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Was für ein Leckerbissen für die nach Gelächter und Romantik lechzende Menschheit sie beide doch waren

von

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Der böse Mann hat keine Chance

Ihr Lieben, ich mach es heute kurz, denn ich muss bald zur Arbeit: Viel Gelächter und Romantik beim Lesen :)

Allerliebste Grüße von Eurer Lung <3
 

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„Also ist er wirklich schwul?“, fragte Anuschka zum dritten Mal, als sie am nächsten Vormittag telefonierten, „Ich glaub’s ja nicht. Ich bin von Schwulen umgeben.“

„Jap, ist das nicht toll?!“, frohlockte Krümel, der ständig aufsprang und strahlend durch sein Zimmer hüpfte, „Und hab ich’s dir nicht gesagt?! Ich hab’s dir gesagt! Ich wusste sofort, dass er in meiner Mannschaft spielt. Ich wusste es sofort!“

„Jaja… Und du siehst ihn heute echt wieder?“

„Jap, in einer Stunde und vierundvierzig Minuten, um genau zu sein.“
 

Halleluja, allein der Gedanke. Es fühlte sich an wie elektromagnetische Wellen, die über seinen ganzen Körper krochen. Und jedes Mal, wenn er oder Anuschka SEINEN Namen nannten, stellten sich alle Härchen in Krümels Nacken auf. Er wollte SEINEN Namen immer wieder nennen. Er wollte nie wieder einen anderen Namen hören. Aleksander Daley.
 

„Nicht zu fassen.“

„Hee, warum überrascht dich das denn so?“

„Weiß nicht. Hast du ihn bedroht und erpresst?“

„Quatsch! Hab ich überhaupt nicht. Ich hab ihn ganz einfach mit meinem natürlichen Charme überzeugt. Wir haben einfach einen Draht zueinander, Anni. Er und ich, wir sind praktisch wie zwei Puzzleteile, wir ergänzen uns perfekt.“

„Das hast du damals bei Sebastian auch gesagt.“
 

„Und es war die Wahrheit! Wäre es nicht so gekommen, wie es nun mal gekommen ist, dann hätten Sebastian und ich geheiratet und viele schwarze Kinderchen adoptiert.“

Anuschka lachte.

„Aber meinst du nicht, dass es so mit euch gekommen ist, beweist, dass ihr eben keine Puzzleteile wart, die sich perfekt ergänzen?“

„Nein, nein, nein!“, protestierte Krümel entrüstet und warf beinahe seinen Tabak vom Schreibtisch, „Sebastian und ich waren Opfer der Umstände. Wir waren einfach noch nicht bereit für die ewige Liebe. Aber dieses Mal, dieses Mal bin ich bereit.“
 

„Und woher weißt du, dass Aleks ebenfalls bereit ist?“, fragte Anuschka und Krümel hörte die Skepsis ganz deutlich in ihrer Stimme und es machte ihn rasend.

„Na, hör mal! Das kann ich natürlich fühlen. Duuu, ja, solltest mich unterstützen! Wo ist dein Vertrauen in mich bitte hin? Du und ich, wir sind auch zwei Puzzleteile und dass das eine Puzzleteil das andere ärgert, gehört sich überhaupt nicht.“
 

Übel aber auch. Beste Freundinnen waren auch nicht mehr das, was sie mal waren.
 

„Oooch, Krümel!“, säuselte Anuschka ins Telefon und darüber mussten sie beide kichern, „Manchmal müssen sich Puzzleteile gegenseitig ärgern, damit sie nicht vom Weg abkommen.“

„Ach, ist das so?“

„Jaah, das ist so. Also. Wir reden hier immerhin von meinem Lieblingscousin.“

„Deinem einzigen Cousin.“

Und meinem liebsten Cousin. Da darf ich mir doch wohl Sorgen machen. Vor allem, wenn mein bester Freund mit ihm durchbrennen will.“
 

Durchbrennen. Ja, das klang gut. Seeeuuufz. Durchbrennen. Auf einem weißen Pferd. Oder auch einem schwarzen. Dem Sonnenuntergang entgegen. Nur er und Aleksander Daley. Aleksander Daley.
 

