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400 Jahre später

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Geschichte Nachhilfe

Vielen lieben Dank schonmal an die Freischalter, die gerade so fleißig sind. Ziemliches Aufgebot gerade ... ^^

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Als Maya wieder zu sich kam, lag er in einem Bett, gut eingepackt in eine Decke, und es wurde draußen schon langsam wieder hell.

Schreckartig weiteten sich seine Augen und er war auf der Stelle hellwach. „Shinda!“

„Was´n los ...“, nörgelte es müde hinter ihm.

Maya schauderte. Er wusste noch sehr genau, was gestern Abend passiert war. Shinda hatte die Schläger vom Boxerclub niedergemetzelt, einfach so. Und jetzt lag er hier seelenruhig in dem Feldklappbett, das er provisorisch als Gästebett in sein Schlafzimmer gestellt hatte, und schlief als sei nichts gewesen. Nein, schlimmer, bemerkte Maya in diesem Moment. Er selbst lag in dem Provisorium und Shinda hatte es sich in dem großen Eichenholzbett bequem gemacht. „Du hast sie umgebracht!“, platzte es aus Maya heraus und er fuhr hoch, nur um eine Sekunde später mit dröhnendem Schädel wieder ins Kopfkissen zurückzusinken.

Shinda knüllte die dicke weiche Decke zur Seite, die er sich bis über die Ohren gezogen hatte, um Maya müde anzublinzeln. „Und?“, machte er nur.

„Hast du sie noch alle?“

„Sie haben dich angegriffen.“

„Es hätte völlig gereicht, sie K.O. zu hauen!“

Shindas Blick wurde geringschätzig. „Ich dachte, wir wären Freunde.“

„Was ... hat das denn damit zu tun?“, gab Maya perplex zurück. „Das ist immer noch kein hinreichender Grund, jemanden umzubringen!“

Shinda wandte sich seufzend im Bett um. Drehte ihm den Rücken zu. „Ein einfaches <Danke> hätte es auch getan.“, meinte er enttäuscht.

„Danke??? Shinda, bist du von allen guten Geistern verlassen? Du hast gemordet!“

„Sind wir jetzt Freunde oder nicht?“, maulte der Schwarzhaarige nur genervt.

„Ich ... uhm.“ Maya musste ernsthaft überlegen. Ob er Shinda wirklich so akzeptieren musste. So akzeptieren konnte. Oder wollte. Ob Dämonen nicht anders konnten als so zu sein. Und ob er dann wirklich der Freund eines Dämons sein wollte, wenn Dämonen so waren. „Ja, sind wir. Danke für deine Hilfe, Shinda. ... Aber jetzt verrat mir trotzdem mal, wie wir das der Polizei oder irgendjemandem erklären wollen.“, verlangte er, schon wesentlich ruhiger.

„Die Idioten leben doch noch. Ich hab niemanden umgebracht.“, gab Shinda nur zurück, noch immer mit dem Rücken zu ihm gewandt und die Decke über die Ohren gezogen.

Maya brauchte einen Moment, um diese Aussage zu verarbeiten. Dann brach ein Lachen aus ihm heraus. Erst zaghaft, dann immer nachdrücklicher. Er lachte sich die ganze Erleichterung von der Seele. Und lachte und lachte.

„Sieh lieber zu, daß du fertig wirst. Du hättest schon vor einer halben Stunde aufstehen müssen. Du kommst zu spät zur Uni.“, merkte Shinda kühl und humorlos an.
 


 

Mit einem mühsam versteckten Schmunzeln musterte Maya Duncan und die 5 Schläger, die neben ihm saßen. Duncan hatte einen eingegipsten Arm in der Armschlinge, einer hatte ein fettes, blaues Auge, einer ein entsetzlich zerkratztes Gesicht, und auch die anderen sahen irgendwie ziemlich rampuniert aus. Aber Shinda hatte Wort gehalten, sie alle lebten noch. Und waren überaus sauer, daß Maya heute wieder in Begleitung des kampferfahrenen Schwarzhaarigen herumstrolchte und sie sich somit nicht revanchieren konnten. Es wagte auch keiner zu fragen, wer oder was Shinda nun war, obwohl sein Auftritt gestern ziemlich eindeutig gewesen war. Zumindest das wunderte Maya ein wenig. Er hatte mit einer Anzeige oder sonstwas gerechnet, aber die Prügelknaben schienen sich still zu verhalten. Klar, wer würde ihnen auch glauben, daß ein Dämon ihnen die Visagen poliert hatte? Das hier war ein zivilisiertes Land in einem aufgeklärten Zeitalter. An Dämonen und dergleichen glaubte keiner mehr. Auch Maya hatte bis vor zwei Tagen nur ein müdes Lächeln für diese Sagen und Märchen übrig gehabt.

