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Mass Effekt - Der Untergang - Akt II

von

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Der Tod ist erst der Anfang

Auf der Citadel stand Miranda Lawson auf einer der oberen Terrassen und beobachtete von dort das geschäftige Treiben auf dem Präsidium, dass ich vor ihr erstreckte. Es war komisch mitanzusehen wie sehr die unterschiedlichsten Lebewesen versuchten sich davon abzulenken, was in der Galaxie geschah. Die Reaper führten weiterhin ihren Vernichtungskrieg und auf der Citadel sah alles danach aus, als wäre es ein ganz gewöhnlicher, x-beliebiger Tag. Man durchstöberte die Geschäfte, bestaunte und lauschte der Werbung, quatschte und tratschte. Es war ein eigenartiger Anblick. Aber vielleicht brauchte man das auch, um nicht völlig durchzudrehen. Ein kleines Stück Normalität, wenn man das so nennen konnte, denn normal war heutzutage nichts mehr, auch ohne die Reaper. Mirandas Blick fiel dabei recht schnell auf einen schwer bewaffneten Trupp Morjaner, die eine ihrer regelmäßigen Patrouillen veranstalteten, um Präsenz zu zeigen und dabei über eine der Brücken marschierten, die den künstlichen See in der Mitte des Präsidiums überspannten. Solch ein Anblick, so verstörend er Monate zuvor noch gewesen sein mag, gehörte mittlerweile zum Standard. Genau wie Offiziere des Verbundes, die sich regelmäßig mit Vertretern der anderen Völker trafen – Turianer, Asari, Menschen, Salarianer, Elcor, Volus und so weiter. Gemeinsam beriet man sich, tauschte Erfahrungen und Informationen aus und stimmte gemeinsame Aktionen ab. Es wirkte überraschend, wie schnell die Morjaner die vorhergegangenen Ereignisse kurzerhand ignorierten. Tatsächlich belegte es ihre weitaus pragmatischere Natur, die sich schlichtweg hinter vermeintlicher „Barbarei“ und „Brutalität“ versteckte. Alles ganz gemäß nach dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Genau das hatte Miranda auch zu den Morjanern geführt, denn nur sie waren in der Lage ihr bei einem Problem zu helfen, was sie schon seit Monaten verfolgte und das mittlerweile selbst sie an die Grenzen ihrer Fähigkeiten brachte.
 

Natürlich war es eine ausgesprochen milde Umschreibung für das, was Miranda vorhatte. Etwas, was sich so mancher niemals verzeihen könnte, doch Miranda befand sich in einer äußerst prekären Situation und sah keine andere Möglichkeit.
 

Sie wollte ihren eigenen Vater ausliefern.
 

An die Morjaner.
 

Es war eine pure Verzweiflungstat. Erst kürzlich hatte ein Kommandotrupp von Cerberus versucht den Unterschlupf von Oriana, Mirandas Schwester, zu stürmen. Die Aktion scheiterte, da die beiden Lawson-Geschwister nur kurz zuvor das Versteck verlassen hatten. Ihr Vater hatte in den vergangenen Monaten immer wieder Anstrengungen unternommen seine Tochter „zurückzuholen“ – seit Miranda mit Shepards Hilfe einen ersten Entführungsversuch vereitelte. Ob der Unbekannte wusste, dass Henry Lawson Cerberus-Ressourcen für solche „privaten“ Angelegenheiten zweckentfremdet, oder hatte er es sogar gestattet, nur um sich seine Gefolgschaft zu sichern? Miranda und Oriana waren schon seit einiger Zeit auf der Flucht vor ihrem Vater, doch so nah war man ihnen bislang noch nicht gekommen. Besonders an Orianas Nerven zerrte das sehr, zumal sie keinerlei Training, geschweige Erfahrung besaß, um mit derlei Stress umzugehen. Nur mit knapper Not konnte Miranda verhindern, dass Oriana eines Nachts ausbüxte. Scheinbar hatte sie den Entschluss gefasst selbst ihren Vater zu „jagen“, um diesem Alptraum endlich ein Ende zu machen. Ein paar stille Alarme hatte Miranda glücklicherweise rechtzeitig gewarnt. Diese zunehmend verrückter werdende Galaxie ließ sie immer vorsichtiger werden. Das führte letztendlich dazu, dass sich die beiden Lawson-Geschwister zusammensetzen und beschlossen ihren Vater an die Behörden auszuliefern. Das brachte wiederrum eine Frage auf: An wen?
 

