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Du kannst nur dazulernen....

...außer du stirbst vorher.
von

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Leichtsinn

Die Sonne schien und tauchte den Wald in ein Spiel aus Licht und Schatten. Wassertropfen, die vom Regen geblieben waren, glitzerten und glänzten wie Sterne in der Nacht. Hasen fraßen gemütlich die Blätter und Beeren von den kleinen Sträuchern ab, an die sie gut herankamen und bekamen von Hirschen Gesellschaft, die von dem Duft der Früchte angelockt wurden.

Der Wald war wieder ruhig geworden, doch es war noch nicht lange her, als sich unweit der Tiere ein regelrechtes Massaker abgespielt hatte.
 

****
 

Der Regen hatte die Erde aufgeweicht, er spürte es bei jedem Schritt. Doch Connor durfte nicht zu laut sein. Er war so nah dran, den Templer Josef Menson zu eliminieren. Die Nachhut der Eskorte, die den Templer begleitete, hatte der junge Assassine bereits getötet. Ihre Leichen lagen im Schlamm und würden dort verrotten, wenn sie niemand fand. Was Connor aber für eher unwahrscheinlich hielt. Es waren in letzter Zeit viele Menschen im Grenzland unterwegs. Nicht selten wurden sie von Bären oder Wölfen angegriffen. Zumindest behaupteten etliche Reisende das. Connor konnte sich aber weit besser vorstellen, dass es sich um Räuber handelte. Oder er selbst war der Täter, sofern Templer zu den Toten gehörten.

Nur noch ein kleines Stück trennte Templer und Assassine voneinander. Leise zückte der weiß gekleidete sein Tomahawk und wollte gerade zum Sprint ansetzen.

„MENSON! EIN ASSASSINE!!!!“, brüllte eine Stimme hinter Connor. Dieser fuhr herum, ebenso wie die Eskorte samt Menson. Allerdings befanden sich die Templer nun in seinem Rücken und er sah nur einen Spitzel, der auf ihn zeigte und lauthals schrie. Noch während der Spitzel sich abwenden wollte um sein Heil in der Flucht zu suchen, setzte ihm der junge Mann nach und erschlug ihn mit dem Kriegsbeil, dass er immer bei sich trug. Die Templer machten sich bereit, Connor zu erschießen, wie er es schon oft erlebt hatte. Schnell sprang er aus der Schusslinie direkt hinter den großen Baum, der am Wegesrand in die Höhe wuchs. Holzsplitter platzten von der Rinde und flogen am Gesicht des Assassinen vorbei, der in Deckung bleiben musste. „»Verdammt. Sie passen die Schüsse ab.«“, grummelte Connor in seiner Muttersprache als er merkte, dass keine wirkliche Pause zwischen den Schüssen entstand, die ihm Gelegenheit zum Gegenschlag bot.  Ein Blick nach oben machte auch seine vage Hoffnung zunichte, den Baum erklimmen zu können. Die ersten Äste, die sein Gewicht tragen konnten, waren außerhalb Connors Reichweite.

Also blieb ihm nicht mehr viel Auswahl. Warten, bis sie ihn wieder in die Schusslinie bekamen, oder zwischen zwei Schüssen das Risiko eingehen und sie attackieren. Letzteres erschien Ratohnhaketon als seinem Kampfeswillen angemessen. Also wartete er noch einen Moment. Drei Schüsse, danach eine kurze Pause. Wieder ein paar Schüsse und danach einen Augenblick Ruhe. Dann wieder die drei Schüsse und Connor verließ seine Deckung. Jedoch zu spät. Die nächsten Schüsse zerrissen bereits die Luft. Connor geriet kurz ins Straucheln als eine Kugel sein Bein streifte, traf dennoch den Templer, der zu weit vorn gestanden hatte, direkt in den Hals. Blut floss sofort aus der tiefen Wunde und der Mann sackte mit einem letzten Röcheln in sich zusammen. Adrenalin jagte durch Ratohnhaketon’s Körper und trieb ihn zur Eile als er Menson sah, der bereits auf der Flucht vor dem Assassinen war. Die versteckte Klinge am linken Arm schnappte hervor und Connor löste sie, um nun das Messer nutzen zu können.  Zwei der Männer griffen zeitgleich mit den Bayonetts an, die an ihren Musketen befestigt waren. Mit seinem Tomahawk hieb Connor das erste Bayonett zur Seite und schlug dem zweiten Mann das Messer tief ins Herz.

