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Vorwort zu diesem Kapitel:
~~~ Hallo!
Ein bisschen verspätet das Kapitel, aber ich wollte unbedingt erst die nächsten beiden so gut wie fertig haben, bevor ich es hoch lade. Ein bisschen was im Vorrat zu haben schadet nie ;)
Ob vor meinem Geburtstag am Samstag noch ein neues Kapitel kommt, weiß ich noch nicht, aber ich gebe mir alle Mühe :)
Ansonsten freue ich mich auf eure Kommentare und wünsche euch viel Spaß beim einundzwanzigsten Kapitel von Written Pages. Komplett anzeigen

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Kapitel 21: Grief

Kapitel 21: Grief
 

Obito stand mit den Jungen im Eingangsbereich des Arbor Hills Seniorenzentrums. Sie warteten auf die Wohnbereichsleiterin. Eine junge Schwester hatte den Brüdern Bonbons gegeben und ihm die Information, dass es einige Minuten dauern könne. Sie sollten einfach vor dem Büro der Leitung warten. Es dauerte einige Minuten – Obito guckte zusammen mit Sasuke die Bilder an der Wand an – bis die Wohnbereichleiterin kam und sich als Mrs. Atami vorstellte. Sie geleitete die drei in ihr Büro, bat Wasser und Saft für die Kinder an und nahm ihre Unterlagen hervor.

„Es geht um Mr. Saito“, stellte die Dame fest und öffnete die passende Akte. „Darf ich fragen in welchem Verhältnis sie zu ihm stehen?“

Obito zog seine Marke aus der Hosentasche zu zeigte sie der Frau.

„Ich bin vom NCIS. Naval Criminal Investigative Service“, erklärte er. „Mr. Saitos Tochter und sein Schwiegersohn sind kürzlich verstorben und der NCIS hält die Söhne hier unter Protective Custody.“

„Ich verstehe“, warf Mrs. Atami ein, aber fragte: „Wie kann ich ihnen weiterhelfen?“

„Zum einen wollen die beiden ihren Großvater sehen, zum anderen wollte ich anfragen, ob es möglich wäre, dass er der Beerdigung beiwohnt. Er ist Familie.“

„Natürlich. Das lässt sich sicher arrangieren. Wann findet …“ – sie stoppte, warf einen Blick in Richtung der Jungen, die brav auf ihren Stühlen saßen, „ … die Beerdigung stattfinden.“

„Schon übermorgen“, beichtete Obito. „Wir haben erst heute von Mr. Saito erfahren. Es gab viel zu klären.“

„Ja“, sagte sie. „Und es gibt, bedauerlicherweise, noch mehr zu klären – bezüglich Mr. Saitos Aufenthalt.“ Obito zog eine Augenbraue in die Höhe und beobachtete, wie sie Unterlagen in seine Richtung schob.

„Wir sind eine private Einrichtung. Dementsprechend zahlen die Familien selber für den Aufenthalt. Jeden Monat buchen wir diesen Betrag“, sie zeigte mir den Fingern auf eine Summe, „vom Konto eines gewissen Mr. Fugaku Uchiha ab. Soweit mir bekannt ist er mit Mrs. Saitos Tochter verheiratet. Bin ich da richtig?“ Obito nickte, woraufhin sie fortfuhr: „Gemäß der Umstände dürfen wir das Geld nicht abbuchen, ohne Rücksprache mit demjenigen zu halten, dem das Vermögen überschrieben wurde.“

„Das heißt?“, hakte der junge Bundesagent nach.

„Da sowohl Mr. als auch Mrs. Uchiha verstorben sind, gehe ich davon aus, dass die Söhne der beiden Alleinerben sind. Weil sie noch nicht volljährig sind, wird ein Vertreter das Geld verwalten. Dieser entscheidet auch, ob bestehende Rechnungsverträge weiterhin beglichen oder gekündigt werden. Aber da müssen sie an anderen Stellen Rücksprache halten. Ich kann nur spekulieren.“

„Sicher.“ Obito nickte. Warum hatte da noch keiner dran gedacht? Er musste sich darum kümmern, ehe diese Angelegenheiten aus dem Ruder liefen und ihm nichts anderes übrig blieb, als das bestehende Verwandtschaftsverhältnis zwischen Fugaku und ihm aufzuklären. Er war froh, dass keiner ob ihrer gleichen Nachnamen gefragt hatte – die meisten wussten schließlich, dass er nie Familie vor Jiraiya gehabt hatte. Hier, entschied er, seinen Nachnamen zu verheimlichen.
 

„Ich werde sie dann zu Mr. Saito begleiten“, bot die Leiterin an und bat Obito und die Kinder ihr zu folgen. Sie nahmen eine Treppe in das erste Obergeschoss und betraten ein altmodisch aber hübsch eingerichtetes Zimmer.

„Guten Tag“, sagte die Dame bloß und fuhr dem alten Mann im Rollstuhl über die kräftige Schulter. Obito hatte sich ihn nicht so kräftig vorgestellt. Er sah so gesund und jung geblieben aus, als würde er gleich aufstehen und an Autos schrauben, aber sein Blick war so gläsern. „Ich habe Ihnen jemanden mitgebracht. Erinnern Sie sich heute an ihre Enkel?“

Unverständliches Murmeln drang an Obitos Ohr. Er glaubte „Mikoto“, rauszuhören, aber dann lief Sasuke schon zu seinem Großvater, stützte die Hände auf dessen Knie und grinste ihn an.

„Hallo Opa!“, sagte er freudig und für einen Moment klärten sich die Augen des Mannes. Er fuhr Sasuke über den dunklen Schopf und lies seine Hand an dessen Nacken liegen. „Mikoto“, sagte er.

„Guck mal, Opa! Das ist Obito. Obito hat uns heute her gebracht, weil Mama … weil Mama…“ Der Kleine stockte und blickte über seine Schulter nach hinten.

„Obito…“, murmelte er hilflos, während sein Großvater erneut: „Mikoto“, sagte. Anscheinend hatte er seinen Enkel erkannt, aber wenn Itachi und Sasuke kamen, kam auch ihre Mutter. Nur heute kam sie eben nicht. Weil sie tot war. Sie würde nie wieder kommen.