„Ich schwöre dir, ich pass auf ihn auf. Ich lass ihn nicht vom Pferd fallen.“

„Was für’n Pferd?“

„Schon gut.“
 

Krümel klemmte das schnurlose Telefon zwischen Kopf und Schulter ein, um sich eine Zigarette drehen zu können. Die Jukebox auf seinem Laptop untermauerte seine Gefühlslage mit Hungry Eyes, einem der Songs aus dem Soundtrack von diesem schmalzigen Tanzfilm, den Anuschka ihm mal aufgedrängt hatte. Dämlich grinsend wiegte Krümel sich im Takt der Musik und lauschte dem prophetischen Text und sein Inneres schnurrte wie ein Kater, der soeben den Chihuahua verdaute. Ja, Ganymed, ich habe hungrige Augen. Und da ist hundertprozentig eine Magie zwischen uns.
 

Hundertprozentig.
 

„Krümel? Bist du noch dran?“

„Mhm.“

„Was machst du? Wehe, du masturbierst!“

„Quatsch! Also, wirklich! Was denkst du denn von mir? Ich drehe mir eine Zigarette.“

„Ach so.“

„Sag mal… Hast du nach der Party nochmal mit Aleksander Daley gesprochen?“

„Wiesooo?“
 

Ha! Sie klang lauernd und unschuldig, was eindeutig ihre Schuld bedeutete.
 

„Hast du, oder? Oder?!“, krähte Krümel und suchte unter dem Schreibtisch nach seinem Feuerzeug, das er vor Aufregung hatte fallen lassen, „Wann? Wie? Wo? Was hat er gesagt? Hat er über mich gesprochen?!“

Anuschka lachte ihm fröhlich ins Ohr und Krümel ertastete sein Feuerzeug in der linken Ecke, in einem großen Haufen Staubflusen. Igitt. Wo war eigentlich der Staubsauger? Gab es in dieser Wohnung überhaupt einen?

„Ehrlich gesagt hat er das wirklich.“

Krümels Kopf schoss in die Höhe.
 

„Echt?! Oh Gott. Übel. Ich meine, Halleluja! Was hat er gesagt?“, immer noch am Boden hockend, zündete er sich atemlos die Zigarette an, „Und wann war das? Und was hat er genau gesagt?!“

„Ich hab gestern Abend mit ihm telefoniert.“

„Gestern Abend?! Wann genau?“

„So gegen halb neun, glaub ich. Als du arbeiten warst.“

„Halleluja! Und? Was hat er über mich gesagt?! Hoffentlich, dass er mich unheimlich heiß findet und unbedingt bei nächster Gelegenheit von meiner besten Salami kosten will.“
 

Hach.
 

„Boah, Krümel!“, kreischte Anuschka und gluckste gleichzeitig, „Du bist so eine Sau, ehrlich. Nein, das hat er nicht gesagt.“

„Wie schade.“

„Eigentlich hat er mich gefragt, ob du ein bisschen verrückt bist.“

„Und? Was hast du gesagt?“

„Ich hab ihm gesagt, dass du nicht verrückt, sondern total irre bist.“

„Oh, danke schön. Dann sind ja alle Zweifel ausgeräumt,“ grollte Krümel belustigt und zog an seiner Zigarette.
 

„Und dann hat er mir noch von der Sache mit dem Spitznamen erzählt. Und von dieser Liste mit Fragen, die du deswegen gemacht hast. Gibt’s die wirklich?“

„Aber hallo! Wo ist sie denn? Ah, hier. Ich hab noch ne Menge vor, Anni. Bald werde ich alles über ihn wissen. Viel mehr als du.“

„Ach ja.“

„Jap. Wusstest du zum Beispiel, dass er Katzen lieber mal als Hunde? Oder dass er gerne schwimmt und lieber Tee als Kaffee trinkt?“

„Keine Ahnung. Denke schon. Ich hab ihn nie Kaffee trinken sehen.“
 

„Aber du hast nie darüber nachgedacht?“

„Nee, nicht so richtig.“

„Eben!“, triumphierte Krümel und aschte aus Versehen auf seinen Teppichboden, „Uuups. Egal. Naja, also, ich habe darüber nachgedacht. Und sobald ich alle basics über ihn weiß, werde ich anfangen, die wichtigen Fragen zu stellen.“

