.“, entgegnete ihr der verständnislose junge Mann.
 

„Wieso? Ich übernachte mit den anderen Mädels bei Julia.“, antwortete Chelsea wahrheitsgemäß. „Mirabelle weiß Bescheid.“
 

Kurz, nachdem Vaughn das gehört hatte, fiel es ihm wieder ein. Er erinnerte sich, an sein letztes Gespräch mit Mirabelle und das sie ihm von den Plänen der Mädchen berichtet hatte. Vorwurfsvoll, schlug er sich mit der flachen Hand gegen seine Stirn.
 

„Tut mir wirklich leid, Chelsea.“, sprach Vaughn aufrichtig. „Fälschlicherweise habe ich dich für den Einbrecher gehalten. Entschuldige, das war ein Irrtum.“
 

„Einbrecher?“ Spätestens jetzt, verstand Chelsea gar nichts mehr. „Von welchem Einbrecher redest du? Wurde hier etwa wieder Geld gestohlen?“
 

„Woher weißt du, dass wieder Geld gestohlen wurde?“
 

„Julia hatte mir von diesem Angestellten erzählt, der Mirabelle beklaut hatte. Sein Name ist mir entfallen. Ebengerade, hast du aber von „dem Einbrecher“ gesprochen. Daraus schließe ich, dass er schon mal eingebrochen haben musste.“
 

Mit offenen Augen starrte Vaughn, Chelsea an. Sie scheint ziemlich schlau zu sein. Wohl doch, kein so naives Mädchen, wie er gedacht hatte.
 

„Du hast Recht.“, gab Vaughn schließlich zu. „Der Einbruch war Freitagnacht passiert. Die Polizei suchte bereits nach ihm. Wir waren nicht die ersten, bei denen er einstieg.“
 

„Ach so. Dann hältst du also, heute Nacht Wache, oder?“
 

„Exakt. Mirabelle hatte mich darum gebeten. Soll ich dir aufhelfen? Auf dem Boden muss es doch kalt sein.“
 

Dadurch wurde sich Chelsea bewusst, dass sie noch immer auf dem Boden saß, noch dazu spärlich gekleidet. Sie war so überrascht gewesen, Vaughn zu sehen, dass sie dies komplett vergessen hatte. Jedoch, nicht nur das.

Vaughn selber, war nur mit einer Jogginghose bekleidet und trug dazu kein Hemd oder wenigstens T-Shirt. Die nackte Brust wurde ihr jetzt erst bewusst. Peinlich berührt, drehte Chelsea sich von ihm weg und stand aus eigener Kraft auf, obwohl er seine Hand reichte.
 

„Das geht schon. Ich kann alleine aufstehen. Ich war bloß so erstrocken gewesen.“
 

Die Brünette vermied es ihm ins Gesicht zu sehen, sonst hätte er bemerkt, dass ihr Gesicht rot angelaufen war. Noch dazu, kam ihr der Gedanke in den Sinn, dass Vaughns nackter Oberkörper sehr gut aussah. Er war muskulös und durchtrainiert. Des Weiteren, wurde ihr bewusst, dass sie an diese nackte Brust gedrückt wurden war. Auf der Stelle, stieg ihr noch mehr Blut ins Gesicht. Beschämt, vergrub sie ihr Gesicht in den Händen. Fehlte nur noch, dass sie Nasenbluten bekam.
 

Chelsea war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht mitbekam, dass auch Vaughn sie angestarrt hatte. Durch den knappen Schlafanzug, konnte er Chelseas heranreifende Kurven eindeutig erkennen. Er musste zugeben, dass ihm das nicht sonderlich kalt ließ und er fand, dass Chelsea in diesem Aufzug absolut hinreißend aussah. Ihre braunen Haare fielen leicht auf ihre Schultern und verdeckten somit nur knapp ihre Schultern.
 

Um diese Situation, für beide nicht noch peinlicher zu machen, räusperte sich Vaughn und holte die zusammengefaltete Decke, die auf dem Drehstuhl vor dem Schreibtisch lag. Entschlossen, nahm er sie in die Hand und bot sie Chelsea an, damit sie sich die umlegen konnte. Dabei, vermied er es sie erneut genauer anzusehen, das Ganze war ihm inzwischen peinlich genug und zog sich rasch sein eigenes T-Shirt über.
 

Beide waren froh, nicht mehr Halbnackt zu sein, dass sich Chelsea somit traute, das Wort an Vaughn zu richten.
 

„Danke, wegen der Decke. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt gerne in die Küche gehen und mir was zu trinken holen. Mittlerweile, kratzt mein Hals ganz schön.“
 

„jetzt, wo du es sagst, ich hatte mich schon gewundert, warum du nachts alleine umherwanderst.“, entgegnete Vaughn neugierig. „Wollte dich keiner, von deinen Freundinnen begleiten?“
 

„Bestimmt, hätte es jemand getan, aber ich wollte niemanden aufwecken. Sie haben alle so friedlich geschlafen.“, antwortete Chelsea und lächelte schüchtern. „Nachdem ich die Treppe hinabgestiegen war, bin ich aus Versehen zu weit geradeaus gegangen und habe die zweite, anstatt die erste Tür erwischt.“
 

„Na dann. Du machst Sachen. Ich begleite dich zur Küche und dann bringe ich dich wieder nach oben.“
 

„Wie? Oh, nein. Nein, das brauchst du wirklich nicht.“, wehrte Chelsea ab und schüttelte leicht ihren Kopf. „Ich kenne mich hier aus. Ich finde schon wieder zurück.“
 

„Nun, wir haben ja beide gesehen, wo du gelandet bist.“, konterte Vaughn und stand bereits an der Tür, als er sich nochmal umdrehte.

„Ich begleite dich, dass ist sicherer für dich.“
 

Somit blieb Chelsea keine andere Wahl. Insgeheim, war sie sogar froh, dass sie nicht mehr alleine durchs Haus wandern musste. Gehorsam, folgte sie Vaughn.
 

„Ein Glas Wasser?“, fragte Vaughn, nachdem sie die Küche betreten hatten.
 

„Ja, bitte.“, antwortete Chelsea und setzte sich erschöpft auf einen der Küchenstühle. Die Ereignisse hatten sie doch sehr mitgenommen. Im Leben hätte sie auch nie damit gerechnet, dass es so schwierig werden würde, sich ein einfaches Glas Wasser zu besorgen. Sie hätte doch, eine der Mädchen wecken sollen oder wenigstens das Licht im Flur anzumachen.
 

Der junge Mann betrachtete nachdenklich das junge Mädchen vor ihm. Jetzt, im Schein der Küchenlampe erkannte er so richtig, dass ihr der Schreck immer noch im Gesicht geschrieben stand. Ihm tat es auch ehrlich leid. Er hätte vorher das Licht im Laden anschalten können, dann hätten sich zwar beide erstreckt, aber Chelsea hätte dann auch keine Angst vor ihm bekommen. Zumindest, hoffte er das.
 

„Es tut mir furchtbar leid.“, sprach er nach einigen Minuten in die Stille und sah verlegen zu seinen Füßen.

Die Brünette sah von ihrem Glas auf.
 

„Ist vielleicht eine schwache Entschuldigung, aber ich hatte völlig vergessen, dass Mirabelle mir von euch erzählt hatte. Nach dem vorangegangenem Ereignis, hatte ich ausschließlich daran gedacht. Entschuldige.“
 

„Ist schon gut.“, wollte Chelsea ihren Gegenüber beruhigen. „Das hätte jedem passieren können. Gerade nach einem Einbruch, rechnet man eben mit dem Schlimmsten.“
 

„Trotzdem. Ich möchte das wieder gut machen.“

Vaughn hatte das Gefühl, dass er Chelsea eine Wiedergutmachung schuldig war.
 

„Wirklich, Vaughn. Es geht mir gut. So etwas kann jedem passieren. Zum Glück ist ja nichts Schlimmeres geschehen.“
 

„Stimmt schon, aber ich würde dennoch etwas als Entschädigung anbieten. Du siehst blass aus. Daraus schließe ich, dass es dich sehr mitgenommen hat.“
 

Ertappt, senkte Chelsea ihren Blick. Natürlich, hatte Vaughn recht, doch es war nicht Chelseas Art eine Wiedergutmachung zu verlangen oder darauf zu beharren. Im ersten Moment hatte sie einen gewaltigen Streck gekriegt, als sich von hinten Arme um sie geschlossen hatten. Für einen Augenblick hatte sie gedacht, dass wäre es mit ihrem Leben gewesen, aber ihr war Gott sei dank nichts ernsthafteres passiert. Sie war einfach nur froh und erleichtert, dass das alles ein Versehen war.
 

„Chelsea, wie wäre es damit.“, erlangte Vaughn ihre Aufmerksamkeit zurück. „Wenn ihr oder viel mehr du Hilfe brauchst, egal welcher Art, ob auf eurem Hof oder sonst wo, dann brauchst du mich nur zu fragen. Abgemacht?“
 

Im ersten Moment, hörte es sich vernünftig an. Anscheinend, war es auch Vaughn sehr wichtig, dass er es wieder gut machte, was er ihr fälschlicherweise angetan hatte. Außerdem, warum denn auch nicht? Es würde sich bestimmt, irgendetwas anbieten, wobei sie Hilfe gebrauchen konnte. Bei ihr zu Hause gab es immer viel zu tun.
 

„Einverstanden, Vaughn.“, antwortete Chelsea schließlich. „Wenn es dir so wichtig ist. Ich komme bestimmt darauf zurück, wenn es sich ergibt.“
 

Vaughn nickte. Damit war für ihn dieses Missverständnis bereinigt und er fühlte sich auch erleichterter. Das hatte, aber auch damit zu tun, dass Chelsea ihm das auch nicht weiter schwer machte.

Er sah ihr noch zu, wie sie ihr Glas leerte und bot ihr dann noch an, sie wieder in den ersten Stock zu begleiten, damit sie sich nicht ein zweites Mal in der Tür irrte.

Aufgrund, dieser Aussage musste Chelsea lachen. Es war ein wunderschönes lachen, dass Vaughn erstmal überrascht war und dann selber kurz mit einstimmte. Dabei erkannte er auch, dass Chelsea nicht mehr ganz so blass wirkte. Ein Sorge weniger, die von ihm abfiel.

Ein ganz normaler Montag

Kapitel 12
 

Ein ganz normaler Montag
 

Am Tag, nach der Pyjamaparty, waren die Mädchen noch total erschlagen. Zwar standen sie erst ab 11 Uhr auf, dennoch fühlte sich keine von ihnen so richtig ausgeschlafen, geschweige denn ausgeruht. An diesem Zustand konnte nur der Horrorfilm verantwortlich sein. Damit waren sich allesamt einig.
 

Daher, fiel es auch niemanden von ihnen sonderlich auf, dass Chelsea abwesender war als sonst. Die Ereignisse der letzten Nacht waren noch längst nicht von ihr verarbeitet wurden. Der Schreck war zum größten Teil verflogen, aber ihre Peinlichkeitsrate, dafür noch recht hoch.

Bestimmt schon, zum tausendsten Mal an diesem späten Morgen, fragte sie sich, warum sie das Pech momentan magisch anzog. Zuerst, blamierte sie sich vor Denny, der sie dabei ertappte, wie sie Selbstgespräche führte. Und letzte Nacht, Vaughn, der sie dummerweise für einen Einbrecher hielt und noch dazu, fast splitternackt gesehen hatte. Im Grunde genommen, war es zwischen den beiden beinahe ausgeglichen gewesen, denn auch er war nur in einer Jogginghose bekleidet vor ihr gestanden. Trotzdem, stimmte diese Tatsache Chelsea keinesfalls wohler.

Sie kannte Vaughn nicht richtig und doch, musste sie zugeben, dass sie nicht schlecht fand, was sie gesehen hatte. Chelsea hatte noch nie, bis auf ihren Vater oder ihren Bruder mit nackter Brust gesehen, doch die gehörten zur Familie, das war nichts Ungewöhnliches. Umgekehrt, hatten sie, sie auch schon öfter im Schlafanzug gesehen, wobei sie meist noch einen Morgenmantel drüber gezogen hatte. Allerdings, hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie ihn benötigen würde und hatte ihn gar nicht erst eingepackt. Hätte sie es vorher geahnt, was letzte Nacht geschah, hätte sie es getan. Jemand Fremden, halbnackt zu sehen, war für ein so vernünftiges Mädchen wie sie eines war, nichts Alltägliches und zudem, unendlich peinlich.
 

Fürs Erste, beschloss Chelsea diese Begegnung für sich zu behalten. Sie war schon heilfroh gewesen, dass sie Vaughn nicht mehr am hell lichten Tag über den Weg gelaufen war. Er musste bereits, früher zu sich nach Hause gegangen sein. Aus Neugierde wollte sie schon Mirabelle fragen, ließ es aber bleiben, da immer eine ihrer Freundinnen anwesend war und sie hätten dann auf der Stelle wissen wollen, warum sie nach ihm fragte.

Also, behielt sie ihr Geheimnis für sich. Dabei konnte sie ein verschmitztes Lächeln nicht unterdrücken. Des Weiteren, fiel ihr absolut nicht auf, dass sie keinen Gedanken an Denny hegte, obwohl sie ihn morgen wieder treffen würde.
 

+++++
 

Das Treffen zwischen Chelsea und Denny war auch nicht wirklich spektakulär. Zumindest, empfand es Chelsea so. Einigen Klassenkameraden von den beiden, war letzten Freitag schon aufgefallen, dass das Mauerblümchen vom Land und der gutaussehende Neue sich unterhalten hatten. Da sie sich am Montag wieder in der Pause auf dem Schulhof trafen, schlossen sie daraus, dass wohl etwas mehr im Spiel sein musste, als sie vorhab annahmen.
 

„Hallo, Chelsea! Du siehst irgendwie müde aus.“, begrüßte Denny sie vom Weiten und kam ihr ein Stück entgegen.
 

„Guten Morgen, Denny. Ja, ich habe nicht viel Schlaf gefunden, die letzten zwei Nächte.“

„War euer Mädelsabend so anstrengend?“

„Woher weißt du davon?“, fragte Chelsea perplex nach.
 

„Nathalie.“, antwortete Denny und lächelte sie an. „Vor der ersten Stunde am Schultor hatte sie das Lukas und den anderen von uns erzählt.“
 

„Ach so. Wundern tut mich das nicht.“, entgegnete Chelsea und sah für einen kurzen Moment zu ihrem Klassenzimmer auf, welches sich direkt über ihnen befand. Von ihrem Klassenzimmerfenster aus, konnte man sehr gut den kompletten Schulhof überblicken.

Es überraschte sie auch keineswegs, dass sie ihre vier Freundinnen am Fenster stehend erwischte. Einzig, Sabrina fühlte sich ertappt und wandte sich verlegen ab, aber die anderen drei grinsten sie frech an und hoben wichtigtuerisch die Daumen.
 

Denny lachte, woraufhin Chelsea sich wieder ihm zuwandte.

„Tut mir Leid. Meine Freundinnen sind eben sehr neugierig.“
 

„Das ist kein Problem. Ich finde es lustig. Aber, sag mal, was ich dich Freitag gefragt hatte.“, lenkte Denny das Thema gekonnt zum eigentlichen Grund ihres Treffen. Sofort, wurde der Brünetten ganz mulmig zumute. Irgendwie, hatte sie gehofft, dass es nicht zur Sprache kommen würde, was von ihr sehr naiv war.
 

„Wie hast du dich entschieden? Gehen wir mal zusammen aus?“
 

Warum musste dieser Typ nur so direkt sein? Können wir nicht einfach übers Wetter reden? Chelsea war ein wenig verzweifelt. Zwar hatte sie mit ihren Freundinnen lang und ausführlich deswegen diskutiert, aber jetzt in diesem Moment, wo es soweit war, wäre sie am liebsten geflüchtet. Allerdings, wäre das Problem damit nicht aus der Welt geschafft, sie würde es nur noch schlimmer machen. Außerdem, würde sie von ihren Freundinnen eine Predigt verpasst bekommen, dass ihr garantiert hinterher die Ohren abfielen.
 

„Nun ja, also, es ist so, von mir aus. Ich meine, ja.“ Mein Gott, bin ich am stottern.
 

„Klasse!“, freute sich Denny, offensichtlich. „Ist aber alles in Ordnung, Chelsea? Fühlst du dich auch wohl dabei?“, hakte er zu allem Überfluss noch nach.

„Wie? Klar, ähm, sicher. Mir geht es gut.“

„Wirklich?“

„Ja, doch.“, versuchte Chelsea ihm mit Nachdruck zu versichern. „Es ist nur, bisher wurde ich noch nie gefragt, ob jemand mit mir ausgehen will. Das ist alles.“
 

Sie versuchte es, locker rüberkommen zu lassen, hatte aber keine Ahnung, ob es funktionierte. Die Hauptsache war, dass Denny nicht weiter nachfragte.
 

„So ist das. Also gut. Dann, was hältst du von diesem Freitag, direkt nach der Schule? Wir können zusammen etwas essen gehen und dann zeigst du mir die Gegend, einverstanden?“
 

Chelsea brachte bloß ein Nicken zustande, doch Denny war damit zufrieden. Nachdem, die Pause vorbei war, machte sich Chelsea einigermaßen erleichtert auf den Weg zurück ins Klassenzimmer. Das Schlimmste stand ihr allerdings noch bevor.

Ihre Freundinnen würden alles haargenau berichtet haben wollen und sie deswegen stundenlang löchern. Eine überaus gewaltige Freude stieg in Chelsea auf…
 

+++++
 

Obwohl, Vaughn von Mirabelle für heute frei bekommen hatte, war er pünktlich zur Arbeit erschienen und hatte seine Vorgesetzte gebeten, ob es nicht möglich wäre, anstatt heute, den kommenden Freitag frei zu bekommen. Alle zwei Wochen, hatte Vaughn ein komplettes Wochenende frei. Dadurch, hätte er dann drei Tage hintereinander frei, was ihm nur sehr gelegen kam. Kurzfristig, hatte er nämlich beschlossen, seinen neuen Wohnort genauer zu erkunden, bzw. anzusehen. Zu seinem Glück, stimmte Mirabelle dem zu.

Auf ihre Frage, was mit ihm los war, erhielt sie jedoch keine Antwort. Es war dem jungen Mann anzusehen, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Außerdem, überraschte es Mirabelle, dass ihr Angestellter zum ersten Mal, seitdem er bei ihr angefangen hatte zu arbeiten, eine Bitte an sie richtete. Bisher, war es noch nie vorgekommen und die Pensionsleiterin wunderte sich sehr darüber.

Natürlich war es nicht anders zu erwarten und Vaughn hüllte sich in Schweigen.
 

Der junge Mann, hatte am Sonntagmorgen, fluchtartig Mirabelles Haus verlassen ohne sich zu verabschieden. Unter allen Umständen, wollte er es vermeiden, Chelsea erneut zu begegnen, nachdem er ihr in der Nacht einen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte. Dummerweise, war dies nicht der einzige Grund. Mit dieser Tatsache hätte er sich noch arrangieren können, immerhin hatte er sich mehrmals bei ihr entschuldigt und Chelsea schien zum Glück nicht all zu nachtragend zu sein. Trotzdem, hatte er die Angst in ihren Augen gesehen, und dieses Bild ließ sich nicht so leicht wieder verdrängen. Wie konnte er auch nur so blöd sein, und sie von hinten im Dunkeln attackieren? Es war auch ihm klar, dass man sowas nicht mit ein paar gut gemeinten Worten wieder bereinigen konnte. Nein, dazu gehörte mehr und Vaughn wollte seine Schuld so schnell wie möglich begleichen.
 

Seine guten Motive waren ernst gemeint, dennoch halfen sie ihm im Moment nicht gerade viel. Ständig musste er an dieses Mädchen denken, egal was er gerade tat. Ob er die Tiere fütterte oder das Gehege säuberte, bei jeder Tätigkeit, erschien Chelsea vor seinem inneren Auge und er fluchte deswegen mehrere Male laut vor sich hin, dass sich sämtliche Tiere vor ihm erschreckten.

Selbst in seiner Mittagspause, konnte er nicht zur Ruhe kommen. Er mied jeden Menschenkontakt auf der Arbeit und war einsilbig zu den Kunden, als er am Nachmittag die Kasse bediente.

Was war nur mit ihm los? Nicht nur, dass Chelsea in seinen Gedanken permanent auftrat, nein, zu seinem Leidwesen, stellte er sie jedes Mal dabei in ihrem knappen Schlafanzug vor. Er musste zugeben, dass ihm der Anblick, den sie geboten hatte, gefiel und er sogar in der letzten Nacht von ihr geträumt hatte. Dabei hatte sich Vaughn, hoch und heilig geschworen, sich für die nächste Zeit mit keiner Frau einzulassen oder an eine zu denken. Also, warum ging ihm Chelsea nicht wieder aus dem Kopf?

Wie alt war sie überhaupt? Bestimmt im selben Alter, wie Julia. Demnach, nicht älter als 17 Jahre. Kein großer Altersunterschied zwischen uns beiden.

Moment Mal! Was soll das jetzt schon wieder? Es musste unbedingt wieder aufhören, aber wie?

Dieses Mädchen will mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Vielleicht, sind meine Schuldgefühle so groß, dass ich deswegen dauernd an sie denken muss. Und es hört erst wieder auf, wenn ich es wieder gut gemacht habe. Eine andere Wahl habe ich nicht.
 

Stundenlang, zerbrach sich Vaughn seinen Kopf darüber, warum er ununterbrochen an Chelsea denken musste. Er kam auf viele verschiedene Theorien, doch nicht auf die, dass er sie wahrscheinlich gern hatte, und sie einfach nur wiedersehen wollte.
 

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„Eine ganze Woche den Schulhof fegen? Sagt mal, haben Sie die noch alle?“, entrüstete sich Nathalie und warf zugleich ihren Besen zu Seite.
 

Nathalies Ausbruch hatte den Grund, dass an diesem Tag, ihre Strafe fürs Zuspätkommen begann. Jedes der fünf Mädchen, war derselben Meinung, dass dies keine angenehme Strafe war. Es war zwar schon Oktober, aber heute war wieder ein recht warmer Tag und die Sonne hatte es wahrlich in sich.
 

„Wir haben Herbst, verdammt!“, wütete das pinkhaarige Mädchen weiter. „Will die Sonne uns jetzt ebenfalls verarschen? Außerdem, muss ich nachher weiterarbeiten! Was denken Sie sich? Haben alle ihren kleinen Verstand verloren?“
 

„Jetzt, beruhige dich doch, Nathalie.“, wandte sich Sabrina an ihre Freundin. „Dein Gebrüll macht das ganze auch nicht besser.“

„Schon kapiert. Aber man darf sich wohl noch aufregen.“
 

„Lasst uns über Denny reden.“, verkündete Lana in die anstrengende Arbeit. Während dessen, verdrehte Chelsea ihre Augen. Als ob, die zwei letzten Schulpausen, die sie dazu ausgiebig genutzt haben, nicht ausreichend gewesen wären.
 

„Was wollt ihr denn noch wissen?“, fragte sie auch genervt. „Ich habe euch doch schon ALLES erzählt.“

„Das wissen wir.“, erwiderte Lana neunmalklug. „Wir könnten Alternativen durchgehen, über Gesprächsthemen, zum Beispiel.“

„Das ist eine hervorragende Idee.“, klinkte sich Nathalie ins Gespräch mit ein und hob ihren Besen vom Boden auf. „Denny ist ein Sportfanatiker. Wir könnten uns über die wichtigsten Fakten informieren.“
 

„Auf jeden Fall eine Idee. Aber ich dachte eher daran, das Chelsea das Reden mit ihm üben sollte. Quasi, einer von uns tut so, als wäre er Denny und Chelsea muss darauf reagieren.“, offenbarte Lana ihren brillanten Vorschlag.

„Eine noch bessere Idee.“, stimmte Julia diesem Vorschlag begeistert zu und wirbelte eine Menge Staub auf.

„Hör auf damit, Julia. Sonst gelangt von der dreckigen Erde noch etwas in unsere Lungen.“, warnte Sabrina sie, die ihr am nächsten stand und rieb bereits ihre Augen, die angefangen hatten zu Tränen.

„Ups! Sorry, Sabrina.“
 

„Also, Chelsea, was hältst du davon?“, fragte Lana ihre Freundin.

„Ganz ehrlich? Ich halte es völligen Quatsch.“

„Aber wieso denn?“, wollte Nathalie wissen und hörte erneut mit ihrer Arbeit auf. „Chelsea, wir alle wissen, dass du im Umgang mit Jungs immer sehr schüchtern bist. Du solltest die Hilfe annehmen.“

„Genau.“, sprach Lana zu ihr. „Es ist doch nur zu deinem Besten.“
 

„ZU MEINEM BESTEN?“
 

Vor Schreck ließen Lana, Nathalie, Julia und Sabrina fast ihre Besen fallen, was Chelsea zusätzlich zu ihrem Ausbruch getan hatte.
 

„Ihr hört sofort auf damit, mich ÄNDERN zu wollen, verstanden? Bisher, gab es nicht den geringsten Anlass für euch, das zu tun. Also, warum jetzt? Warum ist es für euch so wichtig, dass ich mit Denny ZUSAMMEN KOMME? Was soll das? Und warum glaubt ihr, dass ich nur dann einen Freund abkriege, wenn ich mich komplett ändere? Bin ich denn ein solches Mauerblümchen, dass so unscheinbar ist, dass nie ein männliches Wesen auf die Idee kommen würde, mich haben zu wollen?“
 

Tränen liefen Chelsea über das Gesicht. Mit einem solchen Wutausbruch hatte sie selber ebenso wenig gerechnet, wie ihre Freundinnen, die ohne Ausnahme betreten zu Boden blickten.

Inzwischen, war es Chelsea zu viel geworden. Denny, der Neue an ihrer Schule, Nathalie, die bei ihr vorübergehend wohnte und sie sich mindestens einmal am Tag mit ihrem Vater über sie unterhielt, weil sich Angestellte nach wie vor noch über sie beschwerten, dann Julia und ihre anderen Freundinnen, die sie unbedingt verkuppeln wollten, ihre dämlich Strafarbeit fürs Zuspätkommen, und dann noch Vaughn, der ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf ging. Das alles war zu viel für sie.

Soviel hatte sich mit einem Mal verändert, sie erkannte ihre Freundinnen kaum wieder. Allerdings, verstand sie sich selber auch nicht mehr. Alles hatte gepasst, war in Ordnung für sie gewesen, doch seit einiger Zeit hegte sie Zweifel, die sie nicht nachvollziehen konnte, die sie einfach nicht mehr loslassen wollten.

Sie wollte mit jemanden darüber reden, aber mit wem? Wer würde sie verstehen?

Chelsea dachte, dass ihre Freundinnen, die richtigen dafür wären, aber sie hatten bloß Jungs und noch mal Jungs im Kopf. Etwas Anderes, fand zu Zeit keinen Platz.
 

Chelsea fühlte sich so einsam, wie schon lange nicht mehr. Leider, sah sie daraus noch keinen Ausweg.
 

„Chelsea, wir…“
 

Doch, Chelsea hörte nicht mehr zu. Sie wollte nicht mehr zuhören. Abrupt, drehte sie sich um, und ließ ihre Freundinnen, sprachlos, wie sie waren, alleine auf dem Schulhof zurück.
 

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Zum ersten Mal in ihrem Leben, soweit Nathalie zurückdenken konnte, war sie sprachlos und fühlte sich zudem machtlos.

Nachdem Chelsea, nach ihrem Wutausbruch das Weite gesucht hatte, war Nathalie auf Drängen ihrer Freundinnen, ihr hinterhergelaufen. An der Bushaltestelle hatte sie ihre Freundin eingeholt, die noch immer mit ihren Tränen kämpfte. Die Pinkhaarige wollte sie trösten, wusste allerdings nicht wie und stieg stumm hinter ihr in den Bus ein.

Diese Fahrt war die längste gewesen, die sie je mit einem Bus unternommen hatte, obwohl sie seit zwei Wochen täglich mit dieser Linie unterwegs war. Das bedrückte Schweigen zwischen den beiden, machte die Situation auch nicht besser.

Chelsea weigerte sich stur, ihre Freundin anzusehen und starrte pausenlos aus dem Fenster. Während, Nathalie nicht wusste, was sie dagegen unternehmen sollte und beließ es einfach dabei.
 

Dummerweise, wartete bei Chelsea zu Hause die nächste Überraschung auf die Mädchen. Als sie die Küche betraten, fiel Nathalie, überrumpelt wie sie war, die Kinnlade runter, da ihre Mutter und ihr Großvater, zusammen mit Chelseas Vater am Küchentisch saßen und dampfende Kaffeetassen vor sich stehen hatten. Ihren Gesichtern war anzusehen, dass alle nicht unbedingt glänzender Laune waren.

Vorerst, stellte sich Nathalie ahnungslos, obwohl sie vermutete, was der Besuch zu bedeuten hatte.
 

„Na so was, das ist aber eine Überraschung.“, begrüßte Nathalie ihre Mutter und ihren Großvater in einem viel zu hellen Ton. „Was treibt euch denn hierher?“
 

„Jetzt tu nicht so ahnungslos, Nathalie.“, richtete Taro zugleich das Wort an sie ohne sie zu begrüßen. Seine Stimme war mächtig gereizt. „Zwei Wochen hören wir kein Wort von dir. Weigerst dich ans Telefon zu gehen, wenn deine Mutter anruft. Dabei wollten wir schon gerne erfahren, wie es dir hier so geht, wie die Arbeit ist und so weiter. Aber nein! Unser kleines Fräulein ignoriert ihre einzige Familie und hat nur sich selber im Kopf, wie es scheint. Dazu kam heute ein Brief aus eurer Schule an und teilt uns mit, dass fünf junge Damen zu spät zum Unterricht am Freitag erschienen sind!“
 

Damit hatte weder Nathalie noch Chelsea gerechnet. Sie dachten, dass die Sache zwischen ihrem Klassenlehrer und den Mädchen blieb, immerhin waren sie keine kleinen Kinder mehr. Sofort ballte Nathalie unbemerkt ihre Fäuste. Diese verdammten Pauker! Die hielten sich wohl für was Besseres und sahen es als ihre Pflicht an, diesen Vorfall ihren Eltern zu melden. Dabei handelte es sich, um lausige 20 Minuten!

Das teilte Nathalie auch ihrer Mutter und ihrem Großvater mit, doch sie waren davon weniger milde gestimmt.
 

„Trotzdem!“, beharrte Taro weiterhin. „Es kann nicht sein, dass ihr euch stundenlang unterhält und darüber hinaus die Zeit vergisst! Wir wollten dir etwas mehr Verantwortung übertragen, Nathalie. Aber wenn, das hier so weiterläuft, sehen wir schwarz mit dir.“
 

„Auch ich hätte das niemals von dir gedacht, Chelsea.“, wandte sich Andreas an seine Tochter. „Ich habe dich nicht zur Nachlässigkeit erzogen. Dir war so etwas noch nie passiert. Und ich möchte auch nicht, dass sich das wiederholt. Haben wir uns verstanden?“

„Ja, Vater.“
 

„Gut. Felicia, Taro und ich haben uns überlegt, dass es vielleicht am besten wäre, wenn Nathalie wieder zu ihrer Familie geht. Wir hatten eigentlich gedacht, oder besser gesagt, wir sind davon ausgegangen, dass sich dein vorbildliches, verantwortungsbewusstes Verhalten auf Nathalie überträgt. Es hat sich leider gezeigt, dass dem nicht so ist.“
 

„Aber, Vater. Es war bloß einmal. Das kann doch mal passieren. Außerdem, was sind schon 20 Minuten…“
 

„20 Minuten? Ich sage, es dir Chelsea. Jetzt mögen es nur zwanzig Minuten sein, doch was kommt als nächstes? Eine Stunde oder ein ganzer Tag? Ich kenne dich so gar nicht, Chelsea. So hast du früher nie darüber gesprochen. Ich dachte, die Schulbildung sei dir wichtig.“

„Das ist sie auch. Aber…“

„Und außerdem, werden du und dein Bruder diesen Hof übernehmen. Damit du in drei Jahren ebenfalls studieren gehen kannst, darfst du in der Schule nichts verpassen.“
 

Diese Information traf Chelsea völlig unerwartet, doch sie bestätigte, was sie insgeheim bereits befürchtet hatte. Ihr Vater wollte sie ebenso hier behalten, wie ihren Bruder. Zwar, interessierte sich Mark auch dafür und konnte sich für die Landwirtschaft und sein Studium begeistern, aber sie selber, hegte kein all zu großes Interesse daran, dass sie das später auch beruflich weiterverfolgen wollte. Außerdem, was würde ihr dieses Studium nützen? Für die physische Arbeit ist sie als Mädchen nicht geschaffen, an die Maschinen lässt man sie auch nicht ran. Nicht, dass sie es wollte, aber wenn man es mal in Betracht zog.

Auf den Feldern wird sie eingesetzt, wenn Erntezeit ist und der Haushalt war ihre Aufgabe. Sie war vielmehr eine Hausfrau, die die Männer bewirten kann, damit sie die eigentliche Arbeit verrichten können, und nicht vor Hunger dabei umkommen.
 

Neben ihrer Traurigkeit spürte sie immer mehr Wut. Wut und Enttäuschung auf ihr Leben und ihre Stellung, die sie ein Leben lang hier einnehmen soll. Sie wusste nicht wie sie darauf reagieren sollte. Warum wollte nur jeder, sie so haben, wie es den anderen in ihrem Umfeld passte? Sei es ihre Familie oder ihre Freundinnen, jeder von ihnen redete auf sie ein, wie sie zu sein hatte. Das alles war nicht fair.

Wahrscheinlich, würde ihr das alles leichter fallen, wenn sie über mehr Selbstvertrauen verfügen würde und hundertprozentig wüsste, was sie eigentlich von ihrem Leben möchte. Noch viel wichtiger war es, wer sie überhaupt sein wollte.
 

Doch in einem Punkt hatten ihre Freundinnen Recht, sie besaß wahrlich nur wenig Selbstbewusstsein, denn sie wagte es nicht, ihrem Vater zu wiedersprechen. Stattdessen, senkte sie betrübt ihr Haupt.
 

„Gut.“, meldete sich Taro wieder zu Wort. „Nathalie, am Besten gehst du jetzt in dien Zimmer und packst deine Sachen. In einer Stunde werden wir fahren.“

„Aber, das könnt ihr doch nicht machen!“, wütend stampfte Nathalie mit ihrem rechten Fuß auf. „Wegen so einer Kleinigkeit, muss man doch nicht ein solches Drama veranstalten. Ich verspreche, dass sowas nie wieder vorkommt. Außerdem…“
 

„Nathalie, halt sofort deinen Mund!“
 

Entsetzt, hielt die Angesprochene in ihrem Redeschwall inne. Ihre Mutter war von ihrem Stuhl aufgesprungen und blickte ihre Tochter vorwurfsvoll und enttäuscht an.
 

„Vergiss nicht, mit wem du sprichst! Wir sind deine Eltern, auch wenn dein Vater nicht anwesend ist. Er macht sich dieselben Sorgen, wie dein Großvater und ich. Wir entscheiden, was das Beste für dich ist. Du hast uns bereits oft genug enttäuscht, dass wir das nicht mehr länger mit ansehen oder so einfach hinnehmen werden. Deine Entschuldigungen, so Leid es mir tut, dir das als Mutter zu sagen, sind nichts mehr wert. Das hat die Vergangenheit gezeigt.“
 

Mit aufgerissenen Augen stand Nathalie vor ihrer Mutter und sah sie perplex an. Noch nie, hatte sie ihre Mutter, so mit ihr gesprochen. Bisher war sie immer verständnisvoll gewesen, hatte sie vor ihrem Großvater in Schutz genommen, aber jetzt, mit einem Mal, war das nicht mehr vorhanden. Ihre Mutter war sehr enttäuscht von ihr und schien sich sogar für sie zu schämen.
 

Mechanisch bewegte sich Nathalie in ihr Zimmer. Sie sah nicht einmal Chelsea an, die ihre eigenen Probleme hatte. Selbst, nachdem sie ins Auto von ihrem Großvater stieg und den Hof hinter sich ließ, hatte sie sich nicht von ihrer Freundin verabschiedet, die wiederum nicht an der Haustür erschienen war, um ihr zum Abschied zu winken.

Mein großer Bruder

Kapitel 13
 

Mein großer Bruder
 

Mark hatte von der Auseinandersetzung zwischen Nathalie und ihrer Familie, aber auch von seiner Schwester und seinem Vater erfahren. Er hatte mitbekommen, dass Chelseas Freundin nicht mehr bei ihnen wohnte, wobei er zugeben musste, dass er das nicht unbedingt schade fand. Selbst ihm, war Nathalie auf die Nerven gegangen, mit ihren Launen, der unkonzentrierten Arbeit, obwohl es besser geworden war, aber nach wie vor noch eine Zumutung. Außerdem, hatte sie häufiger versucht, sich an ihm ranzumachen und das konnte er am Wenigsten leiden. Erst, als er ihr letzte Woche erzählte, dass er ein Mädchen an der Uni kennengelernt hatte, das er sehr interessant fand, hatte sie von ihrem Vorhaben abgelassen, auch wenn es eine Notlüge gewesen war, die aber funktionierte.
 

Beim Abendessen, war die Stimmung am Tisch alles andere als fröhlich. Daran konnte Mark leider auch nichts ändern. Sein Vater ein sturer Dickkopf, der sowieso nicht mit sich hätte Reden lassen und seine jüngere Schwester Chelsea, die große Mühe hatte, überhaupt einen Bissen runter zu kriegen. Der junge Mann versuchte, heitere Gesprächsthemen in Gang zu bringen, blieb aber erfolglos. Am Ende, gab er es auf.
 

Nach dem Abendbrot, half Mark seiner Schwester den Tisch abzuräumen und die Küche sauber zu hinterlassen. In diesem Moment, wurde ihm bewusst, dass er das schon lange nicht mehr getan hatte. Vor seinem Studium, stand er mit Chelsea regelmäßig in der Küche und hatte ihr geholfen den Tisch zu decken oder wieder abzuräumen, seltener half er Gerichte zuzubereiten. Das war nicht gerade seine Stärke. Die von deren Vater ebenfalls nicht.

Seine Mutter war dafür, vor seiner Schwester zuständig gewesen. Als, sie gestorben war, wusste sein Vater nicht weiter und war mit Hof und Haushalt völlig überfordert. Doch, zum Glück, kamen Mirabelle und Felicia abwechselnd vorbei und sorgten dafür, dass der Haushalt nicht arg in Mitleidenschaft gezogen werden konnte. Chelsea hatte von beiden den richtigen Umgang in der Haushaltsführung gelernt und es schließlich ganz übernommen. Auf eine gewisse Art und Weise, war es für Mark auch logisch gewesen, für seinen Vater war es aber selbstverständlich, dass es sich so entwickelt hatte. Jedoch, bekam Mark Zweifel daran und erkannte jetzt erst so wirklich, welche Stellung Chelsea innerhalb der Familie aufgezwungen wurde.
 

Es war ihre Aufgabe, dass Haus in Ordnung zu halten, für das Essen zu sorgen, die Wäsche zu waschen, Einkäufe zu erledigen und vieles mehr. Nie hatte sie sich beklagt, und das war mehr als sonderbar. Andere Mädchen, wenn sie 16, fast 17 Jahre sind, wollen etwas erleben, sich mit ihren Freundinnen verabreden, auf Partys gehen oder dergleichen. Aber nicht seine kleine Schwester, die stets still, gehorsam und brav ihren Pflichten nachgeht, was für ihn und deren Vater sehr bequem ist.

Allerdings, hieß das noch lange nicht, dass das so richtig ist, denn an diesem Abend, nahm er bewusst wahr, dass Chelsea unendlich traurig sein musste.

Er fiel glatt aus allen Wolken, als ihm sein Vater vorhin erzählt hatte, dass Chelsea, genauso wie er, Landwirtschaft studieren soll, um den Hof mit betreiben zu können. Eine innere Stimme sagte ihm, dass es sein Vater sogar erwartete, es stand für ihn bereits fest. Doch, Mark konnte nicht glauben, dass es seine Schwester ebenfalls so wollte.
 

„Schwester, wie geht es dir?“
 

Langsam trat Mark an seine Schwester heran und legte eine Hand auf ihre linke Schulter. Chelsea wischte seit fünf Minuten das Spülbecken, obwohl es vor Sauberkeit nur so glänzte. Inzwischen, war sie mit ihren Gedanken wieder ganz woanders gewesen.

„Gut, Bruder. Nur etwas müde, das ist alles.“, antwortete sie, wobei sie es vermied ihren Bruder in die Augen zu sehen, denn dann hätte er sofort gesehen, das dem nicht so war. Wobei es Mark auch so bemerkte, dass seine Schwester etwas bedrückte.
 

„Chelsea, willst du mir nicht ehrlich sagen, wie es dir geht? Wir konnten uns doch immer alles erzählen.“

Behutsam redete Mark auf seine Schwester ein und es half. Chelsea brach in Tränen aus und ließ sich in die Arme ihres Bruders fallen, der sie beschützend festhielt.
 

„Ist schon gut, kleine Schwester. Lass alles raus. Vielleicht, ist es besser, wenn wir nach oben gehen in dein Zimmer, damit Vater nichts mitkriegt.“
 

Chelsea nickte bloß und mit einer Bewegung hob Mark sie hoch und trug sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer, wo sie sich auf ihr Bett fallen ließ. Zugleich, deckte Mark sie mit ihrer Deckte zu und setzte sich neben sie. Dabei streichelte er, ihre Haare aus dem Gesicht und wartete bis sie sich ausgeweint hatte.

Es dauerte, bis Chelsea wieder beruhigt in der Lage war zu sprechen.
 

„Bruder?“

„Ja, Chelsea?“

„Kannst du dich noch an Mama erinnern?“
 

Mark hätte mit jeder Frage gerechnet, aber nicht mit dieser. Er überlegte lange, ehe er darauf einging.
 

„Nein, nicht wirklich. Ich war vier Jahre alt, als Mutter von uns ging und du geboren wurdest. Ich weiß nur noch, dass sie immer nach Pfirsichen geduftet hatte. Mehr leider nicht.“
 

„Deswegen, isst du Pfirsiche so gerne.“
 

„Ja. Sie beruhigen mich, wenn ich gestresst bin, dann fühle ich mich, das mag jetzt seltsam klingen, aber dann fühle ich mich nicht so einsam. Dann habe ich das Gefühl, dass Mutter noch bei mir wäre.“
 

„Ich finde, das nicht seltsam.“, antwortete Chelsea und lächelte zum ersten Mal an diesem Abend ihren Bruder an, auch wenn es nur ein sehr schwaches Lächeln war.

„Immerhin, hast du etwas, was dich an Mutter erinnert, was du mit ihr in Verbindung bringen kannst. Ich dagegen…ich habe nichts von ihr.“
 

Prompt, traten einzelne Tränen erneut hervor und liefen über Chelseas Gesicht. Es war zu schmerzhaft an ihre Mutter zu denken. An eine Frau, die sie niemals kennen lernen würde, die sie aber zur Welt gebracht hatte. Das Leben war so ungerecht.
 

„Da irrst du dich.“, holte Mark sie wieder aus ihren trüben Gedanken.

„Du hast sehr viel von ihr, Schwester, viel mehr als ich. Du musst nur mal richtig in den Spiegel sehen.“
 

„Hä? Was genau meinst du?“
 

„Nun, als erstes wäre da, dein Aussehen. Du siehst Mutter zum verwechseln ähnlich. Dann, das sie genau so ruhig und liebevoll war wie du es bist. Dein Sinn für Ordnung, ist ebenso von ihr. Und was das Essen betrifft, stehst du ihr in nichts nach.“, lachte Mark und hoffte seine Schwester damit anstecken zu können.

„Woher weißt du das?“, fragte Chelsea skeptisch nach.
 

„Ganz einfach. Selbst wenn ich mich nicht mehr richtig an sie erinnern kann, sind da allerdings immer noch die Gefühle und Empfindungen, die ich habe, wenn ich an sie denke. Sie sind all die Jahre über dieselben geblieben. Manchmal, hatte ich sogar den Eindruck, dass, wenn du in meiner Nähe bist, zugleich Mutter bei uns ist. Du verkörperst sie auf eine Art, die man schwer erklären kann. Es ist, als würde unsere Mutter durch dich weiterleben, wobei du immer noch du selber bist.“
 

„Das verstehe ich nicht. Wie kann ich gleichzeitig ich selber und Mutter sein? Das ist doch unmöglich?“
 

„Ich sage ja, es ist schwierig zu beschreiben.“, antwortete Mark und senkte für einen kurzen Moment verlegen seinen Blick. „Es ist so ein Gefühl, dass sagt, dass Mutter damals, nicht ganz von uns gegangen ist. Das sie etwas in dir zurückgelassen hat. Wirklich Chelsea, vielleicht gelingt es mir besser, wenn ich genauer darüber nachgedacht habe.“
 

„Ist schon gut. Trotzdem, hört es sich schön an, was du da sagst. Wahrscheinlich, ist es für Vater deswegen so logisch oder so offensichtlich, dass ich hier bleiben soll.“
 

„Niemand zwingt dich, dass du ein Leben lang hier auf dem Hof bleiben musst, wenn du andere Pläne hast, Chelsea.“
 

„Und warum, ist es für Vater dann schon entschieden? Er hat mich nicht einmal gefragt. Es ist für ihn selbstverständlich, dass ich weiterhin unter seiner Obhut lebe und den Haushalt führe, denn was anderes kann ich hier doch kaum machen. Ich füttere die Tiere nebenbei oder helfe auf dem Feld, aber ansonsten kann ich doch kaum mit anpacken. An die Maschinen lässt mich Vater nicht ran. Er hatte sogar mal zu mir gesagt, dass das keine Arbeit für ein Mädchen sei. Angeblich, will er nicht, dass ich mich dabei verletze. Was ich albern finde. Ich kenne die Schutzvorrichtungen. Die gibt es schließlich nicht umsonst.“
 

„Ich verstehe deinen Unmut. Vater will dich hier im Haus sehen und nirgendwo anders. Ich muss gestehen, dass ich vorhin, bei meinem Gespräch mit ihm, diese Vermutung zum ersten Mal gehabt habe. In letzter Zeit, war ich von meinem Studium sehr eingenommen wurden.“
 

„Ich mache dir keinen Vorwurf. Du begeisterst dich für die Arbeit hier, für unsere Arbeit. Du engagierst dich und sitzt mit Vater oft zusammen und ihr schmiedet gemeinsam Pläne. Das finde ich auch alles wunderbar. Aber, es ist nicht das, was ich möchte.“
 

„Was möchtest du denn, Schwester?“

„Das ist ja das Schlimme. Ich weiß es nicht. Zumindest, nicht konkret.“

„Erzähl mal etwas genauer.“
 

„Nun ja, ich weiß schon, was mich interessiert, was ich gerne tue, wie zum Beispiel Bücher lesen oder Zeichnen. Darin wurde ich schon oft in der Schule gelobt, und das löste in mir ein Glücksgefühl aus, dass es kaum zu beschreiben ist. Ich bin in diesen Momenten einfach unglaublich froh und stolz auf mich selber, für das, was ich geschaffen habe.“
 

„Stimmt, malen konntest du schon immer.“, erinnerte sich Mark und hörte seiner Schwester weiter zu.
 

„Zudem, backe und koche ich ebenfalls sehr gerne. Ich schreibe auch für mein Leben gerne Gedichte. Inzwischen, besitze ich eine kleine Sammlung davon. Doch, was ich beruflich machen will, was ich werden oder wer ich sein will, weiß ich nicht. Ich höre so viel, wie mich andere beschreiben, dass ich das Gefühl bekomme, dass ich dem auch gerecht werden muss. Manchmal, frage ich mich wirklich, wer ich eigentlich bin.“
 

„Ich denke, ich verstehe. Du versuchst, alle immer gleich zu behandeln. Nett, freundlich, zuvorkommend, hilfsbereit…Was, an sich auch nicht verwerflich ist. Allerdings, immer nur an andere zu denken, macht dich nicht glücklich. Das kann dich nicht zufrieden machen, weil du selber auf der Strecke bleibst, und dann nicht mehr weißt wohin.“
 

„Genau. Das trifft es ungefähr.“

„Es ist nicht verkehrt, wenn du auch mal egoistisch bist. Das gehört zum Mensch sein dazu und ist völlig normal. Solange, man andere nicht verletzt oder vergisst. Was bei dir garantiert niemals passieren wird. Ich kenne dich, Chelsea, vermutlich sogar besser, als du dich selber kennst.“
 

„Ich weiß, ich bin ein hoffnungsloser Fall.“
 

„Nein, Chelsea. Jetzt, hör mir mal zu.“

Eindringlich, sah Marks seiner Schwester in die Augen. „Du bist eine wundervolle, bemerkenswerte und begehrte junge Frau, die von Tag zu Tag hübscher wird. Du kannst alles machen, was du dir vorstellst. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.“
 

Gerührt, war Chelsea für einen Augenblick sprachlos. Solch schöne Worte, hatte noch nie jemand an sie gerichtet.
 

„Findest du das wirklich, Bruder? Ich bin kein Mauerblümchen? Oder siehst du es als deine Pflicht als Bruder, mir so etwas zu sagen?“, fühlte sie ihm gleich auf den Zahn.
 

„Beides, Schwester. An dir kann man nicht vorbeigehen, ohne sich wenigstens einmal nach dir umzudrehen.“
 

Zum ersten Mal an diesem Tag, lachte Chelsea und vergas ihren Kummer und ihre Sorge. Es tat ihr gut, sich mit ihrem Bruder zu unterhalten. Ein solches Gespräch hatten sie lange nicht mehr geführt und sie merkte, dass sie es sehnlichst vermisst hatte.
 

„Danke, Bruderherz. Du bist einfach der Beste.“

„Das weiß ich doch.“, erwiderte der Blonde mit einer Spur Arroganz, die mehr als übertrieben war. Doch bei Chelsea bewirkte es, dass sie noch mehr lachen musste.
 

„Bruder?“

„Ja?“
 

„Da ist noch etwas, über das ich gerne mit dir reden möchte. Sag, aber bitte nichts Papa davon.“

„Ich verspreche es, Chelsea. Solange, es nichts mit Drogen zu tun hat.“, neckte er sie.
 

„Nein, das bestimmt nicht. Es…es geht um einen Jungen…“

„Um einen Jungen?“
 

Zum Schluss erzählte Chelsea ihrem Bruder von Denny und das er sie für diesen Freitag um ein Date gebeten und sie zugesagt hatte. Sie berichtete auch von ihrem Streit mit ihren Freundinnen und das sie ein furchtbar schlechtes Gewissen deswegen hatte, weil sie aus ihrer Sicht, wahrscheinlich überreagiert hatte.

Die Geschwister sprachen lange darüber und Mark erteilte Rat so gut er nur konnte und versprach, bei nächster Gelegenheit, mit ihrem Vater zu sprechen, was das Landwirtschaftsstudium für Chelsea betraf.
 

Weit nach Mitternacht verließ Mark das Zimmer seiner Schwester und er war überaus zufrieden, als er sah, dass seine kleine Schwester, nach diesem folgenschweren Tag, mit einem Lächeln im Gesicht eingeschlafen war.

Getrennte Wege

Kapitel 14
 

Getrennte Wege
 

Rasch ging die Sonne am nächsten Morgen auf. Chelsea stand bereits unter der Dusche und hoffte vom eiskalten Wasser wacher zu werden. Allerdings, hielt sie die kalte Dusche keine drei Sekunden durch und wechselte sofort wieder zum warmen Wasser. Doch, das kalte Wasser hatte ihre Wirkung dennoch nicht verfehlt. Mit einem Schlag fielen ihr die Geschehnisse des vergangen Tages ein und prompt wurde ihr mulmig zu Mute. Sie musste ihrem Vater und ihren Freundinnen gegenüber treten. Beides, sagte ihr nicht gerade zu.
 

Ersteres, verlief ruhig, aber auch extrem erdrückend. Am Frühstückstisch spürte man deutlich die Anspannung, die innerhalb der Familie herrschte. Folglich, wurde nicht viel gesprochen. Als es Zeit wurde, aufzubrechen, gab es ein knappes „Bis Nachher“ und jeder ging seiner Wege.
 

Im Bus wurde Chelsea recht schnell einsam. Die letzten Wochen hatte jeden Morgen Nathalie neben ihr gesessen und sie mit ihrem nerv tötendem Geplapper unterhalten. Zwar, war sie so früh nie in redseliger Stimmung gewesen, aber an diesem Morgen musste sie zugeben, dass sie es vermisste und sie wünschte sich, es wäre wieder anders. Schon komisch, dass man gerade dann etwas sehnlichst herbeisehnte, wenn es nicht mehr da war und man das Gefühl hatte, dass es auch nicht wieder kehren würde.

Chelsea bereute ihren gestrigen Wutausbruch und hoffte, dass ihre Freundinnen ihr verzeihen würden. Sie wusste, dass sie zu weit gegangen war, und dass es ihre Freundinnen nur gut mit ihr gemeint hatten. Hoffentlich, waren sie ihr nicht so nachtragend und nahmen ihre aufrichtige Entschuldigung an.
 

+++++
 

Vor der Schule, in der Nähe von der Bushaltestelle, warteten Julia und Lana auf Chelseas Ankunft. Beide hatten ebenfalls ein schlechtes Gewissen, was die Auseinandersetzung am vorigen Tag betraf und wollten es so schnell wie möglich bereinigen.
 

„Schon komisch, dass Sabrina noch nicht da ist.“, äußerte Lana ihre Gedanken laut. „Normalerweise, ist sie doch von uns immer die erste.“
 

„Stimmt, jetzt wo du es sagst, fällt es mir auch auf.“, antwortete Julia und sah die Straße auf und ab, in der Hoffnung, ihre Freundin jeden Moment zu erblicken. „Hoffentlich, war ihr Vater nicht all zu streng mit ihr, was den Brief aus der Schule betrifft.“
 

„Wir werden es ja erfahren. Wundern würde es mich aber nicht, wenn Regis nicht gerade erfreut war. Meinen Eltern war es egal. Sie haben sich den Brief nicht einmal angesehen.“

Dabei machte das blonde Mädchen einen tiefen Seufzer.
 

Lanas Eltern, beziehungsweise ihre gesamte Familie, waren nicht wohlhabend. Sie besaßen das Nötigste, was man zum Leben benötigte. Sie lebten in einer Wohnung, die sich in einem ärmlicheren Stadtteil befand. Viele hegen deswegen Vorurteile gegenüber Lana und ihre Familie, aber auch ihren Nachbarn. Lana sprach nicht oft über ihre Familie. Ihre Freundinnen kannten die Situation und grenzten ihre Freundin keineswegs aus. Im Gegenteil, sie hatten Lana sehr lieb gewonnen. Denn, im Gegensatz zu ihren vielen Nachbarn, merkte man Lana ihre Herkunft nicht im Geringsten an. Zwar trug sie, nicht die neuesten Designerklamotten und konnte es sich bisher nicht leisten ihre Haare einmal zu färben, aber das war ihr auch nicht so wichtig. Ihr ging es mehr darum, nicht mit schlechtem Benehmen aufzufallen, sondern einen guten Schulabschluss zu erlangen, um später einen vernünftigen Beruf ausüben zu können.

Lana war die einzige in ihrer Familie, die aufs Gymnasium ging. Ihre Eltern hatten jeweils einen Hauptschulabschluss und auch ihre Geschwister, sie hatte drei Schwestern und zwei Brüder, die alle jünger waren als sie und gingen entweder noch zur Grundschule oder aber ebenfalls in die Hauptschule.

Leider, war ihren Eltern Bildung und Erziehung nicht so wichtig, wie sie es gerne gehabt hätte. Oft schimpften und fluchten ihre Familie über den reichen Snob und dessen angeberischem Verhalten. Vulgäre Ausdrucksweisen gehörten in deren Alltag.

Lana grenzte sich von all dem, so weit es ihr möglich war, ab. Mit ihren 16 Jahren hatte sie schon genaue Vorstellungen, wie ihr Leben später aussehen sollte. Sie wollte für sich selber Sorgen können und nicht darauf angewiesen, von einem verdienenden Mann abhängig zu sein. Ihre Mutter hatte diese Rolle eingenommen und das konnte sie nicht nachvollziehen.
 

Schweigend, drückte Julia die Hand ihrer Freundin. Lana verstand diese Geste und war auf der Stelle gerührt.

„Bald müsste der Bus kommen.“, sagte Julia und sah ein weiteres Mal auf ihre Armbanduhr. „Vor einer Minute hätte er ankommen müssen.“

„Er kommt gerade um die Ecke, Julia.“

Zur Bestätigung zeigte Lana in die Richtung, aus der der Bus endlich ankam.
 

Chelsea entdeckte ihre Freundinnen, in dem Moment, als sie aus dem Bus ausgestiegen war. Sie war ein wenig erleichtert, als ihre Freundinnen ihr einladend zuwinkten.
 

„Guten Morgen, Chelsea.“, begrüßten die Mädchen sie. „Wie geht es dir? Dein Vater war wohl nicht so erfreut gewesen, oder?“

„Nein. Es war eine Katastrophe. Für Nathalie war es, denke ich, schlimmer.“

„Wo ist sie denn? Müsste sie nicht mit dir kommen?“, fragte Julia neugierig und sah über Chelsea hinweg, als würde sie dort jede Sekunde Nathalie erblicken.
 

„Ihr Großvater und ihre Mutter waren gestern bei uns. Mit meinem Vater zusammen hatten sie bereits auf uns gewartet. Nachdem, sie uns ausgeschimpft hatten, musste Nathalie ihre Sachen packen.“

„Was? So krass gleich?“

„Ja.“ Chelsea nickte bestätigend. „Es tut mir so Leid für sie. Ich habe mich noch nicht einmal von ihr verabschiedet.“
 

„Mach dir deswegen keinen Vorwurf, Chelsea.“, redete Lana aufmunternd auf sie ein. „So eine Reaktion konntest du nicht voraussehen, obwohl ich es für zwanzig Minuten zu spät Kommen, ganz schön übertrieben finde.“

„Das finde ich auch. Meine Mutter war zwar auch nicht erfreut davon, aber sie meinte, dass so was mal passieren könne. Immerhin, war es nicht unsere Absicht.“

„Hast du es gut, Julia.“
 

„Hört mal, ich…“, meldete sich Chelsea wieder zu Wort, wobei sie ihren Blick für einen kurzen Augenblick gesenkt hatte. „Wegen gestern, es…es tut mir schrecklich Leid. Es war nicht meine Absicht gewesen, euch so anzuschreien. Das hattet ihr nicht verdient. Immerhin, hattet ihr es nur gut mit mir gemeint und wolltet mich unterstützen. Bitte, verzeiht mir.“
 

„Ach, Chelsea.“
 

Sowohl Julia, als auch Lana fielen ihrer Freundin um den Hals und drückten sich gegenseitig.
 

„Nicht nur du, musst dich entschuldigen. Auch uns tut es Leid. Wir wollten dir nicht das Gefühl geben, dass du dich ändern musst, um einem Jungen oder sonst wem zu gefallen.“

„Julia, hat Recht. Wir waren nicht ganz uneigennützig. Dabei hatten wir dich völlig überrumpelt. Ich verspreche es, dass kommt nie wieder vor.“

„Genau. Du bist wundervoll, so wie du bist. Wenn das Denny nicht erkennt, ist er nicht der richtige für dich.“
 

„Ach, Mädels.“ Tränen traten Chelsea in ihre Augen. Erstaunlich, dass sie noch welche produzieren konnte, nachdem sie sich gestern stundenlang die Augen ausgeheult hatte.
 

„Lasst uns etwas versprechen.“, erhob Julia ihre Stimme und sah ihre Freundinnen eindringlich an.

„Nie wieder, soll ein Junge der Grund dafür sein, dass wir uns streiten, geschweige denn ändern wollen. Wir bleiben so, wie wir sind.“
 

„Das hast du vortrefflich formuliert, Julia.“ Begeistert klatschte Lana in ihre Hände. „Jetzt, fehlen nur noch Sabrina und Nathalie.“
 

„Vielleicht, gehen wir aber schon mal auf den Pausenhof.“, schlug Chelsea vor und warf ihren Zopf zurück. „Dort kriegen wir eher mit, wann sie ankommen.“
 

Nathalie war die erste, die auf dem Schulgelände eintraf. „Nathalie sieht aus wie immer. Nichts lässt sie sich anmerken. Zumindest ungern.“, sprach Lana die Gedanken von ihnen allen laut aus.

„So aufgedonnert, könnte man denken, dass sie geradewegs auf dem Weg in eine beliebige Diskothek ist.“

„Rufen wir sie. Ich glaube nicht, dass sie uns gesehen hat.“, äußerte Julia ihre Vermutung, die nicht ganz korrekt war.

Das pinkhaarige Mädchen, die wie ein Model gekleidet war, hatte ihre Freundinnen in dem Moment entdeckt, als sie durch das Schultor schritt. Jedoch, ignorierte sie die Mädchen und hielt demonstrativ Ausschau nach Lukas und den anderen Jungs aus seiner Klasse.
 

„Bilde ich mir das nur ein, oder will sie uns nicht wahrnehmen?“, fragte Lana irritiert und sah ihre Freundinnen hilfesuchend an.

„Mir war auch so, als hätte sie für einen kurzen Moment in unsere Richtung geschaut, sich dann aber wieder abgewandt.“, meinte Chelsea.
 

„Das lassen wir uns nicht bieten.“, sagte Julia bestimmt und setzte sich bereits in Bewegung, um ihre Freundin zur Rede zu stellen. Chelsea und Lana folgten ihr.
 

„Hey, Miss Klum.“, begrüßte Julia Nathalie übertrieben und musterte sie mit strengem Blick. „Gehst du uns aus dem Weg oder hast du andere Pläne?“

„Als ob es euch ernsthaft interessieren würde.“, antwortete Nathalie süffisant und machte keinerlei Anstalten ihre dunkle Sonnenbrille abzusetzen.
 

„Was soll das denn heißen?“, hakte Lana nach, wobei sie ihre Arme vor ihrer Brust verschränkte.

„Das könnt ihr Chelsea fragen.“, entgegnete sie lakonisch.
 

„Was meinst du?“, fragte die Brünette unsicher. „Wenn es wegen gestern ist, dass ich so ausfallend euch gegenüber geworden bin, tut es mir Leid. Das habe ich nicht gewollt.“
 

„Nicht gewollt? Du willst sovieles nicht, verehrte Chelsea. Anscheinend, willst du immer die kleine Miss Unschuldig bleiben.“

„Nathalie, was ist in dich gefahren?“, schaltete sich Julia dazwischen.
 

„Ihr wollt es also wissen? Na gut. Unsere liebe Chelsea ist zu feige, um auch nur einmal ihren eigenen Standpunkt zu vertreten. Stattdessen, tut sie schön brav, was andere von ihr erwarten, beziehungsweise, was ihr Vater sagt. Sie widerspricht nicht. Selbst dann nicht, wenn man gegen mich wettert. Du hast tatenlos dabei zugesehen, wie meine Familie mich abgeholt hat und du hast dich noch nicht einmal von mir verabschiedet.“
 

Nathalie traf ins Schwarze. Betroffen, starrte Chelsea gen Boden. Sie hatte damit gerechnet, dass Nathalie ihr das übel nehmen würde. Wie konnte sie das nur wieder gerade biegen?
 

„Nati, ich…“
 

„Spar dir die „Nati-Nummer“.“, unterbrach Nathalie sie brüsk, wobei ihre Hände anfingen zu zittern, weswegen sie diese zu Fäusten ballte. „Du hast mich schwer enttäuscht, Chelsea. Das kann ich dir nicht so einfach verzeihen. Von wegen, ich bin immer für dich da, oder du kannst mit mir reden, wenn du Probleme hast. Ich hatte ein Problem, direkt vor deinen Augen, aber du hast nicht einmal hingesehen!“
 

Versteinert, stand Chelsea da und konnte sich nicht rühren. Sie war nicht mal in der Lage, etwas dagegen zu erwidern. Nathalie hatte Recht. Vor ihrem Vater und Nathalies Mutter und Großvater hatte sie nichts getan, um ihrer Freundin beizustehen. Dabei, hätte sie nur sagen müssen, dass das nicht Nathalies Schuld war, dass sie zu spät zum Unterricht erschienen waren, sondern dass sie alle die Schuld dafür trugen. Außerdem, hätte Chelsea, Nathalie vor ihrer Familie loben können, wie fleißig sie in den letzten zwei Wochen gewesen war und das es keinen Grund dafür gab, dass Nathalie wieder ihre Sachen packen musste.
 

„Du bist feige, Chelsea! Und…Ich habe genug von dir. Genug von euch allen.“

Damit wandte Nathalie ihren Freundinnen den Rücken zu. Mit erhobenem Haupt stolzierte sie über den Hof und betrat das Schulgebäude.
 

„So eine Frechheit!“, tobte Julia. „Die wird mich kennen lernen. Vorwürfe machen und dann einfach zu verschwinden, ohne das wir etwas darauf erwidern konnten.“
 

„Nein, Julia.“, sprach Chelsea leise. Erschöpf drehte sie sich ihren Freundinnen zu.

„Aber, Chelsea. Das können wir nicht auf sich beruhen lassen. Nach allem, was sie dir vor geworfen hat.“
 

„Nein, sie hat Recht.“

„Chelsea.“ Besorgt trat Lana auf ihre Freundin zu und legte einen Arm um sie.
 

„Es stimmt aber. Ich habe einfach so dagestanden, weil ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt war. Nathalie hat allen Grund, sauer auf mich zu sein.“

„Nein, Chelsea. Nicht nur du hast Fehler gemacht. Wir alle. Und Nathalie soll sich mal an ihre eigene Nase fassen.“

„Trotzdem. Es ist alles zu viel auf einmal. Ich glaube nicht, dass ich sie jetzt milde stimmen kann, wenn sie so aufgebracht ist.“

„Das mag sein, aber…Seht! Da kommt Sabrina. Ihr…Ihr Vater begleitet sie?!.“
 

Gleichzeitig richteten die Freundinnen, ihren Blick zum Schultor. Ein seltener Anblick bot sich ihnen und ihren Umstehenden. Sabrinas Vater ließ sich nie außerhalb seiner Villa blicken, es sei denn er hat ein wichtiges Meeting, und selbst dann, käme er normalerweise nie auf die Idee, sich in einer staatlichen Schule blicken zu lassen. Seine Tochter besucht diese öffentliche Einrichtung nur, weil sie einen guten Ruf genießt, mehr nicht.
 

Sein Anzug stach aus der Menge heraus und wirkte eigenartig fremd. Mit gebieterischer Haltung und stolzen Blick setzte er einen Fuß vor den anderen. Stumm folgte Sabrina ihm. Mit ihrer weißen Bluse, ihrem langen rosafarbenem Rock und pinken Strickjacke, dieses Ensemble machte einen Großteil ihrer Garderobe aus, wirkte sie extrem scheu und wahnsinnig sensibel.
 

Als, sie und Regis, ihr Vater, an ihren Freundinnen vorbei gingen, schenkte sie ihnen einen flüchtigen Blick, der eindeutig sagte, dass sie sie nicht ansprechen sollten.

Perplex, starrten Chelsea, Julia und Lana ihrer Freundin hinterher. Was hatte das jetzt zu bedeuten?

Dennys wahre Absicht

Kapitel 15
 

Dennys wahre Absicht
 

Der Besuch von Sabrinas Vater, Regis, an der Schule hatte zur Folge, dass seine Tochter von der Schule genommen wurde und an einer reichen Privatschule angemeldet wurden war. Diese befand sich auf der anderen Seite der Stadt, wodurch es den Mädchen unmöglich gemacht wurde, sich tagsüber zu treffen.

Obwohl, dies anscheinend nie wieder geschehen sollte, wenn es nach Regis Auffassung ging.
 

Chelsea, Julia und Lana wollten ihre Freundin besuchen fahren und von ihr hören, wie es jetzt mit ihr weitergehen sollte, doch die Mädchen wurden gar nicht erst in ihre Nähe gelassen. Außerdem, wurde Sabrina auch der telefonische Kontakt zu ihren Freundinnen verboten.

Dadurch war eine Aussprache nicht möglich und die Mädchen mussten sich mit dieser Situation geschlagen geben.

Des Weiteren, stand das Date zwischen Chelsea und Denny an. Julia und Lana hatten große Mühe, Chelsea zum Gehen zu bewegen.
 

„Chelsea, “, sprach Lana erneut auf ihre Freundin ein. „du und Denny, ihr habt euch für Morgennachmittag verabredet. Du solltest dich mit ihm treffen. Ein Tag über etwas anderes nachzudenken, wird dir gut tun.“
 

„Aber Lana, du weißt, dass mein Vater mir verboten hat, mich direkt nach der Schule zu verabreden, und das egal mit wem. Außerdem, würde ich nur zu gerne erfahren, wie es Sabrina geht. Nathalie geht uns auch noch nach wie vor aus dem Weg.“

Traurig senkte Chelsea ihren Blick. Die Ereignisse von Montag gingen ihr noch immer ziemlich nah.
 