Die Allianz?
 

Die war nach dem Angriff der Reaper arg in Mitleidenschaft gezogen, zudem war unklar wie sehr die verschiedensten Dienste mit Cerberus-Agenten durchsetzt waren.
 

Die Asari, oder die Turianer?
 

Die hatten mit den Reapern schon genug Probleme. Außerdem glaube Miranda nicht, dass sich die Asari und Turianer dieser Angelegenheit mit dem notwenigen Eifer zuwenden würden, um dieses Problem schnell und effektiv zu lösen.
 

Die Salarianer hatte Miranda ebenfalls schnell ausgeschlossen, den denen vertraute sich schlichtweg nicht. Die wären mit Sicherheit nur an ihrem eigenen Vorteil interessiert und die Lawson-Geschwister hätten sehen können wo sie bleiben.
 

Alle anderen Völker konnte man aufgrund ihrer faktischen Bedeutungslosigkeit ebenfalls recht schnell ausschließen. Übrig blieben da nur die Morjaner. Tatsächlich waren sie die allererste Wahl gewesen, eine ausgesprochen extreme Wahl, doch manchmal war Extrem genau das, was man brauchte und je mehr man mehr man darüber nachdachte, desto mehr konnten man sich mit diesem Gedanken anfreunden.
 

Die Morjaner mögen von vielen als brutal verschrien sein, durchaus zu Recht, doch sie repräsentierten ebenfalls eine geradezu unvergleichliche Effizienz, verfügten über nahezu unbegrenzte Mittel, waren ausgesprochen nachtragen und Cerberus stand nach einen gescheitertem Angriff auf eine Einrichtung auf ihrer Heimatwelt ganz weit oben auf ihrer Abschussliste. Miranda vermutete, dass sich die Morjaner die Möglichkeit, hochrangige Mitglieder von Cerberus gefangen zu nehmen, mit Sicherheit nicht entgehen lassen würden, ganz egal welche Beweggründe Miranda dabei verfolgte.
 

Und sie sollte Recht behalten.
 

Der Plan dazu entstand mehr notdürftig vor ein paar Tagen, als die Lawson-Geschwister verdeckt zu Citadel reisten. Eigentlich war es traurig wie leicht das ging. Einzelne Frachtterminals wurden nur unzureichend überwacht und von korrupten Beamten geleitet. Schmuggel, selbst hier auf der Citadel, war seit je her präsent und Cerberus hatte schnell gelernt das für sich zu nutzen, wie auch zahllose andere Gruppierungen vor ihnen. Die gegenwärtige Flüchtlingskrise verschlimmerte die Lage nur noch – sehr zum Vorteil der Lawson-Geschwister. Die Citadel war dabei einer der wenigen Orte, vielleicht sogar der einzige Ort in der Galaxie, an dem man relativ unkompliziert Morjaner antreffen konnte. Das brachte ein anderes Problem zum Vorschein – an wen sollte man sich wenden?

Man konnte schlecht in die morjanische Botschaft marschieren, geschweige sich in ihrer Nähe aufhalten, da das gesamte Areal weitläufig von allen erdenklichen Geheimdiensten überwacht wurde. Nein, man musste versuchen sich einen Morjaner auf offener Straße zu schnappen – ein geradezu lebensgefährliches Vorhaben, selbst für eine erfahrene Agentin wie sie. Hier kam ihnen die rigide Kommandostruktur des Verbundes zu Gute, wobei ein überwältigender Teil der Morjaner selbst in ihrer Freizeit ihre Uniformen trugen. Aus abgefangenen Berichten konnte sich Miranda ein vorläufiges Bild konstruieren. Graue und dunkelblaue Uniformen gehörten zur Raumflotte, dunkelgrün zu den Bodenstreitkräften und dunkelbraun war für Mitglieder des Staatsschutzes vorbehalten. Natürlich gab es noch andere Farben, aber die waren zumeist zur Unterscheidung der verschiedenen Tätigkeitsbereiche von Raumschiffbesatzungen und technischem Personal gedacht und für Miranda nicht von Bedeutung.
 

