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Labyrinth der Ängste

Sherlock Holmes/Tom Hiddleston, Loki/Tom Hiddleston?
von

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Wie? Das war die Frage, die John durch den Kopf schoss. Wie war das möglich? Sie hatten das Haus die ganze Nacht lang überwacht. Sie hatten nicht einmal eine Sekunde lang weggesehen. Ja, gut, vielleicht doch. Vielleicht während der fünf Minuten, in der sie sich endlich entschlossen hatten, doch nach Hause zu gehen, aber niemand konnte in diesen fünf Minuten in Hiddlestons Haus eingebrochen sein. Außerdem gab es gar keine Anzeichen dafür, dass irgendjemand eingebrochen war. Keine zerbrochenen Schreiben, keine geknackten Schlösser. Entweder hatte der Stalker seinen eigenen Schlüssel oder …
 

Sein Blick huschte von Sherlock zu dem Mann, der auf dem Sofa saß – die Decke war in seinen Schoß gefallen, seine Brust und Füße waren nackt und seine Augen rot vom Weinen, seine Haut blass vor Angst.

Niemand könnte das vortäuschen. Niemand war so gut im Schauspielern. Aber Sherlock hatte Recht – was hier geschah war ganz einfach und ganz sicher unmöglich. Er muss es selbst getan haben, flüsterte seine innere Stimme ihm zu. Aber er sieht nicht aus wie ein schizophrener Verrückter (oder politisch korrekt ausgedrückt: wie ein Mensch mit dissoziativer Identitätsstörung) oder als wäre er so scharf auf PR. Er sieht so … nett aus. Also wieso? Wenn er es selbst war, wieso tut er das? Und wenn er es nicht war … John schauderte, sah wieder zu der verbrannten Wand. Sollte die winzige Möglichkeit, dass es wirklich einen durchgedrehten Stalker gab, sich als Wirklichkeit herausstellen, dann war das anders als alles, was sie je zuvor gesehen und bekämpft hatten.
 

„Was für eine Art von Säure tut das?“, fragte sich Sherlock, der sich näher zu der Wand lehnte, sie untersuchte ohne sie dabei anzufassen (John würde gerne sagen, er hätte endlich gelernt, dass Sicherheit an oberster Stelle stand, aber das war schließlich immer noch Sherlock 'Sicherheit ist was für ordinäre Menschen' Holmes). „Es sieht aus, als wäre die Schrift schon vor Tagen in die Wand geätzt worden. Aber wir waren erst gestern hier. Wie kann das -“
 

„Wen interessiert das?“ Hiddleston – noch immer weiß wie ein Gespenst – sah mit wütendem Blick zu ihm hoch. „Sie – Sie haben das langweilig genannt! Trivial! Sie haben damit angegeben, wie schnell Sie diesen Irren doch aufspüren könnten, und dabei haben Sie noch überhaupt nichts getan!“ Die letzten Worte schrie er und krallte sich so fest in die Decke, dass John befürchtete, er könnte sie in Stücke reißen. Er funkelte Sherlock wütend an; dessen Blick wiederum wurde kalt. John war schon bereit, einzuschreiten, sollte der Anstarr-Wettbewerb in etwas Gravierendes, etwas Brutaleres ausarten, aber da sah Hiddleston schon zu Boden. „Tut mir Leid. Ich hätte nicht ausflippen sollen. Es ist nur … Ich bin in meinem eigenen Haus nicht mehr sicher … “
 

„Ja“, sagte Sherlock. „Sie sollten einige Zeit lang ausziehen.“
 

„Sie können bei uns bleiben“, schlug John schnell vor. „Wer auch immer das getan hat, kennt uns nicht, weiß nicht, wo wir wohnen. Sie wären bei uns sicher.“ Und außerdem, fügte er stumm hinzu, tauschte einen Blick mit Sherlock, der knapp nickte, können wir Sie im Auge behalten.
 

-
 

„Sie können mein Zimmer haben“, sagte John, als er Hiddleston dabei half, seinen Koffer die Stufen zu 221B hinaufzutragen.
 