Vorsichtig trat Julia auf ihre Freundin zu und legte einen Arm um sie.

„Chelsea, so geht es uns beiden auch. Trotzdem, solltest du dir diese Chance nicht entgehen lassen. Was deinen Vater betrifft, so hast du uns doch erzählt, dass dein Bruder dir dabei helfen wollte.“

„Ja, schon, aber das war bevor das mit Nathalie und Sabrina passiert ist. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich sie dabei im Stich lasse.“
 

„Nein, so darfst du nicht denken. Außerdem, warum? Momentan kommen wir sowohl an Nathalie, als auch an Sabrina nicht heran. Vielleicht wäre es, im Moment wirklich sinnvoller, wenn wir die Sache erstmal ruhen lassen. Wer weiß, wenn etwas Zeit vergangen ist, haben sich die erhitzten Gemüter wieder abgekühlt.“

„Julia hat Recht. Wir sollten es nicht noch länger so negativ sehen. Schauen wir lieber nach vorne. Eine Möglichkeit wird sich bestimmt von alleine ergeben.“
 

„Glaubt ihr das wirklich?“, fragte Chelsea noch ein wenig zweifelnd nach.

„Ja.“, kam die Antwort von Julia und Lana wie aus einem Mund.
 

Am Ende nickte Chelsea. Sie versprach ihren Freundinnen sich Mühe zu geben und nicht mehr all zu sehr ihren deprimierenden Gedanken nach zu hängen.
 

+++++
 

Am nächsten Tag war es soweit. Mark hatte sich eine Ausrede einfallen lassen, weswegen seine Schwester nach der Schule nicht gleich nach Hause fahren sollte. Offiziell hieß es, dass er seine Schwester nach der Uni von der Schule abholen würde und mit ihr in den Baumärkten unterwegs ist. Denn, es stimmte, dass Mark sich nach einem stabileren Zaun für die Kuhwiese erkundigen wollte. Der alte Zaun wurde allmählich ziemlich morsch.

Somit konnte Chelsea zu ihrer Verabredung mit Denny gehen. Ihr Bruder würde sie dann gegen Abend abholen kommen, sobald sie sich per Handy bei ihm melden wird.
 

„Es freut mich, dass unsere Verabredung noch stattfindet.“
 

Chelsea und Denny trafen sich, wie vereinbart, am Tor der Schule und begaben sich zu Fuß in Richtung Zentrum der Stadt, wo sich das beliebteste Einkaufscenter, vor allem der Jugendlichen, befand. Dort, bekam man alles, was sich das Herz begehrte. Angefangen von Lebensmitteln, Modeboutiquen, bis hinüber zu Sport- und Freizeitwaren, darunter auch Musik und Film.
 

Bisher, hatte Chelsea noch nicht viel mit Denny gesprochen. Sie war bis heute Morgen, drauf und dran gewesen, die Verabredung abzusagen. Einerseits, hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihren Vater anlog und ihr Bruder sie dabei unterstützte, andererseits, musste sie nach wie vor noch an Nathalie und Sabrina denken, und das Gefühl, dass sie ihr unwahrscheinlich fehlten. Sie vermisste, Nathalies selbstverliebtes Verhalten, was soviel Selbstbewusstsein ausstrahlte, dass sich Chelsea, manches Mal gewünscht hatte, sie hätte genauso eins, oder Sabrinas ruhige, vernünftige Art, die stets objektiv war und immer ein offenes Ohr für Probleme oder Sorgen hatte, wenn man jemanden zum Reden benötigte.
 

Hinzu kam, dass sich Chelsea in Dennys Gegenwart nicht sonderlich wohl fühlte. Er war nett ihr gegenüber und schien keiner von diesen Rüpeln zu sein, die mit ihren Muskeln demonstrieren wollen, wie stark sie sind und was sie über Regeln halten, indem sie auf dem Schulhof rauchten oder regelmäßig in der Cafeteria oder Mensa, ein Belegtes Brötchen mitgehen ließen und damit auch noch prahlten.

Dennoch, kam es ihr nicht richtig vor, in der Nähe von Denny zu sein. Im Gegensatz zu ihren Freundinnen, konnte sie sich nicht im Entferntesten vorstellen, eine Beziehung mit ihm zu führen. Dafür kannte sie ihn nicht gut genug. Außerdem, lag etwas in Dennys Augen, was sie nicht deuten konnte. Und das, bereitete ihr Unbehagen.
 

„Wie kommst du darauf?“, fragte die Brünette und wandte ihr Gesicht Denny zu. Seine Aussage kam ihr verwirrend vor.

„Nun ja, man könnte sagen, dass fast die halbe Schule mitbekommen hat, dass ihr Mädchen euch mit Nathalie gestritten habt, weil man euch nicht mehr zusammen gesehen hatte, seit Montag. Zusätzlich, ist Sabrina, so heißt sie glaube ich, nicht mehr an unserer Schule und sie war schließlich auch eine gute Freundin von dir und den anderen. Da, dachte ich, dass du zu Zeit andere Sorgen hast, als dich mit mir zu treffen. Außerdem, hatte ich dich die ganze Woche über nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen.“
 

„Die ganze Schule redet über uns?“, hakte Chelsea neugierig nach und spürte wie sie wieder rot anlief, weil es ihr peinlich war, wenn andere über sie redeten.
 

„Vielleicht nicht die ganze, aber viele mit denen ich zu tun habe. Du musst bedenken, dass Nathalie häufig in meiner Klasse zu Besuch ist, in den Pausen. Daher hat sie einiges persönlich erzählt.“
 

„Und was? Etwas über mich?“
 

Nachdenklich, schaute Denny Chelsea an. Was machte sie sich nur für Gedanken? Sie ist ein eigenartiges Mädchen. Anscheinend sehr naiv, was für ihn nur von Vorteil wäre.
 

„Tja, wie soll ich sagen,“ , setzte er an und überlegte was er ihr erzählen sollte, was Nathalie angeblich gesagt haben könnte. „also, Nathalie war sehr aufgebracht. Sie war überaus verärgert und ließ nichts Gutes über ihre „ehemaligen Freundinnen“, so hat sie euch bezeichnet, hören. Nie wieder, will sie etwas mit euch zu tun haben. Erst recht nicht mit dir. Du musst sie wohl sehr erzürnt haben.“
 

Traurig und enttäuscht, senkte Chelsea ihren Blick gen Boden, worauf ihre Augen anfingen, sich mit bitteren Tränen zu füllen.
 

„Das hat sie wirklich gesagt?“, flüsterte sie und wollte die Antwort darauf nicht erfahren. Es schmerzte sie zu sehr.

„Ja.“, antwortete Denny, wobei er es recht leise sagte, sodass Chelsea ihn aber noch verstehen konnte.
 

Daraufhin, fing Chelsea an heftig zu Schluchzen. Ihre Tränen rannen ihr ungehindert über das Gesicht und trübten ihren Blick. Tröstend legte Denny einen Arm um Chelsea und zog sie behutsam an seine Brust.

Überrascht, über diese plötzliche Nähe, versteifte sich Chelsea erstmal, bevor sie sich dazu entschied, diese Umarmung zuzulassen. Ihre Trauer war so groß, dass sie einfach nur froh war, etwas Trost gespendet zu bekommen.
 

Einige Minuten verstrichen, in denen beide nur dastanden und kein Wort miteinander wechselten. Passanten gingen an ihnen vorbei und wunderten sich über diesen Anblick, doch Chelsea bekam davon nichts mit. Sie war zu sehr beschäftigt ihren Tränen freien Lauf zu lassen.
 

Nachdem, sie sich wieder gefangen hatte, bedankte und entschuldigte sich Chelsea, für ihr Verhalten, doch Denny winkte lächelnd ab.

„Kein Problem, dafür bin ich doch da. Wenn du Sorgen hast, kannst du immer zu mir kommen. Ich bin dann für dich da.“
 

„Danke, aber wir kennen uns doch gar nicht.“
 

„Aber, was redest du denn da? Natürlich kennen wir uns. Du bist Chelsea und ich bin Denny. Wir sind keine Fremden mehr.“

„Wie? Ich verstehe nicht, wie…“
 

„Hör mal zu, Chelsea.“, unterbrach Denny sie und blickte ihr eindringlich in die Augen. „Ich mag dich. Ich mag dich wirklich sehr. Ich weiß nicht wieso, aber du bist mir nicht egal. Ich bin gerne in deiner Nähe und kann es partout nicht leiden, wenn du traurig bist. Ich möchte, dass du glücklich bist, und um das zu erreichen, stehe ich jetzt vor dir. Wenn du eine Schulter zum Ausweinen brauchst, kannst du jederzeit meine nehmen. Ich halte sie dir gerne hin. Und noch was, ganz egal, was Nathalie über dich gesagt hat, es ist für mich bedeutungslos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du so ein mieser Mensch sein sollst, als den sie dich versucht hat, darzustellen.“
 

Zögernd nickte Chelsea. Dennys letzte Worte hatten ihr wieder einen kleinen Stich versetzt, aber alles andere hatte innerlich, etwas berührt, obwohl sie sich immer noch nicht sicher war, ob sie Denny wirklich trauen konnte. Sein Verhalten wirkte freundlich und einfühlsam, aber irgendwie auch berechnend. Das konnte Chelsea nicht nachvollziehen, warum sie diesen Gedanken ihm gegenüber hegte. Er schien sich mit ihr wahrhaftig Mühe zu geben. Ihm zumindest, sollte sie versuchen eine Chance zu geben. Vielleicht würden sich dann ihre Zweifel von alleine zerschlagen.

Zumindest, hoffte sie es.
 

Danach, hatten beide einen schönen Nachmittag. Sämtliche Läden sahen sie sich im Einkaufscenter an, aßen thailändisch zu Mittag und verzehrten danach jeweils einen großen Eisbecher, mit verschiedenen Sorten an Eis. Zwar versuchte Chelsea, Denny nicht alles alleine zahlen zu lassen, doch er bestand vehement darauf und blockte Chelseas Einwände ab.

Diese und andere Gesten bewirkten, dass sich Chelsea nach und nach entspannte. Denny brachte sie zum Lachen und gab vieles aus seiner Kindheit und seinem Elternhaus preis, sodass Chelsea fasziniert zuhörte, ohne ihn ein einziges Mal in seinen Erzählungen zu unterbrechen.
 

Es war wenige Minuten nach 17 Uhr, als Chelsea ihm schließlich verkündete, dass sie sich bald mit ihren Bruder treffen müsste, um rechtzeitig wieder zu Hause zu sein.
 

„Doch bis 18 Uhr, hast du noch Zeit, oder?“, fragte Denny hoffnungsvoll und sah Chelsea flehentlich an. Aufgrund dessen Anblicks, musste Chelsea laut lachen.

„Ja, das habe ich noch. Aber ich muss ihm Bescheid geben, wo er mich abholen kann.“
 

„Komm doch noch mit zu mir. Ich wohne nicht weit von hier. Es sind bloß fünf Minuten bis dahin.“, schlug er ihr vor und zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, wo sein zuhause lag.
 

„Du wohnst nicht weit vom Einkaufscenter entfernt? Warum hast du mich dann gefragt, ob ich dir alles zeigen könne, wenn du so nah hieran lebst?“

„Das liegt doch wohl auf der Hand.“
 

Ein selbstgefälliges Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Ich brauchte einen Vorwand, um mich mit dir zu verabreden. Das hielt ich für eine geniale Idee.“

„Ach so.“
 

Wieder einmal lief Chelsea rot im Gesicht an. Eins musste man Denny lassen, er brachte sie immer wieder dazu, sich albern und unwissend neben ihm vorzukommen.
 

„Du musst dich doch nicht schämen. Ich finde es süß, dass du so unschuldig bist.“
 

Natürlich, half diese Aussage auch nicht, dass sich Chelsea weniger peinlich fühlte, doch sie unterdrückte ihre aufkeimenden Alarmglocken und willigte ein, noch einen kurzen Abstecher zu Dennys Wohnung zu machen.
 

Denny führte Chelsea in eine schmale Gasse, von der er behauptete sie wäre eine Abkürzung. Allerdings, fühlte sich Chelsea alles andere, als wohl dabei. Denn in dieser Gasse befand sich sonst niemand außer ihnen beiden.

Es wurde auch nicht besser, als sie am Ende des Weges, an einem kleinen Waldstück ankamen, der einen Blick auf weitere Häuser oder Wohnungen verbarg.
 

„Müssen wir etwa dort durch?“, fragte Chelsea und fühlte sich von jeder Sekunde zur nächsten unbehaglicher.

„Ja. Komm, es ist nicht mehr weit.“
 

Forsch trat Denny auf Chelsea zu, packte ihre Hand und zog sie hinter sich her. Der Druck, mit dem er sie hielt, gefiel Chelsea ganz und gar nicht. Mit einem Mal bekam sie Angst, und sie wollte so schnell wie möglich fort von hier und zu ihrem Bruder.
 

„Denny. Bitte, lass mich los. Ich will auf der Stelle zu meinem Bruder.“, wagte sie einen eher schlappen Versuch, Denny zum Umkehren zu bewegen.

„Du wirst noch früh genug zu deinem Bruder kommen. Ich verspreche es dir.“
 

Chelsea erstarrte. Dennys Stimme wirkte mit einem eiskalt und nicht mehr so freundlich, wie sie es davor gewesen war.

„Denny, ich…Was ist hier los? Wohin führst du mich?“
 

Kaum hatte Chelsea ihre Frage ausgesprochen, da drehte sich Denny abrupt zu ihr um und drückte sie mit ihren Rücken gegen einen Baum, wobei er beide Hände von Chelsea über ihren Kopf zusammenführte und mit einer Hand fest zusammenhielt, sodass sich Chelsea nicht mehr bewegen konnte.

Das alles geschah so schnell, dass Chelsea keine Gelegenheit bekam, sich zu wehren, geschweige denn, sich aus dieser Haltung zu befreien.

Panik stieg in ihr auf. Ihr Rücken und ihre Hände taten weh, da sie gewaltsam gegen den Baum gedrückt wurde. Ihre Rücksäcke lagen achtlos auf dem Boden neben ihnen, die Denny zuvor beide getragen hatte.

Es wurde für Chelsea auch nicht besser, als Denny hautnah an Chelseas Statur herantrat und bestimmt, ein Bein zwischen ihre Schenkel platzierte.
 

„Was wird das? Was hast du vor?“ Tränen stiegen aus Chelseas Augen. Ihre Verzweiflung und Angst wuchsen stetig weiter an. Ihr Körper begann unkontrolliert zu zittern.
 

„Keine Angst. Ich werde dir nicht wehtun, solange du brav das tun wirst, was ich von dir verlange. Haben wir uns verstanden?“

Kalte Augen durchbohrten Chelsea und ließen ihre Hoffnungen auf ein Entkommen aus dieser Situation schwinden.
 

„Damit wir uns richtig verstehen.“, nahm Denny das Gespräch wieder auf. „Wir werden hier ein bisschen Spaß haben und dann, wenn du still hältst, lasse ich dich wieder gehen, ohne dass ich dir ernsthaft wehtun musste. Alles klar soweit?“

„Was hast du…?“
 

„Ach, Chelsea. Du bist wahnsinnig naiv. Kein Wunder, dass deine Freundin nichts mehr von dir wissen will.“
 

In diesem Moment, spürte Chelsea, wie Dennys rechte Hand an ihrer Bluse hochwanderte und langsam begann den obersten Knopf an ihrer Vorderseite zu öffnen. Erstaunlich flink waren seine Bewegungen, sodass Chelsea den Eindruck gewann, dass er das nicht zum ersten Mal tat.
 

„Die Jungst sagten, du würdest dich nicht auf Typen so einfach einlassen, da dachte ich mir, das ich dem ein wenig nachhelfe und dich zu deinem Glück, wenn nötig, zwingen werde.“

„Mein Glück?“, irritiert starrte Chelsea, ihren Gegenüber an. Inwiefern hatte das mit ihrem Glück zu tun?

„Ach komm schon. Allmählich, müsste dir klar sein, was ich von dir will.“
 

Natürlich war es Chelsea inzwischen klar geworden. Denny wollte sie zum Sex mit ihm zwingen, was nichts Anderes bedeutete, als das er sie vergewaltigen würde. Zur Not auch mit roher Gewalt, wenn sie nicht still bleiben würde.

Doch von diesem Gedanken wollte Chelsea nichts wissen. Sie überlegte gerade, ob sie es wagen sollte, um Hilfe zu rufen, wurde aber in ihren panischen Überlegungen von Denny unterbrochen. Als, ob er Gedanken lesen könnte.
 

„Denk gar nicht daran, um Hilfe zu rufen. Hier draußen würde dich sowieso niemand hören. Außerdem, würde ich dich knebeln, wenn es sein muss. Aber, da ich kein Unmensch bin, werde ich weniger Gewalt anwenden, wenn du schön still bleibst.“
 

Ohne Ankündigung, presste Denny seine heißen Lippen auf Chelseas Mund und drängte ihr sein Verlangen auf. Chelsea weinte bitterlich und drohte fast zu ersticken, da sie vor Schreck vergas, weiter zu atmen. Außerdem, war dies ihr erster Kuss, den sie jemals mit einem Jungen hatte und war somit gar nicht mehr in der Lage sich weiter zu beherrschen.

Gierig leckte Denny mit seiner Zunge über Chelseas Lippen und forderte Einlass in ihren Mund. Leider, blieb Chelsea keine andere Wahl als dem nachzugeben, da sie sonst keine Luft mehr bekommen hätte.

Dennys Zunge drang blitzschnell in Chelseas Mundhöhle und spielte mit ihrer Lingua.
 

Für Chelsea war es eine halbe Ewigkeit, als sich Denny endlich von ihrem Mund entfernte. Allerdings, folgte zugleich die nächste Überraschung. Seine rechte Hand grabschte an ihren Busen, wobei Denny sie lüstern ansah.
 

„Und damit eins klar ist, du wirst niemanden erzählen, was hier geschehen ist. Hast du das verstanden? Ansonsten, kann ich nämlich ziemlich ungemütlich werden.“
 

Chelsea schloss ihre Augen und betete zum Himmel, dass sie diese Demütigung schnell hinter sich haben wird. In ihrer Verzweiflung wurde ihr bewusst, dass sie auf ihr ungutes Gefühl hätte hören müssen, dass Denny etwas vor ihr verheimlichte und durch seine zuvorkommende Art versteckt gehalten hatte. Sie hätte auf ihr Innerstes hören sollen, wollte aber einmal in ihrem Leben selbstsicher sein und etwas Unüberlegtes wagen. Allerdings, gehörte diese Erfahrung definitiv nicht dazu. Ein solches Verbrechen, hätte sie niemals für möglich gehalten, geschweige denn geahnt.
 

Denny war gerade dabei, Chelseas BH anzuheben, als er in der Bewegung jähe inne hielt, weil er die Anwesenheit einer weiteren Person hinter sich wahrnahm. Dieses Gefühl täuschte ihn auch nicht.

Es dauerte keine drei Sekunden, als er von dieser Person grob an den Schultern gepackt und nach hinten geschleudert wurde. Dadurch ließ er Chelseas Hände los, die sofort auf den Boden sank und schluchzend nach Atem rang.
 

Als, Denny seinen Angreifer auf der Stelle selber angehen wollte, hob dieser ihn mit einem Ruck vom Boden auf und wurde nun selbst mit dem Rücken gegen einen Baum gedrückt. Nachdem, sich Denny vom ersten Schock erholt hatte, blickte er in die violetten Augen seines Gegenübers und starrte ihn hasserfüllt an.
 

„Na? Wie ist es nun, selber gegen einen Baum gedrückt zu werden? Wohl nicht so angenehm, nicht wahr?“
 

Chelsea, die nach wie vor noch am Boden kniete und ihre Arme um sich gelegt hatte, horchte bei der erhobenen Stimme auf, die sich gegen ihren Peiniger richtete. Sie erkannte diese Stimme. Doch, wie kam es, dass er sich ausgerechnet zum selben Zeitpunkt in diesem Wald befand, wie sie und Denny?
 

„Hör zu. Du wirst auf der Stelle das Weite suchen und diese junge Frau nie wieder anfassen, hast du mich verstanden? Ansonsten wirst du mich kennen lernen. Kapiert?“
 

Denny nickte. Er erkannte, dass der Unbekannte stärker und auch noch größer war, als er. Er hätte keine Chance gegen ihn.

Sobald der Fremde ihn losgelassen hatte, hob er hastig seinen Rucksack vom Boden auf, sah Chelsea dabei nicht ein einziges Mal an und rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten davon.
 

Daraufhin, wandte sich der Unbekannte an Chelsea und kniete sich langsam vor sie hin.
 

„Chelsea, ich…es tut mir Leid. Wie geht es dir?“

Immer noch schluchzend hob Chelsea langsam ihren Kopf und sah Vaughn an. Jedoch, nicht lange, denn kaum hatte Chelsea Vaughn erkannt, als sie sofort wieder ihren Blick senkte und weiterhin weinte.
 

„Chelsea, ich helfe dir auf. Hier solltest du nicht bleiben. Ich werde dich nach Hause bringen.“
 

Von Vaughn wurde sehr viel Geduld abverlangt, weil sich Chelsea weigerte auch nur aufzustehen. Doch mit Engelsgeduld und aufmunternden Worten, gelang es Vaughn in Chelsea durchzudringen. Da, Chelsea recht wackelig auf den Beinen war, hob er sie mit ihrer Zustimmung hob und trug sie behutsam und leise in die Nähe des Einkaufscenters, wo Mark bereits auf seine Schwester wartete.

Das schlechte Gewissen

Kapitel 16
 

Das schlechte Gewissen
 

Mark war überrascht, als er zum vereinbarten Treffpunkt auftauchte, um seine Schwester abzuholen und diese von Vaughn herbei getragen wurde. Als sie näher kamen, ahnte er, dass etwas Schlimmes passiert sein musste, denn er erkannte, dass Chelsea in Vaughns Armen weinte und sie krampfhaft ihre Arme vor ihrer Brust verschränkte.
 

Nachdem, Vaughn das aufgelöste Mädchen in Marks Wagen gesetzt hatte, erzählte er ihm, was vorgefallen war. Auf der Stelle wurde Mark wütend und wäre am liebsten sofort zu Denny gefahren und hätte ihm die Leviten gelesen. Allerdings, hatte er keine Ahnung, wo er wohnte und Vaughn konnte ihm auch nicht weiterhelfen. Vorsichtig, beugte sich Mark zu seiner Schwester runter und versuchte sie zu trösten. Dankbar, nahm sie die Hand ihres Bruders an, konnte aber nach wie vor nicht aufhören zu weinen.

Sobald sich Mark vergewissert hatte, dass seine Schwester nicht größeren Schaden erlitten hatte, wandte er sich Vaughn zu, der die ganze Zeit daneben stand und besorgt Chelsea gemustert hatte.
 

Sie tat ihm unendlich Leid. Es war kein Vergleich mehr, zu dem fröhlichen und unbeschwerten Mädchen, als das er sie kennen gelernt hatte. Durch dessen Anblick, von Zorn erfüllt, wünschte er, er wäre nicht so sanft mit Denny umgegangen, aber seine Besorgnis hatte darauf hingezielt, dass sich dieser miese Kerl schnellstmöglich von Chelsea entfernte, um ihr nicht noch mehr Leid zufügen zu können. Wäre er doch nur eher da gewesen. Leider, hatte er die beiden zwischendurch aus den Augen verloren, weswegen er nicht früher an Ort und Stelle sein konnte.
 

Vaughn hatte heute seinen freien Tag gehabt. Aus diesem Grund, hatte er sich ausnahmsweise in der Stadt herumgetrieben, um auf andere Gedanken zu kommen, die nichts mit Chelsea zu tun hatten. Denn sein Überfall in jener Nacht, ging ihm noch ziemlich nahe und Chelseas weibliche Vorzüge hatten es ihm angetan. Daher, wollte er sich in der Stadt ablenken, zumal er diese auch noch nicht sonderlich kannte.

Doch, am Einkaufszentrum staunte er nicht schlecht, dass er gerade sie mit einem gut aus sehendem Jungen erblickte. Aus einer Spontanreaktion heraus, beschloss er, beide unauffällig zu verfolgen.

Am Ende, stellte sich dann auch heraus, dass es eine gute Idee gewesen war, als er Zeuge von Dennys Absicht wurde.
 

Mark bedankte sich bei Vaughn und teilte ihm mit, dass er ihm was schuldig sei. Obwohl, Vaughn verneinte, wollte der besorgte Bruder nichts davon wissen. Immerhin, hätte Chelsea fiel Schlimmeres erlebt, wenn er nicht gewesen wäre.
 

Auf der Rückfahrt, drehte sich Mark mehrere Male nach seiner Schwester um, die in gekrümmter Haltung auf dem Rücksitz saß. Zwar, hatte sie inzwischen aufgehört zu weinen, doch sie zitterte und hielt weiterhin ihre Bluse fest an ihren Oberkörper gedrückt. Die Bluse war längst wieder zugeknöpft, doch die Tatsache, dass diese ohne ihr Einverständnis, noch dazu von einem Jungen, geöffnet wurde, jagte Chelsea gewaltige Schauer über den Rücken. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass ihr so etwas wiederfahren würde. Niemals. Die Angst und Scham saßen tief und hinterließen latente Narben, die sie wohl nie wieder loswerden würde. Während der Fahrt, fragte sie sich immer wieder, wie es nur dazu kommen konnte, und ob sie es hätte verhindern können. Ihr wurde schmerzlich bewusst, dass es zum Teil, wenn nicht sogar komplett, ihre Schuld war, das es passieren konnte. Ihre innere Stimme, hatte versucht sie vor Denny zu warnen, doch sie wollte nicht drauf hören. Sie wollte nicht mehr länger dieses Mauerblümchen sein, das schüchtern war und sich nie etwas traute. Einmal wollte sie etwas erleben. Aus ihrem gewohnten Trott herauskommen, doch leider erwies sich das als falsch.

Andere Mädchen aus ihrer Klasse hatten sich schon oft mit einem Jungen verabredet, und nie war ihr zu Ohren gekommen, dass ihnen vergleichbares wiederfahren wäre. Im Gegenteil, diese Mädchen schwärmten von ihren romantischen Dates und ihren Freunden, wie lieb und fantastisch sie wären. War es denn so verwerflich, dass sie, Chelsea, dass ebenfalls haben wollte? Zumindest, das Gefühl erleben wollte, was es heißt, von einem Jungen gemocht, geschweige denn geliebt zu werden?

Nathalie, die so oft davon schwärmte, wie toll das Zusammensein mit einem Jungen wäre. Es gäbe nichts Schöneres auf der Welt.
 

Jedoch, wurde Chelsea hinterhältig ausgenutzt. Von Denny, der am Anfang so nett und freundlich schien, auch wenn sie nicht richtig in der Lage gewesen war, ihn einzuordnen. Wie konnte sie sich nur so blenden lassen?
 

Doch, auch Mark plagte ein schlechtes Gewissen. Schließlich, hatte auch er seine Schwester ermutigt, zu der Verabredung mit Denny zu gehen. Er hatte sogar dabei geholfen, dass das Treffen stattfinden konnte. Diese Tatsache, würde er sich niemals verzeihen. Nicht auszudenken, wenn es bis zum Äußeren gegangen wäre. Seine Schwester, die er über alles liebt, wie kann er das jemals wieder gut machen?
 

Als, sie zu Hause ankamen, dankte Mark Gott, dass sein Vater nicht anwesend war. Nicht auszudenken, wenn er Chelsea so gesehen hätte. Dann wären einige Erklärungen fällig gewesen, und bestimmt hätte Mark für alles die Schuld bekommen. Wenn man es so betrachtete, wäre das wahrscheinlich sogar fair. Denn, sein Handeln hatte diese Verabredung überhaupt erst ermöglicht.
 

Wie zuvor Vaughn, trug nun Mark seine Schwester aus dem Auto in ihr Zimmer. Mit ihrer Zustimmung zog er Chelsea die Schuhe aus und deckte sie zu. Sofort schlief das erschöpfte Mädchen ein. Obwohl, es noch früh am Abend war, hatte ihr das fürchterliche Ereignis, viel Energie geraubt.
 

Lange, saß Mark bei seiner Schwester und sah ihr beim Schlafen zu. Mit der Zeit beruhigte sich ihre Atmung, die davor noch unregelmäßig war.

Erst, als sich Mark hundertprozentig sicher war, dass seine Schwester ihre innere Ruhe wieder gewonnen hatte, schlich er sich auf Zehenspitzen aus ihrem Zimmer.

Und er schwor sich, bei nächster Gelegenheit, es Denny heimzuzahlen. Egal wie.
 

+++++
 

Chelsea verbrachte das komplette Wochenende fast ausschließlich auf ihrem Zimmer. Sie und ihr Bruder hatten sich geeinigt nichts von diesem schrecklichen Erlebnis ihrem Vater zu erzählen. Einerseits, war es Chelsea unendlich peinlich, in so eine Lage geraten zu sein, dass sie außer Stande war, darüber mit ihrem Vater zu reden, andererseits wollte sie nicht, dass ihr Bruder durch ihre Schuld Ärger bekommen würde. Obwohl, Mark immer wieder aufs Neue beteuerte, dass es keineswegs ihre Schuld war, dass es soweit kam. Eher das Gegenteil, doch davon wollte Chelsea genauso wenig hören. Ihr Bruder wollte ihr einen Gefallen tun. Wer hätte denn voraussehen können, dass sich Denny als so ein Mensch präsentierte?
 

Also, verbrachte Chelsea die meiste Zeit alleine. Ihr Vater war, aufgrund der Sache in der Schule und mit Nathalie, noch nicht weniger milde gestimmt, weswegen er auch keine Fragen zu Chelseas reservierten Verhalten stellte. Für ihn lag es nahe, dass seine Tochter ihm aus dem Weg gehen wollte, um erstmal mit sich selber wieder im reinen zu kommen. Daher, hakte er nicht weiter nach.

Die meiste Zeit starrte die Brünette aus ihrem Fenster und beobachtete das landwirtschaftliche Treiben auf dem Betrieb. Bis auf ihre Küchenarbeit, ging sie keiner anderen Tätigkeit nach, was ihr nur Recht war. Ihr Bruder tauchte ab und zu bei ihr auf und erkundigte sich, wie es ihr gehe und ob er etwas für sie tun könne. Doch Chelsea winkte jedes Mal freundlich ab. Er solle sich keine Sorgen mehr machen. Ihr gehe es gut. Sie bräuchte nur etwas Abstand, das sei alles. Mark blieb nichts anderes übrig, als diese Aussage hinzunehmen, wobei er nur zu gerne etwas getan hätte, um seine Schwester wieder lachen zu sehen. Denn das, ist das einzige, was er wieder an ihr sehen und hören wollte.

Das Lachen seiner Schwester, welches so unbeschwert und fröhlich ist, egal, wie viel sie um die Ohren hatte, stets war sie gut gelaunt und schenkte jedem ihr warmherziges Lächeln. Wie gerne, hätte er es wieder gesehen. Jedoch, sah er ein, dass erstmal einige Zeit vergehen musste, bevor sie erneut dazu in der Lage sein würde.
 

In den tristen Stunden, die vergingen, dachte Chelsea oft an Vaughn und wie er sie gerettet hatte. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre wahrlich Schlimmeres geschehen. Daran wollte sie gar nicht erst denken. Nicht auszudenken, wenn Denny sein Vorhaben bis zum Ende hätte durchziehen können. Seine Augen, die voller Lust und Entschlossenheit waren, seine böse Tat zu vollbringen. Das betroffene Mädchen, zog ihre Knie ganz nah an sich heran. Sie konnte jetzt noch, etliche Stunden später, Dennys Körper an ihrem fühlen, der voller Verlangen nach ihr gewesen war. Nur all zu gern, hätte sie gewusst, warum Denny sie auf diese Weise missbrauchen wollte. In diesem Zusammenhang, stellte sie sich auch die Frage, ob er das schon mal mit einem Mädchen gegen ihren Willen getan hatte? Konnte das Mädchen, genauso davor bewahrt werden wie sie, oder hatte er sich bis seine Lust gestillt war, brutal an ihr vergangen?
 

Augenblicklich, fing Chelsea wieder an zu weinen. Erstaunlich, dass sie noch Tränen produzieren konnte. Sie hatte sogar daran gedacht, ihre Freundinnen anzurufen, hatte sich bisher aber nicht getraut. Wie sie wohl darauf reagieren würden? Dabei wusste Chelsea, dass sie es ihnen erzählen musste. Denn, spätestens am Montag, würde sie Denny höchstwahrscheinlich wiedersehen. Bei dieser Vorstellung wurde ihr speiübel. Die Übelkeit verschwand auch nicht gleich wieder, weswegen Chelsea sich gezwungen sah, ins Badezimmer zu sprinten und sich in die Toilette zu übergeben.
 

Chelsea betätigte dreimal die Spülung, dann war alles von ihrem Erbrochenen verschwunden. Mit einem Mal, wünschte sie sich ihre Mutter herbei. Bestimmt, hätte sie sie trösten können, und ihr neuen Mut zugesprochen. In diesem Augenblick, war Chelsea so ratlos und gleichzeitig machtlos. Wie sollte sie nur am Montag in die Schule gehen können, mit der Gefahr IHN erneut zu begegnen? Sollte sie die Polizei verständigen und Denny verraten? Ihn verhaften lassen? Würde das die Polizei überhaupt tun? Würde man ihr Glauben schenken? Vielleicht, würde Vaughn ebenfalls aussagen, immerhin war er Zeuge von der versuchten Vergewaltigung gewesen. Nichtsdestotrotz, wollte Chelsea mit keiner fremden Person darüber reden, was man versucht hatte, ihr anzutun. Auf deren Blicke, die sie eingehend taxieren würden, konnte sie getrost verzichten. Ihr war schon elendig genug, dabei musste keine dritte Person noch nachhelfen, auch wenn sie es vermutlich gut mir ihr meinen und versuchen würden zu helfen.
 

Was Vaughn wohl gerade tat? Wie konnte er überhaupt, so schnell an Ort und Stelle sein? Hätte er nicht arbeiten müssen? Fragen über Fragen. Keine von ihnen konnte Chelsea beantworten. Sie erinnerte sich aber, dass Vaughn ganz behutsam mit ihr umgegangen war. Er hatte sie erst angefasst, nachdem sie nach langem Zögern ihr Einverständnis dazu gegeben hatte. Selbst dann, hatte er ihr nochmals genau erklärt, dass er sie tragen würde. Ihren Rucksack nahm, und aus dem kleinen Waldstück, den Weg zurück zum Einkaufscenter trug, wo ihr Bruder bereits auf sie gewartet hatte. Während dieser Zeit, hatte Vaughn freundlich zu ihr gesprochen, und weiterhin versucht sie zu trösten. Er beteuerte ihr, dass alles wieder gut werden würde, und dass sie jetzt in Sicherheit sei.

Irgendwann, hatte Chelsea ihm geglaubt. Zwar, dauerte es seine Zeit, doch Chelsea nahm dankbar, Vaughns Fürsorge an. Unbewusst, hatte sie sich an seine Brust geschmiegt und seinen regelmäßigen Herzschlag wahrgenommen, der ihr zugleich mehr Sicherheit und Nähe versprach. Die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, hatte sie umhüllt, wie ein Schutzmantel, der sich langsam auf sie übertrug. Mit der Zeit, hatte sie aufgehört zu schluchzen, dennoch weinte sie unaufhörlich weiter.

Erst, als sie im Auto von ihrem Bruder saß, hörte sie damit auf, aber auch nur, weil sie dann viel zu erschöpft und ausgelaugt war. Danach, bekam sie nicht mehr viel mit. Am nächsten Morgen, war sie in ihrem Bett aufgewacht, und hatte es das Wochenende über nur zu den Mahlzeiten verlassen.
 

Als sich Chelsea, vom Fussboden erhob, bemerkte und roch sie an ihren Haaren, dass etwas von ihrem Erbrochenen daran klebte. Angeekelt, verzog sie ihr Gesicht und zog rasch ihre Klamotten aus, um in die Badewanne zu steigen.
 

Es musste ungefähr eine Stunde vergangen sein, ehe Chelsea wieder aus der Badewanne stieg. Nachdem sie, einen Blick in den Spiegel geworfen hatte, erkannte sie, dass ihr Gesicht weniger blass war, und stattdessen ein wenig Farbe bekommen hatte. Hauptsächlich, musste dies am warmen Wasser gelegen haben, dass ihr unsagbar gut getan hatte. Sie hatte gespürt, wie sich ihre starre Haltung entkrampfte und das der Schreck etwas von ihr gewichen war. Außerdem, hatte sie beschlossen, dass sie Julia und Lana anrufen musste, um von ihrem missratenen Date mit Denny zu erzählen.

Es stand für sie hundertprozentig fest, dass sie diesem Jungen garantiert nicht alleine gegenüber treten wollte.

Am liebsten, hätte sie auch mit Nathalie und Sabrina darüber gesprochen, aber sie sah diesbezüglich ein, dass ein baldiges Herankommen an die zwei unmöglich war. Zum wiederholten Mal, fragte sie sich, wie es nur so weit kommen konnte, dass ihre Freundschaft in die Brüche fiel.
 

Zum einen, war Chelsea noch ziemlich traurig darüber, zum anderen, hatte sie aber auch den Entschluss gefasst, dass weiteres Trübsal blasen, sie nicht weiter bringen würde. Erstmal, galt es, zwei ihrer Freundinnen in Bilde zu setzten, was Denny betraf, und dann konnten sie gemeinsam in Ruhe überlegen, wie es weitergehen sollte.

Erste Annäherung

Kapitel 17
 

Erste Annäherung
 

Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Andreas ging alles seinen gewohnten Gang. Pünktlich stand er morgens auf, was in den Herbst- und Wintermonaten sogar vor dem Sonnenaufgang geschieht, und machte seinen täglichen Kontrollgang. Er überprüfte die Felder und die daraus für ihn gewinnbringende resultierende Ernte, begutachtete das Unkraut und beobachtete dabei die kleinen Vögel, die ebenfalls so früh am Morgen ihre fröhlichen Lieder sangen. Danach begab er sich in Richtung der zwei großen Gewächshäuser, die er sich in den letzten drei Jahren angeschafft hatte. Der Bau und die Finanzierung waren nicht ganz ohne gewesen, doch bisher hatte es sich für ihn und den Betrieb gelohnt. Dadurch konnte er mehr Ertrag erwirtschaften und es ging nichts durch ungünstige Witterungsbedingungen verloren. Er überlegte, ob er nicht sämtliche Felder, d. h. Pflanzen, auf diese Weise kultivieren sollte. Vielleicht, dachte er sich, sollte er sich diesbezüglich mit seinem Sohn darüber beratschlagen, immerhin war er auf einem guten Weg, die Verantwortung eines Tages für den gesamten Betrieb zu übernehmen.
 

In diesem Zusammenhang, fiel ihm ein, dass Mark in letzter Zeit ruhiger und zurückhaltender war als sonst. Bereits ein paar Mal hatte er sich gefragt, was bloß mit seinem Sohn los war. Bis vor wenigen Tagen, hatte er immer froh und ausführlich erzählt, wie es in seinem Studium so lief, was für neue Erkenntnisse er gewonnen hatte und hin und wieder hatte er sich mit Andreas darüber unterhalten, wie der Betrieb noch mehr Geld und Zeit sparen könnte. Doch, in den letzten Tagen war dies nicht mehr der Fall gewesen. Außerdem, verhielt sich Chelsea ebenfalls eigenartiger als sonst. Zwar, war Andreas nicht erfreut darüber gewesen, dass er soviel zusätzliche Arbeit mit Nathalie, Chelseas Freundin, gehabt hatte und dann noch die Sache mit dem Brief aus der Schule. Er war schwer enttäuscht gewesen. Niemals, hätte er ein solches Verhalten von seiner vorbildlichen Tochter für möglich gehalten. Stets war sie vernünftig, strebsam und diszipliniert. Darauf hatte er großen Wert in seiner Erziehung gelegt. Schließlich, sollte Chelsea zusammen mit seinem Bruder den Betrieb später leiten.
 

Als, Andreas bei den Tieren ankam, stellte er auch hier fest, dass alles in Ordnung war. Im Kuhstall bereitete er schon mal alles für das Melken der Kühe vor. Um halb 6, tauchte auch Josef, sein längster und ältester Angestellter auf und half ihm die Kühe in die vorgesehenen Boxen zu führen. Josef war noch nie sonderlich gesprächig gewesen. Er lebte in seiner eigenen Welt, was für Andreas nie ein Problem gewesen war, denn die Arbeit hatte bis zum heutigen Tag nie darunter gelitten. Ganz im Gegenteil, er leistete vorbildliche Arbeit. Unter anderem, war er einer der wenigen, der vorrausehen und mit planen konnte. Für Andreas also, eine unersetzliche Arbeitskraft. Kurz überlegte er, ob er mit ihm über seine Kinder reden sollte, ließ es jedoch bleiben. Wahrscheinlich, machte er sich zu viele Gedanken. Wohl oder übel, musste er sich mit dem Gedanken abfinden, dass seine Kinder älter wurden, und dass es daher normal war, wenn sie ihm nicht mehr alles erzählen wollten, obwohl er sich nichts mehr auf der Welt wünschte. Gerade seine Chelsea, war ihm besonders wichtig.

Was würde wohl seine geliebte Frau an seiner Stelle tun, wenn sie nicht so früh von ihm gegangen wäre?

Es half alles nichts. Inzwischen, war es wohl an der Zeit, dass er mit seiner Tochter Frieden schloss. Die Ausgangssperre, sollte er noch heute, am besten, aufheben.
 

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„Ich war ganz überrascht, als du uns vorhin erzählt hast, dass dein Vater dir wieder erlaubt, dass du dich verabreden darfst.“, sagte Lana und kickte einen kleinen Stein, der vor ihren Füßen lag, immer wieder ein Stück nach vorne.

Die drei Mädchen hatten Schulschluss, und spontan beschlossen, zu Julia zu gehen, um gemeinsam die Hausaufgaben zu machen und natürlich ihr erstes Treffen in kleiner Runde nach langem zu feiern.
 

„Ich auch.“, gab Chelsea zugleich zu. „Er kam nach seinem Rundgang in die Küche, nahm mich in den Arm und verkündete, dass hoffentlich wieder alles in Ordnung sei zwischen uns und das ich nach der Schule ruhig zu meinen Freundinnen gehen sollte.“
 

„Ich finde es auch wieder gut, dass wir zusammen abhängen können. Lasst uns ein wenig schneller gehen. Ich muss euch die Kätzchen zeigen. Inzwischen sind sie ganz schön groß geworden.“, lachte Julia begeistert und fing tatsächlich an, das letzte Stück zu ihrem Haus zu rennen.

Chelsea und Lana hatten gar keine andere Wahl, als ebenfalls zu laufen. Ein wenig außer Atem, kamen sie an Julias Haustür an, die diese bereits aufgeschlossen hatte und grinsend den anderen aufhielt.
 

„Eure Kondition hatte auch schon mal bessere Tage gesehen.“, lachte die hellbraune Freundin und ließ ihre Freundinnen eintreten.
 

„Jetzt werd mal nicht so gehässig.“, keuchte Lana und hielt sich schmerzhaft ihre Seite. „Es kann schließlich nicht jeder so Sport fanatisch sein, wie du.“

„Dem stimme ich zu.“
 

„Aber, Chelsea, müsstest du das nicht besser abkönnen? Durch deine Arbeit auf dem Hof?“, hakte Julia neugierig nach.

„Dort veranstalten wir doch keine Rennen.“
 

„Lasst uns das Thema Sport abhaken.“, mischte sich Lana ein. „Ich möchte viel lieber die Kätzchen sehen.“

„Du hast Recht. Kommt mit.“
 

Somit führte Julia ihre Freundinnen, einmal quer durchs ganze Haus und öffnete an der Rückseite des Hauses eine Tür, die direkt zu dem Tiergehege führte. Kurz bevor sie, an den Katzen ankamen, kam Vaughn aus einer der Seitentüren und ging ihnen entgegen. Er registrierte die Mädchen erst, als sie schon unmittelbar vor ihm standen.
 

„Hallo, Vaughn. Alles gut hier hinten?“, fragte Julia und lächelte ihn freundlich an.

„Ja. Keine Probleme hier.“, antwortete der junge Mann und entdeckte in diesem Moment Chelsea, die unter seinem Blick spontan rot anlief. Prompt, fiel ihr das unschöne Erlebnis mit Denny wieder ein, und dass Vaughn sie gerettet hatte. Sie hatte sich, bis heute noch gar nicht bei ihm für seine Hilfe bedankt. Allmählich, wurde es Zeit, dies auf der Stelle nachzuholen.
 

„Hallo, Vaughn. Hast du kurz Zeit? Ich würde gerne mit dir reden.“, nahm die Brünette all ihren Mut zusammen und gab ihren Freundinnen zu verstehen, dass sie gleich nachkommen würde. Julia und Lana hatten verstanden, und gingen schon mal voraus.
 

Vaughn stellte sein Arbeitszeug ab, welches er für die Säuberung der Gehege benötigt hatte.

„Geht es dir gut?“, hakte er vorsichtig nach und musterte Chelsea. Sie sah deutlich besser aus. Echt mutig von ihr, so schnell wieder in die Schule zu gehen, als ob nichts geschehen wäre.
 

„Ja. Es geht.“, antwortete Chelsea ehrlich. „Julia und Lana sind die ganze Zeit bei mir, sodass ich nicht soviel Angst habe.“

„Dieser Junge geht auf deine Schule, nicht wahr?“, schlussfolgerte Vaughn und spürte den eindringlichen Impuls, das Mädchen vor ihm die Arme zu schließen, konnte sich aber beherrschen.

Chelsea nickte bloß, sah dabei Vaughn jedoch nicht an. Es war ihr, nach wie vor noch, ziemlich peinlich und sie schämte sich für das, was passiert war.
 

„Wegen dieser Sache.“, setzte sie vorsichtig an, wobei sie ihre Hände ganz fest ineinander verschränkte. Vaughn blieb dies nicht verborgen.

„Ich wollte mich schon längst bei dir bedanken. Dafür, dass du mich aus dieser misslichen Lage befreit hast. Ich war ganz schön überrascht gewesen, als du mit einem Mal dort aufgetaucht bist.“
 

„Ich hatte beschlossen, mich in der Stadt ein wenig umzusehen. Dabei habe ich dich dann gesehen. An dem Tag hatte ich frei. Als Ausgleich, das ich die eine Nacht im Laden Wache gehalten habe.“

Beiden gingen daraufhin dieselben Gedanken durch den Kopf. Die Nacht, in der Chelsea sich in der Tür vertan hatte und aus Versehen im Laden gelandet war, wo Vaughn sie plötzlich von hinten gepackt hatte. Das war ein Schreck gewesen. Jedoch, war dieser harmlos gewesen, im Vergleich zu dem, den sie erst kürzlich erfahren musste. Schnell, wischte sie sich mit einer Hand über die Augen, da sie spürte, wie sich wieder Tränen bildeten.
 

„Chelsea, es war nicht deine Schuld.“ Vaughn sprach so leise, doch Chelsea hatte trotzdem jedes einzelne Wort verstanden.

„Für seine Handlungen kannst du nichts. Ich bin nur froh, dass ich rechtzeitig zur Stelle war, ehe er dir Schlimmeres antun konnte.“

Nun, traten doch Tränen aus Chelseas Augen und rannen ihr übers Gesicht.
 

„Ich fühle mich dennoch schuldig. Ich hätte es wissen müssen, wenn nicht sogar ahnen müssen. Ich fühlte, wie mit ihm etwas nicht in Ordnung war. An dem Tag, hatte er mich ein paar Mal so eigenartig angesehen. Doch, ich blöde Kuh, wollte nicht auf mein inneres Gefühl hören. Es ist nur meine Schuld, dass das passieren konnte.“
 

Endlich waren diese Worte raus. Nicht einmal ihrem Bruder hatte sie dies anvertraut, so sehr schämte sie sich dafür. In diesem Moment, fühlte Chelsea, wie eine Last von ihr fiel. Schon zu lange, hatte sie diese mit sich herumgetragen.

Vaughn konnte nun auch nicht an sich halten und zog das weinende Mädchen bestimmt in seine Arme. Dabei, drückte er sie nicht so fest, damit sie nicht noch mehr Angst bekam.
 

„Chelsea, es ist alles gut. Mach dir keine unnötigen Sorgen. Es ist vorbei.“
 

Überrumpelt, von Vaughns Umarmung und seinen Worten, ließ Chelsea die Nähe zu und legte nach kurzem Zögern ihren Kopf an Vaughns warme Brust und schmiegte sich wohlig an ihm. Nach wenigen Augenblicken, fasste sie so viel Mut und legte ihre Arme vorsichtig um ihn und hielt ihn haltsuchend fest, bis ihre wenigen Tränen versiegt waren.
 

Nachdem, sich Vaughn sicher war, dass sich Chelsea wieder beruhigt hatte, löste er die Umarmung, wobei sie auch nicht spurlos an ihm vorüber gegangen war. Irgendetwas, hatte ihn bewegt. Chelsea so nah an sich zu spüren, hatte sich unwahrscheinlich schön angefühlt.

Er räusperte sich, als er noch einmal zu Chelsea sprach.
 

„Chelsea, ich muss weiter arbeiten, aber ich denke, dass wir uns wieder sehen werden?“
 

Froh über Vaughns Frage, nickte Chelsea und antwortete fröhlich: „Ja, bestimmt. Es würde mich auch freuen, wenn wir uns bald wieder sehen würden.“
 

Vaughn deutete ein knappes Nicken an, wobei er sich im Weggehen ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Da er sich, nicht noch einmal umsah, entging ihm, dass Chelsea ihm die ganze Zeit hinterher sah, und sie ebenfalls ein Lächeln im Gesicht hatte.

Lanas Einfall

Kapitel 18
 

Lanas Einfall
 

„Ist alles in Ordnung mit dir, Chelsea? Deine Augen sind ein wenig gerötet?“, fragte Julia besorgt nach, als ihre Freundin sie bei den Kätzchen eingeholt hatte. Julia nahm sie in den Arm, und drückte Chelsea ganz fest an sich.

Dankbar, erwiderte diese die Umarmung und auch Lana gesellte sich kurze Zeit später zu ihnen. Schweigend, standen sie einen Moment dicht beieinander, als Chelsea das Wort ergriff.

„Ihr seid die besten Freundinnen, die man sich wünschen kann. Ich bin unsagbar froh, dass ich euch habe. Und ja, es geht mir wieder besser. Da war, nur noch diese eine Sache, die mich seit dem Vorfall beschäftigt hatte, aber jetzt, scheint sie verschwunden zu sein. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg, um damit abschließen zu können.“
 

„Wir sind erleichtert, dass von dir zu hören, Chelsea.“, antwortete Lana und nahm ihre Freundin noch einmal kurz in den Arm. „Wir haben uns die ganze Zeit Sorgen um dich gemacht. Dabei tut es uns ebenfalls sehr Leid, dass wir dich zu der Verabredung mit diesem widerlichen Kerl gedrängt haben.“

„Genau.“, nickte Julia zustimmend und machte dabei ein schuldbewusstes Gesicht. „Wir hätten dich niemals drängen dürfen. Es war ganz allein deine Entscheidung, die du hättest treffen müssen. Wir hatten kein Recht da mitzureden.“
 

„Aber, bitte, es ist doch nicht eure Schuld.“, beteuerte Chelsea und lächelte ihre Freundinnen beruhigend an. „Außerdem, haben wir darüber doch schon gesprochen. Die Schuld liegt bei…bei…Denny. Und ganz bestimmt nicht bei uns.“

Nach all den Tagen, hatte es Chelsea zum ersten Mal wieder geschafft, den Namen von ihrem Peiniger auszusprechen. Zwar zitterte sie dabei, aber sie schöpfte auch wieder neuen Mut, endlich diese schreckliche Sache hinter sich lassen zu können und nach vorne zu blicken.

„Zum Glück war Vaughn rechtzeitig vor Ort gewesen, und hatte Schlimmeres verhindern können. Ich bin ihm so unendlich dankbar. Ich würde mich nur zu gerne, richtig bei ihm bedanken, mit einer netten Geste, versteht ihr.“
 

„Das verstehen wir nur zu gut. Ich bin Vaughn auch um den Hals gefallen, nachdem ich das von dir erfahren hatte. Er war ziemlich überrumpelt der Gute. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.“, beichtete Julia und fing an, aufgrund dieser Erinnerung zu lachen. „Wisst ihr, es war vor einigen Kunden im Laden gewesen. Daraufhin ist Vaughn, puterrot im Gesicht geworden.“

„Das hätte ich nur zu gerne gesehen.“, kicherte auch Lana.
 

„Doch sonst, “, fing Chelsea vorsichtig an, „Doch sonst, habt ihr es niemandem erzählt, oder?“

Nicht auszudenken, wenn das ihr Vater erfahren würde oder die gesamte Schule am Ende Wind davon bekäme. Das, wollte die Brünette unter gar keinen Umständen.
 

„Natürlich nicht, Chelsea.“, antwortete Julia mit Nachdruck und auch Lana bestätigte es. „Damit sollte man nicht hausieren gehen. Außerdem, soll sich Denny keine falschen Hoffnungen machen. Sobald wir ihn im Visier haben, bekommt er es mit uns zu tun.“ Entschlossen ballte Julia ihr Hände zu Fäusten.

„Dabei ist es schon komisch, dass er seitdem nicht wieder in der Schule war.“, äußerte Lana laut ihre Gedanken.

„Wohlmöglich hat er Schiss, dass Chelsea ihn bei der Schulleitung gemeldet hat. Vielleicht, solltest du das auch tun, Chelsea.“

Jedoch, schüttelte die Angesprochene vehement den Kopf. „Nein, auf gar keinen Fall. Dann, würde der Schulleiter ganz bestimmt meinen Vater kontaktieren und mein Bruder wäre ebenfalls aufgeflogen. Ich möchte ihm das ersparen. Mein Bruder macht sich schon genug Sorgen und Gedanken, weil er sich die Schuld dafür gibt. Ihr wisst doch, dass mein Bruder mir dabei geholfen hat, damit ich mich überhaupt erst mit Denny treffen konnte. An diesem Tag, hätte ich normalerweise nicht da sein dürfen.“
 

„Stimmt, das hätte ich fast vergessen.“, antwortete Lana und lehnte sich frustriert gegen die Wand und verschränkte ihre Arme ineinander. „Trotzdem, irgendetwas sollten wir tun. So ungestraft, sollten wir ihn nicht davon kommen lassen.“

„Ich stimme Lana zu, Chelsea. So einfach, sollte es Denny nicht haben. Doch lasst uns erstmal zu den Kätzchen gehen. Sie warten doch schon auf uns.“

„In Ordnung. Uns wird bestimmt noch etwas einfallen.“, sagte Lana dazu und eilte ihren Freundinnen voraus.
 

Leise ging Chelsea ihren Freundinnen hinterher und lächelte dabei. Sie wusste, dass ihr Denny in der Schule nie wieder etwas antun würde, solange ihr Freundinnen bei ihr waren. So enthusiastisch sie sich über Denny aufregten und gemeinsam mit ihr beratschlagten wollten, wie es nun weitergehen wird. Das alles, und noch viel mehr, machte ihre lange Freundschaft aus. Nicht nur Chelsea litt unter den Vorkommnissen, sondern auch Julia und Lana fühlten und teilten mit ihr denselben Schmerz. Dadurch spürte und wusste Chelsea, dass sie nicht alleine war, und dass sie immer auf ihre Freundinnen zählen konnte.
 

„Die sind aber gewachsen.“, rief Chelsea vor Freude aus und hob zugleich das Kätzchen hoch, welches sie bereits bei ihrer ersten Begegnung auf dem Schoß gehabt hatte. Das Kätzchen mit einem weißen linken Ohr und einer weißen rechten Vorderpfote. Schnurrend, machte es sich auf ihrem Schoß bequem und ließ sich hinter den Ohren kraulen.

„Das sind sie wirklich. Am liebsten, würde ich eines mitnehmen, aber meine Eltern hätten gewiss was dagegen.“, sagte Lana und nahm das braungestreifte Kätzchen auf ihren Schoß.

„Mir geht es ähnlich, aber wir haben schon genug Arbeit mit den anderen Tieren. Es ist immer wieder verrückt, wie schnell man die kleinen Tierchen lieb gewinnt und sie sich auch selber an einen gewöhnen. Man will sie gar nicht mehr hergeben.“
 

„Du hast es wirklich gut, Julia. Jeden Tag kannst du mit solch lieben Tieren zusammen sein. Bei mir dagegen, herrscht Chaos und Arbeit jeden Tag. Meinen kleinen Geschwistern fehlt jegliche Disziplin.“

„Lass den Kopf nicht hängen, Lana.“, sprach Chelsea in die trübsinnigen Gedanken ihrer Freundin. „Mein Vater ist damit einverstanden, dass wir die Kätzchen zu uns nehmen. Wenn du uns besuchst, kannst du jederzeit mit ihnen spielen und schmusen.“

„Ja, das ist toll. Dann werde ich öfter als sonst, bei dir vorbeikommen.“

„Ich freue mich schon darauf.“, lächelte Chelsea und freute sich über das glückliche Gesicht ihrer Freundin.
 

„Wann könnt ihr sie denn abholen, Chelsea?“, fragte Julia. „In einer Woche wollte der Tierarzt kommen und sich die Kätzchen nochmal ansehen. Wenn er mit ihrer bisherigen Entwicklung zufrieden ist, dürfte doch nichts im Wege stehen, oder?“

„Ich denke nicht. Sagen wir, eine Woche danach? Dann sind die kleinen hier, auf jeden Fall alt genug, um auf Jagd gehen zu können.“

„Spitze! Halten wir den übernächsten Freitag fest. Das sind dann noch ungefähr zwei Wochen.“

„Okay. Ich gebe meinem Vater bescheid. Alles Weitere klären wir dann.“
 

„Mädels, wollen wir langsam etwas essen? Mein Magen knurrt schon fürchterlich.“

Durch Lanas Aussage, fiel auch den anderen Mädchen auf, dass ihre Mägen ebenfalls am knurren waren. Lachend, verabschiedeten sie sich von den kleinen Tigern und gingen zurück ins Haus.
 

In der Küche angekommen, empfing die Mädchen ein unglaublich leckerer Duft, der ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

„Du meine Güte, Mutter!“, rief Julia vergnügt und fiel ihrer Mutter, die am Herd stand, um den Hals. „Ist es das, was ich denke? Bunter Bohneneintopf?“

„Ja, mein liebes.“, antwortete Mirabelle. „Ihr Mädchen kommt genau zur rechten Zeit. Setzt euch an den Tisch. Ich bringe gleich den Topf rüber.“

„Du bist wirklich die beste, Mutter.“

Zur Bestätigung dieser Worte, gab Julia ihrer Mutter einen dicken Schmatzer auf die Wange.

„Übertreib es nicht, Kind.“, lachte Mirabelle und freute sich innerlich sehr über diesen Gefühlsausbruch ihrer Tochter.
 

Der Eintopf schmeckte einfach herrlich. Jedes, der drei Mädchen überhäufte Mirabelle mit viel Lob für das unglaublich gute Essen. Zu ihrer Überraschung, kam diese dann noch mit einer Nachspeise: grüne und rote Götterspeise, dazu eine Schale Vanillesoße.

Die drei Mädchen waren begeistert und konnten auch hier nicht meckern. Zufrieden, dass alles aufgegessen wurde, räumte Mirabelle zusammen mit ihrer Tochter den Tisch ab. Nachdem alles wieder weggeräumt war, saßen die Mädchen noch zusammen und sprachen über die Hausaufgaben.
 

„In Englisch haben wir momentan gewaltig viel zu tun. Inzwischen, habe ich den Eindruck, dass unsere Lehrerin uns quälen will.“, seufzte Chelsea und legte resigniert ihren Kopf auf die Tischplatte.

„Kein Problem! Schließlich, habt ihr ja mich. Ich werde euch damit schon behilflich sein.“ Stolz, klopfte sich Lana auf ihre Brust.
 

„Es ist auch keine Kunst mehr bei dir.“, redete Julia und trank einen Schluck Wasser. „Immerhin, bist du die beste aus unserer Klasse. Es gibt kein Fach, in dem du keine Probleme hast. Außer Sport.“

„Erinnere mich doch nicht daran.“, machte Lana ein angewidertes Gesicht. „Sport ist nun mal Mord. Also, warum sich so verausgaben ohne davon zu profitieren?“

„Du hast die falsche Denkweise.“, antwortete ihr Julia. „Dadurch bleibt dein Körper fit und du bleibst länger jung. Ich sehe nicht, was daran verkehrt ist. Oder, kann es sein, dass du einfach nur zu faul bist, dich physisch zu betätigen?“, neckte Julia ihre Freundin und sah sie provozierend an.
 

Ihre Wirkung schlug auch nicht fehl. Lana reagierte mehr als verärgert. „Ich und FAUL? Laber nicht so einen Blödsinn. Wäre ich faul, wären meine anderen Leistungen definitiv nicht so gut. Ihr wisst doch, dass ich Anwältin werden will. Dafür brauche ich einen sehr guten Durchschnitt. Sport liegt mir einfach nicht. Egal, wie sehr ich mich auch dabei anstrenge.“
 

„Reg dich nicht so auf, Lana.“, versuchte Chelsea ihre Freundin zu besänftigen. „Julia wollte dich bloß reizen.“

„Genau, und wie man sieht, hat es auch funktioniert.“, triumphierend grinste Julia ihre Freundin an, ehe sie dann wieder ernster wurde. „Vielleicht, fehlt dir auch nur der richtige Ansporn.“

„Wie? Was meinst du damit?“, perplex starrte Lana ihr Gegenüber an, aber auch Chelsea sah ziemlich verwirrt aus.
 

„Ich meine, dass du in diesem Bereich ein Ziel brauchst, wodurch du das Gefühl bekommst, dass sich der Aufwand lohnt. Denn, um Anwältin zu werden, benötigst du keine herausragende körperliche Kondition. Wahrscheinlich, daher deine Probleme damit. Um besser zu werden, brauchst du eben ein anderes Ziel, was nicht unbedingt mit deiner Berufswahl zu tun hat.“

„Das hört sich logisch an.“, erwiderte Chelsea. „In allen anderen Fächern bist du ehrgeizig, weil du weißt, dass du dieses Wissen später brauchen wirst. Aufgrund dessen, deine hartnäckige Zielstrebigkeit.“

„Genau, Chelsea. Das habe ich damit auch gemeint.“
 

„Nur, was für ein Ziel soll ich mir setzten?“, fragte Lana skeptisch nach. „Es wäre schon schön, wenn meine 4 in Sport vom Zeugnis verschwinden würde. Zumindest, eine 3 wäre toll.“

„Wir finden schon was, verlass dich darauf.“, machte ihr Julia Mut.
 

Lana erwiderte ein knappes Lächeln. Sie wusste noch nicht zu Recht, obwohl Julia mit dem, was sie sagte Recht hat. Doch, was könnte für Lana ein genauso strebsames Ziel sein, wie ihr Berufswunsch? Was hätte, dieselbe Anziehung, denselben Reiz?

Das blonde Mädchen war so in ihren Gedanken versunken, dass sie gar nicht mitbekam, dass ihre Freundinnen das Thema gewechselt haben. Sie hörte ihre Worte nicht, dafür war sie zu sehr mit ihren Überlegungen beschäftigt. Für Julia, schien alles immer so einfach zu sein. Klappte etwas nicht, fing sie entweder wieder von vorne an oder suchte sich eine neue Aufgabe. Dagegen, war Lana anders gestrickt. Denn, für sie, gab es nur dieses eine Ziel, welches sie unbedingt erreichen wollte und auch musste, um aus ihrem Herkunftsmilieu zu entkommen. Damit sie, einen Weg finden kann, um auch ärmeren Familien einen Rechtsbeistand ermöglichen zu können. Das ist ihr eigentliches Ziel. In ihrer Nachbarschaft, kennt sie viele Familien, die wenig Geld zur Verfügung haben, um eine mehrköpfige Familie durchzubringen, reicht es selten. Wenn dann noch, ein Rechtsbeistand nötig wird, wird es für solche Familien ganz, ganz schwierig. Ihre eigene Familie zählte ebenfalls dazu.
 

Neben ihr saß Chelsea, die immer so gutmütig ist und immer ein Lächeln auf den Lippen hat. Nie hegte sie Vorurteile irgendjemanden gegenüber. Stets sah sie das Gute in Menschen. Bis zu jenem Ereignis vor einer Woche. Seitdem, war Chelseas Fröhlichkeit und Unbeschwertheit nicht vollständig wieder hergestellt. In ihren Augen, lag eine Trauer, die wohl nie wieder komplett verschwinden würde.

Wütend ballte Lana ihre Fäuste. Wenn sie könnte, würde sie Denny höchstpersönlich verprügeln und ihn zur Rechenschaft ziehen, damit er seine gerechte Strafe erhielt. Leider, war sie nicht stark genug dafür. Lana hatte keine Ahnung, wie man sich vor solchen Übergriffen verteidigt. Also, wie sollte sie…Moment mal. Das war die Lösung!
 

„Hey, Leute, hört mal her!“

Vor Schreck fuhren Chelsea und Julia zusammen. Dabei konnten sie einen kleinen Aufschrei nicht unterdrücken.

„Was ist denn in dich gefahren?“, fuhr Julia sie auf der Stelle an. „Willst du, dass wir einen Herzinfarkt erleiden?“

„Nicht doch. Aber ich habe die Lösung für das Sportproblem und auch wegen Denny.“

Sofort horchte Chelsea auf.
 

„Was meinst du damit?“, fragte sie neugierig.

„Auch ich möchte es gerne wissen.“, presste Julia zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und hielt theatralisch ihre rechte Hand auf ihrer linken Brust.

„Natürlich. Also, mir ist eben durch den Kopf gegangen, wie wir uns, besonders Chelsea, in Zukunft vor sexuellen Übergriffen schützen, bzw. wehren können. Passt auf, was haltet ihr von einem Selbstverteidigungskurs für Frauen? Ist das nicht eine grandiose Idee?“
 

Erwartungsvoll, sah Lana ihre Freundinnen an, die erstmal gänzlich überrumpelt wirkten, doch nachdem sie die Worte von Lana richtig verstanden haben, waren auch sie begeistert.

„Das ist wirklich eine hervorragende Idee!“, sprang Julia von ihrem Stuhl auf und hob motiviert ihre Arme. „Wir werden lernen, wie wir Kampftechniken anwenden können, um uns Zukunft selber vor solchen perversen Kerlen schützen zu können.“

„Dann werden die Kerle vor Angst davonlaufen und nicht wir.“, erwiderte Lana bestimmt. Dabei klopfte sie mit der Faust auf den Küchentisch.

„Was hältst du davon, Chelsea?“
 

Eindringlich sahen Julia und Lana ihre Freundin an, die bis eben noch zu diesem Vorschlag geschwiegen hatte. Ein weiterer Blick, in die Augen ihrer Freundinnen, die voller Tatendrang waren, genügte Chelsea, dass auch sie diesem Einfall zustimmte.

Sie lebt im Schatten

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Elliot kommt zu Besuch

Kapitel 20
 

Elliot kommt zu Besuch
 

Wie so oft in den letzten Tagen, wurde Nathalie zur Hausarbeit herangezogen. Ihre Mutter, Felicia, achtete ganz besonders darauf, dass ihre Tochter auch der häuslichen Arbeit nachging. Denn, leider hatte sie die Angewohnheit, einfach mitten in der Arbeit zu verschwinden oder diese nur halb zu erledigen. Daher, hatte Felicia ein genaues Auge auf Nathalie geworfen.

Für Nathalie selber, war es reine Schikane. Zwar, beteuerten ihre Mutter und Großvater, dass sie ihr wegen der Sache in der Schule nicht mehr böse waren, immerhin war diese fast ein Monat her, aber dennoch war es für die junge Frau fast unmöglich etwas alleine zu unternehmen.

Wollte Nathalie in die Stadt, um Shoppen zu gehen, fand ihre Mutter einen Grund mir ihr zu gehen. Wenn, Nathalie im Park verabredet war mit irgendwelchen Jungs, leistete ihr, ihr Großvater Gesellschaft, wodurch die eigentliche Verabredung nicht mehr stattfinden konnte, und Nathalie gezwungen war, abzusagen.