„Komm, wir müssen uns beeilen, sonst verpassen wir Professor Undo.“, raunte Maya, als der Dozent vorn langsam die Verabschiedung und das Ende der Vorlesung einleitete und tippte Shinda neben sich mit dem Finger an.

„Ja, wird auch Zeit. Die Vorlesung hier ist ja saulangweilig. Wie kannst du sowas nur studieren?“, gab der Dämon zurück.

„Naja, Wirtschaftsgeschichte ist jetzt auch nicht so mein Fall. Aber es ist ein Pflichtfach, was will man machen.“

„Muss ich unbedingt mit zu diesem Hochstapler?“, hakte Shinda nach, als sie draußen auf dem Gang angekommen waren.

„Wie kannst du sowas sagen, Shinda? Du kennst Professor Undo doch gar nicht!“

„Ich halte nicht viel auf Gelehrte. ... Außerdem, wenn ich wirklich das bin wofür du mich hältst, willst du mich diesem Mann dann wirklich zeigen? Wohlmöglich hat er ein bischen Ahnung von der Materie und erkennt mich am Ende noch. Wer weis, worin das endet.“

„Auch wieder wahr ...“, seufzte Maya nachdenklich. „Wo willst du denn solange hin?“

„Ich geh in die Bibliothek, wenn´s recht ist. Lass dich nicht wieder wegfangen, während ich nicht da bin.“, meinte Shinda noch mit einem fast fröhlichen Grinsen und spazierte übergangslos davon. Maya sah ihm noch kurz skeptisch nach. Dieser plötzliche Ausbruch von guter Laune war verdächtig. Aber dann wandte er sich doch kopfschüttelnd um und ging weiter zu Professor Undos Zimmer.
 


 

„Ja, das alte Hexenhaus im Wald kenne ich.“, meinte Professor Undo nachdenklich und nahm Platz, nachdem er zunächst seinem Studenten einen Stuhl angeboten und ihm einen Tee vorgesetzt hatte. „Warum interessiert dich das Haus?“

„Ach, eigentlich reine Neugierde.“, tat Maya leichthin ab. „Ich bin vorgestern da spazieren gegangen und hab es mir näher angesehen und habe dabei ein paar ziemlich mystische Zeichnungen an der Wand entdeckt. Da hat es mich einfach interessiert, was es damit auf sich hat. In der Bibliothek findet man leider keine Bücher über unsere lokale Geschichte, jedenfalls nicht über diese Zeit, ich habe schon nachgesehen.“ Das war ja sogar die Wahrheit, wenn auch nicht die ganze.

„Ja, das hat so seinen Grund, warum es keine Bücher dazu gibt.“, merkte Professor Undo besorgt an. Es schien ihm wirklich nicht zu gefallen, daß sich ein Student näher für das alte Hexenhaus interessierte.

„Nun, ich dachte, ich könnte meine Semesterarbeit darüber schreiben.“

Professor Undo seufzte. „Nein, das wirst du definitiv nicht. Ich kann dir gern ein bischen was darüber erzählen, wenn es dich interessiert, aber Nachforschungen im Umfang einer Semesterarbeit gehen wirklich zu weit.“

„Wieso, was hat sich denn dort zugetragen?“, wollte Maya verdutzt wissen. Es war ja nun nicht so, daß die Legenden um das alte Hexenhaus ein Tabu-Thema gewesen wären. Selbst mit seiner bloßen Allgemeinbildung wusste er, daß dort ein Magierzirkel sesshaft gewesen war und es im Zusammenhang damit einen furchtbaren Brand gegeben hatte. Und das wusste jeder, der schon länger hier in Dachau lebte. Das gehörte einfach zur allgemein bekannten Stadtgeschichte.