Sie erinnerte sich noch genau daran wie dieser Kontakt ablief. Nicht nur weil es keine zwei Tage zurücklag, sondern weil der Ablauf in jeder Hinsicht gewöhnungsbedürftig war.
 

Auf den unteren Ebenen der Citadel, die noch die etwas gehobene Unterhaltung boten, hatte Miranda die Verfolgung eines Morjaners in einem dunkelbraunen Mantel und Uniform aufgenommen. Sie selbst hatte sich als eine Touristin getarnt und trag dazu eine modern wirkende Tunika über ihrer eigentlichen Kleidung, kosmetische Kontaktlinsen um ihre natürlichen Augenfarbe zu verbergen und hatte ihrer Hautfarbe mithilfe einer simplen Gesichtscreme dunkler dargestellt und ihre Haare gefärbt, die letztendlich noch zu einem Zopf gebunden wurden. Oriana war ihr dabei selbstverständlich zu Hand gegangen.

Ihr Ziel schlenderte an den Läden vorbei und versuchte ganz offensichtlich sich mithilfe eines gedruckten Reiseführers zu orientieren. Bei dem Versuch blieb es, denn er lief einmal sogar um einen Block im Kreis und driftete immer mehr von den üblichen Touristenrouten ab. Das bereitete Miranda etwas Sorgen, denn schon bald konnte sie kaum noch die Massen an Touristen und Pendler der verschiedenen Spezies als Deckung nutzen. Glücklicherweise konnte sie auf etliche Jahre an Einsatzerfahrung zurückgreifen, doch niemand macht sich das Leben gern unnötig schwer. Nichtsdestotrotz musste sie vorsichtig sein, denn wer weiß wer sonst noch alles einen Blick auf den Morjaner geworfen hatte, Mit dem unbedarften Verhalten ihres Zieles hatte sie ohnehin schon genug Sorgen. An der Ecke einer Kreuzung blieb der Morjaner urplötzlich stehen, sah sich um studierte seinen Reiseführer und bog kurzerhand ab. Solch unvorhersehbares Verhalten hatte schon oft dazu geführt, das Verfolgungen scheiterten – das Zielobjekt taucht ohne jegliche Vorwarnung ab, egal ob bewusst, oder unbewusst, und in den nachfolgenden, oftmals verzweifelten und hektischen Versuchen das Zielobjekt wiederzufinden, enttarnen sich die Verfolger selbst, besonders wenn man alleine war. Miranda wusste das sehr wohl, sie kannte die Risiken, doch in ihrer Lage hatte sie schlichtweg keine Wahl. Sie durfte diesen Kontakt nicht verlieren. Zu viel hing davon ab. Im schnellen Schritt näherte sie sich der Kreuzung, wobei sie versuchte so gelassen wir möglich zu wirken und bog kurz darauf ebenfalls um die Ecke ab, nur den Morjaner konnte sie nicht finden. Miranda riss sich zusammen, unterdrücke den Schock und schritt lässig weiter, während sie gleichzeitig die Gegend absuchte. Sie befand sich in einer Seitengasse mit einfachen Läden und Geschäften, die hauptsächlich von den „Einheimischen“ besucht wurden. Trotzdem war es ihr nicht möglich den Morjaner wiederzufinden. Es war wie als hätte sich dieser wie in Luft aufgelöst.

Umso erschrockener war sie, als ein „Verzeihen Sie.“ vernahm und kurzerhand ihr Zielobjekt vor einem Schaufenster neben dem Eingang eines kleinen Geschäftes stehen sah. Er war nur wenige Meter von ihr entfernt.