Demnach, konnte bei ihr auch gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass ihre Familie ihr verziehen hatte, sei es die Rüge aus der Schule, noch ihr Verhalten bei Andreas auf dem Hof. Nachdem, sie von ihrer Familie abgeholt wurden war, hatten sie ihr erzählt, dass sich mehrere Angestellte von Andreas bei ihm über sie beschwert hätten. Laut deren Äußerungen, war sie verwöhnt, eine Nervensäge oder Störenfried, zu eitel, nicht belastbar und für Landarbeit einfach nicht geschaffen. Aufgrund dieser Informationen, hatte Nathalie ihre Familie blamiert, weil es zeigte, dass sie nicht richtig erzogen wurden war, weswegen es allem voran auf ihre Mutter zurückfiel.

Nathalie sah es aber nicht so. Viel eher, fragte sie sich, wozu sie noch länger hätte dort bleiben sollen, wenn man so massiv gegen sie gewesen war. Außerdem, wollte sie dort nicht ewig bleiben und ihr Wohnquartier dorthin verlegen. Also, fand sie es ungerecht, dass man so über sie geredet hatte. Jedoch, war Nathalie daran gewöhnt, dass man sie entweder falsch einschätzte oder nervig fand. Allerdings, konnte sie nicht Chelseas Verhalten nachvollziehen. An diesem Tag, hatte sie ihr nicht beigestanden, und von dem, was sie gehört hatte, hatte Chelsea wohl kein einziges Mal ein gutes Wort bei ihrem Vater über sie eingelegt. Das war es, was Nathalie zutiefst verletzt hatte und warum sie die Freundschaft zu ihr und den anderen gekündigt hatte.
 

Obwohl, Nathalie insgeheim zugab, dass sie sie sehr vermisste. Sie vermisste die gemeinsamen Stunden, die sie zu fünft verbracht hatten. Ihre Albernheiten, ihre Gespräche, Partys und alles andere. Allem voran, Julias direkte Art, womit sie niemanden angriff oder das Gefühl gab, nichts mehr wert zu sein. Im Gegenteil, sie schaffte es immer, freundlich dabei zu sein, aber auch ehrlich. Zudem, konnte sie mit ihr immer gut streiten. Oft, hatte Nathalie mit Absicht so getan, dass sie Julia angeblich falsch verstanden hatte, nur um mit ihr eine hitzige Diskussion führen zu können. Dann Lana, die stets strebsam war, was die Schule betraf und ihr bei den Hausaufgaben helfen konnte. Zwar, durfte sie nie bei ihr abschreiben, das durfte keiner bei ihr, aber sie hatte ihr immer geholfen, wenn sie etwas nicht verstanden hatte. Chelsea war immer freundlich und hatte ein Ohr für Probleme, was Nathalie bisher an ihr bewundert hatte, da sie sich gefragt hatte, wie man permanent so gut gelaunt sein konnte. Anscheinend, reichte es aber nicht für Nathalies Probleme, ansonsten wäre es an jenem Tag anders gelaufen.

Dann, war da noch Sabrina, die immer ruhig blieb und stets ihre Haltung bewahren konnte. Auch sie, konnte sehr gut zuhören und half, wo sie nur konnte.
 

Traurig, schüttelte Nathalie ihren Kopf und unterdrückte ihre aufkommenden Tränen. Das alles war Vergangenheit, entschied sie sich und wollte nur noch nach vorne schauen. Sie war gerade dabei, die Küche zu wischen und wusste, dass ihre Mutter sie vom Wohnzimmer aus im Auge behielt. Anders betrachtet, gingen die Personen um sie herum, viel mehr ihr auf die Nerven, als sie den anderen, dachte sich Nathalie gehässig. Warum kann sie keiner, das machen lassen, was sie will? Ständig, wurde auf ihr herum gehakt, genörgelt oder sie belehrt. Mittlerweile, war das Fass voll. Nathalie wollte nur noch weg von hier und irgendwo neu anfangen, wo sie niemand kennt und sie endlich nach ihren eigenen Regeln leben kann.

Zum Glück, wusste niemand von ihren heimlichen Aktivitäten. Wenn das heraus käme, wäre es wahrlich ein Skandal, den sie sich nicht leisten konnte. Sie brauchte das Geld und diesen Job, bei dem sie auch auf ihre eigenen Kosten kam. Heute Abend, hatte sie wieder ein Treffen mit einem Mann, den sie noch nicht kannte und sie war schon ziemlich neugierig darauf, wie er wohl sein würde und was sie alles miteinander tun würden. Der Sex lenkte sie ab und schaffte es sie vorübergehend zu trösten. Für nichts auf der Welt, würde sie damit aufhören. Zumindest, nicht bevor sie ihr Ziel erreicht hatte und genügend Geld gespart hatte, um sich im Ausland nieder zu lassen.
 

„Nathalie? Bist du fertig mit der Küche?“, ertönte die Stimme von Felicia und holte somit ihre Tochter aus ihren zukünftigen Plänen.

„Bin soeben fertig geworden.“, antwortete Nathalie wahrheitsgemäß und betrachtete erschöpft ihr Werk. So blitzblank war die Küche bestimmt noch nie gewesen, dachte Nathalie und zog ihre Gummihandschuhe aus.
 

„Das ist wunderbar. Die Küche strahlt richtig. Das hast du wirklich gut gemacht.“, lobte ihre Mutter sie und gab ihr ein Küsschen auf die Wange. „Ich denke, dass du inzwischen ganz gut verstehst, was wir dir beibringen wollen. Verantwortung für die eigenen Taten zu übernehmen ist gewiss nicht leicht, aber du bist in einem Alter, in dem man es erwartet. Für andere da zu sein, und gemeinsam zu leben, ist doch das Schönste, was es gibt. Findest du nicht auch?“

„Ja, kann schon sein.“, winkte Nathalie ab. Ihr war nicht danach, so eine Art von Konversation zu führen. Leider, stand ihre Mutter sehr darauf.

„Schon gut, Nathalie. Ich weiß, dass du nicht gerne darüber redest, aber ab und zu, ist es extrem wichtig, solche Sachen auch zu hören. So, und jetzt lass uns gemeinsam eine kleine Autofahrt machen. Dann können wir noch gemeinsam für das Wochenende einkaufen.“

„Muss das sein? Ich würde viel lieber mit Freunden ins Kino gehen.“, wagte Nathalie einen Versuch, obwohl sie ahnte, dass ihre Mutter nicht nachgeben würde. Natürlich, war das mit dem Kino gelogen. Nathalie wollte Zeit für sich alleine haben und sich in aller Ruhe überlegen, was sie zu ihrer Verabredung nachher anziehen sollte.

„Nichts da. Du kommst mit. Außerdem, habe ich eine Überraschung für dich. Die wird dir bestimmt gefallen.“, lachte ihr Mutter und bugsierte ihre Tochter geradewegs zur Haustür.
 

+++++
 

Am Flughafen herrschte reges Treiben. Kreuz und quer liefen Passagiere und eilten mit ihrem Gepäck zum Terminal. Andere wiederum, saßen auf Bänken, im Wartebereich und versuchten die Zeit bis zu ihrem Flug zu überbrücken. Manch anderer, war verärgert, weil deren Flug kurzfristig gestrichen wurden war, aufgrund der Wetterverhältnisse im Luftraum.

Des Weiteren, war die Freude bei einigen ziemlich groß, da Freunde, der Lebenspartner oder Verwandte zurück oder zu Besuch kamen.
 

Elliot beobachtete gelassen das bunte Schauspiel, welches sich vor seinen Augen abspielte. Sein Flug dauerte von der USA bis nach Deutschland 7 Stunden. Nach dem langen Sitzen im Flieger, war er heilfroh, wieder die Beine vertreten zu können. Sein Praktikum bei einer Bank in New York ging letzte Woche zu Ende, weswegen er beschlossen hatte, wieder zu seiner Familie zurückzukehren. Zwar, wusste er noch nicht wie lange er bleiben würde, da er vorhatte, sich eine feste Arbeitsstelle als Bankkaufmann zu suchen, aber die nächste Zeit freute er sich darauf seine Familie und Bekannte wieder zu sehen.

Außerdem, machte er sich Sorgen um seine kleine Schwester. Seine Mutter und auch sein Großvater haben in letzter Zeit nur negatives zum Verhalten seiner Schwester zu berichten gehabt. Sogar, sein Vater, hatte seine Sorge diesbezüglich bei ihm kundgetan, nachdem er nach längerer Zeit gefragt hatte, wie es ihm in Amerika so erging.

Irgendwie, konnte es sich Elliot nicht so richtig vorstellen, wie schnell seine Schwester sich verändert haben soll. Zuletzt, hatte er sie zu Weihnachten gesehen, und das war fast ein gutes Jahr her. Bei diesem Besuch, waren ihm keine Veränderungen an seiner Schwester aufgefallen. Allerdings, musste er auch zugeben, dass er nicht darauf geachtet hatte, so sehr hatte er sich gefreut, seiner Familie von seinem Leben in New York zu erzählen.

Darum, hatte er beschlossen, dieses nachzuholen und einige Zeit mit seiner Schwester zu verbringen. Vielleicht, erfuhr er so, was mit ihr los sein sollte.
 

Ein rascher Blick auf die Uhr, verriet ihm, dass seine Mutter bald am Flughafen eintreffen würde, weswegen er ruhig seinen Koffer nahm und zum Ausgang ging. Es dauerte auch nicht lange, da erkannte er das blaue Auto von seiner Mutter und winkte ihr fröhlich entgegen. Am Straßenrand, kam das Auto zum Stehen und Elliot lief freudig darauf zu.
 

„Mutter! Wir haben uns ewig nicht gesehen.“, begrüßte er sie, nachdem sie aus dem Wagen ausgestiegen war und umarmte sie herzlich.

„Oh! Mein Junge.“, weinte Felicia vor Freude und drückte ihren Sohn, der um einiges größer war als sie, eng an sich heran. „Du bist erwachsener geworden. Wie schnell doch die Zeit vergeht.“

„Im Gegensatz zu mir, hast du dich gar nicht verändert. Du bist immer noch so jung, wie damals, als ich klein war.“

„Oh, hör auf damit. Ich werde noch ganz rot.“

Tatsächlich, zierte eine leichte Röte Felicias Wangen, wodurch sie jünger wirkte.
 

Elliot schaute an seiner Mutter vorbei und erkannte seine jüngere Schwester Nathalie, die mit verschränktem Armen auf dem Rücksitz saß.

Nachdem Elliot, seine Mutter wieder losgelassen hatte, ging er in Richtung Nathalie und klopfte lächelnd an die Scheibe, die die Geschwister voneinander trennte. Jedoch, machte Nathalie keine Anstalten, die Scheibe oder die Autotür zu öffnen. Hasserfüllt sah sie ihren Bruder an und wünschte, ihre Mutter hätte sie niemals mit hierher genommen. Das, war also die Überraschung, dachte Nathalie und hätte am liebsten die gesamte Welt verflucht. Zu all ihrem Übel, musste auch noch ihr Bruder auftauchen. Der perfekte Sohn und Bruder. Wenn sie könnte, wäre sie auf der Stelle gestorben.
 

„Nathalie? Was ist denn los? Komm doch raus.“

Verwirrt sah Elliot seine Schwester durch die Autoscheibe an und versuchte sich einen Reim aus ihrem ablehnenden Verhalten zu machen. Noch dazu, war ihm der vernichtende Blick nicht entgangen, mit dem Nathalie ihn angesehen hatte. Was war nur mit ihr los? Freute sie sich denn nicht ihn wieder zu sehen?

Selbst, als er seiner Mutter einen fragenden Blick zuwarf, schüttelte diese den Kopf und seufzte traurig.
 

Die Rückfahrt war für alle drei Insassen im Auto sehr erdrückend. Nathalie weigerte sich stur, auch nur ein Wort zu sagen, obwohl sie von ihrer Mutter und ihrem Bruder mehrere Male zum Reden aufgefordert wurden war. Doch, sie ließ sich in kein Gespräch verwickeln und starrte demonstrativ nach draußen.

Zu Hause angekommen, stürmte sie zugleich in ihr Zimmer und verriegelte ihre Zimmertür. Ihr einziger Gedanke, galt nur noch ihrer Verabredung, zu der sie sich, nachdem sie ihre Verkleidung zusammen gesucht hatte, eilig durch das Fenster raus schlich.

Nicht einer aus Nathalies Familie sah nach ihr und fragte nach ihrem Befinden. Sie hatten beschlossen, Nathalie in Ruhe zu lassen und wollten erst am nächsten Morgen versuchen, mit ihr zu reden, da sie alle übereingekommen waren, dass es das Beste wäre, ihr Ruhe zu gönnen.
 

Daher, fiel Nathalies Verschwinden über die ganze Nacht niemandem auf.

Eine gemeinsame Fahrt

Kapitel 21
 

Eine gemeinsame Fahrt
 

„Es ist wirklich toll von auch, Chelsea, dass ihr die Kätzchen bei euch aufnehmt.“, freute sich Mirabelle und nahm daraufhin das junge Mädchen kurz in die Arme.

„Das ist doch kein Problem, Mirabelle.“, wehrte Chelsea ab und versuchte bei dieser innigen Umarmung weiterhin Luft zu holen. Allerdings, drückte Mirabelle sie so sehr, dass es nur begrenzt möglich war. Um ihrer Freude, sogar noch mehr Ausdruck zu verleihen, gab sie der Brünetten einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Du bist wirklich ein Engel, weißt du das überhaupt?“

„Nun ja, ich…“ Verlegen sah Chelsea zur Seite. Soviel Lob, fand sie, hätte sie nicht verdient, und sie gleich als Engel zu bezeichnen, bestimmt nicht.

„Wir helfen euch gerne, Mirabelle. Du und Julia habt uns schon so oft geholfen, da ist es doch das Mindeste, dass wir uns gegenseitig unterstützen.“
 

„Chelsea hat Recht.“, wandte Julia ein und brachte in diesem Moment die Kätzchen, zusammen mit Vaughn in einem großen Weidenkorb ins Wohnzimmer des Hauses. Den letzten Satz hatte sie gerade soeben mitgekriegt.

„Und jetzt, bring Chelsea nicht noch mehr in Verlegenheit, sonst wird sie noch ganz rot.“

„Na gut. Dabei sage ich bloß die Wahrheit. Ich hole noch schnell die Papiere vom Arzt, dann könnt ihr euch auf dem Weg machen.“
 

Nachdem Mirabelle ins Arbeitszimmer gegangen war, wandte sich Chelsea an Vaughn und begrüßte ihn.

„Hallo, Vaughn. Wie geht es dir?“

Der junge Mann zeigte ein flüchtiges Lächeln und machte einen Schritt auf Chelsea zu.

„Ganz gut. Ein anstrengender Tag, heute. Und dir?“

„Auch, ganz gut. Und danke, dass du mich und die Kätzchen zu unserem Hof fahren wirst.“

„Das ist kein Problem. Es ist mein Job und ich tu es gerne.“

„Das ist schön. Mein Bruder und mein Vater haben keine Zeit, ansonsten wäre einer von ihnen gefahren.“
 

„Soll ich euch zwei alleine lassen?“, mischte sich Julia ein und tat beleidigt, weil die beiden, sie bis eben nicht beachtet, geschweige denn ins Gespräch mit einbezogen hatten. „Wenn ihr alleine sein wollt, müsst ihr es nur sagen. Schließlich, bin ich nur diejenige, die die Kätzchen hergetragen hat und sich liebevoll die letzten Wochen um sie gekümmert hatte.“

„Aber nicht doch, Julia.“, wandte sich Chelsea zugleich an ihre Freundin, weil sie glaubte, dass sie wirklich geknickt darüber war, bis eben von ihr ignoriert wurden zu sein.

Vaughn dagegen, fühlte sich komischerweise ertappt, als ob er etwas Verbotenes getan hätte. Verschlossen, senkte er den Blick und ging etwas mehr auf Abstand von den beiden Mädchen.

Daraufhin musste Julia lachen.
 

„Mein Gott, Chelsea. Nimm doch meine Worte nicht immer so ernst. Das war doch ironisch gemeint. Denn, es freut mich zu sehen, wie gut ihr zwei euch versteht.“

„Wie?“

Nun wurde Chelsea, doch noch rot im Gesicht und wagte einen flüchtigen Seitenblick auf Vaughn, doch der blickte stur gen Boden und tat so, als würde er gar nichts mitkriegen.

„Das ist doch kein Verbrechen, Chelsea. Ich freue mich sehr darüber, dass du dich nach dem schrecklichen Ereignis, noch an andere Menschen herantraust.“

Die letzten Worte hatte Julia geflüstert. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter nebenan, etwas davon mitbekam. Immerhin hatten sie und Lana es Chelsea versprochen stillschweigen darüber zu bewahren. Chelsea hatte ihre Freundin verstanden, worauf sie hinauswollte und hatte für einen kurzen Augenblick wieder Denny und seine lüsterne Gier vor Augen, doch sie schaffte es, dieses Bild rasch wieder zu verdrängen.

Julia hat Recht, dachte Chelsea und konnte es nicht verhindern, dass sie sich in diesem Moment an Vaughns Umarmung zurückerinnerte. Ein wohliger Schauer breitete sich in ihr aus. Von Kopf bis Fuß fühlte sie, wie ihr warm wurde und ein Lächeln trat unwillkürlich auf ihre Lippen.

Julia bemerkte, dass ihre Freundin mit ihren Gedanken ganz woanders war und hatte auch nicht vor sie dabei zu unterbrechen. Sie gönnte ihr diesen Moment und hatte auch eine Ahnung, wer der Auslöser für Chelseas Verhalten war. Verstohlen schaute sie in Vaughns Richtung. Zwar tat er so, als ob er desinteressiert wäre, aber sie war sich absolut sicher, dass seine Ohren alles mitbekamen, was mit Chelsea zu tun hatte. In letzter Zeit war ihr nämlich häufiger aufgefallen, dass sich Vaughn anders verhielt, wenn Chelsea zu Besuch kam und auch Chelsea konnte eine freudige Regung nicht verbergen, sobald sie Vaughn jedes Mal erblickte. Hoffentlich finden die beiden zueinander, dachte Julia und schwor sich, wenn sie von alleine nicht darauf kommen würden, was die beiden offensichtlich für einander empfinden, dass sie dem eben nachhelfen würde.
 

„Hier sind die Papiere.“, verkündete Mirabelle in die anhaltende Stille und überreichte sie Chelsea. „Habt eine gute Fahrt zusammen und viel Spaß mit den Kätzchen.“

„Vielen Dank, Mirabelle. Ich bin mir sicher, dass sie sich bei uns wohl fühlen werden.“

„Davon gehe ich auch aus.“, stimmte Julia zu und verabschiedete sich ein letztes Mal von den kleinen Vierbeinern.

„Wo steht denn der Transporter?“, fragte Chelsea und sah dabei Vaughn direkt an.

„Wir nehmen mein Auto. Der Transporter wäre dafür doch etwas zu groß.“, antwortete Vaughn und nahm den braunen Weidenkorb hoch.

„Du besitzt ein Auto?“, wunderte sich Chelsea. Dadurch wurde ihr bewusst, dass Vaughn schon etwas älter als sie war, weswegen es eigentlich logisch war, dass er auch einen Führerschein hat.

„Ja. Er steht draußen, direkt vorm Laden.“
 

Da Vaughn keine Anstalten machte, dass er Hilfe beim Tragen des Korbes benötigte, verabschiedete sich Chelsea von Julia und ihrer Mutter und folgte Vaughn zu seinem Auto.

„Es ist schwarz.“, stellte Chelsea fest, wobei sie es mehr vor sich herdachte, und es nicht als Kritik gemeint war, was Vaughn im ersten Moment aber dachte.

„Ist das ein Problem?“, wollte er auch zugleich wissen und kam sich, warum auch immer, etwas peinlich dabei vor, diese Frage gestellt zu haben.

„Aber nein.“, wehrte das junge Mädchen kopfschüttelnd ab. „Ich habe einfach nur laut gedacht. Genauer betrachtet, finde ich, dass die Farbe irgendwie zu dir passt.“

„Ja, mag sein.“

Näher wollte Vaughn nicht drauf eingehen, da es ihm ein wenig unangenehm war, mit dem was Chelsea sagte. Als der junge Mann schweigend ihr die Beifahrertür aufhielt, wurde auch Chelsea verlegen und zudem bewusst, was sie soeben gesagt hatte. Also schwieg auch sie und stieg gehorsam ins Auto ein.
 

Die ersten Minuten vergingen, ohne dass ein Wort zwischen den beiden gewechselt wurde. Chelsea fiel auf, dass Vaughn einen ruhigen und sicheren Fahrstil hatte. Komischerweise übertrug sich diese Ruhe auch auf sie, weswegen sie sich mit der Zeit entspannt zurücklehnte und aus dem Fenster schaute. Dabei stützte sie ihren Ellenbogen am Fensterrand ab und hielt ihren Kopf mit der Hand gestützt. Jedoch bemerkte sie nicht, dass sich auch ein Lächeln auf ihren Lippen gebildet hatte, welches Vaughn allerdings nicht verborgen blieb. An einer roten Ampel hatte er es nämlich gewagt, erneut einen Blick auf Chelsea zu werfen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund gefiel ihm ihr Profil und gleichzeitig, Chelsea so nah bei sich zu haben, erfreute ihn, dass er es sich nicht erklären konnte, woher diese Gefühlsstimmung mit einem Mal kam. Zugleich war er unendlich froh darüber, dass die junge Frau neben ihm noch in der Lage war zu Lächeln, nach diesem fürchterlichen Ereignis im Wald. So schnell, würde er es nicht vergessen, dessen war sich Vaughn bewusst. Tief in seinem Innern, schwor er sich, dass das auch nie wieder geschehen würde, dass er ein Auge auf Chelsea haben würde, sofern es ihm möglich war.

Irgendwie ist es eigenartig, dachte Vaughn. Dabei wollte ich von Mädchen oder jungen Frauen für längere Zeit auf Abstand bleiben. Was hat sie nur an sich, dass ich das Bedürfnis verspüre, sie permanent in meiner Nähe haben zu wollen?

„Vaughn? Sag mal, träumst du?“
 

„Wie? Was ist los?“

Vaughn war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er nicht mitgekriegt hatte, dass die Ampel inzwischen wieder auf grün umgeschaltet hatte, und dass ein Autofahrer hinter ihnen lautstark hupte. Peinlich berührt, setzte Vaughn sein Auto wieder in Bewegung. Allerdings blieb eine boshafte Bemerkung des anderen Fahrers nicht aus.
 

„Hattest du dieses extrem laute Hupen nicht mitbekommen? Das ging einige Sekunden lang.“, fragte Chelsea verwundert nach, wobei sie ein leichtes Lachen nicht unterdrücken konnte.

Daraufhin blickte Vaughn stur geradeaus auf die Fahrbahn. „Ich muss zugeben, dass es tatsächlich der Fall war. Meine Gedanken waren ganz woanders. Entschuldige.“

„Woran hast du denn gedacht? Es muss ziemlich wichtig gewesen sein, wenn du deswegen sogar den Verkehr vergessen hast.“

„Das möchte ich lieber nicht sagen. So wichtig war es nun auch wieder nicht.“

„Ach, nein?“

„Ja.“
 

Soweit kommt es noch, dass Vaughn ausgerechnet Chelsea erzählen würde, dass er intensiv an sie gedacht hatte. Das würde er nicht über sich bringen. Dessen war er sich sicher.

„Vaughn? Wie alt bist du eigentlich?“, nahm Chelsea das Gespräch wieder auf, obwohl sie ein wenig enttäuscht darüber war, dass ihr Vaughn nicht erzählen wollte, woran er vorab denken musste.

„19.“

„Wann ist dein Geburtstag?“

„Warum möchtest du das wissen?“

„Ich muss mich doch noch erkenntlich zeigen, dafür, dass du mich gerettet hast. Und außerdem, ich weiß auch nicht, kann ich dich gut leiden, daher bin ich einfach nur neugierig.“
 

„Du kennst mich doch gar nicht.“, konterte Vaughn. Im Anschluss an diese Worte, biss er sich auf seine eigene Zunge. Denn insgeheim freute er sich von Chelsea zu hören, dass sie ihn offensichtlich mochte.

„Das stimmt schon.“, antwortete Chelsea und war kurzzeitig gehemmt, da sie mit einer abweisenden Reaktion nicht gerechnet hatte. Vaughn spürte dies und versuchte zugleich die Situation wieder zu retten.

„Im Frühjahr. Am 24. Februar ist mein Geburtstag.“

„ Dann ist dein Sternzeichen Fische, nicht wahr?“, hakte Chelsea prompt nach, da sie erleichtert war, dass Vaughn doch noch bereit war, ihr, Auskunft zu geben.

„Das stimmt. Jedoch, musst du dich nicht bei mir erkenntlich zeigen. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist alles. Betrachte es als Ausgleich dafür, dass ich dich damals, fälschlicherweise, als Einbrecher gehalten habe.“, versuchte Vaughn das ein wenig runter spielen, damit sich Chelsea keine weiteren Gedanken mehr darüber machen musste und indem er auf ein anderes Thema lenkte. Denn in jener Nacht hatte er Chelsea versprochen, dass er seinen Überfall auf sie wieder gut machen würde. Das junge Mädchen erinnerte sich daran, woraufhin sie sich ein wenig erregt fühlte, da sie an Vaughns nackte Brust in diesem Zusammenhang dachte, was ihr ziemlich unangenehm gewesen war. Zumal sie, ebenfalls nur spärlich bekleidet war.
 

„Trotzdem. Das sind zwei unterschiedliche Vorkommnisse, daher würde ich es gerne tun.“, beharrte Chelsea und wurde ein zweites Mal an diesem Tag rot im Gesicht. „Irgendeine Geste möchte ich schon erbringen. Ich finde, dass gehört sich so. Wahrscheinlich ist es aber bis zu deinem Geburtstag noch zu weit dafür. Isst du gerne Kuchen?“

Wild durcheinander plapperte Chelsea drauflos. Sie konnte gar nicht so schnell schalten, so kunterbunt waren ihre Gedanken und Überlegungen. Hoffentlich hält er mich nicht für komplett verrückt, dachte Chelsea und betete, dass dem nicht so war.
 

„Chelsea, ich…Na gut. Wenn es dir so wichtig ist.“, lenkte Vaughn schließlich ein und konnte nicht umhin zu bemerken, dass er sich geschmeichelt fühlte. „In Ordnung, aber es genügt mir, wenn du mich auf eurem Hof herum führen würdest. Den überwiegenden Teil meiner Ausbildung hatte ich nämlich auf einem ähnlichen Betrieb wie eurem verbracht. Es würde mich schon interessieren.“

„Oh! Okay!“, freute sich Chelsea und faltete zufrieden ihre Hände in den Stoß.

„Hast du denn nicht viel von unserem Hof gesehen? Mein Vater führt sonst jeden Lieferanten, der bei uns auftaucht, einmal rum. Zumindest hatte er es bisher immer so getan.“, musste sich das junge Mädchen wundern und legte ihre Stirn in Falten. Das kam ihr jetzt schon merkwürdig vor.
 

„Dazu kann ich nichts sagen.“, antwortete Vaughn und lenkte sein Auto in die nächste Linkskurve. Somit, hatten sie die Stadt hinter sich gelassen. „Bei meiner letzten Auslieferung, war dein Vater nicht allzu gesprächig, aber auch ich war eher kurz angebunden. Wir hatten bloß das Geschäftliche miteinander ausgetauscht.“

„Ach so.“

Jedoch, fand es Chelsea immer noch eigenartig. Das sah ihrem Vater gar nicht ähnlich. Auch wenn sie wusste, dass Vaughn freiwillig nicht allzu viel sprach, so fragte sie sich doch, warum ihr Vater sich nicht die Mühe machte, Vaughn besser kennen zu lernen? Bisher hatte er immer viel Wert darauf gelegt, sich mit allen Angestellten von Mirabelle gut zu verstehen. Dies wäre wichtig für das Geschäft, hatte er immer wieder beteuert. Schon seltsam.
 

„Und? Wie alt bist du?“, fragte Vaughn, nachdem Chelsea längere Zeit geschwiegen hatte.

„Wie? Ach so, ja. Das habe ich noch gar nicht gesagt. Ich bin 16. Nächstes Jahr, im Sommer werde ich 17.“

„Wirklich, erst 16? Ich dachte, du wärst bereits älter, von deinem Verhalten her, wirkst du immer recht vernünftig und nicht so überdreht, wie andere in deinem Alter.“

„Das sagen viele. Mirabelle und Felicia sagen oft, dass ich meiner verstorbenen Mutter sehr ähnlich bin. Sie war ebenfalls eher zurückhaltend, konnte gut zuhören, war hilfsbereit und höflich.“

„Darf ich nachfragen, wie lange deine Mutter bereits…tot ist?“

„Das geht schon in Ordnung. Ich habe meine Mutter nie kennen gelernt. Sie ist kurz nach meiner Geburt gestorben.“

„Oh. Das tut mir Leid.“, äußerte Vaughn sein Mitleid. Doch Chelsea schüttelte lächelnd den Kopf.
 

„Das muss es nicht, Vaughn. Weißt du, auch wenn ich meine Mutter nie kennen gelernt habe, habe ich trotzdem, das seltsame Gefühl, dass mir nicht wirklich etwas fehlt. Ich meine, sicher, finde ich es traurig, dass es so ist. Früher habe ich viel deswegen geweint, wenn andere von ihr erzählten oder ich mir alte Familienfotos angesehen habe. Jedoch, durch Julia, Lana, meinem Bruder und die anderen um mich herum, habe ich mich nie so richtig einsam gefühlt. Besser gesagt, dann sehne ich mich nicht nach meiner Mutter, die ich sowieso niemals kennen lernen werde. Das musste ich, so schmerzlich es ist akzeptieren. Für meinen Vater dagegen, war es viel schwieriger. Ich glaube sogar, dass es noch heute so ist. Das er den Verlust nie wirklich überwunden hatte.“

„Jeder reagiert oder verhält sich nach so einem Schicksalsschlag anders und versucht auf seine eigene Art damit fertig zu werden. Ich finde, dass du richtig erwachsen damit umgehst. So etwas können gewiss nicht viele in deinem Alter.“

„Ja, mag sein. Doch, wie ist es bei dir? Wohnen deine Eltern in der Nähe?“
 

Sofort senkte Vaughn leicht seinen Blick, sodass ihm seine Haare die Sicht auf Chelsea versperren konnten. Unbehaglich drückte er sich tiefer in seinen Sitz und versteifte die Hände ums Lenkrad.

„Ist alles in Ordnung, Vaughn? Wenn du es mir nicht erzählen willst, ist es okay. Ich werde dich nicht weiter bedrängen.“

Sorgen machte sich Chelsea, als sie Vaughn so erstarrt neben sich sah. Nur zu gerne hätte sie erfahren, was mit ihm los war, doch sie wusste auch, dass sie ihn nicht zwingen konnte, es ihr zu erzählen, solange er es nicht von sich aus wollte.
 

„Das ist eine lange Geschichte, Chelsea.“, antwortete Vaughn schließlich, als Chelsea dachte, keine Antwort mehr zu erhalten.

„Nur soviel, ich will dich nicht anlügen. Denn auch ich kann dich gut leiden. Meine Eltern sind noch am Leben. Sie wohnen, so weit ich weiß, in Hamburg. Seit drei Jahren haben wir keinen Kontakt mehr. Unser Verhältnis, kannst du dir bestimmt denken, ist schwierig.“
 

Danach redete Vaughn nicht weiter, auch sonst wechselten beide nicht mehr viele Worte miteinander. Einerseits war es Chelsea unangenehm, Vaughn weiter zum Reden zu bewegen, da er offenbar die Lust an einer weiteren Unterhaltung verloren hatte, aufgrund der flüchtigen Erinnerung an seine Eltern. Chelsea hätte ihn gern getröstet, was ihr in dem engen Auto nicht möglich war. Andererseits erreichten sie das Ziel ihrer Fahrt, weswegen ihre gemeinsame Zeit vorüber war.

Erst als sie ausstiegen, fiel ihnen auf, dass die Kätzchen keinen Ton von sich gegeben hatten, was ihnen sonderbar erschien. Doch, nachdem sie den Korb öffneten, erfuhren sie auch den Grund.

Zufrieden und eng aneinander gekuschelt, schliefen die Kätzchen und wärmten sich gegenseitig. Doch, als sie ins Freie, in ihr neues zu Hause gelassen wurden, wurden sie schon wieder lebhafter und neugierig auf ihre neue Umgebung.
 

Zurück, am Auto angekommen, verabschiedeten sich Chelsea und Vaughn voneinander.

„Weißt du Vaughn, mir ist soeben eingefallen, dass bald die Herbstferien von der Schule aus beginnen. Also, wenn du Lust und Zeit hast, komm doch einfach dann einmal bei uns vorbei. Ich werde auch einen Kuchen backen, da ich hoffe, dass du zum Kaffee vorbeikommen wirst.“

„In Ordnung, Chelsea. Bis dahin, sehen wir uns bestimmt mal wieder, bei Mirabelle im Laden.“

„Bestimmt. Nachdem, Julia, Lana und ich, begonnen haben einen Selbstverteidigungskurs zu besuchen, treffen wir uns vorher immer bei Julia. Von ihr aus ist der kürzeste Weg zum Verein, der das anbietet.“

„Ein Selbstverteidigungskurs?“, hakte Vaughn verwundert und neugierig nach.

„Ja. Lana hatte diese Idee. Wir dachten alle, es könnte nicht schaden, zu lernen, wie man sich speziell gegen fremde Übergriffe verteidigt. Der Kurs ist auch nur für Frauen.“

„Das ist eine gute Idee. Mehr Sicherheit kann niemals verkehrt sein. Aber, jetzt muss ich los. Ich habe noch einiges zu erledigen. Bis dann, Chelsea. Wir sehen uns.“

„Ja. Bis bald, Vaughn. Ich freue mich schon darauf.“
 

Verdutzt sah Vaughn das junge Mädchen vor sich an. Manchmal, überrumpelte sie ihn mit soviel Offenheit, dass er nicht so recht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Allerdings freute er sich auch wahnsinnig darüber, dass diese Freude, die von Chelsea ausging, offenbar ihm galt.

Nachdem Vaughns Auto aus der Einfahrt verschwunden war, blieb Chelsea noch lange stehen und schaute der Richtung hinterher, in der das Auto gefahren war. Sie freute sich richtig immens darauf, Vaughn wieder zu sehen und spürte das plötzliche Bedürfnis ihm hinter zu laufen, wobei ihr nicht klar war, warum es so war.

Doch eines konnte sie mit Sicherheit sagen, sie fühlte sich in seiner Nähe wohl und wollte diese Nähe so schnell wie möglich wieder spüren.

Das Ansehen der Reichen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Unerwünschtes Wiedersehen

Kapitel 23
 

Unerwünschtes Wiedersehen
 

Kräftiger Regen kündigte sich in den frühen Morgenstunden an. Die letzten Tage waren bereits recht kalt gewesen, doch aufgrund des Regens wurde es äußert ungemütlich für jeden, der sein zu Hause verlassen musste.

Gerade Lana, hatte es besonders schwer. Ihre Eltern hatten nicht soviel Geld zur Verfügung. Bei einer siebenköpfigen Familie ging selbstverständlich das meiste für Nahrung und die Miete drauf, weswegen Lana seit gut drei Jahren gezwungen war, in ein und derselben Regenjacke rumzulaufen, die ihre eigentlich Funktion, vor Nässe schützen sollte, längst nicht mehr ausführen konnte. Dafür war sie einfach schon zu alt. Es war für die Blondine sowieso noch ein Wunder, dass sie ihr noch passte. Doch Lana war auch in letzter Zeit nicht viel gewachsen. Sie zählte mit zu den kleinsten in ihrer Klasse, was sie allerdings nie wirklich gestört hatte. Mit ihren 1, 64 Metern konnte sie immer noch gut mithalten.
 

Zu ihrem Leidwesen, befand sich die nächstgelegene Bushaltestelle nicht mal eben vor ihrer Haustür. Im Normalgang würde sie 10 Minuten bis dahin brauchen. Jetzt, im Regen, stellte sie einen neuen Rekord im Sprinten auf, um nicht all zu lange dem Regen ausgesetzt zu sein. Normalerweise, hätten ihre Geschwister ebenfalls aus dem Haus gemusst, um zur Schule zu gehen. Jedoch, war die kleinste von ihnen erkältet. Bei einem anderen fiel die erste Stunde aus und der dritte im Bunde, hatte vorm Haus den Weg nach rechts, anstatt nach links eingeschlagen. Lana hatte ihren Bruder nicht aufgehalten. Zum Streiten fehlte ihr sämtliche Energie. Ihre zwei anderen Geschwister hatte sie seit dem Wochenende nicht mehr gesehen. Sie waren 14 und 15 Jahre alt, und da kam es schon mal vor, dass die beiden einige Tage bei Freunden verbrachten ohne sich zu melden.
 

Pünktlich erreichte Lana das Häuschen an der Haltestelle und musste auch nicht lange warten, da kam bereits der Bus um die Ecke gefahren. Erleichtert stieg sie ein und kontrollierte, ob ihre Schulsachen einigermaßen trocken geblieben waren. Viel Hoffnung machte sie sich jedoch nicht. Ihre Vermutung wurde auch bestätigt. Sämtliche Hefte waren an den Rändern durchweicht und ihr einziges Schulbuch, welches sie heute für den Unterricht benötigte, fing bereits an, sich zu wellen. In diesem Moment, war Lana mehr als verzweifelt. Sie hatte häufiger ihre Eltern gefragt, ob sie nicht einen Regencape bekommen konnte, um auch ihren Schulrucksack schützen zu können. Allerdings, hatten ihre Eltern jedes Mal verneint, weil es finanziell einfach nicht möglich war, und dass Schulsachen nicht unbedingt geschützt werden müssten. Krampfhaft, unterdrückte Lana ihr resigniertes Schluchzen. Sie verabscheute ihr Leben und fragte sich zum tausendsten Mal, warum ausgerechnet ihr so etwas wiederfahren musste. So ungerecht war das Leben zu ihr, dass sie sich manchmal wünschte, sie wäre gar nicht erst geboren wurden. In solch deprimierenden Stunden, zählte Lana still für sich auf, was sie alles Gute in ihrem Leben hatte. Allem voran ihre Freundinnen. Denn, auch jetzt, freute sie sich, dass sie gleich wieder mit ihnen zusammen sein konnte, wodurch sich ihre Sorgen halbwegs verdrängen ließen. Natürlich, wäre sie in diesem Fall zufriedener, wenn sie sich mit Nathalie nicht zerstritten hätten und Sabrina noch bei ihnen wäre.
 

+++++
 

Völlig durchnässt, kam Lana vor der Schule an. Ihre Freundinnen, die nicht viel besser aussahen als sie, erwarteten sie in der Eingangshalle. Chelsea hatte ein Handtuch dabei, welches sie ihrer Freundin zugleich reichte.

„Morgen, Lana. Trockne dich erstmal richtig ab. Damit du dich nicht erkältest.“

„Dafür, ist es vielleicht schon zu spät. Meine kleine Schwester ist bereits krank und wenn ich an mir so runter sehe, erwartet mich höchstwahrscheinlich dasselbe.“

„Mal nicht den Teufel an die Wand.“, entgegnete Julia, die ebenfalls noch dabei war, ihre Haare mit einem Handtuch zu trocknen. „Morgen Abend, haben wir wieder unser Training zur Selbstverteidigung. Dafür müssen wir alle fit sein. Schließlich wollen wir doch nichts verpassen.“
 

„Selbstverteidigung? Wozu soll das sein?“, drang ihnen eine nur all zu bekannte Stimme ans Ohr. Gleichzeitig, wandten sich die Angesprochenen zu Nathalie um, die soeben dabei war, ihren Schirm zusammen zu klappen.

„Reicht dein loses Mundwerk nicht, um dich zu verteidigen, oder warum dieser alberne Kurs?“, fragte die pinkhaarige mokant nach.

„Ach, eure erhabene Hoheit lässt sich dazu herab, sich wieder unters Fußvolk zu mischen.“, antwortete Julia provokativ, wobei sie Nathalie geringschätzig ansah. „Deine tollen Männer scheinen dich wohl zu langweilen, wie es aussieht.“

„Du irrst dich, verehrte Julia.“, antwortete Nathalie und sah ihre ehemalige Freundin herausfordernd an. „Meine männlichen Begleiter, freuen sich jedes Mal auf so eine schöne Gesellschaft, wie mich. Ihr solltet es auch mal ausprobieren. Aber, was erzähle ich denn da. Chelsea hat es schließlich schon getan.“
 

Sofort horchte Chelsea auf und blickte Nathalie fragend an. „Was meinst du damit, Nathalie?“

„Genau. Was willst du denn damit sagen?“, wollte auch Lana wissen.

„Wie? Wisst ihr das etwas nicht?“, spielte Nathalie die Überraschte. „Nun ja, wundern sollte es mich eigentlich nicht. Immerhin, redet unsere Chelsea nicht viel mit anderen Personen über ihre Freundinnen, um sie vor anderen zu verteidigen.“

„Was soll das, Nathalie? Worauf willst du hinaus?“, entgegnete Julia scharf und trat einen Schritt auf ihre ehemalige Freundin zu.

„Meine Güte, verlier nicht gleich die Geduld. Ich werde es euch sagen, wenn es Chelsea, so wie es aussieht, nicht getan hat. Also, der gutaussehende Denny, hat mir und den anderen Jungs aus seiner Klasse gebeichtet, dass die unschuldige Chelsea, so wie wir sie angeblich kennen, sich hemmungslos an ihn heran geschmissen hat.“
 

„WAAS???“
 

Jede von den drei Mädchen war fassungslos. Allen voran, Chelsea, die hoffte, sich verhört zu haben. Außerdem, war sie bei der Verabredung dabei gewesen, weswegen sie ganz sicher wusste, dass das nicht sein konnte. Denny hatte versucht, sich an ihr zu vergehen und keineswegs anders rum.

„Wie bitte? Nathalie, das ist nicht wahr. Viel eher hat Denny…“

„Jetzt rede dich da nicht raus, Chelsea.“, unterbrach Nathalie sie mit einer Handbewegung. „Es ist doch kein Verbrechen, wenn man eigene leidenschaftliche Gefühle zum Ausdruck bringt. Es ist nur schade und irgendwie nicht nachvollziehbar, dass du uns ein anderes Verhalten vorspielst, was du allem Anschein nach, gar nicht bist. Sag, wer bist du eigentlich wirklich? Das würde mich schon interessieren.“
 

In diesem Moment, traf Nathalie eine schallende Ohrfeige, die aufgrund der Akustik in der Eingangshalle laut von den Wänden widerhallte. Entsetzt, hielten sich Chelsea und Lana die Hände vor dem Mund, als sie Zeuge von Julias Ohrfeige wurden. Wütend starrte sie Nathalie an, die sich schmerzend ihre rechte Wange hielt. Eine einzelne Träne trat unwillkürlich aus ihrem Auge hervor. Denn der Schmerz verteilte sich über ihre gesamte rechte Gesichtshälfte.

„DU! Du solltest dich schämen!“, rief Julia aus und auch ihr liefen Tränen über das Gesicht. „Mich würde viel eher interessieren, wer du überhaupt bist? Wir, wir kennen uns schon solange, dass hätte ich von dir niemals für möglich gehalten, dass du ein wildes Gerücht einfach so glaubst ohne die Fakten vorher zu klären. Das du, so tief gesunken bist und sowas nötig hast. Vor uns allen, dich zu beweisen und zu präsentieren, wie toll du bist und uns abwertest, obwohl wir immer für dich da waren. Chelsea hat dich nicht hintergangen. Sie hatte mit ihrem Vater gesprochen und versucht, ihn umzustimmen. Ihn von deinen guten Eigenschaften zu überzeugen, aber du verurteilst sie, ohne mit ihr vernünftig darüber gesprochen zu haben. Oder mit uns. Und nur, damit du bescheid weißt, Denny hatte versucht, sich an Chelsea zu vergreifen, ohne dass sie ihre Einstimmung dazu gab.“
 

Zitternd, stand Julia vor Nathalie und sah sie durchdringend an. Ihre Tränen waren immer mehr geworden, so verzweifelt war sie darüber, dass sie ihrer Freundin, die sie für sie noch immer war, eine Ohrfeige verpasst hatte. Sprachlos, erwiderte Nathalie ihren Blick und konnte es nicht glauben, was sie soeben gehört hatte. Sie warf einen flüchtigen Blick zu Lana, die sie genauso traurig und verzweifelt ansah. Und Chelsea, die hinter ihnen stand, versuchte krampfhaft ihre Tränen zu unterdrücken. Für Nathalie blieb es unbegreiflich. Hatte sie etwa so verkehrt mit ihrer Ansicht über Chelsea gelegen? Hatte Denny wirklich versucht, Chelsea zu missbrauchen? Er war ihr so sympathisch und nett vorgekommen. Gutaussehend, stark und männlich. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Andererseits, hatte sie sich schon gewundert, dass sie Chelsea und Denny nach ihrem Treffen nicht erneut zusammen gesehen hatte. Außerdem, war Denny in letzter Zeit, auch gar nicht in der Schule gewesen. Erst gestern, hatte sie ihn nach der Schule wiedergetroffen.
 

Als hätte die Situation nicht noch schlimmer werden können, trat in diesem Moment, Denny durch die Eingangstür. Die vier Mädchen waren sprachlos. Der junge Mann war ebenso erstaunt wie sie, dass er ihnen ausgerechnet hier über den Weg lief. Er erblickte Chelsea, die sich reflexartig hinter Lana gestellt hatte und sie hilfesuchend, am Arm packte. Beruhigend legte sie ihre Hand auf die von Chelsea und starrte Denny angriffslustig an. Auch Julia, stellte sich schützend vor ihre Freundin und wischte ihre Tränen aus dem Gesicht.
 

Denny konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, sobald er das Bild vor ihm richtig erfasst hatte.
 

„Lange nicht gesehen, Chelsea. Wie geht es dir? Lust auf ein Date?“

Abbitte

Kapitel 24
 

Abbitte
 

„Wie kannst du es wagen, du widerwärtiges Insekt!“

Wütend, wollte Julia auf Denny losstürmen und ihm gehörig eine verpassen, sodass ihm Hören und Sehen vergehen würde. Allerdings, hatte Denny in diesem Augenblick mehr Glück auf seiner gehabt, als es ihm normalerweise zustehen würde.
 

„Was ist denn hier los? Julia, würden Sie mir mal erklären, was dieser Aufstand hier soll?“

Herr Schwarz, der Klassenlehrer von Julia und den anderen Mädchen, trat auf die Gruppe zu und verlangte autoritär nach Auskunft.

„Ja, Julia.“, sprach Denny in die anhaltende Stille, wobei Julia ihn ununterbrochen eiskalt im Visier hatte. „Was habe ich dir denn getan? Die letzten Wochen hatte ich eine schwere Krankheit auszukurieren und kaum bin ich wieder hier, stürmst du auf mich zu wie eine Furie. Sag, wie hätte ich dir etwas antun können, wenn ich doch gar nicht in der Schule gewesen bin?“

Selbstsicher, stand Denny vor den Mädchen und genoss diesen Moment, in dem er als Sieger hervorgehen würde. Die letzten Wochen, hatte er sich nur nicht in der Schule blicken lassen, weil er glaubte, dass Chelsea ihn verraten hätte, nach jenem Ereignis im Wald. Aber, da er keinen Brief oder dergleichen erhalten hatte, konnte er davon ausgehen, dass Chelsea niemandem etwas erzählt hatte, weswegen er wieder zur Schule gehen konnte. Natürlich, war ihm bewusst, dass Chelseas Freundinnen Bescheid wissen mussten, mehr jedoch nicht. Außerdem, war er auf Rache aus. Er wollte Chelsea eine Lektion erteilen, indem er seine begonnene Aktion zu Ende bringen würde und auch diesem Unbekannten würde er es noch zeigen, der ihn von seinem Vorhaben abgehalten hatte.
 

Mit zusammengeballten Fäusten, sah Julia in Dennys arroganten Augen und wünschte, dass sie ihn verprügeln könnte. Lana ging es nicht anders, auch sie hätte ihm nur zu gerne eine Abreibung verpasst. Allerdings, war diese nicht möglich, solange deren Klassenlehrer neben ihnen stand und weitere Taten verhinderte.
 

„Ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist. Der Unterricht fängt jeden Moment an. Bitte, begebt euch in eure jeweiligen Klassen. Euch Mädchen ist doch noch bewusst, dass ein weiteres Schreiben an eure Eltern zu erfolgen hat, wenn ihr erneut auffällig werdet.“

Nur all zu gut, war es den Mädchen bewusst. Resigniert, nickten sie und nahmen Chelsea sicher in ihre Mitte, wobei sie Denny nicht aus den Augen ließen, der in die entgegengesetzte Richtung musste.

Wortlos, schloss sich Nathalie ihren Freundinnen an. Nach wie vor, hielt sie sich ihre schmerzende Wange und versuchte zu begreifen, was sie soeben miterlebt hatte.
 

+++++
 

Für jeden der vier Mädchen wurde es ein endlos langer Schultag. Keine von ihnen verließ in den Pausen das Klassenzimmer, es sei denn, sie mussten zur Toilette, und auch dann, gingen sie immer gemeinsam. Sogar Nathalie weilte auf ihrem Platz, ohne ein einziges Mal die Jungs in den höheren Klassen aufzusuchen. Aus dem Fenster, konnten die Mädchen beobachten, wie sich Denny unter seinen Klassenkameraden beliebt machte, und gerade die Schülerinnen, lechzten nach seiner Aufmerksamkeit.
 

Nach acht qualvollen Schulstunden, ertönte die Schulglocke, die die Schüler von ihrem Leiden erlöste. Es regnete noch immer, als Chelsea, Julia und Lana das Gebäude verließen und sich gemeinsam auf dem Weg zu Mirabelles Tierpension machten. Auf dem Weg zum Schultor, lief ihnen Denny nicht über dem Weg, was Chelsea sehr gelegen kam, denn gerade in ihr, saß der Schock sehr tief, ihren Peiniger so unmittelbar gegenüber gestanden zu haben. Die letzten Stunden hatte sie sich extrem beherrschen müssen, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren, weil ihr sämtliche Bilder an das schreckliche Ereignis wieder in den Sinn kamen. Eigentlich, dachte sie, würde sie nicht all zu geschockt darauf reagieren, falls ihr Denny wieder begegnen würde. Das, dem nicht so war, machte ihr nun gewaltig zu schaffen. Sie war heilfroh und einigermaßen erleichtert, dass ihre Freundinnen bei ihr waren und sie es nicht alleine mit Denny zu tun gehabt hatte. Dennoch, war die Angst und Panik erneut in ihr hochgekommen, wie an jenem Tag.

Bleich und mit zitternden Knien erreichten Chelsea und die Mädchen Julias zu Hause. An der Eingangstür fiel ihnen auf, dass ihnen Nathalie heimlich gefolgt war.
 

„Was willst du denn noch?“, fauchte Julia sie zugleich an, nachdem sie sie bemerkt hatte. „Findest du nicht, dass du schon genug Schaden angerichtet hast?“

Verlegen, aber auch trotzig erwiderte Nathalie Julias durchbohrenden Blick.

„Ich würde gerne mit euch reden.“, gab Nathalie, zwar etwas leise, aber dennoch hörbar zu.

Julia, Lana und Chelsea waren überrascht, nickten aber einstimmig, woraufhin ihnen Nathalie erleichtert folgte.

Zu viert begaben sich die Mädchen schnurstracks in Julias Zimmer. Julia besorgte jedem ihrer Freundinnen ein Handtuch und setzte Wasser für Tee auf. Sobald der Tee fertig war, saßen die Mädchen schweigend zusammen und wärmten ihre Hände an ihren Tassen. Für Chelsea kam diese Wärme heilend und erlösend vor. Nach wenigen Minuten kehrte wieder Farbe in ihr Gesicht zurück, was die anderen zufrieden bemerkten.
 

„Also, “, fing Nathalie zögerlich an, „es ist also wahr, was…was ihr mir erzählt habt?“

Julia und Lana nickten und warfen Chelsea einen kurzen Blick zu. Die Brünette sah gen Boden und nahm einen Schluck von dem wärmenden Tee.

„Ja.“, antwortete sie schließlich, wobei sie langsam ihre Augen auf Nathalie richtete, die ihr gegenüber saß. „Wir waren den Freitag verabredet gewesen, das weißt du ja und dann…hatte er gegen Ende versucht…nun ja…er ist ziemlich aufdringlich geworden.“

„Darf ich fragen, wie du…wie du ihm entkommen bist?“

„Vaughn. Vaughn tauchte plötzlich auf und hatte ihn von mir gezogen.“
 

„Gott sei Dank. Dadurch konnte er Schlimmeres verhindern.“, sagte Lana und musste in diesem Moment niesen.

„Warte Lana. Am Besten ziehst du trockene Sachen von mir an. Von uns allen, bist du am Meisten nass geworden.“

„Danke, Julia.“

Erst, nachdem sich Lana umgezogen hatte (die Kleider von Julia waren ihr natürlich zu groß), sprach Nathalie weiter.
 

„Das tut mir Leid. Ich wusste davon nichts. Ich hatte Denny ganz anders eingeschätzt.“

„Das hatte jede von uns.“, stimmte Julia ihr zu und konnte sich einen bitteren Gesichtszug nicht verkneifen. „Wenn wir das geahnt hätten, hätten wir Chelsea niemals zu dieser Verabredung überredet, aber wer vermutet auch sowas.“

„Es ist nicht eure Schuld.“, antwortete Chelsea darauf und hatte wieder ein zaghaftes Lächeln auf den Lippen. „Immerhin, war ich auch damit einverstanden gewesen. Solch eine böse Tat wäre mir auch niemals in den Sinn gekommen.“

„Trotzdem, tut es mir Leid.“ Nathalies Augen füllten sich mit Tränen, dennoch blickte sie ihre Freundinnen, vor allem Chelsea, weiterhin an. „Hätte ich das vorher gewusst, dann…dann…dann hätte ich doch niemals, wirklich nie im Leben mit ihm…mit ihm…geschlafen.“
 

Unaufhaltsam, liefen Nathalies Tränen ihr übers Gesicht. Sie machte keine Anstalten, diese wegzuwischen, geschweige denn zu trocknen. Julia und die anderen schauten die pinkhaarige entsetzt an.

„Wie…? Wann hast du…?“, wollte Julia wissen, wobei sie zu verwirrt und geschockt war, um ihre Frage richtig zu formulieren. Doch, Nathalie hatte sie verstanden.

„Gestern.“, antwortete Nathalie schluchzend. „Gestern, bin ich ihm zufällig im Park begegnet. Bei dieser Gelegenheit wollte ich natürlich wissen, warum er solange nicht in der Schule gewesen ist. Er erzählte, dass er krank gewesen war. Es hätte länger gedauert, sich von dieser Krankheit zu erholen. Und, nun ja…wir redeten eine ganze Weile. Ich muss zugeben, dass ich mich nicht unschuldig benommen habe. Ich wollte ihn verführen, weil ich mich so allein gefühlt habe. Außerdem, erwähnte Denny erstmal Chelsea mit keinem Wort. Wir…wir gingen zu ihm nach Hause und…ja, den Rest könnt ihr euch denken. Als, ich wieder gehen wollte, fragte ich ihn, wie seine Verabredung mit Chelsea gelaufen wäre. Da, hatte er nur gegrinst und gemeint, dass sich die Kleine, also Chelsea, an ihm rangeschmissen hätte, was er dir von vornherein nicht zugetraut hätte.“
 

Wieder, füllten sich Nathalies Augen mit Tränen, allerdings schluchzte sie nicht mehr ganz so heftig, wie zu Beginn. Chelsea, Julia und Lana erwiderten erstmal gar nichts darauf. Sie kannten Nathalie, und hatten bereits vermutet, dass sie sich hemmungslos ans andere Geschlecht heran macht. Demnach, war ihnen klar, dass sie keine Jungfrau mehr sein konnte, aber sie hatten es auch nie als schlimm empfunden, immerhin, kannten sie sich schon seit Jahren, und Nathalie war ihnen, trotz ihres frivolen Verhaltens, eine gute und treue Freundin gewesen. Auch jetzt, konnten die Mädchen ihr nicht böse sein. Nathalie war Denny, genauso wie Chelsea, in die Falle gegangen. Er spielte mit Frauen, wie es ihm gefiel. Jeder, wäre auf ihn hereingefallen, nicht nur sie.
 

Chelsea, stand als erste von ihnen auf und legte Nathalie beruhigend eine Hand auf ihre Schulter. Daraufhin, hob Nathalie ihren Blick und sah Chelsea verwundert an.

„Es ist nicht deine Schuld, Nathi. Wir sind ihm alle auf den Leim gegangen, weswegen keine von uns, dir einen Vorwurf macht.“

„Genau.“, stimmte zugleich Lana zu und fiel ihrer Freundin um den Hals. „Wir sind bloß froh, dass wir wieder miteinander reden und uns gemeinsam gegen Denny wehren können, wenn er wieder zu weit gehen würde.“

Das war das Stichwort, woraufhin jedes der Mädchen Nathalie stürmisch umarmte. Diese, war davon so gerührt und unendlich erleichtert, dass sie erst recht weitere Tränen vergießen musste, diesmal allerdings aus Freude. Es dauerte auch nicht lange, dass jedes der Mädchen ihren Gefühlen freien Lauf ließ. Die letzten Wochen waren ziemlich belastend für jede gewesen, weswegen sie nur all zu froh waren, dass es jetzt vorüber war und der Streit zwischen ihnen beigelegt wurde.
 

„Es tut mir wirklich Leid, Nathalie, was bei mir zu Hause geschehen war. An dem Tag, war ich keine gute Freundin gewesen, aber ich hatte danach versucht, meinen Vater wieder umzustimmen, was mir leider nicht gelungen ist. Du hast meinen Vater erlebt, er kann schon ziemlich stur sein.“

„Lass uns das vergessen, Chelsea.“, erwiderte Nathalie darauf und nahm ihre Freundin erneut kurz in den Arm. „Im Grunde genommen, wusste ich die ganze Zeit über, dass du dich für mich eingesetzt hast, als ich bei dir auf dem Hof war. Aber, du kennst mich. Wenn ich mich in etwas verrannt habe, fällt es mir schwer, davon wieder loszukommen. Du hast es wahrlich nicht einfach auf dem Hof und ich muss zugeben, dass ich diese Zeit mit dir sehr genossen habe. Ich war bloß zu Stolz, das von vornherein zuzugeben.“

„So, kennen wir dich, Nathi.“, mischte sich Julia ein und zwinkerte ihr zu. „Aber, dafür lieben wir dich um zu sehr, wenn du einsiehst einen Fehler gemacht zu haben.“

„Danke, Julia. Ich werde mich bemühen, mich zu bessern. Ganz ehrlich.“

„Soviel musst du dich gar nicht verändern.“, sagte Lana und lächelte ihre Freundin an. „Wir mögen dich so, wie du bist. Du bist eben einmalig und eben einzigartig. Wir wollen dich gar nicht anders haben.“

„Auch wenn wir uns so oft streiten?“, hakte Nathalie nach, wobei sie ebenfalls ein Lachen nicht unterdrücken konnte.

„Das macht uns eben aus.“, antwortete Julia und brachte Nathalies Haare durcheinander. „Wer sollte es sonst mit dir aushalten können, wenn nicht wir es wären?“
 

Die Mädchen lachten und alberten den gesamten Nachmittag miteinander. Jede von ihnen war heilfroh, dass der Streit zwischen ihnen vergessen war, und sie wieder zusammen rumhängen würden. Außerdem, überredeten die Mädchen, dass Nathalie auch in den Selbstverteidigungskurs eintreten sollte, damit sie noch öfter zusammen sein konnten.
 

„Das werde ich tun.“, antwortete Nathalie und nickte zustimmend in die Runde. „Aber, wisst ihr, ich würde nur zu gerne wissen, wie es Sabrina geht. Es ist bereits eine Weile her, dass wir sie zuletzt gesehen haben.“

„Das stimmt.“, sagte Chelsea und blickte traurig aus dem Fenster. „Es sind ja bald Ferien, vielleicht haben wir dann eine Chance sie wieder zu sehen.“

„Wir sollten es auf jeden Fall versuchen.“, sprach Julia und legte sich erschöpft auf den Rücken. „Wisst ihr, ich hätte es nie gedacht, dass wir mal voneinander getrennt werden. Teilweise, kennen wir uns von klein auf. Haben alles gemeinsam erlebt und nun, scheint irgendwie alles anders geworden zu sein.“

„Nicht alles, Julia.“, erwiderte Lana und sah ihre Freundinnen freudestrahlend an. „Wir haben immer noch uns, und auch Sabrina gehört noch dazu. Egal was noch passieren wird, wohin unser Weg auch gehen wird, wir werden immer füreinander da sein. Wir haben doch, gerade heute wieder gemerkt, dass uns nichts so einfach trennen kann, was auch immer passieren wird.“

„Das hast du schön gesagt, Lana.“
 

Das stimmte. Die Freundinnen hatten in diesem Moment denselben Gedanken und schwuren sich insgeheim, immer für den jeweils anderen da zu sein, egal was auch in Zukunft noch geschehen würde.

Die Einladung

Kapitel 25

Die Einladung

 

 

Die lang ersehnten Ferien kamen und versetzten Chelsea in eine euphorische Hochstimmung. Es war nicht einzig allein den Tatsachen zu verdanken, dass sie der Schule für zwei Wochen den Rücken kehren konnte und dass sie sich mit Nathalie wieder vertragen hatten, sondern vielmehr, dass sie sich wahnsinnig darauf freute, Vaughn wieder zu sehen und ihn zu sich auf den Hof einladen zu können. Ihr Bruder war ebenfalls damit einverstanden. Er hielt es für eine gute Gelegenheit, sich bei ihm zu revanchieren, obwohl er  im Stillen dachte, dass es mehr bedurfte, dafür, dass er seine Schwester gerettet hatte. Nach wie vor, machte sich Mark große Vorwürfe, weil er dieses Ereignis auf eine gewisse Weise mit herbei bewirkt hatte. Es nützte auch nichts, dass Chelsea versuchte, ihm diese trüben, und aus ihrer Sicht unsinnigen Gedanken auszutreiben. Mark blieb stur.

Deswegen, machte sich Chelsea massive Sorgen um ihren Bruder, der von Tag zu Tag stiller wurde und übertrieben vorsichtig geworden war, was sie betraf. Jede, noch zu kleine Anstrengung nahm er ihr ab, wenn seine Zeit, außerhalb des Studiums, es zuließ. Teilweise, ging es der Brünetten auf die Nerven. Auf der anderen Seite, konnte sie ihren Bruder verstehen und sie überlegte fieberhaft, wie sie es schaffen könnte, dass ihr Bruder wieder normal werden würde. Bisher, war ihr noch nichts Hilfreiches eingefallen, doch sie gab die Hoffnung nicht auf, dass wohlmöglich, am Ende die Zeit alles wieder regeln würde.

 

+++++
 

Lana hatte Glück gehabt. Der gewaltige Regen vor drei Tagen hatte es nicht geschafft, sie außer Gefecht zu setzen und an ihr Bett zu fesseln. Mit übermäßigem Tatandrang hatte sie sich schon recht früh auf dem Weg gemacht, um Sabrina einen Besuch abzustatten. Zumindest hoffte sie es, dass sie soweit zu ihr vordringen würde. Eigentlich, hätte sie auch gerne Julia, Nathalie und Chelsea dabei gehabt, allerdings hatte jede von ihnen anderweitig zu tun, weswegen sie kurzerhand beschloss, sich alleine auf dem zu Regis Anwesen zu begeben. Schließlich, musste bald etwas geschehen, ansonsten würde sie diese Ungewissheit nicht mehr länger aushalten können.

 

Über einen Monat, hatten sie sich nicht mehr gesehen, und Lana machte sich Sorgen, wie es ihrer Freundin in der Privatschule wohl bisher ergangen war. Sie kannte Sabrina und wusste daher, dass sie nicht so forsch war, wie Nathalie oder Julia, sondern eher ruhig und zurückgezogen. Bis sie überhaupt Freundinnen geworden waren, war eine lange Zeit vergangen. Zwar, kannten sie sich schon seit der 5. Klasse an, aber Freundinnen wurden sie erst zwei Jahre später in der 7. Klasse. Sabrina wurde, soweit sich Lana erinnern konnte, von ihrem Vater stets behütet und extrem autoritär erzogen. Anfangs, wurde Sabrina jeden Morgen zur Schule chauffiert und nachmittags wieder abgeholt. Das hatte mitunter, dazu beigetragen, dass Sabrina recht langsam Anschluss an ihre neue Klasse gewinnen konnte, aber auch ihre Kleidung hob sich von ihren Mitschülern ab. Permanent trug sie die feinsten Kleider, was auch kein Wunder war, immerhin kam sie aus sehr gutem Hause, doch es waren immer Röcke, Strumpfhosen, Blusen und dergleichen, wodurch sie ziemlich zugeknöpft wirkte. Ihr Verhalten war stets höflich und vorbildlich, dass man sich auch kaum traute, mit ihr näher in Kontakt zu treten, da man befürchtete sie zu verletzen oder zu kränken, weil Sabrina häufig rüberkam, als wäre sie mit ihren Gedanken ganz woanders und, auf der anderen Seite, als würde sie auf ihre Mitschüler herabsehen. Daher, unternahm Lana keine Versuche, Sabrina näher kennen zu lernen, geschweige denn auch zu wollen. Die Blondine war das genaue Gegenteil von ihr. Eine Freundschaft konnte aufgrund dessen schon nicht möglich sein.

Erst, geraume Zeit später, erfuhr Lana, dass Sabrina anders war, als die, für die sie sie gehalten haben. Sie wusste nicht mehr genau wie, aber Chelsea hatte es irgendwann geschafft, sich mit Sabrina anzufreunden, wodurch aus ihrem Quartett eine 5. Clique wurde.

 

Inzwischen, war Lana eine ganze Weile mit dem Bus unterwegs, als ihr eine all zu vertraute Person, an der nächsten Haltestelle, einstieg. Elliot war gerade dabei gewesen, sich die Brille zu putzen, als der Bus vor ihm zum Stehen kam. Daher erblickte er Lana auch erst, als er sich schon im Bus befand und seine Brille dort wieder aufgesetzt hatte. Lächelnd ging er auf sie zu und Lana hob grüßend ihre Hand.

„Hi, Lana! Das ist aber eine Überraschung, so früh am Morgen.“, begrüßte der junge Mann sie und fragte, ob er der Platz neben ihr noch frei wäre.

„Guten Morgen, Elliot. Setz dich ruhig. Es freut mich auch dich zu sehen. Was hat dich so früh aus dem Haus getrieben?“

„Ich habe gleich ein Bewerbungsgespräch bei einer Bank, dafür möchte ich nicht zu spät kommen.“

„Jetzt, wo du es sagst, du siehst auch ziemlich herausgeputzt aus in deinem blauen Anzug. Er steht dir.“, gab Lana ehrlich zu.

„Danke. So etwas höre ich nicht jeden Tag. Und, wohin bist du unterwegs?“, hakte Elliot neugierig nach.

„Ich bin auf dem Weg zu Sabrina, also zu Regis Anwesen. Ich weiß nicht, ob dir Nathalie davon erzählt hat, aber Sabrinas Vater hat sie von unserer Schule genommen und auf einer Privatschule angemeldet. Mittlerweile, ist es einen Monat her, weswegen wir uns allmählich Sorgen machen, wie es ihr wohl geht.“

„Das verstehe ich. Leider, unterhält sich Nathalie nicht gerade viel mit mir, genauer gesagt, fast gar nicht. Anscheinend nur, wenn sie es unbedingt muss. Aber, ihr habt euch wieder vertragen, sehe ich das richtig? Nathalie wirkte in den letzten Tagen fröhlicher, als davor.“

„Das stimmt auch. Wir haben uns mit ihr ausgesprochen, was auch höchste Zeit war. Nathalie hatte den ersten Schritt auf uns zugemacht und alles andere hatte sich dann ergeben.“

„Ich freue mich, dass zu hören. Weißt du, ich mache mir ebenfalls Sorgen um meine Schwester. Sie ist so anders, so distanziert mir und meiner Familie gegenüber geworden. Bis jetzt, konnte ich den Grund dafür nicht herausfinden.“

 

„Ja, Nathalie hat zwischendurch ihre Eigenarten. Das was, in eurer Familie nicht stimmt, haben wir uns schon gedacht, zumindest was Nathalie betrifft. Wenn ich das so sagen darf, aber ihre Veränderung begann mit der Scheidung eurer Eltern. Das muss sie ziemlich getroffen haben.“, wagte es Lana auf ein empfindliches Thema zu sprechen zu kommen.

„Du kannst ruhig offen zu mir sein. Ich bitte sogar darum.“, antwortete Elliot und nahm einen tiefen Luftzug, ehe er weitersprach.