Er spürte die Unsicherheit in den verbliebenen Narren wachsen, doch sie blieben. Wie so oft, obwohl Connor doch gar nicht an ihnen interessiert war. Stets fragte er sich, warum sich dieser Männer in den Kampf hineinziehen ließen, von dem sie im Grunde nichts wussten. Doch es blieb keine Zeit, sie darauf aufmerksam zu machen, denn der nächste griff bereits an. Der Mohawk duckte sich tief unter der schweren Axt hindurch, die wohl ohne Mühe Schädel spalten konnte.

Doch ein stechender Schmerz traf seinen Rücken ganz unvermittelt. Wessen Klinge auch immer es war, der Täter zog sie zurück um ein weiteres Mal zuzustechen. Darauf wartete Connor nicht, er wandte sich dem Angreifer zu. Es war Menson. //Wann ist er hinter mich gekommen?//, schnellte es Connor durch den Kopf. War er etwa nachlässig gewesen? Das konnte er sich auch noch später fragen. Denn jetzt ging es nicht mehr nur darum den Templer Josef zu töten, sondern auch, das Kampfgeschehen so schnell wie möglich zu verlassen. Die schwere Axt von eben sauste neben dem Kopf des Assassinen gen Boden und schlug in den Matsch. Dreck und Blut mischten sich auf dem Assassinengewand, als Connor sich reflexartig zur Seite rollte und wieder auf die Beine kam. Sein Rücken schmerzte höllisch und er spürte das warme Blut, das sich in das Wasser auf der Kleidung mischte. Beil und Klinge mussten weichen, also tauschte Connor sie gegen die Pistolen, die er zwar bei sich trug, aber weit seltener nutzte. Währenddessen war Ausweichen das Einzige, was den Mohawk vor tödlichen Treffern rettete.

„Was ist los, Assassine?! Hast wohl nicht gedacht, dass ich wiederkomme, eh?!“, spottete Menson großspurig und ließ keinen Zweifel daran, dass er sich in der besseren Lage sah. Ganz falsch lag er damit ja auch nicht. Connor mit dieser Verletzung am Rücken tatsächlich im Nachteil. Doch das hatte ihn damals auch nicht daran gehindert, Charles Lee zu töten. Als Antwort auf Menson’s Bemerkung hob Connor die Pistole und legte den Kopf etwas schief.

„Ehrlich gesagt; Nein. Ich dachte du fliehst.“

Der Schuss traf Menson direkt in die Stirn und hinterließ ein blutiges Loch, für das keine Zeit zum Betrachten war, als Connor aus dem Augenwinkel den Mann mit der Axt auf sich zukommen sah. Wieder sprang er aus der Reichweite des Angriefers und rutschte beinahe im aufgewühlten Schlamm aus. Er trat ein paar Schritte zurück, um aus dem Matsch zu kommen und zielte immer auf den Mann, der ihm am nächsten Stand. //Noch zwei Stück….. Halt!! Es waren doch..?// Wieder ertönte ein Schuss, doch er stammte nicht aus Connors Waffe. Es war der fehlende Mann gewesen, der alle Zeit gehabt hatte, um auf Connor zu zielen. Ein direkter Treffer in die rechte Schulter. Die noch geladene Steinschlosspistole fiel zu Boden, doch es war keine Zeit mehr sie aufzuheben. Während der Schütze nachlud, griffen die anderen Zwei direkt an. Connor zog wieder sein Tomahawk, nahm es aber in die linke Hand und konzentrierte sich auf den stärker bewaffneten Mann. Doch er griff seltener an und ging mehr in die Defensive. Bis der Schütze anlegte.

Connor schlug nun doch zu und zog so den Axtbewehrten Mann vor sich und nutzte ihn als menschlichen Schild, um nicht selbst erschossen zu werden.  Kaum fiel der Tote zu Boden, warf Connor sein Beil in Richtung des Schützen und ließ ihn so seinem Kameraden folgen. Der letzte Mann sah verängstigt aus und stand mit gehobener Waffe vor Connor, der sich zu ihm wandte. Connor’s Atem war inzwischen schwer geworden und die Wunden forderten immer mehr Kraft, um aufrecht zu stehen. Beide standen reglos da und fixierten einander.