Obito trat näher und hockte sich neben Sasuke hinunter, um eine Hand auf dessen Rücken zu legen. Er warf einen Blick zu der Heimleiterin, die ihm zunickte, während sie sich ans Fenster zurückzog.

„Mr. Saito. Mein Name ist Obito.“ Er verschwieg seinen Hinternamen wissentlich.

„Obito“, wiederholte der alte Mann.

„Richtig.“ Obito nickte. Er hatte noch nie mit Alzheimerpatienten zu tun gehabt. Er erinnerte sich nicht in einer der vielen Pflegefamilien einen verwirrten Opa oder eine verwirrte Oma gesehen zu haben. Häufig war er nicht mal lange genug geblieben um überhaupt Großeltern kennen zu lernen. Und Jiraiyas Eltern hatten schon nicht mehr gelebt, als er zu ihm gekommen war, während Tsunades noch heute fit waren und mit ihrem jüngeren Bruder Nawaki oben im San Joaquin Valley Datteln anbauten.
 

„Hallo Opa“, hörte er Itachi leise sagen. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er näher gekommen war. Mr. Saito griff nach der Hand seines Enkels. Sie sah in seiner so klein aus. Er drückte fest zu und fuhr mit dem Daumen immer wieder über die weiche Haut, die Itachis Pulsader bedeckte.

„Mikoto“, sagte er erneut und es klang wie eine Frage.

„Wie geht’s dir?“ Itachis Stimme war leise und sie war ungewohnt kindlich. Obito wusste nicht, dass es eine Zeit gegeben hatte – vor zwei oder drei Jahren – wo Kai Saito noch nicht krank gewesen war. Er wusste nichts von dem Haus, das dieser Mann bewohnt hatte. Nichts von der riesigen Garage, in der er Autos reparierte und an seinen eigenen bastelte. Er wusste nicht, dass Itachi dieses Haus geliebt hatte. Nicht davon, dass dort alles älter roch, abgenutzt aber sicher, weil er nie einen solchen Großvater gehabt hatte. Wenn sie zu Tsunades Eltern fuhren roch es nicht nach Motoröl und süßen Klößen, sondern nach Datteln, frischem Gras und heißem Zitronentee.

Obito ahnte nicht, dass Kai Saito seine Tochter und seine Enkelsöhne mehr als einmal zu sich holte, um sie vor Fugaku Uchiha zu schützen, und auch nicht, dass Mikoto immer wieder zurückging, wenn sie den schwarzen SUV ihres Mannes auf der Straße vor dem Haus ihres Vaters parken sah. Früher, bevor er sie schlug und Kinder mit ihr zeugte, war er oft dort gewesen. Das erste Mal hatte er sein Auto hingebracht, um es reparieren zu lassen und sie hatte es wieder ganz geflickt. Weil sie so was immer gut gekonnt hatte.

Später, aber erst als Itachi schon lange auf der Welt und Mikoto schon fast mit Sasuke schwanger war, erfuhr Kai Saito von den Misshandlungen, aber so sehr er seine Tochter auch liebte, hatte er nie gegen ihren Willen handeln können. Sie hatte mit diesem Mann leben wollen und solange sie jedes Mal zurückging, tat er nicht mehr als am Fenster zu stehen und ihr hinterher zublicken.

„Mikoto“, sagte er erneut und versuchte sich an das Gesicht seiner schönen Tochter zu erinnern, die er allein großgezogen hatte. Er sah schwarze, glatte Strähnen und einen blauen Overall, ihre blassen Unterarme und das Grinsen, als sie ihn über die Schulter hinweg anschaute, ehe sie den Kopf wieder unter die Motorhaube des gelbschwarzen Challengers steckte. Sie war fünfzehn gewesen.
 

„Mama“, sagte Itachi und schluckte unsicher. „Mama kommt nicht mehr.“

„Warum?“, drückte der Mann raus. Er klang aufgebracht. Obito zog Sasuke ein Stück von seinem Großvater weg und legte einen Arm um seine Seite, um ihn davon abzuhalten, zurückzulaufen.

„Sie … Opa, sie ist tot. Mama ist …“

„Mikoto!“ Die Stimme des Alten war laut. Obito wusste nicht recht, ob er Itachi verstand, aber als er in die Augen des Mannes blickte sah er schieres Entsetzen und einen Schmerz, den er von sich kannte.

„Opa.“ Itachis Stimme war dünn, aber er legte seine kleine Hand auf die seines Großvaters. „Ganz ruhig, Opa. Bitte.“

„Mikoto!“

„Opa…“ Itachis Augen glänzten feucht und als sein Großvater immer wieder nach Mama rief, fing er an zu weinen. So hatte er das nicht gewollt.

„Das reicht“, sagte Obito in den Raum. Er würde das jetzt beenden. Sich aus seiner Hocke erhebend, legte er eine Hand auf Itachis Schulter, der sich erschrocken zu ihm umdrehte und versuchte sich seinem Griff zu entziehen. Einen Moment lang fürchtete der junge Bundesagent Itachi sähe in ihm seinen Vater – sie hatten sicherlich Ähnlichkeiten. Aber dann erinnerte Obito sich daran, dass er nur das Beste für dieses Kind wollte, ließ Sasuke für einen Moment los und löste vorsichtig Itachis Hände von denen seines Großvaters. Mit der Situation überfordert hob Obito den Neunjährigen leichthin auf seinen Arm, schnappte wieder nach Sasukes kleiner Hand und verlies so eilig er mit dem Kind an seiner Seite gehen konnte, das Zimmer des alten Mannes.

„Mikoto“, hörte er ihn rufen und dann die Stimme der Heimleitung, die hinter geschlossenen Türen auf ihn einredete, während er immer wieder nach den Menschen rief, die er liebte. Obito schloss für einen Moment die Augen, ehe er in die Hocke ging und dabei Itachi runter ließ. Damit der Junge, dessen Gegenwehr er im Versteifen seiner Muskeln gespürt hatte, nicht gleich wieder zurück ins Zimmer lief, behielt Obito einen Arm um seine Mitte geschlungen.

„Obito…“, hörte er Sasuke mit leisem Stimmchen schniefen. Er schalte sich nichts von dessen Tränen mitbekommen zu haben und drückte ihn an seine Seite.

„Shhshht“, machte er und fuhr ihm über den dunklen Schopf. „Alles gut.“

Hier standen sie nun, dachte Obito, drei traurige Männer. Er grinste müde. Es tat ihm leid. So hatte er das wirklich nicht gewollt.