„Die Vermutung hatte ich auch. Meiner Mutter und meinem Großvater war dieser Gedanke auch schon gekommen, aber für meine Eltern war es unmöglich geworden, weiterhin glücklich miteinander zu leben. Ihre Gefühle füreinander haben sich verändert, weswegen es am Ende das Beste für beide war, sich dauerhaft zu trennen. Nathalie konnte es damals schon nicht nachvollziehen und hatte sogar unserer Mutter heftige Vorwürfe deswegen gemacht, dass sie unseren Vater nicht halten konnte, bzw. dass sie ihn so einfach hatte gehen lassen. Doch, auch unseren Vater wollte sie nicht wieder sehen, nachdem sich herausstellte, dass er eine neue Lebensgefährtin gefunden hatte.“

Elliot seufzte. „Selbstverständlich, war es auch für mich nicht einfach, aber so ist es nun mal im Leben. Nicht jedes Paar hat das Glück ewig miteinander zu leben und gemeinsam alt zu werden. So traurig es auch ist, diese Tatsache muss man akzeptieren. Auch Nathalie.“

 

„Ich kann es nachvollziehen. Zwar, sind meine Eltern nicht geschieden, aber so etwas geschieht wahrlich sehr oft im Leben, dass Paare viel zu schnell wieder auseinander gehen, egal aus welchen Gründen. Ich würde mein Leben nicht als perfekt bezeichnen, aber dennoch versuche ich das Beste daraus zu machen. Ich würde mir gewaltige Vorwürfe machen, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde. Und Nathalie, ja…ich bin mir nicht absolut sicher, aber sie scheint diesen Schmerz noch nicht überwunden zu haben und versucht, aus meiner Sicht, davor wegzulaufen, anstatt es zu akzeptieren.“

„Mit dem könntest du recht haben.“, erwiderte Elliot und sah Lana länger an, als er es beabsichtigt hatte. „Du bist im letzten Jahr erwachsener geworden. Schon unglaublich, was ein volles Jahr alles aus machen kann.“

 

Lana errötete. Noch nie hatte sie jemand als erwachsen bezeichnet. Sie freute sich, dass Elliot es so sah und kam auch nicht umhin zu bemerken, dass auch er im letzten Jahr seine weichen Züge fast komplett verloren hatte. Seine Statur war männlicher und auch sein Gesicht reifer geworden. Seine Augen schauten sie klar und offen an, dass Lana fast befürchtete von diesem strahlenden blau aufgesogen zu werden.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht anstarren, aber auch mir ist aufgefallen, dass du dich äußerlich ein wenig verändert hast.“

„Das muss dir nicht leid tun. Solange, ich mich zum Positiven verändere. Aber, jetzt entschuldige, ich muss an der nächsten Haltestelle aussteigen. Vielleicht, sehen wir uns bald mal wieder. Hast du was dagegen, wenn ich dich anrufe?“

 

Perplex, sah Lana Elliot an, der sich bereits von seinem Sitz erhoben hatte und sie erwartungsvoll ansah. In diesem Moment, machte Lanas Herz einen minimalen Hüffer, weswegen sie lediglich als Antwort nickte, womit Elliot ganz zufrieden war und ihr zum Abschied von draußen winkte.

 

+++++
 

In Mirabelles Tierpension neigte sich ein ruhiger Arbeitstag dem Ende entgegen. Vaughn hatte gerade den Laden verlassen, als er von weitem erkannte, dass Chelsea auf ihn zugelaufen kam. Zuerst, dachte er, dass sie mit Julia verabredet war, woraufhin ihm gleich wieder einfiel, dass Julia den ganzen Tag nicht zu Hause gewesen war, weswegen ihm Chelseas Auftauchen rätselhaft blieb. Allerdings, bemerkte er, dass er sich freute, Chelsea wieder zu sehen. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als die Brünette keuchend vor ihm stehen blieb.

 

„Ein Glück, du bist noch da. Ansonsten, wäre der Sprint umsonst gewesen.“ Japsend, holte Chelsea nach Luft und fühlte bereits heftige Seitenstechen.

„Was schlägt dich hierher? Julia ist nicht da und auch Mirabelle hatte mit keinem Wort dein Kommen erwähnt.“, fragte Vaughn interessiert nach.

„Ich weiß. Ich wollte auch zu dir.“, gestand Chelsea und konnte wieder richtig atmen.

„Zu mir?“, irritiert hob Vaughn eine Augenbraue und blickte Chelsea erwartungsvoll an. „Warum zu mir?“

„Wir hatten doch ausgemacht, dass du mich in den Ferien besuchen wirst. Ich dachte an übermorgen. Dann ist Samstag und ich hoffe, du hast da Zeit.“

 

Bei ihren letzten Worten, konnte Chelsea nicht verhindern, dass sie leicht errötete und es ihr schon ein wenig peinlich war, Vaughn direkt zu fragen. Irgendetwas, hatte sich zwischen den beiden verändert, was sie noch nicht richtig begreifen konnte. Dennoch, freute sie sich jedes Mal aus Neue, Vaughn wieder zu sehen und sie hoffte, dass es ihm genauso ging.

„Du kommst doch, oder?“, fragte Chelsea erneut zögerlich nach, nachdem Vaughn noch keine Antwort gegeben hatte. Inzwischen, fühlte sich Chelsea nicht mehr ganz so sicher, wie sie es bis eben noch gewesen war. Hat er denn kein Interesse mehr, schoss Chelsea unwillkürlich dieser Gedanke durch den Kopf und senkte verlegen ihren Blick.

 

„Natürlich, Chelsea. Ich hatte es dir doch versprochen.“, antwortete Vaughn endlich und erlöste Chelsea somit von ihrem Leiden. Die Brünette hob daraufhin erleichtert ihren Kopf und lächelte Vaughn freudestrahlend an.

„Wirklich? Das freut mich aber. Passt es dir mit 15 Uhr?“

Wieder einmal, war Vaughn völlig überrumpelt von Chelseas Fröhlichkeit, weswegen er sich erstmal räuspern musste, bevor er antworten konnte. „Das geht in Ordnung. 15 Uhr ist perfekt.“

„Super! Ich freue mich. Dann werde ich dich auch nicht länger aufhalten. Du willst bestimmt Feierabend machen, also werde ich wieder gehen.“

 

Chelsea wollte sich gerade umdrehen, als Vaughn sie daran hinderte. „Warte kurz, Chelsea. Bist du etwa allein unterwegs?“, wollte er wissen und sah sie eindringlich an.

„Ähm, ja. Ich bin mit dem Bus gekommen.“, antwortete Chelsea und fühlte sich unter Vaughns ernstem Blick ein wenig verunsichert.

„Das solltest du aber nicht. Ich werde dich, wenigstens bis zur Bushaltestelle begleiten und warten bis du eingestiegen bist.“

„Aber, Vaughn, das musst du nicht tun. Du hast bestimmt noch, was anderes vor und ich komme schon alleine klar.“, versuchte Chelsea Vaughn zu besänftigen. Allerdings schüttelte er vehement den Kopf.

„Nichts da, Chelsea. Julia hatte mir erzählt, dass dieser Typ wieder in der Schule gewesen ist und ihr ihn getroffen habt. Wer weiß, wo du ihm sonst unvorbereitet über dem Weg laufen wirst. Es ist sicherer, wenn ich dich begleite. Dann, werde auch ich mich besser fühlen.“, sprach Vaughn bestimmt, wobei er es bewusst vermied, Chelsea bei seinem letzten Satz direkt anzusehen. Es war ihm peinlich, solche Worte an sie zu richten. Jedoch, konnte er auch nicht leugnen, dass Chelsea ihm längst nicht mehr egal war. Seit jenem Tag im Wald, tauchte dieses Mädchen unkontrolliert in seinen Gedanken auf, weswegen er teilweise gedacht hatte, dass er seinen Verstand verlieren müsste, weil er sich ständig mit der Frage beschäftigte, ob es ihr auch gut geht. Ihm ging es erst dann wieder besser, wenn er Chelsea gegenüberstand und er sich persönlich überzeugen konnte, dass es ihr auch tatsächlich gut geht und sie wohlauf ist.

 

Chelsea blieb keine andere Wahl, wobei sie sich innerlich darüber freute, dass Vaughn ihr noch Gesellschaft leisten wollte und er sich offensichtlich Sorgen um sie machte. Sie war gerührt und wollte auch nicht mehr widersprechen.

Leider, kam der Bus, nach ihrem Empfinden viel zu früh, weswegen sie sich schnell wieder voneinander verabschieden mussten.

Vaughn sah noch eine ganze Weile dem Bus hinterher und zählte bereits die Stunden, die noch vor ihm standen, ehe er Chelsea wieder sehen würde.

Vaughns weicher Kern

Kapitel 26

Vaughns weicher Kern

 

 

„Das ist wirklich schade, dass du Sabrina nicht treffen konntest.“, seufzte Julia traurig und ließ sich rücklings auf ihr Bett fallen.

„Ja. Ihr Vater war noch nicht mal an die Tür gekommen, um es mir persönlich zu sagen. Deren Angestellter hatte mich regelrecht kleingefaltet, was einem Mädchen wie mir einfallen würde, unangemeldet vorbeizuschauen und die Tochter des Hauses besuchen zu wollen.“, empörte sich Lana und boxte noch immer aufgebracht auf ein Kissen von Julia, welches sie in ihrem Schoß hielt. „Kurz, war ich sogar der Meinung gewesen, Sabrina an einen der Fenster gesehen zu haben, aber ihre Gestalt war genauso schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war.“

„Es ist so ungerecht. Ich meine, was geht in Regis Kopf vor, dass wir nicht mal mehr unsere Freundin besuchen dürfen? Wir kennen uns schon so lange, und noch nie hatten wir ihm einen Grund geliefert, dass wir ein schlechter Umgang für seine Tochter wären. Bis auf diese eine Sache, in der wir 20 MINUTEN zu spät zum Unterricht erschienen sind. Das ist doch wirklich lachhaft!“

„Ich gebe dir recht. Das die Schule auch unbedingt unsere Familien informieren musste. Wir sind doch alt genug. Einige von uns werden bald 18. Wir sind wahrlich keine kleinen Kinder mehr, die noch bei jeder Kleinigkeit zu Mami und Papi rennen, wenn wir Probleme haben. Also echt!“

 

In diesem Moment klopfte es an Julias Zimmertür und kurz darauf trat Mirabelle ein und lächelte die Mädchen fröhlich an.

„Na, ihr zwei. Was sollen denn diese trüben Gesichter? Seht, ich habe euch einen Zitronenkuchen gebacken, vielleicht muntert der euch wieder auf.“

„Danke, Mutter. Aber Lana und ich wissen einfach nicht mehr weiter. Mit Nathalie haben wir uns wieder vertragen, doch an Sabrina kommen wir nach wie vor nicht heran. Sowohl per Telefon, als auch persönlich vor ihrer Tür werden wir abgewiesen und ein Handy besitzt Sabrina leider nicht.“

„Selbst wenn, hätte es ihr Vater vermutlich konfisziert.“, äußerte Lana bitter.

„Ich verstehe. Das ist wirklich nicht sehr schön.“
 

„Du hast nicht zufällig eine Idee, was wir sonst noch tun können?“, fragte Julia hoffnungsvoll und sah ihre Mutter flehentlich an.

„Hm, nun, ich weiß nicht, aber vielleicht wäre es einen Versuch wert, wenn ich Regis einen Besuch abstatte und mit ihm darüber rede.“, überlegte Mirabelle laut, wobei sie sorgenvoll die Stirn runzelte.

„Allerdings kann ich euch nichts versprechen. Auch müsst ihr geduldig sein. Regis legt sehr viel wert auf Manieren, deswegen werde ich meinen Besuch vorher ankündigen, bzw. fragen, ob einer möglich wäre und er auch Zeit hat. Versteht ihr? Wir sollten nicht mit der Tür ins Haus fallen.“

„Bitte, versuche es Mutter. Ich kenne dich, so leicht gibst du dich nicht geschlagen. Du hast schon einige Dickköpfe zu sanften Lämmern gemacht, wenn es sein musste.“

„Haha. Ach, Kind, danke für das Kompliment. Ich verspreche euch, ich werde mein Bestes geben. Aber jetzt, nehmt doch ein Stück Kuchen. Er ist frisch gebacken und wartet nur darauf von euch gegessen zu werden.“

 

Das ließen sich die Mädchen nicht noch einmal sagen und griffen beherzt zu.

 

+++++
 

Vaughn hatte sich relativ früh auf den Weg zu Andreas Betrieb gemacht, um Chelsea zu besuchen. Auf der einen Seite hatte er es sehr eilig, Chelsea schnellstmöglich wieder zu sehen, weil sie eine Faszination auf ihn ausübte, die er sich nicht erklären konnte. Jedoch, auf der anderen Seite, fragte er sich, was ihn eigentlich genau zu dieser Handlung bewegte, Chelsea einen Besuch abzustatten, obwohl er sie kaum kannte. Sicher, er war ihr bereits häufiger über den Weg gelaufen und hatte sich ein paar Mal mit ihr unterhalten. Er hatte sie im Schlafanzug gesehen, und das auch noch nachts, was er bis heute nicht vergessen konnte und er hatte sie vor Denny gerettet. Gerade dieses Erlebnis war noch sehr gut in seinem Gedächtnis verankert.
 

Dieses fröhliche und unbeschwerte Mädchen, als die, er sie kennen gelernt hatte, war an jenem Tag nicht mehr dieselbe gewesen, was auch nachvollziehbar war. Sein Beschützerinstinkt war in ihm geweckt wurden, bei dem er das Gefühl hatte, dass er dem unbedingt Folge leisten musste. Er wollte für Chelsea da sein und irgendwo auch mehr sein, als nur ein Bekannter oder Freund, wenn sie es denn schon waren. Vaughn wusste es nicht. Was Chelsea betraf, war er sich mit gar nichts sicher. Wann hatte sie einen so großen Platz in seinen Gedanken eingenommen, obwohl er sich die nächste Zeit von Frauen fernhalten wollte? Bisher brachten sie ihm nichts als Ärger ein, doch Chelsea war…ja, sie war anders und irgendwie etwas Besonderes, die er verstehen wollte.

 

Auf dem Landweg, Richtung Chelseas zu Hause, fuhr Vaughn langsamer, damit er nicht all zu früh bei ihr vor der Tür stand und somit den Eindruck erwecken könnte, dass er es bei sich zu Hause nicht mehr länger ausgehalten hatte, Chelsea wieder zu sehen.

Es war eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit, als Vaughn auf Andreas Hof einfuhr. Chelsea hatte seinen Wagen gehört, weswegen sie kurz nachdem Vaughn aus dem Auto gestiegen war, auch schon an der Eingangstür erschien.

 

„Hallo, Vaughn. Schön, dass du schon da bist.“, begrüßte sie ihn herzlich und wäre ihm beinahe um den Hals gefallen, so sehr freute sie sich ihn wieder zu sehen, konnte sich aber gerade noch bremsen. Zum Glück bekam Vaughn davon nichts mit. Etwas verlegen fuhr er sich mit einer Hand durch seine Haare und schloss sein Auto ab.

„Hi. Entschuldige, wenn ich etwas zu früh bin. Ich wusste nicht wie schnell ich durch die Stadt kommen würde.“

Das war natürlich gelogen, aber Vaughn wollte keinen aufdringlichen Eindruck erwecken. Außerdem kannte er die Strecke.

„Das macht doch nichts. Möchtest du erstmal mit reinkommen? Mein Bruder ist in der Küche und wartet dort auf uns.“

 

Somit führte Chelsea Vaughn das kurze Stück durchs Haus, um zur Küche zu gelangen. Dabei bemerkte sie nicht, dass Vaughn etwas irritiert war, von der Tatsache, dass Chelseas Bruder ebenfalls anwesend sein würde. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund war er davon ausgegangen, dass er mit Chelsea allein sein würde, was ihm lieber gewesen wäre. Im Nach Hinein betrachtet, kam er sich jetzt ziemlich albern vor. Immerhin wohnte Chelseas Familie ebenfalls hier, weswegen es nur all zu logisch war, dass diese auch da sein würde. Denn, welcher Vater würde seine eigene Tochter mit einem fremden Mann alleine lassen?

Normalerweise niemand, dem seine eigene Tochter am Herzen lag.

 

„Tag, Vaughn. Wir haben uns lange nicht gesehen.“, grüßte Mark den herbeigeführten Gast. „Wie schaut´s bei dir aus?“

„Ganz gut. Ich kann nicht klagen.“, antwortete Vaughn.

„Wie findest du es denn hier? Ich meine deinen neuen Wohnort.“

„Inzwischen recht gut. Alles, was ich brauche, weiß ich, wo ich es finden kann. Und mit Mirabelle als Chefin habe ich es auch nicht schlecht getroffen.“

„Das ist wahr. Mirabelle ist wirklich ein herzensguter Mensch.“, meldete sich Chelsea zu Wort und lächelte Vaughn an. „Wir kennen sie schon, seitdem wir noch ganz klein waren. Sie hat uns viel geholfen, nachdem unsere Mutter gestorben war.“
 

„Genau. Sie war fast wie eine zweite Mutter für uns gewesen. Auf eine gewisse Art und Weise ist sie es sogar heute noch. Sie hat immer ein offenes Ohr für Probleme.“

„Das habe ich gemerkt. Anfangs, fand ich das ein wenig nervig.“, gab Vaughn zu. „Aber man gewöhnt sich dran.“

„Ja, mit der Zeit schon. Du, Vaughn? Möchtest du zuerst eine Tasse Kaffee trinken oder sollen wir mit dem Rundgang beginnen?“, fragte Chelsea nach, die es innerlich kaum noch erwarten konnte, Vaughn alles zu zeigen. So aufgeregt, hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Vaughns Präsenz rief in ihr noch nie da gewesene Reaktionen hervor, die sie etwas durcheinander, aber auch glücklich machten. Nur zu gerne, hätte sie gewusst, was das alles zu bedeuten hatte, und aus irgendeinem Grund, interessierte es sie, ob es Vaughn genauso erging, wenn er mit ihr zusammen war.

Vaughn war zuerst für den Rundgang, woraufhin alle drei sich in Bewegung setzten.

 

Es wurde eine unterhaltsame Stunde, in der Chelsea und besonders Mark viel erzählten, wobei Chelsea weniger zu Wort kam. Schon nach kurzer Zeit ist ihr bewusst geworden, das Vaughn automatisch den Blickkontakt zu Mark suchte, was sie sehr enttäuschte. Liebend gern, hätte sie Vaughn alles erzählt, was sie wusste. Allerdings traute sie sich auch nicht, ihrem Bruder ins Wort zu fallen und selber das Reden zu übernehmen. Nebenbei fand sie es doch verwunderlich, dass Vaughn so schnell einen guten Draht zu ihrem Bruder fassen konnte, obwohl sie sich erst das zweite Mal heute begegnet waren. Dagegen waren ihre Gespräche mit Vaughn eher knapp und mit wenig Input versehen, was ihr erst jetzt so richtig bewusst wurde. Sie hatte sich eingebildet, dass da etwas zwischen ihnen war, was auch eine gewisse Bedeutung hatte. Zumindest war es ihr wichtig gewesen, Vaughn in letzter Zeit häufiger zu sehen und mit ihm ins Gespräch zu kommen.
 

Damit sie ihn besser kennen lernen konnte, ging sie verhältnismäßig oft nach der Schule zu Julia, um einen Blick auf Vaughn werfen zu können. Und wenn er zurückgesehen hatte, war es das Highlight des Tages für sie gewesen. Noch all zu gut, konnte sie sich an die Umarmung erinnern, an das Gefühl, welches Vaughns Nähe in ihr ausgelöst hatte. Das war für sie unglaublich schön gewesen, ein solches Gefühl kannte sie noch nicht, auch wenn sie nicht genau wusste, was es war und was es bedeutete.
 

Trotz alldem freute sie sich für ihren Bruder, gerade weil er, seitdem Vaughn zu Besuch war, kein ernstes Gesicht zog, sondern viel mehr ausgeglichen und fröhlich wirkte. Seine Gedanken waren mal nicht bei dem schrecklichen Ereignis, was Mark noch immer sehr belastete. Außerdem war er Vaughn so unendlich dankbar, dass er Schlimmeres verhindern konnte. Das sagte er ihm auch noch mal, als er dafür gesorgt hatte, dass er für einige Minuten mit Vaughn allein sein konnte. Zwar war Chelsea deswegen sehr geknickt, ging aber dennoch mit einem Lächeln vorweg und ließ die Männer allein zurück.

 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Vaughn nach, denn ihm war aufgefallen, dass Chelsea eben nicht all zu glücklich gewirkt hatte. Des Weiteren war sie die letzte Stunde recht still gewesen, weswegen sich Vaughn schon die ganze Zeit Gedanken gemacht hatte. Denn mit seinen Empfindungen war er ausschließlich bei Chelsea gewesen. War sie, ziemlich nah an ihm vorbeigegangen, konnte er ihren femininen Geruch wahrnehmen, der ihn fast betäubt hätte. Zumindest, ein wenig berauscht, was es ihn fast unmöglich gemacht hatte mit Mark im neutralen Ton weiter zu reden. Deshalb hatte er auch mehr den Kontakt zu Mark gesucht, anstatt zu der jungen Frau, die ihm fast den Verstand raubte und das einzig und allein durch ihre bloße Anwesenheit.
 

„Mit Chelsea? Doch, ihr geht es gut. Sie lacht und redet wieder wie früher.“, antwortete Mark.

„Ich meinte gerade nicht diesen Vorfall im Wald, sondern eben gerade. Deine Schwester sah nicht wirklich zufrieden aus.“

„Ach so? Mir ist nichts aufgefallen, aber ich muss zugeben, dass ich darauf nicht geachtet habe. Aber, was ich mit dir besprechen wollte. Hast du vielleicht ´ne Ahnung, wer dieser Typ war, der Chelsea überfallen hatte?“

Augenblicklich wurde Mark wieder todernst. Vaughn spürte, dass sich die Ausstrahlung seines Gegenübers geändert hatte. Er wirkte nicht mehr so fröhlich und locker, sondern angespannt und irgendwie auch aggressiv.

Erstaunt, blickte Vaughn ihn an.

 

„Nein, aber hat dir Chelsea nicht erzählt, dass er bei ihr auf die Schule geht?“

„Doch, aber dort war er seit jenem Tag nicht mehr. Du kannst dir sicher vorstellen, was für Gedanken ich mir gemacht habe, als meine Schwester nach dem Wochenende wieder in die Schule musste, damit unser Vater nicht Wind davon bekommt.“

„Er weiß es nicht? Warum?“

„Chelsea möchte es so. Ich kann sie auch verstehen. Es geht ihr aber auch darum, dass sie mich damit schützt. Weißt du, an diesem Tag hätte Chelsea sich gar nicht verabreden dürfen, sie hatte Hausarrest. Damit sie sich dennoch mit ihm treffen konnte, habe ich ihr dabei geholfen.“
 

Mark ballte seine Fäuste. So tief saßen der Schmerz und die Verzweiflung, die er seitdem mit sich herumtrug. Er wollte seine Schwester rächen, aber auch gleichzeitig seine Schuld wieder begleichen, damit er sich entlastet fühlen konnte. Vaughn ahnte, was in ihm vorgeben musste. Seine angestaute Wut blieb ihm nicht verborgen. Dennoch entschied er sich dazu, Mark nicht zu erzählen, dass dieser Denny wieder in der Schule erschienen und Chelsea ihm erneut begegnet war. Wenn sie es ihm nicht gesagt hatte, musste sie ihre Gründe dafür haben. Somit beschloss er, selber auch noch mal mit Chelsea darüber zu reden.

„Das ist bitter.“, äußerte sich Vaughn dazu. „Ich verstehe dich. Wenn ich etwas erfahren sollte, werde ich dich davon in Kenntnis setzen. Einverstanden?“

„Abgemacht. Und vielen Dank, Vaughn.“

 

+++++
 

Eine passende Gelegenheit bot sich Vaughn mit Chelsea alleine zu sein, als Mark einen Anruf von einem seiner Kommilitonen bekam. In diesem Moment befanden sie sich im Pferdestall. Chelsea war gerade dabei gedankenverloren eines der Pferde zu streicheln, ihr Herz überschlug sich fast vor Freude, aber auch vor Sorge, als Vaughn das Wort an sie richtete.

 

„Ist alles in Ordnung, Chelsea?“

„Hm? Was meinst du?“

„Du bist so still geworden. Schon die ganze Zeit. Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“

„Wie? Oh, ähm, ja. Ja, mir geht es gut. Ihr habt euch so gut unterhalten, da wollte ich nicht dazwischen gehen.“

Trotzdem beschäftigte Vaughn der Gedanke, dass es nur die halbe Wahrheit war. Denn noch immer, sah Chelsea ihn nicht richtig an und irgendwie störte es ihn. Er versuchte seinen Ärger darüber zu unterdrücken und setzte das mangelnde Gespräch einfach fort.
 

„Warum hast du deinem Bruder nicht erzählt, dass dieser Typ wieder in der Schule gewesen ist?“, fiel er gleich mit der Tür ins Haus, wobei er eigentlich nicht so hart dabei klingen wollte, aber seine Gefühle ließen sich nur schwer bändigen.

„Woher weißt du das?“, hob die Brünette überrascht ihren Kopf. Für eine Sekunde sah sie ihn an, schaute dann aber wieder weg, was Vaughn fast wahnsinnig machte.

„Vorhin haben wir uns darüber unterhalten. Er macht sich große Sorgen um dich.“

„Ich weiß. Dabei sage ich ihm immer, dass es nicht seine Schuld war. Niemand hat Schuld daran. Es ist…es ist einfach passiert. Mein Bruder soll sich nicht noch mehr Vorwürfe machen. Ich komme schon…ich komme schon damit klar.“
 

„Ist das wirklich so?“, hakte Vaughn nach.

„Lassen wir das Thema. Ich will nicht mehr darüber reden.“ Chelsea wollte gar nicht so schroff gegenüber Vaughn sein, aber es ging ihr allmählich auf die Nerven, dass jeder der Meinung war, sie wie ein sanftes Püppchen behandeln zu müssen. Dadurch, kann sie doch niemals vernünftig damit abschließen und es vielleicht sogar vergessen. Außerdem, dachte Chelsea, was geht es dich überhaupt an, wie ich mich fühle? Bis eben hattest du mich komplett ignoriert.

 

Da Chelsea immer noch abgewandt zu Vaughn stand, merkte sie nicht, wie er sich ganz nah neben sie gestellt hatte und seine Hand an ihre linke Wange hob. Chelsea erschrak davon so sehr, dass sie beinahe geschrien hätte, konnte sich aber noch beherrschen und drehte sich abrupt zu Vaughn um, der sie zärtlich ansah. Es war einzig allein dieser Blick, der ihr sämtliches Zeitgefühl raubte. Erneut legte Vaughn seine Hand an ihre Wange und streichelte eine einzelne Träne weg, die sie bis eben nicht einmal bemerkt hatte. Dabei musste er sich gewaltig beherrschen, nicht sofort über sie herzufallen, so stark war sein Gefühl nach körperlicher Nähe zu ihr.

 

„Es ist alles gut.“

 

Ein simpler Satz, der in Chelsea ein gewaltiges Gefühlschaos auslöste. Heftig fing sie an zu weinen, ließ sich an Vaughns Brust fallen und von ihm festhalten. Er selber, wusste gar nicht, warum er das getan hatte, was der Auslöser dazu war, näher an Chelsea heranzutreten. Irgendwie hatte er gespürt, dass sie Nähe brauchte, auch wenn sie sich von ihm zunächst abgewandt hatte. Gleichzeitig spürte er, dass auch er diese Nähe benötigte. Chelsea konnte ihm etwas geben, was er lange Zeit geglaubt hatte, verloren zu haben. Nun konnte er sich gewiss sein, dass er diese junge Frau mochte. Sogar sehr mochte, und dass er sie am liebsten für immer in seinen Armen festgehalten hätte.

 

„Ich brauche dich, Vaughn.“

 

Leise flüsterte Chelsea diese Worte. Doch Vaughn hatte sie verstanden und zog sie umso enger an sich heran. Es war ein schöner und inniger Moment, der dadurch gestört wurde, dass das Pferd, was sich hinter Chelsea in der Box befand, kurz wieherte, Chelsea mit der Nase anstupste, woraufhin beide das Gleichgewicht verloren und hinfielen. Vaughn landete auf seinen Rücken und Chelsea natürlich auf ihm drauf. Der junge Mann hatte Chelsea auch keine Sekunde losgelassen, weswegen er sie auch jetzt noch, in seinen Armen hielt.

Jeder von ihnen war zunächst zu überrascht, um wieder aufzustehen. Nachdem, Chelsea den größten Schreck überwunden hatte, richtete sie sich langsam auf, wobei es sich nicht vermeiden ließ, dass sie auf Vaughns Gesichtshöhe kam und sie ihn einfach anstarrte. Doch, Vaughn ging es ähnlich. Zwar tat ihm sein Rücken und sein Hintern weh, aber er war gerade zu überwältigt davon, Chelsea auf sich zu haben, dass er sie ebenfalls mit seinen Augen geradeaus fixierte.

 

Chelsea spürte, wie ihr gesamtes Blut ins Gesicht schoss. Nebenbei klopfte ihr Herz wie wild. Sie konnte sogar, Vaughns Herzschlag spüren. Als sie sich aufrichten wollte, wurde sie von ihm zurückgehalten, indem er beide Hände an ihr Gesicht legte, wodurch sie gezwungen war, erneut auf Vaughn zu gucken. Dieses Mal lächelte er. Es sorgte dafür, dass auch Chelsea lächeln musste. Vorsichtig zog Vaughn Chelsea zu sich heran. Immer näher kamen sie sich. Kurz bevor sich deren Lippen berührten, hörte Chelseas Herz auf zu schlagen. Sie konnte Vaughns Atem direkt auf ihrer Haut spüren. Sein männlicher Duft benebelte ihre Sinne. Alles, was sie jetzt wollte war, Vaughns Lippen auf ihren zu spüren. Ihm so nah wie möglich zu sein.
 

Als sich ihre Lippen zu einem zärtlichen Kuss vereinigten, war es für Chelsea wie der Himmel auf Erden. Dieser Kuss setzte sämtliche Gefühle in ihr frei, versetzte sie in eine andere Welt und sie dachte, dass so ihr erster Kuss hätte sein müssen. Diese flüchtige Erinnerung, an Denny, vergaß sie zu ihrem Glück schnell wieder.

Kurzzeitig, spürte Vaughn, dass Chelsea sich verkrampft hatte. Unmittelbar darauf, war sie aber wieder entspannt, was auch ihn beruhigte und genoss diese unerwartete Nähe weiter mit ihr. Sein eigener Rauschzustand hatte ungeahnte Höhen erreicht, so glücklich fühlte er sich in diesem Augenblick, in dem Chelsea ihm so nah sein und er sie berühren konnte. Es war auch für ihn überwältigend und unbeschreiblich schön, dass er diesen Kuss, am liebsten nie beendet hätte.

 

Als es so weit war, sprachen beide kein Wort miteinander. Der flüchtige Augenkontakt zwischen ihnen sagte alles. Sie waren beide überwältigt von dem, was gerade zwischen ihnen passiert war und auch mit dem was sie füreinander gefühlt hatten, dass keiner von ihnen, dieses schöne Erlebnis mit Worten zerstören wollte. Ein inniger Moment und die Welt um sie herum war nebensächlich geworden.

So nebensächlich, dass es einige Zeit dauerte, bis sie das Räuspern hörten, was vom Eingang des Stalls an ihre Ohren drang.

 

Gefühle

Kapitel 27

Gefühle

 

 

Lange nachdem Vaughn wieder gefahren war, saß Chelsea auf ihrem Bett und betrachtete durch ihr Fenster den Sternenhimmel. Klar und deutlich funkelten diese am Firmament, keine einzige Wolke verdeckte sie. Ungestört strahlten sie am dunklen Himmel und für das junge Mädchen konnte es in diesem Augenblick keinen schöneren Moment geben als diesen, in dem sie ungehindert ihren Gedanken nachhängen konnte.

Für Chelsea war es der wundervollste Tag in ihrem bisherigen Leben gewesen. Sie hatte ihren ersten, den einzig richtigen ersten Kuss erfahren, mit einem jungen Mann, den sie zwar kaum kannte, der sich aber bereits sehr tief in ihre Gedanken eingenistet hat. Seine faszinierende Aura, die vor Kraft und Männlichkeit strotzte. Alles an ihm zog Chelsea seit geraumer Zeit in ihren Bann und sie betete, dass es sich nie wieder ändern würde. Wenn es nach ihr ginge, wäre sie auch jetzt wahnsinnig gerne in Vaughns Nähe. In seinen sicheren starken Armen zu liegen, sein maskuliner Duft, der ihr den Verstand raubte.

 

Ach, wäre doch ihr Bruder nicht all zu schnell wieder aufgetaucht und hätte ihre Zweisamkeit gestört. Kaum hatten sie ihn bemerkt, ging Vaughn zugleich auf Abstand und sah im ersten Moment ertappt zu Boden. Am liebsten hätte Chelsea ihn wieder in ihre Arme gezogen, konnte aber ebenfalls, ihre Verlegenheit vor ihrem Bruder nicht ignorieren und gab ihr schließlich nach. Enttäuscht und traurig wandte sie sich von Vaughn und ihrem Bruder ab und blickte betrübt zu ihren Füßen. Sie hörte, dass Mark etwas zu Vaughn sagte, konnte die Worte allerdings nicht verstehen. Für diesen kurzen Augenblick fühlte sie sich von Vaughn im Stich gelassen und irgendwie ausgenutzt. Sie spürte, wie sich neue Tränen anbahnten, als Vaughn vor sie trat und eine Hand unter ihr Kinn legte, sodass sie gezwungen wurde ihn anzusehen.

„Warum weinst du?“, fragte Vaughn einfühlsam nach. Chelseas Anblick versetzte ihm einen leichten Stich. Er konnte sich nicht erklären, warum sie schon wieder weinen musste. Der Kuss und die Nähe zwischen ihnen waren doch ein Zeichen gewesen, dass etwas Wunderschönes mit ihnen geschehen war. Keineswegs war es spurlos an ihm vorbeigegangen und er hatte zudem den Eindruck gewonnen, dass es Chelsea ebenfalls so ergangen war.

„Ich..“

Chelsea drehte sich um. Allerdings musste sie feststellen, dass ihr Bruder wieder verschwunden war. Verwirrt wandte sie ihren Blick wieder Vaughn zu und sah ihn fragend an. Aufgrund von Chelseas irritiertem Gesichtsausdruck konnte der junge Mann nicht anders und ließ ein helles Lachen hören.

„Dein Bruder war so diskret und ist wieder gegangen, nachdem er gemerkt hatte, dass er im ungünstigsten Moment erschienen war.“, klärte Vaughn sie auf und auch Chelsea fing daraufhin an mit Vaughn zu lachen.

„Chelsea, ich,“, sprach Vaughn wieder, nachdem sie aufgehört hatten zu lachen, „Ich kann nicht sagen, was eben passiert ist, aber…nun…ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es war sehr schön und…und ich möchte dich gerne wieder sehen.“

Glücklich über diese Worte, antwortete Chelsea: „Mir ging es genauso und ich möchte dich auch wieder sehen.“

Gerötet senkte Chelsea ihren Blick und ließ sich erneut in Vaughns Arme sinken, der sie nur zu gerne darin einschloss.

 

Nach diesem überraschenden Ereignis blieb Vaughn nicht mehr lange zu Besuch. Zwar hätte Chelsea noch viel mehr Zeit mit Vaughn alleine verbracht, aber auch sie sah ein, dass es in Anwesenheit ihres Bruders nicht optimal gewesen wäre. Außerdem freute sie sich zu sehr, um pessimistisch darüber zu denken. Vaughn hatte ihr versprochen, dass er sie anrufen würde und darauf wollte sie warten. Sie vertraute ihm, auch wenn es in Anbetracht der geringen Zeit, die sie gemeinsam verbracht hatten, eigentlich unmöglich war zu sagen, dass sie Vertrauen zu ihm fühlte. Doch es war so, und Chelsea konnte einfach nicht glücklicher sein, als in dieser Sekunde.

 

Mark hatte seine Schwester in keiner Weise bedrängt und ein Geständnis von ihr gefordert. Er weiß, was er gesehen hatte und er war so einfühlsam Chelsea damit nicht zu belästigen. Er konnte sich denken, dass sie wahrscheinlich kein Gespräch mit ihm suchte, sondern dass sie lieber mit ihren Empfindungen allein sein wollte. Das Einzige, was er dazu sagte, war, dass er sich für sie freute, und dass er Vaughn gut leiden könne, weswegen er nichts dagegen hätte, wenn sie zusammen sein würden. Vor Freude fiel Chelsea ihrem Bruder um den Hals. Es verstand sich von selbst, dass sie davon erstmal nichts ihrem Vater erzählen würden. Erstmal wollte Chelsea noch mehr Zeit mit Vaughn verbringen und herausfinden, ob er auch dasselbe für sie empfand, wie sie für ihn.

 

Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihn liebte. Dieses Gefühl war so stark in ihr, dass sie befürchtete beinahe daran zu ersticken. Nur Vaughn wäre einzig allein dazu in der Lage, sie von ihrer Atemnot zu befreien.

In einer Kurzschlussreaktion sprang Chelsea aus ihrem Bett und riss ihr Fenster so weit auf, wie es sich öffnen ließ. Mit beiden Händen stützte sie sich auf dem Fenstersims ab und nahm einen tiefen Atemzug von der kühlen klaren Nachtluft.

„Vaughn.“

Mehrere Male flüsterte Chelsea den Namen ihres Liebsten. Als sie wieder das Fenster schließen wollte, flog in dieser Sekunde eine Sternschnuppe über sie hinweg. Blitzschnell äußerte sie still in Gedanken ihren Wunsch und hoffte, dass er so bald wie möglich in Erfüllung gehen würde.

 

+++++
 

Vaughn erging es nicht anders. Auch er lag wach in seinem Bett und konnte an nichts anderes als an Chelsea denken. Er dachte mit Wohlwollen an ihre freundliche Stimme, ihren betörenden Duft und an ihre zarte Haut, die sich so weich auf seiner angefühlt hatte. Wenn er nach seinem Gefühl gehandelt hätte, wäre er gar nicht erst wieder vom Hof gefahren und hätte Chelsea alleine zurück gelassen. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle mitgenommen oder wäre gleich dort geblieben. Jedoch war Mark noch anwesend gewesen und auch deren Vater wäre irgendwann wieder aufgetaucht, und ihm wollte er unter diesen Umständen nicht gegenüber treten. Er konnte sich nicht erklären warum, aber er wurde das unangenehme Gefühl nicht los, dass Andreas ihn nicht leiden konnte. Die wenigen Male, in denen er mit ihm gesprochen hatte, sei es in Mirabelles Laden oder bei ihm auf dem Hof gewesen, wenn er eine Lieferung vorbei gebracht hatte, hatte er deutlich gespürt, dass sein Gegenüber nicht freundschaftliche Gedanken ihm entgegenbrachte. Es blieb ihm ein Rätsel. Natürlich wusste er, dass er nicht allzu aufgeschlossen anderen gegenüber war, aber bei keinem sonst hatte er dieses mulmige Gefühl.

 

Diese Zweifel brachten Vaughn auch nicht weiter, weswegen er sofort wieder an Chelsea dachte und an ihre sanften Lippen. Sogar jetzt noch konnte er ihre Lippen auf seinen spüren. Was in ihm vorgegangen war, in diesem Moment im Stall, wusste er genauso wenig. Aber, es hatte sich absolut richtig und unbeschreiblich schön angefühlt. Er hatte ihre Nähe gesucht und diesem innigem Impuls nachgegeben. Zum Glück hatte es Chelsea positiv aufgefasst und nicht als einen Überfall gedeutet. Denn, davor hatte er die meisten Sorgen gehabt, dass sie sich bedroht gefühlt haben könnte. Das wollte er unter allen Umständen vermeiden. Niemals würde er sie zu irgendetwas zwingen, was sie nicht wollte. Ein solches brutales und egoistisches Benehmen käme ihm nie unter.

Nein. Lieber, wollte er sie erobern und sie für immer für sich gewinnen. Sie sollte freiwillig zu ihm kommen wollen und sich bei ihm beschützt und geborgen fühlen. Vaughns Gedanken überschlugen sich fast, so viele Ideen schossen ihm durch seinen Kopf. Wenn es um Chelsea ging, war nichts mehr so, wie es vorher gewesen war. Etwas Wichtiges war geschehen und hatte seine vorgefassten Meinungen und Prinzipien über Bord geworfen. Demnächst möchte er soviel Zeit wie möglich mit Chelsea verbringen und jeden Tag in ihrer Nähe sein. Wenigstens sie zu sehen, würde ihn schon beruhigen und seine Sehnsucht nach ihr einigermaßen lindern.

 

+++++
 

Zur selben Zeit, weit entfernt von diesen glückseligen Gefühlen, hatte Nathalie die Nacht wieder bei einem ihrer männlichen Freier verbracht. Leider war ihr diese Vereinigung nicht so willkommen gewesen wie sonst. Obwohl der Mann sie weder bedrängt, noch sonst in irgendeiner Weise ausgenutzt hatte, sondern im Gegenteil, er war zärtlich und liebevoll ihr gegenüber gewesen. Dummerweise hatte es sie nicht so erfüllt wie es sonst der Fall gewesen war. In den letzten Wochen waren diese verbotenen und leidenschaftlichen Stunden ihre Zuflucht gewesen. Es war für sie ein Versteck, welches sie regelmäßig aufsuchen konnte, ohne sich fremd und deplatziert zu fühlen. In Gegenwart ihres Bruders hatte sie ein solches beklemmendes Gefühl. Er war das genaue Gegenteil von ihr. Elliot war brav, gehorsam, fleißig und hilfsbereit. Alles Eigenschaften, die Nathalie nicht besaß. Zumindest wurde sie oft auf ihre Fehler hingewiesen. War es dann noch ein Wunder, dass sie sich unerwünscht innerhalb ihrer eigenen Familie fühlte?

Sicher, für ihre Freundinnen war sie es nie gewesen, aber auch mit ihnen hatte sich irgendetwas verändert. Sie konnte sich nicht mehr so geborgen bei ihnen fühlen, wie sie es gerne gehabt hätte. Sabrina war fort. Chelsea wurde beinahe von Denny vergewaltigt, was ihr die größten Gewissensbisse bereitete. Immerhin hatte sie mit ihm geschlafen, ohne davon in Kenntnis gesetzt zu sein. Wie hatte sie es nicht bemerken können, dass Denny alles andere als ehrlich war? Ein selbstverliebter, arroganter und eingebildeter Kerl, der die Mädchen nach seinen Zwecken benutzte.

Ihre Selbstzweifel waren noch lange nicht beseitigt. Immer stärker wurde ihr Wunsch, so schnell wie möglich aus dieser Stadt, besser noch, aus diesem Land zu verschwinden und woanders ein komplett neues Leben beginnen. Viel zu viel war in ihrem bisherigen Leben geschehen, mit denen sich Nathalie nicht arrangieren konnte. Sie wollte nur noch weg. Weit weg und nie wieder zurückkommen. Auch wenn es bedeutete ihre Freundinnen, die sie vermutlich am meisten vermissen würde, zurück zu lassen und wahrscheinlich nie wieder zu sehen.

 

Eine einzelne Träne lief Nathalie über ihre Wange. In diesem Moment regte sich der Mann neben ihr und legte einen Arm um ihre Taille. Ein Kuss auf ihr Haar folgte und Nathalie war froh über diese willkommene Ablenkung, die sie so dringend benötigte.

Sabrinas Leid

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ferien

Kapitel 29

Ferien

 

 

„Nathalie? Nathalie, ist alles in Ordnung mit dir?“ Seit einigen Minuten versuchten Julia und Lana herauszubekommen, warum ihre Freundin in andauerndes Schweigen gefallen war. Heute hatten die Mädchen beschlossen einen Tagesausflug ins nahegelegene Schwimmbad zu machen. Eigentlich war auch Chelsea dazu eingeladen, aber sie traf sich gegen Mittag mit Vaughn, weswegen sie selbstverständlich nicht mit ihnen den Tag verbringen konnte.

Julia war die einzige von ihnen gewesen, die es vorab gewusst hatte. Nachdem sie Lana und Nathalie an der Bushaltestelle getroffen hatte, hatte sie ihnen zugleich davon erzählt. Dabei freute sie sich aufrichtig für Chelsea und auch für Vaughn. Zudem hatte sie von Chelsea erfahren, dass Vaughn und sie sich bereits geküsst hatten und er sie nun um ein Date gebeten hatte. Lana war ebenfalls aus dem Häuschen als sie das hörte und vollführte einen kurzen Tanz, wobei ihr geflochtener Zopf beinahe Julia erschlagen hätte. Nur Nathalie hatte sich noch nicht zur Nachricht geäußert.

Stumm stand sie da und fixierte einen beliebigen Punkt zwischen ihren Füßen.

 

„Nathalie! Sag uns doch endlich, was du hast? Freust du dich denn gar nicht für Chelsea?“, hakte Julia penetrant nach. Inzwischen wurde sie leicht sauer auf ihre Freundin, die stur vor sich hin schwieg.

„Nun, ich“, fand Nathalie endlich ihre Sprache wieder, „Ich bin überrascht. Ziemlich überrascht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

„Aber warum? Wir wissen, dass du keine hohe Meinung von Vaughn hast, aber Chelsea…“

„Das ist es nicht, Lana.“, unterbrach die pinkhaarige sie und schüttelte verwundert ihren Kopf. „Ich dachte nur, dass nach der Sache mit Denny, Chelsea nicht so schnell Vertrauen zu einem Jungen finden würde. Das ganze verwirrt mich.“

„Ein bisschen magst du recht haben, aber Chelsea ist stärker als du glaubst. Außerdem vergiss nicht, dass Vaughn es war, der sie vor Denny gerettet hat.“, klärte Julia sie erneut auf und fügte hinzu, dass der Bus geradewegs auf sie zusteuerte.

 

Im Bus sprach Nathalie erstmal kein Wort mehr mit ihren Freundinnen. Nicht weil sie beleidigt oder wütend auf sie war, nein. Viel eher wollte es einfach nicht ihren Kopf, dass sich Chelsea ohne Bedenken mit Vaughn treffen konnte. Mit diesem einsilbigen, brummig dreinblickenden Kerl, der nicht gerade höflich war. Zumindest, was sein Verhalten ihr gegenüber gezeigt hatte. Nathalie konnte ihn nicht ausstehen, aber er war ihr noch immer angenehmer als Denny, der sie schamlos hintergangen und ausgenutzt hatte.

 

Noch immer quälte sie ein gewaltige Last und auch Schuld, wenn sie an ihn denken musste. Sie konnte nicht anders und gab sich persönlich die Schuld dafür, dass es soweit mit Denny gekommen war. Zwar zeigte ihr Doppelleben kein besseres Verhalten als das seine, aber ihre Gründe waren andere. Sie tat es freiwillig und hatte damit ein Ziel vor Augen, was immer mehr an Bedeutung gewann.

So entging ihr, dass sowohl Julia als auch Lana hin und wieder verstohlene Blicke zu ihrer Freundin warfen, die nachdenklich aus dem Fenster starrte ohne ein einziges Mal ihre ernste Mimik zu bewegen.

 

+++++
 

Chelsea war ziemlich aufgeregt. Sehnsüchtig wartete sie am Treffpunkt und hielt Ausschau nach Vaughn. Ihrem Vater hatte sie erzählt, dass sie mit ihren Freundinnen verabredet war, nur Mark wusste, dass das nicht stimmte und sie sich stattdessen mit Vaughn traf.

Schon früh am Morgen war sie aufgestanden und hatte eine ausgiebige Dusche genossen. Sie pflegte sich mit sämtlichen Utensilien, die sich im Bad befanden und vergaß auch nicht ihre Beine zu rasieren. Alles sollte perfekt sein. Über eine Stunde verbrachte sie vor ihrem Kleiderschrank und überlegte fieberhaft, was sie anziehen sollte. Mit einem Mal kamen ihr etliche Kleider so eintönig und langweilig vor. Sie fasste im Stillen den Vorsatz mit Nathalie bei Gelegenheit Shoppen zu gehen und sich neue Klamotten zu besorgen. Zwar konnte sie sich nicht erklären warum, aber sie wollte zum ersten Mal schön aussehen und Vaughn gefallen, bzw. beeindrucken. Keineswegs sollte er sie für ein Mauerblümchen halten oder als einfaches Mädchen vom Land.

 

Am Ende fand Chelsea Kleider, die sie als geeignet genug ansah, um sich mit Vaughn darin zu treffen. Sie hatte eine einfache hellblaue Jeans gewählt, die sich kurz unter ihrem Bauchnabel zuknöpfen und sogar ihren Bauch flacher erscheinen ließ. Dazu wählte sie ein weißes Top, worüber sie einen roten Bolero zog. Bisher hatte Chelsea den Bolero kaum getragen und war in diesem Augenblich mehr als froh darüber, dass ihn ihr, Nathalie damals aufgeschwatzt hatte.

Ihre Haare waren das nächste Problem. Doch da sich Chelsea mit Frisuren nicht so auskannte, teilte sie einfach ihre Haare und befestigte die obere Lage mit einer braunen Spange. Die andere Hälfte fiel ihr offen über die Schulter. Beim Make-Up brauchte sie nicht annähernd soviel Zeit, wie bei der Wahl ihrer Kleider. Denn sie besaß nichts davon, außer ein wenig Puder und Wimperntusche, die sie nur leicht auf ihre Wimpern auftrug, wodurch ihre Augen besser zur Geltung kamen.

 

Und nun wartete Chelsea in ihrer ausgewählten Montur an der Ecke zu Mirabelles Tierpension auf Vaughn. Bald müsste er Feierabend haben und auf sie stoßen. Es dauerte auch keine drei Minuten mehr, als Vaughn aus dem Laden trat, Chelsea zu seiner linken erblickte und sofort auf sie ging. Dabei musterte er Chelsea genau. Je näher er ihr kam, desto besser konnte er sie erkennen und wie sie sich heute zu recht gemacht hatte, gefiel ihm außerordentlich. Sie sah schön aus und als er bemerkte, dass eine sanfte Röte ihre Wangen zierte, war es um seinen Verstand fast geschehen.

 

Ohne weiter darüber nachzudenken, grüßte er sie, indem er zugleich ihr Gesicht in beiden Händen hielt und ihr einen zarten Kuss auf ihre Lippen hauchte. Chelsea war zu perplex, aber auch richtig erfreut über Vaughns Handlung, dass sie ohne weiter zu Zögern, den Kuss erwiderte. Als sie sich gelöst hatten, nahm Vaughn, wie selbstverständlich, Chelsea an seine Hand und ging mit ihr zusammen in Richtung eines thailändischen Restaurant, zudem er sie eingeladen hatte. Glücklich lehnte sich Chelsea an Vaughns Arm und ließ sich mit klopfendem Herzen von ihm mitziehen.

 

+++++
 

Im Schwimmbad tobten die Mädchen begeistert um die Wette. Jede von ihnen war darauf aus, den Kopf von einen ihrer Freundin unter Waser zu tauchen. Dabei wurden sie von anderen Besuchern eigenartig beäugt, da man ein solches Verhalten von fast erwachsenen jungen Damen nicht erwartete. Die drei alberten auch nicht  die gesamte Zeit so herum. Außerdem war es ihnen egal, was die anderen von ihnen halten konnten. Sie freuten sich, dass sie sich wieder versöhnt hatten und feierten es auf diese Art. Es verfehlte auch nicht ihre Wirkung. Julia, Lana und Nathalie lachten die ganze Zeit über und wollten im Grunde genommen gar nicht mehr mit den Albernheiten aufhören, aber ihre Vernunft zwang sie letzten Endes doch dazu. Auf der anderen Seite, wurde das Schwimmbad immer voller. Je mehr Gäste auftauchten, desto enger wurde das Becken, in denen sie sich befanden. Einstimmig wurde beschlossen eine Pause einzulegen und sich auf ihren Liegestühlen, die sie ergattern konnten, auszuruhen.

 

„O ja, herrlich sich mal wieder so gehen zu lassen.“, seufzte Lana und streckte ausgiebig ihre Glieder. „Seid mal ehrlich, kann es etwas besseres geben, als das? Zu albern und wie die Kinder herum tollen?“

„Bestimmt nicht.“, antwortete Nathalie und trocknete sich mit einem Handtuch grob ab, bevor sie sich auf die Liege setzte.

„Wohl wahr. Das nächste Mal gehen wir wieder mit Chelsea hierher und natürlich auch mit Sabrina.“

Mit dieser Äußerung brachte Julia sich selber und ihre Freundinnen dazu, um ihre größte Sorge zu sprechen.

 

„Hat deine Mutter etwas bei Regis erreicht?“, fragte Nathalie und sah ihre Freundin hoffnungsvoll an. Allerdings erwartete sie keine zufrieden stellende Antwort. Ihre bösen Vorahnungen wurden auch noch bestätigt.

„Nein. Regis hatte sie zwar empfangen, nachdem meine Mutter ihren Besuch angekündigt hatte, aber er wollte nicht auf sie hören. Stur verharrte er auf seine Meinung, dass wir kein guter Umgang für seine Tochter wären. Diesen Gedanken hatte er nicht erst gehabt, als der Brief aus der Schule bei ihm eingetroffen war, sondern bereits vorher. Der Brief hatte ihn dann in seiner Meinung bestätigt.“

„Das ist doch ungerecht. Wann hatten wir Sabrina jemals zu etwas Unmoralischen verleitet?“, schimpfte Lana, wobei ihr Tonfall lauter ausgefallen war, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte, wodurch nebenliegende Gäste sich verwundert zu ihr umdrehten. Peinlich berührt murmelte Lana eine Entschuldigung und Julia fuhr in ihrer Erzählung fort.

 

„Das hatte meine Mutter auch gesagt. Ihr Besuch dauerte keine halbe Stunde, dann wurde sie schon von Regis aufgefordert zu gehen. In der kurzen Zeit, in der sie dort war, hatte sie mit Geduld und Engelszungen versucht, auf ihn einzureden und seine Meinung, alleine schon wegen Sabrinas Willen noch mal zu überdenken. Dieser Satz versetzte Regis fast in Rage, doch vor meiner Mutter erlaubte er sich keine Blöße. Ihr wisst, wie er über uns denkt. Personen mit wenig Einkommen und geringem gesellschaftlichen Ansehen hatte er schon immer verachtet. Wie dem auch sei, mitten in diesem kurzen Gespräch erschien Sabrina in der Tür und meinte, dass sie sich nicht wohl fühle, ihr wäre leicht schwindelig. Dadurch war der Besuch beendet und Mutter sagte, dass Sabrina sehr blass ausgesehen hätte und alles andere als glücklich.“

 

„Die Ärmste. Ach, wenn wir doch nur zu ihr könnten. Ihr würde es bestimmt sofort wieder besser gehen.“, seufzte Nathalie betrübt und fühlte sich mit einem Mal völlig machtlos.

„Ja, das wäre was. Doch, was können wir denn noch unternehmen? Ihr bockiger Vater lässt uns keine Wahl.“, erwiderte Lana ebenfalls traurig.

„Besuchen können wir sie zwar nicht, doch wenn sie krank ist, spricht normalerweise nichts dagegen, wenn wir ihr eine Genesungskarte, einen Blumenstrauß und Pralinen schicken, damit sie weiß, und vor allem Regis, dass wir weiterhin an sei denken und nicht aufgeben werden.“

„Das ist eine gute Idee, Julia. Genau das machen wir und hoffen auf das Beste.“

 

Nathalie war ebenfalls mit diesem Vorschlag einverstanden. Noch eine ganze Weile unterhielten sie sich, was sie zusätzlich noch machen könnten. Jedoch kamen sie auf keine brauchbare Idee und sprangen kurze Zeit später wieder ins Wasser, um ihre betrübten Gemüter neu aufleben zu lassen.

 

+++++
 

Chelseas und Vaughns Verabredung verlief, wie erwartet, hervorragend. Beide unterhielten sich über alles Mögliche und hatten recht bald das Gefühl, dass sie sich auf einer Wellenlänge bewegten. Außerdem schmeckte das Essen und die Bewirtung war überaus freundlich, wodurch die gesamte Atmosphäre freundlich und ungezwungen auf sie einwirkte.

 

„Möchtest du noch einen Nachtisch?“, fragte Vaughn freundlich nach und konnte es einfach nicht lassen, Chelsea unentwegt anzusehen. Sie übte ein Anziehungskraft auf ihn aus, dass er sich wunderte, warum ihm das nicht schon viel früher aufgefallen war.

„Ja, also, wenn es okay ist.“, antwortete Chelsea vorsichtig. Unter gar keinen Umständen wollte sie, dass Vaughn auf den Gedanken kommen könnte, dass sie seinen Geldbeutel ausnutzte.

„Das ist kein Problem. Ich habe dich eingeladen, weswegen du beherzt zugreifen darfst.“, lächelte Vaughn sie an und Chelsea kam sich plötzlich so dumm und naiv vor. Da zeigte sich, dass Chelsea keine Erfahrung in solchen Dingen hatte, was Verabredungen mit Männern anging. Die Vergangenheit hatte es ihr kürzlich erst gezeigt und auch hier, fühlte sie sich zunehmend unwohler, was Vaughn natürlich nicht entging.

„Chelsea, ist alles in Ordnung? Du brauchst nicht zurückhaltend sein.“, redete er mit sanfter Stimme auf sie ein und legte bekräftigend seine Hand auf ihre, die sie neben ihren Teller liegen hatte.

 

„Nun, ich…“ Langsam, hob Chelsea ihren Kopf und erwiderte seinen Blick, der ununterbrochen auf ihr ruhte. „Ich…ich weiß nicht, ob man es sagen sollte, aber ich habe keine Erfahrung, wie man sich in so einer Situation zu verhalten ist. Das ist alles zu neu für mich.“, gestand Chelsea und wäre auf der Stelle in ein Mauseloch gekrochen, wenn sie eines gesehen hätte.

„Mach dir nicht soviele Gedanken.“, versuchte Vaughn sie zu beruhigen. „Am Sinnvollsten ist es, wenn du dich einfach so verhältst wie du bist. Das steht dir sowieso am besten.“

 

Prompt lief Chelsea rot an, aber zugleich freute sie sich, dass Vaughn ihre Natürlichkeit mochte und sie auch nicht auslachte. Ihr Herz schlug in dieser Minute wie wild, dass ein unglaubliches Glücksgefühl sie überrollte. In jede Faser ihres Körpers breitete es sich aus und bewirkte, dass sich Chelsea erneut entspannte und ohne Bedenken ihren Nachtisch bestellte.

 

Vaughn beobachtete zufrieden, dass sich Chelsea wieder beruhigt hatte und kam auch nicht umhin, zu bemerken, dass sich ein ähnliches Gefühl in ihm anbahnte, welches auch Chelsea gerade in Besitz nahm. Er konnte nicht anders, als ständig Blickkontakt mit ihr aufzunehmen und ihre leuchtenden Augen zu bewundern, die ihn ohne Furcht ansahen. An diesem Tag war es sein persönliches Highlight, welches er schwor, niemals wieder zu vergessen. Außerdem wollte er mit allen Mitteln verhindern, dass ihr jemals wieder Leid zugefügt werden würde. Von nun an, wollte er an ihrer Seite sein, sie beschützen und behüten, so gut er es konnte. Denn auch ihn plagten leichte Zweifel, weil er nicht genau wusste, wie er sich richtig benehmen sollte. In Chelseas Nähe konnte er genauso wenig sagen, wie er sich korrekt ihr gegenüber verhalten sollte, ohne sie zu verletzten oder sich wie ein kompletter Vollidiot aufzuführen.

 

Nach dem sie fertig gegessen hatten, schlug er Chelsea noch einen Spaziergang zu seiner Wohnung vor, um ihr zu zeigen, wo er wohnte. Chelsea stimmte zu. Auf dem Weg dorthin, waren beide zu sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht bemerkten, dass sie jemand von der anderen Straßenseite aus beobachtete. Dieser jemand hatte soeben einen teuflischen Plan gefasst, um seine Rache endlich zu bekommen.

 

In der Bibliothek

Kapitel 30

In der Bibliothek

 

 

Elliot hatte den Eindruck gewonnen, dass seine jüngere Schwester einen tiefen Groll gegen ihn hegte. Noch vor wenigen Tagen hatte er geglaubt, dass er sich in dieser Annahme getäuscht hätte. Nach dem sich Nathalie und ihre Freundinnen wieder vertragen hatten, war ihr ablehnendes Verhalten ihm gegenüber weniger geworden. Allerdings hielt die freudige Stimmung, die gleichermaßen bei seiner Schwester vorhanden gewesen war, nur kurz an. Es verging keine komplette Woche und Nathalie war wieder genauso zurückgezogen und feindselig wie vorher.

 

Beim besten Willen konnte er sich dieses wandelbare Verhalten seiner Schwester nicht erklären. Besonders ihre tiefsitzende Abneigung ihm gegenüber. Oft sprach er mit seiner Mutter und seinem Großvater darüber, aber auch sie konnten ihm nicht weiterhelfen. Sie machten sich genauso große Sorgen, wie er. Keiner von ihnen war in der Lage an Nathalie heranzukommen und in ihr inneres zu blicken. Niemanden öffnete sie sich.

 

In seiner Verzweiflung, rief Elliot sogar bei Lana an, um möglicherweise von ihr mehr zu Nathalies sonderbarem Gebaren zu erfahren. Doch auch sie konnte ihm diesbezüglich nicht weiterhelfen. Sie bestätigte seine Vermutung, dass Nathalie wohl sehr einsam und zutiefst traurig sei, noch dazu unter der Trennung ihrer Eltern litt, aber auch ihnen wollte sie sich nicht richtig anvertrauen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig als zu spekulieren und zu hoffen, dass Nathalie irgendwann jemanden ihr Herz öffnen würde, wenn die Zeit dafür gekommen war.

 

An einem windigen Tag, unternahm Elliot alleine einen Spaziergang. Er bereute es auf der Stelle, als er feststellte, dass der Wind immer heftiger wurde und bereits kleinere Äste durch die Straßen flogen. Warum hatte er auch nicht die Wetternachrichten gesehen?

Kurz bevor er aus dem Haus getreten war, schien noch die Sonne, obwohl bereits Wolken am Himmel aufgezogen waren.

Außerdem war er auch nur auf die Straße gegangen, um heimlich seine Schwester zu verfolgen, die ohne ein Wort zu sagen aus ihrem Zimmerfenster geflohen war. Ihm war dies schon öfter in den letzten Tagen aufgefallen. Anscheinend hatte seine Mutter keine Ahnung davon. Vorerst behielt er auch seine Beobachtung für sich. Da seine Sorgen um Nathalie nicht weniger wurden und ihn diese Tatsache belastete, hatte er nach reiflicher Überlegung beschlossen ihr nachzugehen.

 

Jedoch, kaum als er um die nächstgelegene Straßenecke gebogen war, war seine Schwester auch schon wieder verschwunden. Im ersten Moment konnte er nicht anders und musste über ihre Schnelligkeit staunen. Damit hatte er nicht gerechnet, dass seine Verfolgung so schnell beendet sein würde. Doch so leicht wollte er sich nicht geschlagen geben und durchstreifte sämtliche Straßen und bekannte Orte, in der Hoffnung seine Schwester rasch wieder zu finden.

 

Nach drei Stunden musste er einsehen, dass es aussichtslos war. Nathalie blieb wie vom Erdboden verschluckt. Wahrscheinlich war sie schon längst wieder zu Hause und hätte garantiert ihren Bruder ausgelacht, wenn sie gewusst hätte, dass er ihr hinterher geschlichen war.

 

Um seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, beschloss er in das nächstgelegene Cafe zu gehen, welches er erreichen würde, um sich an einem warmen Kaffee zu wärmen und wieder zur Ruhe zu kommen. Es dauerte keine fünf Minuten mehr und er hatte eines erreicht. Als er die Tür öffnete, kündigte eine Klingel über ihm sein Kommen an. Schnell fand er einen leeren Tisch und setzte sich zugleich erschöpft hin.

 

Nach dem er seine Bestellung aufgegeben hatte, zusätzlich wählte er noch ein Stück Apfelkuchen, sah er aus dem Fenster links neben sich und staunte nicht schlecht, als er Lana auf der anderen Straßenseite entlang laufen sah. Mit einer Hand schützte sie ihr Gesicht vor dem heftigen Orkan, in  der anderen trug sie eng an sich gepresst einen Beutel, der ein ordentliches Gewicht zu wiegen schien. Elliot überlegte nicht lange, eilte zur Tür und rief Lana laut zu, dass sie zu ihm kommen sollte. Zu seinem Glück hatte Lana sein Rufen gehört und machte auf dem Absatz kehrt. Völlig außer Atem und mit einer dunklen Röte im Gesicht, ließ sie sich ihm gegenüber an dem Tisch fallen. Da Lana noch nicht wieder in der Lage war richtig zu sprechen, bestellte Elliot dasselbe für Lana wie er kurz zuvor für sich bestellt hatte. Mit einem Nicken signalisierte sie ihm, dass sie damit einverstanden war.

 

„Du meine Güte, Lana! Was schleppst du denn alles mit dir herum? Noch dazu bei diesem Wetter!“, wollte Elliot wissen, nachdem er aus Neugier einen Versuch unternommen hatte, Lanas Beutel anzuheben.

„Bücher.“, keuchte die Angesprochene und stemmte ihre linke Hand an ihre schmerzende Seite. „Vor den Ferien hatte ich vergessen, sie zurück in die Bücherei zu bringen, bevor das Fälligkeitsdatum abgelaufen sein würde. Heute ist der letzte Tag, an dem sie abgegeben sein müssen. Mahngebühren kann ich mir nicht leisten.“

„Verstehe. Dann wärme dich erstmal wieder auf. Wir haben es jetzt viertel vor fünf. Noch genügend Zeit bis die Bibliothek schließt. Ich werde dich dann begleiten.“

„Danke, Elliot, aber das musst du nicht tun, wenn du anderes zu tun hast.“

„Kein Problem. Für heute habe ich nichts weiter vor. Ich würde dir gerne noch etwas Gesellschaft leisten, wenn ich darf.“

 

Als Lana, Elliot lächeln sah, konnte sie nicht mehr wiedersprechen und freute sich insgeheim darauf, dass sie für wenigstens eine Stunde mit ihm zusammen sein durfte.

„In Ordnung. Zu zweit macht es bestimmt mehr Spaß gegen den Wind anzukämpfen.“

Beide lachten, woraufhin, dass Eis zwischen ihnen gebrochen schien.

Ungezwungen unterhielten sich die beiden miteinander. Lana erzählte von ihrer ersten Ferienwoche, dass sie viel mit ihren Freundinnen unternommen hatte, aber auch den Schulstoff nicht vernachlässigte.

 

„Weißt du, es gefällt mir, mich mit den Themen aus der Schule auseinander zu setzen. Sei es Geschichte, Politik oder Sprachen. Die anderen lachen mich zwar meistens aus, aber sie verurteilen mich nicht. Das bedeutet mir sehr viel. Außerdem kann ich ihnen dadurch oft helfen, wenn sie etwas nicht verstanden haben und das bereitet mir jedes Mal große Freude, wenn ich in der Lage bin ihnen auch zu helfen.“

„Das freut mich für dich. Du weißt, was du willst und das ist heutzutage eine Menge wert. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Jugend häufig orientierungslos ist, was sie später einmal werden wollen.“

„Genau.“, nickte Lana und nahm einen Schluck von ihrem warmen Kaffee. „Das sehe ich genauso wie du. Du kennst meine soziale Lage, daher ist es mir doppelt so wichtig, dass ich mein Ziel auch erreiche und eine erfolgreiche Anwältin werde, die im gesamten Umkreis auch bekannt ist.“

 

An diesem Punkt errötete Lana leicht. Bisher hatte sie noch nie mit jemanden so intensiv über ihre Berufswahl gesprochen. Es war ihr ein wenig peinlich, dass gerade Elliot der erste war dem sie sich anvertraute. Selbstverständlich wussten ihre Freundinnen darüber auch bescheid, aber ihnen so wirklich erklärt, was es ihr alles bedeutete, hatte sie nie.

 

Elliot lachte sie nicht aus, sondern beglückwünschte sie zu ihren genauen Vorstellungen und Zielen und war sich zudem absolut sicher, dass sie es schaffen würde diese auch zu verwirklichen.

Eine Weile sprachen sie noch davon, bis Lana schließlich einfiel, dass sich Elliot bei einer Bank beworben hatte und fragte, wie es gelaufen sei.

