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Scare me

Criminal Minds
von

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Wenige Zentimeter

Niemand mochte Krankenhäuser, was zu einem nicht unerheblichen Teil damit zusammenhing, dass das menschliche Gehirn es sich zu Nutzen machte, Gerüche, Geräusche und Orte mit Erinnerungen zu verknüpfen. So konnte schon der simpelste und untypischste Duft einen auf eine Reise durch die Vergangenheit schicken, dem Verstand ein Déjà-vu-Erlebnis bescheren, und positive oder negative Momente wieder aufleben lassen, die man bereits vollkommen in Vergessenheit gewähnt hatte.

Zwar gab es durchaus glückliche Momente in Krankenhäusern, neues Leben erblickte das Licht der Welt, Kranke, deren Genesung praktisch als ausgeschlossen galt, wurden auf wundersame Weise 'geheilt', und doch prägten sich traurige Ereignisse, Schmerzen und Leid tiefer in das Unterbewusstsein ein.
 

Dr. Spencer Reid war auch ein solcher 'Niemand'. Unterschwellige Übelkeit kam in ihm auf, als er die langen, sterilen Flure des Westminster-Hospitals entlangging, und sein Körper schrie förmlich danach, diesen Ort weit hinter sich zu lassen. Er fühlte sich zittrig, fast ein wenig aufgeschreckt und unkonzentriert. Zudem war da noch dieses schlechte Gewissen, zum Einen, weil er seine Mutter an einen ähnlich trostlosen Ort hatte 'abschieben' müssen, und zum Anderen, weil auch sein Kollege Derek Morgan seinetwegen hier verweilen musste. Derek, der durch seine Hand hätte sterben können, weil er, Spence einen Fehler begangen hatte.
 

Klopfenden Herzens pochte er an einer der anonymen, ebenso sterilen Türen, die trotz ihrer simplen Aufmachung niemals verbergen könnten, dass das, was hinter ihnen lag meist einen unschönen Hintergrund hatte. Aus dem Inneren drang ein gedämpfter Laut, der unmöglich zu deuten war, und so drückte der junge Profiler nach einem tiefen durchatmen die Klinke hinab, öffnete die Tür und betrat das Krankenzimmer seines dunkelhäutigen Kollegen.
 

Derek Morgan saß auf seinem Bett, wirkte ein wenig fahl um die Nasenspitze herum, hatte den linken Arm in einer Schlinge und war offensichtlich gerade am Essen, wenn man das Tablett auf seinem Schoß in die Beobachtung mit einbezog. Als er seinen jüngeren Kollegen erkannte, ließ er das Besteck fallen und hob die Hände hoch, als hätte dieser eine Waffe auf ihn gerichtet, verzog jedoch sogleich das Gesicht und ächzte unter Schmerzen auf. Kleine Sünden bestrafte der liebe Gott bekanntlich sofort, doch Spencer war nicht in der Stimmung für Schadenfreude.
 

„Sehr witzig, Morgan.“

Er trat weiter in den Raum hinein, zog sich einen Stuhl heran und ließ sich neben Dereks Bett nieder. Offenbar war dieser zumindest nicht so schwer verletzt, als dass er ihn nicht in altbewährter Manier aufziehen konnte. Spence spürte angesichts dieses guten Zeichens nun doch ein leichtes Schmunzeln über seine Lippen wandern.

„Wenn du mich umbringen willst, musst du schon ein bisschen früher aufstehen, Kleiner. Oder zumindest ein wenig besser zielen.“
 

Der Angesprochene verschränkte die Arme vor der Brust, schlug die Beine übereinander und verdrehte die Augen. Sein eigenes schlechtes Gewissen quälte ihn schon genug, denn auch wenn Derek bereits wieder zu Späßen aufgelegt war, hätte die Sache ganz übel enden können.

Er mochte gar nicht daran denken, was es bedeutet hätte, wenn der Ältere durch seine Hand das Leben verloren hätte, und doch sah er sich immer wieder mit dieser schrecklichen Situation konfrontiert. In den bangen Sekunden, bevor Derek zu Boden ging, als Aaron Hotchner sich über ihn beugte und schließlich als er von den Sanitätern in den Krankenwagen geschoben wurde.
 

„Es tut mir wirklich unheimlich leid, Morgan.“

„Reid. Es war ein Unfall. Das hoffe ich zumindest.“

Ein weiteres leichtes Grinsen huschte über das Gesicht des Älteren und er taxierte seinen Kollegen herausfordernd.

„Es ist mein ernst. Wenige Zentimeter weiter links und du wärst jetzt wahrscheinlich...“

Spencer schluckte leicht und machte eine hilflose Geste. Es auszusprechen war zwar nicht annähernd so schlimm, wie der Gedanke daran, und die mit ihm verbundenen Gewissensbisse, aber trotzdem würde es ihn noch realer machen. Irgendwie. Auch wenn das vollkommen absurd war.

