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Bleeding Hearts

Bis(s) dass der Tod uns nie mehr scheidet
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Endlich geht es weiter! Ich hoffe ihr habt Spaß an der Geschichte. <3 Komplett anzeigen

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Mit Freunden Spass haben und Showdown auf der Kneipentoilette

An diesem Morgen war ich ein wenig durcheinander, als ich zur Schule ging. Ich hatte merkwürdig geschlafen, und mir fehlte die Erinnerung an die letzte Nacht.

An diesem Morgen war ich aufgewacht und hatte mich gewundert wie ich in mein Bett gekommen war. Das letzte, an das ich mich erinnern konnte, war, dass ich mit Victor Blackraven auf dem Winterball in der Schule gewesen war. Was war nur geschehen?

An diesem Tag hatte Victor mich nicht abgeholt um mich zu der Schule zu bringen. Er hatte sich per SMS bei mir entschuldigt, also musste ich an diesem Tag alleine gehen. Das war aber auch nicht schlimm, so hatte ich ein paar Minuten Zeit um nachzudenken. Wieso wollte mir einfach nicht einfallen, was ich gestern Abend noch getan hatte? Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl in meinem Bauch, aber ich konnte mir nicht erklären woher das kam. Und dann diese komische Wunde an meinem Hals... Ich beschloss Victor zu fragen, was an dem Abend noch alles passiert war, sicherlich würde er mehr wissen, ich war mir dessen völlig sicher.

Aber ich bekam Victor erst in der ersten großen Pause zu sehen. Ich hätte zwischendurch auch noch sehr gerne mit Lilly gesprochen, aber sie war heute krank. Zumindest hatte sie mir das geschrieben, als ich ihr eine SMS geschickt hatte um zu fragen wo sie denn bliebe. Vermutlich hatte sie einfach nur zu viel gefeiert gestern.
 

In der Pause entdeckte ich Victor auf dem großen Gang. Wie üblich war er von seinen Bewunderern umgeben, darunter auch die zickige Crystal Summers, die immer noch nicht eingesehen hatte, dass Victor Blackraven schon längst vergeben war, und zwar an mich!

„Victor, kann ich bitte mal mit dir sprechen“, bat ich ihn laut, so dass alle es hören konnten. Ich ging geradewegs auf ihn zu und gab ihm demonstrativ einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

„Was willst du denn von ihm“, wollte die dumme Thusnelda Namens Crystal in einem ätzenden Ton wissen.

Schnippisch erwiderte ich: „Das geht dich überhaupt nichts an, also verzieh dich.“

„Pah!“

Eingeschnappt verschränkte Crystal die Arme vor ihrer Brust und verzog ihre glänzend rosa geschminkten Lippen zu einem verächtlichen Ausdruck.

Ich packte Victor an seinem Arm und zog ihn ein wenig von den anderen fort. Ich wollte ganz in Ruhe mit ihm reden können.

„Hey, Babe. Ist alles ok mit dir? Was ist denn los?“

Victor sprach ziemlich ruhig, überhaupt nicht so als würde er sich wundern, warum ich mich heute so komisch benahm. Dabei war ich doch ziemlich durcheinander, und das musste man mir doch eigentlich ansehen.

Ich zögerte nicht lange und sagte meinem Schatz, was ich auf dem Herzen hatte.

„Gestern Abend... Ich weiß nicht mehr was passiert ist. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern wie ich nach Hause gekommen bin. Als ich heute morgen aufgewacht bin hatte ich ganz dreckige Füße, als wäre ich durch Schlamm gelaufen. Und mein schönes Ballkleid war völlig zerknittert.“

Ich blickte Victor fragend an.

„Und dann hatte ich plötzlich auch diese komische Wunde am Hals. Schau her...“

Ich hatte mir einen Schal um den Hals gewickelt, denn immerhin war es ja verdammt kalt draußen, jetzt im Winter. Zum Vorschein kamen zwei Wunden, die geblutet haben mussten. Vorsichtig rieb ich mit meinen Fingern darüber. Es tat immer noch ein wenig weh.

„Was zum Teufel habe ich da gemacht?“

„Du kannst dich nicht daran erinnern?“

Victor zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Nein, sonst würde ich dich ja wohl kaum danach fragen, oder, Herr Schlaumeier?“

„Da hast du wohl recht.“

„Also, was ist mir da passiert? Weißt du das vielleicht?“

„Und ob ich das weiß.“

Er zog mich näher an sich.

„Und was, bitte? Na los, sag es mir schon!“

„Wir beide hatten letzte Nacht eine Begegnung im Wald.“

„Im Wald? Was haben wir denn da bitte gemacht“, wollte ich wissen, denn ich konnte mir nicht erklären, warum ich mitten in der Nacht in den Wald hätte laufen sollen.

„Du willst dich wirklich daran erinnern? Bist du dir da ganz sicher?“

Ich nickte. Wollte er mir etwa irgend etwas Wichtiges verheimlichen? Was zum Teufel hatten wir beide in der letzten Nacht im Wald getrieben? Ich konnte meine Neugierde kaum noch zügeln.

„Vielleicht wirst du dich ja jetzt daran erinnern...“, sagte Victor, senkte seinen Kopf und küsste mich auf die Stelle, an der ich diese merkwürdige Wunde hatte. Nein, er küsste mich nicht richtig, er tat da irgend etwas anderes. Er..... biss mich?!?

Und in diesem Augenblick kehrte die Erinnerung an die letzte Nacht zurück. Sie kam so heftig, dass es mir schien, als würde ich gegen eine harte Mauer prallen.

Ich riss mich von Victor los und taumelte ein paar Schritte zurück.