 

Obito hörte die Stimme des alten Mannes leiser werden, während er mit dem Rücken gegen die gelbe Wand lehnte, über Sasukes Rücken streichelte und darüber grübelte, was Kakashi oder Rin jetzt getan hätten. Sie wüssten sicherlich, wie sie die Kinder beruhigten, trösteten – wie sie alles wieder heil machten. Obito hatte Dinge noch nie heil machen können. Aber das war nicht allein seine Schuld. In Itachis und Sasukes Alter war er ebenso elternlos gewesen wie sie heute. Es hatte niemanden gegeben, der winzige Platzwunden durch Pusten heilte, der Gute-Nacht-Lieder sang und Milchreis zum Trösten kochte. Kakashi hatte selbst das einige wenige Jahre gehabt, Rin wohl ihre ganze Kindheit lang. Es war ihnen in die Wiege gelegt, dass sie gut Dinge heil machen konnten.

Es war richtig, dass er den Mund hielt, dachte Obito, während er weiterhin über Sasukes Rücken strich und in Itachis trauriges Gesicht blickte. Der Neunjährige fuhr mit den Handaußenflächen über seine Wange und die feuchten Augen. Obito konnte kein Vater sein – nicht mal für diese Jungen, die er bereits jetzt mehr liebte, als sein Leben.

„Darf Opa jetzt doch nicht kommen, Agent Obito?“ Der Mann presste die Lippen aufeinander. Itachi Worte brachten ihn fast zum heulen.

„Ich weiß nicht“, sagte er wahrheitsgemäß. Er musste das noch abklären. Deswegen warteten sie hier.

„Bitte, es tut mir Leid, Agent Obito. Ich wollte nicht weinen.“ Itachis Hände ballten sich zu Fäusten, die er an seine Seite presste. Er hatte keine bessere Art gewusst, es seinem Opa zu sagen. Kakashi hätte das vielleicht gemacht, wenn er Zeit gehabt hätte mitzufahren. Aber Itachi verstand, dass er wichtigere Dinge zu erledigen hatte.

Obito schluckte. Er drückte Itachis Schulter in tröstender Manier. Er kannte diese Geste von Jiraiya. Sie war der erste Trost gewesen, den er erfuhr.

„Nein“, sagte Obito und konnte nicht dafür, dass es gedehnt klang. „Es ist nicht schlimm, hörst du? Es ist okay.“
 

Noch ehe Itachi etwas sagen konnte, öffnete sich die Verbindungstür zwischen Flur und Wohnbereich und Mrs. Atami trat hinaus.

„Es tut mir sehr Leid“, entschuldigte sich Obito, ohne sich aus seiner Hocke zu erheben. Sie lächelte sachte.

„Mir auch“, sagte sie und ihr Bedauern klang ehrlich, während sie auf die Kinder blickte, die er hielt. Seit vielen Jahren kam Mikoto Uchiha alle paar Wochen mit ihren Söhnen vorbei. Deren Vater hatte sie nie gesehen. Er bezahlte nur immer bloß die Rechnungen.

„Gibt es jemanden mit dem ich mich in Verbindung setzten kann“, fragte sie. „Bezüglich der Beerdigung. Aber auch allem Weiteren. Eventuell dem zukünftigen Sorgeberechtigten der Jungen?“

„Sicher.“ Obito löste seinen Arm um Sasuke und griff in seine Hosentasche. Er nahm sein Handy hervor und nannte der Dame Kakashis Nummer.

„Kakashi Hatake“, sagte er. Sie nickte und steckte den beschriebenen Zettel gemeinsam mit dem Kugelschreiber zurück in ihre Jackentasche.

„Für Dezember ist die Rechnung schon beglichen. Für den Januar müssen wir eine gemeinsame Lösung finden. Aber das regle ich mit Mr. Hatake, richtig?“ Obito nickte. Was sollte er auch sonst tun?

Er lies Itachi einen Moment los, erhob sich und hob Sasuke auf seine Hüfte, ehe er wieder einen Arm um die Schulter des Neunjährigen legte, während er seinen kleinen Bruder mit dem anderen festhielt.

„Heute war ein schlechter Tag“, sagte Mrs. Atami. „Manchmal erzählt er sogar noch Geschichten. Er spricht viel über seine Tochter und manchmal auch über die Jungen. Er ist ein guter Mann.“ Daher kannten sie Familie Uchiha hier gut, obwohl Kai Saitos Tochter eine sehr ruhige Frau und seine Enkel sehr wohlerzogene Jungen waren, die nie so sehr wie andere Enkelkinder der Einrichtung die Aufmerksamkeit des Pflegepersonals beanspruchten.

„Mit Sicherheit“, sagte Obito leise. Dennoch wollte er jetzt gerne gehen. Er hatte seine Neffen nicht traurig machen wollen, indem er sie herbrachte. Das war nie seine Intention gewesen.
 

~~
 

Es war nicht das erste Mal, dass Rin trauerte. Als junges Mädchen, sie war zehn oder elf gewesen, erkrankte ihre damals beste Freundin Tea an Leukämie. Sie lebte bloß noch vierzehn Monate. Mit ihr gemeinsam nahm Rin zwanzig Kilo ab. Sie fünf, ihre Freundin fünfzehn. Rin hatte keine Küchlein und Spaghetti mehr essen wollen, wenn Tea es nicht konnte. Erst lange nach Teas Tod aß Rin wieder die Dinge, die Tea und ihre Lieblingsgerichte gewesen waren.

Rins Großmutter starb als sie im ersten Highschool Jahr war. Mit ihr hatte sie immer Weihnachtsplätzchen, Geburtstagstorten und Hefezöpfe gebacken. Es dauerte Jahre bis Rin wieder Teig anrührte, den man nicht in der Pfanne briet.

Einer ihrer Kommilitonen am College, mit dem sie immer Burger essen ging, verunglückte tödlich mit seinem Motorrad auf der Route 66 in der Nähe vom Santa Monica Pier. Sie hatte kein Problem damit, die Unglücksstelle zu besuchen, aber noch heute empfand sie es manchmal als schwer einen Bacon-Burger mit extra Cheese zu essen.