Doch alsbald verließ den noch verbliebenen Mann aus der Eskorte der Mut und er warf die Muskete vor Connor’s Füßen zu Boden. „Bitte, TÖTE MICH NICHT!!!“, flehte der Mann und warf sich auf die Knie. Der Assassine atmete tief durch und nahm seine Pistole vom Boden. „Nein. Das werden andere tun.“, mit diesen Worten wandte sich Ratohnhaketon ab und zog das Tomahawk aus der Leiche, die halb im Gebüsch lag. Connor beschlich ein ungutes Gefühl und er  hob den Kopf. Aber der Ohrenbetäubende Knall zerfetzte schon das leise Prasseln des Regens. Der Sprung zur Seite rettete Connor zwar vor dem sicheren Tod, doch die Kugel schlug in seine rechte Seite. Es gelang Connor nicht, sich abzurollen und er schlug unsanft auf dem Boden auf. Der aufgepeitschte Schlamm traf die Toten, die Connor zu verantworten hatte.

Der Überlebende hatte Connor reingelegt. Und obwohl es ihm nicht das erste Mal passierte, war Connor wieder so leichtsinnig darauf eingegangen und wollte ihm das Leben schenken. Noch am Boden liegend zog Connor wieder die Pistole,  die er kurz zuvor in das Halfter gesteckt hatte. Mit staksigen Schritten über die Toten hinweg und durch den Schlamm kam der Rotrock auf den verwundeten Assassinen zu. „D-du hast meine Kameraden getötet, du dreckiger Bastard! Dafür wirst du bezahlen!“, presste der Soldat zwischen seinen Zähnen hervor. Connor’s Versuch, auf ihn zu schießen, machte er zunichte, indem er Ratohnhaketon mit dem Kolben der Muskete gegen die Hand und damit die Pistole aus selbiger schlug. Doch das zurückdrehen der Waffe gab Connor genug Zeit, einen Wurfpfeil aus seiner Tasche zu holen und seinem Feind ins Auge zu werfen. Mit einem lauten Schmerzensschrei krümmte sich der Mann und versuchte den Pfeil herauszuziehen. Unterdessen stand Connor langsam wieder auf und ließ seine Klinge hervorschnellen.

„»Ich hatte dir die Chance gegeben. Aber du wolltest sie nicht.«“, sagte er ruhig in der für den Englisch sprechenden Mann unbekannten Sprache und stach zu. Rantohnhaketon zog die Klinge zurück und ließ sich kurz nach seinem letzten Opfer auf den Boden sinken. Er hielt die Hand auf seine rechte Seite, wo ihn die Kugel getroffen hatte. Mit der rechten Hand schlug Connor die Kapuze zurück und legte den Kopf in den Nacken. Der Regen fühlte sich angenehm kühl an nach der Hitze, die in den letzten Tagen vorgeherrscht hatte. Aber jetzt war nicht die Zeit, sich lange auszuruhen. Connor musste zur Siedlung zurück und brauchte Hilfe. Also erhob er sich langsam und stöhnte vor Schmerz, als er langsam zu seiner Pistole ging, die schon wieder im Schlamm lag.

Trommeln rissen ihn aus seinem Dämmerzustand, der langsam eingetreten war. Es waren einwandfrei die Klänge einer Patrouille, die näher zu kommen schien. //Hmm, sie kommen genau daher, wo ich hinwill.//, dachte Connor und schlug sich ins Dickicht, wo er unbeobachtet den Rückweg in die Siedlung antreten konnte.

Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis die kleine Truppe von Soldaten an dem verletzten Mohawk vorbeizog, der durch Hohe Gräser und Pflanzen an ihnen vorbeischlich. Seine Sicht verschwamm immer mehr und er wusste, dass er sich beeilen musste. Zum Glück war es nicht mehr allzu weit.

//Nur noch diesen Pfad, dann…//

Er hatte es nicht geschafft. Mit einem dumpfen Aufprall ging Connor zu Boden. Unterhalb von Connor’s Position verabschiedete sich Ellen gerade von Myriam, da sie zu einem Händler im Grenzland gehen und dort ein paar Dinge einkaufen wollte, die ihr fehlten.