„Die da wären?“

„Na, wann er wo und mit wem seinen ersten Kuss hatte. Und– Meinst du, es ist zu früh, ihn nach seiner Lieblingsstellung zu fragen?“
 

„Lieblingsstellung? Beim Sex oder was?“

„Wo sonst?“

„Oh Gott. Keine Ahnung. Doch, ich denke, das ist viel zu früh. Ich weiß nicht mal…,“

„Was?“

„Ach, keine Ahnung. Aleks hält sich in diesen Dingen total bedeckt. Ich weiß absolut nix über Ex-Freunde oder Freundinnen, geschweige denn irgendwelche Sexgeschichten. Da redet er nie drüber. Ein einziges Mal hab ich nach Liebeskram gefragt und er meinte nur, dass er für sowas keine Zeit hat. Wegen dem Sport halt.“
 

„Der Scheißsport…,“ brummte Krümel und kratzte sich geistesabwesend am Hals, während sein Schritt noch das Wort Sexgeschichten im Zusammenhang mit Aleksander Daley verarbeitete. Welle, Welle, Welle. Atemnot.
 

„Tja…,“ seufzte Anuschka, „Das ist halt seine Priorität Nummer eins.“

„Das wollen wir doch mal sehen!“, erklärte Krümel verächtlich und fletschte die Zähne, „Hiermit sage ich dem Zehnkampf offiziell den Zehnkampf an. Ich lass mich von dem nicht einschüchtern. Der soll nur kommen. Ich werde Aleksander Daley in eineinhalb Stunden wiedersehen und davon wird mich nix und niemand abhalten können. Schon gar nicht der blöde Zehnkampf!“

Anuschka lachte zärtlich.

„Du bist süß, wenn du verknallt bist. Das hatte ich fast vergessen.“
 

Plop, plop, plop fiel Krümel in sich zusammen. Seine Kampfhaltung zerfloss wie schmelzende Schokolade und oh, wie weich und samtig die Wolken draußen den Himmel entlang segelten. Das warme Licht, der Duft seines Kaffees. Wie wunderschön die Welt war. Seufzend sank er der Länge nach auf den Teppich.
 

„Ach, Anni…,“ schmachtete er hingerissen und wollte ewig damit weitermachen, „Er ist sooo süß, so unglaublich süß. Diese Augen, dieser Mund und – halleluja! – sein Lächeln. Mein Gott, ich…ich kann an nix anderes denken. Und ich muss die ganze Zeit grinsen und ich träume und…und mir fehlen die Worte und du weißt, dass das nicht oft vorkommt…,“

„Oh ja…,“

„Es ist der Wahnsinn, wie süß er ist… Einfach nicht zu glauben…,“

„Mhm…,“
 

Die treue Anuschka lauschte Krümels verliebten Hymnen noch eine Weile, dann fiel ihm ein, dass er noch nicht geduscht hatte und sein Bus schon in knapp dreißig Minuten vom Bahnhof abfuhr. Sie verabschiedeten sich eilig und unter der Dusche sang Krümel Hungry Eyes. So laut und falsch, dass einer seiner Mitbewohner entnervt an die Tür hämmerte.
 

Den Weg von der Bushaltestelle Pantaleonstraße bis zur Sportanlage Roxel legte Krümel dieses Mal schon zielstrebiger und selbstsicherer zurück. Mit jedem Schritt, den er vorwärts ging, schien sein Herz schneller zu schlagen. Am liebsten wäre er gerannt, um die Entfernung zwischen ihm und Aleksander Daley möglichst rasch zu verringern. Diese Vorfreude machte ihn völlig unzurechnungsfähig. Vorsicht, Vorsicht. Sonst würde er Aleksander Daley noch vor versammelter Mannschaft um den Hals fallen und ihm die Zunge ins Ohr stecken.
 

Die Tür zum Vereinsheim stand offen, genau wie gestern. Mit dem Fuß drückte Krümel seine Weg-Zigarette aus und warf sie in den nächsten Mülleimer. Dann schlenderte er beschwingten Schrittes in das Gebäude hinein, nur um sich nach zwei Metern mit einem Hechtsprung hinter einen Metallschrank zu flüchten.
 