 

„Ganz gut. Ab nächsten Monat fange ich dort an. Genauer gesagt, am 01.11.“

„Das ist toll! Ich gratuliere dir!“, begeisterte sich Lana und reichte ihm über den Tisch hinweg ihre Hand, die er zugleich ergriff. Als sich ihre Hände für einen kurzen Moment berührten, spürte Lana eine Art elektrischen Impuls, der sich über ihren gesamten Arm ausbreitete. Elliot erging es ebenso. In diesem Moment sahen sie sich in die Augen und hatten das Gefühl, als wäre die Zeit um sie herum stehen geblieben. Es zählte einzig und allein dieser Augenblick, der etwas in ihnen hervorgerufen hatte, das alles zu ändern schien.

 

Ein rascher Seitenblick auf die Armbanduhr an Elliots Arm brachte sie wieder zurück in die Realität. Elliot beglich die Rechnung und beide machten sich auf dem Weg zur Bibliothek. Obwohl Lana protestieren wollte, trug Elliot den schweren Beutel und Lana musste sich peinlich berührt geschlagen geben, wobei sie ein verstohlenes Lächeln nicht unterdrücken konnte.

 

+++++
 

In der Bibliothek sahen sich beide noch einige Zeit lang um, nachdem Lana die Bücher am Automaten zurückgegeben hatte. Dabei stellten beide fest, dass sie eine ähnliche Vorliebe für ältere Literatur teilten. Im Flüsterton tauschten sie ihr gemeinsames Wissen aus und bemerkten gar nicht, dass die Bibliothek bald schließen würde. Allerdings blieb ihnen noch eine Viertelstunde, die sie bis zur letzten Sekunde nutzen wollten.

 

Also, schlenderten sie weiter durch die Regalreihen bis sie in die Nähe eines Büros, am Ende des Saals gelangten. Eine meterlange Wand trennte die beiden von dem inneren des Raumes. Jedoch konnten beide gut verstehen, dass sich da drin Leute aufhielten. Besser gesagt, waren es sogar zwei Personen, ein Mann und eine Frau, die miteinander lachten. Es gab für niemanden von ihnen die Möglichkeit hinein zu sehen. Wozu auch? Was in dem Büro vor sich ging, ging sie nichts an. Und doch, lag etwas Vertrautes in der Stimme der Frau. Elliot war sich ziemlich sicher, dass er dieses Lachen kannte, auch wenn es tiefer klang, als das Lachen, was ihm gerade durch den Kopf gegangen war.

 

Dadurch wurde Elliot neugierig und trat leise an die Tür heran, um besser verstehen zu können, was gesprochen wurde. Lana war inzwischen weiter gegangen und bekam gar nicht mit, dass Elliot weiter hinten geblieben war. Als sie sich umdrehte und sah, wie er ein Ohr nahe an die Tür gelegt hatte, hob sie erstaunt ihre Augenbrauen und fragte sich, was mit einem Mal in ihn gefahren war. Sein Gesicht war so ernst, dass sie sich nicht traute, ihn in seinem Tun zu unterbrechen. Obgleich sie eine baldige Erklärung wünschte.

 

Der junge Mann an der Tür hatte die Umgebung um sich herum vollkommen ausgeblendet. Konzentriert hörte er dem Treiben, besonders der femininen Stimme hinter der Tür zu. Er wusste noch immer nicht, woher sie ihm so vertraut vorkam. Das Lachen hatte längst aufgehört. Stattdessen hörte er ein Zerreißen von Stoff und das Stühle gerückt wurden. Er vernahm immer deutlicher ein Stöhnen, das zunehmend lauter wurde. Nebenbei hörte er den Mann sagen, dass die Frau sich auf den Schreibtisch legen sollte und sie willigte sofort ein.

 

Danach brauchte Elliot gar nicht mehr hinhören, um zu erraten, was gerade in dem Büro getrieben wurde. Einzig das helle Aufschreien der Frau veranlasste ihn dazu, erneut kurz stehen zu bleiben. Ihm wollte nicht einfallen, woher er diese Stimme kannte. Allerdings keimte ein unmöglicher Gedanke in ihm auf, den er entschieden wieder verdrängte. Übereilt rannte er auf Lana zu, packte sie am Arm, die gänzlich überrumpelt wurde und zog sie entschieden mit sich nach draußen.

Ein falscher Kunde

Kapitel 31

Ein falscher Kunde

 

 

„Aha! Das ist also dein mysteriöses Geheimnis.“, schlussfolgerte Julia und fuchtelte mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger tadelnd vor dem Gesicht ihrer blonden Freundin rum. Die drei Freundinnen, Julia, Lana und Chelsea waren zu Besuch bei Julia und hatten bis eben gespannt Lanas Erzählung vom gestrigen Abend zugehört. Sie berichtete ihnen, dass sie auf dem Weg in die Bibliothek war, als Elliot sie rief, sie gemeinsam eine Tasse Kaffee tranken und ein Stück Kuchen aßen, und danach Lanas Bücher zurückbrachten.

 

„Was ist daran Besonderes, dass ihr zusammen Bücher weggebracht habt?“, gähnte Julia gelangweilt und tat so, als würde sie jeden Moment einschlafen.

„Das wirklich Eigenartige habe ich euch doch noch gar nicht erzählt.“, erwiderte Lana pikiert und kniff ihrer Freundin in den Arm.

„Aua! Was soll das? Wenn du noch mehr zu erzählen hast, dann nur raus damit. Das ist doch noch lange kein Grund Gewalt anzuwenden.“

„Jetzt streitet euch nicht.“, warf sich Chelsea zwischen die Streithähne und versuchte diese zu besänftigen.

 

Nach einigen Sekunden, in denen sich Julia und Lana noch giftige Blicke zuwarfen, war Lana wieder bereit ihre Erzählung fortzusetzen.

„In der dritten Etage der Bibliothek sahen sich Elliot und ich in den Regalreihen um. Auf dieser Etage befinden sich vor allem wissenschaftliche Bücher und dergleichen.“

Ein verächtliches Schnauben von Julia sorgte dafür, dass Lana ihr einen hasserfüllten Blick zuwarf. Allerdings beließ sie es lediglich dabei, weswegen Chelsea erleichtert aufatmete. Für einen Moment hatte sie gedacht, dass ihre Freundinnen erneut aufeinander losgehen würden.

 

„Wie dem auch sei. Am Ende des Saals befindet sich ein Büro, welches räumlich getrennt ist. Nur eine Tür dient als einzige Verbindung ins Innere des Raumes. Elliot und ich konnten zwei Personen, einen Mann und eine Frau dahinter lachen hören. Mich hatte das nicht weiter interessiert, aber Elliot lauschte für ein paar Minuten an der Tür.“

„Wie? Warum denn das? Wusste er, wer im Büro war?“, fragte Chelsea erstaunt und zeigte damit ihre Verwunderung über Elliots eigenartiges Verhalten. Das passte gar nicht zu dem vernünftigen und korrekten Elliot.

 

„Genauso, wie du jetzt, muss ich ausgesehen haben. Ich wartete auf ihn. Dann eilte er plötzlich im Lauftempo auf mich zu, packte mich am Arm, nicht so, das es wehtat, und zog mich aus der Bücherei auf die Straße. Als wir draußen waren, hatte er mich wieder los gelassen, aber er ging im selben Tempo die Straße entlang, sodass ich Schwierigkeiten hatte mit ihm mitzuhalten. Nach wenigen Minuten kamen wir an einem Spielplatz an. Niemand weiteres war zu diesem Zeitpunkt dort. Elliot steuerte eine Bank an und ließ sich völlig außer Atem darauf fallen.“

„Hat er dir nun erklärt, warum er so außer sich war?“, hakte Julia inzwischen ebenfalls neugierig geworden nach.

 

„Ja, das hat er. Ich fand das sehr beunruhigend. Er berichtete, wie sich Nathalie zu Hause ihm gegenüber und teilweise auch seiner Mutter und Großvater gegenüber verhält. Er redete ohne Punkt und Komma, dass es für mich zuerst gar keinen Sinn ergab. Zumal der Zusammenhang mit dem in der Bibliothek gänzlich fehlte. Nun denn, er sprach weiter und ich hörte einfach nur zu. Ihm war in den letzten Tagen aufgefallen, dass sich Nathalie heimlich aus dem Haus schlich. Dabei nutzt sie ihr Zimmerfenster und steigt von dort aus auf dem Baum direkt vor ihrem Fenster und dann runter. So verschwindet sie, wie sie denkt, wohl ungesehen. Aber Elliot hatte es durch Zufall bemerkt. Er lief hinter ihr her. Zumindest wollte er sie heimlich verfolgen, aber an der nächsten Kreuzung war sie bereits verschwunden. Also begann er sie zu suchen, jedoch ohne Erfolg. Wir trafen uns dann im Cafe und waren danach, wie schon gesagt, in der Bibliothek.“

 

„Und wo ist jetzt der Bezug zu dem Vorfall vor dem Büro?“, wollte Julia wissen und runzelte irritiert ihre Stirn. „Die ganze Erzählung mit Nathalie macht hier doch überhaupt keinen Sinn.“

„Das dachte ich anfangs auch, das versichere ich euch.“, erzählte Lana weiter. „Mit leiser Stimme beichtete er mir seine Vermutung, wer wohl die Frau in dem Büro gewesen sein könnte. Es ist, nun ja, irgendwie schwer vorstellbar, aber Elliot vermutet, und es gibt keine Beweise, dass es…Nathalie gewesen war.“

 

Sogar für Lana war es nicht einfach gewesen diesen Satz auszusprechen, denn auch sie konnte es sich nicht vorstellen. Noch nicht einmal in ihren schlimmsten Alpträumen, wäre ihr das unter gekommen, dass sich Nathalie heimlich mit Männern trifft und allem Anschein nach Sex mit ihnen hatte.

Genauso sahen es auch ihre Freundinnen. Mehrere verwirrte und verständnislose Blicke tauschten sie untereinander aus, ehe Chelsea das Schweigen brach.

 

„Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Natürlich verhält sich Nathalie häufig aufreizend den Jungs in der Schule gegenüber, aber sie würde noch lange nicht, sich mit Männern treffen und in irgendwelchen Büros oder sonst wo Verkehr mit ihnen haben. Nein! Das glaube ich nicht.“, reagierte Chelsea überzeugend auf das gehörte.

„Wie kommt er überhaupt darauf, dass es seine Schwester im Büro gewesen sein soll?“, äußerte Julia skeptisch.

„Anhand der Stimme. Die Stimme der Frau soll so ähnlich wie Nathalies geklungen haben. Mir war das in dem kurzen Moment, wo ich direkt vor der Tür stand, nicht aufgefallen. An sowas denke ich auch nicht, wenn ich in eine Bücherei gehe.“

„Auch wieder wahr. Nathalie würde niemals freiwillig in eine Bücherei gehen.“

„Das habe ich Elliot auch gesagt. Es war nicht einfach ihn von seiner fixen Idee wieder abzubringen. Ich glaube auch nicht, dass mir das richtig gelungen ist.“

 

„Das er sich um seine Schwester sorgt, ist verständlich. Wir sorgen uns ebenso um sie. Nathalie hat sich wirklich gewaltig verändert.“, sprach Chelsea mehr zu sich selbst als zu den anderen. Doch die anderen fühlten dasselbe. Keiner von ihnen wollte sich vorstellen, dass sich Nathalie für Geld verkauft und das auch noch freiwillig. Ein solcher Gedanke, war selbst für Nathalie zu absurd. Sie waren sich absolut sicher, dass es nicht wahr sein konnte, was auch immer Elliot diesbezüglich vermutete.

 

+++++
 

Kurz vor Ladenschluss erschien Andreas in Mirabelles Laden. Ein anstrengender Arbeitstag war für ihn fast zu Ende gegangen. Er wollte nur noch eine Bestellung aufgeben und dann endlich wieder nach Hause fahren. Besorgungen oder Geschäfte außerhalb seines Betriebes stressen ihn immer sehr. Noch dazu hatte er zwischendurch einen kurzen Abstecher zu seinen Eltern gemacht, die lange nichts mehr von ihrem Sohn gehört hatten. Es  kam für ihn nicht in Frage sich lange dort aufzuhalten. Als das Thema von seinen Eltern vorgebracht wurde, dass er sich doch eine neue Frau suchen sollte, war für ihn sein knapper Aufenthalt beendet. Allerdings musste er das Versprechen abgeben, dass deren Enkelkinder sie demnächst besuchen mussten. Zusammen mit ihrem Vater. In seiner Hast versprach er es, seinen Sohn und seine Tochter vorbeizuschicken, aber, ob er mit von der Partie sein würde, das ließ er offen.

 

Mirabelle befand sich, wie immer hinter ihrem Tresen, als er den Laden betreten hatte. Sie hörte die Klingel und war hocherfreut ihren guten Freund wieder zu sehen. Nachdem sie sich begrüßt hatten und die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht hatten, trat Vaughn durch eine der Seitentüren und verabschiedete sich von Mirabelle, wobei er sehr in Eile wirkte, denn er hatte es versäumt Andreas zu begrüßen, den er auch gar nicht bemerkt hatte. Jedoch fand Andreas dessen Benehmen unmöglich und tat seinen Ärger darüber bei Mirabelle laut kund.

 

„Nimm das nicht so ernst.“, versuchte Mirabelle ihren Freund zu besänftigen. „Vaughn ist kein schlechter Mensch, wirklich nicht. Er hat einen guten Charakter. In den letzten Tagen war er schon so. Sobald er Feierabend hat, rennt er davon und vergisst alles andere um sich herum.“

„Ich verstehe nicht, wie du darüber lachen kannst. Ein solches Verhalten ist doch inakzeptabel.“, beharrte Andreas stur auf seiner schlechten Meinung von Vaughn. „Glaube mir, Mirabelle, einen solchen Burschen hätte ich nie eingestellt.“

„Du kennst ihn doch gar nicht. Und ein Kind ist er schon lange nicht mehr. Was die Arbeit betrifft, kann ich mich über ihn nicht beklagen. Er ist zwar nach wie vor noch, manchmal etwas wortkarg, aber das war es auch. Entschuldige kurz, Andreas.“

 

Andreas drehte sich um, um zu sehen, was der Grund für Mirabelles kurze Abwesenheit war. In einer der Regalreihen hinter ihnen, hielt sich noch ein Kunde auf, der die Angebote von Hundefutter studierte. Mirabelle wechselte freundlich ein paar Worte mit dem jungen Mann, woraufhin er verständnisvoll nickte und Mirabelle ging wieder zurück an ihren Tresen.

 

„Ein komischer Kunde, sag ich dir.“, fing Mirabelle an zu erklären. „Seit einer guten halben Stunde, läuft er den ganzen Laden ab und greift wahllos irgendwelche Produkte, die er dann wieder zurücklegt. Wirklich sonderbar.“

„Und was war seine Erklärung dazu?“

„Nicht die beste. Zumindest hat er mich nicht damit überzeugt. Angeblich ist er neu in der Gegend und überlegt sich ein Haustier zu zulegen, das ihm Gesellschaft leistet. Deshalb kam er hierher um sich im Vorfeld über die Futterpreise zu informieren.“

„Hört sich doch vernünftig an.“, meinte Andreas dazu und warf einen Blick zu dem besagten Kunden, der immer noch im Laden war.

 

„Er ist bestimmt noch ein Schüler.“, spann Mirabelle ihre Überlegungen weiter. „Und irgendwie, mag ich ihn nicht. Ich hoffe, dass er bald verschwinden wird.“

„Lass ihn doch. Solange er keinen Ärger macht. Was ich wollte, Mirabelle, einmal eine Bestellung aufgeben und ich wollte dich bitten, diese Stellenanzeige, die ich aufgesetzt habe, ob du sie hier im Laden auslegen könntest?“

„Aber natürlich! Wie interessant. Du suchst einen neuen Arbeiter?“

„Ja, aber nur vorübergehend. Einer meiner Mitarbeiter hat sich sein Bein gebrochen und diese fehlende Arbeitskraft muss ersetzt werden.“

„Das verstehe ich. Leg die Anzeige am besten gleich hier auf den Tresen.“

 

Der Kunde trat in diesem Moment an den Tresen und zeigte ein Hundespielzeug, das er gerne für seinen Nachbarn kaufen möchte, worum er zusätzlich gebeten worden war. Während der junge Mann bezahlte, erkannte Andreas die gebräunte Haut des Jungen und seine dichten braunen Locken, die ihm keck ins Gesicht fielen. Als er sein Gespräch mit Mirabelle wieder aufnahm, war beiden entgangen, dass der junge Mann einen Zettel über die besagte Stellenanzeige eingesteckt hatte.

Aufkeimende Liebe

Kapitel 32

Aufkeimende Liebe

 

„Nach meinem Empfinden sind die Herbstferien viel zu schnell vergangen.“, wandte sich Chelsea zu ihrer rechten, wo Vaughn hinterm Steuer saß.

Es war Samstag, der vorletzte Tag in den Ferien, und zudem Vaughns freies Wochenende. Fast jeden Tag haben beide miteinander verbracht, sich näher kennen gelernt und jeder für sich, ihre Zuneigung füreinander versichert.

„Wohin fahren wir eigentlich? Bitte, verrate es mir! Ich werde noch ganz ungeduldig.“

„Geduld. Du wirst es noch früh genug sehen. Außerdem darf ich dich doch wohl überraschen.“, lachte Vaughn und schenkte Chelsea einen raschen Seitenblick, wobei er nur kurz die Fahrbahn außer Acht ließ.

„Natürlich. Ich freue mich auch, aber…schon gut. Ich werde nichts mehr dazu sagen.“

„Braves Kind.“
 

Für einen Moment war Chelsea empört und geneigt, Vaughn ihre Zunge entgegenzustrecken, besann sich aber gleich wieder, weil sie wusste, dass er sie nur necken wollte, und es ihm auch gelang. Also schenkte sie ihm einen leicht gespielten, halb ernsten wütenden Gesichtsausdruck, woraufhin Vaughn schmunzeln musste. Er mochte es, die junge Frau neben ihm auf seine Art zu ärgern und sie, manchmal sogar zu kindischen Handlungen zu bewegen, die gegen ihn gerichtet waren. Im darauffolgenden Moment entschuldigte sie sich meist wieder, doch er nahm es ihr nie übel oder persönlich. Chelsea wusste das. Trotzdem hatte sie gelegentlich den Eindruck, zu kindisch noch zu sein, weswegen sie sich hin und wieder albern vorkam und befürchtete, dass Vaughn sie nicht mehr leiden könnte.

Bisher waren ihre Sorgen aber nicht eingetreten und Vaughn versicherte ihr, dass sie unbegründet seien, indem er ihr indirekt zu verstehen gab, dass er sie für ihre Eigenarten, die nie böse gemeint waren, liebte und somit auch sie. Allerdings hatte er es noch nie laut zu ihr gesagt, und Chelsea hätte nur all zu gerne Gewissheit darüber gehabt. Denn auch ihr ging es in keiner Weise anders.
 

„Habt ihr schon einen neuen Gastarbeiter gefunden?“, fragte Vaughn.

„Nein, aber soviel ich weiß, wollte sich heute jemand vorstellen. Mein Vater hatte mit jemanden wegen der Anzeige telefoniert.“

„Ist es überhaupt nötig? Ich meine, es sind doch nur ein paar Wochen.“

„Sechs Wochen, um genau zu sein. Mein Vater und auch mein Bruder halten es für notwendig. Zumal Mark ab nächsten Montag von seiner Uni an einem Exkurs teilnimmt, weswegen er die nächsten Wochen ebenfalls nicht zu Hause sein wird. Er freut sich schon die ganzen letzten Tage darauf und hat es akribisch geplant, das kannst du dir nicht vorstellen.“

„Doch, ich denke schon. Aber so macht es auch Sinn, wenn ihr einen neuen Arbeiter für diese Zeit sucht.“, stimmte Vaughn nun zu und lenkte sein Auto bei der nächsten Kreuzung nach links.

 

Inzwischen waren sie ein gutes Stück aufs Land hinaus gefahren. Chelsea konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor in dieser Gegend gewesen zu sein. Die fortschreitende Jahreszeit hatte auch hier ihre Zeichen hinterlassen. Die Bäume waren zum größten Teil komplett bunt gefärbt, die Blumen am Wegesrand welkten und es waren immer weniger Tiere zu sehen, die über die Felder hoppelten oder von den Bauern, auf deren Feldern grasten.

 

„Vaughn? Ist es noch sehr weit?“, hielt Chelsea ihre innere Unruhe kaum aus.

Vaughn lächelte und antwortete: „Nein. Wir sind bald da. Keine Viertelstunde mehr. Versprochen.“

 

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Vaughn hielt Wort. Nach knapp zehn Minuten brachte Vaughn sein Auto an einer kleinen Raststätte zum Stehen. Chelsea stieg aus und sah hinter sich zwei Tische mit dazugehörigen Bänken, jeweils links und rechts daneben aufgestellt stehen. Ein Mülleimer stand weiter abseits davon entfernt. Die Straße, von der sie gerade abgebogen waren, befand sich einige Meter über ihnen, ein schmaler Kiesweg, gerade breit genug, das ein Auto entlang fahren konnte, führte an diese abgelegene Stelle hinunter.  Es war friedlich. Ein hübscher Ort, der im Sommer bestimmt mehr hermachen würde, wenn alles blühte und sämtliche Vögel flogen. Jetzt wirkte es, zwar nicht trostlos, aber ein wenig einsam und Chelsea war froh, dass sie nicht alleine war. Dennoch blieb es ihr ein Rätsel, warum Vaughn mit ihr an diesem Ort gefahren war. Erwartungsvoll sah sie ihn an.

 

„Wir müssen noch ein kleines Stück laufen. Siehst du den schmalen Pfad zwischen den Büschen?“

Vaughn deutete mit ausgestreckter Hand in die Richtung und Chelsea sah sich dahin um. Ihr Begleiter hatte recht. Tatsächlich führte ein Trampelpfad mitten in die angrenzende Wildnis. Darum wollte auch Chelsea zugleich wissen, was es zu bedeuten hatte.

„Vertraust du mir?“

 

Eine scheinbar simple Frage, die Chelsea erstmal verstummen ließ. Von ihren Gefühlen her, hätte sie ihm sofort geantwortet, dass sie das tue, aber sie erinnerte sich plötzlich an ein zurückliegendes Ereignis, von dem sie glaubte, dass sie es bereits erfolgreich verarbeitet hatte. Demnach war nicht so. Denny war weit und breit nicht anwesend, dennoch war ihr unbehaglich zumute, was sie kurzzeitig an Vaughns Absichten zweifeln ließ.

 

Der junge Mann bemerkte ihren Gefühlswandel, da man in Chelseas Augen glasklar ihre Gefühle lesen konnte. Vaughn fühlte sich leicht verletzt, konnte Chelsea jedoch keinen Vorwurf machen. Es war nicht ihre Schuld, dass sie sich unsicher fühlte. Er konnte es sogar verstehen und wollte unter allen Umständen ihre Zweifel, ihm bezüglich, beseitigen.

 

„Chelsea.“ Langsam streckte er ihr seine offene Hand entgegen und wartete bis Chelsea diese freiwillig ergriff. Zögernd tat sie es, wobei sie ihre eigene Furcht verabscheute. Fest hielt Vaughn ihre Hand in seiner und zog sie sanft aber bestimmend zu sich heran. Zärtlich strich er ihre Haare aus dem Gesicht und schaute ihr direkt in die blauen Augen und zwang sie, ihm ebenfalls in die Augen zu sehen.

„Vertrau mir.“

Vaughns violette Augen spiegelten das innere seiner Seele wieder. Chelsea fühlte das, und es war ihr mit einem Mal gänzlich ausgeschlossen, dass der junge Mann, der sie beschützend in seinen Armen hielt, ihr etwas Schlimmes antun würde. Sie schluckte hörbar und wollte Vaughn gerade um Verzeihung bitten, als er auch schon seine Lippen auf ihre legte und zärtlich küsste.

 

Dieser Kuss war anders. Er rief dieselben Gefühle in Chelsea wach, die sie bis jetzt immer gehabt hatte, wenn Vaughn sie geküsst hatte, aber zugleich neue ihr unbekannte Emotionen, die aus dem hintersten Winkel in ihrem Herzen zu kommen schienen und sie mit aller Macht überfluteten. Ein wahrer Rausch der Gefühle, der alles um sie herum ausblendete. Sie spürte Vaughns Wärme, Zuneigung, sein Vertrauen und vielleicht sogar seine eigene Liebe für sie. In diesem Augenblick wollte sie es unbedingt wissen. Wissen, ob er dieselben Gefühle erlebte und durchmachte, wie sie gerade oder nicht. Um ihrer eigenen Liebe mehr Ausdruck zu verleihen, legte sie ihre Arme um Vaughns Nacken und drückte sich somit näher an seine Brust heran. Instinktiv reagierte Vaughn und legte seine Arme ebenfalls enger um sie.

Diese unbeschreibliche Nähe und Intensität an Gefühlen beflügelten ihn, wie er es zuvor noch nie erlebt hatte. Chelsea war etwas derart besonderes, dass er sich schwor, sie niemals in seinem Leben wieder ziehen zu lassen. So wie jetzt, wollte er sie jede Stunde, jeden Tag, jeden Monat, Jahr für Jahr fühlen und an seiner Seite wissen. Denn dort gehörte sie hin, und auch er an ihre Seite. Egal, was sich zwischen ihnen stellen sollte. Er würde immer bei ihr sein und sie nicht loslassen.

 

Irgendwann, nach endlosen Minuten endete deren Kuss. Für eine Weile standen sie noch so eng beieinander und hielten den jeweils anderen fest in deren Armen. Keiner wollte der erste sein und den anderen wieder freigeben. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, wären sie für immer an Ort und Stelle stehen geblieben und hätten sich auf ewig in die Augen gesehen.

 

„Chelsea.“, flüsterte Vaughn und hauchte ihr einen Kuss auf ihre Stirn. „Möchtest du, dass ich dich wieder nach Hause bringe? Denn das werde ich sofort tun, wenn du es willst. Oder kommst du mit mir mit und ich zeige dir, was dich bestimmt begeistern wird?“

Diesmal brauchte Chelsea nicht lange zu überlegen. Sie wusste, dass sie bei Vaughn in guten Händen war, und dass ihr nichts geschehen würde, wenn er an ihrer Seite blieb. Also nickte sie und ergriff zum ersten Mal die Initiative ihn von sich aus zu küssen.

 

Überrascht, aber auch glücklich, erwiderte Vaughn den Kuss. Danach holte Vaughn noch einen Rucksack aus dem Kofferraum seines Autos und führte Chelsea, sicher an seiner Hand den Pfad zwischen den Sträuchern entlang.

 

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„Woher wusstest du, dass am Hang der Straße eine winzige Raststätte ist und dazu dieser Weg?“, fragte Chelsea, nachdem sie ihre Sprache wieder gefunden hatte. Der innige Kuss, vor wenigen Minuten, hatte sie zutiefst bewegt, dass sie dieses Gefühl erstmal richtig begreifen wollte.

„Als ich mit Mirabelles Lkw eine Bestellung ausliefern sollte, hatte ich mich auf dem Weg dorthin total verfahren.“, begann Vaughn zu erzählen und drängte einen langen Zweig, der sich mitten auf Gesichtshöhe befand, aus dem Weg, damit sie ungehindert weitergehen konnten. „Damals hatte ich oben an der Straße gehalten, bin ausgestiegen und habe mich ziemlich genervt über das Eisengeländer gebeugt. Dabei sah ich runter und habe die Raststätte gesehen. Nur um mich abzureagieren, lief ich runter und entdeckte durch Zufall diesen Trampelpfad. Natürlich hatte ich keine Zeit ihn näher zu erkunden, obwohl ich sehr neugierig war. Also bin ich vor kurzem wieder hier raus gefahren und habe diesen Weg erkundet.“

 

„Ganz allein?“, wunderte sich Chelsea und konnte Sorge in ihrer Stimme nicht verbergen.

„Keine Angst. Mir war nichts passiert. Schon früher bin ich oft alleine durch Wälder gewandert. Es hat mich nie gestört.“

„Und wenn dir etwas passiert wäre und keiner hätte dich gefunden?“

Sie wollte ihren Freund nicht tadeln, konnte aber ihren unausgesprochenen Vorwurf nicht unterdrücken. Was war das zwischen ihnen? Sie wollte es wissen. Um jeden Preis auf dieser Welt wollte sie es unbedingt wissen. Und zwar von ihm.

 

„Chelsea, hast du immer auf deinen Vater gehört, wenn er dir gesagt hat, dass du etwas nicht tun sollst?“

Verwirrt runzelte Chelsea ihre Stirn. Vaughn lag damit nicht falsch. Auch sie hat Geheimnisse vor ihrem Vater und Sachen getan, die für sie verboten waren, aber darum ging es ihr gerade nicht.

„Das ist es nicht, Vaughn, was mich beschäftigt, bzw. woran ich gedacht habe.“, antwortete sie, wobei sie ihr Gesicht von ihm abwand.

„Was ist es dann?“, hakte Vaughn nach und zog sie näher zu sich heran, sodass Chelsea seinen Herzschlag spüren konnte.

 

Dieser stetige Takt beruhigte sie und gab ihr den Mut, ihre Gedanken laut zu äußern.

„Du bist mir wichtig, Vaughn. Von allen Menschen auf dieser Welt, die ich kenne und gern hab, mag ich dich am meisten. Und dich zu verlieren, egal aus welchem Grund, das könnte ich niemals ertragen. Nein, das kann ich nicht ertragen.“

 

Wenn es noch möglich war, drückte Vaughn seine Freundin noch enger an sich heran, dabei unterbrachen sie nicht ihren Spaziergang. Vaughn freute sich und war absolut glücklich diese Worte zu hören. Er spürte, dass es wichtig für ihn war, dass er solche Worte hörte. Gerade dann, wenn sie sich auch an ihn richteten. Wie so oft in den letzten Tagen und Wochen, fragte er sich, was mit ihm geschehen war, dass er diese junge Frau so sehr mochte, und dass alles was sie tat oder sagte, ihm nicht egal war. Es war ihm sogar wichtig zu wissen, was sie über ihn dachte, dass sie…

 

Unfähig seine wirren Gedanken weiter zu spinnen, erreichten sie einen Bach, der rechts neben ihnen entlang lief. Vaughn hielt an, setzte seinen Rucksack ab und förderte eine Wasserflasche zu Tage, die er Chelsea reichte. Wortlos nahm sie diese, wobei sie die Flasche nicht öffnete. Sie wartete noch immer auf eine Antwort und fühlte, dass sie wieder den Tränen nahe war, weil er ihr noch keine gegeben hatte.

„Chelsea?“

 

Jedoch antwortete sie ihm nicht. Demonstrativ sah sie ihn enttäuscht an und wäre am liebsten wieder zurück gegangen, was eine dumme Idee gewesen wäre. Denn ohne Vaughn, würde sie hier nicht wieder wegkommen.

Während Vaughn, Chelsea so verletzt und enttäuscht sah, wusste er auch den Grund dafür. Sie hatte ihm ehrlich und offen gesagt, was sie für ihn empfand und er…er war zu feige eine genauso aufrichtige Antwort darauf zu erwidern. In diesem Moment hasste sich Vaughn dafür, aber er wusste nur zu gut, dass er die Worte, die Chelsea vermutlich hören wollte, jetzt noch  nicht sagen konnte. Dafür war es noch zu früh, auch wenn er ziemlich genau wusste, wie sein Innerstes um sie bestellt war. Doch Worte, die zu früh ausgesprochen werden, die auch noch von tiefen und innigen Gefühlen begleitet werden, können auch zerstören. Er hatte es schon einmal erlebt. Bevor er dieses Wagnis einging, wollte er noch etwas warten, bis Chelsea auch bereit war, die Wahrheit zu erfahren und wirklich zu begreifen.

 

„Chelsea.“ Vaughn hatte sich neben sie gesetzt und einen Arm um ihre Schultern gelegt. „Chelsea, hör mir bitte ganz genau zu. Ich möchte dir so vieles sagen, wozu ich momentan einfach noch nicht in der Lage bin. Ich freue mich über deine Worte, sie bedeuten mir sehr viel. Allerdings musst du wissen, dass ich nichts überstürzen will und lieber einfach nur soviel Zeit wie möglich mit dir verbringen möchte. Was ich dir sagen kann, ist das, dass ich dich von allen Menschen auf der Welt, auch am meisten mag. Den ganzen Tag warte ich sehnsüchtig darauf, Feierabend zu haben, nach Hause zu gehen und dich in Ruhe anrufen zu können, nur um deine Stimme zu hören. Dann kann ich sagen, dass ich einen schönen Tag gehabt habe, auch wenn wir uns nicht gesehen haben. Und wenn du mich anlächelst, ist es das bezauberndste, was ich jemals zuvor gesehen habe.“

 

Es kostete Vaughn ein hohes Maß an Überwindung, Chelsea dies alles zu gestehen, dass er dabei leicht errötete. Dennoch zwang er sich Chelsea direkt anzusehen, die langsam ihren Kopf anhob, um ihm ebenfalls ins Gesicht blicken zu können, denn auch ihre Wangen waren deutlich sichtbar gerötet.

„Danke.“

 

Danach lehnte sie sich überaus zufrieden an Vaughns Schulter und nahm sich vor sich in Geduld zu üben bis er bereit dazu war, ihr das zu offenbaren, was sie am sehnlichsten hören wollte. Damit sie es, ihm ebenfalls sagen konnte.

 

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Ihr Weg am Bach war nicht mehr sonderlich lang. Beide lachten, nachdem sie sich ausgesprochen hatten, viel und redeten über Dinge, die ihnen gerade durch den Kopf gingen. Hin und wieder erblickten sie ein Kaninchen, das so schnell wieder verschwand, wie es kurz zuvor aufgetaucht war. Chelsea gefiel die Ruhe des Waldes und Vaughn freute sich, dass es ihr gut ging und sie ausgelassen reden und lachen konnte, denn er hörte ihr gerne zu.

 

Am Ende bat Vaughn Chelsea eindringlich darum leise zu sein und keinen Mucks mehr von sich zu geben. Einige Meter schlichen sie, so gut es ging, lautlos vorwärts, ehe Chelsea den Grund dafür vor sich sehen konnte. Weiter abseits von ihnen deutete Vaughn auf eine Stelle zwischen einem dichten Blätterdach am Boden des Waldes. Unter einem Baum an den Wurzeln befanden sich ringsherum Büsche, die sehr vernetzt aneinander standen. Doch an einer Stelle, konnte man klar erkennen, dass es eine winzige Öffnung gab. An dieser Öffnung raschalte es, als sich das Paar sicherheitshalber hinter einem Baum versteckte, um das Wild dahinter nicht zu verscheuchen.

 

Man siehe da, keine Minute später, lugte der Kopf eines Rehs hervor und spähte seine Umgebung aus. Es lauschte, ob sich jemand oder etwas Unbekanntes in der Nähe aufhielt, um sicher aus seinem Versteck hervortreten zu können. Es war ein weibliches Reh, das sich vergewisserte, dass niemand da war, der ihnen schaden konnte. Chelsea war entzückt, und wollte etwas sagen, als ihr Vaughn zuflüsterte noch zu warten und weiter hinzuschauen. Nach dem Reh kam ein weiteres Tier aus dem Busch hervor. Dieses war noch ganz klein und wirkte ziemlich wackelig auf den Beinen, aber es hatte dieselbe Statur und das Aussehen wie seine Mutter, die ihren Schützling nicht aus den Augen ließ.

 

Es war ein herrliches Bild. Noch nie zuvor hatte Chelsea etwas Schöneres gesehen. Ein Wunder der Natur. Sie war anwesend und konnte es mit eigenen Augen sehen. Vor Glück und Freude lief ihr eine Träne über das Gesicht, die sie leise wegwischte. So rührend war die Szene vor ihr, wie die Mutter das kleine Kitz immer wieder vorsichtig an stupste, um es zum Gehen zu animieren.

 

Chelsea und Vaughn blieben solange hinterm Baum, wie das kleine Kitz mit seiner Mutter in Sichtweite blieb. Als sie verschwunden waren, versicherte Chelsea Vaughn, dass es das wunderbarste war, was sie jemals zuvor in ihrem Leben gesehen hatte und sie dankte ihm, dass er es ihr ermöglicht hatte.

Ablenkung und Eifersucht

Kapitel 33

Ablenkung und Eifersucht

 

 

Seit dem Vorkommnis in der Bibliothek hatte Elliot ein wachsames Auge auf seine jüngere Schwester geworfen. Sehr zu Nathalies Missfallen. Allerdings wurde Elliot seine Vermutung nicht los, die er seit dem Tag gegenüber Lana geäußert hatte. Natürlich wusste er, dass er keinerlei Beweise für seine Behauptung hatte, aber sein ungutes Gefühl sorgte dafür, dass die Zweifel diesbezüglich blieben.

 

Folglich konnte Nathalie kaum noch einen unbeobachteten Schritt tun, ohne dass ihr Bruder ihr auf den Fersen war. Sie hatte versucht ihn zur Rede zu stellen, bekam aber eine unbefriedigende Antwort, die sie sehr an sich selbst erinnerte. Denn genauso einsilbig und feindlich reagierte sie ihm immer gegenüber. Daher machte Nathalie ihrem Bruder bezüglich seiner ungenügenden Antworten keinen Vorwurf, was sie sehr verwunderte, jedoch für sein penetrantes Bewachen. Keine Erklärung konnte sie für dessen Verhalten finden. Dabei kam sie nicht im Entferntesten auf den Gedanken, dass Elliot möglicherweise eine Ahnung ihrer heimlichen Aktivitäten haben könnte. Nathalie war zu selbstsicher und hielt sich für sehr schlau, was das betraf, als das ihr jemand auf die Schliche kommen könnte. Das Einzige, was sie ärgerte, war, das sie ihre regelmäßigen Treffen in letzter Zeit nicht mehr so oft wahrnehmen konnte. Ihr Bruder beobachtete sie, weswegen sie hoffte, dass es sich ändern würde, sobald Elliot seine neue Stelle in der Bank angetreten hatte.

 

Nathalie behielt recht. Das war die einzige Tatsache, die Elliot störte, weil er endlich die Wahrheit über seine Schwester herausfinden wollte. Bedauerlicherweise konnte er seine beruflichen Pflichten nicht vernachlässigen, gerade dann, wenn er eine neue Arbeitsstelle vor kurzem aufgenommen hatte.

Doch Elliot hoffte, da auch die Schule für Nathalie wieder begann, dass sie ebenfalls kaum Zeit finden würde, öfter heimlich aus dem Fenster zu steigen, was ihn ein wenig beruhigte.

 

Jedoch konnte Elliot nicht wissen, dass dieses Hindernis für Nathalie nicht von Bedeutung war. Sie ahnte, dass ihr Bruder keine Ruhe geben würde und hatte sich eine neue Strategie für ihre Verabredungen ausgedacht.

 

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Elliots erster Arbeitstag sorgte dafür, dass er für einige Stunden seine Befürchtungen zu Nathalies Doppelleben vergessen konnte. Er lernte viele neue Kollegen kennen, die alle einen freundlichen Eindruck bei ihm hinterließen und er bemerkte im Laufe des Tages, dass er diese Routine aus seiner Ausbildung vermisst hatte. Für die ersten Wochen war er für den Service Schalter eingeteilt wurden, um erstmal die Kommunikation zu den Kunden zu fördern. Aufgrund der verschiedenen Gespräche, die er den Tag über führen musste, hatte er bis zum Feierabend kein einziges Mal an seine Schwester denken müssen.

Es fiel ihm auch nicht ein, als er erschöpft im Bus saß oder als er beim Bummel durch die Stadt auf Lana und Chelsea traf, die direkt vor seinen Augen in ein Schuhgeschäft gingen.

 

„An was für Schuhe hast du denn gedacht?“, fragte Lana und nahm wahllos das nächst beste Paar Schuhe aus dem Regal, um es sich genauer anzusehen.

„Weißt du, ich bin mir nicht ganz sicher. Es müssen welche sein, die zu den Kleidern passen, die ich mir eben gekauft habe.“, antwortete Chelsea und ging ziellos durch die Regalreihen. „Braun stand mir schon immer gut, aber bloß nicht mit viel Absatz. Immerhin möchte ich darin noch laufen können.“

„Das verstehe ich. Außerdem wären Highheels eher was für Nathalie.“

„Was wäre eher was für meine Schwester?“, fragte eine Stimme direkt hinter den Mädchen, die abrupt erschrocken zusammenfuhren.

„Mein Gott, Elliot!“, fuhr Lana ihn aufgebracht an. „Wie kannst du uns nur so einen Schrecken einjagen?“

„Tut mir leid, aber ich konnte der Versuchung einfach nicht wiederstehen. Hallo, Chelsea. Wir haben uns länger nicht gesehen.“

„Hallo, Elliot. Lana hat erzählt, dass du heute deinen ersten Arbeitstag hattest. Wie war es denn?“

 

„Oh, ganz gut. Die Kollegen sind nett, soweit ich es beurteilen kann. Ich denke, es wird mir dort gefallen.“

„Das ist schön. In deinem Anzug siehst du auch wie ein richtiger Bankangestellter aus.“, äußerte Lana freudig ihre Gedanken.

„Danke, dass muss schließlich so sein.“

 

Auf Elliots Gesicht hatte sich eine leichte Röte gebildet, die Chelsea nicht entging. Sogar in Lanas Verhalten nahm sie eine veränderte Haltung wahr. Ihre Stimme klang sanfter und ihr Blick war leicht gesenkt, als sie erneut das Wort an Elliot richtete.

 

„Bist du auch auf der Suche nach neuen Schuhen? Brauchst du einen Rat von uns Frauen?“

„Nein, eigentlich nicht. Ich habe euch zufällig gesehen und bin euch spontan hinterher.“, antwortete er, wobei er es vermied Lana direkt anzusehen. „Schon komisch, dass wir uns immer in der Stadt treffen.“

„Ja, das ist es, aber ich freue mich jedes Mal darüber.“, gab Lana schüchtern zu und nahm schnell ein neues Paar Schuhe in die Hand, damit es nicht zu sehr auffiel.

 

Chelsea ahnte, was sich zwischen den beiden anbahnen musste und wäre am liebsten gegangen, um die zwei alleine zu lassen. Auf keinen Fall wollte sie dabei stören und überlegte, wie sie es am besten anstellen könnte. Doch in ihren Überlegungen kam sie nicht sehr weit, denn Lana fiel in diesem Moment wieder ein, dass Chelsea noch da war und wandte sich wieder ihrer Freundin zu.

 

„Also, Chelsea, hast du schon etwas Passendes gefunden?“

„Wie? Öhm…Nein, leider noch nicht.“

„Dann lass uns das nächste Regal absuchen. Vielleicht findest du dort welche.“

„Was dagegen, wenn ich mich euch anschließe?“, fragte Elliot unvermittelt, weswegen Lana bloß ein knappes Nicken zustande brachte.

 

Doch auch im nächsten Regal und ihm darauffolgenden fand Chelsea nichts, was sie ansprechend fand und beschloss ein andermal wieder zu kommen. Selbst Elliots Äußerungen konnten sie zu keinem Kauf von einigen Schuhen überreden, denn jedes Mal war er  mit seinen Gedanken ganz woanders und suchte ständig den Blickkontakt zu Lana, weshalb er als wertvoller Ratgeber ausfiel. Chelsea musste darüber innerlich lachen und hoffte für ihre Freundin nur das Beste.

 

Als sie wieder auf der Straße waren, lud Elliot die Mädchen noch auf ein Eis ein. Chelsea versuchte sich von den beiden zu lösen, damit sie alleine sein konnten, doch Lana bestand darauf, dass sie ihnen noch Gesellschaft leisten sollte. Demnach blieb ihr keine andere Wahl.

Obwohl Elliot das Zusammensein mit Lana und Chelsea genoss, wäre er viel lieber mit Lana alleine gewesen. Er hatte das dringende Bedürfnis sie näher kennenlernen zu wollen. In diesem Augenblick hätte er sie gerne um ein Date gebeten, wenn sie alleine wären.

 

Chelsea fühlte, dass sie im Grunde genommen fehl am Platz war und dachte nebenbei häufiger an Vaughn und wie schön es wäre, wenn er ebenfalls dabei sein könnte. Die Blicke, die sich Lana und Elliot heimlich zuwarfen, erinnerten sie an ihr gemeinsames erstes Date, welches sie mit Vaughn gehabt hatte. Es kam ihr wie eine halbe Ewigkeit vor, solange schien es schon her zu sein. Dabei waren seitdem kaum drei Wochen vergangen, soviel war inzwischen geschehen, dass sie es noch kaum glauben konnte.

 

„Chelsea? Hey, Erde an Chelsea!“

„Was?“

„Ich kann mir schon vorstellen, wo du mit deinen Gedanken gewesen bist.“, lachte Lana und zwinkerte ihrer Freundin zu.

„Wie? Ach, nun, du weißt schon.“, verlegen fasste sich Chelsea an ihrem Kopf und zog ihren Zopf nach vorne über die Schulter.

 

„Würdet ihr mich bitte aufklären.“, bat Elliot, der zwischen Lana und Chelsea neugierig hin und her sah.

„Es ist so, Chelsea hat seit kurzem einen Freund. Vaughn heißt er. Er arbeitet bei Mirabelle in der Tierpension.“, klärte Lana ihn auf.

„Ach so. Das ist doch toll, Chelsea. Das freut mich für dich.“

„D-danke, Elliot.“

 

Lange blieben sie nicht mehr im Cafe, was Chelsea nur recht war. Denn die letzten Minuten wurde nur über sie und Vaughn gesprochen, was ihr sehr unangenehm war. Sie war mal wieder so in Gedanken versunken, dass sie eine Kante am Boden übersah und über sie stolperte. Zum Glück war Elliot so geistesgegenwärtig und fing Chelsea noch rechtzeitig auf. Reflexartig klammerte sie sich an Elliots Arm und bedankte sich bei ihm, als eine weitere Person plötzlich auf sie zutrat und alles andere als erfreut über dieses Bild war.

 

„Danke, Elliot. Meine Gedanken waren gerade ganz woanders.“, entschuldigte sich Chelsea bei ihrem Begleiter, der sie sicher aufgefangen hatte.

„Kein Problem. Zum Glück war ich ja da.“

„Also wirklich, Chelsea. Mach doch deine Augen richtig auf.“, tadelte Lana ihre Freundin und konnte  sich ein Kopfschütteln nicht verkneifen.

„Jetzt ärger sie doch nicht, Lana.“, wandte sich Elliot zu dem blonden Mädchen um. „Es ist ja alles gut gegangen.“

 

„Und WER bist du?“, fragte plötzlich eine ärgerliche Stimme, die wenige Meter vor den dreien aufgetaucht war. Es war kein anderer als Vaughn, der nicht erfreut darüber war Zeuge davon zu werden, das jemand anders seine Freundin im Arm hielt. Zugleich machte sich auch Chelsea davon los und lief nichtsahnend auf Vaughn zu.

 

„Vaughn! Schön, dass wir uns über dem Weg laufen.“ Glücklich fiel sie ihm in die Arme, wobei sie ihre Einkaufstüten achtlos auf dem Boden fallen ließ.

„Geht es dir gut, Chelsea?“, hakte Vaughn besorgt nach.

„Ja, mir geht es gut. Ich habe nicht richtig auf den Boden geachtet. Elliot hat mich noch rechtzeitig aufgefangen, bevor ich hingefallen bin.“

„So? Elliot ist das?“

 

Neugierig schaute sich Vaughn den jungen Mann in seinem feinen Anzug an. Chelsea hatte ihm schon einiges über ihn erzählt. Allerdings hatte sie mit keinem Wort erwähnt, dass er optisch gut aussah und eine äußerst gepflegte Erscheinung hatte. Er hatte viel eher noch mit einem halben Kind gerechnet und nicht mit einem erwachsenen Mann, der einen soliden Eindruck machte. Außerdem, und das war die alle entscheidende Frage, warum war Chelsea mit ihm unterwegs?

 

„Hallo. Du bist also Vaughn. Ich bin Elliot.“, stellte er sich höflich vor, wozu er zusätzlich seine Hand ausstreckte.

„Was willst du von, Chelsea?“, fragte Vaughn angriffslustig nach, der keine Anstalten machte seinen Gruß zu erwidern.

„Wie bitte?“, wollte der junge Mann verwundert wissen.

 

Auch Chelsea erhob ihren Kopf und sah ihren Freund irritiert an. „Vaughn, ist alles okay?“ Als Antwort verstärkte Vaughn seinen Arm, der um ihre Taille gelegt war, sodass sie enger an ihn gedrückt wurde. Dabei ließ er seinen gegenüber mit keiner Sekunde aus den Augen. Inzwischen ahnte Elliot, dass Vaughn etwas missverstanden hatte und versuchte die Situation klar zu stellen.

 

„Schon gut. Ich bin den jungen Damen rein zufällig über den gelaufen. Ich hatte keine bösen Absichten im Sinn.“

„Genau, Vaughn.“, redete Chelsea vernünftig auf ihren Freund ein. „Lana und ich waren Shoppen und haben Elliot dann getroffen.“

„Lana?“, fragte Vaughn erstaunt. „Lana ist bei euch?“

 

„Bin ich denn so unsichtbar?“ Beleidigt trat Lana hinter Elliot hervor und warf Vaughn einen giftigen Blick zu. „Ich kann verstehen, dass dir Chelsea wichtiger ist, als sonst jemand von uns, aber dass du so blind vor Liebe wirst.“

„Wie bitte?“

Mehr als beschämt lief Vaughn an wie eine überreife Tomate. Er löste Chelsea aus seiner Umarmung und wandte sich von den anderen ab, damit sie sein Gesicht nicht weiter erkennen konnten. „Aber, Vaughn. Lana macht doch bloß Witze. Sag es ihm, Lana!“, forderte Chelsea ihre Freundin auf, die sich lachend den Bauch hielt. Dabei hatte sie sich links an der Hauswand gestützt, um ihren Halt nicht zu verlieren.

 

„Lana, ich denke, das reicht.“, mischte sich nun auch Elliot ein, der erkannte, dass Vaughn die ganze Situation ziemlich peinlich war.

„Okay, tut mir Leid, aber es ist einfach zu witzig.“

 

„Ihr könnt mich mal!“, rief Vaughn daraufhin aus und ging in die andere Richtung davon. Chelsea lief ihm eilig hinterher.

 

„Vaughn! Vaughn, warte doch! Lana meint es doch nicht böse.“

„Was hast du mit ihnen zusammen gemacht?“, fuhr er Chelsea brüsk an, obwohl es nicht seine Absicht gewesen war. Er wusste, dass sie nichts dafür konnte, aber er konnte den Anblick nicht so schnell vergessen, den sie mit Elliot dargeboten hatte.

„Nun hör mal! Ich sagte doch schon, dass Lana und ich nach der Schule Einkaufen waren. Das wir einen Freund dabei treffen, ist doch noch lange kein Verbrechen.“, herrschte sie ihn an, da sie Vaughns Verhalten nicht nachvollziehen konnte. Außerdem hatte er noch lange nicht das Recht, sie so wütend anzuschreien, und das auf offener Straße.

 

Verstummt und brummig wandte er den Blick von Chelsea ab. Natürlich war ihm bewusst, dass er ihr Unrecht tat. Schließlich hatte sie nichts getan. Trotzdem, ein anderer hatte sie angefasst und das konnte er nicht so einfach hinnehmen.

 

„Warum bist du gestolpert? Konntest du nicht besser aufpassen?“

„Was ist nur mit dir los? So kenne ich dich gar nicht. Was ist denn schon dabei, dass ich etwas ungeschickt beim Gehen war?  Das passiert doch jedem Mal.“, verteidigte sich Chelsea aufgebracht.

„Das stimmt schon, aber kannst du dann wenigstens dafür sorgen, dass du dann nicht in die Arme von jemand anderen fällst?“

„Wie?“

 

In diesem Moment dämmerte es Chelsea, warum Vaughn so feindselig gegenüber Elliot gewesen war und warum er sich so seltsam benahm. Je mehr es ihr bewusst wurde, desto mehr musste sie schmunzeln.

 

„Was gibt es darüber zu lachen?“, wollte auch Vaughn sofort wissen und trat einen Schritt näher auf Chelsea zu. „Worüber grinst du?“

„Über dich.“, antwortete sie ihm kichernd.

„Über mich? Wieso?“

„Weil du so lustig bist, wenn du dich aufregst.“

„Inwiefern ist das komisch?“

 

„Nun ja, es ist irgendwie süß, wenn du eifersüchtig bist.“

„Wie??? Ich und eifersüchtig?“

 

Damit wurde es auch ihm klar, wie idiotisch er sich aufgeführt hatte und bereute es auf der Stelle wieder. Es war nun wirklich kein Verbrechen, dass Elliot Chelsea lediglich aufgefangen hatte, damit sie nicht hinfiel. Normalerweise hätte er ihm dafür danken müssen. Jedoch war etwas in ihm kurzzeitig ausgesetzt, als er Chelsea mit ihm zusammen sah. Flüchtig hatte er an die Sache im Wald denken müssen. Automatisch war er in Abwehrhaltung gegangen, um seine Chelsea vor weiterem Schaden zu beschützen. Dummerweise war es hier fehl am Platz gewesen. Elliot hatte es nur gut gemeint und er wiederum hatte jeden von ihnen wütend angefahren, sogar Chelsea.

 

„Es tut mir Leid, Chelsea.“, entschuldigte er sich bei seiner Freundin und sah sie flehentlich an.

„Schon gut, Vaughn. Deswegen kann ich dir doch nicht böse sein.“

 

Ein zweites Mal ließ sich Chelsea in Vaughns Arme sinken, der sie nur zu gerne darin einschloss.

„Ich verspreche dir beim nächsten Mal, frage ich, bevor ich so aufbrausend reagiere.“

„In Ordnung. Elliot ist wirklich ein netter Kerl. Bestimmt wirst du das genauso sehen.“

 

Zwar gefiel es ihm auch dieses Mal nicht, dass Chelsea so begeistert von ihm sprach, aber er unterdrückte seine Eifersucht, so gut er konnte, um nicht einen neuen Streit mit ihr anzufangen.

Während sie so eng umschlungen da standen, kamen Lana und Elliot zögernd auf sie zu und brachten Chelsea ihre Einkaufstüten.

 

„Hier, Chelsea. In der Eile hast du sie liegen gelassen.“, sagte Lana und überreichte ihrer Freundin die Tüten.

„Oh! Danke, Lana. Die hatte ich wirklich vergessen.“

„Ich entschuldige mich bei dir, Vaughn. Ich wollte dich nicht aufziehen. Im Gegenteil ich finde es rührend, wie besorgt du um Chelsea warst.“

„Öhm, ja, ist schon gut, Lana.“, wehrte Vaughn ab, dem es immer noch ganz schön peinlich war, wie er sich den beiden gegenüber benommen hatte.

 

„Sorry, Elliot. Ich hatte da etwas falsch verstanden.“

„Kein Problem, Vaughn. Wahrscheinlich, hätte ich genauso reagiert, wenn ich du gewesen wäre.“

 

Somit waren alle Missverständnisse geklärt und die beiden Männer reichten sich gegenseitig die Hände. Die vier trennten sich, indem Vaughn darauf bestand, Chelsea nach Hause zu fahren und Elliot nutzte die Gelegenheit, um Lana nach Hause zu begleiten.

 

Im Auto kamen Chelsea und Vaughn erneut auf Elliot zu sprechen. „Elliot ist doch Nathalies Bruder, nicht wahr?“, hakte Vaughn nach.

„Ja. Ich glaube, er ist drei oder vier Jahre älter. So genau, weiß ich das jetzt nicht.“

„Irgendwie komisch. Er macht einen ganz anderen Eindruck, als seine Schwester.“

„Das stimmt. Schon immer waren beide sehr verschieden gewesen. Nathalie war nie so ernst wie Elliot, der ein richtiger Streber war. Er war der beste in seinem Jahrgang gewesen. Dementsprechend, wurde Nathalie häufig mit ihm verglichen, was ihr sehr gegen den Strich ging.“

„Das kann ich mir vorstellen.“, erwiderte Vaughn und lenkte seinen Wagen nach links.

 

„Vaughn? Ist wirklich wieder alles in Ordnung?“

„Mach dir keine Sorgen, Chelsea. Ich hatte etwas überreagiert, als ich dich mit ihm zusammen gesehen hatte. Dabei musste ich an…“

Doch Vaughn beendete seinen Satz nicht. Es war auch nicht nötig, denn Chelsea hatte ihn auch schon so verstanden.

 

„Ich werde dich beschützen, Chelsea.“, flüsterte Vaughn nach einer Weile hörbar und Chelsea wusste, dass er es ernst damit meinte.

 

 

 

Andreas Zorn

Kapitel 34

Andreas Zorn

 

 

Regen prasselte auf die trockene Erde. Dankbar nahm das restliche grün der Natur den kostbaren Regen auf und versuchte der näher kommenden Kälte noch etwas standzuhalten. Obwohl die Natur sich im Klaren darüber war, dass es nicht mehr lange möglich sein würde. Dennoch hatte der stetige Regen etwas Friedliches. Diese immer wiederkehrende gleiche Sache konnte den Leuten viel Trost spenden, aber auch einige in triste Stimmung verfallen lassen.

 

Andreas starrte nun seit über einer Stunde aus dem Fenster und versuchte sich an dem Anblick, der sich ihm draußen bot, zu erfreuen. Immerhin tat es seinem Ackerland durchaus gut, wenn er die Bewässerungsanlage nicht anschalten musste. Allerdings gelang es ihm nicht. Aus einem unerklärlichen Grund fühlte er sich an jenem Tag sehr traurig und sehr einsam. Ihm fehlte seine Frau, die an solchen Tagen die Sonne für ihn gewesen war, sodass der heftige Regen ihn noch tiefer in seinem tristen Gemüt erschüttern konnte. Leider war seine Frau nicht mehr am Leben und er fragte sich wie so oft, in solch schwermütigen Stunden, warum ihm das Schicksal das Liebste nehmen musste, was er gehabt hatte. Sie war alles für ihn gewesen, sowohl eine gute Freundin, Ehefrau und Hausfrau, als auch eine einfühlsame Mutter. Das größte Glück in seinem Leben war, dass sie ihn geheiratet hatte und ihm zwei wunderbare Kinder geschenkt hatte. Wie gerne hätte er Chelsea und Mark zusammen mit ihr groß gezogen. Doch es war nicht mehr zu ändern.

 

Inzwischen war Mark erwachsen geworden, ging studieren und bereitete sich mit vollem Ehrgeiz auf sein späteres Erbe vor, den Betrieb eines Tages zu übernehmen. Andreas konnte gar nicht stolzer auf seinen Sohn sein, als in diesem Augenblick, wenn er an die gesicherte Zukunft seines Betriebes dachte.

Chelsea entwickelte sich immer mehr zu einer hübschen jungen Frau mit viel Verantwortungsgefühl, die zusammen mit Mark den Hof erhalten würde. Er war sich sicher, dass er sich auf seine Kinder verlassen konnte.

 

Trotzdem bereitete ihm seine Tochter seit einiger Zeit Sorgen. Sie benahm sich anders als sonst. Andreas spürte, dass sie ihm etwas verheimlichte, und dass ihn diese Tatsache störte. Jedoch brachte ihn sein Grübeln darüber nicht weiter. Anscheinend musste er Chelsea direkt fragen, was sie immer häufiger in andere Gedanken abtauchen ließ. Kein richtiges Gespräch war mit ihr möglich gewesen, seitdem Mark auf seinem Lehrgang war. Gerade dadurch wurde ihm bewusster, dass er mit Chelsea nicht mehr richtig gesprochen hatte, denn ansonsten war immer Mark anwesend gewesen, weswegen ihm Chelseas ausweichende Art nicht sonderlich aufgefallen war.

 

Schwerfällig erhob sich Andreas von seinem Stuhl und begab sich in den ersten Stock des Hauses, wo sich sämtliche Privaträume der Familie befanden. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen und versuchte wohlüberlegte Worte zurechtzulegen, mit denen er das Gespräch mit seiner Tochter führen wollte.

 

An ihrer Tür angekommen, nahm er einen letzten tiefen Atemzug und wollte gerade anklopfen, als er Chelseas Lachen von innen hören konnte. Spontan hielt Andreas in seiner Bewegung inne und lauschte, obwohl es gegen seine Natur war, an der Tür zu Chelseas Zimmer.

 

„Jetzt hör aber auf! Übertreib es mal nicht!“, lachte Chelsea in ihr Handy und wischte sich die Tränen aus ihrem Gesicht.

„Ich wusste gar nicht, dass du so witzig sein kannst.“

Empört, schnaubte Vaughn in sein Handy. „Was soll das heißen? Traust du mir das etwa nicht zu?“

 

„Nun ja, solange gehen wir nun auch wieder nicht miteinander.“, antwortete Chelsea in einem liebevolleren Ton und kuschelte sich verliebt in ihr Kopfkissen. Dabei spielte sie gedankenverloren mit einer von ihren Haarsträhnen, die sie sich um ihren Finger wickelte.

„Stimmt auch wieder.“, sagte Vaughn nach einigen Sekunden und hätte am liebsten sofort Chelseas Gesicht gesehen.

„Es bleibt doch dabei, mit morgen?“

„Ja. Ich werde garantiert kommen.“

„Gut. Ich warte auf dich und Chelsea, bis morgen!“

„Bis morgen, Vaughn.“

 

Kaum hatte Chelsea den Anruf beendet, als ihre Tür abrupt aufgestoßen wurde und ein ziemlich wütender Vater ins Zimmer kam. Erschrocken richtete sich Chelsea auf und starrte ihren Vater entgeistert an.

 

„Vater, was…?“

„ICH stelle hier die Fragen!“, polterte Andreas drauflos, sodass seine Tochter vor Furcht leicht zitterte. So aufgebracht, hatte sie ihn noch nie erlebt.

„Mit WEM hast du eben telefoniert?“

„Mit Julia.“, hauchte Chelsea leise. Sie sah darin ihre Chance, in der Hoffnung, dass ihr Vater nicht herausfinden würde, mit wem sie in Wirklichkeit telefoniert hatte. Doch, ein rascher Blick in sein verzerrtes Gesicht belehrte sie eines Besseren.

 

„Wie kannst du es wagen, MICH so frech ins Gesicht anzulügen? Ich kann mich NICHT daran erinnern, dich so erzogen zu haben.“

„Aber, Vater, ich…“

„Wie lange geht DAS schon so?“, unterbrach er seine Tochter. Hastig lief er vor ihrem Bett auf und ab und ließ seine Tochter für keine Sekunde aus den Augen.

„Was meinst du?“

„Das weißt du ganz genau! Wie lange triffst du dich bereits mit diesem VAUGHN?“

 

Das letzte Wort schleuderte er seiner Tochter voller Verachtung entgegen. Chelsea entging es nicht. Sie hatte geahnt, dass ihr Vater nicht gut auf Vaughn zu sprechen sein würde, weswegen sie ihm bisher noch nichts von ihm erzählt hatte. Die jetzige Situation ließen ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Verzweifelt fing Chelsea an zu weinen und krallte sich mit ihren Händen in ihr Bettlaken. Entschlossen sah sie ihrem Vater direkt ins Gesicht, als sie die nächsten Worte an ihm richtete.

 

„Seit den Herbstferien.“

„So lange schon? WIE kommst du überhaupt dazu? Mit SO EINEM Kerl, der unhöflicher nicht sein.“

„Er ist NICHT unhöflich! Im Gegenteil, er ist nett und gut…“

„NETT und GUT? Chelsea, ich will nicht dass du dich weiterhin mit IHM triffst. Hast du MICH verstanden? Ich VERBIETE dir jeglichen Kontakt mit diesem Taugenichts!“, sprach Andreas entschieden und schaute seine Tochter eindringlich an.

 

„Bitte, Vater, lerne ihn doch erstmal besser kennen. Vaughn ist kein schlechter Mensch. Er hat mich…“

„Ich will nicht wissen, was er mit dir getan hat! Seine Gefühle sind niemals echt, Chelsea. Er nutzt dich garantiert aus. Solche Typen haben doch nichts anderes im Kopf, als unschuldige Mädchen zu verführen, und dass lasse ich nicht zu. Nicht mit meiner einzigen Tochter. Du bist noch zu jung, um sowas richtig beurteilen zu können. Glaube mir, das wird das Beste für dich sein, wenn du ihn nie wieder sehen wirst.“

„Woher willst du das wissen? Das ist ungerecht. Vaughn ist auf keinen Fall so.“

„Chelsea, jetzt sei vernünftig, und tu gefälligst das, was ich dir sage. Ich meine, es doch nur gut mit dir. Ich muss dich doch beschützen.“

„NEIN! Du weißt überhaupt nicht, was gut für mich ist und was nicht! DU kennst mich doch gar nicht. Ich BIN NICHT, wie Mutter, die denselben Traum mit dir teilte. Ich HASSE es hier!“

 

Nach diesen Worten lief Chelsea eilig aus ihrem Zimmer und ließ ihren zur Säule erstarrten Vater zurück. Fassungslos sah er seiner Tochter hinterher und versuchte zu begreifen, was sie zu ihm gesagt hatte und auch, was er alles zu ihr gesagt hatte. Unkontrolliert hatte er sie angeschrien und noch nicht einmal den Versuch unternommen, die Erklärungen seiner Tochter anzuhören, geschweige denn, sein Temperament zu zügeln.

Konnte es möglich sein, dass er sich so gewaltig in seiner Tochter geirrt hatte? All die Jahre war er davon ausgegangen, dass es ihr auf dem Hof gefiel, und dass sie mit Freuden den Betrieb mit ihrem Bruder gemeinsam leiten würde. Denn so hätte er seine Familie immer beisammen gehabt. Außerdem hätte er in Ruhe bei seinen Kindern alt werden können, hätte ebenfalls miterlebt, wie sie selber heiraten und Kinder kriegen würden. Eine gesicherte Zukunft für noch unzählige Jahre, welches sein ganzer Stolz haben würde. Das Überleben seines Betriebes, was er mit seinen eigenen Händen aufgebaut hatte.

 

Heftig mit sich selber ringend, versuchte Andreas sich zu beruhigen bevor er seiner Tochter nachlief, um dieses katastrophale Gespräch in eine vernünftige Richtung zu lenken. Wenn es denn noch, zu retten war.

 

 

Chelsea rannte in den nächstgelegenen Pferdestall und ließ sich hinter der Tür auf den Boden fallen. Mit angewinkelten Knien und verschränkten Armen weinte sie hemmungslos und wünschte, dass ihr Bruder in diesem Moment bei ihr wäre, um sie zu trösten. Warum hatte sie auch nicht ihr Handy mitgenommen? Dann hätte sie jetzt mit ihm telefonieren können. Bestimmt hätte er sie beruhigen können.

Unter diesen Umständen wollte Chelsea nicht so schnell wieder zurück in ihr Zimmer. Sie verstand ihren Vater nicht, der sie grundlos angeschrien hatte, obwohl sie nichts Schlimmes getan hatte. Das einzige, was ihr widerfahren war, das sie sich verliebt hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie verliebt und glücklich dabei gewesen. Bei Vaughn fand sie Trost und Geborgenheit, sie spürte, dass sie an seiner Seite richtig war, und dass sie da auch hingehörte.

 

Mittendrin in ihren Gedanken, hörte Chelsea plötzlich Schritte näher kommen. Kurz vor ihr kamen die Füße zum Stehen. Langsam, hob sie ihren Kopf und konnte nicht glauben, wen sie nun vor sich hatte.

 

„Hallo, Chelsea. Na, warum denn so traurig? Freust du dich denn nicht, mich wiederzusehen?“

 

Ein Alptraum. Was anderes konnte es nicht sein. Chelsea fühlte sich in einen ihrer schlimmsten Alpträume gefangen, aus dem sie nicht wieder aufwachen konnte. Denny stand unmittelbar vor ihr und grinste sie diabolisch an.

 

„Was machst du hier?“, fragte Chelsea und erhob sich vom Boden.

„Ich arbeite hier.“

„Arbeiten? Wieso?“ Irritiert sah sie, ihren Gegenüber an, und versuchte ihre wackeligen Knie zu stabilisieren, damit sie mehr Halt haben konnte.

„Davon weißt du nichts? Ihr brauchtet doch eine Aushilfe und die bin ich. Seit einer Woche.“

 

Mit jeder Sekunde wurde Chelsea schwindeliger. Ihre Umgebung begann sich zu drehen. Die schrecklichen Bilder von ihrer letzten Begegnung gingen ihr durch den Kopf und raubten ihr jeglichen Wiederstand. Nur mir großer Anstrengung schaffte sie es, sich auf den Beinen zu halten.

 

„Mein Vater hat dich eingestellt?“, fragte sie völlig perplex nach.

„Stimmt genau. Doch jetzt entschuldige mich, ich  muss arbeiten.“

„Du verschwindest auf der Stelle von hier!“, fand Chelsea ihren Mut wieder und schaute Denny entschlossen in die Augen.