„Nein. Das geht nicht. Vielen Dank für das Angebot, aber -“
 

„Es ist kein Problem. Wirklich nicht. Außerdem bestehe ich darauf.“ Er lächelte breit. „Machen Sie sich keine Sorgen deswegen, Sie machen wirklich keine Umstände, Mr. Hi-“
 

„Tom.“
 

„Wie bitte?“
 

Der Mann brachte ein verlegenes Lächeln zustande. „Sie lassen mich für unbestimmte Zeit Ihr Bett stehlen. Ich denke, das ist Grund genug, uns mit Vornamen anzusprechen. Finden Sie nicht auch?“
 

John lächelte einmal mehr und nickte. „John. Es ist nett, Sie … nun ja, 'kennenlernen' kann man es nicht ganz nennen.“
 

„Wenn ihr damit fertig sein solltet, Höflichkeiten auszutauschen“, rief Sherlock ihnen ungeduldig vom Kopf der Treppe aus zu, „könnten wir uns dann wieder um den Fall kümmern? Ihr wisst schon – den Wichtigen?“ Er verschwand in der Wohnung, das Smartphone bereits in der Hand, und tippte verschiedene Schlüsselwörter ein, murmelte dabei leise vor sich hin. Hiddles- Tom brachte seinen Koffer die zweite Treppe hinauf, und Sherlock vollführte eine knappe Geste, um John näher zu sich zu winken. „Da“, sagte er, „das ist unser Hersteller. Die einzige Firma in ganz England, die Schwefel für ihre Tinte benutzt.“ Er drückte auf die Tasten. „Und das hier sind die Papeterien, die sie beliefern. Wir können die zwei hier ausschließen, die sind in der Zwischenzeit pleite gegangen.“
 

Was bedeutete, dass es ganz genau einen Laden in ganz London gab, in dem sie Antworten auf ihre Fragen finden konnten – oder zumindest Hinweise auf die Antworten auf ihre Fragen. Wie praktisch. Es schien ein wenig weit hergeholt, ausgerechnet dort auf Hinweise zu stoßen, aber nun ja … in der Zeit, die sie schon miteinander verbracht hatten, waren schon seltsamere Dinge geschehen. Und das erst recht in den letzten zwei Tagen.
 

„Du willst also, dass ich zu 'Smug' gehe und herausfinde, wie 'smug' sie da wirklich sind?“ Auf Sherlocks 'Du bist nicht witzig, also hör bitte auf, so zu tun'-Blick hin zuckte er mit den Schultern. „Und was hast du vor?“
 

„Ich gehe zurück zu Hiddlestons Haus. Wenn wir Glück haben, finde ich unser ganz eigenes Morddrohungsbastelset.“ Er sah zum Treppenabsatz. „Mr. Hiddleston“, sagte er laut, „wir machen mit den Nachforschungen weiter. Fühlen Sie sich ganz wie Zuhause und fassen Sie ja nichts an!“
 

„Und Sie müssen keine Angst vor dem Kühlschrank haben“, fügte John – hilfreich wie immer – hinzu.
 

-
 

Das Erste, zu dem Tom sich entschied, nachdem er damit fertig war, sich in seinem neuen Schlafzimmer umzusehen, war es, eine Dusche zu nehmen. Er brauchte dringend eine. Also faltete er sorgsam seine Kleider (wäre er jetzt Zuhause, hätte er sie einfach in den Wäschekorb geworfen, aber er wusste schließlich weder, ob John überhaupt einen besaß, noch ob es ihm recht war) und stieg unter den wunderbar warmen Wasserstrahl. Laut seufzend schloss er die Augen, genoss, wie die zahllosen Wassertropfen auf ihn herabregneten, um die Verspannung in seinen Schultern zu lösen. Sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht und er lächelte darüber, nass und beinahe wieder sauber zu sein, als er nach einer Flasche Shampoo griff.
 

Ungefähr dreißig Minuten später schaltete er das Wasser ab und schauderte wegen der plötzlichen Kälte, wickelte sich in einen Bademantel und stieg aus der Dusche. Rasieren kam als Nächstes. Die war auch bitter nötig. Als er in den Spiegel schaute, schnitt er eine Grimasse und nickte seinem Spiegelbild zu. Ja. Bitter nötig. Er griff nach seinem Rasierapparat (glücklicherweise hatte er daran gedacht, ihn mitzunehmen), betrachtete sich selbst im Spiegel, betrachtete die Art und Weise, wie seine Bartstoppeln einen verdienten Tod starben.
 

Und dann zwinkerte sein Spiegelbild ihm zu.
 