Uh. Ah. Was mach ich hier? Und was geht da ab?
 

Eigentlich war es nicht Krümels Ding, sich spontan zu verstecken. Er war eher der Typ Konfrontation. Doch etwas an der Situation vor ihm ließ in ihm die Empfindung entstehen, vorerst besser ungesehen zu bleiben. Vielleicht ein Selbsterhaltungstrieb.
 

Anuschkas sagenhaft schöner und atemberaubend attraktiver Cousin stand dort vor einem Plakat und wirkte – zu Krümels Kummer – unglücklich und verärgert. Und er schien sich zu streiten. Mit einem streng aussehenden Mann, der ihm gegenüber stand. Er war genauso groß wie Aleksander Daley und hatte die Arme in die Hüften gestützt und strahlte allgemein eine Aura aus, die Krümel empfahl, ihn lieber nicht auf die Schippe zu nehmen.
 

„–muss dir nicht erklären, dass du dir so kurz vor Olympia keine Ablenkungen erlauben kannst.“

„Ich lass mich nicht ablenken, das habe ich dir doch gesagt.“

„Und was war das vorhin in der Halle?“

„Das… Ich…ich hab nur kurz den Faden verloren.“

„Du hast keine Zeit, den Faden zu verlieren, Aleksander. Es sind nur noch zwei Wochen bis London. In zehn Tagen fliegen wir. Du musst dich jetzt konzentrieren! Reiß dich zusammen. Ich will doch nur, dass deine ganze Arbeit nicht umsonst war.“

„Ich weiß.“
 

Der böse Mann streckte die Hand aus, um Aleksander Daley an der Schulter zu berühren, doch der wich ihm aus. Er wandte das Gesicht ab und Krümel hatte ihn noch nie so missmutig gesehen. Es versetzte ihm und seinem vernarrten Bauch einen schmerzhaften Stich. Böser Mann, böööse! Lass meine Braut zufrieden!
 

„In Ordnung,“ seufzte die personifizierte Boshaftigkeit und wandte sich zum Gehen, „Mach Pause. Aber um halb drei will ich dich spätestens auf dem Platz sehen. Verstanden?“

„Ja. Verstanden.“
 

Er ging. An der lecker riechenden Cafeteria vorbei und verschwand durch eine Tür auf der rechten Seite. Vielleicht ein Büroraum? Aleksander Daley bewegte sich nicht. Er schloss nur die Augen und ließ den Kopf hängen. Krümel war nach Weinen zumute. Och, Schätzchen, dachte er bekümmert und voller Zärtlichkeit, mein Schätzchen.
 

„Hey!“, zischte er und schob sich um den Metallschrank herum, „Hey, Winterkind.“
 

Verdutzt hob Aleksander Daley den Kopf und erblickte ihn. Und sein Gesichtsausdruck änderte sich von einer Sekunde auf die andere. Ein wundervolles Lächeln erhellte seine Miene und er kam auf Krümel zu und der musste sich mit der Schulter an den Metallschrank lehnen und vergaß kurzzeitig alles andere um sich herum und fühlte nur den gewaltigen Glückskürbis – ja, Kürbis – der sich soeben in seinem Bauch aufblähte.
 

„Hallo…,“ hauchte Krümel ehrfürchtig und schwer verliebt.

„Hallo,“ wisperte Aleksander Daley zurück, „Wie…wie hast du mich gerade genannt?“

„Winterkind.“

„Winterkind?“

„Jap. Ich übe noch.“

„Ach so,“ er schmunzelte und Krümel konnte es kaum ohne Zungenkuss ertragen, „Aber…warum flüstern wir?“

„Falls…falls der böse Mann wiederkommt.“
 

Aleksander Daleys Lächeln fiel in sich zusammen und Krümel hätte sich am liebsten in den Hintern getreten.
 

„Entschuldige,“ murmelte er schuldbewusst, „Das war nicht so gemeint.“

„Schon gut,“ erwiderte Winterkind und fuhr sich durch sein verschwitztes Haar, das an einigen Stellen über das Stirnband wallte, „Eigentlich passt das ganz gut.“

Er wirkte verdrießlich und Krümel fand das wahnsinnig sexy, was sein Schuldbewusstsein noch vergrößerte. Er presste die Lippen aufeinander und rang nach Contenance.