Hilfe

Ellen war guter Dinge, heute einen schönen Stoff zu finden, um endlich einmal ein neues Kleid für ihre Tochter zu nähen. Aus den alten Kleidern war sie schon wieder herausgewachsen. „Ach, und dabei ist sie schon bald siebzehn, Myriam.“, machte Ellen sich Luft. Myriam zuckte nur mit den Schultern „Was soll man sagen, sie wird eben eine wunderschöne Frau. Ganz wie ihre Mutter.“, stupste Myriam die Schneiderin mit dem Ellenbogen an. „Danke dir. Aber jetzt muss ich wirklich los, sonst verkauft der Händler noch die besten Sachen.“, verabschiedete sich Ellen und machte sich mit dem Korb in der Hand auf den Weg. Sie war immer noch heilfroh, dass Connor ihrer Tochter damals zur Hilfe gekommen war. Es war mal wieder einer dieser Tage an denen Ellen überlegte, was wohl  aus ihnen geworden wäre, hätte der junge Mann nicht so ein gutes Herz gehabt und sie in dieser Siedlung aufgenommen.

Seufzend schob sie die dunklen Gedanken an ihren Ex-Mann beiseite. Schon länger hatte sie nicht an ihn gedacht und war auch ganz froh darüber. Den Vögeln lauschend ging Ellen den Weg entlang und summte ein wenig vor sich hin. Etwas Helles in einiger Entfernung zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ellen sah genauer hin…. Und erstarrte. Das konnte nicht sein, sie musste sich irren! Ohne es zu merken, lockerte sich ihr Griff um den Korb so weit, dass er aus Ellen’s Hand glitt und zu Boden fiel. Vorsichtig setzte Ellen sich wieder in Bewegung und bat bei jedem Schritt, dass sie sich täuschte hatte und es nicht der war, den zu erkennen glaubte. Doch sie konnte so nah heran gehen, wie sie wollte. Es war Connor, der reglos dalag. Ellen war sich nicht einmal sicher, ob er noch atmete. All das Blut und der Schlamm, der zu trocknen begann, verrieten aber mehr, als Ellen überhaupt wissen wollte. „Oh Gott. Connor!“, rief sie dann doch aus, als sie sich neben ihn kniete. Vorsichtig hielt sie eine Hand mit etwas Abstand vor sein Gesicht. Da war etwas; er atmete also noch. Aber so flach, dass sie es kaum sehen konnte. 

Eilig stand sie wieder auf und sah sich hektisch um. „Halte durch Connor.“, sagte Ellen leise zu dem Bewusstlosen und rannte los. Sie musste so schnell nur irgend möglich zu Lyle. Und vielleicht auch Godfrey und Terry zur Hilfe holen. Sie allein konnte Connor keinen Zentimeter weit bewegen und Lyle könnte auch nicht viel tun, um Connor zur Siedlung zurückzubringen.

So eilig wie sie lief, rannten auch ihre Gedanken in ihrem Kopf umher und malten sich schon alle möglichen Horrorszenarien aus, was mit Connor geschehen sein könnte und das er womöglich sterben könnte. Daran wollte Ellen gar nicht denken, aber der Gedanke ließ sich auch nicht vertreiben. „Hee! Ellen, wolltest du nicht zum Händler?“, rief Myriam verwundert, die gerade Holzscheite trug, um damit ein Feuer vor ihrer Hütte zu entfachen. Abrupt bremste die Schneiderin ab und schnappte nach Luft. „Myriam. Es… Es ist schrecklich. Connor…. E-er…..“, stammelte Ellen und brach beinahe in Tränen aus. Die sonst so toughe Jägerin machte ein paar Schritte auf Ellen zu. „Ellen. Wo ist er? Was ist mit Connor?“, fragte sie ungeduldig. „Da hinten… Er liegt einfach nur da.“, schluchzte Ellen jetzt und sackte zusammen. „Ist er verletzt?“, fragte Myiram schon fast auf dem Weg zu Lyle und warf die Holzscheite in ein Gebüsch. „Ich… Ja.“, murmelte Ellen fast. Sie hatte schon einige Verletzte gesehen, keine Frage. Aber Connor war so etwas wie der Beschützer der Siedlung. Und ihn so zu sehen konnte nichts Gutes Bedeuten. Zuletzt hatte Ellen den jungen Mann in so einem Zustand gesehen, als er Charles Lee getötet hatte.