Aber heute trauerte Rin anders. Sie schob den großen Einkaufswagen durch den Wal-Mart und warf allerlei Zeug hinein – Ananas aus der Dose, eine Beerenmischung aus dem Tiefkühlfach, eingeschweißtes Suppengemüse, Vanillequark und süße Sahne, drei Pakete Pizzateig, Fleisch aus der Theke, Bohnen und Möhren, Nachos mit Käsedip. Sie packte Red Bull und Kokosnussflocken dazu und schob den Wagen in Richtung der Kassen. So sehr sie auch versuchte, an den Tageszeitungen vorbeizublicken, schielte sie auf eine und erkannte auf der Titelseite das Gesicht ihres Ex-Mannes. American Idol Fünftplazierter im Afghanistan-Krieg umgekommen, las Rin. Sie trat einen Schritt nach hinten und schlug sich die Hand vor den Mund. Das war so falsch! Es war ihre Trauer, die Trauer von Dans Eltern und Sakuras und sie war verdammt noch mal zu wertvoll um in Zeitungen zu erscheinen. Rin stieß den Wagen mit ihrem Arm beiseite und flüchtete aus dem Laden. Sie hatte es dort drin keinen Moment länger ausgehalten.
 

Rin verließ den Parkplatz, und weil sie unbedingt kochen und backen wollte, betrat sie den Bioladen am Ende der Straße. Sie nahm einen der hübschen Körbe am Eingang und ließ sich Zeit, während sie frische Beeren, eine Kokosnuss und Mango, weil es keine Ananas gab, Natur-Quark und Vanilleschoten, Mehl, Zucker und Hefe, zartes Biofleisch, Bohnen und Babymöhren, Sellerie, Tomaten und Erbsen, frischen Käse, Maismehl und Chilipulver in das Körbchen packte. Sie ging zur Kasse und war froh Blumen und Jutebeutel statt Klatschblätter zu sehen. Sie hielt ein Pläuschchen mit der freundlichen Verkäuferin, die ihr half ihren Einkauf in Papiertüten zu verstauen, ehe sie sich auf den Weg nach Hause machte. Sie betrat ihre Küche, stellte die Tüten auf den großen Esstisch, räumte aus, drehte das Radio an und hörte Countrysongs, während sie begann zu Kneten, zu Kochen, zu Vermischen, zu Braten und zu Backen. Nie zuvor hatte sie in ihrer Trauer hinterm Herd gestanden, aber heute war ihr danach. Dan liebte Früchtequark, Riesenpizza, die Suppe seiner Mutter, Steak und Käse-Nachos.

Rin war gerade dabei den Teig aus Weizen und Maismehl für die Nachos anzukneten, als es an der Türe schellte. Sie streifte ihre Finger an der Schürze ab, die sie umgebunden hatte und machte sich auf den Weg in den Flur. Mit leicht mehligen Fingern öffnete sie und erstarrte für einen Moment, als sie Tsunade erblickte.

„Schätzchen“, hörte sie die Stimme der älteren Blondine und schluckte. Sie spürte das Brennen hinter ihren Augen und das Zittern ihrer Finger, ehe die ersten salzigen Tränen über ihre Wangen flossen. Dann Tsunades Arme, die sie an sie drückten und ihre sanfte Hand an ihrem dunklen Haar. Rins Eltern lebten schon seit Jahren auf Bali und die meiste Zeit über war ihr Mobiltelefon abgeschaltet. Selbst wenn sie versucht hätte ihre Eltern zu erreichen, hätte es wahrscheinlich nicht funktioniert. Aber sie machte ihnen keinen Vorwurf. Sie hatte wirklich gute Eltern, eine schöne Kindheit. Dennoch brauchte sie heute eine Mutter. Deswegen weinte sie in Tsunades Armen, bis ein Geruch von Vanille und Chili in den Flur drang und sie sich wieder an ihre Aufgabe erinnerte.
 

„Ich koche“, sagte sie schwach und Tsunade folgte ihr in die Küche. Die Blondine setzte sich an den Holztisch und schaute zu, wie Rin Teig knetete, Fleisch anbriet, Nachos formte, Pizza belegte, Gemüse dünstete, Brühe köcheln ließ und Vanillemark aus den Schoten löste.

„Als ich jung war“, erzählte Tsunade, selbst wenn sie bestreiten würde, damit behauptet zu haben, sie sei jetzt nicht mehr jung, „hatte ich auch einen Freund, der Dan hieß. Er war Artist und alle paar Monate kam er für eine Woche nach San Diego. Ich muss fünfzehn gewesen sein, als ich ihn kennenlernte und er war schon was älter. Wir haben uns jahrelang getroffen. Er war meine erste große Liebe.“

Rin schälte die Mango, löste das Fruchtfleisch vom Kern und zerteilte es in kleine, fast viereckige Stücke, während sie Tsunades Geschichte lauschte.

„Ich war schon auf dem College, da kam er immer noch und ich ging jedes Mal hin, um seine Show zu sehen und danach ihn. Ich kannte seinen Wohnwagen in und auswendig. Er war Seiltänzer, ein verdammt guter. Der Zirkus seiner Familie war weit über kalifornische Grenzen hinaus bekannt, aber all das hat ihm nicht geholfen. Er ist gestürzt“, sagte Tsunade. „Da war er gerade dreiundzwanzig.“

„Das tut mir Leid“, sagte Rin mit ernstem Bedauern in ihrer Stimme. Das hatte sie nicht gewusst.

„Mir auch, Schätzchen. Diese Dinge sollten nicht passieren.“

„Aber sie passieren“, sagte Rin und klang plötzlich wütend. Sie umklammerte das Holz der Arbeitsplatte mit ihren Fingern. „Dan musste nicht sterben! Er hätte hier bleiben sollen und singen, weil er, verdammt noch mal, wirklich hätte gewinnen können!“

„Er hatte eine schöne Stimme“, warf Tsunade ein. Selbst sie, die nur selten fern schaute, wusste, dass er der große Favorit der Staffel gewesen war.