 

Allerdings war er so schnell, das Chelsea nicht sofort mitbekam, dass sie erneut von ihm mit dem Rücken an die Wand gedrückt wurde und Denny ihre Hände fest hielt, sodass sich Chelsea wieder nicht wehren konnte.

„Sag das noch mal und sehe mir dabei tief in die Augen.“

 

Denny kam ihrem Gesicht so nahe, dass nur noch wenige Millimeter zwischen ihnen waren. Panik überfiel Chelsea. Sie wusste nicht, wie sie sich ihm zur Wehr setzen sollte und wünschte sich nichts sehnlicher als Vaughn herbei, der sie aus dieser misslichen Lage befreien konnte.

 

„Was denn, haben wir etwa Angst? Du bist wohl doch nicht so mutig, wenn dein Freund nicht bei dir ist.“, flüstere Denny ganz nahe an Chelseas Ohr. „Weißt du, Chelsea, was du und dein Freund mir angetan habt, dafür werdet ihr büßen. Niemand legt sich ungestraft mit mir an und kommt dann noch so einfach davon. Ich bin mir absolut sicher, dass wir beide noch jede Menge Spaß miteinander haben werden, aber glaube ja nicht, dass ich dich dabei verschonen werde.“

 

Chelsea wich jede Farbe aus dem Gesicht. Als sie sich hinterher versuchte, an diese Begegnung zu erinnern, wusste sie nicht mehr, ob Denny freiwillig von ihr abgelassen hatte, oder ob es die Rufe ihres Vaters waren, die sie fürs Erste aus dieser misslichen Lage befreit  hatten.

Nachdem Andreas seine Tochter völlig verängstigt im Stall vorfand, schob er es auf das vorangegangene Gespräch, welches sie geführt hatten. Daher verstand er nicht im Geringsten, als Chelsea wie ein Wasserfall auf ihn einredete, um ihm mitzuteilen, dass er Denny sofort entlassen sollte.

 

„Glaub mir, Vater. Er ist ein mieser Kerl, der nichts Gutes im Schilde führt. Du darfst ihm nicht trauen.“

„Chelsea, wovon redest du? Denny hilft uns bloß einige Wochen auf dem Hof. Jetzt, wo dein Bruder noch weg ist, kann ich ihn nicht wieder gehen lassen.“

„Vater, du kennst ihn nicht! Bitte!“

„Ehrlich gesagt, Chelsea,“, seufzte Andreas und sah seiner Tochter traurig in die Augen, „ich weiß momentan gar nicht, ob ich dir noch, meiner eigenen Tochter, vertrauen kann.“

Die Flucht

Kapitel 35

Die Flucht

 

 

Nachdem Vaughn sein Telefonat mit Chelsea beendet hatte, musste er im Anschluss daran erstmal seufzen. Schon während des Gesprächs hatte er sich immer wieder vorgestellt, dass sie in Wirklichkeit bei ihm gewesen wäre, anstatt über so eine weite Distanz zu telefonieren. Natürlich war ihm klar, dass sie nicht pausenlos zusammen sein konnten, aber eigentlich wünschte er sich nichts anderes. Er wollte seine Chelsea Tag und Nacht bei sich haben und sie ununterbrochen in seinen Armen halten. Ihre zarte Haut streicheln, ihren femininen Duft einatmen, sie küssen und …

 

Wohin wanderten denn nun schon wieder seine Gedanken? Wenn es um Chelsea geht, war nichts mehr so, wie es vorher gewesen war. Sein Leben hatte sich komplett geändert. Von jetzt an war Chelsea diejenige, die am wichtigsten für ihn war und die er unter keinen Umständen verlieren wollte. Das einzige, was er drohte zu verlieren, war höchstens seine Zurechnungsfähigkeit, die zwischendurch gewaltig aussetzte, wenn er an sie denken musste. Ein Blick in Richtung seiner Hose machte ihm wieder deutlich, wie intensiv er wieder an sie gedacht hatte. Also sprang Vaughn hastig unter die Dusche und weigerte sich eisern, das Wasser auf warm umzustellen. Ansonsten wäre er die Beule, die sich ganz eindeutig unter seiner Jeans entwickelt hatte, niemals wieder losgeworden.

 

Eins war sicher, er musste einen klaren Kopf bewahren, um nicht vollends den Verstand deswegen einzubüßen. Außerdem wollte er unter gar keinen Umständen, Chelsea zu etwas drängen, wofür sie vermutlich noch nicht bereit war. Zwar hatten sie noch nie darüber gesprochen, aber für ihn war diese Tatsache naheliegend. Immerhin hatte er ihr Bild von damals im Wald immer noch nicht vergessen können.

Und so ein Monster wollte er garantiert nicht sein.

 

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Der junge Mann verbrachte den Abend größtenteils vor dem Fernseher und aß eine italienische Nudelsuppe aus der Dose. Vaughns Kochkünste waren im geringen Maße vorhanden, dass es sich überhaupt nicht lohnte diese zu erwähnen. Er war nie großartig darauf angewiesen gewesen und zeigte auch keinerlei Interesse daran es irgendwann einmal zu lernen. Außerdem, in der heutigen Zeit war es sowieso eher zweitrangig geworden. In den Supermärkten gab es Fertiggerichte zum Warm machen und das genügte ihm vollkommen.

 

Er war so in den Film vertieft, dass er gewaltig zusammenzuckte, als es mit einem Mal an seiner Tür klingelte. Ein Blick auf seine Uhr ließ ihn lautstark fluchen.

Wer zum Teufel geht um 23 Uhr noch jemanden unangekündigt besuchen? Vaughn war fest entschlossen, den nächtlichen Störfaktor, der sich unmittelbar vor seiner Tür befand eine gehörige Strafpredigt zu halten. Brummend betätigte er die Lautsprecheranlage und verstummte augenblicklich als er zu seiner Überraschung Chelseas Stimme vernahm. Wie in Trance drückte er den Türsummer und Chelsea konnte erleichtert ins Treppenhaus eintreten.

Eilig stieg sie die Treppen empor und fiel Vaughn abrupt in die Arme, der sie verständnislos in den Armen hielt.

 

Kaum hatte sich das junge Mädchen an ihren Freund geschmiegt, musste sie unweigerlich anfangen zu weinen. Der Abend hatte viel von ihren Nerven abverlangt und nun konnte sie endlich ihrer Trauer, Wut und Enttäuschung freien Lauf lassen.

 

„Um Himmels willen, Chelsea! Was ist denn geschehen?“, fragte Vaughn besorgt und zog Chelsea in seine Wohnung, wo er sie direkt zum Sofa führte. Schweigend nahm er ihre volle Tasche und stellte diese erstmal in eine Ecke.

Allerdings dauerte es bis sich Chelsea einigermaßen wieder beruhigt hatte. Sie brabbelte zusammenhanglose Wörter bei denen Vaughn Schwierigkeiten hatte, diese überhaupt zu verstehen. Außerdem ergaben sie keinerlei Sinn. Er vernahm den Namen ihres Vaters, etwas von einem neuen Angestellten, doch als er den Namen Denny hörte, begann er sich instinktiv zu verkrampfen und schloss seine aufgelöste Chelsea nur noch enger in seine Arme.

Beruhigend strich er ihr über den Rücken, streichelte ihr Gesicht und küsste sie zwischendurch auf ihre Stirn. Irgendwann hörte sie auf zu weinen und sie sah sich in der Lage Vaughn alles genau zu erzählen, was sich die letzten Stunden ereignet hatte.

 

Vaughn ließ Chelsea ausreden ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen, wobei er sich mächtig beherrschen musste, als sie zu dem Teil mit Denny kam und das er sie bedroht hatte. Unbewusst ballte er die Fäuste und konnte auch für Andreas kein Verständnis aufbringen. Warum glaubte er seiner eigenen Tochter nicht? Konnte man so engstirnig sein?

 

„Ich wusste nicht, was ich tun sollte.“, berichtete Chelsea zu Ende und stand erneut den Tränen nahe. „Das einzige, was ich wusste, dass ich nicht länger zu Hause bleiben konnte, wo auch er ist.“

„Du hast das richtige getan.“, antwortete Vaughn und gab ihr einen langen und liebevollen Kuss. „Unter keinen Umständen hätte ich gewollt oder mit angesehen, wie du dort länger wohnen bleibst, während er ebenfalls anwesend ist. So nah bei dir. Es tut mir Leid mit deinem Vater, Chelsea. Du kannst solange hierbleiben, wie es nötig ist.“

Insgeheim dachte er, dass sie von jetzt an für immer bei ihm bleiben sollte, wo sie garantiert in Sicherheit war.

 

„Danke. Das hatte ich gehofft. Ansonsten wäre mir noch Julia eingefallen, aber ich wollte viel lieber bei dir sein.“

„Das ist kein Problem, Chelsea. Außerdem hätte ich es gewollt, dass du an erster Stelle zu mir kommst.“

Zur Bestätigung seiner Worte küsste er sie erneut, doch dieses Mal war es ein langer und inniger Kuss, indem Vaughn seine sämtlichen Gefühle für Chelsea lag. Halt suchend, krallte sich Chelsea an ihm fest und wollte ihn nie wieder loslassen. Ihre Gefühle füreinander steigerten sich, von  Sekunde zu Sekunde. Mitten drin hob Vaughn Chelsea auf seinen Stoß und zog sie ganz nah zu sich heran. Ihre Emotionen fuhren Achterbahn und vergaßen dabei sogar den Grund, der sie zu diesem Moment geführt hatte.

 

Zum ersten Mal forderte Vaughn Einlass mit seiner Zunge in Chelseas Mund. Bereitwillig öffnete sie sich ihm mit dem Ziel ihm alles zu geben, was er wollte und gleichzeitig alles von ihm zu nehmen. Ungestüm fuhr sie ihm durchs Haar, wollte ihn schmecken und überall an ihrem Körper fühlen. Sie begann zu zittern. Einerseits aus Neugierde und Verlangen, aber auch aus Unsicherheit. Gerade dieser Aspekt sorgte dafür, dass sie sich ein wenig zurückzog.

 

„Alles in Ordnung, Chelsea?“, flüsterte Vaughn in ihr Ohr, da er spürte, dass sie sich verkrampfte. Zu seinem Bedauern, stellte er fest. Doch seine Chelsea war ihm zu wichtig, dass er ihre Veränderung nicht einfach ignorieren konnte und erst recht nicht ihre verzweifelte  Situation ausnutzen wollte.

„Ja…ich…“, murmelte das junge Mädchen sehr verlegen.

„Mach dir keine Gedanken, Chelsea.“, sprach Vaughn weiter, streichelte ihr sanft über die Wange und sorgte zugleich dafür, dass sie ihn wieder ansehen musste.

„Es ist alles gut. Du bist sicher müde. Du wirst in meinem  Bett schlafen, während ich das Sofa im Wohnzimmer nehme und…“

„Aber, das musst du nicht.“, fiel Chelsea ihm ins Wort. „Wenn es dir nichts ausmacht, dann…dann können wir doch zusammen…also…einfach nebeneinander…“

 

Weiter kam Chelsea nicht, denn Vaughn hatte ein weiteres Mal ihre Lippen mit seinen versiegelt.

„Es macht mir nichts aus, wenn es für dich okay ist.“

Daraufhin nickte Chelsea. Sie wusste auch nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Vaughn hatte Recht. Sie war hundemüde und wollte nun nichts anderes mehr als Ins Bett. Zwar schlug ihr Herz wie wild, wenn sie daran dachte, dass sie mit Vaughn in seinem Bett schlafen würde. Jedoch war Vaughn ihr einziger Gedanke gewesen, an dem sie gedacht hatte, als sie sich dazu entschlossen hatte von zu Hause abzuhauen.

 

Nachdem Vaughn sie ins Schlafzimmer geführt hatte, war Chelsea ihrer Verzweiflung wieder so nahe, dass sie sich wieder an Vaughns Hemd krallte.

„Vaughn, was soll ich denn jetzt tun?“

Chelsea weinte nicht mehr, doch in ihrer Stimme lag so viel Trauer und Schmerz, dass es ihr schwerfiel sich überhaupt noch auf den Beinen zu halten. Träge Müdigkeit überbefiel sie, sodass sie kaum noch ihre Augenlider offen halten konnte.

Beschützend wiegte Vaughn sie in seinen Armen.

„Mach dir darüber heute keine Gedanken mehr. Morgen ist Sonntag. Du kannst ausschlafen und dann sehen wir gemeinsam weiter.“

 

Er küsste sie auf die Stirn, hob sie entschlossen hoch und legte sie behutsam aufs Bett. Chelsea bekam nicht mehr viel mit. Vaughn zog ihre Sweatshirtjacke und Socken aus, nach kurzem Zögern ebenfalls ihre Hose, wobei er es vermied allzu lange ihre schlanken Beine zu bewundern.

Nachdem auch er sich bis auf die Unterwäsche entkleidet hatte, legte er sich vorsichtig neben sie und deckte sie beide zu. Bereits halb schlafend, schmiegte sich Chelsea sofort an ihm und ließ sich von ihm umarmen. Mit dem nächsten Atemzug war sie schnell ins Reich der Träume gefallen.

Vaughn wartete bis ihr Atem regelmäßig und ruhig war. Erst dann, schloss auch er seine Augen. Allerdings dauerte es, bis auch er eingeschlafen war. In Gedanken ging er noch einmal Chelseas Erzählung durch und spürte erneut seinen Hass gegenüber Denny aufsteigen. Er schwor sich, es ihm bei passender Gelegenheit heimzuzahlen und Chelsea noch aktiver zu beschützen.

Der Morgen danach

Kapitel 36

Der Morgen danach

 

 

Ironischerweise schien am nächsten Tag die Sonne. Als ob der gewaltige Sturm, der am Vortag noch getobt hatte, nun vorüber war, obwohl er viel Leid in einige Häuser gebracht hatte.

Vaughn stand für seine Verhältnisse sehr früh auf und versuchte sich mucksmäuschenstill aus dem Bett zu schleichen. Normalerweise wäre er nur zu gerne neben seiner Chelsea liegen geblieben und hätte ihr beim Schlafen zugesehen. Zu seinem Leidwesen hatte bereits die letzte Nacht eine enorme Willensstärke von ihm abverlangt. Chelsea konnte alles andere als ruhig schlafen und hatte sich relativ oft unter der Bettdecke bewegt, sodass Vaughn gezwungen war, den Abstand zwischen den beiden zu vergrößern. Allerdings war dies nur begrenzt möglich, denn Chelsea suchte regelmäßig seine körperliche Nähe, wodurch der junge Mann häufiger Chelseas Knie an einer für ihn unpassenden Stelle gefühlt hatte.

Seiner Fantasie war somit keine Grenze gesetzt und er hätte sich am Liebsten von seinem Leiden erlöst, aber er konnte seine Chelsea nicht alleine lassen und hielt tapfer diese qualvolle Tortur bis zum nächsten Morgen durch.

Zwar konnte er selber keinen erholsamen Schlaf finden, aber stattdessen Chelsea, die in den letzten drei Stunden wie ein kleines Kind selig schlief.

 

Vaughns erste Anlaufstelle war die Küche, in der er die Kaffeemaschine bediente. Mit wirren Haaren und müden Augen sah er der braunen Flüssigkeit zu, wie diese langsam durch den Filter in die Kanne tropfte. Er hoffte, dass dieses heilige Getränk wieder neue Lebensgeister in ihm wecken würde, ansonsten befürchtete er, würde er diesen Tag nicht überleben. Zumal seine Gedanken ständig zu Chelseas weicher Haut wanderten.

Er war sich noch nicht sicher, wie es jetzt weitergehen sollte. Für ihn war absolut klar, dass Chelsea bei ihm bleiben sollte, solange dieser Denny auf Andreas Betrieb arbeitete und eine größere unmittelbare Gefahr für sie darstellte. In einem war er sich sicher, dass er seine angefangene Tat zu Ende bringen wollte, koste es was es wolle. Doch das, würde er unter keinen Umständen zulassen. Nie wieder sollte dieser Perverse seiner Freundin zu nahe kommen und ihr Leid zufügen.

 

Am einfachsten wäre es, wenn Chelsea und er, ihrem Vater alles beichten würden, doch dann würde auch Mark mithineingezogen werden und Chelsea wollte ihren Bruder nicht verraten, der indirekt dafür gesorgt hatte, dass es zu diesem fatalen Treffen gekommen war.

Vaughn glaubte, dass Andreas eine ebenso große Wut auf seinen Sohn als auch auf Denny haben würde, sollte er die Wahrheit erfahren. Denn seine Tochter bedeutete ihm alles. Diese Tatsache sah sogar ein blinder mit einem Krückstock. Außerdem konnte sich Vaughn noch allzu gut an ein Gespräch mit Mirabelle erinnern, welches sie beide über Andreas geführt hatten.

 

 

„Ist dieser Andreas schon lange Stammkunde bei dir, Mirabelle?“

„Ja. Er war es, der mich auf diese Idee gebracht hatte, Bestellungen für die Landwirte entgegen zu nehmen und hinterher auszuliefern. Dadurch konnte ich meinen Laden, und noch viel wichtiger meine Tiere retten.“

„Ich verstehe, aber irgendwie komisch ist er schon.“

„Wie meinst du das?“, hakte Mirabelle neugierig, aber freundlich nach.

„Naja, wie soll ich es sagen. Im Grunde geht es mich auch nichts an, aber er wirkt auf mich so, als würde er alles gerne kontrollieren wollen.“

„Mhm. So Unrecht hast du damit nicht, Vaughn. Nichtsdestotrotz ist Andreas ein netter Mensch und ein liebevoller Vater. Er kümmert sich rührend um seine Kinder, besonders um seine Tochter, Chelsea. Sie hast du doch schon gesehen, oder? Als sie Julia besuchen war?“

„Ja, das Mädchen mit den braunen Haaren.“, antwortete Vaughn und hoffte, dass die Unterhaltung bald beendet sein würde. Denn auf Andreas Familie wollte er gar nicht zu sprechen kommen.

„Genau, Chelsea. Was für ein liebes und hübsches Mädchen sie doch geworden ist. Du musst wissen, dass Andreas seine Frau vor sechzehn Jahren verloren hatte. Sie starb kurz nach Chelseas Geburt. Armes Mädchen, sie hat ihre Mutter nie kennen gelernt, ist ihr aber wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend.“

Für einen Moment hing Mirabelle wehmütig einer Erinnerung mit Chelseas Mutter nach, ehe sie weitersprach.

„Deswegen Vaughn, darfst du Andreas nicht so ernst nehmen. Er hat einen massiven Verlust erlitten, weswegen er wahnsinnig an seinen Kindern hängt. Sie bedeuten ihm alles. Immerhin sind die beiden die einzigen, die ihm von seiner Frau geblieben sind.“

 

 

Zu dieser Zeit war Vaughn gerade neu in die Nachbarschaft, bzw. in diese Stadt gezogen. Er hatte eine Internetanzeige gelesen, in der Mirabelle für ihre Tierpension einen neuen Angestellten suchte. Kurzerhand hatte er seine Bewerbungsunterlagen zu ihr geschickt und bereits nach drei Tagen einen Vorstellungstermin bekommen. In diesem Gespräch wurden die üblichen Fragen gestellt, die Vaughn teilweise mit Ungeduld beantwortete. Er hatte es noch nie leiden können, wenn zu viel nach privaten Dingen gefragt wurde, doch bei dieser Art von Gespräch war er darauf gefasst gewesen und antwortete stets höflich. Seine Mühe wurde auch belohnt. Mirabelle war mit ihm zufrieden und auch er selber war von diesem Gespräch positiv überrascht. Bei seinem letzten Vorstellungsgespräch verlangte sein Gegenüber ein Führungszeugnis, was dafür gesorgt hatte, dass er zum zweiten Gespräch nicht mehr erschienen war.

Vaughn war keineswegs naiv und wusste, sobald jemand von seiner Vergangenheit erfuhr, würde er so schnell keine Anstellung mehr finden. Deswegen sorgte er dafür, dass er niemanden zu nahe kam, der ein größeres Interesse an ihm zeigen könnte. Dasselbe galt natürlich auch andersrum. Auch er wollte keinen Menschen näher kennenlernen und viel lieber allein sein.

 

Nachdem er Andreas das erste Mal begegnet war, konnte er ihn nicht sonderlich leiden. Andreas Gebaren, wie er redete und seine Mitmenschen ansah, rief in ihm Abneigung hervor und den Wunsch mit diesem Mann niemals privat zu tun zu haben. Vaughn war schon immer sehr stolz darauf gewesen,  dass er berufliches und privates trennen konnte. Aus diesen Grund hatte er, solange es um die Arbeit ging, mit Andreas keine Probleme gehabt.

 

Später erfuhr er, dass er einen Sohn und eine Tochter hatte. Nach wie vor ging es Vaughn selbstverständlich nichts an, aber nachdem er Chelsea zwangsläufig durch Julia kennengelernt hatte, konnte er nicht verhindern, dass dieses Mädchen unweigerlich in seinen Gedanken auftauchte. Sie suchte ihn regelrecht heim und ließ ihn, seit jenem Schrecken in der Nacht in der Tierpension, keine ruhige Minute mehr.

 

Er ertappte sich bei dem Versuch mit ihrem Vater ins Gespräch kommen zu wollen, als er dazu eingeteilt war, im Laden die Nachmittagsschicht zu übernehmen. Andreas tauchte auf und wollte wie üblich eine Bestellung aufgeben. Doch Chelseas Vater blieb eher kalt und abweisend, was deutlich zeigte, dass er von Vaughn nicht viel hielt. Natürlich gab sich Vaughn daraufhin keine Mühe mehr Andreas in ein höfliches Gespräch zu verwickeln, was er im Nachhinein betrachtet sowieso ziemlich albern und unnötig fand. Danach hoffte er, dass er Chelsea schnell wieder aus seinen Gedanken vertreiben könnte, jedoch ohne Erfolg. Sie blieb, wo sie war und stahl sich sogar noch tiefer in seine Gedanken und in seine Empfindungen für sie, die von Tag zu Tag größer wurden.

 

Der Kaffee war bereits fertig  und er schenkte sich eine große Tasse davon ein. Als er so darüber nachdachte, war es ihm nach wie vor noch ein Rätsel, wie er es zulassen konnte, näher mit Chelsea in Verbindung zu treten und mit ihr zusammen zu kommen. Auf der anderen Seite musste er darüber schmunzeln, denn dieses Glück, was er durch sie erfahren hatte, würde er für nichts auf der Welt eintauschen wollen. Mit Sicherheit wäre es für ihn viel leichter, wenn er den Kontakt zu Chelsea beenden würde und somit alle Probleme los, aber dann wäre er nichts anderes als ein Feigling und ein Zurück kam für ihn schon lange nicht mehr in Frage. Dafür war er schon zu tief in diese Sache verstrickt.

Außerdem wollte er seine Chelsea glücklich sehen. Er hoffte nur, dass dabei nichts aus seiner Vergangenheit ans Licht kommen würde.

 

Nachdem Vaughn seine erste Tasse Kaffee geleert hatte, füllte er diese wieder auf und überlegte, was er für sich und Chelsea zum Frühstück machen könnte. Allerdings besaß er nichts anderes außer Brot, Butter, Marmelade und jeweils eine Sorte Wurst und Käse,  wodurch sich weitere Überlegungen erledigt hatten. Zudem war Sonntag und er wusste nicht, wo in der Nähe ein Bäcker war, der geöffnet hatte. Um solche Details hatte er sich bisher noch nicht gekümmert. Sonntags schlief er sonst immer bis Mittag, dass es dieses Mal nicht so sein würde, damit hatte er nicht gerechnet.

 

Chelsea erwischte Vaughn dabei, wie er in der Küche auf und ab lief und sich noch etwas verschlafen über die Augen rieb. Leise verharrte sie am Türrahmen und beobachtete ihren Freund, der augenscheinlich dabei war, das Frühstück für sie beide vorzubereiten. Dabei hörte sie, wie er undeutlich vor sich hinmurmelte und konnte ein Grinsen nicht mehr unterdrücken.

 

Als sie wach wurde, war sie erstaunt gewesen, dass sie keine Hose mehr anhatte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie sich selber ausgezogen hatte und kam zu dem Schluss, dass es Vaughn gewesen sein musste, damit sie angenehmer im  Bett liegen konnte. Zuerst war ihr diese Tatsache peinlich, dass Vaughn sie in ihrer Unterwäsche gesehen hatte, da sie sich aber nicht vorstellen konnte, dass er ihre Situation ausgenutzt hatte, empfand sie eine noch größere Zuneigung und Liebe ihm gegenüber, dass es ihr nicht mehr so viel ausmachte.

Also stand sie auf, kramte ihre Jogginghose aus ihrer Tasche hervor, zog sie rasch an und ging zu Vaughn, den sie in der Küche hantieren gehört hatte.

 

Noch eine Weile sah sie ihm zu, als sie entschlossen auf ihn zuging und ihm von hinten ihre Arme um den Leib legen wollte.

Vaughn, der darauf nicht gefasst war, ließ vor Schreck den Teller und das Marmeladenglas aus seinen Händen fallen, die mit einem lauten Klirren auf dem Boden direkt zu seinen nackten Füßen aufschlugen.

 

„Ups! Entschuldige, Vaughn. Das wollte ich nicht.“ Chelsea zog schnell ihre Arme zurück und hielt sie sich erschrocken vor ihrem Mund. Sie wollte sich gerade nach den Scherben bücken, als Vaughn sie blitzartig am ausgestreckten Arm packte.

„Nicht! Lass sie liegen, ich kümmere ich darum.“

„Aber, du hast keine Schuhe an. Es ist meine Schuld, dass hier jetzt Scherben liegen, also werde ich sie aufheben.“, beteuerte Chelsea und konnte das aufgeregte Schlagen ihres Herzens nicht unterdrücken, welches der Anblick von Vaughns verschlafenem Gesicht hervorgehoben hatte.

„Nein, das ist wirklich nicht nötig. Bitte, Chelsea, setz dich hin.“

„Aber ich, ich will dir helfen.“

 

Chelseas flehender Anblick war zu viel für den jungen Mann. Mit einem knappen Nicken gab er seine Zustimmung und beide räumten gemeinsam die Scherben vom Boden auf. Dabei war Chelsea sorgfältig darauf bedacht, dass Vaughn in keine der Scherben ausversehen trat.

„Tut mir Leid.“, entschuldigte sich das junge Mädchen ein letztes Mal. „Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich vorher an die Tür geklopft hätte oder ich hätte was gesagt, anstatt mich leise an dich heran zu schleichen.“

„Ich sagte dir doch schon, dass es nicht so schlimm ist. Es ist das erste Mal, dass ich zum Frühstück nicht alleine bin. Daran muss ich mich erstmal gewöhnen.“, grinste Vaughn und streichelte ihr sanft über die Wange.

„Das heißt…ähm, es ist okay für dich, wenn ich einige Tage bei dir bleibe?“, fragte sie vorsichtig nach und konnte ihre Hoffnung in dieser Frage nicht verbergen.

„Ja, das geht in Ordnung. Das habe ich dir doch gestern Abend schon gesagt. Ich freue  mich, dass du hier bist.“

Mit diesen Worten gab er seiner Freundin einen zarten Kuss auf die Stirn.

 

„Danke, du bist wirklich der beste.“, flüsterte Chelsea an Vaughns warmer Brust.

„Es wird alles wieder gut werden, Chelsea. Doch jetzt lass uns frühstücken. Allerdings, ich habe nicht so viel da. Dummerweise kommt die Marmelade auch nicht mehr in Frage, aber verhungern werden wir bestimmt nicht.“, gab Vaughn verlegen zu.

„Kein Problem. Ich esse eigentlich alles.“

 

Somit setzten sich beide an den Tisch und Vaughn nahm sich erleichtert eine weitere Tasse Kaffee.

„Chelsea, was ich dich gestern Abend schon fragen wollte, weiß dein Vater, dass du hier bist?“

Chelsea hatte gewusst, dass diese Frage kommen würde, und dennoch fühlte sie sich nicht so gefasst drauf, wie sie gedacht hatte.

„Nein. Ich habe einen Zettel auf meinem Schreibtisch hinterlassen.“

 

Vaughn hakte nicht weiter nach. Er wusste, dass diese Entscheidung Chelsea nicht leicht gefallen war. In ihren Augen konnte er sehen, wie sehr enttäuscht sie von sich selber war, dass sie dies ihrem Vater angetan hatte. Jedoch, hatte sie keinen anderen Ausweg aus dieser Lage gesehen. Ihr Vater war unwahrscheinlich stur und nicht bereit dazu gewesen, vernünftig mir ihr darüber zu reden, geschweige denn ihr richtig zuzuhören. Daher konnte Vaughn sie verstehen.

Leider, wusste er ebenfalls noch nicht wie es weitergehen sollte, doch er würde auf jeden Fall versuchen, selber mit Andreas über Denny zu reden. Viel Hoffnung bei diesem Unternehmen hegte er allerdings nicht.

 

„Wenn du telefonieren willst, kannst du es jederzeit tun. Vielleicht mit Julia oder den anderen.“, bot ihr Vaughn an und bestrich sich eine Scheibe Brot mit Butter.

„Ja, danke. Ich denke, das werde ich nachher tun.“

„Lass dir Zeit, Ich werde dich nicht bedrängen. Ach, und Chelsea, fühle dich wie zu Hause. Du brauchst wegen nichts zu fragen.“

„Okay, danke Vaughn.“

 

Für beide wurde es ein harmonisches Frühstück ohne weitere Vorkomnisse.

Zerrissenes Familienglück

Kapitel 37

Zerrissenes Familienglück

 

 

Andreas hatte eine unruhige Nacht hinter sich. Weit nach Mitternacht fand er ein wenig Schlaf und dieser war weitaus schlimmer, als wenn er wach geblieben wäre. Die merkwürdigsten Bilder waren in seinen Träumen aufgetaucht und raubten ihm die letzte Chance auf die restlich verbliebende Erholung.

Um fünf Uhr stand er gerädert auf und zog sich mechanisch an. Sein Tagesablauf war in den letzten Jahren immer derselbe geblieben. Er kannte seine Routine und sein Körper verrichtete diese automatisch. Dieses Beständige spendete ihm Trost, denn es war ihm vertraut. Veränderungen konnte Andreas eigentlich noch nie leiden. Für ihn war Ordnung und permanente Kontrolle das wichtigste. Sowohl mit seinen Pflichten auf seinem Betrieb, als auch in seiner Erziehung.

 

Der morgendliche Kontrollgang brachte keine Überraschungen. Alles war wie immer. Seit dem Tod seiner Frau war ihm das Vertraute und Unveränderliche ein ständiger wiederkehrender Trost, der ihm neue Kraft und Hoffnung schenkte. Zudem bestätigte es ihm in seiner Annahme, zumindest war er davon überzeugt, dass er richtig handelte und sämtlichen Abweichungen oder Fehltritten vorbeugen konnte.

Ja, Andreas liebte seinen Betrieb, seine Kinder und seine gesamte Existenz. Er hatte wahnsinniges Glück gehabt, sagte er sich immer wieder,  dass seine Kinder sein Familienerbe weiterführen würden. Folglich würde alles bestehen bleiben, wie es jetzt war. In seinem  zukünftigen Ruhestand würde er zufrieden und stolz zurückblicken können und es als Segen empfinden, dass er zwei wunderbare Kinder geschenkt bekommen hatte, die sein Werk fortführen würden.

 

Die einzigen Änderungen, die zwangsläufig kommen werden,  die ihn aber keineswegs abschreckten, waren der andauernde technische Fortschritt, dass er sehr begrüßte, denn sein Betrieb würde ebenfalls davon profitieren, dessen war er sich ganz sicher.

Zweitens, würden garantiert,  sowohl Mark als auch Chelsea, irgendwann einen geeigneten Lebenspartner finden und hoffentlich eine eigene Familie gründen. Er sehnte sich nach Enkelkindern und konnte es kaum noch erwarten, bis es endlich soweit sein würde.

Andreas liebte Kinder und würde sie nur zu gerne verwöhnen und sie um sich haben wollen.

Natürlich setzte er in seiner Vorstellung voraus, dass die Familie weiterhin auf dem Hof leben würde. Eine große glückliche Familie, die gemeinsam Hand in Hand arbeiten wird.

 

Demnach war es für ihn auch so ein gewaltiger Schock, dass seine Tochter allem Anschein nach etwas mit diesem Vaughn hatte. Obwohl er inzwischen häufiger mit Vaughn zu tun gehabt hatte, konnte er seine Meinung über ihn nicht ändern. Er fand ihn immer noch unhöflich,  arrogant, wortkarg und irgendwie, passte er nicht in diese Stadt, an diesen Ort, den er gern hatte. Mirabelle schwört, dass er sich bezüglich Vaughn irrte, doch Andreas ließ sich nicht davon abbringen, seine Abneigung ihm gegenüber zu behalten.

Außerdem, wenn es nach ihm ginge, wäre ein fester Freund für Chelsea noch zu früh. Weiß Gott, was ihr alles passieren könnte, wenn sie an einem selbstsüchtigen Bengel geraten würde oder dergleichen. Im Laufe seines Lebens hatte er schon die wildesten Geschichten über Jugendliche gehört, die leichtsinnig miteinander schliefen ohne entsprechende Vorkehrungen zu treffen, die eine Schwangerschaft verhinderten.

Selbstverständlich waren seine Kinder aufgeklärt. Trotzdem wünschte er seiner Chelsea nicht ein ähnliches Schicksal, wie vielen anderen Mädchen in ihrem Alter.

 

Nachdem Andreas seinen Rundgang beendet hatte, fiel ihm nicht sofort auf, dass etwas an diesem Sonntagmorgen anders war. Ausnahmsweise hatte er sich dieses Mal mehr Zeit gelassen, um alles zu kontrollieren – zum Teil hatte auch seine Müdigkeit dafür gesorgt, dass er länger brauchte als sonst – weswegen ihm erst nach einigen Sekunden auffiel, dass etwas, besser gesagt jemand,  in der Küche fehlte. Chelsea.

 

Ihm war bewusst, dass Sonntag war, aber dass seine Tochter noch nicht in der Küche war, machte ihn stutzig. Immer, wenn er über den Hof gelaufen war und am Ende in der Küche ankam, stand Chelsea vor ihm mit einer frischen warmen Tasse Kaffee. In diesem Moment fehlte dieses duftende Aroma und auch Chelsea.

Er sah, dass die Kaffeemaschine nicht angerührt wurden war und überlegte, ob er wohlmöglich zu streng mit seiner Tochter am Vorabend gewesen war. Mit aufkeimenden Selbstvorwürfen entschloss er, erstmal noch nicht zu Chelseas Zimmer zu gehen, um sein Verhalten von gestern wieder gutzumachen. Vielleicht war es das Beste, wenn sie noch Zeit für sich allein hatte, um später gemeinsam und in Ruhe über alles zu sprechen.

 

Unbeholfen setzte er nun selber den Kaffee auf, wobei er einige Flüche nicht unterdrücken konnte, da ihm ständig Kaffeepulver vom Löffel fiel. Am Ende hatte er es aber geschafft eine fertige Kanne Kaffee aufzusetzen und auch davon zu trinken. Während dessen fiel ihm ein, dass noch keine Brötchen aufgebacken waren, bzw. der ganze Tisch noch nicht gedeckt war. Über solche Dinge musste er sich schon lange keine Gedanken mehr machen. Seine Tochter war ja immer da gewesen und hatte für alles gesorgt, sodass er und auch Mark von dieser Aufgabe befreit waren.

 

In der nächsten Stunde, die verging, dachte er über all diese Sachen nach, und wie abhängig er davon war. Er setzte diese Dinge für ein harmonisches Familienleben voraus. Jeder hatte seine festen Aufgaben. Mark und er arbeiteten auf dem Hof, versorgten die Tiere, pflegten die Felder und bedienten die Maschinen. Das waren Aufgaben, die für ein Mädchen oder eine Frau oft zu schwer waren. Nebenbei hatte Chelsea auch bei den Tieren geholfen, die Ställe sauber gemacht oder die Tiere gefüttert, aber ansonsten war sie im Haus eingeteilt wurden und kümmerte sich jeden Tag um den Haushalt.

Sie war gut darin, dachte Andreas. Ihrer Mutter stand sie in nichts nach. Wahrscheinlich sorgte die Ähnlichkeit der beiden dafür, dass es für ihn selbstverständlich war, dass Chelsea überwiegend im Haus blieb, um ihre Pflichten dort zu erfüllen.

 

Hatte er damit falsch gelegen? War Chelsea mit dieser Rollenverteilung überhaupt glücklich? Andreas musste zum ersten Mal zugeben, dass er mit einer Sache nicht sicher war. Er wusste nur, dass sich Chelsea nie beklagt hatte, was aber noch lange nicht hieß, dass sie auch zufrieden damit war. Von vornherein hatte er sie nie an die schweren Maschinen gelassen, aus Sorge,  dass sie sich verletzen könnte, und dass es eben aus seiner Sicht, keine Aufgabe für ein Mädchen war. Schon immer hatte er ausschließlich männliche Azubis eingestellt. Sie sind und bleiben nun mal kräftiger, wodurch auch sichergestellt wurde, dass man sie überall einsetzen konnte. Bei Mädchen oder jungen Frauen ist das schon wieder etwas anderes.

 

Ein Blick auf die Küchenuhr verleitete Andreas doch dazu, bei Chelsea an die Tür zu klopfen, um zu fragen, ob alles in Ordnung war. Inzwischen war es fast neun Uhr geworden. Normalerweise wäre seine Tochter längst in der Küche erschienen, um zu frühstücken. Ihr langes Fernbleiben bereitete ihm allmählich Sorgen.

Er muss zu streng mit ihr gewesen sein, sagte er sich immer wieder. Eine andere Erklärung konnte er nicht finden.

 

Allerdings reagierte Chelsea auf kein Anklopfen oder auf seine Rufe. Daher trat Andreas entschieden ins Zimmer und riss verblüfft seine Augen auf. Chelseas Bett war leer. An seiner Müdigkeit konnte es nun nicht mehr liegen. Dank des Kaffees war er hell wach und das leere Bett vor ihm war gewiss keine Halluzination. Hastig überlegte er, ob Chelsea, ohne das er es bemerkt hatte, das Haus verlassen hatte, zu den Ställen rübergegangen war, oder ob sie sich irgendwo anders im Haus aufhielt, nur um ihn aus dem Weg zu gehen. Aus dem angrenzenden Bad hörte er keine Geräusche, die darauf schließen konnten, dass sich dort jemand aufhielt.

 

Noch einmal lief Andreas seinen ganzen Hof ab, um Chelsea zu suchen. Nachdem er ausschließen konnte, dass sie sich nicht außerhalb des Hauses befand, suchte er sämtliche Innenräume ab, jedoch auch hier ohne Erfolg. Panik stieg in ihm auf. Wo konnte seine Chelsea, seine über alles geliebte Tochter sein?

Erneut lief er zurück in ihr Zimmer und sah nach, ob er nicht irgendeinen Anhaltspunkt finden konnte, der verriet, wo sich Chelsea gerade aufhielt. Er entdeckte, dass ihre Schulsachen nicht an ihrem ordnungsgemäßen Platz neben ihrem Schreibtisch standen. Einer spontanen Eingebung folgend, schaute er im Badezimmer nach, ob noch sämtliche Drogerieartikel, wie Zahnbürste und so weiter vorhanden waren. Doch auch hier hatte er keinen Erfolg. Der Platzhalter unter dem Spiegel war leer. In ihrem Schrank fehlten ebenfalls einige Klamotten und ein großer Koffer war von ihrem Schrank verschwunden.

 

Ratlos setzte sich Andreas auf ihr Bett und verbarg sein Gesicht in den Händen. Mehrere Male atmete er tief ein und aus, ehe er einen verstohlenen Blick auf ihren Schreibtisch richtete.

Dort entdeckte er zusammengefaltet einen Brief, der an ihn gerichtet war. Nachdem er ihn gelesen hatte, war ihm wortlos jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen.

 

 

Vater,

 

wenn du  diese Zeilen liest, werde ich längst in der Stadt sein. Noch gestern Abend habe ich den letzten Bus genommen und bin zu Vaughn gefahren.

Es tut mir Leid, aber ich kann nicht länger auf dem Hof bleiben, während Denny hier arbeitet. Du kennst ihn nicht,  so wie ich, und ich hatte so sehr gehofft, dass du mir glauben würdest.

Du musst dir keine Sorgen machen. Das Nötigste habe ich bei mir, und ich kann dir versichern, dass ich jeden Tag zur Schule gehen werde. Außerdem bin ich bei Vaughn gut aufgehoben. Er ist kein schlechter Kerl, wie du mir weißmachen wolltest und woran du anscheinend glaubst.

 

Bitte verzeih mir, dass ich dir das antue, aber ich habe keinen anderen Ausweg gesehen. Ich werde wieder zurückkommen, doch vorerst möchte ich dich auch darum bitten, dass du mich nicht holen kommst. Ich denke, dass es so das Beste ist.

Ich werde dich bald anrufen.

 

Deine Chelsea

Leidenschaftliche Küsse

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Die Wahrheit

Kapitel 39

Die Wahrheit

 

 

Konnte das Glück eigentlich vollkommener sein, als es jetzt schon war? Den restlichen Sonntag über haben Chelsea und Vaughn nicht mehr voneinander loslassen können. Andauernd haben sie sich gegenseitig ihre Liebe gestanden und Berührungen ausgetauscht, die in der Nacht ihren nächsten Höhepunkt erreicht haben. Wohlige Schauer nahmen von Chelsea begriff und trugen sie in eine höhere unbekannte Sphäre. Und Vaughn hatte bis dahin keine Ahnung gehabt, dass er zu solchen intensiven Gefühlen überhaupt fähig war. Er dachte, er hätte schon einmal geliebt, vor langer Zeit. Jedoch war es nichts gewesen, im Vergleich zudem, was er jetzt mit Chelsea durchlebte. Es war anders. Schöner. Besser. Einfach traumhaft.

 

Am nächsten Morgen sprang Chelsea zeitig unter die Dusche, um einen klareren Kopf für den bevorstehenden Tag zu bekommen. Zu viel ging ihr durch den Kopf, an was sie denken musste, und sie jetzt nüchterner betrachtet, vor eine große Herausforderung stellte.

Als erstes würde sie Denny aufsuchen und ihm klar machen, dass er vom Hof verschwinden müsste, und zwar so schnell wie möglich. Sie wusste auch, dass sie es alleine machen muss. Sie wollte und durfte nicht mehr davon laufen. Es wurde Zeit, dass sie erwachsener wurde und nicht mehr das kleine hilflose Mädchen oder Opfer war.

 

Vaughn hatte es ihr letzte Nacht gezeigt. Sie war schon lange kein Mädchen mehr, sondern eine begehrenswerte junge Frau, die auch als solche von ihm geliebt wurde. Er hatte sie nie als Mädchen gesehen oder als kleines Kind, was noch bei ihren Eltern wohnte. Das Problem war nur gewesen, dass sie sich immer als solche gesehen hatte. Niemals wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass es anders sein könnte. Brav erledigte sie jeden Tag ihre häuslichen Pflichten und versorgte ihre Familie. Jahrelang war es für sie selbstverständlich gewesen, bis Vaughn in ihr Leben getreten war und sie sich damit mehr gewünscht hatte.

 

Das Mehr hatte sie auch bekommen, was sie noch immer nicht ganz begreifen konnte, aber sie wusste nun, dass sie auf dem richtigen Weg war, um sich am Ende auch selber zu finden. Dies konnte ihr nur an Vaughns Seite gelingen.

Hoffentlich erreichte er etwas, sobald er sich mit ihrem Vater unterhalten würde. Allerdings konnte sie ihre Zweifel daran nicht ganz vertreiben. Doch sie vertraute Vaughn und wusste, dass er sein Möglichstes tun würde.

 

Es überraschte sie auch gar nicht, dass Vaughn wie selbstverständlich ins Bad stolziert kam und sich ohne Umschweife zu ihr unter die warme Dusche gesellte. Sofort zog er ihren nackten Körper an seinen und küsste ihren verführerischen Hals, bei dem er wusste, dass es ihr den Atem raubte.

„Du hast mir einen Schrecken eingejagt. Als ich aufgewacht bin und du lagst nicht mehr neben mir.“

„Wo hätte ich denn sein sollen? Ich habe nicht vor dich jemals zu verlassen.“ Zärtlich streichelte sie ihm eine Haarsträhne aus seinem Gesicht, damit er sie besser ansehen konnte.

„Ich auch nicht. Außerdem würde ich dich daran hindern.“

„Daran habe ich keine Zweifel.“

 

Sie tauschten viele Küsse miteinander aus, bevor Vaughn auf das heikle Thema zu sprechen kam.

„Es gefällt mir nicht, dass ich nicht bei dir sein kann, wenn du ihm in der Schule über den Weg läufst.“

„Mir auch nicht, aber was soll ich sonst machen? Wegen ihm kann ich nicht einfach so der Schule fernbleiben. Außerdem soll er nicht das Gefühl bekommen, dass er über mich gewinnen wird. Ich bin stark. Das weiß ich jetzt und meine Freundinnen werden mich bestimmt nicht eine Sekunde aus den Augen lassen.“

 

Vaughn hob Chelseas Kinn an und strich mit einem Daumen sanft über diese Stelle.

„Ich wusste von Anfang an, dass du etwas Besonderes bist. Wie besonders, habe ich in den letzten Wochen mit dir herausgefunden. Gerade deswegen gefällt es mir nicht, dich alleine zu lassen. Ich bitte dich, wag nichts Unüberlegtes. Zudem glaube ich, dass ich ihm wohlmöglich auf eurem Hof begegnen werde, sobald ich deinen Vater nach der Arbeit besuchen fahre. Sollte ich ihn sehen, werde ich ihm deutlich machen, dass er von dir die Finger zu lassen hat, wenn er seine behalten will.“

„Vaughn, sei auch du bitte vorsichtig.“ Er grinste.

„Das werde ich. Du bekommst einen Zweitschlüssel für die Wohnung, damit du nicht auf mich warten musst und mir wird es dadurch besser gehen, zu wissen, dass du hier in Sicherheit bist.“

„Danke. Ich bin so froh, dass ich dich habe.“ Verliebt blickte sie Vaughn in die Augen, der ihren Blick erwiderte.

„Ich auch, Chelsea. Du ahnst gar nicht wie sehr.“

 

Ein langer Kuss folgte, dem sich weitere Zärtlichkeit anschloss.

 

+++++
 

Vor der Schule angekommen, erzählte sie ihren Freundinnen von ihrem Vorhaben, dem sie nicht ohne Weiteres zustimmten.

„Ich halte es für keine gute Idee, Chelsea.“, sprach Lana als erste von ihnen laut ihre Bedenken aus. „Denny wird die Situation garantiert ausnutzen. Eine von uns sollte dich auf jeden Fall begleiten, damit wir nicht all zu große Angst um dich haben müssen.“

„Das sehe ich genauso.“, stimmte Julia dem zu. „Bitte Chelsea, wir verstehen dich, und wir sehen, dass du heute anders aussiehst als vorher. Irgendwie…reifer. Das ist schön, aber noch lange kein Grund im Alleingang zu handeln.“

„Wenn ihr mich wirklich versteht, wie du eben gesagt hast, müsstet ihr gerade deswegen begreifen, wie wichtig das für mich ist.“, eingehend sah Chelsea ihre Freundinnen eine nach der anderen an. „Ich denke nicht, dass Denny in der Schule über mich herfallen wird. Die Gefahr, dass ihn jemand dabei erwischt, ist einfach zu groß. Das Risiko wird er nicht eingehen wollen.“

 

„Das mag sein.“, antwortete Nathalie und blickte Chelsea dennoch besorgt an. „Ich muss zugeben, dass du mich ziemlich überraschst. So ein mutiges Verhalten hätte ich dir bis vor kurzem niemals zugetraut. Vaughn muss einen positiven Einfluss auf dich haben. An dieser Stelle möchte ich mich auch dafür entschuldigen, dass ich ihn dermaßen falsch eingesetzt habe. Ihr passt wunderbar zusammen, einen besseren kann ich mir für dich nicht vorstellen. Und, keine Sorge,“, zwinkerte Nathalie ihr zu, „ich werde ihn dir bestimmt nicht wegschnappen.“

Vor Freude und Überwältigung über soviel Ehrlichkeit aus Nathalies Mund zu hören, fiel Chelsea ihrer Freundin um den Hals und küsste sie auf die Wange. Daraufhin errötete Nathalie leicht und erwiderte nach einigem Zögern die Umarmung. Ihre Rührung darüber kam so unerwartet, dass sie in Tränen ausbrach.

 

„Meine Güte, Nathalie! Was ist denn auf einmal mit dir los?“, fragte Julia ernsthaft besorgt und strich ihrer verwirrten Freundin liebevoll über die Haare.

„Ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Vielleicht habe ich alles, wirklich ALLES, aus einer verkehrten Perspektive betrachtet. Ich weiß nicht, wie ich das jemals wieder gut machen kann.“, schluchzte Nathalie und heulte an Chelseas Schulter.

„Wovon redest du?“, hakte Chelsea nach, wobei sie die Umarmung nicht löste.

„Das ich so unvernünftig, gedankenlos, treulos und richtig gemein zu euch war und zu meinem Bruder, meiner Familie. Dabei habt ihr mich nie allein gelassen. Ich war nur so blöd und egoistisch, um das richtig zu erkennen. Wie kann ich mein Verhalten je wieder gut machen? Und mein Handeln ungeschehen machen? Ihr wisst ja gar nicht, was ich alles getan habe.“

 

Hemmungslos weinte Nathalie und konnte gar nicht mehr damit aufhören. Chelsea und die anderen erkannten, dass sich ihre Freundin so schnell nicht wieder beruhigen würde und gaben mit einem Nicken untereinander zu verstehen, dass sie heute nicht in den Unterricht gehen würden. Ihre Freundin war völlig verzweifelt und brauchte sie jetzt dringend. Also, entfernten sie sich wieder vom Schultor und gingen gemeinsam, mit Nathalie in ihrer Mitte, in den nahegelegenen Park.

 

+++++
 

Entsetzen konnte nicht annähernd das beschreiben, was in den Gesichtern und Gedanken der Freundinnen vor sich ging. Regungslos starrten sie Nathalie oder einen beliebigen Punkt in weiter Ferne an und ließen ihre aufgelöste Freundin ausreden. Dabei hielten die drei sie die ganze Zeit über fest. Nathalie bemerkte das, obgleich sie ahnte, dass es ihren Freundinnen nicht gefiel, was sie ihnen gerade erzählte. Wer würde das auch?

Inzwischen verstand sie sich selber gar nicht mehr, was sie eigentlich genau zu dieser Handlung, zu diesem Plan getrieben hatte.

 

Nathalie sparte mit keinem Detail. Sie beichtete ihre Gefühle, die sie gehabt hatte, als ihr Vater sich von ihrer Mutter getrennt hatte und die zerrissene Familie allein zurück ließ, um sein Glück mit einer anderen Frau zu suchen. Wie schwer ihr das Herz damals geworden war, konnte sie nicht sagen. Es zerbrach still und heimlich und ließ eine tiefe Narbe zurück, von der sie sich bis heute noch nicht richtig erholt hatte. Dafür saß der Schmerz zu tief.

Dann die Sache mit ihrem Bruder, dass er ihr immer vorgezogen wurde. Dass sie ständig mit ihm verglichen wurde, mit dem Bewusstsein, niemals seine Leistungen toppen zu können, geschweige denn sich ihnen zu nähern. Jahrelang lebte sie in dem Glauben, dass ihre Familie einen Sündenbock gebraucht hatte, seitdem ihr Vater gegangen war. Deshalb war es für sie so schwierig geworden, zu glauben, dass sie irgendjemand liebte.

 

Durch ihre Einsamkeit angespornt und ihr Verlangen nach Geborgenheit, hatte sie schließlich vor einem Jahr den Entschluss gefasst, ins Ausland zu gehen und nie wieder zurück zu kehren. Wie falsch das war, das sah sie jetzt erst.

Um diese Reise antreten zu können, brauchte sie Geld. Ihr Taschengeld reichte von vorne bis hinten nicht, allein schon deswegen, weil es ihr regelmäßig, aufgrund ihres aufsässigen Verhaltens, gestrichen wurde. Im letzten Sommer kam ihr dann die Idee, das Geld auf erotische Weise zu verdienen. Sie war längst keine Jungfrau mehr gewesen und hatte keinerlei Hemmungen davor für fremde Männer ihre Beine breit zu machen. Mit anderen Männern das Bett zu teilen, befriedigte sie und sorgte dafür, dass sie sich weniger einsam fühlte. Dadurch bekam sie das Gefühl, begehrt zu werden und das sie jemand mal nicht kritisieren konnte, weil sie ihre Sache einfach gut machte. Etwas, worauf sie anfangs sogar stolz war.

 

„Es tut mir Leid.“, schniefte Nathalie und verbarg ihr Gesicht in den Händen. „Was müsst ihr jetzt bloß von mir halten.“

„Ich sage dir, was wir von dir halten.“

Julia stand auf, zog Nathalie an einem Arm nahe zu sich hoch und verpasste ihr eine deftige Ohrfeige. Der Schlag von Julias Hand auf Nathalies Gesicht war mehrere Meter weit zu hören. Hätte Julia ihre Freundin nicht festgehalten, wäre sie garantiert auf dem Boden gefallen. Doch so, wurde sie weiterhin von Julia gezwungen, ihr ins Gesicht zu sehen.

 

„Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen wurden.“, schrie Julia Nathalie ungeniert ins Gesicht. „Was hat dich auf den abwegigen Gedanken gebracht, dass du von niemandem geliebt wirst? Hast du eigentlich mal richtig an uns gedacht? An deine Freundinnen, die dich seit Jahren kennen? Immer haben wir zu dir gehalten, dich unterstützt und verteidigt, wenn du von deinen Eltern oder den Lehrern bestraft wurdest. Wir waren IMMER an deiner Seite. Das galt für jede von uns. Wir haben deine Launen ertragen, dein laszives Gebaren und was weiß ich noch alles. Und in all der Zeit, in all diesen Momenten, in denen wir gelacht, geweint und gestritten haben, warst du nie, auch nur ein einziges Mal, auf die Idee gekommen, dass du von uns akzeptierst, gemocht  und geliebt wirst?“

 

Tränen verschleierten Julias Blick. Allerdings erkannte sie noch so viel, dass auch Nathalie erneut anfing zu weinen.

„Wie konntest du nur in der Annahme leben, dass wir dich nicht mögen? Dass du wie eine durch geknallte Schwester für uns bist, die sich Sachen traut, die keine von uns jemals wagen würde. Damit meine ich nicht, dass du dich als Prostituierte ausgegeben hast. Nein, sondern, dass du klug, witzig und knall hart ehrlich bist. Selbst wenn es eigentlich angebracht wäre, nimmst du kein Blatt vor dem Mund. Niemand sonst, den ich kenne, trägt die Nase soweit oben wie du. Die Jungs aus unserer Klasse, von der gesamten Schule sind verrückt nach dir und würden alles für dich tun, wenn du sie darum bittest. Die Mädchen beneiden dich, wären nur all zu gern wie du, um ebenfalls bei den Jungs eine Chance zu bekommen, um einmal beachtet zu werden. Keine von uns kleidet sich wie du, weil du eben einzigartig bist. Weil wir wissen, dass das unmöglich ist, dich zu kopieren oder ansatzweise nachzuahmen. Du bist einzigartig. Unsere verrückte liebevolle Freundin, die immer ein Teil von uns sein wird, weil wir doch eine Familie sind.“

 

Es war die Wahrheit und nichts anderes als die reine Wahrheit, die ihr Julia direkt ins Gesicht schleuderte. Sprachlos weinte Nathalie und hörte auch Chelsea und Lana hinter sich schluchzen. Endlich konnte sie sehen und fühlen, was sie all die Jahre vermisst hatte, dabei war es immer zum Greifen nahe gewesen. Sie hatte ihre Augen davor verschlossen. In diesem Moment gelang es ihr, sie zu öffnen und die bedingungslose Freundschaft in den Augen ihrer Freundinnen zu sehen. Nathalie hatte nun wieder ein zu Hause.

 

Ein gescheitertes Gespräch

Kapitel 40

Ein gescheitertes Gespräch (adult)

 

 

Es war ein langer Arbeitstag, der sich nur langsam dem Ende näherte. Die Tiere in Mirabelles Tierpension stellten sich auf den kommenden Winter ein. Obwohl es kalendarisch noch nicht ganz an der Zeit war, wurden die Tage immer kälter. Was Ende November auch nicht weiter verwunderlich war, aber die Luft schien den ersten Schnee anzukündigen. Diese Tatsache war für viele Meteorologen nicht nachvollziehbar. Doch die Witterung ließ keine Zweifel daran aufkommen.

 

Zum ersten Mal sehnte Vaughn seinen Feierabend nicht so gelassen herbei. Er hatte Chelsea versprochen, dass er zu ihrem Vater fahren würde, um mit ihm über Denny zu reden. Außerdem sah er es als seine Pflicht an ihm zu vergewissern, dass seine Tochter bei ihm gut aufgehoben war.

Vaughn hatte Chelseas trauriges Gesicht gesehen, als sie auf ihr Handy geblickt hatte, kurz bevor sie gemeinsam seine Wohnung verlassen hatten. Ihr Vater hatte kein einziges Mal versucht, sie anzurufen, um über die ganze Angelegenheit zu reden oder sich um ihr Befinden zu erkundigen. Als Vater hätte er, nach Vaughns Meinung, irgendeine Reaktion zeigen müssen, gerade weil er wusste, dass Chelsea sein ein und alles war. Diese Stille und bewusste Ablehnung machte ihn stutzig und war für ihn auch nicht im Geringsten einleuchtend.

 

Jeden Tag wollte Vaughn nichts anderes, dass Chelsea glücklich war und endlich aufhören würde, wegen ihrem Vater zu weinen. Es war selbstverständlich gewesen, sie bei sich aufzunehmen. Wenn man bedachte, was alles danach geschehen war, nachdem sie sich bei ihm ausgeweint hatte, war es nun auch logisch und richtig, dass sie zu ihm gekommen war. Als er sie in der Küche gesehen hatte, wie sie das Frühstück zubereitet hatte, wäre es spätestens dann um seinen Verstand geschehen, wenn er ihn nicht schon längst vorher eingebüßt hätte.

 

Diese junge Frau machte ihn schlichtweg wahnsinnig. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass ihm sowas passieren würde. Dem sturen, wortkargen Vaughn, der immer auf Abstand blieb, um sich bloß niemanden zu nähern. Eine Zeit lang war es die einzig richtige Entscheidung gewesen, die er treffen konnte. Besonders um sich selber zu schützen, wollte er nie wieder eine Enttäuschung erleben, der von seinen Freunden verraten wurden war.

Jedoch musste er sich eingestehen, dass er viel zu lange alleine gewesen war. Demnach war es kein Wunder, dass er sich von Chelsea magisch angezogen gefühlt hatte. Eigentlich, doch ein Wunder, denn er hätte nie im Traum damit gerechnet, dass er und sie zueinander finden würden.

 

Er lächelte, als er daran zurückdachte, wie er im Pferdestall über sie hergefallen war. Zwar war sie auf ihn drauf gefallen, dennoch war er es gewesen, der die Situation ausgenutzt hatte. In diesem Moment hatte er nicht großartig nachgedacht, sondern einfach gehandelt und ihren verführerischen Mund an seinen gezogen. Er hatte sie so sehr gewollt, dass er nicht anders konnte, als seinem Verlangen und seiner Sehnsucht nach ihr nachzugeben. Heute bereute er diese Entscheidung nicht, obwohl er damals kurz davor gewesen war, einen Rückzieher zu machen. Doch sie war eindeutig stärker gewesen, was die jüngsten Ereignisse gezeigt haben.

 

Je näher er dem Betrieb von Andreas kam, desto angespannter wurde er. Er wusste bereits von Chelsea, dass sie nicht mit Denny gesprochen hatte. Warum und was genau vorgefallen war, würde sie ihm nachher erzählen, wenn er wieder zu Hause war. Er freute sich darauf, zu wissen, sobald er wieder in seiner Wohnung sein würde, dass Chelsea ihn bereits erwartete. Diese Vorstellung gefiel ihm. Wenn es nach ihm gehen würde, hätte er sie gerne jeden Tag bei sich. In seiner Dusche und in seinem Bett. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Er wusste haargenau, was er nachher mit ihr machen würde.

 

Auf Andreas Hof angekommen, sah er zu seinem Leidwesen sofort Denny, der von einem Stall zum nächsten lief und eine Schubkarre mit sich führte. Denny drehte sich um, als er das herannahende Auto hörte und konnte sich ein diabolisches Grinsen nicht verkneifen, sobald er den Fahrer wieder erkannte.

„Na so was? Wen haben wir denn da? Wenn das Mal nicht Vaughn ist, der einfach unangemeldet auftaucht und das Familienleben anderer Leute zerstört.“

„Du zerstörst das Familienleben, was noch intakt gewesen war, ehe du aufgetaucht bist.“ Wütend stampfte Vaughn auf Denny zu und packte ihn unsanft am Kragen.

 

„Was fällt dir ein Chelsea zu bedrohen? Wie konntest du so dreist sein und dich hier einnisten?“

„Moment Mal, bleib mal locker. Ich habe lediglich einen Job angenommen, das ist ja nicht verboten. Was Chelsea betrifft, ich habe freundlich mit ihr gesprochen. Wenn sie das falsch aufgefasst hat, dafür kann ich wirklich nichts.“

„Du elender Bastard! Du lügst, wenn du den Mund aufmachst.“

Körperlich waren beide Kontrahenten fast gleich. Vaughn war etwas größer als Denny, doch kräftemäßig, ging Vaughn davon aus, stand ihm Denny in nichts nach, auch wenn er einige Jahre jünger war.

 

„Du solltest vorsichtig sein, Vaughn.“, sprach Denny weiter und blickte seinem Gegenüber feindselig in die Augen. Vaughn konnte in ihnen nichts anderes sehen, als abgrundtiefe Bosheit. „Ich warne dich bloß einmal. Komm mir lieber nicht zu nahe. Niemand kommt mir ungestraft in die Quere und vereitelt meine Pläne. Chelsea ist etwas ganz besonderes, wie du ebenfalls unschwer erkannt hast. Ein solch zartes Geschöpf muss geliebt werden. Doch nicht von dir. Ich dachte viel eher an mich. Ich werde ihr eine Lust bereiten, die sie ihren Lebtag nicht wieder vergessen wird.“

 

Ein Kinnhaken traf Denny und sorgte dafür, dass er gegen die angelehnte Stalltür fiel.

„Du Schwein! Lass deine Finger von ihr oder ich werde dich ins Jenseits befördern!“

„Du drohst mir? Darüber kann ich nur lachen. Gerade du müsstest es doch besser wissen, nicht wahr Vaughn? Mit deiner Vergangenheit kannst du es dir nicht leisten jemanden zu bedrohen.“

 

Vaughn wurde aschfahl im Gesicht. „Wovon sprichst du?“

„Meine Recherchen sind immer ausführlich, Vaughn. Schreib dir das hinter die Ohren.“

Langsam erhob sich Denny und sah Vaughn angriffslustig ins Gesicht.

„Sei schön brav und halt dich aus meinen Angelegenheiten heraus. Andererseits, wenn du das tust, könnte es ziemlich langweilig werden. Nun ja, so öde auch wieder nicht. Immerhin verspricht die süße Chelsea himmlische Vergnügen.“

 

Wie von Sinnen schlug Vaughn erneut auf Denny ein. In diesem Augenblick, als Denny zu Boden fiel, kam Andreas um die Ecke gelaufen, um dem Lärm auf den Grund zu gehen.

„Hey! Was ist in dich gefahren?“

Brutal zerrte Andreas Vaughn zu sich herum und somit von Denny weg. „Ein solches Verhalten dulde ich auf meinem Hof nicht, hab ich mich klar genug ausgedrückt?“

 

Mühsam gelang es Vaughn sich wieder zu beruhigen. Nachdem er Dennys siegessicheres Grinsen gesehen hatte, wurde ihm klar, dass er ihn mit Absicht provoziert hatte. Andreas sollte ihn so vorfinden. Denny geschlagen am Boden und er mit erhobener Faust über ihm. In was für ein Schlamassel er sich hineinmanövriert hatte, daran wollte er lieber nicht denken. Zudem war ein vernünftiges Gespräch mit Andreas nicht mehr möglich.

 

„Zuerst nimmst du mir meine Tochter weg und jetzt wütest du auf meinem Hof herum und  schlägst unschuldige Personen. DAS lasse ich nicht zu!“

„Hören Sie mir bitte zu! Chelsea ist freiwillig zu mir gekommen. Sie konnte nicht länger hier bleiben, wenn dieser gemeine Kerl hier arbeitet.“

„Den einzig gemeinen Kerl, den ich hier sehe, das bist DU!“ Mit ausgestrecktem Zeigefinger durchbohrte Andreas Vaughns Brust. „Verschwinde auf der Stelle von meinem Grundstück! Ich will dich hier nie wieder sehen!“

„Ist ihnen Chelsea so egal? Denken sie überhaupt an die Gefühlte ihrer Tochter?“

„Belehrungen brauche ich mir von dir  nicht anzuhören. Chelsea hat mich verraten, denn du hast dafür gesorgt, dass sie mich hintergeht.“

„Waas? Das kann nicht ihr ernst sein. Überlegen sie doch mal, wieso sollte ich das tun? Ich liebe Chelsea. Ich bin hier, weil ich vernünftig mit ihnen über alles reden wollte.“

 

„Vernünftig? Komm mir nicht damit, Bursche. Wir haben beide gesehen, wohin deine Vernunft dich getrieben hat und was du hier angestellt hast. Ich weiß über alles Bescheid. Denny hat mir die Augen geöffnet.“

Weiter kam Vaughn nicht. Ein harter Schlag traf ihn ins Gesicht, sodass er kurz sein Gelichgewicht verlor, zumal er damit nicht gerechnet hatte.

„Das hast du verdient! Und jetzt, VERLASS augenblicklich mein Grundstück!“

 

Vaughn blieb keine andere Wahl. Er sah ein, dass ein normales Gespräch mit Andreas unter diesen Umständen nicht mehr möglich war. Niedergeschlagen und mit einem pochenden Auge verließ er den Hof und konnte in seinem Rückspiegel Denny lachen sehen.

 

+++++
 

„Oh mein Gott, Vaughn! Was ist mit deinem Auge passiert? War das Denny?“

Besorgt rannte Chelsea auf Vaughn zu und musterte sein angeschwollenes linkes Auge. Eine leichte bläuliche Färbung wurde bereits sichtbar.

„Ich hole dir ein Kühlakku. Setz dich aufs Sofa, ich bin sofort wieder da.“

Eilig hetzte Chelsea in die Küche und kam geschwind mit einem Kühlakku und einem Tuch zurück. Schnelle wickelte sie den Akku in dem Tuch ein und legte es vorsichtig auf Vaughns Auge. Dennoch konnte er ein kurzes Zucken nicht unterdrücken.

 

„Entschuldige. Das sieht aber auch übel aus. Wie ist das passiert?“

Noch sträubte sich Vaughn, Chelsea zu erzählen, was genau vorgefallen war. Die Fahrt hierher hatte er schon die ganze Zeit darüber nachgedacht. Trotzdem wusste er, dass ihm keine andere Wahl blieb, als Chelsea die Wahrheit zu erzählen.

 

Geschockt sah Chelsea ihren Freund an und hielt weiterhin das Kühlakku an sein Auge. Nachdem Vaughn geendet hatte – er vermied den Teil mit der Anspielung auf seine Vergangenheit - sagte sie bloß, dass sie froh sei, das ihm nichts Schlimmeres wiederfahren war.

Auf der Stelle zog Vaughn Chelsea an sich, wodurch das Kühlakku auf dem Boden fiel.

„Es tut mir so Leid, Chelsea. Ich war so ein Idiot, dass ich auf Dennys hinterlistiges Spiel hereingefallen war. Dabei wollte ich dir so gerne eine Freude machen und dich endlich wieder richtig glücklich sehen.“

 

„Ich bin glücklich.“, erwiderte Chelsea und gab Vaughn einen sanften Kuss aufs blaue Auge. „Ich sehe, wie du dich für mich eingesetzt hast. Dafür danke ich dir. Was meinen Vater betrifft,“ Chelsea schluckte schwer, riss sich aber zusammen. „es wird sich zeigen. Sobald er sich wieder abreagiert hat, haben wir vielleicht mehr Erfolg. Mein Bruder kommt auch bald zurück, und dann wird bestimmt wieder alles gut. Daran glaube ich.“

 

Vaughn sah, dass Chelsea am Rand der Verzweiflung war, doch ihr Vertrauen in ihren Vater hielt sie aufrecht.