Tom zuckte zusammen, schnitt sich dabei an der Wange. „Scheiße!“, fluchte er, obwohl er eigentlich sagen wollte: „Was zur gottverdammten Hölle war das?“ Er blinzelte, beugte sich nach vorn, betrachtete sein Spiegelbild mit ernstem Blick und legte eine Hand auf den Spiegel. Nichts geschah. Natürlich nicht. Was hatte er denn erwartet? Dass sein Spiegelbild seine Hand beiseite schlug und ihn ausschimpfte? Sicherlich nicht …
 

Du bist nur ein wenig schreckhaft, Tom, dachte er. Nun, wie auch nicht? Er schloss einen Augenblick lang die Augen und nickte dann langsam. Ja. Das muss es sein. Ich bilde mir alles nur ein, nichts weiter.
 

Halbwegs beruhigt griff er nach seinem Handy, einfach nur zur Sicherheit, falls John oder Sherlock anrufen sollten, und wagte sich hinab in die Küche, wo er sehr schnell herausfand, dass er eigentlich doch überhaupt keinen Hunger hatte („Oh mein Gott!“, rief er. „Ist das ein Fuß?“), und betrat stattdessen das Wohnzimmer, um sich auf das Sofa zu setzen und sich umzusehen, wobei er die Stirn in Falten legte. War da ein Cluedobrett an die Wand genagelt? Und dann auch noch mit einem Messer? Zugegeben, er hatte gewusst, dass Sherlock Holmes ein wenig exzentrisch sein konnte, aber er hätte nie für möglich gehalten, wie exzentrisch er wirklich war.
 

Dennoch war Sherlock Holmes ein interessanter Mann, und wenn man ihn ein wenig besser kannte, war er möglicherweise sogar ein sehr liebenswerter Mann. Hm. Wollte er ihn besser kennenlernen? Er dachte darüber nach, und dann dachte er an seine langen, schmalen, beinahe knochigen Finger, dachte an sein seltsam schiefes Lächeln, dachte an helle und intelligente Augen, die sich niemals entscheiden konnten, welche Farbe sie nun hatten.
 

Und dann dachte er daran, dass, ja, er ihn wirklich gerne besser kennenlernen würde. Später. Wenn diese ganze Sache vorbei war.
 

Aber erst einmal dachte er daran, dass er sich irgendwie ablenken sollte. Mit dem Fernsehprogramm zum Beispiel …
 

Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gebracht, piepste sein Handy, um ihm zu sagen, dass er eine SMS bekommen hatte.
 

-
 

'Smug' war ein Laden, der nicht ganz am anderen Ende von London, aber dennoch ziemlich weit weg und noch besser versteckt lag. John musste zugeben, dass er schmale, braune Tür komplett übersehen hätte, wenn er nicht bereits von der Existenz des Ladens im Klaren gewesen wäre. Vielleicht hätte er die Tür auch für den Eingang zum Haus irgendeines Ladenbesitzers gehalten.
 

Im Inneren fand er nicht nur eine größere Auswahl an Geburtstagskarten als er jemals zu sehen gewünscht hätte, sondern auch einen älteren Herren, sein Haar an den Schläfen bereits ergrauend, seine Augen freundlich und warm. Ein Verkäufer, falls seinem weißem Hemd mit dem Schriftzug 'I feel smug' Glauben zu schenken war. Sehr gut. Genau der Mann, den John brauchte.
 

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Verkäufer, verzog die Lippen zu dem üblichen Lächeln, das man eben lächelte, wenn man glaubte, einen Kunden vor sich zu haben.
 

„Oh ja.“ John beobachtete den Mann, als er ihm sein Problem und seinen Beruf erklärte (Es war nicht gelogen, als er sagte, er wäre ein Privatdetektiv. Zumindest war es keine ganze Lüge. Er war mit einem befreundet, galt das auch?), sah zu, wie er seine Schläfe in einer Geste der Verwirrung und des Nachdenkens kratzte, sah ihm zu, wie er die Arme vor der Brust verschränkte. „Also, erinnern Sie sich an jemanden, der eine große Menge an dunkelgrüner Tinte und marmoriertem Papier gekauft hat?“
 

„Es gab da einen Gentleman, der unsere gesamten Vorräte aufgekauft hat, ja“, sagte der Mann nach kurzer Zeit. „Das war letzten Donnerstag, glaube ich.“
 

„Klasse! Können Sie … können Sie ihn mir beschreiben?“
 

Und so tat der Verkäufer genau das und erzählte John alles über einen großen Mann – etwas über einen Meter Achtzig – mit schmalem Körperbau und langen Gliedmaßen, hohen Wangenknochen und hoher Stirn, sowie schwarzem Haar, das ihm bis auf die Schultern reichte.
 