Rin nickte. „Er hat immer diese Dinge gesagt“, erzählte sie. „Er war kein dummes Popsternchen – das wollte er auch nie sein. Er hat Texte geschrieben mit schönen Worten. Ich hab ihn als Soldaten kennengelernt, ich wusste worauf ich mich einlasse – aber … immer mehr hab ich ihn als den Künstler gesehen, der er war. Dan hätte dort drüben nicht sterben müssen“, wiederholte Rin. Hier hätte er berühmt werden können. Die Menschen mochten seine Stimme. Sie riefen für ihn an. Vielleicht hätte er gewonnen – und selbst wenn nicht, heute kannte man seine Musik und Rin konnte sich vorstellen, dass ihn viele gerne auf der Bühne gesehen hätten. Sie auch – immer wieder lieber auf der Bühne als auf dem Schlachtfeld.
 

~~
 

Kakashi machte früher Schluss, um Naruto und Sakura aus der Day Care abzuholen. Die letzten Berichte konnte er auch heute Nacht noch am Laptop fertig stellen. Er zog die Glastüre der Day Care hinter sich zu und hob grüßend die Hand, als Iruka ihm entgegen kam.

„Wie war der Urlaub“, fragte er. Iruka grinste.

„Großartig. Aber viel zu kurz!“

„Das war eine ganze Woche, du fauler Sack.“ Kakashi grinste ebenfalls, obwohl in genau dieser Woche so viele schreckliche Dinge geschehen waren, von denen sein jüngster Bruder nichts wusste. Der Hatake haderte mit sich. Iruka war immer ein wenig anders als sie gewesen – viel feinfühliger, sanftmütiger. Zwar hatte auch er als Jugendlicher mit dem Gedanken gespielt, zum NCIS zu gehen – schließlich arbeiteten dort seine drei älteren Brüder, die ihm seine ganze Jugend hindurch viel gegeben hatten, was er sich zum Vorbild nehmen konnte – aber er war aus einem anderen Holz geschnitzt als sie. Zum Glück hatte er das früh genug bemerkt. Man musste nicht den gleichen weg gehen, um Familie zu sein. Er nahm es ihnen nicht krumm, wenn sie Dinge vor ihm verschwiegen.

„Aber es war Hawaii, Mann!“, sagte er.

„Du kannst deine Flitterwochen mit Ayame ja in Hawaii planen“, neckte Kakashi. „Oder heirate sie gleich dort. Ich wollte immer mal nach Hawaii.“

„Blödmann!“ Iruka hustete verschämt. Er war erst ein paar Wochen mit Ayame zusammen, auch wenn er schon um einige Zeit länger aus der Ferne für sie geschwärmt hatte. Noch lange dachten sie nicht an eine Heirat, auch nicht nach der gemeinsame Woche in Hawaii.
 

„Wo sind die Zwerge?“, fragte Kakashi nach einiger Zeit und linste an seinem jüngeren Pflegebruder vorbei.

„Naruto ist im Hof Fußballspielen. Sakura hab ich zuletzt vor einer Stunde am Puppenhaus gesehen. Du kannst ja schauen gehen. Ich schicke Naruto dann rein – muss eh langsam mal unsere Praktikantin als Schiedsrichter ablösen.“ Er lachte leise, winkte zum Abschied und machte sich auf den Weg zum Hinterhof. Kakashi grüßte eine weitere Erzieherin, ehe er den Gruppenraum betrat, in dem Sakura mit einem kleinen rothaarigen Jungen vor dem Puppenhaus saß und mit einem hübschen Holzpüppchen in der Hand auf ihn einquasselte.

„Hallo, Schnecke“, sagte er und als sie sich umdrehte, um ihn anzuschauen, sah er ihre großen grünen Augen, die sie von Dan geerbt hatte und empfand Mitleid. Er hockte sich runter und legte einen Arm um ihre Mitte, als sie mit dem Püppchen in der Hand, zu ihm kam.

„Guck mal, Kakashi: Das ist mein neuer Freund Gaara! Sag Hallo zu meinem Kakashi, Gaara!“ Der Hatake musste darüber grinsen, wie sie meinen Kakashi sagte, aber irgendwie mochte er es. Er würde nie der Vater dieses Mädchens sein können, denn sie hatte einen, der großartig war und sie so sehr geliebt hatte – aber er würde immer für sie da sein. Er mochte es, irgendwas für sie zu sein und solange sie noch nicht benennen konnte, was er war, war er gerne ihr Kakashi.

„Hallo, Kumpel“, sagte er und winkte dem Jungen zu.

„Hallo“, machte der Kleine und blickte an die Wand hinter ihm.

„Habt ihr schön gespielt?“

„Au ja! Gaara ist lustig!“, sagte die Kleine und lächelte ihrem neuen Freund, der darauf keine Regung zeigte, zu. Aber das schien ihr nichts auszumachen, denn sie plapperte und erzählte von ihrem Spiel und davon, dass sie vorher Bilder gemalt und seinen Teddybären mit Pflastern verarzt hatten, obwohl er gar kein Aua hatte. Aber es war lustig gewesen!
 

„Papa!“, hörte er seinen Sohn vom anderen Ende des Raumes Brüllen. Mit schmutzigen Knien und Dreck im Gesicht lief er zu ihnen und sprang auf den Rücken seines Adoptivvaters.

„Whoa!“, machte Kakashi überrascht. „Was machst du denn, du kleiner Wildfang?!“ Naruto lachte.

„Ich tackele dich, Papa!“

„Wirst du ein Footballspieler, oder was?“

„Eh eh, ich tackel auch beim Fußballspielen!“

„Kleines Schummelmonster“, schmunzelte Kakashi, umfasste den Kleinen mit seiner freien Hand und zog ihn an seine Seite.

„Hattest du Spaß heute?“

„Logo! Heute war auch gar keine Lernstunde, weil wir beim Weihnachtsschmücken geholfen haben!“

„Echt, du auch Schnecke?“, fragte Kakashi die kleine Sakura, die wieder neben ihrem neuen Freund saß und mit einer kleinen Holzpuppe auf seinem Arm entlanglief. Sie schaute auf und schüttelte den Kopf.

„Nein, Kakashi. Gaara und ich haben doch gemalt“, sagte sie mit einem leisen Hauch Vorwurf in der Stimme. Der Hatake runzelte die Stirn und wunderte sich, was es mit diesem schweigsamen neuen Freund auf sich hatte, durch den Sakura nicht mal Weihnachtsschmuck aufhängen wollte. Sie dekorierte gern, hing gerne Bilder auf und stellte Figuren und Kerzen hübsch hin – das hatte sie von ihrer Mutter.