„Das ist nicht wahr“, flüsterte ich. „Das ist doch alles vollkommen verrückt.“

„Und trotzdem ist es wahr. Ich bin ein Vampir. Ich existiere wirklich, auch wenn du das im Leben nicht für möglich gehalten hättest.“

Ich hob meine Hand an meine Stirn und rieb sie, denn ich bekam plötzlich Kopfschmerzen, weil die Tatsache, dass Victor Blackraven tatsächlich ein Vampir war, und dass er mich gebissen hatte, dass ich all das, was ich soeben in meinem Kopf gesehen hatte, wirklich passiert war, mich völlig niederschmetterte.

„Du hättest mich töten können“, sagte ich leise.

Victor nickte und sah mich dabei ernst, aber auch mit einem leichten wohlmeinenden Lächeln in den Mundwinkeln, an. Seine saphirblauen Augen blitzten im Licht der Sonne.

„Das hätte ich, aber ich habe es nicht getan, wie du siehst.“

„Wieso denn nicht? Es wäre für dich doch sicherlich überhaupt kein Problem gewesen, oder?“

„Nein, das wäre es wirklich nicht gewesen. Wieso fragst du mich das, Stella? Willst du etwa sterben? Willst du, dass ich dich töte?“

Ich bekam plötzlich Angst, und in meinem Magen bildete sich ein dicker Knoten. Hektisch schüttelte ich mit dem Kopf.

„Nein, ich will nicht sterben, wirklich nicht.“

„Sehr gut, ich hatte auch nichts anderes von dir erwartet. Und ich will dich auch gar nicht töten, keine Sorge. Dafür bist du mir viel zu wichtig.“

Bei diesen Worten schloss Victor mich in seine Arme und streichelte mir liebevoll über den Rücken. Ich war dadurch sehr erleichtert und fühlte mich gleich besser. Zuerst hatte ich gedacht, dass Victor mich bedrohen wolle, aber anscheinend hatte er das doch nicht vor. Er hatte überhaupt nicht vor mir gefährlich zu werden, und das freute mich wirklich sehr.

„Du bist mir auch sehr wichtig“, sagte ich mit dem Gesicht an seiner Brust, und atmete tief seinen Duft ein. „Ich liebe dich, Victor. Ich liebe dich sehr.“

„Du darfst mich aber trotzdem nicht verraten. Versprich es mir, Stella. Versprich es!“

Bei diesen Worten wurde sein Griff fester, und ich beeilte mich ihm zu versichern, dass ich das niemals im Leben tun würde.

„Wie könnte ich dir das denn auch antun, wo ich dich doch so sehr liebe?“

„ich wollte nur ganz sicher gehen... Ich habe schon viele Dinge in meinem langen Leben erlebt. Schon genug Menschen, oder sagen wir besser Personen, die mir einmal gute Freunde gewesen waren, sind mir in den Rücken gefallen. Wenn du so lange gelebt hast wie ich, dann hast du auch schon eine ganze Menge gesehen auf der Welt, ob es dir gefällt oder nicht.“

„Wie alt bist du denn, Victor“, wollte ich von ihm wissen. Jetzt war ich ganz neugierig. Aber eine Antwort bekam ich nicht.

„Man fragt niemanden nach seinem Alter“, erwiderte er grinsend.

In diesem Moment klingelte die Schulglocke zur nächsten Unterrichtsstunde. Ich hatte jetzt eine andere Klasse als Victor, also musste ich mich vorerst von ihm verabschieden.

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, denn heute hatte ich ausnahmsweise einmal flache Schuhe an. Eigentlich war ich zu hochhackigen Pumps übergegangen, weil die einfach schöner aussahen, aber es hatte über Nacht so stark geschneit, dass ich mit meinen hohen Hacken keinen Meter weit gekommen wäre ohne mich auf den Hintern zu setzen.

„Sehe ich dich nachher noch? Ich würde sehr gerne noch ein bisschen mehr Zeit mit dir verbringen. Ach bitte, sag schon ja!“

Ich bettelte regelrecht danach noch viel mehr Zeit als sonst schon mit Victor zu verbringen.

„Wenn du willst können Jason und ich dich nach der Schule nach Hause bringen, dann musst du den Weg nicht laufen. Jetzt bei dem ganzen Schnee ist das doch blöd.“

Ich strahlte über das ganze Gesicht.

„Ja, das wäre sehr schön!“

Ich küsste meinen Freund noch einmal, dann verabschiedete ich mich vorerst von ihm.

„Viel Spaß im Unterricht“, wünschte ich ihm. „Wir sehen uns dann nachher.“
 

Als die Schule zu Ende war lief ich die Stufen vor dem Gebäude hinunter zum Parkplatz. Dort warteten bereits Victor und Jason auf mich, um mich mit Jasons schwarzen Wagen nach hause zu bringen. Victors Motorrad stand den Winter über in der Garage, bei dem ganzen Schnee war es für ihn viel zu gefährlich damit zu fahren. Also wurde er nun, solange das Wetter so schlecht war jeden Tag von seinem Bruder Jason mitgenommen.

„Da bist du ja endlich“, sagte Victor erfreut und nahm mir meine Schultasche ab. Er öffnete die hintere Wagentür und warf sie auf den Rücksitz. „Können wir dann los?“

Ich nickte.

Jason hatte wie üblich nichts anderes als „Hallo“ zu mir gesagt. Ich erinnerte mich daran, wie er am Abend zuvor gewesen war, und es schauderte mich für einen kurzen Augenblick, aber dann war wieder alles vorbei. Ich lächelte ihn stattdessen an und begrüßte ihn ebenfalls.

Wenn ich mit Victor zusammen sein wollte, dann musste ich auch ein gutes Verhältnis zu Jason haben, denn immerhin waren die beiden Brüder und bedeuteten sich einander sehr viel, wie das bei Zwillingen eben nun mal so war.