Der Blick, mit dem John ihn bedachte, lag irgendwo zwischen Überraschung und Horror. Das … klang genau wie Tom. Also hatte er das alles getan. Aber hatte er nicht gesagt, er wäre bis Freitag spät nachts außer Landes gewesen? Natürlich konnte das eine Lüge gewesen sein, aber … „Ist das der Mann, den Sie gesehen haben?“, fragte er, rief auf seinem Handy ein Foto von Tom auf, um es dem Verkäufer zu zeigen.
 

„Ja! Das ist er! Nur … “
 

„Nur was?“
 

„Die Augen stimmen nicht. Sie waren nicht blau. Sondern grün.“
 

John legte die Stirn in Falten. „Sind Sie sicher?“
 

„Oh ja“, sagte der Verkäufer. „Ich habe noch immer Alpträume von diesen Augen.“
 

-
 

1 SMS von eigener Nummer
 

Tom blinzelte verwirrt. Er hatte sich keine SMS geschickt. Oder hatte er doch? Nein. Sicherlich nicht. Vielleicht war sein Handy kaputt. Verwirrt und mit sehr schlechtem Gefühl im Magen öffnete er die Nachricht.
 

Lass den Fernseher aus. Es läuft sowieso nichts Gutes.
 

Eine plötzliche Kälte erfasste seinen Körper wie eine eisige Hand, die sein Herz und seine Kehle umklammerte. Er starrte das Telefon geschockt an, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch nur ein Wimmern entkam seinen Lippen. Wie macht er das? Werde ich langsam verrückt?
 

Mit zitternden Fingern griff er nach der Fernbedienung, schaltete den Fernseher an. Der Bildschirm blieb schwarz, und gerade, als Tom den Kopf schüttelte und sich fragte, ob das Ding kaputt war, erschienen weiße Buchstaben, einer nach dem anderen, formten einen einzigen Satz: Ich sagte doch, es läuft nichts Gutes.
 

Dieses Mal schrie Tom auf, schaltete den Fernseher aus Reflex wieder aus.
 

Und dann blieb er genau so, blieb still, wagte nicht, sich zu bewegen. Er hätte nie gedacht, dass er die Anwesenheit von Sherlock Holmes so schnell herbeisehnen würde.
 

-
 

Er musste nicht sehr lange warten. Schon zehn, zwanzig Minuten später stürmte Sherlock in die Wohnung; in seinen Augen funkelte ein Zorn, den er sofort auf den Mann richtete, der sich wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa zusammengekauert hatte. „Wir müssen reden.“
 

„Haben Sie etwas herausgefunden?“, fragte Hiddleston mit einem hoffnungslosen Blick, der genauso falsch war wie der Rest seiner Lügengeschichte.
 

„Sicher doch.“ Sherlock baute sich vor ihm auf. „Ich habe herausgefunden, dass Sie ein Lügner sind.“
 

"Was?"
 

Er atmete tief durch, setzte sich in seinen Sessel und schloss die Augen. Schrei ihn nicht an. Bleib ruhig, sagte er sich. „Sie“, begann er noch einmal, „sind ein Lügner. Eigentlich keine große Überraschung. Das seid ihr Schauspieler alle. Aber das hier ist eine ganz andere Geschichte.“ Er öffnete die Augen, beobachtete den Mann. „Ein Verkäufer in einer Papeterie hat sie identifiziert. Er hat gesehen, wie Sie letzten Donnerstag die gesamten Zutaten für Ihren kranken, kleinen Scherz gekauft haben.“
 

"Was? Ich war am Donnerstag nicht einmal in England, geschweige denn in London!"
 