„Ich habe mich allem Anschein nach verlaufen. Könnten Sie mir bitte weiterhelfen?“, fuhr der Morjaner fort.
 

Für den Moment wusste Miranda gar nicht was sie sagen sollte und starrte den Morjaner wortlos an. Er wirkte wie ein junger Mann mit kurz geschnittenen, silberfarbig anmutenden Haaren, ohne jegliche sonstigen Merkmale die ihn irgendwie hervorheben ließen. Neben seinem dunkelbraunen Mantel trug er darunter eine ebenfalls dunkelbraune Uniform, über die er wiederrum eine schwarze, ballistische Schutzweste trug mit integrierten Panzerplatten.
 

„Ähm … bitte was?“, versuchte Miranda ihren Schock mit gespielter Überraschung zu verdecken.

„Ich habe mich verlaufen. Können Sie mir bitte weiterhelfen?“, wiederholte der Morjaner ausgesprochen höflich und hielt seinen auseinander gefalteten Reiseführer waagerecht vor seinem Bauch.
 

Miranda brauchte einen Moment um das zu schlucken. Am meisten irritierte es sie, dass die Lippenbewegungen des Morjaners nicht zu dem passte was sie tatsächlich hörte. Dessen Worte folgten den Mundbewegungen mit dem Bruchteil einer Sekunde verzögert. Es wirkte geradezu asynchron, wie ein Film mit leicht verschobener Tonspur. Das lag an dem von den Morjanern verwendeten „Simultanübersetzer“. Wirkten erste Modelle noch wie ein Halsband für Hunde war es bei ihm in etwas integriert, was wie ein simpler Halswärmer aussah. Miranda selbst wirkte noch etwas wie überrumpelt und blickte leicht verwirrt auf den Reiseführer. Das erste was ihr auffiel war, dass der Reiseführer vor ihre eine Karte des Präsidiums zeigte und daher völlig ungeeignet war. Nur beiläufig fiel ihr das kleine, dunkle Stück Metall auf, das unter dem Reiseführer hervor schaute.
 

Schlagartig dämmerte es Miranda und sie sah mit weitaufgerissenen Augen auf.
 

Der Morjaner hatte eine Pistole auf sie gerichtet.
 

„Keine hastigen Bewegungen, oder Sie sterben.“. sprach der Morjaner mit einem weiterhin gelassenem Gesichtsausdruck und freundlicher Stimme, wie schon zuvor.

Miranda sagte nichts, ja rührte sich nicht mal.

„Ein paar Meter weiter ist eine Seitengasse. Dort werden Sie hingehen und ich folge Ihnen. Verstanden?“, fuhr der Morjaner fort.

Miranda nickte zögerlich und setzte sich langsam in Bewegung, gefolgt von dem Morjaner, der dicht hinter ihr blieb. Zu sagen, dass sie Angst hatte war eine schlichte Untertreibung – ihr Herz raste regelrecht und sie dachte fieberhaft darüber nach, wie sie sich am besten aus dieser Lage befreien könnte. Solche Situation waren ihr keineswegs fremd, Risiken gab es immer, nur dieses Mal war es anderes. Eigentlich wollte sie ja mit dem Morjaner ins Gespräch kommen, allerdings sollte diese Zusammenkunft unter etwas anderen Umständen stattfinden. Miranda fragte sich besonders, wie es dem Morjaner gelang sie zu entdecken. Während der gesamten Verfolgung hatte sie keinerlei Anzeichen gesehen, dass dieser sie irgendwie bemerkt hätte.
 

Die beiden passierten ein paar Geschäfte, unbemerkt von allen anderen, und erreichten kurz darauf eine kleine, dunkle Seitengasse. Dort packte der Morjaner sie an der Schulter, drückte ihr den Pistolenlauf in den Rücken und schob sie in die Gasse. Nach ein paar Metern, abseits der ganzen Massen, zog der Morjaner Miranda herum, sodass sie ihm nun direkt zugewandt war, und drückte sie gegen die Wand.