Zwillinge... Moment mal! Wenn die beiden Zwillinge waren, und wenn Victor ein Vampir war, dann bedeutete das doch... Ja, Jason musste wohl auch ein Vampir sein! Es konnte gar nicht anders sein. Der Typ wurde mir langsam immer unheimlicher. Und dabei sah er eigentlich ganz gut aus.

Aber ich sollte mich am besten nicht weiter darum kümmern.

Victor ließ mich zuerst in das Auto steigen, dann stieg er zu mir auf die Rückbank. Jason setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an. Augenblicklich ertönte aus den Boxen laute Rockmusik. Ich mochte diese Musik zwar immer noch nicht so richtig, aber ich gewöhnte mich langsam an sie. Ich wusste, dass Victor so etwas sehr gerne hörte, und ich versuchte Interesse für das zu entwickeln, was er mochte. Also fragte ich hin und wieder, wie dieses Lied hieß oder wer jenes sang, wenn ich es einigermaßen mochte.

Heute dauerte die Fahrt ein wenig länger wegen dem ganzen Schnee, der die komplette Straße in eine einzige riesige Rutschbahn verwandelt hatte. Das kam mir sogar sehr gelegen, denn ich nutzte die fahrt um hinten in dem Auto mit Victor rum zu knutschen. Ich liebte es einfach ihn zu küssen, und er machte das auch mehr als gut, wie ich fand. Nur Jason schien davon nicht sehr begeistert zu sein.

„Muss das wirklich sein“, rief er genervt nach hinten und funkelte uns durch den Rückspiegel mit seinen blaugen Augen, die genau so wie die von Victors aussahen, als wären sie strahlende Saphire, wütend an.

„Ich kann doch nichts dafür, dass du dir bisher keine Freundin gesucht hast. Dann lass mir doch wenigstens meinen Spaß.“

Das, was Victor zu seinem Bruder sagte, klang zwar irgendwie ziemlich gemein, aber ich wusste, dass er es nicht ganz ernst meinte und Jason nur ärgern und nicht mit seinen Worten verletzen wollte. Der schwarzhaarige Junge aber schien das nicht so aufzufassen, sagte aber trotzdem nichts mehr.

„Mag er mich nicht“, fragte ich Victor so leise, dass Jason mich hoffentlich nicht hören konnte, aber immerhin noch laut genug, so dass mein Schatz mich über die laute Musik hinweg noch verstehen konnte.

Victor lachte und drückte mich fest, bevor er mir einen weiteren Kuss mit seinen wundervollen weichen Lippen auf die meinen gab. Ich hatte mich mittlerweile schon längst daran gewöhnt, dass Victor so eine niedrige Körpertemperatur hatte, und nun wusste ich ja auch wieso das so war, und es störte mich nicht sehr. Ich dachte mir scherzhaft, dass das im Sommer ganz angenehm sein müsse. War mir einmal viel zu warm, so dass ich schwitzte, brauchte ich mich nur für eine Weile in seine Arme zu kuscheln und mich so abkühlen zu lassen.

„Nein, nein, keine Angst. Er mag dich schon, so ist es ja nicht. Er kann es nur nicht wirklich gut zeigen. So ist er halt, er ist immer ein bisschen schroff und harsch. Zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen darüber, es ist alles gut.“

Und ich glaubte ihm das.
 

Als die beiden mich bei mir zuhause vor der Tür absetzten blieben wir noch für eine Weile in dem Auto sitzen. Ich wollte noch nicht aussteigen und hinaus in die Kälte gehen, auch wenn es bis zu meinem Haus nun wirklich nicht weit war. Es waren nicht einmal 100 Meter. Aber ich genoss es bei Victor zu sein. Und irgendwie mochte ich es auch, wenn sein Bruder Jason bei uns war. Es war schon irgendwie komisch, wo der schweigsamere der beiden Brüder ziemlich unheimlich auf mich wirkte. Aber die beiden gehörten halt untrennbar zusammen, und ich war schon längst daran gewöhnt, dass Jason so gut wie immer bei uns war. Es war schon beinahe so, als würden wir eine Beziehung zu dritt führen. Es klang wirklich komisch, aber das traf es wohl noch am besten.

Victor und ich küssten uns noch eine Weile, und zwischendurch unterhielten wir uns ein wenig. Meistens redeten wir über die schule, und hin und wieder trug sogar Jason etwas zu unserer Unterhaltung bei.

Es war wirklich sehr schön und gemütlich. Es war eigentlich so kalt, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn mein Atem kleine dampfende Wölkchen in dem Auto gebildet hätte, aber das tat er nicht. Draußen auf der Straße war alles weiß von Schnee.

„Erstaunlich, dass das alles heute Nacht gefallen ist. Das muss ja furchtbar geschneit haben. Schade, dass ich es nicht mitbekommen habe.“

„Ja, das ist wirklich sehr schade“, pflichtete Victor mir bei. „Aber du hast stattdessen tief und fest geschlafen.“

„Und ich habe etwas sehr merkwürdiges geträumt.“

Ja, stimmte, da war doch etwas gewesen... erst jetzt erinnerte ich mich an den Traum, den ich gehabt hatte, und erzählte meinen beiden Jungs davon.

Jason, der auf dem Fahrersitz saß, wirkte immer verbissener und biss sich zwischendurch auf die Unterlippe. Er sagte kein einziges Wort, aber sein Blick wurde zunehmend immer finsterer. Vitor hingegen schien recht zufrieden mit meiner Schilderung meines Traumes zu sein.

„Hat das etwa etwas zu bedeuten“, wollte ich von ihm wissen.

Seine Antwort war nicht ganz eindeutig und ließ mich immer noch im Unklaren.

„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Wenn du Glück hast wird es sich vielleicht noch herausstellen. Aber vielleicht war es auch einfach nur ein ganz normaler Traum.“

„Aber er hat sich so echt angefühlt...“

Ich konnte immer noch fühlen, wie sich Nayte und Sapphyre Rainbow gefühlt hatten, als wäre ich selbst dort gewesen und hätte das alles selber erlebt.