„Natürlich nicht. Sie haben einen bösen Zwilling mit etwas längeren Haaren und unnatürlich grünen Augen. Was mich zu der Frage bringt, warum Sie sich überhaupt die Mühe gegeben haben, Kontaktlinsen zu tragen, ohne sonst etwas an Ihrem Aussehen zu verändern.“
 

„Ich … “
 

„Sie haben Kontaktlinsen in Ihrem Badezimmer.“
 

„Ich … “ Hiddleston blinzelte. „Die waren für einen Film. Aber ich vertrage keine Linsen. Ich bin nur noch nicht dazu gekommen, sie wegzuwerfen.“
 

„Aber ja doch.“ Sherlock schnaubte, schlug mit der Hand auf den Tisch, brachte nicht nur Hiddleston sondern auch John dazu, zusammenzuzucken. „Hören Sie auf!“, rief er. „Es reicht! Sie hatten Ihren Spaß. Selbst jetzt, wo ich die Wahrheit schon herausgefunden habe, bestehen Sie darauf, weiter zu lügen? Hören Sie einfach auf und sagen Sie uns, warum Sie so scharf auf unsere Aufmerksamkeit waren! Haben Ihre Eltern Sie nicht genug geliebt, als Sie noch ein Kind waren? Ist es das?“
 

Hiddleston hatte die Augen vor Unglauben aufgerissen und öffnete den Mund, aber kein Ton entkam seinen Lippen. Als Sherlock ihn anschreien wollte, damit er endlich aufhörte, ihre Zeit zu verschwenden, geschah etwas Unerwartetes: Sein Handy klingelte. Und es war Hiddlestons Nummer, die auf dem Display angezeigt wurde. Sherlock blinzelte verwirrt und nahm ab. „Ja?“
 

„Hallo, Mr. Holmes.“ Eine Stimme, die genauso klang wie die des Mannes auf dem Sofa, nur mit einer kalten, harten Note darin. Selbst diese kurze Begrüßung war mehr geknurrt als gesagt.
 

„... wer ist da?“
 

„Verlassen Sie das Zimmer und machen Sie die Tür hinter sich zu. Ich möchte, dass nur Sie das hier hören.“
 

Oh, willst du das?, dachte Sherlock und drückte den Lautsprecherknopf, sah nickend zu John. „Schon erledigt.“
 

Der Mann legte auf.
 

Sherlock fluchte laut und stand auf, verschwand in seinem Schlafzimmer. Er knallte die Tür hinter sich zu. Komm schon, komm schon, komm schon!
 

Das Telefon klingelte wieder.
 

„Lügen Sie mich nie wieder an, Sherlock Holmes. Es ist unklug und wird nicht ungestraft bleiben.“
 

„Mich bestrafen? Was wollen Sie denn tun? Wieder auflegen?“
 

„Nicht doch. Ich werde einfach verschwinden, ohne Ihnen zu verraten, wer ich bin und wie ich die Dinge tun konnte, die ich getan habe. Und möglicherweise werde ich es für notwendig halten, Ihren netten Klienten in den endgültigen Wahnsinn zu treiben.“
 

„Hm.“ Sherlock nickte. Natürlich. Das hatte er erwartet und befürchtet. „Und was tun Sie, wenn ich mich benehme?“
 

Der Mann lachte. „Ich könnte sagen 'Sie kennen mich nicht, aber ich kenne Sie, und ich möchte ein Spiel spielen', aber ich fürchte, die Anspielung würde meilenweit an Ihnen vorbeigehen. Also … “, sagte er, wobei seine Stimme wieder ernst wurde. „Ich schlage einen Handel vor. Sie tun, was ich sage, Sie erfüllen meine Wünsche und ich geben Ihnen Tipps dazu, wer ich sein könnte und warum ich unsren lieben Freund Thomas so ärgere.“
 

„Und was sind Ihre Wünsche?“
 

„Der Ort, an dem sich jeder sieht und doch niemand selbst erscheint, wo man der Wirklichkeit entflieht, ist nun mit dem Tod vereint. Mr. Holmes, ich möchte, dass Sie diesen Ort finden, dass Sie heute Nacht dorthin gehen. Sie werden ein kleines Päckchen finden, das etwas enthält, was mir lieb und teuer ist. Ich möchte, dass Sie den Inhalt an sich bringen und gut darauf aufpassen, bis ich Ihnen anderweitige Anweisungen gebe.“
 

„Was befindet sich darin?“
 

„Nichts Gefährliches. Das verspreche ich.“
 

„Ich glaube nicht, dass Ihre Versprechen viel wert sind.“
 

Der Mann lachte leise. „Damit liegen sie nicht unbedingt falsch.“
 

-
 

Als Sherlock zurückkam, hatte Tom sich bereits wieder angezogen, denn wenn er es schon ertragen musste, angeschrien zu werden, wollte er dabei wenigstens nicht nackt sein müssen. Aber Sherlock schrie nicht. Er sah ihn nicht einmal an. Er sank einfach in seinen Sessel, die Augenbrauen erhoben, die Fingerspitzen aneinandergedrückt. „Der Ort, an dem sich jeder sieht und doch niemand selbst erscheint, wo man der Wirklichkeit entflieht, ist nun mit dem Tod vereint“, murmelte er wieder und wieder.
 