„Also da muss ich etwas weiter ausholen.“, begann Professor Undo und stand wieder auf, um eine Mappe aus seinem privaten Regal zu holen. Es war eine Sammlung von Holz- oder Kupferstichen, die er vor Maya ausbreitete. Sie hatten in Art und Inhalt große Ähnlichkeit mit den Zeichnungen an der Mauer im Hexenhaus. „Zwischen 1500 und 1600 gab es in Dachau mehrere gewaltige Mord- und Vandalismusserien, alle auf die gleiche brutale Weise ausgeführt. Sie gipfelten darin, daß das alte Hexenhaus und große Teile des Waldes völlig niederbrannten. In der Stadtchronik und den offiziellen Berichten aus dieser Zeit war von einem Mörder oder einer Mörderbande die Rede, die bei dem Brand ums Leben gekommen sind. Man hat danach jedenfalls nie wieder von ihnen gehört. Die Morde an sich wurden nie aufgeklärt, und die damalige Justiz schien auch kein großes Interesse daran zu haben. In den wenigen erhaltenen privaten Tagebüchern und Briefen sprach man allerdings von einem Dämon, der das alles angerichtet haben soll.“

Maya schluckte. „Glauben Sie an Dämonen, Professor Undo?“, wollte er heißer wissen und griff zittrig nach seiner Tasse Tee.

„Zumindest glaube ich, daß diese Morde nicht alle von ein und demselben Menschen begangen wurden. Glaubst DU denn an Dämonen, Junge?“

„Irgendwie ... schon ein bischen, ja.“, druckste er herum und nippte an seinem Tee.

„Dann solltest du erst recht keine Nachforschungen mehr dazu anstellen.“, gab der Dozent ernsthaft zurück. „Es gab schon zwei Schüler, die sich zu sehr für die Geschichte des alten Hexenhauses interessiert haben. Sie sind beide tot. Das Thema ist nicht unbedingt segensreich.“

„Was ist denn mit ihnen passiert?“

„Nun, einer hat sich auf dem Dachboden seiner Eltern erhängt, nachdem er Kontakt zu einem gewissen Hexenzirkel aufgenommen hat. Von dem anderen Mädchen, 5 Jahre später, weis ich es nicht. Sie ist spurlos verschwunden und nie wieder gesehen worden.“

Maya schaute verängstigt. „Es gibt in Dachau wieder einen Hexenzirkel? Ich dachte, die hätten sich alle selbst geopfert.“

Professor Undo sah Maya abwägend an. Als sei er unschlüssig, ob er nicht gerade zuviel erzählte. Er wollte nicht, daß noch mehr Studenten diesem Fluch auf den Leim gingen. Er hatte nicht grundlos die wenigen vorhandenen Berichte darüber aus dem Bestand genommen. Und ganz sicher waren damals all die Tagebücher und Briefe nicht grundlos von der Obrigkeit eingezogen und vernichtet worden, so daß es heute so gut wie keine privaten Aufzeichnungen mehr aus dieser Zeit gab. Es war um 1600 eine regelrechte Bücherverbrennung abgehalten worden, um alle inoffiziellen Spuren über den Fall aus dem Weg zu räumen.
 

Schließlich seufzte Professor Undo resignierend. „Den Geschichtsquellen zufolge soll der Hexenzirkel eine junge Novizin gehabt haben, die noch zu unerfahren war, um aktiv an der Bannung des Dämons mitzuwirken. Sie hat die Geschichte weitergegeben, die wir heute als <inoffizielle Version> kennen und auf sie geht auch der heute noch existierende Hexenzirkel zurück. Aber ich muss wie gesagt etwas weiter ausholen.

An der Nordsee gab es um 1500 einen Bauern, einen gewissen Gottlieb Wilhelms. Es hieß, er ging jeden Abend am Strand spazieren, um seinen Bruder zu suchen, der zur See gefahren und nicht wiedergekehrt war. Seinen Bruder fand er nicht, dafür aber ein auf Riff gelaufenes Schiff bei Ebbe. Als er hineilte, waren alle an Bord tot. Und er konnte sich das nicht erklären. Sie waren nicht ertrunken oder ermordet, sie waren einfach so gestorben, ohne ersichtlichen Grund. Alle bis auf eine asiatische Frau, die er etwas abseits des Schiffes im Watt fand. Sie war schwanger, also nahm er sie mit zu sich nach Hause. Das aufgelaufene Schiff war am nächsten Morgen fort, vermutlich von der Flut weggespült. Er hatte keine Anhaltspunkte, woher es kam oder wohin es wollte, und die asiatische Frau sprach nicht genug Deutsch, um es ihm zu sagen, darum behielt er sie einfach bei sich. Bald darauf gebar sie einen Sohn, den sie Shinjudai nannte.“

Maya musste hart an sich halten, nicht korrigierend <Shinda> zu erwidern oder bekräftigend zu nicken. Das wäre sein Todesurteil gewesen. Er rutschte hibbelig auf dem Stuhl herum. Da hatte er nun quasi den endgültigen Beweis. Ob Shinda die Kurzform für Shinjudai war, eine Alternativform, eine über die Jahrhunderte entstandene Überlieferungsverfälschung oder was auch immer, die Ähnlichkeit wäre einfach zu viel des Zufalls gewesen. Shinda war besagter Dämon, egal wie man es jetzt noch drehte oder wendete. „Ist das Japanisch? War die Frau demnach Japanerin?“, hakte er nach.