„Wer war das denn?“, wollte er wissen.

„Mein Vater.“
 

Ach Gott. Das war übel. Pass bloß auf, was du sagst, Krümel. Du musst aufhören, seine Eltern zu beleidigen. Das ist echt keine gute Verführungstechnik.
 

„Mhm. Übel. Habt ihr…habt ihr euch gestritten?“

Aleksander Daley starrte ihn an.

„S…Sorry…,“ sagte Krümel zerknirscht, „Aber ich…ich fürchte, ich hab mich hinter diesem Schrank versteckt und euch ein bisschen belauscht. Tut mir leid.“

Aleksander Daley starrte noch immer. Doch dann schnaubte er und schmunzelte wieder. Puh. Katastrophe vorerst abgewendet.

„Du hast dich hier versteckt?“

„Jap. Dämlich, oder? Ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist.“
 

„Ach, nein. Nein, ich denke, das war sogar ganz gut so.“

„Echt?“

„Ja, schließlich bist du–,“
 

Erschrocken unterbrach er sich selbst und Krümel wurde von Neugier überwältigt.
 

„Was bin ich? Oh Gott. Übel, sag bloß, ich bin der Grund für euren Streit?!“

Schock auf beiden Seiten.

„Was? Nein! Nein, nein, nein. Nein, meine Güte. Du kannst überhaupt nichts dafür, ehrlich. Er ist nur… Ach, ich weiß auch nicht.“

Aleksander Daley verstummte, weil ein Mädchen in Tenniskleidung an ihnen vorbei ging und ihn mit einem Lächeln grüßte, und er lächelte zurück und wartete, bis sie außer Hörweite war, bevor er weiter sprach.
 

„Vielleicht… Also, sollen wir uns erst mal was zu essen holen? Hier beim Eingang ist immer so viel Betrieb…,“
 

Krümel hatte es eilig zu nicken, um sein Einverständnis zu verdeutlichen. Essen, sitzen. Das war immer gut. Besonders um schwermütige Gespräche zu führen. Gemeinsam betraten sie also die Cafeteria, in der heute nicht so viel los war wie gestern.
 

„Ich hab übrigens nachgedacht,“ teilte Krümel Aleksander Daley mit, als sie auf Ute und ihre Essensausgabe zu schritten, „Ich denke, wir sollten heute außerhalb des Rasters essen.“

„Wie bitte?“

„Ich meine, wir sollten die Realität verblüffen, indem wir nicht wie üblich essen, sondern anders. Das heißt, ich esse Salat, du isst Currywurst.“

„Oh Gott, muss das sein? Ich…mag Currywurst nicht besonders.“

„Na gut, dann eben keine Currywurst, sondern…keine Ahnung. Es gibt hier doch bestimmt noch was anderes außer Salat, dass du essen magst. Hallo, Ute.“
 

„Ach hallo, ihr zwei,“ die dicke Dame lächelte sie an, „Schon wieder da, Krümel? Hat dir unsere Currywurst so gut geschmeckt?“

„Sie war bombastisch!“, strahlte Krümel, „Aber heute wollen es Aleksander Daley und ich anders machen. Deshalb nehme ich den Salat und er nimmt…,“

Fragende Blicke in Richtung Aleksander Daley. Der wirkte überfordert.

„Äh, ich weiß nicht… Was…gibt es denn heute noch so?“

„Wir haben ein schönes Hühnerfrikassee mit Reis,“ sagte Ute.
 

„Coolio, das klingt doch gut! Oder nicht?“

„Naja. Doch. Schon,“ Aleksander Daley biss sich auf die Lippe, „Also gut. Okay, ja. Ich nehme das Hühnerfrikassee.“

„Sehr schön,“ lächelte Ute, „Du musst einen guten Einfluss auf ihn haben, Krümel. Ich kann mich nicht erinnern, dass Aleks hier je was anderes als Salat gegessen hat.“

Gorillamäßig wollte sich Krümel brüllend auf die Brust trommeln. Halleluja!

„Hast du gehört?“, grinste er Aleksander Daley an, während Ute ihnen Teller besorgte, „Ich hab einen guten Einfluss auf dich.“
 

Anuschkas Cousin, in den Krümel kolossal verliebt war, gluckste und schüttelte den Kopf, als fände er Krümel ein wenig crazy. Und er lächelte wieder. Gott sei Dank.
 