„Sherlock? Bist du in Ordnung?“, fragte John.
 

„Hm.“ Sherlock blickte zu Tom. „Der Mann, der hinter all dem hier zu stecken scheint, hat mich angerufen.“ Auf Toms geschockte Miene hin hmmte er noch einmal, erklärte dann die Anweisungen und Versprechungen. „Ich muss nur herausfinden, wo dieser Ort ist.“ Er schloss die Augen, tief in Gedanken versunken.
 

„Vielleicht … “
 

„Seien Sie still, Mr. Hiddleston.“
 

„Aber ich … “
 

„Nein, Sie können nicht helfen.“
 

Wow. So viel zu 'Vielleicht wäre es nett, ihn besser kennenzulernen.' Arschloch.
 

„Eine Club?“, überlegte John. „Das würde passen. Man sieht sich dort, aber niemand kennt einen und man kennt auch selbst niemanden. Deswegen erscheint man dort nicht wirklich.“
 

Sherlock öffnete nachdenklich ein Auge. „Es gibt zu viele Clubs in London. Wie sollten wir wissen, welchen er meint?“
 

„Einen, der schon vor Jahren geschlossen wurde“, sagte Tom und zuckte zusammen, als Sherlock ihm einen kühlen Blick schenkte. „Aber … ich glaube nicht, dass er einen Club meint. Man erscheint dort, auch wenn einen niemand persönlich kennt.“
 

„John, Laptop. Such nach allen verlassenen Gebäuden in London.“
 

Laptop, dachte Tom. Laptop. Internet. Jeder geht heutzutage ins Internet, jeder ist auf Facebook oder ähnlichen Seiten. Anderen sozialen Netzwerken. Jeder … trifft sich dort, ohne das Haus überhaupt verlassen müssen. Ohne körperlich zu erscheinen. Ein Ort, an dem man ins Internet kommt … oh. „Ein Internetcafé.“
 

„... natürlich“, murmelte Sherlock leise. „John, such nach -“
 

„Bin dir schon einen Schritt voraus. Das stand heute Morgen in der Zeitung.“ John holte selbige. Auf Seite zwanzig fand sich ein winziger Artikel über ein örtliches Gebäude, das einmal ein Internetcafé gewesen war und dessen Überreste jetzt eine kleine Firma gekauft hatte, um dort ein Bürogebäude zu errichten.
 

Sherlock betrachtete den Artikel einige Sekunden lang, nickte dann. „Hol deinen Mantel, John. Sie auch, Mr. Hiddleston. Gehen wir.“
 

Tom konnte ein erleichtertes Seufzen nicht unterdrücken, als er begriff, dass er nicht noch einmal alleine gelassen werden würde.
 

-
 

Es fühlte sich an wie eine außergewöhnlich dunkle und kalte Nacht, als sie das Taxi verließen und die letzten Meter in Richtung des alten Gebäudes liefen. Tom schauderte. Er fühlte sich, als würde ihn jemand beobachten, jeden seiner Schritte verfolgen. Eigentlich, vermutete er, beobachtete ihn sogar höchstwahrscheinlich jemand in diesem Augenblick. Wäre nicht das erste Mal. Stalker taten so etwas eben.
 

Als sie endlich vor dem Gebäude standen, dachte Tom, dass er es alles andere als einladend fand. Die Vordertür war aus den Angeln gerissen, die Fenster zerschlagen. Mehr oder weniger jeder Zentimeter der Außenwände war mit Gangzeichen und Graffiti vollgeschmiert.
 

„Wie nett“, sagte John. „Man hat uns die Tür offen gelassen.“
 

„Dann lass uns hoffen, dass unser Päckchen noch da ist“, antwortete Sherlock und betrat das Café.
 

John folgte ihm und Tom blieb noch einen Moment lang draußen stehen, bis er all seinen Mut zusammengenommen hatte, um hineinzugehen (Es war nicht so, als hätte er Angst. Ehrlich. Er hatte nur bereits am helllichten Tage genügend unheimliche Sachen gesehen, er brauchte wirklich nicht noch mehr davon mitten in der Nacht.)
 