„Ja. Shinjudai heißt je nach Verwendung der Kanji <Perlenkörper> oder <Perlengeneration> oder etwas in der Art.“

„Dann hat er eine menschliche Mutter? Ist er nur ein halber Dämon?“

„Ich denke nicht. Er ist schon ein vollwertiger Dämon und ist wohl parasitär in ihrem Mutterleib herangewachsen. Es gibt Dämonen, die ihr Kind nicht selbst gebären können. Dann pflanzen sie es einem Menschen ein und lassen es von ihm zur Welt bringen. So wie ein Kuckuck, der seine Nachkommen auch in einem fremden Nest ausbrüten und großziehen lässt. - Jedenfalls gebar diese Frau einen Jungen mit blutroten Augen und spitzen Ohren. Und als er nach ein paar Monaten die ersten Zähne bekam, da waren es außergewöhnlich raubtierhafte Fänge. Der Junge wurde nie krank, war für ein Kind überdurchschnittlich begabt, von auffallend rationalem, kühlem Charakter, wuchs aber ansonsten ganz normal auf, einmal abgesehen davon, daß er wegen seines Erscheinungsbildes von allen gemieden wurde. Man sagte, er habe ausgezeichnete Manieren gehabt und habe sich niemals ungebührlich verhalten, obwohl aus seinen Augen die blanke Bosheit stach. Den Menschen war das jedenfalls nicht geheuer und sie mieden Gottlieb Wilhelms, seine Frau und das teuflische Kind. Und als der Junge 6 Jahre alt wurde, jagte man sie schließlich fort.“
 

„Und sie kamen nach Dachau.“, vermutete Maya.

„Korrekt. Natürlich wurde der Junge auch hier nicht sonderlich wohlwollend aufgenommen. Die Familie war ständigen Anfeindungen ausgesetzt und bezichtigt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Als Shinjudai etwa 20 Jahre alt war, erschlug man Gottlieb Wilhelms und seine Frau schließlich auf Geheiß der Inquisition. Shinjudai selbst entging dem Massaker, aber sein bis dahin so zivilisiertes Verhalten kippte schlagartig in pure Mordgier um. Getrieben vom Rachedurst und dem Willen, den Tod seiner <Eltern> zu sühnen, begann er blind alles zu vernichten, was seinen Weg kreuzte. Er erschlug Menschen aller Alters- und Gesellschaftsklassen, egal ob Einwohner oder Fremde, er meuchelte ganze Viehherden, setzte Felder und Anwesen in Brand, kurzum, seine dämonische Seite war erwacht.

Nun trug es sich zu, daß Shinjudai noch eine jüngere Schwester hatte, ein menschliches Mädchen, die eheliche Tochter von Gottlieb Wilhelms und seiner asiatischen Frau. Sie war bewandert in der Magie und dergleichen, weil sie ihren Bruder liebte und verstehen wollte wer oder was er war. Sie war die einzige, die ihm dann und wann Einhalt gebieten konnte, aber sie liebte ihn zu sehr um ihn töten oder verbannen zu können. Auch ihre Tochter, ebenfalls eine begabte Erbhexe, vermochte es nicht. Und so tauchte der Dämon in gewissen Abständen immer wieder auf und richtete gewaltige Blutbäder und Zerstörungen in Dachau und den umliegenden Ortschaften an, um dann, von den Nachkommen seiner Schwester vertrieben, wieder für eine Weile zu verschwinden.

