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Weihnachtszeit mal anders

von

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06.12.20XX

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Wie üblich war John zuerst wach. Sarah war erst spät von ihrer Schicht im Krankenhaus gekommen, und Sherien hing seit Neuestem die halbe Nacht vorm Computer, um mit ihren Freunden, die, wenn er das richtig mitbekommen hatte, über den gesamten Erdball verteilt waren, zu chatten. Nun ja, und an den Misanthrop im Dachgeschoss verlor er gar keinen Gedanken. Der hatte mit seinen Hobbys sowieso immer zu den merkwürdigsten Zeiten zu tun.

Er schüttelte sich, als er an diese Hobbys dachte. Sarah hatte ihn eigentlich gar nicht hier haben wollen – er war, ihrer (beider) Meinung nach ein schlechter Umgang für die Kinder, die sie miteinander zu haben gedachten; ganz zu schweigen davon, dass er ein ziemliches Hindernis für ein erfülltes Liebesleben darstellte – aber da sie sich das Haus ohne seine Unterstützung gar nicht hätten leisten können hatte er eben die zwei Dachzimmer bekommen.

Und wenn John ehrlich war, dann war es gar nicht so schwer, mit ihm zusammen zu leben. Man hatte sich im Laufe der vergangenen dreizehn Jahre aneinander gewöhnt – und nachdem er ein eigenes Bad und einen riesigen Kühlschrank bekommen hatte konnten sie auch seine etwas ausgefalleneren Experimente ignorieren.

Und typisch Kinder fanden Sherien und Paul den Verrückten Wissenschaftler auf ihrem Dachboden voll abgefahren. John vermutete sogar, dass sie bei ihren Mitschülern Geld kassierten, um sie in das Geheime Labor zu lassen.

Er schüttelte noch immer den Kopf, als besagter verrückter Wissenschaftler die Treppe herunterkam.

„John.“, sagte der. „Ich dachte schon, ich müsste dich wecken. Ruf ein Taxi. Wir müssen dringend Inspector Lestrade einen Besuch abstatten.“

John zog irritiert die Augenbrauen hoch. Es verwunderte ihn immer wieder, dass der andere ihn trotz ihrer langen Bekanntschaft noch immer so aus der Fassung bringen konnte.

„Guten Morgen, Sherlock.“, sagte er betont. „Es ist dir sicher nicht aufgefallen, aber ich bin gerade dabei, Speck für mein Frühstück zu braten. Möchtest du dich zu mir setzen? Ich bin sicher, was auch immer du Inspector Lestrade sagen möchtest, hat auch noch eine halbe Stunde Zeit. Ganz zu schweigen davon, dass du es ihm auch per Handy mitteilen kannst – dafür ist das Ding nämlich da, dass du da vorn in deiner Brusttasche spazieren trägst.“

Sherlock Holmes, der Welt einziger Consulting Officer, blinzelte nicht einmal. „John, dein Frühstück kannst du auch heute Abend noch essen. Das hier ist ein viel zu interessanter Fall, als dass du ihn verpassen“

Das Klingeln des Telefons unterbrach ihn und Sherlock holte es irritiert aus seiner Tasche. Er betrachtete es einen Augenblick, als habe er in seinem gesamten Leben noch kein Handy gesehen, ehe er das Gespräch annahm. „Ja?“

John sah ihn einen Moment lauschen, der Gesichtsausdruck dabei von irritiert über überrascht nach interessiert wechselnd.

„Und niemand hat den Einbrecher gesehen?“, hakte er nach, lauschte kurz und stellte dann einige weitere Fragen, die für John in keinem Zusammenhang zueinander zu stehen schienen.

Plötzlich zuckte Sherlocks Kopf hoch und er fragte, an John gewandt: „Mir ist aufgefallen, dass wir mehr Post als normal bekommen. Ist in nächster Zeit irgendetwas los? Ein Fest, eine Wahl, irgendetwas?“

John betrachtete ihn argwöhnisch. Machte sein weltfremder Bekannter sich schon wieder über ihn lustig, oder hatte er tatsächlich keine Ahnung? „In drei Wochen ist Weihnachten.“, sagte er endlich vorsichtig.

„Weihnachten!“, rief Sherlock aus und in seiner üblich theatralischen Art streckte er den freien Arm aus und begann zu gestikulieren. „Natürlich! Weihnachten! Überall rosige Gesichter, und Stände mit ungesundem Essen, und Krimskrams und Liebespärchen und“ Er hielt direkt vor John an und deutete auf ihn, als sei er ein Lehrer und John der Schüler, der sich beweisen musste. „Und, weißt du, wer noch alles da draußen herumläuft? Auf wen niemand achtet, weil er hinter seiner Uniform verborgen ist? Komm schon, John, du weißt es, das ist gar nicht so schwer.“

Und das von jemandem, der bis vor zwei Minuten noch nicht einmal wusste, dass Weihnachten ist., dachte John, wusste aber aus Erfahrung, wie die Antwort auf diese Bemerkung lauten würde, und hielt daher den Mund. „Ähm …“, machte er stattdessen. „Weihnachtssinger … oder nein, du meinst Weihnachtsmänner, richtig?“

„Natürlich Weihnachtsmänner!“, rief Sherlock aus. „Hörst du, Charles? Der oder die Einbrecher haben sich als Weihnachtsmänner getarnt, sind zu dem Zielgebäude gegangen und haben das Loch in der Wand geschaffen. Dann haben sie das Geld in den mitgebrachten Jutesäcken abtransportiert. Niemand achtet auf Weihnachtsmänner mit vollen Säcken.“ Wieder wechselte seine Aufmerksamkeit zu John. „Sag schon, bin ich ein Genie oder nicht?“ Ein erneuter Gedankenwechsel. „Das klingt interessant, Charles. Ich denke, ich werde mir die Tatorte persönlich angucken kommen. Wann geht der nächste Flug, John?“

John schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, Sherlock, aber ich bin sicher, dass er ohne dich geht. Dein Bruder heiratet nächste Woche, erinnerst du dich? Mycroft, der Mann mit der Macht, dir den Britischen Geheimdienst auf den Hals zu hetzen und alle Fluglinien anzuweisen, dir die Ausreise zu versagen, damit du auch wirklich dabei bist?“

Sherlock stieß ein paar lasterhafte Flüche über seinen Bruder aus, die diesen vollkommen kalt gelassen hätten, hätte er sie gehört, und murmelte dann: „Das habe ich vollkommen vergessen. Okay, Charles, halt mich auf dem Laufenden, ich komme rüber, sobald mein Bruder diese lächerliche Zeremonie hinter sich gebracht hat.“ Er lauschte kurz, fuhr fort: „Warum sollte ich nicht kommen? Seien wir ehrlich, wenn der Täter keinen groben Fehler macht, seid ihr ihm in zwei Wochen immer noch nicht näher als jetzt.“

Offenbar betrachtete er das Gespräch als beendet, denn gleich darauf legte er auf. Er drehte sich um, während er das Handy noch zurück in die Brusttasche steckte. Und bemerkte Johns Blick. „Ja?“, fragte er.

„Ich bin nicht sicher, was mich mehr verwundert: die Tatsache, dass du nicht weißt, dass Weihnachten ist; dass du vergessen hast, dass dein Bruder deine Anwesenheit auf seiner Hochzeit sicher gestellt hat; oder dass du tatsächlich gerade das Wort Zeremonie gebraucht hast. Und nein, ich möchte nicht, dass du das kommentierst. Möchtest du jetzt auch Speck, oder fährst du lieber allein vor zu Inspector Lestrade?“



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