Dass Myriam inzwischen losgerannt war, hatte sie gar nicht registriert. Erst als die Jägerin mitsamt Lyle und Godfrey zurückkam, sah sie mit Tränen in den Augen auf. Dr. White wurde langsamer und legte der sichtlich aufgewühlten Frau eine Hand auf die Schulter. „Ellen. Wo ist Connor?“, wollte Lyle wissen, bekam als Antwort aber nur einen Fingerzeig von ihr, wo Connor sich befand. „Doktor, gehen Sie mit Godfrey los. Ich bleibe bei Ellen.“, warf Myriam ein, bevor irgendwer etwas sagen konnte.

Keiner der Männer machte Anstalten, ihr in irgendeiner Weise zu widersprechen. Lyle nickte nur und folgte dann Godfrey, der schon vorrausgelaufen war. „Komm schon, Lyle. Beweg dich!“, rief er laut und machte keine Anstalten, auf den Arzt zu warten.
 

****
 


 

Sie hatten Connor gefunden. Gerade noch rechtzeitig, wie Lyle festgestellt hatte. Und nun wartete Ellen zusammen mit Myriam und Morris darauf, dass Lyle endlich aus der Davenport Villa kam und ihnen etwas zu Connors Zustand sagte.

Er hatte sie alle zunächst des Hauses verwiesen, da er absolute Ruhe brauchte. Keiner weigerte sich gegen die Anordnung des Arztes. Im Haus war es dementsprechend still. Nur Lyle’s helfende Hand Diana war zugegen und half ihm dabei, Connor gut möglichst zu versorgen.  „Dr. White. Kann ich den Anderen schon etwas über seinen Zustand sagen. Sie warten schon die ganze Zeit.“, forschte Diana ruhig nach. Ihr Blick ruhte dabei auf Connor, der inzwischen schlief nachdem Lyle ihm vorsichtshalber mit einem Mittel betäubt hatte, dessen Zusammensetzung er geheim hielt.

„Nun, Diana…“, setzte Lyle an und begutachtete die Kugel, die er aus der Schulter des Assassinen operiert hatte. „…Connor hat großes Glück gehabt. Die Wunden an der Seite und seinem Rücken sehen eigentlich schlimmer aus, als sie sind. Und der Steckschuss in der Schulter könnte ihn sogar gerettet haben. Bei einem Durchschuss wäre er vermutlich gestorben.“, erklärte der Arzt ruhig. „Einzig das Risiko einer Entzündung kann jetzt noch gefährlich werden. Er sollte es also vermeiden, seinen Körper allzu sehr zu beanspruchen. Aber das werde ich ihm noch mitteilen, sobald er wach wird.“ Erleichtert atmete Diana aus. „Das klingt ja wunderbar. Mit deiner Erlaubnis Lyle, gehe ich jetzt raus und gebe den anderen Bescheid.“ „Tu das, Diana. Und schick sie Heim, es ist inzwischen spät.“, bemerkte Lyle mit einem Blick aus dem Fenster. Es Dämmerte bereits und nieselte ein wenig. Kein besonders schönes Wetter, wenn man Lyle fragte. „Oh, bevor ich es vergesse. Bring seine Kleidung bitte zu Ellen. Vielleicht kann sie sie noch reparieren, auch wenn ich es besser fände, die Sachen zu entsorgen.“ „Natürlich. Einen schönen Abend noch, Lyle.“, verabschiedete sie sich und verließ mitsamt der dreckigen und kaputten Kleidung das Haus.

Draußen saß Ellen auf dem Treppenansatz des Hauses. Myriam und Norris waren inzwischen gegangen. Trotz der Bitte der Jägerin hatte Ellen es verneint nach Hause zu gehen. Ihre Tochter war schließlich kein kleines Mädchen mehr und konnte auch noch eine Weile allein im Haus bleiben.

Als die Tür sich öffnete und Diana heraustrat, hob Ellen besorgt den Kopf und sah sie fragend an. „Wie geht es ihm?“, wollte sie sofort wissen und stand auf. Das Bündel an Kleidung in Diana’s Armen beachtete sie überhaupt nicht. Diana lächelte sanft. „Dr. White sagt, dass er es überleben wird. Connor muss sich in nächster Zeit nur schonen, dann kommt er schnell wieder auf die…“ „Kann ich zu ihm?“, fiel Ellen der anderen Frau ins Wort. Diana stutzte und überlegte kurz. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Lyle hat mich gehen lassen. Ich sollte dir eigentlich das hier geben. Vielleicht kannst du sie nochmal Flicken?“, antwortete die Arztgehilfin schließlich.