 

~~
 

Die Traurigkeit versuchte Obito mit Eiscreme zu vertreiben. Er lies die Jungen aussuchen und bestellte am Drive-through Vanillemilkshakes für Itachi und sich und einen McSunday mit Smarties für den kleinen Sasuke.

„Ihr müsst nicht warten, bis wir bei Kakashi sind“, sagte Obito, als er durch den Rückspiegel sah, dass die Kinder nicht probierten, sondern ihre Becher bloß mit beiden Händen festhielten.

„Und wenn wir kleckern?“, fragte Itachi, der wusste, dass sein kleiner Bruder beim Essen oft ein wenig ungeschickt war. Papa hätte sie niemals im Auto Eiscreme essen lassen. Er war zwar nicht so ein Autoliebhaber wie Mama, Opa Kai oder Itachi, aber er hatte es gemocht neue Wagen zu fahren und hatte fast alle zwei Jahre den alten verkauft und einen neuen erworben. Flecken im Stoff waren für dieses Verhalten nicht fördern.

Obito verkaufte seinen Challenger sicher nicht, aber Flecken mochte er bestimmt ebenso wenig leiden wie ihr Vater.

„Das ist nicht schlimm“, meinte Obito entgegen Itachis Vermutungen. Der Neunjährige zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Was erwartest du denn?“, rutschte es dem Uchiha raus. Er umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervorragten. Natürlich wusste er, was Itachi erwartete, aber als ob er seine Neffen für einen Flecken auf dem Leder grün und blau prügelte!

„Ich hab mal ein Brötchen in Papas Auto gegessen und ganz doll gekrümelt“, erzählte Sasuke traurig. „Und Papa ist richtig böse geworden. Er hat mich auch gehauen, Obito.“

„So was tu ich nicht“, sagte er harsch und hielt am Seitenrand. Er stützte die Ellbogen aufs Lenkrad und vergrub den Kopf in den Händen. „Scheiße“, spie er aus, nahm sich einen Moment, ehe er sich mit einer Hand auf der Mittelkonsole abstütze und sich im Sitz zu den Jungs umdrehte.

„Sorry“, sagte er. Er bedauerte es so ungehalten gewesen zu sein, als er die verängstigten Mienen der Kinder sah. „Schaut, es ist nicht schlimm, wenn ihr kleckert. Ehrlich nicht. Ich würde auch nie dafür hauen.“

„Okay“, sagte Itachi argwöhnisch. Er traute solchen Aussagen nicht, aber er begann auf den Funken Vertrauen zu bauen, den er für Kakashi und Rin entwickelt hatte. Würde Agent Obito seinen kleinen Bruder schlagen, würde er es ihnen sagen. Er wollte nie mehr zusehen, wie irgendjemand meinte, seinen kleinen Bruder prügeln zu dürfen, und einfach darüber schweigen.
 

„Okay“, sagte auch Obito, dem das Misstrauen nicht entging. Aber er konnte dagegen nichts tun. Was hatten diese Jungen auch für einen Grund ihm zu vertrauen? Für manche Kinder war es ein Spiel, herauszufinden, wem man vertrauen konnte und wem nicht – denn sie hatten die Basis nie anzweifeln müssen. Dann war es einfach anderswo die Menschen auszutesten. Aber ihr eigener Vater missbrauchte ihr Vertrauen indem er sie schlecht behandelte. Auch Obito hatte eine solche Basis nicht gehabt. Seine Eltern starben, bevor er auf sie bauen konnte. Sicher hatte es eine Zeit gegeben, indem sie ihn fütterten, pflegten und hüteten, aber sie war kurz gewesen und er erinnerte sich nicht daran.

Vielleicht würden seine kleinen Neffen irgendwann Kakashi und Rin vertrauen, so wie er bei Jiraiya damit begonnen hatte auf ihn und den Rest der Familie zu bauen. Es war eine späte Basis, deswegen war sie nicht so grundsolide, aber er hoffte, dass Itachi und Sasuke sie auch fanden. Er wollte gerne Teil dieser Basis sein, aber noch, dachte Obito erneut, hatte er den beiden keinen Grund gegeben, ihm zu vertrauen. Deswegen sagte er nichts mehr – sie mussten selber raus finden, dass es fürs Kleckern keine Strafen gab – und fuhr weiter.
 

Als er seinen Wagen hinter Rins parkte, mit den Jungen, die nicht gekleckert hatten, ausstieg und neben Kakashis Haustür auf den Klingelknopf drückte, machte keiner auf. Entweder war Kakashi noch im Büro oder er holte bereits die Kleinen von der Day Care ab. Der Bundesagent joggte die Stufen hinunter, ging den kleinen Vorgarten entlang und klingelte am Nachbarhaus. Es war Rin, die ihm öffnete. Sie trug eine Küchenschürze, die Falten warf, als sie sich zu den Kindern hinhockte und ihnen übers Köpfchen fuhr.

„Was hast du denn für ein Milchbärtchen?“, fragte sie den kleinen Sasuke und der grinste.

„Obito hat uns Eis gekauft!“, sagte er freudig. „Mit Smarties!“

Rin lächelte, fasste Sasuke unter die Achsel und hob ihn auf ihre Hüfte. Sie vergrub ihre Nase in seinem nach Kindershampoo duftendem Haar und fand Trost im Erdbeerduft. Selbst wenn Dan gestorben war, hatte sie hier drüben immer noch eine Familie. Sie schaute zu Obito, sah den mitleidigen Ausdruck in seinem Gesicht und lächelte. Auch er war Teil ihrer Familie. Sie wollten ihnen keine Sorgen machen.
 

Obito schüttelte den Kopf. Er kannte sie gut. Ihr Lächeln war zwar nicht falsch, aber es erzählte nicht von Glück. Es erzählte von Trost und von Traurigkeit. Er hatte Dan kaum gekannt, aber es war schrecklich, was momentan passierte.

Obito sah das Glänzen in ihren Augen und als sie den Kampf gegen ihre Tränen verlor, zog er sie in seine Arme, obwohl auf ihrer Hüfte immer noch sein kleiner Neffe saß. Sie hielt ihn mit einem Arm fest, umfasste Obito mit dem anderen und griff mit langen Fingen in sein Shirt. Er flüsterte beruhigende Nichtigkeiten, es waren nur Töne, und streichelte ihren Rücken, bis sie sich von ihm löste und ihre Tränen aus dem Gesicht wusch.