Die schwachen Lichtkegel, die aus Sherlocks und Johns Taschenlampen kamen, beleuchteten den Raum teilweise, gaben ihm eine unangenehme Atmosphäre, glitten über alte Tische, die von Staub bedeckt waren, über einen kaputten Stuhl, einige Regale an der Wand und eine Theke, die davor stand. Sherlock war gerade unter einen Tisch gekrochen, während John die Regale durchwühlte, leere Kartons zur Seite schob.
 

„Ich hab es!“, rief John nach einigen Minuten Stille, was Sherlock dazu brachte, zu ihm herüber zu hasten.
 

Tom schaute in ihre Richtung. Und erstarrte. Jemand stand dort, direkt neben den beiden. Der schwarze Schatten eines Mannes, dessen Züge Tom nicht erkennen konnte. Die Gestalt drehte sich um, sah Tom, der eine panische Grimasse schritt und langsam rückwärts stolperte, direkt an. Noch immer konnte er kein Gesicht erkennen, nichts außer einem breiten Grinsen, das haifischartige, weiße Zähne entblößte. Tom stieß gegen einen Tisch; ein verängstigter Laut kam über seine Lippen.
 

Sherlock wirbelte herum, das Päckchen bereits in der Hand. „Was ist los?“
 

„Ich … “ Siehst du das nicht?, wollte er fragen, aber genau da verblasste die Gestalt mit einem weiteren Grinsen, winkte ihm dabei zu. „... nichts. Es ist nichts. Mein Hirn hat mir nur einen Streich gespielt.“
 

„Keine Sorge, wir sind hier, um auf Sie aufzupassen“, beruhigte John ihn.
 

Ich fürchte, ich brauche wirklich jemanden, der auf mich aufpasst. Es ist offensichtlich, dass ich nicht mehr dazu in der Lage bin, es selbst zu tun.
 

-
 

„Ich habe es“, sagte Sherlock wie aus der Pistole geschossen, als sein Handy klingelte.
 

„Ich lag richtig in der Annahme, Ihnen zu vertrauen, Mr. Holmes“, antwortete der Mann. Sherlock konnte ihn beinahe lächeln hören. „Haben Sie es geöffnet?“
 

„Nein.“
 

„Tun Sie es.“
 

Einen Moment lang zögerte Sherlock. Was, wenn es eine Bombe war, eine chemische Waffe, irgendetwas anderes Gefährliches? Dann würde er nicht nur sich selbst verletzen, sondern auch jeden anderen im Haus. Aber zugegebenermaßen, wann hatte ihn das je gehindert? Sherlock öffnete das Päckchen, war überrascht, etwas zu finden, mit dem er wirklich nicht gerechnet hätte.

„Eine Schmuckschachtel.“ Er öffnete auch diese und legte die Stirn in Falten. Dort lag ein Ring, ein filigranes, aus Silber geschmiedetes Ding, das einer Schlange mit smaragdgrünen Augen ähnelte. Als er den Ring aus der Schachtel nahm, sah er, dass das Schmuckstück größer war als auf den ersten Blick angenommen. Sollte er ihn tragen, würde der Schwanz der Schlange seinen gesamten Handrücken verdecken und der Kopf die ganze Länge seines Fingers. „Sind Sie ein Schmuggler?“
 

„Nein. Der Ring gehört mir. Er wurde vor sehr, sehr langer Zeit gestohlen. Und er ist nicht der einzige Gegenstand, von dem ich wünsche, dass Sie ihn mir zurückbringen.“
 

„Warum sollte ich das tun?“
 

„Weil Sie wissen möchten wer ich bin und was ich von Ihnen will.“
 

„Wo wir gerade davon sprechen; Sie haben mir einen Hinweis versprochen.“
 

„Ah. Natürlich. Schlagen Sie die nordische Mythologie nach, Mr. Holmes.“
 

Sherlock blinzelte. „Das ist alles?“
 

„Oh, möchten Sie bereits eine nächste Bitte hören?“ Als Sherlock nicht antwortete, sagte er: „Der arme Thomas erscheint mir sehr gestresst in letzter Zeit. Sie sollten ihm ein wenig zur Hand gehen.“
 

„Sollte ich? Und wie?“
 

„Vielleicht sollten Sie … “ Er lachte. „Sie sollten statt Ihrer Wissenschaft der Deduktion einmal ausprobieren, wie es um ihr Talent in der Kunst der Seduktion bestellt ist.“
 

„Und was habe ich davon?“
 

„Möglicherweise treffe ich mich persönlich mit Ihnen und erläutere Ihnen meine Motive.“
 

Verdammt. Das klang vielversprechend.
 