„Bitte …“, winselte Miranda leise.

„Kein Wort.“, unterbrach sie der Morjaner, der seine Pistole nun genau auf ihren Bauch gerichtet hatte.

Ein schneller Griff an ihr Handgelenk und er entfernte die Manschette für das Universalwerkzeug. Ein kurzer Blick genügte um zu erkennen, dass es deaktiviert war und er begann sie abzutasten. Dabei ließ sich der Morjaner nicht mal von irgendwelchen Befindlichkeiten stören, wie Miranda nun am eigenen Leib erfahren musste. Die Hand des Morjaners tastete sie von oben bis unten ab und ließ dabei keinen Punkt ihres Körpers aus. Bereits als er anfing wurde er schnell fündig. An ihrem linken Bein hatte sie ein Messer versteckt, dass der Morjaner bereits in den ersten zwei Sekunden fand. Als die Hand höher ging fand er die Pistole, die sie versteckt unter der Tunika an der Hüfte trug. Ab da wurde es … prekär. Der Morjaner tastete zuerst ihren Oberkörper ab, selbst ihre Oberweite war davor nicht sicher, bis er auf einmal den Reisverschluss ihres Anzuges unter ihrer Verkleidung öffnete und seine Hand unter ihrer Kleidung verschwand. Dort fuhr er langsam über ihren Bauch bis hinunter zwischen ihre Beine. Miranda kniff die Augen zusammen und dreht den Kopf zur Seite. Zu sagen, dass diese Erfahrung in jeder Hinsicht unangenehm war war eine krasse Untertreibung, zumal der Morjaner kurzerhand auf sein Ziel traf.

Ein kurzer Griff, dann ein kleiner Ruck und der Morjaner zog aus einen versteckten Holster eine weitere Waffe unter Mirandas Kleidung hervor – ein einschüssiger Massetreiber, eine äußerst kompakte, von Cerberus entwickelte Notfallwaffe, die mit gegenwärtigen Scannern nicht entdeckt werden konnte und die man leicht überall am Körper verstecken konnte. Sie im Intimbereich zu verstecken, so wie in Mirandas Fall, mag komisch erscheinen, aber genauso war es überraschend wie viele Spezies ein Problem damit hatten diesen ebenfalls vollständig zu durchsuchen. Die Morjaner gehörten ganz offensichtlich nicht dazu. Und er schien noch lange nicht

Nicht fertig zu sein. Seine Hand verschwand wieder unter Mirandas Kleidung und bahnt sich wieder ihren Weg in Richtung ihres Schrittes. Dieses Mal galt seine Aufmerksamkeit dem dort weiterhin liegenden Holster und tastete diesen genau ab. Nur Sekunden später machte es Klick und er zog ein verstecktes, nur wenige Zentimeter langes Messer heraus, dass in den Holster eingearbeitet war. Miranda wusste mittlerweile nicht was sie davon halten sollte. Auf der einen Seite offenbarte der Morjaner das es ausgesprochen kompetent und allem Anschein nach ausgesprochen erfahren sein musste. Auf der anderen Seite stand sie nun vollkommen unbewaffnet war und kam sich entsprechend „nackt“ vor. Von der Verletzung ihres Stolzes ganz zu schweigen. Allerdings war es fraglich, ob es gegen den Morjaner im Ernstfall überhaupt helfen würde.

„Umdrehen.“, befahl der Morjaner kurzerhand und Miranda leistete dem Folge.

Sie drehte sich um, drückte sich mit dem Gesicht an die Wand und ließ die komplette Leibesvisitation erneut über sich ergehen. Die Tatsache, dass die Hand des Morjaners nicht länger als nötig an ihr verblieb, vor allem an den „empfindlichen“ Stellen, verschaffte ihr ein bisschen Ruhe. Es dauerte einen Moment, doch dann war auch das endlich vorbei. Der Morjaner ließ von ihr ab, ging ein paar Schritte zurück und lehnte sich an die andere, gegenüberliegende Wand, wobei er Miranda weiterhin im Auge und im Visier behielt.