„Aber es war nur ein Traum, nichts worüber du dir jetzt groß Gedanken machen müsstest“, wiegelte Victor ab. „Vielleicht solltest du auch langsam mal nach Hause gehen, bevor dein Dad aus der Werkstatt kommt und sieht, dass du ganz alleine bei zwei jungen und verdammt gutaussehenden Kerlen in einem Auto sitzt. Und mit einem von ihnen sogar noch rum knutscht. Nicht, dass dein Vater einen Herzinfarkt bekommst oder du Hausarrest. Das wäre wirklich schade.“

Ich kicherte belustigt und versuchte mir das bildlich vorzustellen, was Victor da gerade erzählte, aber in der Wirklichkeit musste ich dann da nicht haben, wirklich nicht. Also griff ich schweren Herzens nach meiner Schultasche und machte mich daran auszusteigen. Aber ich musste Victor doch noch einen Kuss geben. Oder vielleicht auch zwei. Hach, ich konnte mich immer nur so schwer von ihm losreißen. Aber irgendwann schaffte ich es doch.

Als ich schon auf dem halben Weg zu meinem Haus war rief Victor mir durch das geöffnete Autofenster noch etwas zu.

„Jason und ich und noch ein paar andere Leute wollen heute Abend feiern gehen. Hast du Lust mitzukommen? Ich würde mich sehr freuen.“

Natürlich musste ich bei dem Angebot gar nicht erst lange überlegen. Sofort sagte ich zu!

„Aber natürlich! Wann treffen wir uns denn? Und wo?“

„Wir holen dich heute Abend um 10 ab, geht das in Ordnung.“

Das war ganz schön spät, so spät war ich normalerweise gar nicht mehr unterwegs, weil mein Dad ja immer wollte, dass ich um diese Uhrzeit immer zuhause war und am besten schon in meinem Bett lag. Dabei fühlte ich mich immer wie ein kleines Kind, dabei war ich doch schließlich schon 16 Jahre alt!

„Und was soll ich anziehen? Wo gehen wir denn hin?“

„In Cedar Creek gibt es eine gemütliche Kneipe, in die wir wollten. Du musst dich also nicht besonders schick machen. Zieh dir an was du magst.“

Ich nickte.

„Ist gut. Dann bis heute Abend also.“

„Bis heute Abend, Stella.“

Wir winkten uns beide zu, als Jason seinen Wagen die Straße hinunter manövrierte.
 

Das würde bestimmt furchtbar spannend werden heute Abend, dachte ich mir. Ich hatte meinem Dad erzählt, dass ich abends noch zu meiner Freundin Lilly gehen würde um bei ihr zu übernachten. Er blickte mich zwar komisch an, weil das ja eine ungewöhnliche Uhrzeit war um noch wegzugehen, aber ich behauptete einfach, dass Lilly vorher noch bei Verwandten war und erst spät heim komme. Damit gab mein Dad sich erst einmal zufrieden.

In meinem Zimmer hatte ich unzählige Stunden damit zugebracht mir genau zu überlegen was ich denn an diesem Abend anziehen sollte. Meine Sammlung an Klamotten war in den letzten Wochen beträchtlich gewachsen, und so hatte ich viel mehr Auswahl als früher. Dabei trug ich die Sachen, die ich früher immer angezogen hatte, eigentlich gar nicht mehr. Sie entsprachen nicht mehr meinem Typ, ich hatte mich ja durch Victor Blackraven sehr stark in meiner Persönlichkeit verändert. Ich fand das auch absolut in Ordnung, ich fühlte mich mehr als wohl damit. Ich war endlich anerkannt, ich war nicht mehr das dumme und hässliche Mauerblümchen von früher. Lilly behauptete zwar hin und wieder, dass sie mich manchmal gar nicht wiedererkennen würde, aber ich fasste das einfach mal als Kompliment auf. Ich war dem tristen und grauen Alltag meiner Vergangenheit endlich entronnen und wollte niemals wieder dorthin zurück.

Ich hatte wirklich sehr lange überlegt was ich mir anziehen wolle. Nachdem ich hunderte von verschiedenen Outfits anprobiert und dann wieder verworfen hatte, lag nun endlich das auf meinem Bett ausgebreitet, das ich nun endgültig anziehen würde. Ein schwarzes Tank Top mit dem Aufdruck einer der Bands, die Victor so gerne hörte, aber mit der ich selber überhaupt nichts anfange konnte leider. Das machte aber nichts, das Shirt sah trotzdem verdammt cool aus. Darunter trug ich einen dunklen Rock aus Jeansstoff, und damit ich mir die frisch rasierten Beine nicht ganz blau fror hatte ich für darunter noch eine dicke Strumpfhose mit einem lila farbenen Leomuster drauf. Die Farbe passte sehr gut zu meinen lila farbenen Strähnen, die ich ja schon seit einer ganzen Weile hatte. Und weil nur das Tank Top viel zu kalt wäre, denn immerhin hatten wir ja Dezember, trug ich darüber noch einen schwarzen Shrug mit einem Lochmuster. Zum Abschluss würde ich noch meine kurze Lederjacke anziehen. Um meine Füße zu bedecken entschied ich mich für kniehohe schwarze Lederstiefel mit einem hohen Absatz. Nun würde ich mich nicht mehr ständig auf die Zehenspitzen stellen und mich strecken müssen, wenn ich Victor küssen wollte.

Ich trug vorsichtig lila farbenen Lidschatten auf und dann natürlich noch Kajal und Wimperntusche. Bei dem Lipgloss hielt ich es heute ein wenig dezenter, er war einfach leicht rosa gefärbt, so dass meine Lippen, abgesehen von dem starken Glanz, alles in allem noch ziemlich natürlich aussahen. Meine Haare hatte ich einfach zu einem gewollt unordentlichen Pferdeschwanz gebunden.