„Ich koche“, sagte sie leise. „Gehst du mit den Jungen im Garten spielen?“

„Klar“, machte er und ließ sich Sasuke reichen. Er ging mit dem Kleinen auf dem Arm und Rin und Itachi hinter sich in die Küche. Dort grüßte er Tsunade, die mit einer Tasse Tee am Tisch saß. Es war schön, dass sie hier war.

„Darf ich bitte was Zutrinken haben?“, hörte Obito seinen großen Neffen höflich fragen, als er gerade dabei war, durch die Verbindungstür ins Wohnzimmer zu gehen.

„Aber sicher. Hast du auch Durst, Sasuke?“

„Eh eh“, machte der Kleine und hielt sich mit den Fingen am Kragen von Obitos Button-Down-Hemd fest. Rin bedeutete Obito schon mal vorzugehen, nahm ein Packet Saft aus dem Kühlschrank und goss dem Neunjährigen etwas davon ins Glas. Sie stellte es auf den Tisch und Itachi setzte sich artig auf den Stuhl davor. Papa hatte es nicht erlaubt, dass sie im Stehen tranken oder einen Snack aßen.
 

Rin, die die Brühe und das Gemüse zum Köcheln auf dem Herd und die Nachos zum Backen in den Ofen gestellt hatte, setzte sich neben Itachi an den Tisch und trank einen Schluck des lauwarmen Früchtetee, den sie für Tsunade und sich aufgegossen hatte.

„Und, Kleiner, erzähl mir“, sagte die Direktorin des NCIS mit einem Grinsen auf den Lippen, „was haben meine Agenten angestellt, wo ich heute außer Haus war?“

„Sie … uh …“ Itachi stockte. Er dachte an die lackierten Nägel der Agentin, an den Mann mit dem Nagellackpinsel in der Hand und an die Autozeitschrift von Agent Obito. Aber er erinnerte sich auch daran, dass Kakashi Berichte geschrieben hatte.

„Berichte“, sagte er deswegen. Es war keine Lüge. Es war bloß nicht die ganze Wahrheit. Aber mit Sicherheit waren die anderen Agenten nicht davon begeistert, wenn er sie bei ihrer Chefin verpfiff.

„Vorbildlich!“, schilpte Tsunade, auch wenn sie nichts davon glaubte. Oft genug hatte sie die Büros betreten – sowohl hier als auch in Quantico und allen anderen Dienststellen der Behörde – und nicht selten machten ihre Agenten nicht was sie sollten, wenn kein ernster Fall auf war. Und sie kannte es ja selber. Sie war auch Agentin gewesen, war die ganze Laufbahn durchlaufen und bei einem Job wie diesen, brauchte es die Scherze der Kollegen um nicht durchzudrehen.
 

Rin schaute auf Tsunade und dachte ihr stumm für ihre Bemühungen Itachi zu bespaßen. Aber er hatte längst ihre Trauer bemerkt. Sie fragte sich nur, ob …

„Schätzchen?“ Rin fuhr ihm über den bedeckten Rücken. „Hat Kakashi dir etwas erzählt? Über Sakuras Daddy?“

Der Neunjährige stellte das Glas zurück auf den Tisch und schüttelte den Kopf. War Rin so traurig wegen Sakuras Vater? Hatte er etwas Böses getan? So wie sein Vater? – Aber warum nannte sie ihn dann noch Daddy?

„Bist du deswegen so traurig?“, rutschte es Itachi raus. Rin sah die Sorge in seinen Augen, aber auch, dass er sich selbst dafür schalte gefragt zu haben.

„Du darfst fragen“, sagte sie deswegen und nickte. „Ja, ich bin traurig wegen Sakuras Papa.“

„Was … was hat er gemacht? Ist Sakura okay?“ Rin fuhr ihm übers Köpfchen und nickte beruhigend. Sie hatte ihn nicht so ängstigen wollen. Aber es war falsch zu verschweigen, warum sie so traurig war, wenn es ihn so sehr belastete, dass er seinen kleinen Bruder mit Agent Obito allein ließ und bei ihr zu sitzen.

„Sakuras Papa, Dan – du weißt, dass er nach Afghanistan geflogen ist, weil er Soldat ist. Aber dort ist es gefährlich“, sagte sie und Itachi nickte.

„Ich weiß“, murmelte er fast tonlos. Papa hatte ihnen viel über Kriege erzählt. Er wollte, dass auch seine Jungs später zu Navy gingen, daraus hatte er kein Geheimnis gemacht, aber Itachi wollte nie im Krieg leben.

„Er ist dort drüben schwer verletzt wurden“, erzählte Rin. „Und gestorben. Darüber bin ich traurig.“

„Es tut mir Leid“, sagte Itachi und blickte in seinen Schoß. Er hatte mit so was nicht gerechnet. Rin tat ihm Leid. Mama wäre auch sehr traurig gewesen, wenn Papa im Dienst gestorben wäre – egal was er getan hatte.
 

Rin schaute auf diesen Jungen, den sie großziehen wollte, und der ihr, so merkwürdig es auch klang, Trost spendete. Weil er ähnlich litt wie sie und noch ähnlicher, wie ihre Tochter leiden würde. Er verstand sie, ob seiner neun Jahre und sie war froh, dass er sich getraut hatte, seinen kleinen Bruder alleine mit Obito im Garten spielen zu lassen. Sein Vertrauen ehrte sie. Und seine Anteilnahme, sein Mitgefühl – sein Verständnis, dachte Rin – machte sie stolz.

„Danke“, sagte sie, beugte sich ein Stück vor und küsste seinen Schopf. „Mir auch.“ Sie meinte Dan, aber viel mehr noch meine sie seine Eltern, um die er trauerte. Denn auch sie hatte Mitgefühl mit ihm und seiner Trauer.

„Ich war sehr wütend, dass Dan zurück in den Krieg gegangen ist“, erzählte sie. „Er war viel weg, auch schon als wir noch zusammen waren. War dein Papa auch viel weg, Itachi?“

Der Neunjährige zuckte zusammen. Sie hatte seinen Vater Papa genannt, was fast so klang wie Daddy, aber dann wieder doch nicht, weil sie es mit diesem Ton gesagt hatte, er ihm zeigte, dass sie Sakuras Daddy und seinen Vater nie auf eine Stufe stellen würde.