Ellen senkte ihren Blick auf das Gewand des Assassinen. Wie oft hatte sie daran schon Nähte ausgebessert, Löcher gestopft und Risse oder Schnitte verschwinden lassen?

Aber dieses Mal war es eindeutig nicht mehr zu retten. Das Blut war inzwischen eingetrocknet und ließ sich nicht mehr entfernen, das wusste Ellen besser, als jeder andere in der Siedlung. Und allein den Schlamm wieder zu entfernen könnte sie Tage kosten. Es war nicht nötig, darüber nachzudenken, ob sie es wieder einmal Flicken würde. „Tut mir Leid, Diana. Aber das bringt nichts mehr. Selbst wenn ich es noch einmal reparieren könnte, das Blut lässt sich nicht auswaschen. Zumindest wüsste ich nicht, wie. Aber du kannst mir die Sachen trotzdem geben. Ich werde etwas Neues für Connor nähen.“, bot Ellen an und lächelte sogar dabei. Sie freute sich immer, wenn sie etwas für die Gemeinschaft der Siedlung tun konnte.

Diana nickte und übergab der Schneiderin die Kleidung. „Vielleicht solltest du Lyle Fragen gehen. Ich bin sicher er hat nichts dagegen, wenn du kurz nach Connor sehen möchtest.“, meinte Diana zuversichtlich und gähnte. „Entschuldigung, aber ich sollte jetzt wirklich nach Hause gehen. Mein Mann zermartert sich sicher schon wieder den Kopf, wo ich bleibe.“ „Sicher. Gute Nacht, Diana.“, verabschiedete sich Ellen. Auch Diana wünschte ihr eine gute Nacht und machte sich auf den Weg zu Terry, der sicher schon ungeduldig auf sie wartete.

Ellen beneidete sie oft um ihren Mann. Sie wünschte sich, selbst einen solchen zu finden. Aber wer nahm denn schon ein Weib zur Frau, die bereits eine Tochter hatte? Ihr Lächeln verriet ihre Wehmut nur allzu sehr. Trotzdem betrat sie das Haus und seufzte schwer. Drinnen war es schon relativ dunkel. Kerzenschein im Flur erhellte das Haus so weit, dass man nicht fürchten musste, über etwas zu stürzen. Einen Augenblick lang sah sich die Schneiderin nur um und dachte daran, dass Connor hier als junger Bursche aufgetaucht war und mit Achilles zusammen gelebt und gelernt hatte. Ohne Achilles war es hier so still. Selbst dann, wenn Connor zugegen war. Sie hatten sich häufig gestritten, diskutiert und waren sich eher selten einig gewesen. Trotzdem fand Ellen den jungen Mann häufig am Grab des damals ziemlich mürrischen Alten. Aber sie hatte Connor nie darauf angesprochen, ob Achilles ihm fehlte. „Doktor?“, fragte Ellen dann schließlich in die Stille hinein. Die Tür des unteren Schlafzimmers öffnete sich und der Arzt schaute prüfend in den Flur, wer da nach ihm rief. „Oh, Ellen. Kann ich dir helfen?“, fragte Dr. White freundlich wie immer und rückte die Brille auf seiner Nase zurecht. „Nun ja… Ich wollte kurz sehen, wie es Connor geht.“, gestand Ellen und ging auf Lyle zu. „Ich kann deine Sorge verstehen, Ellen. Allerdings schläft er gerade.“, erwähnte der erfahrene Arzt und sah auf die Kleidung die Ellen bei sich trug. „Kannst du denn seine Kleidung flicken?“ Ellen schüttelte leicht den Kopf und lächelte verlegen. „Leider nein. Das heißt eigentlich schon, aber das Blut und der Dreck ließen sich nicht mehr richtig auswaschen. Deswegen werde ich etwas Neues für ihn nähen.“, erklärte Ellen und sah dabei ruhig in Richtung des Arztes. Dieser blickte kurz zurück in den Raum, in dem Connor schlief und kratzte sich am Hinterkopf. „Nun, Ellen. Ich denke es schadet ihm nicht, wenn du kurz bei ihm bist. Aber bitte weck ihn nicht auf, er braucht jetzt Ruhe.“, beschloss Lyle, den Besuch der Schneiderin zuzulassen. Ein glückliches Lächeln legte sich auf Ellen’s Lippen. „Ich danke dir Lyle.“, brach es ein wenig zu laut aus ihr heraus, was sie auch gleich bereute und sich etwas verhalten eine Hand vor den Mund hielt. „Entschuldigung.“, murmelte sie leise. Lyle schüttelte nur den Kopf und bedeutete ihr, das Zimmer zu betreten. „Aber bleib nicht allzu lang. Du brauchst auch deinen Schlaf, meine Teure.“, ermahnte Dr. White sie und ging, als sie nickte.
 