„Sie können sich wieder umdrehen.“, sprach er mit neutralem Ton.

Für Miranda klang es mehr nach einem Befehl, was in dieser Situation kaum etwas anderes sein konnte, und so leistete sie dem Folge, drehte sich um und sah den Morjaner an, der ihr gegenüber stand und weiterhin auf sie mit seiner Pistole zielte. Die Waffe selbst hatte die Größe einer Carnifex, trotz ihres konventionellen Erscheinungsbildes, und die würde garantiert genauso heftig zuschlagen. Miranda ließ sich davon nicht beirren, oder ließ zumindest diesen Eindruck entstehen, und begann ihre Kleidung zu richten.

„Sie verfolgen mich schon eine ganze Zeit lang, aber ohne jegliche Form von Unterstützung. Sie sind keine Agentin irgendeines Geheimdienstes der Citadel-Völker. Und auch keine von diesen Reportern, dafür sind Sie zu geschickt. Vielleicht einer von diesen Spectres?“

„Ich sehe das mal als Kompliment.“, entgegnete Miranda trocken.

„Wer sind Sie?“, fragte der Morjaner.

Miranda zögerte für einen Moment bis sie tief durchatmete und dem Morjaner direkt in die Augen sah. Sie fühlte sich wie irgendein Beutetier, das nur darauf wartete von dem ihm gegenüberstehenden Raubtier verspeist zu werden. Die einzige Möglichkeit sich daraus zu befreien, insofern die psychologischen Profile über die morjanische Spezies zutrafen, war sie kurz und knapp mit der ungeschminkten Wahrheit zu konfrontieren.
 

Jetzt, oder nie.
 

„Mein Name ist Miranda Lawson. Ich … war eine Agentin und Offizierin im Dienst von Cerberus.“

In dem Moment, als der Begriff Cerberus fiel, änderte sich die gesamte Haltung des Morjaners – sie wurde ernster und damit nahm auch die potentielle Gefahr für Miranda zu.

„Wie ich sehe sagt Ihnen der Name etwas.“, fuhr sie fort.

„Die Organisation Cerberus ist ein Feind des Morjanischen Verbundes und jeder weiß wie wir mit unseren Feinden umgehen.“

„Genau deshalb wende ich mich an Sie …“, wollte Miranda weiter sprechen, doch der Morjaner hob seine Hand und signalisierte ihr damit, dass sie für den Moment schweigen soll.

Lustigerweise wirkte er für den Moment selbst etwas überrascht, wie als ob er sich nicht sicher war, ob die Gestik richtig gedeutet wird.

„Sie … dienten Cerberus. Vergangenheitsform, korrekt?“, fragte der Morjaner, was Miranda mit einem kurzen „Ja.“, bestätigte. „Lassen Sie mich raten: Sie haben sich von Cerberus getrennt, aus welchen Gründen auch immer, nun suchen Sie Schutz, oder wollen sogar Rache üben. Liege ich damit richtig?“

„Nein.“, entgegnete Miranda bestimmt, woraufhin der Morjaner geradezu wie ein Hund interessiert drein blickend den Kopf zur Seite neigte. „Hören Sie … ich brach mit Cerberus kurz bevor ihr Volk sich der Galaxie offenbarte. Ich versuche es Ihnen zu erklären, aber … es wird im wahrsten Sinne des Wortes … verrückt klingen. Ich selbst wurde … mein Vater züchtete mich aus der veränderten Kopie eines seiner Genome … als ein Exemplar menschlicher Perfektion, doch ich schien nie seine Erwartungen zu erfüllen. Ich habe noch eine Schwester, Oriana, sie wurde auf dem gleichen Weg … erschaffen. Mein Vater jagt uns … und ganz besonders sie … keine Ahnung warum … vielleicht weil er seinen Wunschtraum einer genetisch perfekten Dynastie weiterhin verfolgt, ich weiß es einfach nicht, aber ich bin es leid ständig auf der Flucht sein zu müssen. Erst vor kurzem sind wir nur mit knapper Not entkommen … Mein Vater hat sehr enge Kontakte zu Cerberus. Er finanziert die Organisation mit und hat geholfen eine Vielzahl von Firmen und Unternehmen aufzubauen, oder zu übernehmen, die nach außen hin zwar unabhängig erscheinen, aber in Wahrheit alle für Cerberus tätig sind … in den letzten Monaten hat mein Vater seine Verbindung zu Cerberus massiv ausgebaut, sehr wahrscheinlich arbeitet er sogar aktiv mit ihnen zusammen und hat enge Verbindungen zum Anführer von Cerberus. Hören Sie … es mögen … persönliche Gründe sein, dass ich nun vor Ihnen stehe, aber … bitte … ich will mithelfen meinen Vater an den Morjanischen Verbund auszuliefern.“