Nachdem ich fertig geschminkt und angezogen war betrachtete ich mich selbst wohlwollend in meinem großen Spiegel, der an der einen Tür meines Kleiderschranks angebracht war, und in dem ich mich komplett sehen konnte. Ich war wirklich mehr als zufrieden mit mir selbst. Manchmal konnte ich selbst kaum fassen was für eine weitreichende Wandlung ich eigentlich durchgemacht hatte, und wie ich in der Schulhierarchie rasend schnell aufgestiegen war. Ich hoffte und betete, dass dieser Traum, den ich momentan lebte, niemals enden würde.

Und dann blieb mir vorerst nichts anderes übrig als mich auf mein Bett zu setzen und zu warten, dass ich von Victor und Jason abgeholt wurde. Und ich wartete. Und wartete. Und wartete. Jede Minute warf ich einen unruhigen Blick auf meinen kleinen Wecker, der rechts von mir auf meinem Nachttischchen stand, gleich neben einem Foto von mir und Victor, das vor ein paar Wochen gemacht worden war. Wir hielten uns beide in den Armen und ich lachte glücklich in die Kamera, während Victor mal wieder den Coolen vom Dienst gab und lässig lächelte. Victor Blackraven war einfach ein absoluter Traumtyp und ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, dass ich seine feste Freundin sein durfte. Ich hoffte, dass das mit uns für immer halten würde. Vielleicht würden wir auch eines Tages heiraten, Kinder kriegen und bis an unser Lebensende miteinander glücklich sein. Aber Moment mal, stimmt, da war doch etwas. Ich lachte und schüttelte meiner eigenen Dummheit wegen den Kopf. Victor würde niemals sterben, schließlich war er ein Vampir. Na gut, dachte ich. Dann würde ich eben ganz besonders großzügig sein und ihm erlauben sich ein anderes Mädchen suchen zu dürfen, wenn ich dann irgendwann einmal im hohen Alter verstorben sein würde.

Ich malte mir allerlei Dinge aus, wie meine Zukunft zusammen mit Victor wohl aussehen könne, und achtete darüber dann gar nicht mehr auf die Uhr, bis ich vor meinem Fenster, das ich geöffnet gelassen hatte, ein Auto hupen hörte. Da waren sie ja endlich! Eine halbe Stunde zu spät, wie ich feststellte, als ich noch einen schnellen Blick auf meinen Wecker warf, mir hastig meine Lederjacke überzog und schnell wie der Wind die Treppe hinunter raste, um ja keine unnötige Zeit zu verlieren.

„Ich wünsche dir viel Spaß bei Lilly, Stella“, rief mein Dad mit aus dem Wohnzimmer nach. Er saß dort in seinem Sessel, den er sich zurück geklappt hatte, und schaute sich irgendein Football-Spiel auf einem der vielen Sportsender an.

„Danke“, rief ich noch. „Bis morgen!“

„Bios morgen, und mach keinen Blödsinn!“

Doch seine letzte Bemerkung hörte ich schon gar nicht mehr, weil ich bereits die Tür hinter mir in das Schloss geworfen hatte und mit schnellen Schritten auf das schwarze Auto, das für mich immer noch wie ein deprimierender Bestattungswagen aussah, zuging. Ich konnte schon von weitem das Wummern der Musik aus den Boxen hören. Das gehörte einfach zu Fahrten in diesem Auto dazu, Rockmusik, die für meinen Geschmack immer ein wenig zu laut war. Aber ich dachte, dass ich irgendwann einmal in vielen vielen Jahren sicherlich wehmütig an diese Zeit jetzt zurückdenken würde und mir denken würde, wie schön diese Wochen und Monate damals doch waren.

Das Auto war bereits voll besetzt. Vorne auf dem Fahrersitz saß, es war nicht anders zu vermuten, Jason Blackraven. Ich war mir ziemlich sicher, dass er sich hundert mal lieber einen Pflock durch sein Herz gejagt hätte als jemanden hinter das Steuer seines heißgeliebten Autos zu lassen. Und Victor hielt es mit seinem Motorrad ja ganz genau so.

Victor saß also vorne neben seinem Bruder auf dem Beifahrersitz. Hinten saßen dicht gedrängt zwei von Victors und Jasons besten Freunden, Freddy und Dan. Beide hatten jeweils ein Mädchen dabei. Das eine Mädchen kannte ich überhaupt nicht, was mir komisch vorkam. Sie hatte lange dunkle glatte Haare, war schick angezogen und machte eigentlich so erst einmal einen ganz netten Eindruck. Auf der anderen Seite, ganz am Fenster hinter dem Fahrersitz saß.... Oh mein Gott, es war Crystal Summers! Was machte DIE denn bitte her? Wer hatte sie denn eingeladen? Crystal funkelte mich böse an und flüsterte Dan, dessen Begleitung sie heute offensichtlich war, irgend etwas in sein Ohr, worauf er ein wenig verstimmt etwas zu ihr sagte, aber ich konnte von beiden kein einziges Wort verstehen.

Victor öffnete die Fahrertür auf seiner Seite und rief mir zu: „Hey, Baby. Du siehst toll aus heute!“

Ich fühlte mich geschmeichelt und eine leichte Röte überzog meine Wangen.