Als sich nach gut 100 Jahren das erste Mal wieder ein Inquisitionskommando nach Dachau wagte, fanden sie den Hexenzirkel vor, der sich inzwischen um die Wilhelms-Nachkommen gebildet hatte, und schrieben all die jahrzehntelangen Morde und Verwüstungen ihm zu. Der Erzbischof, der dem Inquisitionskommando vorstand, klagte sie an, den Dämon immer wieder herbeigerufen und ihm all die Untaten befohlen zu haben, und er richtete sie alle miteinander zum Scheiterhaufen. Da die Vollstrecker Gottes aber des gerade wieder in Dachau wütenden Dämons nicht Herr werden konnten, baten die Mitglieder des Zirkels darum, mit ihrem Tod wenigstens noch etwas Sinnvolles tun und den Dämon bannen zu dürfen, was ihre rituelle Selbstopferung voraussetzte. Da sie so oder so des Todes waren, stimmte der Erzbischof unwillig zu, um im Falle ihres Erfolges die Lorbeeren für sich selbst einstreichen oder aber gehässig ihr Versagen kommentieren zu können.

Noch in der gleichen Nacht rief der Nachfahre Gottlieb Wilhelms heimlich Shinjudai zu sich, um mit ihm zu reden und ihm alles zu erklären. Aber nach fast 100 Jahren war sein Bewusstsein schon dermaßen vom Blutrausch und Rachedurst und der ziellosen Zerstörungswut vernebelt, daß er für keine Übereinkunft mehr zugänglich war und den Mann in seiner Wut tötete. Sein gewaltiger Zorn beschwor ein grässliches Unwetter herauf, und ein Sturm peitschte verheerend über den ganzen Landstrich. Die Einwohner Dachaus bekamen Angst und fühlten sich betrogen. Sie dachten, daß die Magier die ganze Stadt verfluchen würden, bevor sie in den Tod gingen, und so zogen sie mit Fackeln hin und brannten das Haus des Wilhelms-Nachkommen nieder, und den halben Wald noch dazu.“

„Mein Gott.“, keuchte Maya.

„Nein, Gott hat hier seine Finger nicht im Spiel, Junge. Nur ein wütender Dämon und ein noch viel wütenderer Mob von dummen, abergläubigen Menschen.“

Maya nickte nur erschlagen und starrte seinen Professor mit großen Augen an. „Was ... was ist mit dem Dämon passiert?“, stammelte er verstört.
 

Professor Undo lehnte sich zurück. „Warum interessiert dich jetzt plötzlich dieser vermaledeite Dämon so?“

„Na weil ... weil ...“ Weil der seit zwei Tagen bei mir wohnt, wollte Maya sagen, biss sich aber auf die Zunge. Professor Undo würde ihn entweder in die geschlossene Anstalt einweisen lassen oder gleich eigenhändig um die Ecke bringen, so wie der auf das Thema zu sprechen war. „Weil er doch in dem alten Hexenhaus an die Wand gemalt war.“

„Ja, ich kenne die Bilder im Hexenhaus. Die hat wohl die überlebende Novizin hinterlassen, nachdem das Haus niedergebrannt ist. Um die Geschichte für die Nachwelt zu überliefern. Sie sind zumindest einige hundert Jahre alt. Nun, als Shinjudai seinen Verwandten erschlagen hatte, kam er endlich wieder zu klarem Verstand und vergaß seinen Rachedurst. Als er sah, was er angerichtet hatte, erfüllte sein tränenreiches Wehklagen die Nacht. Und getrieben von Reue ging er zu den noch vorhandenen Mitgliedern des Hexenzirkels und ließ sich freiwillig von ihnen bannen. Es heißt, sie schlugen ihn in Ketten, zeichneten ein Bannmal auf sein rechtes Auge, welches seiner Macht und seiner Erinnerung Einhalt gebot, und versetzten ihn dann in einer rituellen Selbstopferung in den ewigen Kälteschlaf, so wie sie es dem Erzbischof versprochen hatten. Nur die jüngste von ihnen, eine Novizin, blieb am Leben und versteckte den Dämon vor der Welt, so wie der letzte Nachfahre Wilhelms es gewünscht hatte. Sie führte nach dem Weggang der Inquisition den Hexenzirkel weiter und überlieferte uns diese Geschichte.“
 

Maya presste die Lippen aufeinander, um nicht versehentlich die 1-Million-Euro-Frage nach dem Versteck des Dämons zu stellen.

Aber Professor Undo deutete das stumme Verlangen nach Mehr zum Glück nicht ganz richtig. „Du wirst mich jetzt nicht fragen, wo man diesen Zirkel findet!“, stellte er in drohendem Tonfall klar. „Maya! Versprich mir, keine Nachforschungen über das alte Hexenhaus oder den Hexenzirkel mehr zu betreiben! Versprich mir das!“

„Glauben sie, er lebt noch? Oder kann wieder aufwachen, oder sowas?“

„Hoffen wir einfach, daß wir nie wieder von diesem Gesellen hören werden. Es ist spät Maya, du solltest langsam gehen. Ich habe gleich eine Vorlesung zu halten.“, wechselte Professor Undo galant das Thema und leerte seine eigene Teetasse in einem Zug.