„Wie war dein Tag? In deiner Nachricht hast du kurz Nathalie erwähnt und das ihr nicht in der Schule wart.“, lenkte Vaughn das Thema von ihrem Vater ab.

„Auch das war ein Schock für uns alle.“ Und so berichtete Chelsea von Nathalies Geständnis. Sogar Vaughn blieb die Spucke weg. Verblüfft weitete er seine Augen, soweit es mit seinem lädierten Auge möglich war und starrte Chelsea unentwegt an.

„Wie bitte??? Ich hätte Nathalie beinahe alles zugetraut, aber DAS?“

„Wie gesagt, auch bei uns saß der anfängliche Schock tief.“

 

„Und wie geht es jetzt weiter? Ich meine mit Nathalie? Sie wird ihr Gewerbe doch nicht weiter ausleben, oder?“, hakte Vaughn neugierig nach und holte sich ein Aspirin, da seine Kopfschmerzen schlimmer wurden.

Chelsea registrierte es und bekam gleich darauf wieder ein schlechtes Gewissen. Es ist alles ihre Schuld, dachte sie. Warum passierte das alles nur?

„Nein, wird sie nicht. Sie will sich mit ihrem Bruder und ihrer Familie versöhnen, auf ihre Art. Dabei wird sie von ihrem Geheimnis nichts preisgeben und wir haben versprochen, es niemanden sonst zu erzählen.“

„Mir hast du es erzählt.“, stellte Vaughn fest und setzte sich wieder neben Chelsea.

 

„Mit dir ist es was anderes.“, antwortete Chelsea, ergriff Vaughns Hand und führte sie zu ihrer Wange. „Bei dir fühle ich mich sicher und ich weiß, dass ich dir vertrauen kann.“

Kurz entschlossen hob er Chelsea hoch und trug sie in sein Schlafzimmer.

„Vaughn, willst du dich nicht lieber ausruhen?“, fragte Chelsea perplex über Vaughns Verhalten nach.

„Das werde ich.“, antwortete er und küsste sie auf die Stirn. „Doch das kann ich am besten, wenn ich dabei in deinen Armen liege.“

 

Mit diesem Worten legte er sie aufs Bett und nahm gierig von ihrem roten Mund besitz. Überrumpelt, aber auch berauscht, schlang sie ihre Arme um Vaughns muskulösen Körper. Heiß und überaus willig drang sie mit ihrer Zunge in Vaughns Mund vor und spielte mit seiner. Ein leidenschaftlicher Kuss entbrannte, der einen Orkan heraufbeschworen hätte, wenn man ihn wieder frei ließe.

 

Zwar pochte es in Vaughns Kopf, aufgrund des Schlages in sein Gesicht, doch er konnte nicht anders. Er wollte diese Frau nehmen, die sich ihm bereitwillig hingab. Sein Blut geriet in Wallung und trug nicht zur Linderung seiner Kopfschmerzen bei. Doch er wusste, dass Chelsea in seinen Armen ihre Sorgen vergessen würde, und wenn es nur vorübergehend war.

 

Ungeschickt zogen sie sich gegenseitig aus, da keiner von ihnen es erwarten konnte den Körper des anderen ganz nah an seiner Haut zu spüren. Hitze stieg zwischen ihnen auf und drohte sie zu verbrennen. Ungestüm küssten sie sich. Ihre ansteigende Leidenschaft kannte keine Grenzen mehr. Vaughn bedeckte Chelseas gesamten Körper überall mit heißen Küssen und strich ihr immer wieder über den Bauch und ihrem Busen, der sich mit jedem Atemzug hob und senkte.

Chelsea überließ Vaughn die Führung und war viel zu überwältigt von den herannahenden Gefühlen, die in ihr hochkamen. Das intime Zusammensein brachte sie weit weg über die Wolken und rasend schnell wieder zurück in Vaughns Arme. Sie fühlte ihn. Sie schmeckte ihn und sehnte ihren gemeinsamen Höhepunkt herbei.

 

Als es endlich soweit war, und Vaughn in sie eindrang, verloren sich beide in Raum und Zeit. Einzig und allein spürten sie die Gegenwart des anderen und konzentrierten ihre Sinne ausschließlich darauf. Beflügelt und verzaubert schwebten beide dem Horizont entgegen, der sich aus weiter Ferne anbahnte.

Vergessen war für wenige Augenblicke der trostlose und erfolglose Tag. Beide hatten einander und das war das einzige, was für sie zählte.

 

Rache

Kapitel 41

Rache

 

 

Wie dumm Verliebte doch sind. Sobald sie ein außergewöhnliches Gefühl glauben zu fühlen, was von einem anderen Menschen hervorgerufen wird, verfallen sie diesem Irrglauben, dass es sich dabei um Liebe handelt. Wie töricht diese Annahme ist. Es ist nicht schwer, diesen Fehler, diese Verletzbarkeit bei solchen Leuten auszunutzen. Dabei gibt es so etwas wie Liebe gar nicht. Noch nicht einmal richtige Freundschaft gibt es. Die Menschen sind egoistische Kreaturen, deren oberste Priorität das eigene Überleben ist. Für andere Gefühle ist dann kein Platz mehr. Die innige Bindung zwischen einer Mutter und ihrem Kind ist ebenso eine Fantasie, ein Trugbild, welches verbreitet wird, um den Menschen Hoffnung zu schenken.

 

So viele Aberglauben und keinerlei Wahrheit dahinter. Warum nur belügen sich die Menschen von Tag zu Tag? Eine glückliche Familie kann es nicht geben und wird es auch nie. Das Leben wäre eventuell einfacher, wenn die Kinder von Anfang an mit der Wirklichkeit konfrontiert werden würden. Anstatt diese albernen Dinge vom Weihnachtsmann, dem Osterhasen oder der Zahnfee erzählt zu bekommen. Als ob so etwas nötig ist. Früher oder später kommen die Kinder sowieso dahinter. Also, warum sich große Mühen geben, wenn hinterher alles für die Katz war?

 

Meine Eltern waren zum Glück nicht so einfältig gewesen. Nein. Sie waren ganz anders und haben mir früh die grausame Realität vor Augen geführt. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein.

Die Welt, die menschliche Natur, wird nun mal von Zorn, Macht, Gier und Eifersucht regiert. Man braucht sich also nicht täglich etwas vorzumachen, von irgendwelchen Dingen, die eine Ausgeburt der Fantasie ist.

 

Chelsea wird es auch noch lernen. Sie ist auf dem besten Weg dies zu begreifen. Sobald ich auch noch Vaughn aus dem Weg geräumt habe, wird sie nur noch mir gehören. Natürlich werde ich sie bestrafen müssen. Ich lasse mich nicht so vorführen, von einem kleinen Mädchen und einem Möchtegern Freund und lasse sie dann auch noch ungestraft davonkommen. Solche Spielchen spielt keiner mit mir. Ich allein stelle die Regeln auf und wähle die Schachfiguren.

 

Wie immer war es ein Leichtes gewesen, Urkunden und Daten zu fälschen, um sich als Schüler auszugeben. Teenager sind am leichtesten zu manipulieren. Besonders diese dumme Nathalie, die sich selber für so schlau hält. Ohne es zu merken, hat sie mir wertvolle Informationen über Chelsea liefern können, die ich bereits am ersten Tag ins Auge gefasst hatte. Mädchen vom Land haben immer etwas Unschuldiges an sich, das mich am meisten interessiert und auch herausfordert. Wäre Vaughn nicht an jenem Tag erschienen und hätte mein Tun vereitelt, hätten wir bestimmt jede Menge Spaß zusammen gehabt.

 

Bisher konnte ich junge Frauen, unschuldige Mädchen immer dazu bringen, sich mir freiwillig zu unterwerfen. Ob sie es nun hundertprozentig aus freien Stücken taten oder nicht, ist mir gleichgültig. Denn die Überraschung in ihren Augen ist immer wieder Goldwert, wenn sie am Ende merken, was für Töne ich ihnen entlocken konnte. Bei der Wahl ist es mir nicht wichtig, ob sie verheiratet, in einer festen Beziehung sind oder nichts dergleichen. Der Typ ist ausschlaggebend und Chelsea trifft haargenau dieses Muster. Nathalie war dabei bloß Mittel zum Zweck gewesen.Kein schlechter Zeitvertreib muss ich schon eingestehen. Diese Schlampe hatte eindeutig was auf dem Kasten. Unter anderen Umständen wären wir bestimmt Gleichgesinnte geworden. An ihr haftete ebenfalls etwas Dunkles, was sie garantiert auslebte. Jedoch geriet sie unter den Einfluss ihrer angeblichen Freundinnen, was zeigte, dass sie ebenfalls ein schwacher Mensch war. Schade eigentlich. Ich hätte sie perfekt formen können.

 

Die Nacht heute war vielversprechend. Mein Plan würde garantiert aufgehen, dafür werde ich schon sorgen. Vaughn würde für alles die Schuld bekommen. Dann ist der Weg zu Chelsea nicht mehr weit.

Und meine Rache würde perfekt sein.

 

+++++
 

Ein schrilles Geräusch riss Chelsea und Vaughn aus ihrem Tiefschlaf. Schimpfend warf Vaughn die Bettdecke weg. Ein Blick auf die Digitaluhr auf seinem Nachttisch, die 5:30 Uhr anzeigte, trug nicht zur Milderung seiner üblen Laune bei. Sie besserte sich auch dann nicht, als er den Grund erfuhr, weswegen er so früh aus dem Bett geholt wurde.

Verwirrt und verschlafen hüllte Chelsea sich in ihren Morgenmantel und trat zu Vaughn ins Wohnzimmer. Sein Gesicht war blass geworden. Trotzdem blieb er ruhig und beendete das Telefonat höflich.

 

Doch ein Blick von ihm genügte und Chelsea wusste, dass nichts in Ordnung war.

„Vaughn, was…?“

„Zieh dich an, Chelsea. Wir müssen los.“

„Wohin?“

„Bitte, Chelsea, mach dich fertig.“

 

Unterwegs sprach Vaughn kein einziges Wort. Chelsea hätte nur zu gerne gewusst, was los war und warum Vaughn so besorgt aussah. Sie ahnte schlimmes. Ihre Sorge vergrößerte sich auch noch, als sie erkannte, dass sie vor Mirabelles Tierpension zum Halten kamen. Entsetzt stieg Chelsea aus dem Auto aus und schlug sich die Hände vors Gesicht.

Julia entdeckte sie durch die zerbrochene Glasscheibe von ihrem Tierwarengeschäft aus und eilte auf ihre Freundin zu.

 

„Chelsea! Danke, dass du gleich gekommen bist. Hast du sowas schon mal gesehen?“

Natürlich hatte Chelsea sowas noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen. Zersplittertes Glas lag herum, mehrere Tierfutter Dosen und Tüten waren auf dem Bürgersteig verstreut, darunter aufgerissene Heutüten, Spielzeug für Hunde und Katzen und vieles mehr. Ein perfekteres Chaos gab es nicht. Das Tierwarengeschäft war komplett verwüstet wurden.

Die Polizei war vor Ort und unterhielt sich gerade mit Mirabelle, die völlig aufgelöst am lädierten Türrahmen stand und unbeholfen antwortete.

 

„Wie ist denn das passiert?“, fragte Vaughn, der seine Sprache wiedergefunden hatte. Julia hatte ihn angerufen und gebeten schnell vorbeizukommen. „Seit dem nächtlichen Diebstahl vor einigen Wochen hatte Mirabelle doch eine neue Alarmanlage installieren lassen. Ich war noch dabei gewesen.“

„Wir wissen es nicht.“, antwortete Julia knapp. Wütend ballte sie ihre Fäuste. „Es ist uns ein Rätsel. Wir gehen aber davon aus, dass es mehrere gewesen sein müssen. Unsere unmittelbaren Nachbarn haben ausgesagt, dass einige davonstürmten, als die Polizei auftauchte.“

„Und ihr? Ihr wart doch im Haus. Wie kann euch dann nichts aufgefallen sein?“, hakte Chelsea verwirrt nach.

 

„Das ist das Sonderbare daran. Meine Mutter und ich haben selenruhig geschlafen.“

„Was? Wie war das bei dem Lärm möglich?“, rief Vaughn perplex aus und schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Willst du uns auf dem Arm nehmen, Julia?“

„Ganz sicher nicht!“, fauchte Julia zurück und funkelte den jungen Mann wütend an.

„Wir können es uns genauso wenig erklären wie du. Deswegen sind wir auch komplett vor den Kopf geschlagen.“

„Beruhigt euch, Leute.“, warf sich Chelsea zwischen die Streithähne. „Sich zu streiten, hilft uns auch nicht weiter. Was wird denn jetzt geschehen, Julia?“

Resigniert ließ Julia ihre Schultern hängen. Betrübt schüttelte sie ihren Kopf. „Keine Ahnung. Hoffentlich kann die Polizei uns weiterhelfen. Die Schuldigen fassen und was weiß ich. Der Laden muss komplett neu aufgebaut werden.“

 

Ein trauriger Ausdruck machte sich auf Julias Gesicht breit. Zwar war sie nicht den Tränen nahe, sowie ihre Mutter, dennoch ließ sie dieser Vorfall nicht unberührt. Chelsea spürte das und legte behutsam einen Arm um ihre angespannten Schultern.

„Ich bin mir sicher, dass sie die Verantwortlichen finden und fassen werden. Mach dir keine Gedanken darüber. Es wird bestimmt alles wieder gut.“

„Weißt du, was ich mich immer wieder frage? Warum passiert sowas uns? Und warum soviel auf einmal? Es macht mich rasend, weil ich einfach nicht weiß, was ich tun soll, was wir noch tun können, damit diese ganzen Probleme endlich aufhören.“

 

Dieselben Fragen hatte sich Chelsea ebenfalls gestellt. Derzeit schien es kein Ende zu nehmen. Jeden Tag geschah etwas Neues, völlig Unerwartetes, was die Freundinnen betraf oder den Menschen in ihrem Umfeld. In ihren Gedanken sah sie Vaughn dabei zu, wie er durch das Chaos lief. Auch mit ihm stimmte etwas nicht. Chelsea erkannte es in der Art, wie er sich bewegte. Vorsichtig und hin und wieder warf er den Polizisten einen verstohlenen Blick zu. Seine Miene war angespannt. Es war, als ob er auf irgendetwas wartete oder als ob er vor etwas Angst hätte.

 

„Vaughn?“

 

Ertappt drehte sich Vaughn um. Ein hasserfülltes Funkeln lag in seinen Augen, als er sich zu Chelsea umdrehte, die sich langsam an ihn herangeschlichen hatte. Erschrocken fuhr sie zusammen. Einen solchen Ausdruck hatte sie noch nie in seinen Augen zuvor gesehen gehabt.

Vaughns Züge entspannten sich wieder, als er Chelsea erkannte.

 

„Ist alles in Ordnung mit dir, Vaughn? Du siehst so…angespannt aus.“

„Wie? Ach was, es ist nichts weiter.“, winkte er ab und streichelte Chelsea sanft über die Wange, um sie zu beruhigen. Allerdings gelang ihm das nicht sonderlich gut, da seine Hand leicht zitterte.

„Aber du zitterst ja. Weißt du, was über den Vorfall?“

„Nein. Mach dir keine Sorgen, Chelsea. Ich bin bloß wütend, dass so etwas passiert ist. Mirabelle und Julia haben das nicht verdient.“

 

Chelsea nickte. Doch sie verschwieg, dass sie sich ernsthaft Sorgen um ihren Freund machte, der sich andauernd umsah, besonders zu den Polizisten. Natürlich wollte die Polizei auch ihn befragen. Als es soweit war, und man nach ihm verlangte, gab er Chelsea einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und strich ihr ein weiteres Mal über die Wange. Komischerweise hatte Chelsea in diesem Moment das Gefühl, als ob Vaughn sie das letzte Mal berührt hatte. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte sie. Julia hatte Recht. Warum geschah in letzter Zeit soviel Negatives? Zuerst hatten sie Streit untereinander gehabt. Der Brief aus der Schule. Sabrinas Schulwechsel, die Sache mit Denny, Nathalies Geheimnis, der Streit mit ihrem Vater und jetzt das hier.

 

Am liebsten wäre Chelsea irgendwohin gelaufen, um dem Ganzen zu entkommen, aber das würde sie niemals tun. Denn ihr war es viel wichtiger, das Ganze aufzuklären. Sich mit allen Parteien wieder zu versöhnen und sich keine Sorgen mehr machen zu müssen.

Ein Auto näherte sich. Mirabelle war gerade zu den Mädchen getreten, als Andreas aus dem Wagen stieg und eiligen Schrittes auf sie zu lief.

 

„Vater? Was machst du denn hier?“

„Du kommst jetzt wieder nach Hause. Ich dulde KEINE Widerrede!“, zeterte Andreas auf der Stelle los und packte seine Tochter grob am Arm.

„Was? NEIN! Vater, lass mich bitte los. Julia und Mirabelle brauchen mich jetzt.“

„Sie werden es auch ohne dich schaffen. Mirabelle.“

 

„Äh ja?“ Perplex hob Julias Mutter ihren Kopf, die Andreas Verhalten gerade nicht nachvollziehen konnte.

„Glaubst du mir jetzt, was deinen Angestellten betrifft?“

„Von wem redest du?“

„Na, von diesem Vaughn. Mich erreichte vor einer halben Stunde ein Anruf. Eine zuverlässige Quelle hat mir berichtet, was geschehen ist und das Vaughn involviert war.“

 

„WAS???“

 

Drei Frauen warfen Vaughn, der immer noch mit der Polizei sprach, einen irritierten Blick zu. Ein Polizist, der ihnen am nächsten stand, hatte Andreas Aussage mitbekommen und verlangte eine ausführliche Erklärung.

„Ein neuer Angestellter von mir kennt Vaughn schon länger. Gestern war er bei mir auf dem Hof gewesen und hat ihn ohne einen ersichtlichen Grund attackiert, sodass er auf dem Boden lag. Zum Glück war ich rechtzeitig aufgetaucht, ansonsten wäre vermutlich schlimmeres geschehen. Danach erzählte mir mein Angestellter, dass Vaughn bereits häufiger Gewalt angewendet hatte. Außerdem ist er wegen Vandalismus vorgestraft.“

 

Der Polizist bedankte sich und ging schnell rüber zu seinen Kollegen.

„Vater, das kann alles nicht wahr sein. Du kennst Vaughn doch gar nicht. Er würde sowas niemals tun.“, beteuerte Chelsea und versuchte sich aus dem Griff ihres Vaters zu befreien.

„Das kann ich mir ebenfalls nicht vorstellen, Andreas.“, sagte Mirabelle und blickte ziemlich traurig und verwirrt drein. „Das ist bestimmt ein Irrtum.“

„Ich irre mich nicht, Mirabelle. Vaughn hat hiermit zu tun. Am besten, du fragst ihn persönlich.“

„Aber, wie soll Vaughn das gewesen sein, wenn ich die ganze Zeit bei ihm war?“

„Mit dir muss ich auch noch ein ernstes Wort reden, junge Dame.“, fuhr Andreas seiner Tochter grob über den Mund. „Von dir bin ich mehr als enttäuscht. Wir holen deine Sachen und fahren dann wieder nach Hause.“

„Aber…“

„KEIN aber! DU kommst mit und basta!“

 

Chelsea hatte keine andere Wahl. Julia und Mirabelle versuchten Andreas noch zu besänftigen, jedoch erfolglos. Vaughn musste mit ansehen, wie Chelsea in den Wagen ihres Vaters gezwängt wurde. Er wollte ihr zu Hilfe eilen, allerdings nahmen die Polizisten Vaughn eingehend ins Verhör. Ihm blieb erstmal nichts anderes übrig, als diese Sache hier zu klären und dann würde er hoffentlich bald wieder bei Chelsea sein können.

 

Wenn sie dann noch mit ihm zu tun haben wollte.

Die Falle schnappt zu

Kapitel 42

Die Falle schnappt zu

 

 

Chelsea hatte sich, nachdem sie eine gehörige Strafpredigt von ihrem Vater über sich ergehen lassen musste, in ihrem Zimmer verschanzt. Den Schlüssel zum Zimmer hatte ihr Vater vorab entnommen, um sie von jetzt an besser im Auge zu behalten.

Es überraschte Chelsea, doch sie weinte nicht. Der Morgen hatte schlimmer nicht beginnen können, und dennoch empfand sie keine Trauer oder Hilflosigkeit, sondern viel eher Wut und Enttäuschung. Zudem hatte sie das Bedürfnis, Vaughn zu sehen, um von ihm eine Erklärung zu bekommen, warum solche Gerüchte über ihn existierten. Sie hatte ihn nie bedrängt, etwas aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Denn sie ging bisher davon aus, dass er es irgendwann von sich selber aus getan hätte, sobald er dafür bereit sein würde.

Allerdings verlangten die jüngsten Ereignisse nach mehr Aufklärung und Chelsea war bestrebt diese auch zu bekommen.

 

Für den Rest des Tages hatte Andreas ihr verboten, das Haus, egal aus welchen Gründen zu verlassen. Der Schule hatte er mitgeteilt, dass sich Chelsea nicht wohlfühle und für heute das Bett hüten sollte. Jedoch, dachte Chelsea nicht im Geringsten daran dem unmöglichen Willen ihres Vaters Folge zu leisten. Zu allem Überfluss hatte er ihr auch das Handy entnommen, damit sie nicht Kontakt zu Vaughn aufnehmen konnte. Sie hatte erkannt, dass es sinnlos war, ihren Vater über die Wahrheit über Vaughn und vor allem Denny zu erzählen, solange er nicht bereit dazu war, ihr aus freien Stücken zuzuhören. Deswegen war sie gezwungen einen anderen Weg aus dieser Misere zu finden.

 

Kurz hatte sie daran gedacht, Denny zu Rede zu stellen. Doch sie war klug genug, um zu wissen, dass ihr das alleine niemals gelingen würde und auf ein und demselben Grundstück mit ihm zu verweilen würde sie keine weitere Stunde mehr aushalten. Zwar konnte sie ihre Furcht, so gut es geht verdrängen, dennoch blieb sie, und gerade das war der Grund, der sie zu einem schnellen Handeln verleitete.

 

Leise schlich sie sich aus ihrem Zimmer und durchs ganze Haus, um sicher zu gehen, dass ihr Vater nicht anwesend war. Sie fand ihn in der Einfahrt stehen, wo er gerade dabei war, Denny Anweisungen für den Tag zu geben. In diesem Moment fiel Chelsea ein, das es bereits Nachmittag war und Denny mit seiner Arbeit beginnen würde. Leise entfernte sie sich wieder und schlug einen weiten Bogen über die Felder, nahe dem Grenzzaun, ein und versteckte sich hinter einem breiten Baumstamm. Von hier aus, hatte sie einen guten Blick über die gesamte Einfahrt. Von Andreas und Denny fehlte jede Spur. Sie wartete noch wenige Minuten ehe sie sich traute, aus ihrem Versteck hervorzukommen und ihren Weg durch die Einfahrt zu wagen, doch da wurde sie schon von einer starken Hand gepackt und am Arm zurückgezehrt.

 

Erschrocken fuhr sie herum und starrte in das wütende Gesicht ihres Vaters.

„Wohin willst du?“

„Ich…Nun…“

„Habe ich dir nicht gesagt, dass du im Haus bleiben sollst? Bis du dein Fehlverhalten eingesehen hast?“

„Schon, aber du kannst mich nicht gegen meinen Willen hier festhalten. Ich wollte zu Julia und sehen, wie es ihr und ihrer Mutter jetzt geht.“

„Lüg mich nicht an! Du wolltest zu diesem Verbrecher, Vaughn!“

 

Es stimmte, was Chelsea gesagt hatte, aber natürlich wollte sie zuallererst zu Vaughn und mit ihm reden.

„Er ist kein Verbrecher!“, entgegnete Chelsea trotzig und starrte ihren Vater mit erstem Blick an. „Vaughn ist mein Freund, ob es dir passt oder nicht und ich liebe ihn.“

 

Weiterhin sah Andreas seiner Tochter stur in die Augen. Er konnte nicht leugnen, dass er ein wenig Stolz gegenüber seiner Tochter empfand, dass sie ihm so eisern Widerstand leistete. Außerdem erkannte er denselben sehnsuchtsvollen Blick, den er so oft in den Augen seiner Frau gesehen hatte, wenn sie ihn verliebt angesehen hatte. Für einen Moment war Andreas geneigt, seiner Tochter Gehör zu schenken, allerdings war sein eigener Vaterstolz zu sehr verletzt wurden, als das er es hätte zulassen können.

 

„Komm mit. Wenn du schon nicht im Haus bleiben willst, kannst du dich nützlich machen und dich um die zwei Ponys kümmern. Sie könnten wieder gebürstet werden.“

Bestimmt zog Andreas seine Tochter hinter sich her. „Ich werde Denny sagen, dass er ein Auge auf dich haben soll. Er arbeitet nebenan im Stall.“

 

Chelsea erbleichte, doch Andreas fiel das nicht auf. Nichtsahnend führte er seine Tochter in die Nähe des einzig gefährlichen Mannes auf dem Hof…

 

+++++
 

Auf der Polizeiwache musste Vaughn eine umfassende Aussage zu Protokoll geben. Dabei wurde er über den Vorfall zu Mirabelles randaliertem Laden befragt und auf seine dunkle Vergangenheit wurde angespielt. Vaughn wusste, dass er in keinem besonders guten Licht dastand. Immerhin sprach seine Akte gegen ihn. Der Beamte, der ihn befragte, ließ ihn das auch die ganze Zeit über spüren. Er gab zu Protokoll, das er zur Tatzeit nicht vor Ort gewesen ist, sondern zu Hause in seinem Bett gelegen hatte, und das auch nicht allein. Zu allem Überfluss wollte der Polizist Name und Adresse der besagten Person wissen und Vaughn erteilte diese ungern. Doch, als der Polizist erkannte, dass es sich um die Adresse des Gutbesitzers Andreas handelte, auf dem Vaughn mit einem seiner Angestellten handgreiflich geworden war, teilte dieser ihm  mit, dass es ein schönes Schlamassel war, in das sich Vaughn manövriert hatte.

 

Am liebsten wäre Vaughn dem Beamten an die Gurgel gesprungen, doch er beherrschte sich und klärte ihn stattdessen über Dennys Androhungen und vermeintlichen Absichten aus. Vaughn sah, dass ihm der Beamte keinen großen Glauben schenkte. Sie brauchten die Aussage des Mädchens, erklärten sie ihm. Vaughn schluckte. Er hoffte, dass er Chelsea in keine größeren Schwierigkeiten gebracht hatte. Doch solange dieser Kerl frei auf deren Hof rumlief, erschien es ihm sicherer, wenn die Polizei dort nach dem Rechten sehen würde, bevor ihr etwas Schlimmeres zustoßen würde. Außerdem wollte er so schnell es geht zu ihr. Der Beamte stellte noch einige Fragen, bis er endlich dazu bereit war, Vaughn gehen zu lassen. Sehr zu seinem Bedauern, wie Vaughn an seiner Stimme feststellte.

 

Wieder an der frischen Luft rief Vaughn zugleich bei Chelsea auf ihrem Handy an, jedoch nahm sie kein einziges Mal ab, egal wie oft er ihre Nummer wählte. Er überlegte, ob er zu ihrer Schule oder gleich zu ihr nach Hause fahren sollte. Kurzerhand entschied er sich für die letzte Variante. Eine innere Stimme sagte ihm, dass sie nicht in der Schule sein würde.

 

Hastig sprintete er die Straßen zu Mirabelles Laden entlang, um sein Auto abzuholen, da ihn die Polizisten in deren Auto, wie einen Straffälligen, abgeführt hatten.

Mirabelle staunte nicht schlecht, als sie Vaughn erblickte, der die Straße hinauflief.

„Vaughn! Endlich bist du wieder da. Jetzt erzähl mir mal, was der ganze Unfug soll, den Andreas über dich erzählt hat!“, forderte sie ihn auf und stemmte entschlossen ihre Hände in ihre breite Hüfte.

„Ein andermal Mirabelle. Ich habe jetzt leider keine Zeit. Doch, sobald ich wieder zurück bin, werde ich dir alles erzählen, was du wissen willst.“

„Sag mir wenigsten noch, ob an diesen Gerüchten etwas dran ist oder nicht. Ich warne dich mein Lieber. Es dauert keine fünf Minuten und ich kann dich auf der Stelle ohne mit der Wimper zu zucken kündigen.“

 

Erschöpft lehnte sich Vaughn an seinen Wagen und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Er atmete tief ein aus, bevor er das Wort an seine Vorgesetzte richtete.

„Es stimmt, dass ich früher mit sowas zu tun hatte, aber es hatte andere Gründe, die ich dir jetzt nicht erklären kann. Nur soviel, ich bin unfreiwillig daran geraten und werde garantiert nicht so dumm sein und es ein zweites Mal tun. Und, was heute Nacht mit deinem Laden geschehen ist, ich schwöre dir, damit habe ich nichts zu schaffen. Doch, ich denke, ich weiß, wer dahinter steckt und das werde ich sofort aufklären.“

 

Für einige Sekunden sah Mirabelle ihrem Angestellten in die Augen und wusste augenblicklich, dass er die Wahrheit sprach. Zu Vaughns Erleichterung schenkte sie ihm ein breites fröhliches Grinsen.

„Nun gut, Vaughn. Ich glaube dir. Darf ich noch fragen, wo du mit deiner Suche anfangen willst?“

„Danke, Mirabelle, das bedeutet mir viel. Ich fahre zu Chelsea, denn auch sie schwebt wohlmöglich in Gefahr.“

„Was meinst du damit?“

„Frag Julia, sie wird es dir erklären.“

 

Nach diesen Worten brauste Vaughn davon.

 

+++++
 

In seinem Inneren brodelte es. Er war seinem Ziel so nahe, sodass er es kaum noch aushalten konnte. Seit einer Stunde beobachtete er Chelsea schon, wie sie im Stall stand, eines der Ponys bürstete und sich alle halbe Minute verstohlen umsah, wahrscheinlich auf der Suche nach ihm. Er konnte es ihr nicht verdenken. Denn sie wusste, wer er war und war zudem auf sich alleine gestellt. Noch nicht einmal ihr Vater wollte ihr Glauben schenken. Wie dumm und einfältig sie doch gewesen ist.

 

In der Hoffnung vor ihm sicher zu sein, flüchtete sie zu ihrem angeblichen Freund und musste sich letzten Endes doch geschlagen geben und zurückkehren. Zu mir, wo sie nun hilflos ausgeliefert war und niemand weit und breit in der Nähe, der ihr helfen könnte. Alles verlief genau nach Plan. Nach meinem perfekten Plan. Nicht mehr lange und ich würde meine Rache voll und ganz genießen können.

Mit dieser jungen Frau, die mir mehr Probleme bereitet hatte, als erwartet. Sie würde noch erkennen, dass alles ihre Schuld gewesen war. Vaughn würde nicht rechtzeitig hier sein, um sie erneut zu retten. Vermutlich hockte er immer noch auf der Polizeiwache. Es zahlte sich immer aus, ein wenig Hintergrundinformationen über seine Mitmenschen zu sammeln.

 

Es war ein Leichtes gewesen, Andreas diese Informationen über Vaughn zukommen zu lassen. Er hatte genauso gehandelt, wie ich es vorausgeahnt hatte. Somit hatte es sich gelohnt, sich von diesem Mistkerl schlagen zu lassen, nur um Andreas vollends davon zu überzeugen, dass Vaughn kein so feiner Kerl war. Im Gegensatz zu ihm. Denn ihm vertraute er, egal was er ihm erzählte.

 

Jetzt würde endlich Chelsea an der Reihe sein, worauf er schon so lange gewartet hatte.

 

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Vaughn starrte wutentbrannt auf die Fahrbahn vor ihm und konnte nur mit größter Mühe seinen Zorn unterdrücken, der unaufhaltsam in ihm aufstieg. Direkt vor ihm war ein Unfall geschehen, in dem ein Lkw die Fahrbahn versperrt hatte und das Auto hinter diesem Laster, frontal in ihm reingefahren war. Warum passierte ihm das? Er musste unbedingt zu Chelsea. An ihr Handy ging sie nach wie vor nicht ran. Vermutlich hatte es ihr Vater konfisziert. Mit ihm würde er auch noch ein Hühnchen rupfen müssen, dachte Vaughn grimmig und trommelte wütend mit seiner Faust auf die Hupe, was ihm einen verständnislosen und genervten Blick des vor Ort stehenden Polizisten einbrachte. Gerade von diesem Typen hatte er schon genug gehabt.

Das diese Leute aber auch nicht ihre Arbeit schneller erledigen konnten. So ein verdammter Mist!

Wie lange würde er hier noch stehen und wertvolle Zeit verlieren?

 

Er musste schnell zu Chelsea, koste es, was es wolle. Nur wie?

 

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Eigentlich waren Lana und Elliot an diesem Nachmittag verabredet gewesen. Anstatt zu zweit die Zeit zu verbringen, fuhr Elliot mit seinem Wagen zu Mirabelles Laden, um sich ein eigenes Bild von dem zugerichteten Laden zu machen. Was sie vorfanden, übertrafen ihre schlimmsten Erwartungen bei Weitem. Entsetzt stiegen sie aus, um zugleich Mirabelle ihre Hilfe anzubieten, doch diese trat mit wutverzehrtem Gesicht auf das blonde Mädchen zu und bohrte ihren Zeigefingen in ihre Brust. Julia folgte ihr und machte ein entschuldigendes Gesicht.

 

„Wieso, um Himmelswillen, ist keine von euch zur Polizei gegangen um gegen Denny Anzeige zu erstatten?“, brüllte Mirabelle auf die hilflose Lana ein, die einige Sekunden brauchte, um zu begreifen, was überhaupt los war.

„Eure arme Freundin wird im Wald überfallen und keine von euch verliert auch nur ein Wort über diese Sache?“

„Was ist denn los?“, wollte Elliot wissen und blickte hastig zwischen den Mädchen hin und her.

„Nun, es ist so, das…“, fing Julia kleinlaut an und erzählte ein zweites Mal an diesem Tag die ganze Geschichte mit Denny und Chelsea.

 

„Waas? Und wo ist er jetzt? Etwa bei ihr zu Hause?“, fragte Elliot sofort nach und machte bereits Anstalten seinen Wagen aufzuschließen.

„Davon gehen wir aus. Vaughn ist auf dem Weg zu ihr.“, antwortete Julia.

„Wir machen uns sofort auf dem Weg. Und mit Andreas habe ich ein ernstes Wörtchen zu reden.“, rief Mirabelle drauflos und saß schon auf dem Beifahrersitz, als die anderen einstiegen.

 

Sie wollten gerade losfahren, als sie Nathalie herbeigerannt sahen. Schnell sammelten sie sie noch ein und während der gesamten Fahrt ließ Mirabelle eine gewaltige Schimpftriade auf die geknickten Mädchen los.

 

+++++
 

Chelsea spürte das jemand direkt hinter ihr stand und sie ahnte auch wer es sein musste. Entschlossen bürstete sie das Pony weiter, obwohl sie vor Angst zitterte.

 

„Tag, Chelsea! Na sowas! Bist du etwa ganz allein?“ Denny stellte sich direkt hinter sie. Sein Körper war so nah, dass Chelsea ihn atmen hören konnte.

„Was willst du?“

Chelsea hoffte, dass ihre Stimme sicher klang, doch sie bezweifelte es stark an, denn die Bürste in ihrer Hand konnte sie kaum noch halten. Sogar dem Pony fiel auf, das etwas nicht stimmte.

 

„Was ich will? Du weißt genau, was ich will.“, antwortete Denny und genoss die Situation in vollen Zügen.

„Warum zitterst du so?“

Ohne Vorwarnung hatte Denny Chelsea gepackt und ihr eine Hand auf dem Mund gelegt, damit sie nicht um Hilfe schreien konnte. Chelsea war starr vor Schreck. Furcht stieg in ihr auf und ihr Puls beschleunigte sich.

 

„Aber, aber, Chelsea. Du kennst mich doch. Es ist nicht das erste Mal, das wir uns so nahe sind, erinnerst du dich? Sei ein braves Mädchen und komm ohne Widerstand mit. Ansonsten kann ich dir nicht garantieren, dass du heil aus dieser Sache wieder raus kommen wirst.“

 

Chelsea wusste, dass ihr keine Wahl blieb, und dass es bloß ein leeres Versprechen war. Sie war sich sicher, dass Denny ihr wehtun würde. Ihre Gedanken wanderten zu Vaughn und ihrem Vater. Beide waren zu weit weg, um ihr zu Hilfe zu eilen. Ihr Vater vertraute Denny, weswegen er bestimmt nicht nach ihr sehen würde. Und Vaughn…

Sie wusste nicht, wo sich Vaughn gerade aufhielt und hoffte nur, dass ihr irgendetwas einfallen würde, um sich selber irgendwie aus dieser misslichen Lage zu befreien. Ihr fielen die Verteidigungsgriffe ein, die sie erst kürzlich im Selbstverteidigungskurs, zusammen mir ihren Freundinnen gelernt hatte, aber keine davon konnte sie in dieser Situation gezielt anwenden. Außerdem hatte sie viel zu viel Angst. Ihr Körper hätte ihr bestimmt nicht so gehorcht, wie sie es jetzt brauchte.

 

Doch, erstmal musste sie abwarten, wo Denny sie hinbringen würde. Machtlos ließ sie sich von ihm aus dem Stall schleifen. Zuvor wurden ihr die Augen zugebunden und die Hände gefesselt. Im Anschluss daran wurde sie geknebelt. Nun wurde sie in einen kleinen Transporter gezehrt und befand sich nun in ihm liegend.

„Ein Glück, dass es bereits dunkel wird, dadurch fällt niemanden auf, dass du hinten im Wagen liegst.“, erklärte Denny und startete den Wagen. „Zudem sind die Scheiben getönt. Praktisch, nicht wahr?“, lachte er auf und fuhr mit einer vor Angst zitternden Chelsea lässig vom Hof runter.

 

Wo ist Chelsea?

Kapitel 43

Wo ist Chelsea?

 

 

Die Sonne ging unter. Gerne schaute Andreas diesem Farbenspiel zu, wenn der Himmel sich rot-orange färbte. Bei diesem Anblick ließ er den jetzigen Tag ein letztes Mal Revue passieren. Meistens freute er sich, über alles, was er am Tag geschafft hatte. Dann ging er mit einem zufriedenen Gefühl zu später Stunde ins Bett und bereitete sich auf den nächsten Morgen vor.

Doch heute fehlte ihm dieses Glücksgefühl. Bereits tausendmal hatte er hin und her überlegt, ob er zu streng zu seiner Tochter gewesen war. Ihre Körperhaltung hatte eindeutig gezeigt, dass sie nicht mit Denny zusammen arbeiten wollte und dennoch hatte er es ignoriert.

 

Er war enttäuscht und wütend auf seine Tochter gewesen. Die Geschichte mit Vaughn und das sie einfach weggelaufen war, dass konnte er nicht so einfach hinnehmen und schon gar nicht verzeihen. Für dieses Fehlverhalten machte Andreas einzig und allein Vaughn verantwortlich. Von Anfang an hatte er gewusst, dass dieser Typ ein schlechter Kerl war, dass er etwas verbarg und einen schlechten Einfluss auf andere ausübte. Gerade seine Chelsea war auf ihn hereingefallen.

Andreas machte sich deswegen Vorwürfe. Er hätte besser auf Chelsea aufpassen müssen.

 

Allerdings dachte er, dass Chelsea inzwischen alt und vernünftig genug war, um sich nicht so leichtsinnig einem Typen hinzugeben. Er mochte sich gar nicht vorstellen, was dieser Kerl alles mit ihr angestellt hatte. Immerhin waren sie zwei Nächte zusammen gewesen.

Seine unschuldige Chelsea. Sie war doch noch ein Kind.

Es ist noch gar nicht lange her, da hatte er sie noch auf den Armen gehalten und sie tröstend in den Schlaf gewiegt, wenn sie geweint hatte. In diesen Stunden hatte er geschworen, sie vor jeglichem Unheil zu beschützen. Darunter fielen eben auch solche Kerle wie Vaughn einer war. Vorbestraft und ohne Hemmung, einfach mal nebenbei eine Schlägerei anzufangen. Noch dazu auf einen physisch kleineren.

 

Es war auf jeden Fall besser so, wenn Chelsea keinen Kontakt mehr zu ihm haben würde. Es war seine Pflicht als Vater, seine Tochter zu beschützen und das wird er auch tun.

Mit neuem Mut und der Überzeugung richtig zu handeln, machte Andreas sich auf dem Weg zu seiner Tochter, um ihr ein letztes Mal klarzumachen, dass er nur das Beste für sie im Sinn hatte und sie seine Entscheidung akzeptieren musste.

 

+++++

 

Vaughns Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Der Verkehr wurde langsam wieder in Gang gesetzt, nachdem die Polizei endlich ihre Arbeit beendet hatte, die Unfallwagen beiseite geschafft wurden und man sich vergewissert hatte, dass niemand verletzt wurden war.

In dieser Zeit hatte Vaughn eisern überlegt, ob er zu Fuß weitergehen sollte, doch der Weg wäre eindeutig zu weit gewesen. Jetzt, wo er die Fahrt wieder aufnehmen konnte, kommt es zeitlich wahrscheinlich auf dasselbe hinaus.

 

Sobald die Polizei außer Sichtweite war, beschleunigte er sein Tempo und gab Gas. Knapp 20 Minuten später fuhr er bei Andreas auf dem Hof vor und sprang schleunigst aus seinem Auto.

 

Er wusste  nicht, wo er mit seiner Suche nach Chelsea beginnen sollte und lief schnurschracks zur nächsten Stalltür, die offen stand. Wie es das Schicksal so wollte, rannte er beim Eintreten beinahe Chelseas Vater über dem Haufen.

 

„Verzeihung, ich…Sie?“ Vaughn blieb wie angewurzelt stehen. Andreas war ebenfalls verblüfft, Vaughn so schnell auf seinem Grundstück wieder zu sehen.

„Was willst du hier? Habe ich dir nicht gesagt, dass du mein Grundstück nicht wieder betreten sollst?“

„Schon, aber es ist wichtig. Wo ist Chelsea?“

„Meiner Tochter wirst du nicht wieder zu nahe kommen. Verschwinde augenblicklich!“

 

„Sagen Sie mir wenigstens wo Chelsea ist und ob mit ihr alles in Ordnung ist?“, drängelte Vaughn und blieb beharrlich an Ort und Stelle stehen.

„Was geht dich das überhaupt an?“, blaffte Andreas zurück, wobei er sich immer wieder nach allen Seiten umsah. Vaughn blieb dies nicht verborgen.

„Suchen Sie sie etwa gerade selber? Wo ist Denny?“

„Wie? Was soll das hier werden? Verdammt nochmal!“

 

Andreas verstand die Welt nicht mehr. Zuerst konnte er seine Tochter nicht finden. Dann tauchte Vaughn unvermittelt auf. Als wäre das nicht schon genug, fiel ihm auch jetzt erst auf, dass Denny genauso wenig anzutreffen war wie Chelsea. Was hatte das alles zu bedeuten?

 

„Was weißt du über Denny?“, fragte Andreas resigniert Vaughn, der überrascht die Augenbrauen hob. „Und warum hat meine Tochter eine Abneigung gegen ihn?“

Wohl eher Angst, dachte Andreas, wollte diesen Gedanken aber nicht weiter zu lassen.

„Das ist kompliziert.“, antwortete Vaughn und wusste nicht so recht, ob er es Andreas erzählen sollte. Normalerweise schon. Denn er war ihr Vater, aber was wurde dann mit Mark? Chelsea wollte nicht, dass ihr Vater jemals davon erfuhr, aber…das Versteckspiel musste endlich ein Ende haben.

„Ich erzähle es Ihnen, aber bitte, hören Sie mir bis zum Ende zu. Chelsea war es sehr wichtig, dass es verschwiegen wurde, was ich Ihnen nun sagen werde.“

 

Vaughn begann zu erzählen. Kein Detail ließ er aus. Er berichtete, wie er Chelsea zufällig in der Stadt gesehen hatte, obwohl sie Hausarrest hatte, aber mit Denny eine Verabredung hatte. Mark diente dabei als Alibi, damit Andreas nichts davon erfuhr.

Vaughn hatte Chelsea und Denny keine Sekunde aus den Augen gelassen, weil er irgendwie Denny nicht über den Weg traute. Seine Befürchtungen wurden auch noch bestätigt, als er kurz mit ansehen musste, was Denny mit Chelsea machen wollte, obwohl sie nicht ihr Einverständnis dazu gegeben hatte.

 

Als Vaughn geendet hatte, verlor Andreas Gesicht sämtliche Farbe. Dann wurde er rasend wütend und packte Vaughn unsanft am Kragen.

„Ist das wirklich wahr? Du erzählst mir hier keinen Scheiß und warst es am Ende nicht sogar selber?“

„Haben Sie mir überhaupt richtig zugehört?“, brüllte Vaughn zurück und befreite sich aus Andreas harten Griff. „Wem glauben Sie eher, ihrer eigenen Tochter oder einem Fremden, der sich hier eingenistet hat? Ich bin mir sicher, dass Chelsea es Ihnen erzählen wollte.“

 

Nun dämmerte es Andreas, was Chelsea versucht hatte ihm mitzuteilen und  er ihr einfach kein Gehör schenken wollte. Für ihn war die ganze Zeit Vaughn der Übeltäter gewesen, der seine Tochter verführt hatte, weswegen sie sich von ihm abgewendet hatte. Denny hatte es ihm sogar noch bewiesen, dass Vaughn ein übler Kerl war mit einer längeren Vorgeschichte und einem Eintrag in seiner Akte. War er wirklich so blind gewesen? Konnte das alles wahr sein, dass sich Denny immer noch an seine Tochter ranmachen wollte? Und das auf grausame Art und Weise?

 

„Andreas, wo ist Chelsea? Ist sie noch hier?“, hakte Vaughn eindringlicher nach, der diese Ungewissheit nicht mehr aushalten konnte.

„Ich…ich weiß es nicht. Ich suche sie schon eine ganze Weile, aber sie ist nicht aufzufinden. Denny ist ebenfalls nicht da.“

„Verdammt!“

Mit einer Faust schlug Vaughn gegen die Hauswand. Er war zu spät gekommen. Wo könnte Denny mit ihr hingegangen oder gefahren sein?

„Besitzt Denny ein Auto?“

„Ja. Moment Mal, jetzt wo du es erwähnst, der kleine Transporter, den er fährt, steht nicht mehr auf dem Hof.“

Zitternd fuhr sich Andreas durch seine Haare und Schuldgefühle stiegen in ihm auf.

„Wie sieht es aus?“

 

Andreas gab Vaughn eine genaue Beschreibung des Fahrzeugs, sogar das Nummernschild konnte er ihm nennen. Vaughn bedankte sich und rannte wieder zu seinem Auto, als ein weiteres Fahrzeug mit Elliot, Mirabelle, Julia, Lana und Nathalie auftauchte.

Wie eine Furie stürmte Mirabelle aus dem Auto und eilte auf Andreas zu.

„Sag mal, bist du noch ganz bei Sinnen?“, zeterte sie sofort los, als sie direkt vor ihm zum Stehen kam. „Was soll dieser ganze Hickhack mit deiner Tochter und dann noch die Sache mit Denny? Wie konntest du so blind sein, Andreas?“

„Ich…ich…ich weiß nicht.“ Tränen rannen Andreas über das Gesicht. „Mein Gott, Mirabelle! Chelsea ist nicht da. Ich weiß nicht, wo sie ist. Und Denny ist ebenfalls nicht zu finden.“

 

„Oh nein! Vaughn, ist das wahr?“, wandte sich Nathalie an ihn. Dieser nickte bloß.

„Ich werde mich auf dem Weg machen und sie suchen. Ich denke nicht, dass er all zu weit mit ihr gefahren ist. Schließlich will er die Sache beenden, die er angefangen hatte.“

„Ich komme mit dir.“, meldete sich Julia zu Wort, doch Mirabelle hielt sie auf.

„Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ihr Mädchen bleibt allesamt hier und wartet auf ihre Rückkehr. Ihr könnt den Hof nochmal nach ihr durchsuchen. Elliot, Vaughn und auch du Andreas macht euch getrennt auf und sucht nach ihr. Inzwischen werde ich mit sämtlichen Nachbarn, Freunden und Bekannten telefonieren, vielleicht hat irgendeiner die beiden gesehen. Sollte ich etwas herausfinden, lasse ich es euch umgehend wissen. Haltet euer Handy griffbereit. Und jetzt, Abmarsch!“

 

Die Männer ließen es sich nicht zweimal sagen und fuhren einer nach dem anderen vom Hof.

„Werden sie Chelsea finden? Sollten wir nicht auch die Polizei benachrichtigen?“, fragte Lana und bemühte sich ihre Tränen zurückzuhalten.

„Keine Angst, mein Kind, die drei werden ihr Möglichstes tun. Selbstverständlich benachrichtige ich die Polizei. Sobald sie hier eintrifft, werdet ihr den Beamten alles erzählen, was ihr über Denny wisst. Habt ihr mich verstanden?“

„Ja.“

„Gut. Und jetzt, sucht hier noch mal alles ab. Vielleicht finden wir einen Hinweis oder dergleichen. Ich gehe in die Küche und werde anfangen zu telefonieren.“

 

Damit verstreuten sich alle Anwesenden und hofften auf eine Spur, die sie schnell zu Chelsea führen würde.

 

 

Regis handelt

Kapitel 44

Regis handelt

 

 

Sabrina saß wie betäubt auf dem Toilettensitz und starrte das Röhrchen in ihrer Hand an. Sie hatte es geahnt und bereits gewusst, dass es soweit kommen würde. Dass das Zusammensein mit Tom die Folge sein würde. Doch, dagegen unternommen hatte sie nichts. Seit der letzten Feier bei ihr zu Hause, hatte sie Tom auch nicht wieder gesehen gehabt. Gemeldet hatte er sich ebenfalls nicht, was sie nicht im Geringsten überrascht hatte. Er hatte lediglich seinen Spaß mit ihr gewollt, um ein körperliches Vergnügen an ihr zu stillen. Nun, das hatte er getan. Sogar zweimal und Sabrina hatte sich nicht getraut, sich zu wehren.

 

Warum eigentlich nicht? Jetzt, in diesem Moment, wo sie das Resultat in ihren Händen hielt, schien es ihr so abwegig, als wäre sie nicht sie selbst gewesen. Warum hatte sie sich nicht gewehrt? War es die Angst vor Tom oder viel eher vor ihrem Vater gewesen? Jedoch, warum glaubte sie, dass sie Angst vor ihrem Vater hierbei haben musste? Immerhin war es offensichtlich gewesen, dass Tom sie bedrängt hatte und ihr buchstäblich keine andere Wahl gelassen hatte, als mit ihm zu schlafen. Ein Missbrauch war somit ausgeschlossen. Denn Sabrina war noch viel zu jung und vor allem unerfahren gewesen, um die Situation erfolgreich alleine abweisen zu können.

 

Die Angst für ein mögliches Fehlverhalten ihrerseits bestraft zu werden, war größer gewesen, als sich ohne Verhütung beim ersten Sex, spätestens nachdem zweiten Mal schwängern zu lassen. Welch Ironie, dabei hat eine Schwangerschaft viel größere und weitreichendere Konsequenzen, als eine Strafpredigt vom eigenen Vater.

Was sollte sie also tun? Das Kind bekommen oder es abtreiben lassen?

 

Bisher hatte Sabrina andere Mädchen, die in Teenagerjahren ein Kind bekamen, nicht verstehen können, warum sie so leichtfertig mit Sex in ihrem Alter umgehen konnten, ohne eine entsprechende Verhütung. In diesem Augenblick empfand Sabrina Verständnis für diese Mädchen, wobei ihr natürlich klar war, dass die Rahmenbedingungen in jedem Fall unterschiedlich sein konnten. Doch Sabrina war seit jeher gegen jede Art von Mord. Den Embryo in ihrem Unterleib zu entfernen, das konnte und wollte Sabrina nicht. Schließlich hatte Sabrina den Fehler in diesem Fall begangen und nicht das ungeborene Kind.

 

Selbstverständlich wusste sie, dass sie es ihrem Vater beichten musste, und sie wusste, dass es keine leichte Aufgabe werden würde. Entschlossen stand Sabrina auf, warf das positive Testergebnis in den kleinen Mülleimer neben der Toilette, wusch sich gründlich ihre Hände und sah in ihr eigenes Spiegelbild.

 

Zwar waren ihre Augen rotgeschwollen, da sie endlos viele Tränen vergossen hatte, aber sie konnte ziemlich deutlich das Leuchten in ihren Augen aufblitzen sehen. Ihre Haare waren zerzaust und hingen wirr über ihren Schultern, doch ihre Augen strahlten ununterbrochen. Ein letztes Mal holte Sabrina tief Luft und wusste genau, was sie nun zu tun hatte.

 

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Vaughn fuhr wie ein Besessener durch die Gegend und hielt krampfhaft Ausschau nach einem möglichen Anhaltspunkt, der etwas über Chelseas Verbleib verraten könnte. Eine halbe Stunde war vergangen, als er von Andreas Hof gefahren war und mit jeder Minute die verging, machte er sich zunehmender Sorgen. Er befürchtete, dass es möglicherweise schon zu spät sein könnte, doch daran wollte er nicht denken. Allerdings war nicht zu leugnen, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wie lange Chelsea bereits in den Händen dieses Verbrechers war. Er hoffte inständig, dass sie noch wohlauf war und Denny noch nicht die Zeit hatte, sich an Chelsea zu vergehen.

 

„Verrate mir, wo du bist Chelsea.“, flüsterte Vaughn und nahm die nächste Linkskurve.

 

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Ein Donnerwetter brach in Regis Anwesen aus. Sämtliche Bedienstete verhielten sich mucksmäuschenstill und wagten es nicht in die Nähe von Regis Büro zu gehen, in dem der Herr seit einer Viertelstunde ununterbrochen rasend vor Wut tobte.

Zuerst war er von seinem Stuhl aufgesprungen, war mit Fragen über seine Tochter hergefallen. Dann rief er bei seinem langjährigen Freund an und verlangte dessen Sohn, der ihm Rede und Antwort stehen sollte. Danach sprach er wieder mit dessen Vater, wobei Regis seinem Gegenüber ständig ins Wort fiel. Er verkündete, dass ihre Freundschaft vorbei wäre und sich sein Sohn warm anziehen müsse, denn er würde sich ihn noch vorknöpfen.

 

Sabrina saß wahrenddessen auf einem Stuhl gegenüber vom Schreibtisch und hatte ihre Hände, wie zu einem Gebet, ineinander verschränkt. Stumm hörte sie ihrem tobenden Vater zu und ließ ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen.

 

Als Regis endlich mit seinem Telefonat fertig war, setzte er sich erschöpft an seinen Schreibtisch und bedachte seine Tochter mit einem finsteren Blick.

 

„Wieso warst du nicht zu mir gekommen und hast mir von diesem Tom erzählt?“ Regis sprach diesen Namen wie eine ansteckende Krankheit aus. „Wie er wirklich ist und was er von dir verlangt hat?“

„Ich hatte Angst.“, gab Sabrina ein wenig traurig, aber mit fester Stimme zu. „Angst vor Tom, dass er eventuell gröber mit mir umgehen würde, wenn ich nicht mitmachte. Auf der anderen Seite hatte ich auch Angst vor dir, Vater. Ich wusste nicht, ob du mir glauben würdest, weil du mit seinem Vater bereits mehrere Jahre befreundet bist. Ich wollte nicht, dass du schlecht über ihn denkst. Immerhin war es sein Sohn gewesen, der mir das angetan hat und nicht sein Vater. Außerdem muss ich zugeben, Vater, dass dein Wort in unserem Haus Gesetz ist. Du wolltest von Anfang an, dass ich eine Verbindung mit Tom eingehe, die unsere Familien miteinander verbinden sollte. Warum auch nicht? Der Grundgedanke war kein schlechter von dir. Aber, weißt du, Vater, ich vermisse meine Freunde. Ich vermisse Chelsea, Nathalie, Julia und Lana und meine alte Schule. Mit ihnen konnte ich lachen, Spaß haben und zusammen lernen. Hier, zu Hause, kann ich nur lernen. Ich fühlte mich einsam, seitdem du mich von der Schule genommen und mich von meinen besten Freunden entfernt hast. Die Privatschule ist nicht der richtige Ort für mich. Die Leute dort sind viel zu überheblich und oft so steif, so förmlich, dass ich mich dort alles andere als wohl und willkommen fühle. Vielleicht hatte ich bei Tom auf diese Art Nähe gesucht, die ich schmerzlich vermisse. Ich gebe zu, dass es nicht richtig war, dass ich mich nicht gewehrt hatte, aber ich war, ich fühle mich seit Wochen allein. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte, um dieser Einsamkeit zu entgehen.“

 

Lange und intensiv schaute Regis seine Tochter an und konnte nicht anders, als Stolz für sie zu empfinden. Er sah ihr an, dass sie alles andere als glücklich war, doch sie bewies ihm gegenüber eine Stärke in dieser Situation, die ihn mit gewaltigem Stolz erfüllte. Obwohl Sabrina die Leidtragende aus dieser Misere war, blieb sie standhaft, sah ihm offen ins Gesicht und teilte ihm ihre Meinung mit. Ihre Ehrlichkeit erfreute und beschämte ihn zugleich. Er hatte nicht gewusst, wie streng sein Verhalten, seine Erziehung wirklich war und das seine einzige Tochter Angst vor ihm gehabt hatte. Bisher ging er davon aus, dass es Respekt war, aber keine Angst. Wie sehr er sich getäuscht hatte, dass sah er jetzt und er musste es wieder gut machen.

 

„Es tut mir Leid, mein Kind.“

 

Regis hatte sich von seinem Platz erhoben und seine Tochter liebevoll in den Arm genommen.

„Ich hatte keine Ahnung, wie einsam du bist. Das soll sich rasch wieder ändern. Wenn es dir so wichtig ist, dann sollst du wieder auf deine alte Schule mit deinen Freunden gehen und mit ihnen zusammen Spaß haben. Denn ich hoffe, du glaubst mir, dass ich nur das Beste für dich wollte. Ich war so überzeugt von meinen Idealen und Ansichten gewesen, dass ich es versäumt hatte, dich nach deiner Meinung zu fragen und ob du es genauso willst.“

„Ich liebe dich, Vater.“, schluchzte Sabrina und begrub ihr Gesicht an Regis Brust.

 

In diesem innigen Moment schrillte das Telefon. Genervt von dieser Störung nahm Regis den Hörer ab und blaffte unfreundlich in den Hörer. Doch, als er hörte wer dran war und was ihm gesagt wurde, wurde er schnell wieder ernst.

 

„Was ist passiert?“, fragte Sabrina nachdem sie das versteinerte Gesicht ihres Vaters sah.

„Chelsea.“, antwortete er.

„Was ist mit ihr?“

„Mirabelle hatte soeben angerufen. Chelsea wird seit einer Stunde vermisst.“

„Oh Gott!“, rief Sabrina aus und schlug sich ihre Hände vor dem Mund. „Wie ist das passiert? Was hat dir Mirabelle alles gesagt?“

 

Ruhig berichtete Regis, was Mirabelle ihm erzählt hatte. Während der Erzählung war Sabrina zunehmend bleicher geworden.

 

„Wir müssen etwas tun, Vater!“ Entschlossen ballte Sabrina ihre Fäuste und reckte ihr Kinn. „Dieser Mistkerl muss bestraft werden. Bitte, Vater, lass uns an der Suche beteiligen.“

 

„Wir machen uns sofort auf dem Weg.“

Gefangen

Kapitel 45

Gefangen

 

 

Angst. Bisher hatte Chelsea geglaubt zu wissen, was dieses Gefühl ist und was es bedeutet, wenn man es empfindet. Doch, wenn man diesem Gefühl in einer Situation ausgesetzt ist, in der man sich nicht in der Lage sieht, sich daraus jemals wieder zu befreien, dann weiß man, was Angst eigentlich ist.

Wenn in den Medien über Entführungen berichtet wurden war, hatte Chelsea Mitleid mit den Opfern gehabt und gehofft, es niemals selber erleben zu müssen. Denn dieses Gefühl der Machtlosigkeit, was neben der Angst einhergeht, machte das Ganze noch hoffnungsloser.

 

Wie lange sich Chelsea schon in dem dunklen Raum befand, wusste sie nicht. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, und hoffte einzig darauf, unbeschadet aus dieser Lage wieder herauszukommen. Zumindest so gut wie unbeschadet. Denny würde gewiss nicht sanft mit ihr verfahren, davon war sie felsenfest überzeugt. Dass er sie gefesselt hat, sprach schon für seinen bösen Charakter. Ihre Handgelenke taten entsetzlich weh. Langsam glaubte sie, dass Gefühl in ihren Händen zu verlieren. Es wurde auch nicht besser, da sie auf einem Bett gefesselt lag. Ihre Hände waren am Bettgestell am Kopfende festgebunden. Außerdem trug sie nur noch ihre Unterwäsche und ihr weißes Unterhemd. Warum Denny sie nicht gleich komplett entkleidet hatte, wusste sie nicht. Chelsea vermutete, dass es zu seinem perversen Spiel gehörte, und das ganze somit noch aufregender gestaltete.

 

Des Weiteren zitterte sie am gesamten Körper. Egal, wo sie sich momentan befand, der Raum wurde definitiv nicht geheizt. Zudem hatte Denny sie vorübergehend alleine gelassen, um sich über die anderen Spielfiguren zu amüsieren. Dies waren seine letzten Worte gewesen, kurz bevor er gegangen war.

Für Chelsea war die Tortur eine Qual. Garantiert meinte er mit den Spielfiguren Vaughn und ihren Vater, wen auch sonst. Inzwischen war ihnen sicher aufgefallen, dass sie sich nicht mehr auf dem Hof bei ihrem zu Hause aufhielt.

 

Je länger Chelsea über die bisherige Entwicklung nachdachte, desto wütender wurde sie. Sie hatte es in keiner Weise vorausgesehen, geschweige denn geahnt, dass so etwas passieren würde. Es machte überhaupt keinen Sinn. Wie krank, bzw. gestört musste Denny sein, das er zu so einer Tat in der Lage war? Auch wenn Chelsea am Anfang, sich nicht sicher gewesen war, was sie von Denny halten sollte, hätte sie ihm diese Entführung bestimmt nicht zugetraut. Eigentlich niemanden, den sie kannte oder mit dem sie indirekt zu tun hatte. Das zeigte mal wieder, wie wenig man seine Mitmenschen überhaupt kannte oder glaubte sie wirklich zu kennen.

 

Verzweifelt versuchte Chelsea sich aus ihren Fesseln zu befreien. Dadurch, dass ihre Beine nicht gefesselt waren, konnte sie sich zumindest aufrichten und auf ihre Knie hocken. Leider, konnte sie im Dunkeln nicht all zu viel erkennen. Zwar schien der Mond, doch hauptsächlich wurde er von Wolken bedeckt. Von Zeit zu Zeit sogar vollständig, sodass Chelsea für einige Minuten komplett im Dunkeln lag.

So groß ihre Angst von Minute zu Minute wurde, desto größer wurde auch ihr Zorn auf Denny, der sich einen Spaß daraus dachte, andere Leute zu quälen. Hatte er das schon häufiger getan, fragte sich Chelsea in diesem Moment und versuchte mit ihren Zähnen das Seil an ihren Händen zu durchbeißen…

 

+++++
 

Denny liebte es, wenn seine Vorhaben nach Plan verliefen. Für seine überlegene Intelligenz, die er glaubte zu besitzen, und seinem übergroßen Ego waren es Bestätigungen, der besonderen Art. Bis vor kurzem hätte er niemals damit gerechnet jemanden zu entführen, aber diese Chelsea und ihr Volltrottel von einem Freund hatten es quasi darauf angelegt. Hätte Vaughn seine Chance im Wald mit Chelsea nicht vereitelt, könnten jetzt alle zufrieden leben. Er hätte sich weiterhin als harmloser, freundlicher Schüler ausgegeben und sich mit zahlreichen jungen Mädchen vergnügt.

Bisher hatte er es immer geschafft Mädchen oder Frauen rumzukriegen, sie zu verführen, obwohl sie teilweise auch in festen Händen waren. Manchmal hatte es mehr Überredungskunst bedurft, wenn sich einige von ihnen anfangs geweigert hatten, aber am Ende war er immer der Sieger gewesen und hatte bekommen, was er wollte. Es wäre auch noch schöner gewesen, wenn eine Frau der Meinung war, dass sie sich ihm so einfach entziehen und verwehren konnte.

 

Wie lange er Chelsea noch zappeln lassen würde, wusste er nicht. Auf seinem spontanen Abstecher zurück in die Stadt hatte er Vaughn in einem vorbeifahrenden Auto entdeckt und sich köstlich über das angespannte Gesicht dieses Idioten amüsiert. Jetzt saß er in einer Kneipe, trank sein zweites Glas Bier und grinste diabolisch.

Wohl wahr, niemand konnte es mit ihm aufnehmen. Sollte dieser Vaughn weiter nach seiner kleinen Freundin suchen, finden würde er sie garantiert nicht.

Und was ihn betraf, er würde auch in Zukunft der unangefochtene Sieger bleiben.

Es gibt Hoffnung

Kapitel 46

Es gibt Hoffnung

 

 

Wie viel Zeit inzwischen verstrichen war, nachdem Vaughn zur Suche nach Chelsea aufgebrochen war, wusste er nicht. Innerlich kam es ihm unendlich lang vor. Je mehr Zeit verging, desto mehr Sorgen machte er sich. Sämtliche Feldwege und Straßen war er bereits etliche Male abgefahren ohne auf eine Spur von Chelsea zu stoßen.

Allmählich schwand die Sonne am Horizont und es wurde zunehmend kälter. Eigentlich war es noch viel zu früh für den ersten Schnee in diesem Jahr, obwohl es Ende November war, aber der rasche Temperaturabfall und die elektrisierende Kälte in der Luft deuteten darauf hin. Als hätte die Natur sich zusätzlich gegen ihn verschworen.

 

Andreas und Elliot erging es nicht anders. Eine kurze Rücksprache über Handy brachte die Männer auch nicht weiter. Bei Andreas hatte es zur Folge gehabt, dass er unwillkürlich in Tränen ausgebrochen war, nachdem er das Telefonat mit den anderen beendet hatte. Gerade er machte sich die größten Vorwürfe, weil er viel zu stur gewesen war, um auf seine Tochter zu hören, als sie ihm von Dennys wahrem Charakter erzählen wollte. In seiner Verzweiflung musste er sich eingestehen, dass er einfach nicht akzeptieren wollte, dass sein kleines Mädchen langsam erwachsen wurde und gerade deswegen anfing, eigene Entscheidungen zu treffen. Speziell, was die Sache einen männlichen Freund haben oder nicht haben, betraf, musste bei ihm eine Synapsenverbindung im Gehirn unterbrochen haben.

Aus irgendeinem Grund wollte er sie für immer bei sich haben, sie behüten und beschützen, weil sie ihrer verstorbenen Mutter, seiner geliebten Frau, so faszinierend ähnlich sah. Öfter hatte er das Gefühl gehabt, dass nicht seine Tochter, sondern seine Frau vor ihm gestanden hatte, wenn er sie morgens als erster in der Küche erblickt hatte.

Selbstverständlich war und blieb Chelsea seine Tochter, das hatte er nie aus den Augen verloren, aber er hatte sich dennoch, manchmal gewünscht, dass sie seine Frau wirklich gewesen wäre. Als wäre sie nie von ihm gegangen und hätte ihn nie alleine gelassen.

 

Wut überkam dem besorgten Vater. Gewaltige Wut über seine Frau, die ihn im Stich gelassen hatte, obwohl sie sich versprochen hatten, immer füreinander da sein, egal was auch passieren möge. Zusätzlich schimpfte er auf Gott, der es gewagt hatte seine Frau so früh von ihm zu nehmen. Viel zu früh war sie aus seinem Leben gerissen wurden. Er musste ihren gemeinsamen Sohn und Tochter alleine großziehen und nebenbei seinen Betrieb am Laufen halten.

Einsame Nächte waren die Folge. Keiner Frau konnte er sich wieder so bedingungslos hingeben und gemeinsam mit ihr fühlen, obwohl er es versucht hatte. Doch hierbei war es immer viel mehr um sein körperliches Bedürfnis nach einer Frau gegangen, als eine neue intime Beziehung aufzubauen. Viele hatten versucht ihm näher zu kommen, waren bereit seine Kinder mit ihm großzuziehen. Sogar seine Freunde, Chen und Mirabelle hatten versucht, ihm einzureden, dass er sich wieder eine Frau an seiner Seite suchen sollte. Es hatte alles nichts gebracht.

Andreas konnte und wollte seine geliebte Frau nicht vergessen. Sie war sein ein und alles gewesen. Niemand hätte sie ersetzen können.