Als der Arzt schon einige Minuten fort war, betrat Ellen erst das Zimmer. Es war ihr ein wenig unheimlich, wie still es nachts in diesem Haus war. Manchmal fragte sie sich wie Connor es überhaupt hier aushielt. Das Zimmer selbst war ebenso still wie der Rest der Villa. Nur eine Kerze tauchte den Raum in ein warmes, schummriges Licht. Zu hell um stockfinster zu sein, aber auch zu dunkel um wirklich viel sehen zu können. Ellen legte das Stoffbündel auf einen Stuhl, der nah bei dem kleinen Tisch stand, der in der Nähe des Fensters als Ablage von unzähligen Papieren diente. Sie musste schmunzeln, als sie die Unordnung bemerkte, die hier und da in Raum zu erkennen war. Behutsam nahm Ellen die kleine Metallschale mit der Kerze vom Tisch und schritt langsam auf das Bett zu. Sie wollte unter keinen Umständen zu laute Geräusche machen und achtete auf jeden einzelnen Schritt, den sie machte. Auf den Nachttisch, der gleich neben dem Bett an der Wand seinen Platz hatte, stellte die Schneiderin die Kerze ab und setzte sich vorsichtig auf die Bettkante. Connor reagierte darauf nicht, sondern schlief ruhig weiter. Aber es war offensichtlich, dass es ihm um einiges besser gehen musste. Sein Atem war nicht mehr so flach wie noch vor ein paar Stunden. Wenn Ellen es genau nahm, waren die gleichmäßigen Atemzüge sogar ziemlich gut zu erkennen. Die dünne Decke hatte ihm wohl Lyle übergelegt, damit er nicht auskühlte und sich womöglich noch erkältete. Der Stoff lag bis zu Connors Brust und ließ einen guten Blick auf seine Schultern zu, wovon die Rechte fachmännisch verbunden worden war.

Ellen ließ sich zu einem tiefen Seufzen hinreißen, als sie versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. Sie überlegte, ob sie wirklich nicht langsam zu sich nach Hause gehen sollte. Ihr Blick schweifte zum Fenster ab und in die junge Nacht hinaus. Auch der feine Regen hatte inzwischen aufgehört und die Wolken hatten sich vollends verzogen. Selbst von ihrem Platz aus konnte Ellen ein paar Sterne durch das Laub des Baumes hindurchblitzen sehen.

Nun gähnte sie doch und entschied, nur einen Augenblick lang ihre Augen zu schließen. Nur einen Moment lang, mehr nicht.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Mizuki-chi
2013-05-20T13:30:00+00:00 20.05.2013 15:30
Ich stimme moonlight zu, schön das du Zeit gefunden hast um weiter zu schreiben! c:
Von:  moonlight
2013-04-07T21:55:36+00:00 07.04.2013 23:55
Und auch das zweite Kapitel wieder super*freu*:)
Von:  Mizuki-chi
2013-03-19T18:28:44+00:00 19.03.2013 19:28
Wuhhaaaaa! Also ich habe jetzt erst nur 4 Seiten gelesen, aber ich finde die Geschichte jetzt schon sehr interessant und ich liebe deinen Schreibstil, ich finde ihn sehr schön! *-* Bitte schreib schnell weiter und erfreue uns mit weiteren Seiten! ♥
Dickes Lob an dich!
Von:  moonlight
2013-03-05T22:10:00+00:00 05.03.2013 23:10
Liest sich echt gut, freu mich schon auf weitere Seiten:)


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