Sie bedankten sich bei Ute für ihre gefüllten Teller, holten sich Eistee und Wasser und Besteck und machten es sich an einem Platz am Fenster bequem. Krümel strahlte unentwegt und musste sich zwingen, auf seinen Teller zu schauen, während er Joghurtdressing über seinen Salat kippte. Er hatte schon ewig keinen mehr gegessen. Sein Vitaminhaushalt würde sich freuen.
 

„Sag mal…,“ begann Krümel und spießte sich ein Stück Paprika auf die Gabel, „Verdirbt es dir den Appetit, wenn ich dich nochmal nach deinem Vater und eurem Streit frage?“

Aleksander Daley seufzte und rührte durch sein dampfendes Mittagessen.

„Nein, ist schon okay. Es ist einfach so…so blöd und unfair.“

Er verfiel in Schweigen und Krümel knabberte unsicher an seiner Paprika und wusste nicht, ob er nachhaken oder lieber schweigen sollte und dachte, wie hübsch Aleksander Daley doch war und wie gut ihm das Stirnband stand und wie wenig er es ausstehen konnte, wenn er traurig war.
 

„Ich…ich war heute Vormittag gegen Ende des Trainings ein wenig unkonzentriert,“ erzählte Aleksander Daley schließlich und Krümel strengte sich an, bloß beim Thema zu bleiben und nicht in verzückte Gedanken abzudriften, „Und das hat er halt zum Vorwand genommen, mir eine Strafpredigt zu halten. Er wusste, dass ich heute…wieder Besuch zum Mittagessen von dir bekomme und er denkt, ich würde mich davon ablenken lassen. Aber er... Er hätte es wohl sowieso am liebsten, wenn ich ein Roboter wäre. Für ihn ist es immer nur Olympia hier und Olympia da. Ich meine, ich will das ja auch, aber ich habe meine Trainingszeit seit letztem Monat nochmal gesteigert und ich…ich kann doch nicht immer nur trainieren. Oder?“
 

Krümel schüttelte hastig den Kopf, denn offenbar war hier seine Meinung gefragt.
 

„Selbst mein Arzt hat schon gesagt, dass ich mir regelmäßig Ruhepausen und Erholung gönnen muss. Sonst macht mein Körper irgendwann nicht mehr mit. Aber mein Vater…der versteht das nicht. Der versteht sowieso nie etwas.“
 

„Mhm…,“ machte Krümel und dachte, Aha, da stecken also doch einige angestaute Aggressionen in dieser innigen Vater-Sohn-Beziehung. Doch er wusste nicht, was er sagen sollte, um seinen angebeteten Zehnkämpfer zu trösten. Übel, er war so schlecht im Trösten. Und mit nicht-verstehenden Vätern kannte er sich auch nicht aus. Sein eigener verstand alles. Selbst damals, als Krümel ihm gesagt hatte, dass er schwul war, hatte er »Das verstehe ich« geantwortet, was ganz eindeutig Quatsch war, da sein Vater schließlich schon seit Jahrzehnten mit derselben Frau schlief.
 

„Und? Ähm. Tu ich das?“

„Was?

„Dich ablenken. Von…von Olympia.“
 

Durch den bösen Mann hindurch schauten sie sich in die Augen und die plötzliche Stille um sie herum war sehr still. So still, dass die Geräusche der Cafeteria mit einem Mal überlaut schienen und Krümel sein Herz ganz deutlich in seinen Ohren pochen hören konnte.
 

„Ja…,“ flüsterte Aleksander Daley dann; er lächelte nicht, aber es klang trotzdem gar nicht vorwurfsvoll, „Ja, ein kleines bisschen schon.“

Krümel schluckte. Sein Mund war so trocken gerade. Und da war eine klitzekleine Narbe an Aleksander Daleys formvollendeter Oberlippe. Die hatte er zuvor noch nicht bemerkt.

„Sorry…,“ raunte er, „Ich… Sollte ich…etwa gehen?“

Aleksander Daley schüttelte den Kopf. Und dann lächelte er wieder.