„Sie haben den ganzen morgigen Tag. Nutzen Sie ihn weise.“ Und dann legte er auf.
 

Sherlock starrte sein Handy noch einige weitere Augenblicke an. Das … schien wohl doch der komplizierteste Fall zu werden, den er jemals angenommen hatte.
 

-
 

In dieser Nacht verlor Sherlock Holmes sich in seinen Gedanken. Er hatte die Augen geschlossen, den Rücken gegen den Tisch gelehnt, die Violine in seinen Händen haltend. Er spielte verschiedene Töne, dachte sich die Melodie aus, während er spielte. Wie immer half es ihm nachzudenken.
 

Dieser Fall war ein einziges Durcheinander.
 

So sehr es ihm auch missfiel, es zuzugeben: Er hatte sich geirrt. Es war unmöglich für Hiddleston, sein eigener Stalker zu sein, nicht nach der Aktion mit dem Handy, denn es gab keine Möglichkeit, dass Hiddleston sein Handy auf magische Art und Weise dazu gebracht hatte, Sherlocks Nummer zu wählen. Außerdem – so vermutete er – mochte der Mann vielleicht ein Schauspieler sein, aber doch sicherlich kein Ventriloquist. Das bedeutete, sie mussten nach jemandem suchen, der fast genauso klang und aussah wie Tom Hiddleston höchstselbst. Ein Bruder vielleicht? Einer, von dem Hiddleston selbst überhaupt nichts wusste? Ein uneheliches Kind, das neidisch war auf den frisch gewonnenen Ruhm und Erfolg seines Bruders? Das klang … vernünftig. Er sollte das im Hinterkopf behalten und -
 

Er blickte auf, als jemand die Treppe herunterkam. „Sie sollten wieder ins Bett gehen.“
 

Hiddleston sah ihn schuldbewusst an und zuckte mit den Schultern. „Kann nicht schlafen“, sagte er, als ob das als Entschuldigung dafür ausreichte, dass er Sherlocks Gedanken störte. „Ich habe Sie spielen gehört.“
 

„Das meine ich nicht.“ Der Mann rollte sich auf dem Sofa ein und schwieg einige Sekunden lang. „Ich … mag es.“
 

„Ach, wirklich?“ Da war er wohl der Erste. Alles, was er bisher erlebt hatte, waren Johns laute Beschwerden oder sein stilles Ertragen.
 

„Lassen Sie sich von mir nicht stören. Machen Sie ruhig weiter. Wenn … wenn Sie möchten.“
 

Nun, genau das war seine Absicht, vielen lieben Dank für die Erlaubnis. Er schloss die Augen wieder, konzentrierte sich nur auf die Violine und den Bogen in seinen Händen. Die Zeit verging zusammen mit den flüchtigen Melodien, den Klängen der Violine, und als Sherlock die Augen wieder öffnete, sah er, dass der Mann auf dem Sofa eingeschlafen war.
 

Sherlock konnte ein schmales Lächeln nicht unterdrücken, als er das Instrument langsam senkte und und eine Decke über Toms schlafenden Körper legte.
 

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Erstmal vielen lieben Dank für die Klicks, Kommentare und Favoriteneinträge. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass das hier überhaupt jemand liest. Die deutschen Fandoms sind ja nicht sooo crossoverfreundlich. xD
 

Dann ... wow, ich bin furchtbar. I'm so sorry. Es hat so lange gedauert und ich bin so ein schlimmer Mensch, der viel zu selten auf Kommentare antwortet, weil ich nie weiß, was ich sagen soll außer "OMG, danke fürs Lesen, hallo, ich mag dich. ;w; <3!!!"
 

Ab sofort wird es schneller gehen, ich hab immerhin keine Uni mehr und krieg das mit meinem Job alles unter Dach und Fach. Yay.
 

Uuuund ... eine letzte Sache. "Smug" gibt es wirklich. In London. Das ist ein kleiner, netter Laden in 13 Camden Passage. (In den nächsten Kapiteln folgen noch weitere Orte, die es auch alle wirklich so in London gibt, und die auch alle so aussehen.) Wer auf die Seite von "Smug" gehen möchte, kann das unter http://www.ifeelsmug.com/ machen.



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