„Danke“, hauchte ich. „Das Auto ist aber ganz schön voll. Wo soll ich denn sitzen?“

„Ja, das tut mir furchtbar leid. Aber du kannst froh sein, dass Jason hier nicht auch noch ein Date hat, sonst würde es ja noch viel schlimmer sein.“

„Ja, das stimmt“, lachte ich. „Aber wie machen wir das denn jetzt?“

Victor klopfte sich auf sein Bein, grinste mich an und sagte: „Ich befürchte die Dame muss wohl leider leider auf meinem Schoß Platz nehmen. Ich hoffe das stört dich nicht.“

„Aber ist das nicht gefährlich“, antwortete ich zögernd. Ich erinnerte mich an die schrecklichen Autounfälle, die es manchmal bis in die Abendnachrichten schafften. „Das kann ich nicht machen, das geht doch nicht.“

„Nur keine Angst, Jason ist ein sehr guter Fahrer.“

Und ein zügiger noch dazu, dachte ich bei mir. Jason hatte normalerweise immer ein irrwitziges Tempo drauf. Na ja, ihm konnte es ja eigentlich auch egal sein, schließlich würde er wohl kaum bei einem schlimmen Autounfall sein Leben verlieren können, wenn sich ihm nicht gerade irgendetwas in die Brust bohrte, und das war ja nun ziemlich unwahrscheinlich.

„Jetzt steig schon ein, ich fahre auch vorsichtig“, warf Jason dann selbst in die Unterhaltung ein.

Hinten auf den Rücksitzen machte Crystal schon wieder eine bissige Bemerkung und lachte mich aus, weil ich so ein feiges Hühnchen war. Pah, diese blöde Kuh! Der würde ich es schon noch zeigen!

Zu allem entschlossen stieg ich dann schließlich doch zu Victor und Jason nach vorne. Ich brauchte eine kleine Weile, bis ich endlich so saß, dass es für uns beide, für Victor und mich, zumindest so halbwegs bequem war. Aber toll war es definitiv nicht, wenn man einmal davon absah, dass ich ihm so dann doch sehr nahe sein konnte. Victor hatte seine Arme um meinen Körper geschlungen und hielt mich gut fest.

„Du kannst wahrscheinlich jetzt gar nicht aus dem Fenster sehen, oder?“

„Nein“, gab er zu. „Aber das macht nichts. Ich habe auch so eine ziemlich gute Aussicht.“

„Ach, du“, kicherte ich.
 

Die Fahrt dauerte ein wenig länger, denn Cedar Creek lag etwas weit entfernt. Wir waren eine gute halbe Stunde unterwegs, und ich hoffte voller Inbrunst, dass wir unterwegs keinem Polizisten begegneten, der uns an der Weiterfahrt mit so vielen Leuten im Auto hindern würde.

Wir hatten Glück und kamen schließlich ganz unbehelligt in Cedar Creek an. Jason suchte in einer Straße einen Parkplatz, und dann mussten wir noch gute 5 Minuten laufen.

„Wo genau gehen wir denn hin“, fragte ich meinen Schatz.

„In unsere Lieblingskneipe, The Smith's. Da gehen Jason und ich sehr gerne hin um einen zu trinken oder einfach nur einen netten Abend zu verbringen. Das kann man dort nämlich sehr gut.“

Ich war ganz aufgeregt, ich hatte noch nie eine Kneipe von innen gesehen. Aber dann fiel mir etwas ein.

„Aber wir können doch noch gar keinen Alkohol trinken, wir sind alle noch nicht volljährig.“

„Das stimmt schon“, sagte Victor. „Aber wir kennen den Besitzer sehr gut, und er lässt uns und unsere Freunde immer was trinken, egal wie alt wir sind.“

Und etwas leiser, so dass nur ich ihn hören konnte, fügte er noch hinzu: „Jason und ich sind ja eigentlich schon alt genug, und das weiß unser Freund auch.“

Ich war erstaunt. Ich hielt meine Stimme eben so gesenkt, so dass niemand verstehen konnte, was ich sagte, der es nicht hören sollte.

„Er gehört also auch... zu euch?“

Victor nickte.

„So ist es.“

„Na dann...“

Nun war ich aber gespannt auf diesen anderen Vampir, den ich hoffentlich bald kennenlernen würde.
 

Die Kneipe The Smith's war wirklich sehr gemütlich. Wir kamen durch die Eingangstür, die aus schwerem Holz und leuchtend rot bemalt war. Innen schlug uns sofort stickig warme Luft entgegen, die stark nach Alkohol roch, hauptsächlich Bier. Es wurde Musik gespielt, aber in einer so angenehmen Lautstärke, dass man sich noch ohne jegliche Probleme miteinander unterhalten konnte. Die ganze Einrichtung bestand aus dunklen Möbeln aus Holz, die alle klar lackiert und völlig blank gescheuert waren. Selbst der Fußboden war aus Holz. An den Wänden hingen überall so altmodische Werbeschilder aus Metall, wie man sie heute eigentlich nur noch zu Sammlerzwecken kaufen konnte.

Ich fühlte mich sofort sehr wohl hier, es war alles irgendwie sehr gemütlich auf seine eigene Art und Weise.

Victor führte unsere kleine Gruppe zu einem großen Holztisch, der ganz hinten in einer Ecke stand. Ich setzte mich mit dem anderen Mädchen, von dem ich mittlerweile herausgefunden hatte, dass es Melissa Huntington hieß, auf die schwere Bank, die in der Ecke stand. Neben Melissa setzte sich Freddy hin. Die beiden hatten sich bei irgendeinem Sportverein, dem sie beide angehörten, kennengelernt und waren erst seit ein paar Tagen ein festes Paar. Dementsprechend verliebt turtelten die beiden auch rum, fast genau so wie ich es noch mit Victor zu tun pflegte. Meine erste Verliebtheit für ihn hatte sich immer noch nicht gelegt, ich war so sehr in ihn verliebt wie am allerersten Tag. Neben Freddy wollte Dan sitzen, aber dieser machte sich mit Victor und Jason auf den Weg zu der Bar, wo sie alle erst einmal den Mann hinter der Theke herzlich begrüßten und sich ein wenig unterhielten.

Crystal hatte sich mit ein wenig Abstand neben Freddy gesetzt und versuchte Melissa in ein Gespräch zu verwickeln, was sie denn so in ihrer Freizeit mache und wie es an ihrer Schule sei. Denn Melissa lebte nicht, wir wie alle anderen, in Moores Mill, sondern in Franklyn, was aber ziemlich nahe an Moores Mill lag.