„Nein. Nein, geh nicht. Ich…finde es nett, wenn du mich ablenkst.“

„Echt?“
 

„Ja. Außerdem…,“ er senkte den Kopf und grinste schief und Krümel wollte ihn auf der Stelle knutschen, „Außerdem hat mir mein Arzt doch Ablenkung geradezu verschrieben.“

„Also handle ich nur im Interesse deines Arztes?“

„Ja, genau.“

„Coolio. Also… Also bleibe ich. Ich bleibe. Denn weißt du, Ärzte haben meistens Recht. Deshalb haben sie auch immer so große Autos.“
 

Über sein Hühnerfrikassee hinweg lachte Aleksander Daley ihn an und Krümel lachte zurück und dachte, Halleluja! Wie cool und witzig und süß wir beide doch miteinander sind. Der böse Mann hat keine Chance.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Deedochan
2012-12-19T22:59:30+00:00 19.12.2012 23:59
Genau, der böse Mann hat keine Chance (gegen einen "ausgewachsenen, verliebten Krümel" :P)

und: "Böser Mann, böööse! Lass meine Braut zufrieden!" -> AHAHAHAHA! Bis zum Ende des Kapitels musste ich darüber kichern. Herrlich :D

bis bald! (Hoffentlich noch vor Weihnachten? *Rehblick*)

liebste Grüße
Von:  RockFee
2012-12-19T14:33:42+00:00 19.12.2012 15:33
Ehrlich gesagt bin ich schon gespannt, ob das so rosarote-Wolken-mäßig weitergeht. Offenbar hat Krümel mit seinem offensiven Charme Aleks' Herz schon erobert. Da ist halt auch der ehrgeizige Vater, der so gar kein Verständnis dafür zu haben scheint, dass ein junger Mann auch andere Interessen als seinen Sport zu haben schein. Wobei er natürlich nicht ganz Unrecht hat. Wer bei Olympia vorne mit dabei sein will, muss wohl sein Privatleben weit nach hinten stellen. Die Frage ist halt, ob Aleks das auch will.
Bei Krümel frage ich mich ein bisschen, ob er sich immer so schnell sicher zu sein scheint, seinen Mr. Right gefunden zu haben und in diesem Zusammenhang wäre es schon interessant zu wissen, warum das mit Sebastian nicht geklappt hat.
Allerdings lässt der Titel deiner Geschichte schon darauf hoffen, dass es weiter so romantisch bleibt.

Dann wünsche ich dir ein Frohes Weihnachtsfest und freue mich schon auf das nächste Kapitel.

Liebe Grüße
Rockfee
Von: abgemeldet
2012-12-18T22:53:39+00:00 18.12.2012 23:53
Willst du mich mit dieser wahnsinnigen Niedlichkeit umbringen? Anscheinend denn ich bin wahnsinnig begeistert >/////<!!
Die beiden sind soooooo niedlich dass ich am liebsten nur quietschen wollen würde Q_Q!!
Von: abgemeldet
2012-12-18T21:17:20+00:00 18.12.2012 22:17
ouh, ouh, ouh, das wird böse. soll ich es buchstabieren? b. ö. s. e. - und zwar noch viel böser, als der böse mann es je sein könnte. die zwei sind ja so doof *traurigkopfschüttel* krümel vor allem, den möcht ich schütteln. macht den gröbsten fehler und will dem zehnkampf den zehnkampf ansagen, das geht übel aus! und aleks, der dussel, dem ich seine rolle heute übrigens nicht ganz abgenommen hab... ein sportler kommt nicht so weit, wenn er nicht dahintersteht, und ein sportler, der zu olympia darf, würde erst recht nicht so daherreden... finde ich. davon bin ich überzeugt. aber mach du mal, wird wohl nicht anders in dein schema passen ;) aber ich kauf's dir nicht ab. weil ich es besser weiß, ich mit meinem sportler daheim, der gerade neben mir sitzt und fußball guckt und danach für eine weitere stunde zusammenfassungen gucken und videotext lesen und im internet stöbern und mit seinen kumpels kurznachrichten über das spiel austauschen wird und sich nicht die bohne für irgendwas anderes interessieren wird - was ich nie bekämpfen würde, erst recht nicht zehnfach ^.^


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