Derek begnügte sich damit, die Achseln zu zucken und erneut ein wenig das Gesicht zu verziehen.

„Wenige Zentimeter weiter rechts, und du hättest mich verfehlt. Wie gesagt, es war ein Unfall.“

Einen Moment lang schien es so, als wolle der ältere Agent noch etwas hinzufügen, doch dann begnügte er sich offenbar doch lieber damit, mit der Hand des gesunden Armes, mit seinem Besteck herumzuspielen.
 

Eine unbehagliche, tonnenschwere Pause entstand. Spencer blickte auf seine schlanken Finger und nagte ein wenig an seiner Unterlippe herum.

„Es wird eine Untersuchung geben.“ murmelte er und suchte nun doch den Blick seines Gegenüber.

„Die gibt es immer.“

„Ich weiß. Das Problem ist, dass ich nicht einmal sagen kann, wie es geschehen ist.“

Hunderte Male hatte er versucht, sich die Szene ins Gedächtnis zu rufen. Steven Kennesh, der mindestens sechs Frauen bestialisch hingerichtet hatte und sich nun wie ein unschuldiges Kind im Schrank vor der Polizei versteckte, war aufgeschreckt und panisch herausgestürmt, und das Letzte, an das er sich erinnerte war eine blitzende Klinge im spätnachmittaglichen Zwielicht. Instinktiv hatte er seine Waffe gezogen und auf den Angreifer gefeuert.
 

„Ich habe den Überblick über die Situation verloren. Das ist eine ziemlich üble Geschichte, Derek. Egal wie schnell es ging, ich hätte sicher gehen müssen, dass du dich nicht in meiner Schusslinie befindest. Zumal ich ohnehin kein besonders guter Schütze bin.“

„Hör auf dich selbst klein zu machen, Pretty Boy. Und wag es ja nicht, diesen Blödsinn bei der Befragung zu wiederholen.“

Dereks Blick war ernst und voller Sorge. Spencer runzelte die Stirn und rutschte ein wenig unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Die Nähe des Älteren war auch ohne eine derartige Situation immer ein wenig merkwürdig. Der junge Bücherwurm hatte zuweilen immerwieder das Gefühl, dass Morgan es irgendwie vermochte in ihn hinein zu sehen, und das verwirrte ihn jedes Mal aufs Neue.
 

„Hör zu, Reid. Ich sollte dir vielleicht -“

Ein lautes, alles andere als dezentes, für ein Krankenhaus angemessenes Klopfen unterbrach Derek in seinem Satz, und ehe die Beiden wussten, wie ihnen geschah, wurde die Tür aufgestoßen.

„Hey, mein Hübscher.“ Penelope Garcia strahlte ihr berühmt berüchtigtes Honigkuchengrinsen und wirbelte in den Raum.

„Ah... hi Genious. Störe ich?“

„Nein. Ich... wollte ohnehin gerade gehen.“

Spencer schenkte der blonden IT-Fachfrau ein leichtes Lächeln und wandte sich dann zögernd an Derek.

„Gute Besserung.“
 

Er verließ den Raum mit großen Schritten und erhaschte nur noch einen kurzen Blick auf die verwirrt anscheinende Garcia, und Morgan, der ihm nachdenklich hinterherblickte.

'Gute Besserung'. Was für eine hirnlose Flosskel in einem Moment wie diesem. Zu gerne hätte er gewusst, was sein Kollege ihm hatte mitteilen wollen, doch die Unterbrechung hatte ihn sich irgendwie ertappt fühlen lassen. Still vor sich hinbrütend ließ er diesen gruseligen Ort hinter sich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2013-01-21T13:12:57+00:00 21.01.2013 14:12
Gut, gut. Man findet nicht viele gute FFs zu der Serie. Gut meine ich im Sinne vom Schreibstil. Er passt genau dazu. Ein wenig analytisch, knapp gehalten und doch alles umfassend, was der Leser wissen muss.
Dass dabei noch ein interessantes Pair rausspringt, ist ein toller Bonus. Die beiden habe ich mir so zusammen noch gar nicht weiter vorgestellt, aber ich finde die Idee gar nicht so abwegig. Ich bin sehr gespannt, was du daraus machst und freue mich auf die weiteren Kapitel. =)
Antwort von:  Reid
21.01.2013 19:37
Hallo :)
Tatsächlich ist dieses das einzige serienbezogene Pairing, das mir so sehr zusagt. Freut mich, dass du dieser kleinen Geschichte folgst, ich sitze gerade am neunten Kapitel, es wird also sehr bald schon wieder etwas zum Lesen geben. Vielen lieben Dank für deinen Kommentar =)


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