Ich versuchte der Unterhaltung zu folgen um mehr über Melissa herauszufinden. Vielleicht würde sie nun etwas öfter mit uns herumhängen, denn schließlich war Freddy ein fester Bestandteil unserer kleinen Gruppe. Nur das mit Crystal, ich hoffte wirklich, dass es mit ihr und Dan nichts ernsthaftes war, und ich sie bald wieder los wäre. Mit mir unterhielt sich Crystal im Übrigen überhaupt nicht, ich wurde von ihr komplett ignoriert.

Victor, Jason und Dan kamen nach 10 Minuten endlich zu uns zurück, jeder hielt zwei Gläser in seinen Händen. Dan musste noch einmal laufen, um das letzte Getränk noch zu holen, denn drei Gläser hätte niemand von ihnen auf einmal tragen können. Die Jungs hatten sich und Freddy alle je ein Bier geholt, und uns Mädchen hatten sie Bier mit Cola besorgt. Mädchen hatten es ja nicht unbedingt so sehr mit purem Bier, und auch ich mochte dieses Mischgetränk sehr viel lieber, weil es so süß schmeckte und überhaupt nicht bitter war, so wie es die Eigenschaft von Bier war.

Ich bedankte mich brav bei meinem Freund und gab ihm einen Kuss auf die Wange, nachdem er sich neben mich gesetzt hatte.

„Auf einen tollen Abend“, rief Freddy und hielt sein Glas Bier in die Höhe. Nacheinander stießen wir alle an und tranken jeder einen Schluck. Ich fühlte mich wirklich gut. Ich hatte meinen liebsten bei mir, ich war unter sehr guten Freunden, wenn man einmal von Crystal Summers absah, der ich am liebsten mein Bier in ihr dämlich selbstgefällig grinsendes Gesicht gekippt hätte. Aber ich beschloss einen wirklich schönen Abend zu verbringen, er konnte ja eigentlich kaum nicht schön werden, da war ich mir ganz sicher.
 

Wir unterhielten uns sehr viel, und die Jungs sorgten nacheinander immer wieder dafür, dass nie ein leeres Glas auf unserem Tisch stand und wir alle ausreichend zu trinken hatten.

Irgendwann stellte ich plötzlich fest, dass sich alles um mich herum drehte. Herrjeh, da hatte ich wohl ein wenig zu tief in mein Glas geschaut. Aber das machte absolut nichts, mir ging es gut, und ich hatte wirklich die allerbeste Laune. Allen anderen ging es ganz genau so. Nur bei Victor stellte ich einmal mehr fest, dass ihm der Alkohol absolut nichts anzuhaben schien.

„Wie kommt das“, fragte ich ihn. Meine Zunge war ganz schwer, und ich merkte wie schwer es mir fiel noch klar und deutlich zu sprechen.

„Meine kleine Schnapsdrossel“, neckte Victor mich. „Du bist echt süß, wenn du betrunken bist.“

„Ich bin nicht betrunken“, versuchte ich mich zu wehren, aber ich musste einsehen, dass Victor recht hatte. „Aber wieso bist du es nicht?“ Ich wollte nicht so schnell aufgeben.

„Das liegt daran, dass ich einfach eine ganze Menge vertrage. Wer weiß, vielleicht habe ich ja irisches Blut in mir.“

Ich lachte.

„Erzähl mir doch nicht so einen Blödsinn, Victor Blackraven!“

Victor lachte ebenfalls.

„Nun ja, manche Leute können Alkohol eben sehr viel besser vertragen als andere Menschen. Ich schätze, dass ich einfach eine natürliche Resistenz gegen die Wirkung von Alkohol habe. Ich habe den großen Vorteil, dass ich am nächsten Morgen niemals einen Kater haben werde.“

„Da hast du aber Glück.“

Endlich verstand ich das, was Victor mir hatte sagen wollen. Anscheinend hatte absolut absolut überhaupt keine Wirkung auf Vampire. Und dass er niemals einen Kater haben würde, das hörte sich einfach toll an. Ich selber hatte zwar auch noch nie einen gehabt. Wie denn auch, wenn ich nie sehr viel trank, und überhaupt nur sehr wenig Gelegenheit dazu bekommen hatte bisher etwas zu trinken. Aber das, was einem das Fernsehen in Filmen und so immer suggerierte, demzufolge musste ein Kater wirklich etwas furchtbar Schlimmes sein, und ich wollte niemals einen bekommen. Allerdings war ich gerade auf dem besten Wege alles dafür zu tun, dass morgen früh das Gegenteil eintreffen könnte.
 