„Sie haben Recht, Professor. Danke für alles.“, meinte der junge Mann und erhob sich rasch. Etwas zu rasch, fast fluchtartig.

„Und, Maya!!!???“

„Keine Studien mehr dazu, schon klar.“

„Guter Junge. Mach dir noch einen schönen Abend, ja?“

„Danke, Sie auch, Professor Undo.“ Er winkte dem Dozenten für Lokalgeschichte noch kurz zu und wandte sich dann um, dem Gang zu. „Ach, Professor?“

„Hm?“ Die schon halb geschlossene Bürotür schwang wieder ein wenig auf.

„Woher wissen Sie das alles? Ich meine, Sie sind Dozent für unsere lokale Geschichte, aber trotzdem ...“

Professor Undo lächelte traurig. „Die Novizin war meine Vorfahrin. Unsere Familie bewahrt dieses Wissen seit Generationen.“

Maya schlief das Gesicht ein. Vorfahrin seiner Familie. Das war aus vielen Gründen sehr schlecht. Das bedeutete, Professor Undo glaubte wirklich jedes einzelne Wort, das er hier gerade erzählt hatte. Schlimmer, er WUSSTE, daß es wahr gewesen ist. Er kannte den Dämon und den Ort, an den man ihn gebannt hatte. Wahrscheinlich war seine Familie sogar sowas wie Wächter über das Dämonengrab. Wenn er jetzt aufgrund von Mayas neunmalklugen Fragen loszog und dem alten Hexenhaus einen Besuch abstattete, würde er merken, daß der Dämon nicht mehr da war. Und sicher würde er dann eins und eins zusammenzählen können. Wenn Maya wirklich Pech hatte, gingen wohlmöglich sogar die zwei toten Studenten auf sein Konto. „Echt? Ist ja krass.“, würgte er mühsam hervor, um seinen Schock zu überspielen und versuchte nicht sofort in Panik zu verfallen.

„Wenn du das sagst!?“, lachte der Dozent. „Also dann, bis später, Maya.“

„Ja, bis später.“

Maya drehte sich dem Gang zu und zwang sich, langsam zu laufen. Wenigstens bis die Tür hinter ihm zugefallen war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Miezel
2013-03-03T09:48:27+00:00 03.03.2013 10:48
Nu hat er aber ein dickes Problem, einen hauseigenen Dämon und einen mißtrauischen Prof., na wenn das mal gut geht
Von:  Lianait
2012-12-31T15:15:04+00:00 31.12.2012 16:15
Nach dem Essen gestärkt, lese ich jetzt auch noch das dritte Kapitel. :3
Ich will ja auch wissen, was passiert ist, nachdem Maya das Bewusstsein verloren hat. :)

Der Dozent ist ja schwer dagegen, dass sich Maya weiter damit beschäftigt. O_O *liest weiter*
Okay... O_O Jetzt bin ich aber wirklich gespannt, was es mit dem Hexenhaus und besonders Shinda nun wirklich auf sie hat. Das mit den beiden Studenten, die sich auch mit dem Haus beschäftigt haben, war ja schon creepy. O_O

> „Ja. Shinjudai heißt je nach Verwendung der Kanji <Perlenkörper> oder <Perlengeneration> oder etwas in der Art.“
Ich hatte mich schon gewundert, warum ein in Dachau ansässiger Dämon einen japnischen Namen hat. :,D Maya und den Professor kann man sich ja imm Sinne der Globalisierung erklären, aber Shinda nicht so ganz. :,D

> Der Junge wurde nie krank, war für ein Kind überdurchschnittlich begabt, von auffallend rationalem, kühlem Charakter, wuchs aber ansonsten ganz normal auf, einmal abgesehen davon, daß er wegen seines Erscheinungsbildes von allen gemieden wurde.
Irgendwie muss ich jetzt an Lovecraft denken. O_O

Also alles in allem, fand ich die Geschichte des Dämons sehr interessant und bin auch schon gespannt, wie es weitergeht. Was Shinda wohl zu allem sagen wird und wie und wann sich der Hexenzirkel einschalten wird. :)


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