 

Mit den restlichen Tränen in den Augen setzte er die Suche nach seiner Tochter fort. Inständig hoffte er, dass sie unversehrt sein würde, wenn er sie finden sollte. Denn, sollte dies nicht so sein, dann würde keine Macht der Welt ihn davon aufhalten, ohne Gewissen auf Denny loszugehen, wenn er seinem Mädchen wehgetan haben sollte…

 

+++++
 

Zur selben Zeit, während die Männer die Gegend nach Chelsea durchkämmten, telefonierte Mirabelle wie eine Besessene. Sämtliche Nummern aus Andreas Adressbuch ratterte sie rauf und runter, um einen Anhaltspunkt nach Chelseas Verbleib zu erhalten. Waren die Nummern ausgeschöpft, packte sie zugleich das örtliche Telefonbuch und versuchte weiterhin ihr Glück. Ihre Miene verriet keinerlei Reaktion, sei es Trauer oder Resignation, wenn keiner der angerufenen Personen Mirabelle einen Hinweis geben konnte. Gefasst und mit einer tiefen Falte zwischen den Augenbrauen wählte sie schon die nächste Nummer aus dem Verzeichnis.

 

Die Polizei war ebenfalls informiert wurden. Jedoch, da Chelsea kein kleines Kind mehr war, und Anzeichen für eine gewaltsame Entführung nicht vorlagen, konnten die Beamten nichts ausrichten, geschweige denn irgendetwas unternehmen.

Daraufhin waren Nathalie, Julia und Lana fuchsteufelswild auf die zwei Herren losgegangen, die aufgrund des Anrufes eintrafen und hatten mit lauter Stimme zornig auf sie eingeredet und mehrere Male angehalten, doch etwas zu unternehmen. Allerdings hatten die zwei sich nicht sonderlich davon beeindrucken lassen und verlautet, dass Chelsea immerhin auch freiwillig mit diesem Denny gegangen sein könnte. Zumal über Denny kein Eintrag im Strafregister vorlag.

 

Diese Spekulation war zu viel für die jungen aufgebrachten Damen gewesen und beschimpften die Polizei mit wüsten Ausdrücken. Allein Mirabelles Einschreiten war es zu verdanken, dass die Mädchen nicht auch noch wegen Beamtenbeleidigung verhaftet worden waren. Aber auch sie, machte ihren Standpunkt zu der Sache gegenüber den Polizisten deutlich und bat sie höflich aber resolut so schnell wie möglich den Hof zu verlassen. Immerhin mussten sie und die Mädchen eine vermisste Person suchen.

 

Im Anschluss an diese Pleite hatte sich Julia umgehend auf ein Pferd geschwungen und die nahegelegene Umgebung, bis die Sonne vollständig untergegangen war, abgesucht. Leider ohne Erfolg.

Die vier Freundinnen hätten noch lange nicht mit der Suche nach ihrer Freundin aufgehört, wenn Julias Mutter nicht so vehement darauf bestanden hätte, dass sie sich im Haus aufwärmen und ausruhen sollten. Mirabelle hatte eine warme Suppe gekocht, doch keiner von ihnen spürte großen Appetit, nicht einmal Mirabelle selber, die sich nur in die Küche gestellt hatte, um sich von der ganzen Situation und ihren eigenen Sorgen abzulenken. Der harte Nachmittag hatte auch bei ihr Spuren der Erschöpfung und geringer Hoffnungslosigkeit hinterlassen.

 

Zur späten Stunde kamen auch schließlich Elliot und Andreas zurück. Keiner von ihnen brachte gute Nachrichten und selbst die Frauen konnten die Männer nicht aufmuntern. Lana suchte unter Tränen, die sie nicht mehr länger zurückhalten konnte, Schutz in Elliots starken Armen. Bitterlich weinte sie sich an seiner Schulter aus. Keiner der Anwesenden unternahm etwas, um Lana zu besänftigen. In diesem Moment dachte jeder von ihnen dasselbe.

Es ging auf Mitternacht zu und es gab keine Spur, die auf Chelsea und Denny hindeutete. Andreas verzog sich niedergeschlagen in sein Büro zurück und schloss die Tür hinter sich ab. Niemand folgte ihm.

 

Es blieb ihnen nichts anderes mehr übrig, als auf Vaughn zu hoffen, der sich weder gemeldet hatte, noch war er inzwischen zurückgekehrt. Doch er war der einzige, auf den sie noch Hoffnung bauen konnten.

 

+++++
 

Vaughn fuhr seit einiger Zeit im Kreis. Als die Sonne noch ein wenig schien, konnte er einen Punkt, besser gesagt, eine kleine Hütte ausmachen, die nicht all zu weit von ihm schemenhaft sichtbar war. Da allerdings, das Sonnenlicht schon verschwunden war, konnte er auch keinen geeigneten Weg entdecken, der ihn zielstrebig zu dem kleinen Haus geführt hätte. Durch seine Umgebung wusste er, dass er nicht weit entfernt von Andreas Hof war. Wie er das Häuschen zuvor übersehen konnte, war und blieb Vaughn ein Rätsel, mit dem er sich aber nicht weiter befasste.

Entschlossen sprang er aus seinem Auto (es hatte sowieso, so gut wie keinen Sprit mehr), suchte im Kofferraum nach seiner Taschenlampe und lief eilig quer über das weite Feld. Dabei missachtete er das Schild, auf dem geschrieben stand, dass es hier Privatgelände war und somit für ihn der Zutritt verboten war. Demnach stellte auch der Zaun für ihn kein Hindernis dar.

 

Seine Hoffnung hielt ihn aufrecht und sorgte dafür, dass er zu allem entschlossen war um seine Chelsea wiederzufinden und aus den Klauen des Entführers zu befreien. Er wusste haargenau, was er mit Denny anstellen würde, wenn er ihn erstmal fand. Dieser Bastard hatte keine Gnade verdient.

 

Seine Schritte wurden immer schneller. Die Sonne war nun komplett untergegangen, doch durch seine Taschenlampe besaß er genügend Licht, um zu sehen, wohin er trat. Außerdem verlor er sein Ziel nicht aus den Augen. Natürlich wusste er, dass diese ganze Aktion auch sinnlos sein konnte und er wertvolle Zeit verschwendete. Allerdings wollte er daran glauben - musste er auch zwangsläufig – dass seine Mühe am Ende belohnt werden würde und er Chelsea schon recht bald wieder in seinen Armen halten würde. Ansonsten wäre er vermutlich wahnsinnig geworden.

 

Die Nachtgeräusche drangen an seine Ohren, doch er beachtete sie nicht. Auch sonst konnte er keine weiteren Lebensformen außer ihm ausfindig machen, die sich zu dieser späten Stunde auf dem Feld befanden. Vorhin, als er noch mehr Licht durch die Sonne zur Verfügung gehabt hatte, hatte er keine weiteren Häuser oder ähnliches im Umfeld ausmachen können, die in Verbindung zu dieser kleinen Hütte stehen.

Gerade diese Tatsache bestärkte ihn in seiner Annahme, dass Denny wohlmöglich diesen abgelegenen Ort aufgesucht haben könnte, um sich in aller Ruhe an Chelsea zu vergreifen ohne Angst davor haben müssen, von jemandem entdeckt zu werden. Im Grunde genommen wahnsinnig raffiniert, denn niemand von ihnen wäre auf die Idee gekommen so nah am eigenen zu Hause, Chelsea gerade dort zu suchen.

 

Deswegen fluchte Vaughn innerlich, schaltete sich für seine eigene Dummheit und beschleunigte noch einmal seine Schritte gen Hütte.

 

 

Gefasst

Kapitel 47

Gefasst

 

 

Endlich! Der Weg zur kleinen Hütte war doch länger gewesen als gedacht. Dumm war auch gewesen, dass Vaughn in der Dunkelheit (das spärliche Licht seiner Taschenlampe reichte dafür nicht aus) eine tiefe Mulde, die sich direkt vor ihm aufgetan hatte, nicht gesehen hatte. Somit landete er unvorbereitet auf allen Vieren und musste einen Schmerzenslaut unterdrücken. Denn seine Vermutung, dass Denny und Chelsea in dieser Hütte waren, könnte schließlich noch bestätigt werden. Aufgrund eines solchen Zwischenfalls möchte er sich keineswegs selbst verraten. Dann wäre die ganze Aktion umsonst gewesen.

Mühsam rappelte er sich wieder auf. Da seine Taschenlampe noch Licht spendete, konnte er diese leicht finden. Nach den ersten zwei Schritten spürte er derbe sein linkes Knie. Allerdings hatte er zum Nachsehen keine Zeit. Diesen Sturz verfluchte er bereits, weil er ihm wertvolle Sekunden gekostet hatte.

 

Zwar schmerzte sein Knie mit jedem weiteren Schritt mehr, den er ging, doch er ließ sich davon nicht aufhalten. Chelsea war schon zu lange verschwunden und er fühlte, wie seine Sorgen um sie stärker wurden. Er wollte sie endlich wieder in seinen Armen wissen, wo sie sicher wäre und niemand ihr jemals wieder schaden könnte. Sobald er sie in Sicherheit wusste, würde er jeden Tag ein Auge auf sie haben, damit so etwas nicht noch einmal passieren konnte. Und wenn ihr Vater immer noch was gegen ihn haben sollte, würde er schon einen Weg finden, um ihm klar zu machen, dass er nur die besten Absichten mit Chelsea hatte. Definitiv würde er sich auf ihn verlassen können. Niemals könnte er seiner geliebten Chelsea etwas Bösen wollen, geschweige denn antun. Niemals.

 

Nur noch wenige Schritte bis zu seinem Ziel. Er konnte deutlich die Tür vor sich ausmachen und streckte bereits seine Hand zum Türknopf aus, als ein Wimmern aus dem Inneren der Hütte an seine Ohren drang.

 

+++++
 

Einen letzten Schluck nahm Denny von seinem Bier und stellte es zufrieden auf dem Tisch vor ihm ab. Eine junge Frau räkelte sich lasziv auf seinem Schoß. Im Laufe der letzten Stunde war die Kneipe bersten voll geworden. Niemand störte sich an dem Treiben, welches in der hintersten Ecke des Raumes stattfand. Zumal einige der Anwesenden, dasselbe taten oder noch im weiteren Verlauf des Abends aus waren. Schließlich war die Kneipe berühmt für  seinen anzüglichen Ruf. Denny wusste, was die Frau an seinem Lendenbereich von ihm wollte. Die weiblichen Rundungen heizten ihn auch gehörig ein. Dennoch hielt er sich zurück. Bis zu einem gewissen Grad ließ er die Verführung zu, doch er war an diesem Abend noch auf etwas anderes aus, weswegen er, nachdem er sein Bier geleert hatte, die Frau bestimmt an der Hüfte packte und von seinem Schoß hob.

Irritiert starrte sie ihn an, aber er gab mit einem deutlichen Kopfschütteln zu verstehen, dass es mit ihnen beiden nichts werden würde und sie sich jemand anderen für ihre Spiele suchen sollte. Empört und sichtlich beteiligt, schnappte die aufgebrachte Frau ihren Mantel und ihre Handtasche, streckte Denny noch eine obszöne Geste entgegen und stapfte wütend davon.

 

Denny grinste über soviel Dramatik. Hin und wieder mochte er es Frauen dermaßen zu verärgern. Aufgrund seiner Eitelkeit wusste er genau, wie er auf Frauen wirkte, ganz besonders auf den Typ Frau, wie diese junge Dame, die soeben ein neues Ziel auserkoren hat. Daran war auch nichts zu ändern, bzw. wollte der junge Mann daran nichts ändern. Er spielte gerne raffinierte oder viel mehr intrigante Spiele, wobei es darum ging, Frauen für seine Bedürfnisse zu benutzen.

 

Die Zeit war schon recht weit fortgeschritten. Seine Gedanken wanderten wieder zu Chelsea, die er halbnackt in der Hütte zurückgelassen hatte. Ein perfides Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Er war sich absolut sicher, dass niemand aus ihrer Familie oder ihre Freunde auf die Idee kommen würden, ihre Vermisste so nah an ihrem eigenen zu Hause zu suchen. Manchmal überraschte ihn seine eigene Intelligenz, die ihn immer wieder aufs Neue bewies, was für ein hinterhältiger Kerl er doch war.

 

Nachdem er einen Schritt vor die Kneipe gesetzt hatte, stellte er doch überraschend fest, dass es kälter geworden war, als er angenommen hatte. Er wusste nicht, wie warm es jetzt noch in der Hütte sein würde und wollte lieber schneller zurückeilen als er eigentlich vorgehabt hatte. Denn ein kleiner Spaziergang hätte seine Vorfreude auf das Kommende noch erhöht. Jedoch wollte er nicht dafür verantwortlich sein, dass Chelsea wohlmöglich krank werden sollte oder Schlimmeres. Immerhin brauchte er sie gesund und munter. Es hatte ihn schon mehrfach in Erstaunen versetzt, dass er die geplante Entführung wirklich durchgezogen hatte. Anfangs war es bloß eine Gedankenspielerei gewesen, die seine Rachegedanken befriedigen sollte. Denn sein Stolz war doch sehr angeknackst gewesen. Dennoch sollte kein unbeabsichtigter Mord auf seinen Schultern lasten.

 

Er gab zu, dass er kein ehrlicher Mensch war. Lügen, Betrügen und Dokumentenfälschung, damit konnte er alles leben. In seinen Augen waren es kleinere Vergehen, die er je zu seinen Gunsten passend auslegte. Sein jungendliches Aussehen half ihm bei dem einen oder anderen Plan. Gerade jungen, heranwachsenden Frauen konnte er kaum widerstehen. Sie waren so leicht zu beeinflussen und noch so unschuldig, die die harte Realität erst noch kennen lernten. Sie waren sehr naiv. Genau das, was er brauchte, um seine Pläne in die Tat umzusetzen.

 

Selbstverständlich war ihm ebenfalls bewusst, dass er sich nach dieser Tat, in dieser Stadt nicht mehr ohne Weiteres blicken lassen konnte. Zwar gefiel ihm, dass er Vaughns Polizeiakte mit ins Spiel gebracht hatte, aber selbst wenn Chelseas Vater noch so einen großen Groll gegen Vaughn hegen sollte, er würde aussagen, dass Denny auf seinem Hof zur Tatzeit gewesen war und nicht Vaughn. Außerdem kam Entführung in Vaughns Vergangenheit nicht vor. Nun mehr war es eine unausweichliche Tatsache, dass er, Denny, verschwinden musste, sobald diese Sache gelaufen war. Allerdings kümmerte es ihn wenig. In den letzten Jahren war er häufiger von Stadt zu Stadt gezogen, weswegen ihn dieser Umzug auch nichts ausmachen würde. Hübsche, unschuldige, naive Frauen gab es überall. Ihm würde also nicht so schnell langweilig werden. Und den eigenen Namen zu ändern, war nun wirklich ein Kinderspiel für ihn.

 

Wenige Meter trennten ihn noch von seinem kleinen Transporter, indem er Chelsea zuvor transportiert hatte. Ein kalter Windhauch wehte ihm direkt ins Gesicht. Aus diesem Grund zog er seine Kapuze enger ins Gesicht. Dadurch entging ihm aber auch, dass sich einige finstere Gestalten, aus einer Nebengasse, ihm bedrohlich näherten.

 

+++++
 

Auf Andreas Anwesen war alles mucksmäuschenstill. Jeder der Anwesenden hing seinen eigenen betrübten Gedanken nach und hoffte auf ein baldiges Zeichen von Vaughn, der sie alle mit einer frohen Botschaft überraschen würde. Andauernd warf Nathalie einen Blick zum stummen Telefon und betete inständig, dass es jede Minute anfangen würde zu klingeln. Bisher jedoch vergebens.

Das letzte Mal, als das Telefon in Betrieb gewesen war, hatte Mirabelle mit Mark telefoniert. Bis zu diesem Moment war Mark in Unkenntnis gelassen wurden, aber da inzwischen mehrere Stunden nach Chelseas Verschwinden vergangen waren, hielt sie es für das Richtige ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Die Freundinnen und Elliot hatten Marks tobende und besorgte Stimme durch den Hörer gehört gehabt. Irgendetwas war im Hintergrund zu Bruch gegangen und er versprach so schnell wie möglich zu kommen.

 

Von da an war es gespenstisch still im Haus gewesen. Niemand sprach oder rührte sich. Über Lanas Gesicht lief hin und wieder eine einzelne Träne, die Elliot jedes Mal mit seiner Hand wegwischte, da das junge Paar eng aneinander geschmiegt auf dem großen Sofa saß, um sich gegenseitig Halt zu geben. Ganz besonders für Lana. Julia saß mit ihrer Mutter Hand in Hand auf der anderen Seite. Nur Nathalie saß an der Wand zum Telefon und wartete geduldig. Dass sie solange ruhig bleiben konnte, war ihr unbegreiflich, aber diese Misere war zuvor auch niemals da gewesen. Ungewöhnliche Situationen erforderten eben ungewöhnliche Maßnahmen und die junge Frau dachte zum ersten Mal in ihrem Leben ausschließlich an jemand anderen. Ihre eigenen Sorgen und Nöte waren wie weggeblasen. Eine absonderliche Tatsache, die sie zuvor noch nie erlebt hatte.

 

Weitere endlose Minuten vergingen, in denen nichts Neues passierte. Der Mond schien inzwischen hell am schwarzen Himmel und vereinzelte Wolken verdeckten ihn hin und wieder komplett.

Der Zeiger rückte stetig weiter. Das Ticken der großen Standuhr an der Wand im Raum wurde immer lauter. Das einzige Geräusch, das davon zeugte, dass die Welt nicht stehen geblieben war, obwohl es den Anwesenden ohne Ausnahme so vorkam.

Lange war nur die Uhr zu hören gewesen mit ihrem gleich bleibenden Rhythmus Tick-Tack, Tick-Tack.

 

Doch dann schrillte das Telefon. Jeder fuhr ruckartig zusammen und erhob seinen Kopf in die Richtung aus der das Geräusch so plötzlich kam. Nathalie war schon auf den Beinen, als  Andreas panisch angerannt kam und Nathalie endlich den Hörer abnehmen konnte.

 

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Vaughn hatte keine Sekunde gezögert, als er die Tür geöffnet hatte, die erstaunlicherweise nicht verriegelt war, und hechtete mit großen Schritten zur bibbernden Gestalt auf dem Bett, die keine andere als Chelsea war.

Die junge Frau hatte die Tür gehört, war aber zu schwach um sich in diese Richtung zu drehen. Ihr ganzer Körper war eiskalt. Ihre Lippen waren mittlerweile blau gefärbt, verkrustetes Blut klebte an ihnen, da sie versucht hatte, das Seil an ihren Händen zu durchbeißen, was ihr nur mäßig gelungen war. Keuchend kam ihr Atem, der einen Nebel vor ihrem Mund bildete.

 

Der junge Mann handelte schnell. Der Anblick den Chelsea ihm bot, gefiel ihm ganz und gar nicht und ließ noch mehr Sorgen in ihm aufsteigen. Ein Blick durch den Raum bestätigte ihm, dass Denny nicht da war. Einigermaßen erleichtert darüber, hob er Chelseas Kleidung vom Boden auf und eilte neben ihr ans Bett. Sanft streichelte er ihr über das Gesicht und redete behutsam auf sie ein. Diese regte ein wenig ihr Kinn und konnte in die klaren violetten Augen ihres Freundes sehen.

 

„Vaughn…“ Chelseas Stimme war ein sehr schwaches Flüstern.

„Sei still. Ich bin jetzt bei dir. Alles wird wieder gut.“

 

Rasch entfernte er das Seil von ihren Händen und zog sie so schnell es ging wieder an. Allerdings tat Chelsea jede Bewegung weh, da sie sich seit einiger Zeit gar nicht mehr gerührt hatte, weil ihr so kalt geworden war und sie der Mut auf Rettung vor kurzem verlassen hatte. Doch mit viel Reden und Körperwärme schaffte es Vaughn Chelsea komplett anzuziehen. Nachdem das erledigt war, hob er sie vorsichtig hoch und befahl ihr, ihre Hände um seinen Nacken zu legen. Dankbar über die körperliche Wärme schmiegte sich Chelsea an seine Brust. Zuvor hatte Vaughn seine eigene Jacke geöffnet, damit sie besser seine Körperwärme aufnehmen konnte.

 

Trotzdem beeilte sich Vaughn, um aus dieser bitterkalten Umgebung zu entkommen. Sobald er an seinem Auto angekommen war, startete er sofort den Motor und schmiss die Heizung an. Ohne auf die vorgeschriebene Tempobegrenzung zu achten, raste Vaughn zum nahegelegenen Krankenhaus und hoffte, dass das Benzin dafür noch ausreichte.

 

+++++
 

„Wer war das, Nathalie? Gibt es Neuigkeiten von Vaughn?“ Stürmten die Fragen auf das pinkhaarige Mädchen ein, die soeben das Telefonat beendet hatte.

„Das war Sabrina.“

„Sabrina? Wie…was? Was hat sie gesagt?“, stotterte Julia.

„Sie und ihr Vater haben die letzten Stunden nach Denny gesucht und ihn vor wenigen Minuten in der Stadt nahe einer Kneipe gefunden. Er wollte gerade in sein Auto steigen und zu Chelsea fahren, als er von einigen Männern, die Regis angeheuert hatte, überrumpelt wurden war. Nach harten Androhungen hat Denny alles gestanden und verraten, wo er Chelsea versteckt hatte. Regis und Sabrina sind auf dem Weg dorthin und Denny wird in diesem Moment der Polizei übergeben.“

 

Erleichterung machte sich  breit. Andreas stützte sich atemlos an der Wand ab und flüsterte ununterbrochen den Namen seiner Tochter. Mirabelle ging zu ihm und legte tröstend ihre Hand auf seine Schulter und redete erleichtert auf ihn ein. Die Freundinnen umarmten sich innig und ließen ihren Freudentränen freien Lauf.

 

In dieser glücklichen Stimmung klingelte erneut das Telefon. Mit der festen Überzeugung, dass das wieder Sabrina sein würde, um ihnen mitzuteilen, dass sie Chelsea wohlauf gefunden haben, nahm Nathalie ein zweites Mal mit einem Lächeln den Hörer ab. Augenblicklich verstummte ihr Lächeln, als sie registrierte wer dran war und was dieser jemand ihr mitteilte. Julia bemerkte als Erste Nathalies Stimmungsumschwung.

 

„Nathalie? Wer war das?“

 

Langsam drehte sich die Angesprochene zu ihren Freunden um. Ihre Miene war aschfahl.

 

„Das war Vaughn. Er hat Chelsea gefunden und ins Krankenhaus gefahren. Ihr geht es nicht gut…“

Im Krankenhaus

Kapitel 48

Im Krankenhaus

 

 

„Was um Himmels willen ist passiert? Wie geht es meiner Tochter?“

 

Ein besorgter tobender Vater stürmte regelrecht auf die Rezeption im Krankenhaus. Die erschreckten Krankenschwestern zuckten bei der lauten Stimme zusammen und die kleinste unter ihnen hatte vor Schreck einen Stapel mit Patientenakten fallen gelassen. Ein Fluch ihrerseits folgte, da sie diese kurz zuvor alphabetisch sortiert hatte.

Hinter Andreas kamen nun auch Mirabelle und die anderen in die Eingangshalle gelaufen und verfolgten außer Atem das bunte Treiben an der Rezeption vor ihnen.

Die Schwestern hatten Mühe Andreas Ausbruch zu bändigen und überhäuften auch ihn mit Fragen, um herauszufinden, ob er auch ein direkter Angehöriger der Patientin war.

Er wollte schon zur nächsten Schimpftriade ausholen, als in diesem Moment Vaughn um die Ecke gerannt kam, der vom Geschrei des Vaters angelockt wurde.

 

Eilig überfiel ihn Nathalie und packte ihn ein wenig unsanft am Kragen.

„Wo ist Chelsea? Was hat Denny ihr angetan?“

„Beruhige dich erstmal, Nathalie.“, versuchte Mirabelle das junge Mädchen zu besänftigen.

„Vaughn wird uns alles erzählen, was wir wissen müssen, auch ohne dass du ihn gleich umbringst.“

 

Nathalie ließ ihn tatsächlich los und machte einen tiefen Atemzug, um sich wieder unter Kontrolle zu kriegen, ehe sie das Wort nun freundlicher an ihrem Gegenüber richtete.

„Sorry, aber das ganze ist zu viel für mich. Für uns. Wie geht es Chelsea?“

Vaughn konnte ihr nicht sauer sein, weil er ihre Gefühle um ihre Freundin verstand. Zwar wunderte er sich, dass sich Nathalie ohne Wiederworte bei ihm für ihre grobe Art entschuldigte, aber er konnte ihr nicht böse deswegen sein. Inzwischen war auch Andreas an ihn herangetreten und verlangte stumm von ihm Auskunft.

 

„Genaueres kann ich nicht sagen, außer dass Chelsea im Moment auf der Intensivstation liegt. Ich fand sie, nahe dem Hof in einer kleinen Holzhütte.“

„Die Hütte hatten wir vor vielen Jahren mal gebaut, aber nie genutzt.“, antwortete Andreas unvermittelt. „Das Feld gehört noch zu unserem Grundstück.“ Dieses Areal mit der selbstgebauten Holzhütte hatte er völlig verdrängt. Immerhin wurde es seit vielen Jahren nicht mehr benutzt. Außer zum Mähen, um Stroh und Futter für die Tiere zu erhalten.

„Das ist doch jetzt egal.“, mischte sich Lana ungeduldig ein. „Wie ging es dann weiter?“

 

„Die Tür war nicht abgeschlossen, weswegen es ein leichtes war, reinzugehen. Und dann sah ich Chelsea nur in ihrer Unterwäsche bekleidet auf einem Bett liegen. Sie war gefesselt und fror entsetzlich. Ihr Körper war schon ziemlich steif, als ich sie fand.“

An dieser Stelle musste Vaughn einen dicken Kloß hinunterschlucken. Der Anblick, dem ihm Chelsea bot, hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt.

Entsetzt hielten sich alle weiblichen Personen die Hände vor ihrem Mund. Andreas schluckte hörbar und suchte Halt an Elliots Schulter, der ihm am nächsten stand.

„Ich zögerte nicht lange.“, fand der junge Mann seine Fassung wieder. „Befreite Chelsea, zog sie wieder an und fuhr augenblicklich hierher. Meine Autoheizung brachte nicht viel. Hier angekommen, hatte man sich ihrer sofort angenommen. Dabei stellte der Arzt fest, dass sie hohes Fieber hatte. Da ich kein Angehöriger bin, durfte ich nicht zu ihr, obwohl ich mehrere Male darum gebeten hatte.“

 

„Können wir denn jetzt zu ihr? Du weißt doch, wo sie liegt?“, hakte Nathalie nach und neue Tränen traten ihr in die Augen.

„Ja. Ich schätze, Andreas wird zu ihr dürfen.“

So unmittelbar angesprochen zu werden, sorgte dafür, dass Andreas seine Schultern wieder straffte und er mit gefasster Miene zustimmend nickte. Die komplette Truppe setzte sich in Bewegung, als die Schiebetür am Eingang erneut aufging und Sabrina mit ihrem Vater angerannt kam. Ohne großartig zu reden wurden beide empfangen und auf dem Weg zu Chelseas Zimmer über den neuen Stand der Dinge in Kenntnis gesetzt.

 

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Schon wieder hieß es warten.

 

Es war nun mitten in der Nacht und die Temperaturen waren noch zusätzlich um einige Grad gesunken. Der lange Flur gab viel von der sterilen Atmosphäre im Krankenhaus wieder. Überall roch es nach Desinfektionsmitteln. Einige Gesundheits- und Krankenpflegerinnen liefen mal hektisch, mal weniger im Laufschritt an ihnen vorbei. Obwohl es in der Nacht war, gab es doch noch einiges für das Pflegepersonal zu tun. Etwas weiter von ihnen entfernt hörten sie eine Angestellte fluchen, die Probleme mit einem schlafwandelnden Patienten hatte und er auf einer falschen Station wieder aufgewacht war. Desorientiert und jammernd rief er nach Hilfe. Das so lange, bis die überforderte Pflegerin aufgetaucht war.

 

Familie und Freunde um Chelsea haben sich allesamt in einer kleinen Sitzecke der Station niedergelassen. Ein Kaffee/Tee- und Snackautomat stand an der Wand hinter ihnen und vor ihnen hatten sie Sicht auf eine große automatische Tür, hinter der sich Chelsea befand.

Niemand durfte im Moment zu ihr, auch Andreas nicht, da ihr Zustand noch nicht stabil war. Die Ärzte hofften, dass die Medikamente in der nächsten Stunde wirken würden, um ihnen bessere Nachrichten überbringen zu können. Chelseas Körper war nicht mehr gefroren, aber das Fieber war immer noch nicht gesunken. Im schlimmsten Fall hatte sich Chelsea eine Lungenentzündung zugezogen, aber das konnten die Ärzte nicht mit Gewissheit sagen, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht ausschließen.

 

Während alle darauf warteten, dass es Chelsea so bald wie möglich wieder besser gehen würde, berichtete Sabrina den Anwesenden, wie sie Denny gefasst haben.

„Als Mirabelle uns mitteilte, dass Chelsea entführt wurden war, haben mein Vater und ich sofort begonnen uns an der Suche zu beteiligen. Ein Glück hat mein Vater einige Bekannte bei der Polizei und konnte somit dafür sorgen, dass sie sich auf die Suche nach diesem Denny begeben. Vaters Einfluss ist bei den Beamten sehr hoch.“

„Damit haben wir wirklich eine Menge Glück gehabt.“, antwortete Elliot und nickte Regis dankend zu, der weiterhin steif und gerade auf seinem Stuhl neben seiner Tochter saß und fast unmerklich mit den Augen blinzelte.

 

„Nicht auszudenken, was alles geschehen wäre, wenn Chelsea in den Händen von diesem Typen geblieben wäre. Warum auch immer er sich dazu entschlossen hatte, noch einen Abstecher in dieser Kneipe zu machen, war für uns vom Vorteil. Somit konnte Vaughn Chelsea sicher aus ihrer misslichen Lage befreien.“

„Ja, das stimmt. Wir waren gerade an der Hütte angekommen, die Denny den Polizisten genannt hatte, als du uns schon angerufen hattest, um uns mitzuteilen, dass Chelsea inzwischen im Krankenhaus lag. Sehr viel wohler hatten wir uns trotzdem nicht gefühlt.“, besorgt senkte Sabrina ihren Blick und faltete ihre Hände in ihrem Schoß wie zu einem Gebet.

 

„Außerdem konnten die Beamten uns darüber informieren, dass Denny nicht der ist, der er vorgibt zu sein.“

„Was meinst du damit?“, hakte Vaughn nun doch interessiert nach. Eigentlich wollte er kein Wort mehr über diesen Bastard verlieren.

„Genau, klär uns auf, Sabrina!“, forderte auch Nathalie, die ihr am nächsten saß.

 

Sabrina wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als ihr Vater zum ersten Mal in dieser Runde das Wort an alle richtete.

„Denny ist ein hinterhältiger Betrüger. Mit falschen Papieren, also Zeugnissen und so weiter, hat er sich an eurer Schule eingeschrieben und vorgegeben wieder achtzehn zu sein. In Wirklichkeit ist er aber schon zwanzig Jahre alt. Sein richtiger Name ist Sebastian Mann. In den letzten zwei Jahren ist er viel umgezogen und hat sein Äußeres immer ein wenig verändert, um nicht so schnell von der Polizei erkannt zu werden. Wie dem auch sei, mit gefälschten Papieren war es für ihn ein leichtes, in einer neuen Umgebung wieder Fuß zu fassen.“

 

Nach dieser Offenbarung blieb jedem der Mund offen stehen. Sie alle waren entsetzt und sprachlos, dass sich so jemand unter ihnen gemischt hatte, ohne dass ihnen etwas Merkwürdiges an ihm aufgefallen war. Mal abgesehen von seiner Aktion mit Chelsea im Park.

 

„Und warum hat er sich dann als Schüler ausgegeben?“ Julia fand als erste ihre Sprache wieder. „Das alles ergibt doch überhaupt keinen Sinn.“

„Sexuelle Straftaten sind in seiner Akte auch nicht vermerkt.“, antwortete Sabrina und führte die Erzählung ihres Vaters fort. „Es gab einige Frauen, die sich bei der Polizei über ihn beschwert hatten, weil sie sich von ihm belästigt fühlten, aber jedes Mal hatte es Denny, ich meine dieser Sebastian Mann es geschafft, sich geschickt aus der Affäre zu ziehen. Wenige Tage später hatten die besagten Frauen ihre Anzeige wieder zurückgezogen und kurz darauf, war er auch schon wieder aus der Stadt verschwunden. Die Polizei konnte ihn also nicht weiter beobachten oder dergleichen.“

 

„Das hört sich so an, als würde er in jeder neuen Stadt, sich wehrlose junge Frauen suchen und an ihnen vergehen. Ob sie es freiwillig wollten, bezweifle ich.“, schlussfolgerte Julia und lehnte sich müde an die Schulter ihrer Mutter, die ihr mütterlich über das Haar strich.

„Dazu kann ich nichts sagen, aber anzunehmen wäre es.“, antwortete Sabrina und dachte mit Anteilnahme an die vielen jungen unschuldigen Frauen, die Denny für seine Zwecke ausgenutzt haben musste.

 

„Doch, ich bin mir ziemlich sicher, dass alles gut werden wird. Chelsea ist stark. So schnell lässt sie sich nicht unterkriegen. Lasst uns gemeinsam hoffen und an Chelsea glauben. Und natürlich an die Ärzte. Sie wissen, was sie tun und würden nichts unversucht lassen, um ihr das Leben zu retten.“

 

Nach dieser klaren Ansprache sprach keiner mehr ein einziges Wort. Mit neuem Mut und Zuversicht, dass alles gut ausgehen würde, nickten sie sich gegenseitig zu und kamen im Stillen überein, dass Sabrina mit dem, was sie gesagt hatte, recht hat. Auch wenn es im Moment nicht rosig um ihre Freundin stand, konnten sie nicht ausschließen, dass sie gesund und munter wieder aufwachen würde. Denn, das Schlimmste hatte sie bereits hinter sich. Sie war Denny und seinem üblen Plan entkommen. Vaughn hatte sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, rechtzeitig gefunden und ihr damit auch das Leben gerettet.

 

Sein Blick war nur kurz von der Tür gewichen, die ihn von Chelsea trennte, um Sabrina nach ihrer Ansage anzusehen. Jedes der Mädchen war stärker, als sie auf dem ersten Blick erscheinen mögen. Zwar war Sabrina fast leichenblass, aber ihre Augen strahlten eine Zuversicht aus, die jeden in ihren Bann zog. Die Wärme und Entschlossenheit, die darin lagen, übertrug sich auf die anderen und ließ sie mit neuer Hoffnung nach vorne schauen. Dass sich Denny oder Sebastian, wie er auch immer heißen möge, als solch ein Verbrecher herausstellte, damit hatte auch er nicht gerechnet. Kein Wunder, dass er keine Skrupel hatte, sich an Chelsea am hellen Tage zu vergreifen und den Mumm hatte, sie sogar zu entführen.

 

Sein Herz zog sich krampfhaft zusammen, doch er glaubte an Sabrinas aufrichtige Worte.

Vaughn spürte, dass seine Chelsea noch nicht verloren war und richtete erneut seinen Blick auf die schwere Tür am Ende des Ganges.

 

Eine kräftige Hand legte sich auf seine linke Schulter. Irritiert sah sich der junge Mann abermals nach hinten und blickte direkt in Andreas ernstes Gesicht.

 

„Ich muss mich bei dir in aller Form entschuldigen.“, begann Andreas schuldbewusst das Gespräch. Jeder, der Anwesenden hatte seine Aufmerksamkeit nun auf die beiden wichtigsten Männer in Chelseas Leben gerichtet. Es fehlte nur noch Mark, der erst am frühen Vormittag zurück sein würde.

„Wie ich dich behandelt habe, war nicht richtig. Ich hatte ein falsches Bild von dir. Mirabelle hatte häufiger versucht, mich vom Gegenteil zu überzeugen und vor kurzem auch meine Tochter. Doch ich war und blieb weiterhin taub und blind für alles, was mich vom Gegenteil überzeugt hätte. Mein Stolz ließ es einfach nicht zu. Die Angst meine Tochter an dich zu verlieren, war zu groß. Ich konnte und wollte sie dir nie im Leben freiwillig übergeben. Dabei habe ich gesehen, wie glücklich Chelsea in den letzten Wochen gewesen war, wenn dein Name gefallen war. Ich war ein Idiot und Ignorant, dass ich das alles nicht sehen und vor allem wahrhaben wollte. Dieser Denny,“, bei der kurzen Erwähnung des Namens verzog sich Andreas Gesicht zu einer mordlustigen Grimasse. Die Gefühle, die für einen Augenblick an dem besorgten Vater sichtbar wurden, konnte jeder nachvollziehen.

 

„Denny hat mich reingelegt, ohne dass ich etwas davon bemerkt habe. Dabei konnte ich mich sonst immer auf meine gute Menschenkenntnis verlassen. Es…es tut mir aufrichtig Leid, Vaughn. Ich bin dir unendlich dankbar, dass du meine geliebte und einzige Tochter gerettet hast. Noch dazu zweimal. Ich danke dir.“

 

Es kostete Andreas immense Überwindung seinen fatalen Fehler zuzugeben und sich bei Vaughn zu bedanken, den er für den eigentlichen Übeltäter gehalten hatte. Jedoch, ein richtiger Mann erkennt, wann er einen Fehler gemacht hatte und es bewies wahre Größe, wenn er diesen auch zugeben konnte.

 

Erleichtert und ebenfalls dankbar nahm Vaughn die ehrlich gemeinte Entschuldigung an. Für Chelsea und ihn wäre es sonst in Zukunft schwierig gewesen, friedlich miteinander auszukommen, wenn die beiden Männer sich nicht verstanden hätten. Doch so, war alles in bester Ordnung.

Jetzt musste nur noch Chelsea über den Berg sein und alles wäre wieder wie früher. Bevor Denny in deren Leben getreten war.

 

Nachdem eine weitere qualvolle halbe Stunde vergangen war, erschien endlich der Arzt mit der erlösenden Nachricht. Chelseas Fieber war gesunken. In ein paar Tagen würde sie wieder ganz gesund werden und sie wünschte Vaughn und ihren Vater unverzüglich zu sehen.

Ein erleichterter Jubelschrei ging durch die Freunde. Wieder wurden Tränen vergossen und Umarmungen wurden ausgetauscht. Die zwei angesprochenen Männer erhoben sich zeitgleich und gingen nebeneinander durch die schwere Verbindungstür am Ende des langen Flurs.

 

 

Ein letztes klärendes Gespräch

Kapitel 49

Ein letztes klärendes Gespräch

 

 

Chelsea blieb eine Woche im Krankenhaus. Diese Woche war für das geschwächte Mädchen anstrengend genug gewesen. Die Polizei kam vorbei und nahm ihre Aussage zu Protokoll. Zusammen mit den Aussagen ihrer Freundinnen hatten sie nun genug Anhaltspunkte um Denny zu verhaften. Bei allen Beteiligten war die Erleichterung über diese Entwicklung groß.

Mark kam vorzeitig von seinem Seminar zurück und kümmerte sich mit besonderer Hingabe um seine kleine Schwester. Er und sein Vater hatten ein langes Gespräch, indem Mark zugab, dass er mitverantwortlich für Dennys oder Sebastian ersten versuchten Übergriff war. Vater und Sohn hatten sich lange darüber unterhalten, wie viel in den vergangen Wochen schief gelaufen war, weil man sich zu wenig oder gar nicht über die wirklich wichtigen Dinge unterhalten hatte.

Andreas gab zu einen großen Fehler in dieser Hinsicht gemacht zu haben, aufgrund seiner Sturheit und mangelnder Menschenkenntnis. Von jetzt an sollte alles anders und besser werden. Das größte Geschenk für Chelsea war, dass ihr Vater keine Einwände gegen eine Beziehung mit Vaughn hatte. Immerhin hatte er ihr zweimal aus einer misslichen Lage geholfen, wenn nicht sogar, beim zweiten Mal, das Leben gerettet.

Dies war der Beginn einer langen und tief verbundenen Männerfreundschaft, die das Familienleben ungemein förderte.

 

Ein weiterer Glücksmoment, während Chelseas Krankenhausaufenthalt war, dass ihr Freundinnenkreis nun wieder komplett war. Sabrina durfte wieder Zeit mit ihnen verbringen. Die Ummeldung in ihre alte Schule wurde bereits in die Wege geleitet.

Es gab viel unter den Mädchen zu erzählen. Dementsprechend wurde viel gescherzt, gelacht und geweint, da so vieles Geschehen war, in der Zeit, in der sie nicht zusammen waren, sodass eine Menge nachgeholt und aufgearbeitet werden musste.

 

Vaughn besuchte seine Freundin jeden Tag. Mirabelle hatte ihn die Woche über freigestellt, wodurch der junge Mann von morgens bis abends am Bett von Chelsea sitzen konnte.

Natürlich hatte er jeden Tag ein kleines Geschenk dabei. Angefangen von Blumen, Pralinen und kleinen Stofftieren, die Chelsea mit ihren fast achtzehn Jahren immer noch gerne hatte.

Doch das schönste Geschenk für sie war, dass sie von nun an mit Vaughn zusammen sein konnte, ohne das sie es vor ihrem Vater verheimlichen mussten. Das junge Paar war nun glücklicher als davor und konnten es gar nicht abwarten ihre Liebe nun offen auszuleben.

 

Zwar war Chelsea noch sehr geschwächt, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, aber das störte sie nicht weiter. Ihr Appetit war fast vollständig zurückgekehrt und sie ließ es sich nicht nehmen von ihren Männern – ihrem Vater, Bruder und vor allem Vaughn – verwöhnen zu lassen.

Andreas Angestellte freuten sich ebenfalls, dass Chelsea wieder gesund und munter zu Hause war, auch wenn sie über die wahren Hintergründe ihres Krankenhausbesuches im Unklaren gelassen wurden. Alle unmittelbaren Beteiligten waren sich einig darüber gewesen, dass es so am besten für Chelsea war.

 

Die Stunden, in denen Chelsea im Dunkeln gefesselt lag, würde sie so schnell auch nicht vergessen können. Fast jede Nacht wachte sie angsterfüllt auf und weinte sich die Augen aus. Danach musste sie jedes Mal ihre Handgelenke kontrollieren, weil sie das Gefühl hatte, dass diese noch mit einem Seil verbunden waren. Die Striemen waren nämlich immer noch sichtbar.

Gott sei Dank, durfte Vaughn bei ihr sein und konnte sie nach jedem Alptraum gleich in den Arm nehmen und trösten.

 

Die Alpträume hörten erst dann auf, als Weihnachten immer näher rückte. Der erste Schnee war nun doch gefallen und die Landschaft hatte in den Augen aller noch nie so ruhig und zauberhaft ausgesehen. Alles wirkte friedlich. Der glitzernde Schnee ließ die Schrecken der vergangenen Wochen verblassen und Hoffnung auf glücklichere Zeiten geben, die nun folgen sollten.

 

+++++
 

Das junge verliebte Paar machte einen langen Spaziergang durch die herrliche weiße Landschaft. Dabei verfolgte sie eines der Kätzchen, die Chelsea von Julia bekommen hatte. Es war das Kätzchen mit der weißen Pfote, welches noch recht tollpatschig durch die weiße Masse stolperte. Doch es hing sehr an dem braunhaarigen Mädchen. In den Wochen, in denen Chelsea noch das Bett hüten musste, hatte es ihr jeden Tag Gesellschaft geleistet, als ob es gespürt hatte, dass sie krank war und sich auskurieren musste.

Sehr gegen Vaughns Missfallen, denn er wurde das Gefühl nicht los, dass das kleine lästige Kätzchen eifersüchtig auf ihn war.

 

Hand in Hand gingen Chelsea und Vaughn nebeneinander her, wobei beide hin und wieder einen verstohlenen Blick über die Schulter warfen, um sicher zu gehen, dass ihnen das Kätzchen nicht verloren ging. Zum Glück war es, bis auf der weißen Pfote, komplett schwarz, weswegen man es unmöglich übersehen konnte. Mitten in der Schneelandschaft stach es so richtig heraus.

Es war ein herrliches Bild. Die junge Frau hatte ihre Digitalkamera dabei und machte von dem aufgeregten Kätzchen viel Bilder und natürlich auch von Vaughn. Selbst wenn es ihm lieber gewesen wäre, nicht so oft fotografiert zu werden.

 

„Was hast du eigentlich gegen Fotos? Du siehst umwerfend auf ihnen aus. Hier, ich zeig dir mal das letzte, was ich von dir gemacht habe.“

Aufgeregt und mit roten Wangen im Gesicht rannte Chelsea auf ihren Freund zu und hielt ihm die Kamera unter die Nase.

Natürlich musste er zugeben, dass er nicht schlecht auf Fotos aussah, doch trotzdem konnte er es einfach nicht leiden, so zentral im Mittelpunkt zu stehen.

Deswegen betrachtete er lieber Chelseas rötliches Gesicht, die einfach unbeschreiblich schön aussah und sein Herz erweichen ließ.

 

In Gedanken an sie versunken, strich er ihr liebevoll eine Strähne aus dem Gesicht, die sich unter ihrer bunten Mütze dorthin verirrt hatte. Durch diese Geste bemerkte auch Chelsea, dass ihr Freund längst nicht mehr an den Fotos interessiert war.

„Du magst keine Fotos, kann das sein?“, fragte sie ihn direkt und lächelte ihn liebevoll an.

„Solange es welche von dir sind, schon.“, antwortete der verliebte Mann und küsste seine Freundin zärtlich auf den Mund.

 

Er war unendlich erleichtert, dass Chelsea wieder gesund war und wieder draußen herumlaufen konnte ohne sich einer weiteren Ansteckungsgefahr ausgesetzt zu sehen. Die letzten Wochen hatten richtig an seinen Nerven gezerrt, so krank um Sorge war er um sie gewesen.

Doch zum Glück, war alles am Ende gut ausgegangen und beide konnten weiterhin zusammen sein.

 

Es war ein langer inniger Kuss, den beide nur lösten, weil das Kätzchen an Vaughns Stiefel kratzte. Verärgert versuchte er es von sich zu schubsen.

„Dieses kleine vierbeinige Wesen liebt es wirklich uns immer wieder auseinander zu bringen.“, fluchte er und versuchte gar nicht erst freundlich dabei zu klingen.

„Ach Vaughn, sei nicht sauer. Er fühlt sich eben manchmal ziemlich einsam. Die anderen Katzen meiden ihn oft.“, erklärte Chelsea und streichelte ihrem Freund über die linke Wange, um ihn zu besänftigen.

„Woran das wohl liegt. Er scheint die anderen genauso zu nerven. Wollen wir weiter gehen?“

 

Sie setzten ihren Weg schweigend fort, wobei sich ihre Hände ineinander verschränkt hatten. Zufrieden lehnte sich Chelsea an Vaughns Schulter und träumte eine Weile vor sich hin, bis ihr wieder etwas einfiel, was sie aufgrund der jüngsten Ereignisse völlig vergessen hatte.

 

„Vaughn, es gibt da etwas, was ich dich längst fragen wollte.“, eröffnete sie das Gespräch, wobei sie sich noch enger an ihn schmiegte.

Der junge Mann spürte, dass es ein unangenehmes Thema sein musste, denn Chelseas Reaktion blieb ihm nicht verborgen. Auch er drückte ihre Hand fester und gab somit zu verstehen, dass sie ihm alles fragen konnte, was ihr auf der Seele lag.

„Du kannst mich alles fragen, was dich bedrückt.“

 

„Bedrücken würde ich es nicht nennen. Es ist nur…Weißt du, damals vor Mirabelles Laden, als das Fenster eingeworfen war und in ihrem Laden ziemlich randaliert wurde.“

Vaughn schluckte. Er ahnte, worauf das Gespräch hinauslief.

„Es hat sich am Ende herausgestellt, dass Denny oder wie er heißt, dafür verantwortlich war. Doch…warum hatte dich die Polizei für kurze Zeit…ähm…verdächtigt?“

 

Sie steuerten eine Sitzbank an, doch die Temperaturen waren nicht gerade hoch, weswegen ein kurzes Ausruhen nicht in Frage kam. Schon allein deswegen nicht, weil Chelsea gerade erst eine schwere Krankheit hinter sich hat. Eine weitere wollte Vaughn nicht riskieren. Daher ging er an der Bank vorbei und zog Chelsea weiter mit sich.

Die junge Frau hatte  nicht mehr damit gerechnet eine Antwort zu erhalten – die Frage auszusprechen, war schon unangenehm gewesen – doch umso überraschter war sie, als Vaughn dann doch anfing zu erzählen.

 

„Ich schätze, um dir diese Frage nachvollziehbar zu beantworten, muss ich etwas weiter ausholen, damit der Zusammenhang für dich klar ist.“

Der weißhaarige Mann sah weit in die Ferne. Er fixierte keinen beliebigen Punkt, doch Chelsea hatte den Eindruck, dass er mit seinen Gedanken an etwas dachte, was bereits weit in seinen Erinnerungen zurücklag. Darum bedrängte sie ihn nicht und wartete einfach ab. Außerdem wirkte er angespannt, als würde das, was sie gleich erfahren würde nicht einfach für ihn werden, offen und ehrlich mit der Sprache herauszurücken.

Es dauerte, ehe er erneut das Wort an Chelsea richtete.

 

„Ich hatte keine sorglose und glückliche Kindheit, wie die meisten anderen, die ich kenne. Mein Vater war von morgens bis abends arbeiten, während meine Mutter alleine für mich und meine zwei jüngeren Brüder verantwortlich war. Ich bin vier Jahre älter als sie. Da ich nun mal der ältere Bruder war, hatte man früh von mir erwartet, dass ich auf sie aufpassen sollte. Meine Mutter fing ebenfalls an zu arbeiten, weil das Geld von vorne bis hinten nicht reichte. Sie ging spät abends aus dem Haus und kam erst in den frühen Morgenstunden zurück. Sie putze in irgendwelchen Arztpraxen.

Also, war ich gezwungen auf meine kleinen Brüder Acht zu geben. Anfangs machte es mir nicht soviel aus, weil mein Vater zu der Zeit häufiger zu Hause war, was sich allerdings im Laufe der Jahre änderte.

Ich wurde älter und blieb öfter mit meinen Brüdern allein zu Haus. Ich war praktisch für alles verantwortlich. Ich hatte dafür zu sorgen, dass sie morgens aufstanden und in den Kindergarten gingen, später dann in die Schule. Mein Vater war immer vor uns aus dem Haus und es war ihm egal, was aus uns wurde. Und meine Mutter musste ihren Schlaf nachholen, da sie nachts arbeiten ging.

Das alles hatte zur Folge, dass ich wenig Zeit für mich hatte. Meine Noten wurden schlechter und die Lehrer zeigten mir ziemlich deutlich, was sie von einem Faulpelz wie mir hielten, Dabei hatte sich keiner die Mühe gemacht, mal nachzufragen, was eigentlich mit mir los war. Denn vorher war ich ein vorbildlicher Schüler gewesen.“

 

Vaughn machte eine kurze Pause und Chelsea nutzte die Gelegenheit ihm erneut liebevoll über die Wange zu streicheln. Sogar das Kätzchen war ungewöhnlich ruhig und schien gebannt darauf zu warten, wie es mit Vaughns Erzählung weiter gehen würde.

 

„Nun, die Jahre vergingen. Ich wurde älter und mit ach und Krach schaffte ich jede Jahrgangsstufe, wenn auch sehr schlecht.

Irgendwann fand ich sogar Freunde, nachdem meine Brüder alt genug wurden, dass sie auch alleine den Weg nach Hause fanden. Mit vierzehn fing ich an zu rauchen und ärgerte gerne jüngere Schüler. Vor allem Leute, die kleiner waren als ich, was nicht schwierig war, denn mit meinen vierzehn Jahren war ich größer, als die meisten Gleichaltrigen von mir.

Sogar gegenüber Lehrer wurde ich aufmüpfig und zeigte so gut wie keinen Respekt mehr. Als Strafe musste ich häufiger nachsitzen, doch ich war so gut wie nie da. Meine Mutter hatte ein paar Mal versucht mit mir darüber zu reden. Doch, da sie nur die Hälfte wusste und ihre Aufmerksamkeit mehr meinen jüngeren Brüdern widmete, hörte ich ihr nie zu oder ließ sie einfach stehen. Meinem Vater war es nach wie vor egal. Es stellte sich sogar heraus, dass er eine Affäre hatte, die er nicht für nötig hielt zu verheimlichen und meine Mutter sagte und unternahm nichts.

Das alles machte mich erst recht rasend und wütend, dass ich so gut wie nie zu Hause war. Ich übernachtete bei meinen Kumpels und wir feierten viel mit Alkohol und anderen Drogen. Wenn ich so zurück denke, war es eine wilde Zeit, in der ich mein Leben einfach nur verabscheute.

Jedoch, das änderte sich als ich Miriam kennen lernte.“

 

Aufmerksamer als sowieso schon, blickte Chelsea hellhörig zu Vaughn auf, der ihr zum ersten Mal, während seiner Erzählung ins Gesicht schaute. Sanft berührte er ihr Gesicht und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

 

„Miriam war meine erste Freundin, die ich bis dahin hatte. Sie war jung, attraktiv und in meiner jugendlichen Unerfahrenheit hielt ich sie für die Frau meines Lebens. Ich fand erst später heraus, dass ich sie nie geliebt hatte. Ich wusste gar nicht, was das ist, denn von meinen Eltern habe ich es nie gelernt, aber ich glaubte es und war der glücklichste Junge weit und breit.

Es stellte sich heraus, dass sich Miriam auch für mich interessierte. Sie war relativ groß, schlank und hatte lange dunkle Haare und sie war das erste Mädchen, das ich kannte und auch noch schminkte. Kurzum, ich fand sie äußerlich sehr anziehend.“

 

Plötzlich ging ein Ruck durch Vaughns rechten Arm, wodurch er fast sein Gelichgewicht verloren hätte. Chelsea lief puterrot an und traute sich kaum, für ihre eifersüchtige Aktion ihrem Freund ins Gesicht zu sehen. Er wiederum musste darüber schmunzeln und zog seine Freundin nur noch enger in seine Arme.

Sofort beruhigte sich Chelsea wieder, murmelte eine kleinlaute Entschuldigung und Vaughn konnte ungestört weiter erzählen.

 

„Wir erlebten alles zusammen, was Jugendliche in dem Alter eben für Erfahrungen machten, wenn sie aufs andere Geschlecht trafen. Man konnte sagen, dass ich wie in einer Art Rausch verfiel, zusammen mit den Drogen die wir regelmäßig auf Partys konsumierten. Ich schwänzte immer häufiger die Schule und zog mit meiner Clique um die Häuser. Miriam war fortan immer mit dabei.

Mittlerweile wurde ich sechszehn und freute mich darauf, bald nicht mehr in die Schule gehen zu müssen. Dann kam Miriam eines Abends auf eine gefährliche, aber für uns Jungs coole und aufregende Idee, dass wir ohne zu zögern zustimmten. Außerdem hätte ich alles getan, was meine damalige Freundin von mir wollte.

Eines Nachts gingen wir spät zur unserer Schule und wollten uns mit einem unvergesslichen Spektakel für immer von ihr verabschieden. Wir hatten Sprays dabei. In unterschiedlichen Farben und malten den Haupteingang an. Unser Graffiti war ziemlich gut geworden und das beste daran, man konnte es nicht so leicht entfernen. Die Sanierungskosten waren auch recht teuer.

Dummerweise wurden wir vom Hausmeister erwischt. Als er die Aufschrift sah „Schule stinkt“, lief er geradewegs auf uns zu. Miriam und ich waren nicht so schnell und wurden auch geschnappt. Zum ersten Mal in meinem Leben saß ich auf einer Polizeiwache und wurde verhört. Doch ich weigerte mich und verriet keinen meiner Kumpels.

Im Verlauf der Vernehmung erfuhr ich von einem anderen Polizisten, dass Miriam hingegen ausgepackt hatte. Nicht nur das sie sämtlich Namen der Beteiligten verriet, nein, sie hatte mir die ganze Hauptschuld in die Schuhe geschoben und somit zum Anstifter gemacht. Dabei war die ganze Aktion von vornherein ihre Idee gewesen.

Meine damaligen Kumpels waren allesamt sauer, sowohl auf mich als auch auf Miriam, die sie alle mit ihrem scheinheiligen Lächeln hintergangen hatte. Wir alle waren auf sie hereingefallen. Allem voran, ich.

Wir wurden vom Gericht zu mehreren Sozialstunden verurteilt und bekamen einen Verweis von der Schule. Jeder von uns stand ohne Abschluss da. Jeder, außer Miriam, die sich irgendwie heil aus der Affäre gezogen hatte.

Du kannst dir sicher vorstellen, wie enttäuscht und gedemütigt ich war. Am liebsten hätte ich mir diese falsche Schlange vorgeknöpft, aber diesem Prinzip bin ich bis heute treu geblieben, dass man keiner Frau Gewalt antut, egal wie hinterhältig und gemein sie auch manchmal sind. Dieses Erlebnis war einer der Gründe, warum ich Frauen lange Zeit aus dem Weg ging.“

 

Wieder herrschte langes Schweigen zwischen den beiden. Chelsea wartete, ob Vaughn noch mehr sagen würde, doch er blieb stumm. Sein Blick war auch wieder weit in die Ferne gerichtet.

Also räusperte sich Chelsea und setzte das Gespräch fort.

 

„Wie ging es danach mit dir weiter?“

„Ich wechselte die Schule und unterbrach sämtlichen Kontakt zu meinen alten Freunden. Die meisten wollten eh nichts mehr mit mir zu tun haben und ich war dankbar dafür. Zum ersten Mal fühlte ich, wie eine Last von mir abfiel und ich gelobte mich zu bessern. Was mir auch gelang. Zwar sehr anstrengend und mühevoll, aber es gelang mir.“

„Was haben deine Eltern dazu gesagt, als sie davon erfahren haben?“

„Nichts.“

Verblüfft starrte Chelsea ihren Freund an, der über ihren überraschten Gesichtsausdruck beinahe lachen musste.

 

„Meine Mutter hatte mich zu dem Zeitpunkt bereits aufgegeben und mein Vater, tja, der vergnügte sich nach wie vor mit anderen Frauen und reichte bald danach die Scheidung ein. Für meine Mutter der totale Tiefschlag, aber gesprochen hatte sie mit uns darüber nie.“

„Das ist nicht schön…Wie kamst du dann auf die Idee Tiermedizinischer Angestellter zu lernen?“

„Das war eines meiner Glücksmomente im Leben. Auf meiner neuen Schule lernte ich zum ersten Mal einen Lehrer kennen, der erkannte, dass mehr Potenzial in mir steckte, als die Lehrer davor. Er versuchte mit mir herauszufinden, worin meine Stärken liegen und welchen möglichen Beruf ich ergreifen könnte und bereitete mich entsprechend darauf vor.

Durch Zufall sind wir auf Tiere gestoßen, als ich ihm einmal beim Spazierengehen mit seinem Hund im Park begegnete. Ich spürte gleich, dass ich mit seinem Schäferhund gut konnte und dass er mich irgendwie leiden konnte. Von da an stand fest, dass ich etwas mit Tieren machen wollte.“

„Die richtige Entscheidung, wie man heute erkennt.“, gab Chelsea ihm recht und hakte sich lächelnd wieder bei ihm ein.

 

„Du bist nicht enttäuscht von mir?“, fragte Vaughn nach einigen Minuten und drehte sich mit dem Gesicht zu der jungen Frau um, die sein bisheriges Leben auf wundervolle Weise auf den Kopf gestellt hatte.

„Nein. Wieso sollte ich? Du hast einige unschöne Erfahrungen machen müssen. Sei es mit deiner Familie, noch mit deinen früheren Freunden. Doch das alles ist Vergangenheit und hat dich zudem wunderbaren Mann gemacht, der du heute bist. Du bist nicht mehr der kleine Gesetzesbrecher von früher, sondern mein Vaughn. Und ich bin sehr, sehr stolz auf dich.“

 

Glücklich sahen sich beide tief in die Augen. In ihnen spiegelte sich das wieder, was beide voneinander dachten und für den anderen fühlten.

 

„Ich liebe dich, Chelsea.“, hauchte Vaughn in ihr Ohr und gab ihr einen Handkuss. „Ich wüsste gar nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich dich nicht gefunden hätte. Wahrscheinlich würde ich immer noch alleine in meiner kleinen Bude hocken und jedem Menschen aus dem Weg gehen.“

„Wer weiß. Ich bin auf jeden Fall froh und wahnsinnig glücklich darüber, dass ich dich getroffen habe und wir zusammen sein können. Ich liebe dich auch, Vaughn, und ich möchte dich unter keinen Umständen verlieren.“

 

Ein langer Kuss unterstrich ihre gemeinsamen Worte und Gefühle füreinander. Niemals sollte einer von ihnen ohne den anderen sein. Sie waren füreinander bestimmt und wollten in ihre gemeinsame Zukunft von nun an zu zweit gehen.

 

Sogar das Kätzchen hatte es eingesehen und spielte zufrieden mit einem dünnen Ast, der aus dem Schnee herausragte.

 

Epilog

Epilog

Weihnachten. Der erste Weihnachtstag und irgendwie war es den Mädchen gelungen ein gemeinsames Weihnachtsfest zu organisieren. Gefeiert wurde auf Andreas Anwesen, sogar Regis erschien mit seiner Tochter. Sein Gesicht war eine Mischung aus Missfallen und Gezwungenheit zu dieser ländlichen Feier, doch Sabrina versicherte andauernd, dass ihr Vater blendender Laune wäre und sich sehr darauf gefreut hatte, den Tag mit allen Anwesenden zu verbringen.

So wirklich glauben, konnte es niemand, aber es wurde kein weiteres Wort darüber verloren. Stattdessen freute sich jeder über den Gast und Sabrina war ausnahmsweise am Morgen nicht übel geworden, aufgrund ihrer Schwangerschaft, weswegen sie sich auf ein leckeres Essen freute, dass sie auch im Magen behalten konnte.

 

Das junge Mädchen hatte lange mit ihren Freundinnen und ihrem Vater darüber gesprochen und sich am Ende dazu entschlossen, das Kind auszutragen und großzuziehen. Tom wurde zur Rede gestellt, wegen seines unüberlegten, leichtsinnigen Verhaltens und sein Vater verlangte eine sowohl förmliche als auch schriftliche Entschuldigung bei Sabrina und ihrem Vater.

Sabrina hatte sie akzeptiert und mit Tom abgeschlossen. Sie wollte nichts mehr mit ihm zu haben, unter anderem, weil er zugab nichts mit dem Kind zu tun haben zu wollen. Seine Eltern waren maßlos enttäuscht. Regis hatte ihm bis heute nicht verziehen und wollte auch mit seinen Eltern erstmal auf Abstand gehen, bis sich die Wogen wieder geglättet haben.

 

Die Frauen, vor allem Mirabelle, hatten sich mit dem Festessen übertroffen. Es gab eine aldente Ente mit Kroketten, buntem Gemüse, Salat, Reis, Pudding, Kuchen, Kekse, Quarkspeise und vieles mehr. Jedem schmeckte es vorzüglich.

Nathalie hatte von Anfang an bei den Vorbereitungen für das Essen mitgeholfen, auch wenn sie mehr hinderlich als hilfreich war, aber sie hatte Spaß dabei gehabt. Mutter und Tochter hatten in diesen Tagen wieder zueinander gefunden und Nathalie zeigte sich von ihrer besten Seite. Sicherlich, kam hin und wieder ihre zickige Art durch, aber sie beherrschte sich und wurde von ihrer Familie besonders dafür gelobt.

Dadurch bemerkte das pinkhaarige Mädchen, dass sie die gemeinsame Zeit mit ihrer Familie vermisst hatte und schwor sich, es nie wieder so weit kommen zu lassen, dass sie sich von ihnen entfremdete.

 

Lana und Elliot hatten in den turbulenten Zeiten eng zueinander gefunden und verbrachten jede freie Minute miteinander.

Im Laufe des Festes bemerkte Chelsea, dass ihr Bruder immer wieder mit Julia flirtete und sie die Annäherungsversuche auch erwiderte. Insgeheim wünschte sie beiden viel Glück und konnte sich ein besseres Pärchen gar nicht vorstellen.

 

Mit Ausnahme von sich  selber und Vaughn, natürlich. Ihr Vater und er verstanden sich prächtig. Vaughn wurde sogar angeboten auf dem Betrieb zu arbeiten, was Chelsea sehr begrüßt hätte, doch bisher hatte ihr Freund noch nicht zugesagt.

 

Es war Weihnachten, das Fest für Freunde und Familie. Über alles andere, konnte man sich danach immer noch Gedanken machen.

 

 
~ The End ~


Nachwort zu diesem Kapitel:
So!
Endlich ist es vollbracht! Ich hoffe, dass ich den einen oder anderen Leser bis zum Ende mit dieser langen Fanfic begeistern konnte.
Ob noch weitere Storys über die Charaktere aus Harvest Moon folgen werden, bin ich mir noch nicht ganz sicher. Mein Studium nimmt mich zur Zeit sehr in Anspruch...
Aber, sei´s drum.

Ich bedanke mich bei jedem, der die Geschichte bis zum Ende verfogt hat und bin begeistert, dass sich so viele Favoriten gefunden haben! Besten Dank!

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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Marronfan
2013-03-01T11:58:50+00:00 01.03.2013 12:58
Wieder ein schönes Kapitel. Allerdings fand ich Dieses teilweise nicht ganz so schön zu lesen. Manchmal wurde es irgendwie zu förmlich und steif. Daher kamen die Gefühle zwischen Vater und Kindern bzw. Freunden irgendwie befremdlich rüber.
Die Story ist aber toll, ich freue mich wenns weiter geht.
LG
Von:  Marronfan
2013-03-01T11:28:07+00:00 01.03.2013 12:28
Wie traurig. ;___; Das ist so gut geschrieben das mir echt die Tränen in die Augen gestiegen sind. Immer weiter so! :)
Von:  Dereks_Hexchen
2013-02-26T10:16:29+00:00 26.02.2013 11:16
Auch wieder sehr schön zu lesen^^
und ich finde es nicht zu lang, wenn du jeden Zeitabschnitt in ein eigenen Kapitel gemacht hättest, wären sie verdammt kurz geworden.
Also ist es so, wie es ist gut verpackt ;)
*däumchen hoch*
LG Rena
Von:  Dereks_Hexchen
2013-02-26T09:41:21+00:00 26.02.2013 10:41
Hey^^
also ich bin eine große Harvest Moon Liebhaberin.
Ich kenne zwar deine andre Geschichte nicht, jedoch bin ich auf diese hier gestoßen.
Sehr gut, ich finde es schön zu lesen, und man kann es richtig mitfühlen, wie er leidet, wie sinnlos es zu sein scheint.
Du hast eine angenehme Art zu schreiben :)
ich freu mich auf mehr^-^

LG Rena
Von:  Ankh_sun_Amun
2013-02-09T20:00:44+00:00 09.02.2013 21:00
Ich habe keinerlei Ahnung von Harvest Moon, ich finde, das sollte ich gleich zu Beginn einmal erwähnen.
Der Anfang deiner Geschichte gefällt mir bis jetzt durchaus. Du hast eine schönen Schreibstill, doch trotzdem lässt sich der Text, durch diese ständigen, rotierenden Gedanken von Andreas, ab einer gewissen Stelle nur noch mit abgeschwächter Begeisterung lesen. Verstehe mich nicht falsch, du hast seinen tempär fürchterlichen Zustand von psychischer Emotionstiefe wunderbar dargestellt. Doch ist es fast schon wieder zu viel Seelenschmerz.
An den Punkt, an welchen man plötzlich erfuhr, was denn eigentlich der Grund dafür war, sieht es wieder ganz anders aus. Auf einmal, nachdem seine Erinnerungen zurückkehrten, konnte man nach und nach sich bildlich richtig vorstellen, wie sein Lebenswille sich wiederherstellte.

Weiter so!^^

lg Ankh
Antwort von:  jane-pride
10.02.2013 15:27
Hi!
Vieln Dank für deinen Kommentar! Es mag sein, dass ich etwas zu weit in die Tiefe seiner Depressionsphase vorgedrungen bin. Doch es war mir sehr wichtig, dass deutlich wird, wie traurig und verzweifelt er war.
Dennoch bin ich für jede Art von Kritik offen. Ich werde darauf achten.
Ansonsten freut es mich, dass dir der Prolog so gut gefallen hat. Hoffentlich höre ich beim nächsten Kapitel wieder von dir.

Gruß, jane-pride


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