Wenn ein besonders gutes Lied aus den Boxen, die überall an der Decke in den Ecken angebracht waren, kam, dann sangen wir alle mit. Na ja, fast alle. Jason schunkelte zwar gemeinsam mit uns im Takt dazu, aber ansonsten hielt er sich ziemlich zurück. Und trotzdem trank er ein Bier nach dem anderen, und zu fortgeschrittener Stunde gingen Victor, Jason, Dan und Freddy dazu über sich an die härteren Getränke wie Vodka und Whiskey zu halten. Ich hätte eigentlich bei meinem Bier-Cola-Mix bleiben sollen, aber ich war furchtbar neugierig auf all die anderen Getränke, die ich bisher ja nur vom Hörensagen her kannte. Und so probierte ich den ein oder anderen Kurzen und nippte stets bei Victor an seinem Getränk, wenn er sich etwas neues geholt hatte. So war es wohl überhaupt kein Wunder, dass ich bereits um Mitternacht mehr als betrunken war, aber da war ich Gott sei dank nicht die einzige. Freddy, Dan, Melissa und Crystal ging es auch nicht sehr viel besser als mir selbst. Der Höhepunkt an diesem Abend, auf den ich eigentlich mehr als gut hätte verzichten können (und ich vermute mal stark, dass viele andere der Gäste des Smith's genau so dachten wie ich), als Crystal zu einem Lied, das ihr besonders gefiel, auf unseren Tisch kletterte, was an sich schon sehr komisch aussah, weil sie schon so stark schwankte, und dann schaffte sie es doch mit Hilfe von Dan nach oben und begann zu tanzen. Zuerst feuerten wir sie alle auch noch an, sogar ich, denn ich war mittlerweile so betrunken, dass mir die Feindschaft mit ihr relativ egal war, ich hatte es bis in mein Unterbewusstsein geschoben und für den Moment völlig vergessen. Aber dann machte Crystal Anstalten sich ihr Top über den Kopf zu ziehen, und Jason besaß genügend Geistesgegenwart sie sofort von dem Tisch herunter zu holen, bevor wir alle noch etwas zu sehen bekamen, das uns für den Rest unseres Lebens traumatisiert hätte. Dass er Crystal damit vor ziemlich bösem Geläster in der Schule bewahrt hatte, war mir eigentlich so etwas von egal wie ein Sack Reis, der in China umfiel. Oder es auch nicht tat. Wie auch immer. Wie ich schon sagte, es war mir völlig egal.

Wir lachten sehr viel, weil wir uns viele spaßige Dinge erzählten. Freddy hatte eine ganze Menge wirklich schlechter Witze auf Lager.

„Ich hab gestern den DJ angerufen“, begann er.

„Und? Was hat er gesagt?“

„Er hat aufgelegt.“

Wir lachten alle herzlichst, obwohl der Witz wirklich unterirdisch schlecht war. Aber wenn man betrunken war, dann fand man eben alles irgendwie komisch.
 

Irgendwann musste ich dann mal auf das Klo, denn das Bier trieb unheimlich. Die Ruhe, die dieser Raum ausstrahlte, war absolut himmlisch.

Ich stand gerade am Waschbecken und wusch mir schön brav die Hände, als sich hinter mir die Tür öffnete und Crystal zu mir hinein trat. Lässig lehnte sie sich neben mir an die Wand, verschränkte ihre Arme vor der Brust und betrachte mich abschätzig von oben bis unten.

„Was ist“, wollte ich von dir wissen. „Hab ich etwa ein Kotelette im Gesicht?“

„Ach, halt doch die Klappe“, wies mich Crystal schroff zurecht. „Mal ganz ehrlich, unter uns Mädchen gesprochen. Das mit dir und Victor Blackraven ist doch nichts weiter als ein absoluter Witz. Was bildest du dir eigentlich ein? Du bist ein Nichts, ein absoluter Niemand. Und du hast es gewagt ihn mir wegzunehmen!“

„Wenn er dich total scheiße findet und mich dir vorzieht kann ich da doch auch nichts für. Mir an deiner Stelle würde das ja ordentlich zu denken geben, Crystal.“

„Ach, halt doch die Klappe, Stella Deer.“

Sie sprach meinen Namen aus, als wäre es ein besonders ekelhaftes Wort.

„Du hast doch einfach keine Ahnung. Du bist immer noch nichts weiter als eine kleine graue Maus, die nur Freunde hat, weil sie plötzlich die Freundin von einem beliebten und gutaussehenden Typen ist. Ich weiß zwar nicht wie du das angestellt hast, aber so mit ganz rechten Dingen kann das ja nicht zugegangen sein, davon ich ich ganz fest überzeugt.“

„Das stimmt doch alles überhaupt gar nicht!“

Ich wurde langsam wirklich wütend.

Crystal beugte sich zu mir hinüber und sagte mit drohender Stimme zu mir: „Ich rate dir, lass deine verdammten Finger von meinem Victor. Er gehört zu mir, er gehört mir ganz allein, hast du das endlich kapiert?“

„Aber er ist immer noch mein Freund, Crystal, sieh das doch endlich ein. Und glaube nicht, dass ich ihn so leicht aufgeben werde!“

Crystal stampfte wütend mit ihrem Fuß auf den Boden. Sie drehte den Wasserhahn auf und spritzte mich ordentlich nass.

„Hey, was soll das“, schrie ich. „Hast du sie noch alle?!?“

Crystal war kurz davor nun endgültig auf mich loszugehen. Ich meiner Not wusste ich mir nicht anders zu helfen als den kleinen Seifenspender zu nehmen, der auf dem Waschbecken stand. Es war einer von denen, die man überall für den normalen Haushalt kaufen konnte. Ich richtete die Flasche auf Crystal und drückte ab, so dass sie eine ordentliche Portion Seife in ihr Gesicht bekam.

„Was zum.... Verdammt nochmal! Stella, du verdammtes Miststück“, schrie sie mich wütend an, aber noch bevor sie irgendwie anders reagieren konnte war ich schon aus der Toilette geflüchtet und sah zu, dass ich eilig wieder zu Victor kam.

Crystal kam mir Gott sei Dank nicht nachgelaufen, ich vermutete, dass sie nun erst einmal damit beschäftigt war ihr ach so tolles Make-up zu retten und sich die ganze Seife aus dem Gesicht und den Haaren zu waschen. Bei dem Gedanken daran, wie sie jetzt vermutlich schimpfend über dem Waschbecken hing, konnte ich nicht anders als zu kichern.

Crystal tauchte erst nach vielen Minuten wieder auf.

„Das kriegst du wieder“, zischte sie mir zu, verhielt sich ansonsten aber für den Rest des Abends ruhig mir gegenüber. Nur ihre gute Laune war an diesem Abend endgültig dahin. Mir hingegen ging es jedoch sehr viel besser, denn ich hatte endlich einmal einen Sieg gegen diese dumme Pute gelandet.



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