Zum Inhalt der Seite

Bora - Stein der Winde

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eine Gestalt in der Nacht

Es war Nacht. Obwohl der Himmel wolkenlos war, war es vollkommen dunkel. Es war nicht wie die Abwesenheit von Licht, es war vielmehr, als hätte es nie Licht gegeben. Der Mond, der blutrot am Himmel leuchtete, schien keinerlei Licht zu verbreiten und auch die Sterne schienen vergessen zu haben, dass es ihre Aufgabe war, am Himmel zu leuchten.

Wenn die Leute später von dieser Nacht sprachen, so waren sie sich nicht einig, aus welchem Grund in dieser Nacht das Licht zu fehlen schien. Es gab unzählige Überlegungen, doch keiner kam der Wahrheit auch nur nahe.

Doch es spielte auch keine Rolle, denn in einem waren sie sich einig. Darin, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Und darin hatten sie recht.

In dieser rabenschwarzen Nacht wandelte ein Schatten durch die Straßen. Es war kein Wesen dieser Welt, jeder, der ihn bemerkt hätte, hätte das sofort gewusst. Doch niemand bemerkte ihn. Keiner der unzähligen Passanten, keines der Tiere, wenngleich sie wussten, dass er da war.

Dieser Schatten, dieses gestaltlose Wesen lief durch die Straßen, als wüsste es genau, wohin es wollte. Es schien von etwas angezogen zu werden, wie Motten vom Licht. Ab und an schien es stehen zu bleiben, doch das ließ sich nur schwer sagen, denn sein Körper schien sich immerzu zu verändern, als hätte es keinen festen Körper, sondern bestünde nur aus Dunkelheit.

Schließlich blieb es vor einem Haus stehen. Es schien angekommen zu sein, denn lange bewegte es sich nicht vom Fleck, nur die Schwärze waberte um ihn herum. Dann jedoch ging es weiter, es floss regelrecht durch die Tür ins Innere.

Das Haus war nicht unbewohnt, im Wohnzimmer saß ein junges Paar beisammen, doch diese Menschen interessierten ihn nicht. Die junge Frau schien ihn auch gar nicht zu bemerken, doch der junge Mann hielt mitten im Satz inne. Er schaute durch die offene Tür in den dunklen Flur, doch er sah die Gestalt nicht. Doch er schien zu spüren, dass da etwas war.

Er sagte etwas, doch die Gestalt hörte nicht zu. Sie ging weiter, die Treppe hinauf. Dort stand ein kleines Mädchen mit braunem Haar. Sie schaute ihn direkt an, sie bemerkte ihn.

»Wer bist du?«, fragte sie leise.

»Niemand, vor dem du dich zu fürchten brauchst«, sprach er und bediente sich dabei einer Sprache, die immer, überall und von jedem verstanden wurde.

Das Mädchen war noch zu klein um es seltsam zu finden. Für sie war es ganz selbstverständlich, dass er in dieser Sprache redete. Sie schaute ihn furchtlos an, sie wusste, dass er ihr nichts tun würde. Weder heute noch an irgendeinem anderen Tag.

»Ich möchte zu meinen Eltern, aber ich komme die Treppe nicht alleine runter. Da ist etwas in meinem Zimmer, davor habe ich angst«, erklärte sie und schaute unsicher in Richtung ihres Zimmers.

»Geh ins Bett. Niemand wird dir etwas tun. Das verspreche ich dir«, sprach der Schatten.

Das Mädchen zögerte noch einen Moment, doch sie glaubte ihm. Sie wusste, dass er nicht lügen würde, nicht lügen konnte und es auch nicht wollte. Sie wandte sich ab und ging zurück in ihr Zimmer. Sie lehnte die Tür an und das Wesen konnte weiterlaufen. Es fuhr durch die nächste Tür in ein anderes Kinderzimmer.

Zwei Säuglinge, nur ein paar Wochen alt, lagen hier und schliefen. Die Gestalt betrachtete die Kinder und schien dann einen Arm auszustrecken. Er berührte das Kind nicht, dennoch schlug es seine Augen auf und schaute ihn aus türkisblauen Augen an. Auch das andere Kind erwachte. Seine Augen waren dunkler. Beide Säuglinge schauten die Gestalt an, als wüssten sie genau, wer sie war und auch, was sie hier wollte.

»Nicht mehr lange«, sprach die Gestalt. »Nicht mehr lange.«

Die Kinder schauten ihn an. Sie schienen genau zu wissen, wovon er sprach und sie schienen ihm zuzustimmen.

Dann verschwand die Gestalt, als hätte es sie nie gegeben. Vielleicht hat es das auch nicht.

Vielleicht war dies aber auch der erste Schritt, den die Kinder auf dem Weg getan hatten, dass das Schicksal ihnen vorbestimmt hatte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück