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Geister der Nacht

Versuchungen kommen meist durch absichtlich offen gelassene Türen
von

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Drittens, der Alkohol der dich zerstört

Die Nacht hatte bereits dunkle Schatten über die Stadt geworfen. Die Dunkelheit des Apartments wurde nur vom fahlen Licht des Mondes durch die Vorhänge durchbrochen. Der Raum schien trostlos und das Gewicht der Vergangenheit belastete wie jeden Tag seine Gedanken. Fest entschlossen, diese aufkommenden Gedanken zu betäuben, griff er erneut nach der Flasche Schnaps. Die Flüssigkeit brannte auf ihrem Weg seine Kehle hinunter, doch anstatt ihm Erleichterung zu verschaffen, fühlte sich lediglich sein Körper taub an und seine Gedanken rasten. Er Schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie voller Wut.
 

Dann hörte er ein Klopfen an seiner Tür. Seine baufällige Türe öffnete sich und seine schwarzen Augen fanden intensiv Grüne. Das starke Gefühl von Sehnsucht überrannte Sakura unerwartet und heftig. Sie hatte seine neue Adresse erfahren und wusste selbst nicht so recht, was sie sagen sollte. Vielleicht, dass sie pausenlos an ihn dachte? Dass es immer noch weh tat wie am ersten Tag? Das sie sich nicht von ihm erholen konnte? Oder ob er sie nach allem, was sie angerichtet hatte, hineinbitten würde?
 

„Woher?“, brummte er.
 

„Ich bin Schreibkraft, schon vergessen? Deine neue Adresse steht in deiner Akte.“
 

Sasuke blickte sie eisern an, seine Augen schienen leer und ausdruckslos.
 

„Was willst du?“, knurrte Sasuke. Sie hatte ihre Rache doch bekommen.
 

„Ich habe Essen mitgebracht, weil ich gehört habe du baust um.“ Sie hätte schwören können, dass sie Alkohol an ihm roch. Die Sorge um ihn und um seine Einsamkeit ließ sie nie los. Egal wie viel Tage vergingen. Irgendetwas von ihm hatte sich eingebrannt. Seine Berührungen, seine Stimme, die Momente, wenn er sanft zu ihr gewesen war und sie am Kopf streichelte.
 

„Du hast in einem öffentlichen Brief meinen Alkoholkonsum publik gemacht, und dass ich während der Arbeit trinke. Das is nur einmal vorgekommen!“ Am Todestags seines Bruders, den hatte er nicht ertragen können. Aufgrund der Betonung seiner Worte war sie nun sicher, dass er stark betrunken war.
 

„So war es nicht! Ich habe meiner Kollegin erzählt was zwischen uns war. Ich war verletzt und sie hat einfach ...“, rechtfertigte Sakura sich und eine Träne erschien in ihrem Augenwinkel. Er hatte sie doch auch verletzt und sie bloßgestellt! Und trotzdem stand sie nun hier und sein Verrat tat immer noch in ihrem ganzen Körper weh, so sehr dass sie nicht wusste wie das Atmen funktionierte. Sie wusste nicht, wie sie es überhaupt schaffte aufrecht vor ihm zu stehen, und in seine schwarzen Augen zu blicken, weil sie sich noch immer für ihre einstige Schwäche schämte. Doch sie fand in ihrem Herzen darauf nur eine Antwort: Sehnsucht. Sie sehnte sich so sehr nach ihm, dass ihr ihre eigene Ehre und Selbstachtung mittlerweile so scheiß egal waren!
 

„Spar dir das. Ich bin fertig mit dir.“, erwiderte Sasuke mit hinuntergezogenen Mundwinkeln. Bei seinen Worten zog sich ihr Brustkorb zusammen. Sie wollte ihm ins Gesicht schreien, dass sie einen verdammten Fehler gemacht hatte. Dass er sie anschreien sollte oder auf andere Art und Weise bestrafen. Wut war gut, denn im Anschluss konnte er es vielleicht schaffen ihr zu vergeben.
 

„Ich war verletzt. Ich war rücksichtlos. Ich hätte dir das nie antun dürfen.“, sagte sie beschämt. „Doch du hast dich nie bei mir entschuldigt für das, was du…“ Hatte sie ihm nicht mehr entgegenzusetzen? Das war lächerlich.
 

„Ich habe deinetwegen alles verloren.“, spie er und sein Magen drehte ich um. „Meine Stellung. Meine Familie. Sogar meine Wohnung!“ Sie hätte wissen sollen, dass der Schaden zu groß war. Egal wie sehr sie ihn liebte, und das tat sie von ganzem Herzen, über gewisse Taten ließ sich nicht hinwegsehen. Ihre Beziehung war dauerhaft vergiftet.
 

Ein Moment der Unsicherheit ergriff ihn, und bevor er mehr sagen konnte, brach der Druck in seinem Magen durch. Ein Schwall Erbrochenes fand seinen Weg auf den Boden vor der Tür.
 

Ihre starre Körperhaltung und ihr Blick, der sich zu Boden richtete, verrieten ihre Entrüstung. Sakura zuckte zusammen, doch ihre Besorgnis überdeckte jeglichen Ekel. "Oh Gott, Sasuke. Bist du in Ordnung?"
 

Der ehemalige Leutnant lehnte schwer gegen den Türrahmen, sein Gesicht von Scham und der Wirkung des Alkohols gezeichnet. "Verpiss dich endlich", murmelte er, während seine Versuche, die Kontrolle zu behalten, erfolglos blieben.
 

Sakura trat vorsichtig näher, ihre Besorgnis übertrumpfte jedes Unbehagen. Es ging ihm schlecht und sie war schuld daran. Sie bereute, was sie ihm angetan hatte, und sie hasste sich selbst dafür. "Lass uns rein gehen. Wir können später darüber reden. Im Moment solltest du dich hinlegen."
 

Mit ihrer Hilfe bewegte er sich ins Innere der Wohnung, wobei er gelegentlich von einer Welle der Übelkeit übermannt wurde und zweimal stolperte.
 

Was sie erwartete, war schlimmer als zunächst angenommen. Die Wohnung befand sich nicht nur im schlimmsten Viertel der Stadt, sie war zudem im Zustand eines Rohbaus! Aufgrund der fehlenden Lampen herrschte Dunkelheit, es gab keine Böden oder Türen, geschweige eine Küche. In einer Ecke entdeckte sie eine Matratze, die mit einer zerwühlten Decke bestückt war. All das spiegelte auch den katastrophalen Zustand in seinem Inneren wider und irgendwie passte alles zusammen. Er war kaputt, zerbrochen.
 

„Bis duh zzufrieden?“, stammelte er. Sein Alkoholpegel war ihm nun deutlich anzuhören.
 

> Ich bin nicht zufrieden, überhaupt nicht. Seit du nicht mehr da bist fühlt sich mein Leben leer an. Ich denke jeden Tag an dich und kann dich nicht sehen oder mit dir sprechen und dann komme ich her und du zerstörst dich selbst. Du warst mein wichtigster Mensch, mein Liebhaber, du warst alles für mich und es tut weh dich so zu sehen.
 

„Ich bin für dich da, Sasuke. Lass uns sehen, wie wir dir helfen können", sagte Sakura ruhig, während sie ein Handtuch suchte, um die Spuren vor der Tür zu beseitigen.
 

Er ließ einfach nur seinen Kopf hängen und sie sah sein Gesicht nicht mehr. Sein Zustand wurde von Minute zu Minute schrecklicher.
 

> Wieso tust du dir das an?
 

Woher weiß man, dass man jemanden liebt? Diese Frage hatte sie sich schon oft gestellt. Wenn man ihn schwerbetrunken in die Dusche trägt. Ihn auszieht und abduscht. Wenn man einfach nur das beste für jemanden möchte. Wenn man alles hinnehmen würde und bedingungslos alles geben würde. Wenn man jemanden nur das beste wünscht, egal was er einem angetan hat. Wenn man verzeiht und der eigene Stolz plötzlich egal ist. Wenn man weiß, was das Wort Sehnsucht eigentlich bedeutet.
 

„Mein Bruder…“, flüsterte Sasuke, während das Wasser auf ihn hinablief.
 

„Was?“
 

„Seit er tot ist, frage ich mich, ob er tot sein wollte. Wegen allem das ihm aufgezwungen wurde in seinem Leben. Er war ein friedfertiger Mensch, der Militärdienst zerstörte ihn.“ Seine Stimme war leise, als wäre er kurz davor einzuschlafen.
 

„Und du?“, fragte sie und ein Schluchzen löste sich aus ihrer Kehle. "Was kann ich tun, damit es dir besser geht? Ich würde nämlich alles für dich tun."
 

Die Alkoholnebel in Sasukes Kopf verhinderte jedes rationale Gespräch. Nachdem sie ihn auf die Matratze gebracht hatte, ging sie in das, was eine Küche hätte sein können und rang um Fassung. Einst hatte er eine luxuriöse Wohnung bewohnt und nun lebte er in diesem Loch und das ihretwegen. Sie war ein verdammtes Miststück, hätte sie nur den Mund vor ihrer Kollegin gehalten, doch sie musste sich ja ausweinen. Eins hatte zum anderen geführt und er war entlassen worden und wie es schien hatten ihn auch seine Eltern verstoßen.
 

Sie ließ ihren Tränen freien Lauf, denn sie fühlte sich in diesem Moment einfach hilflos und überfordertet. Dann wischte sie sie entschlossen weg. Fest stand, dass sie ihn über alles liebte, und sie würde ihn unterstützen diese Sucht hinter sich zu lassen, wenn er ihre Hilfe zuließ.
 

Die Nacht, die mit Erbrochenem begonnen hatte, endete mit einem Zeichen der Fürsorge und zahllosen Gedanken, wie eine Heilung möglich sein könnte. Am nächsten Tag hatte sie allen Alkohol aus seiner Wohnung entfernt, die nötigsten Dinge wie Lebensmittel besorgt und sagte zu ihm: „Ich habe mit einer Psychologin gesprochen. Sie wäre jederzeit bereit herzukommen. Und ich finde wir sollten das Grab deines Bruders besuchen. Und noch etwas: Dein Bruder hat dich geliebt und er würde nicht wollen, dass du dich zugrunde richtest. Und ich will es auch nicht. Und deshalb bin ich für dich da.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es folgen noch zwei Kapitel: "dein Trauma" und "deine Familie"
Lasst mir gerne Kommentare da und lasst mich wissen, wie euch das Kapitel gefallen hat! :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MissBlackBloodSakura
2024-03-11T23:30:19+00:00 12.03.2024 00:30
Wieder einmal ein sehr schönes Kapitel 🥰 🥰 🥰
Will unbedingt wissen, wie es weitergeht ☺️ 😊 😍 ☺️


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