„Ja.“ Itachi nickte. Als sein Vater noch ein eigenes Schiff gehabt hatte, war er häufiger für Wochen weg und einmal sogar über Monate. Aber das war schon lange her und selbst auf seinem Schiff war er kaum in ernster Gefahr gewesen – nicht so wie Sakuras Vater in Afghanistan. Papa hatte ihm von der Zeit vor seinem eigenen Schiff erzählt und dass er da auch in fremden Gebieten für den Frieden gekämpft hatte. Itachi konnte sich ihn nicht als Friedensheld vorstellen. Besser passte sein Vater in die Rolle des Series Commander am Marine Corps Recruit Deport, wo er seine Jungen auf den Krieg vorbereitete, indem er sie anschrie und durch den Dreck kriechen ließ.

„Deine Mutter – war sie traurig, wenn dein Vater weg war? Für länger.“

Itachi zuckte mit den Schultern. Klar, war sie traurig gewesen – irgendwie. Manchmal hatte er sie weinen gehört. Aber wenn Papa für länger weg war, bedeutete es auch, dass ihre Wunden heilen konnten, Mamas, Sasukes und seine – deswegen war Mama nicht nur traurig gewesen. Nach ein paar Wochen gewöhnten sie sich an das gute Leben ohne Schläge und Papas Regeln. Mama gewöhnte sich vielleicht wieder daran, dass selbstbestimmende, unabhängige Mädchen zu sein, von dem Opa Kai immer erzählte. Aber dann kam Papa heim und Mama wusste nicht, ob sie traurig sein sollte, oder glücklich, weil er unversehrt war.

„Manchmal war mein Vater nett, wenn er zurückkam“, erzählte Itachi leise. Ganz so, als habe er sie vermisst. „Einmal, da war Sasuke noch ein Baby, sind wir segeln gegangen und Papa hat mir das Schwimmen beigebracht.“ Er hatte Angst gehabt, dass sein Vater ihn einfach losließ und er unterging. Er war noch klein gewesen und das erste Mal ohne Schwimmflügel im tiefen Wasser. Aber sein Vater hielt ihn fest und verscheuchte die Fische, die um ihre Beine schwirrten.
 

Rin saß da mit zusammengepressten Lippen und warf einen Blick zu Tsunade, die ihrer kleinen Unterhaltung stumm beigesessen war. Aber die Direktorin des NCIS nickte ihr zu. Vielleicht war es wirklich gut, was Rin tat. Selbst wenn Dan das Opfer war, hatte sein Tod dazu geführt, dass Rin und dieser kleine Junge einander besser verstanden. Man konnte wütend sein, auf Taten und Entscheidungen, aber zum Schluss liebte man diese Menschen und es war hart, sie zu verlieren. Sie verglich Dan nicht mit Itachis Vater, dazu waren sie und ihre Werte, ihre Taten und Entscheidungen, zu verschieden, aber Rin hatte sich auf ihren Ex-Mann verlassen, auch lange nach ihrer Scheidung. Er war verantwortlich für ihre gemeinsame Tochter – er hatte ja sogar diese verdammte Daddy-Liste, die er schrieb, während Sakura ihre ersten Monate lebte.

Genauso wie Dan für Sakura, war Fugaku Uchiha für seine Söhne verantwortlich. Sie hatten ihm vertraut, so sehr, dass Itachi sich im pazifischen Ozean das Schwimmen lehren ließ. Und genauso wie Dan missbrauchte er das Vertrauen durch die Entscheidungen, die er traf. Zu Rins Trauer gesellte sich Wut, aber ihr wurde bewusst, dass die Wut soviel geringer war. Denn in all dem Schmerz war kaum mehr Platz dafür. Denn Trauer tat weh. Sie kannte keine Zeit, keine Grenzen, keine Gesetzmäßigkeit. Sie war allgegenwärtig. Sie machte klein, wehrlos und hilfsbedürftig. Deswegen bewunderte sie Itachi so, der in all dem Schmerz seiner Traurigkeit noch Platz dafür fand Mitleid für sie und ihre Tochter zu empfinden.

„Komm her“, sagte sie und nahm seine Hände in ihre. Er rutschte vom Stuhl, stand neben ihrem und zuckte kaum mehr zusammen, als sie ihn auf ihren Schoß zog. Sie vergrub ihr Kinn in seinem Haar und streichelte seine Seite mit ihren Fingerspitzen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Valkyra
2013-06-06T23:02:41+00:00 07.06.2013 01:02
Ai, ai. Mikotos Vater tut mir leid & das Traurige ist auch noch Itachi & Sasuke hatten sich so auf den Besuch bei ihrem Opa gefreut & dann geht das ganze so aus. Aber als sie mit dem Eis im Auto waren fand ich es toll das Itachi gleich gefragt hat, weil ich ehrlich gesagt nicht damit gerechnet hatte. Ich hoffe die beiden lernen dann langsam das sie ihrem Onkel auch vertrauen können. :p
Es war schön das Tsunade für Rin da war & ihr auch von ihrem Dan erzählt hat, genauso schön war es das Itachi bei Rin blieb weil er gemerkt hat das sie Traurig war. Allerdings war es ein bisschen Traurig das er sofort dachte Dan hätte irgendwas gemacht, weshalb er sofort gefragt hat ob es Sakura gut geht, aber wenn man mit so einem Vater aufwächst, auch kein Wunder. :(
Vor allem hat mir gefallen das Sakura Kakashi als ihren Kakashi bezeichnet. Ansonsten fand ich Gaara und Sakura süß, schön das er nicht so alleine ist & wen zum spielen hat. Ich persönlich hoffe bzw bin gespannt ob Gaara auch noch öfter vorkommt. :)

So das wars dann auch erst mal zu dem Kapitel, ich les dann gleich mal weiter. :p
Von:  EL-CK
2013-05-08T18:36:41+00:00 08.05.2013 20:36
Das Kapitel ist sooo schön - obwohl es auch richtig traurig ist....
aber zum Glück haben sie ja einander.... hoffentlich werden Ita und Sasu irgendwann auch Obito vollends vertrauen...
Antwort von:  Jessa_
17.05.2013 12:57
Danke für dein Kommi :)

Das Vertrauen baut ich stetig auf, keine Sorge ;)
Liebe Grüße
Jessi :)


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