Gegen Ende hin flehte Miranda den Morjaner regelrecht an, doch der stand weiterhin regungslos da und starrte sie mit einem völlig neutralen, nichtssagenden und absolut emotionslosen Gesichtsausdruck an.

„Ich weiß es klingt absolut verrückt…“

„Nein, überhaupt nicht.“, unterbrach der Morjaner und jetzt war es Miranda, die ausgesprochen überrascht drein blickte, als ihr Gegenüber seine Waffe wegsteckte und mit verschränkten Armen eine weitaus lässigere Haltung einnahm.

„Ähm … was … irgendwie … ich verstehe nicht …“, stotterte Miranda und wunderte sich über diesen geradezu urplötzlichen Sinneswandel.

„Sie brauchen Hilfe. Sie wollen jemanden beschützen, den Sie als Teil ihrer Familie ansehen Und die Person, die sie bedroht, besitzt sehr wahrscheinlich Informationen über Cerberus. Und da Cerberus einer unserer Feinde ist haben Sie sich an den Morjanischen Verbund gewandt in der Hoffnung sich selbst zu schützen indem Sie uns helfen damit wir einen unserer Feinde treffen können. Richtig?“

Miranda nickte zögerlich.

„Obwohl Ihre Geschichte durchaus interessant ist, so ist es doch das einzige was ich gegenwärtig von Ihnen habe. Können Sie mir mehr bieten, um ihrem Angebot mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen?“

Mit einer langsamen Bewegung zog Miranda einen Datenwürfel aus einer ihrer Hosentaschen hervor und reichte sie dem Morjaner.

„Darauf befinden sich diverse Datensätze über meinen Vater und die Struktur von Cerberus, involvierte Unternehmen, Ströme von Finanzmitteln und so weiter, allerdings weiß ich nicht was davon noch aktuell ist. Ich habe auch mein persönliches Dossier eingefügt … und eigene Einsatzberichte … damit Sie einen Eindruck bekommen, wer genau ich bin. Das einzige was ich sonst noch anbieten könnte wäre ein Leumundszeuge. John Shepard, ein Mensch im Dienste der Allianz und ein Spectre. Wir hatten einst … zusammen gearbeitet. Soviel ich weiß reist mit ihm ebenfalls ein Morjaner … Bresius, oder so ähnlich ist sein Name.“

„Sie wissen worauf Sie sich da einlassen? Das Sie sich an den Verbund wenden? Sie wissen wie wir mit unseren Feinden umgehen?“

„Genau aus diesem Grund habe ich Sie aufgesucht. Ich brauche eine dauerhafte Lösung.“, entgegnete Miranda entschlossen.

„Nun gut.“, murmelte der Morjaner und schien nachzudenken. „Gehen Sie zurück in ihr Versteck, oder wo Sie sich sonst aufhalten. Ich vermute das ist hier auf der Citadel?“

Miranda bestätigte das mit einem kurzen Nicken.

„Gut. Ich werde selbst Nachforschungen anstellen, um ihre Geschichte zu verifizieren.“

„Und wie finde ich Sie wieder?“

„Gar nicht. Ich werde Sie aufsuchen.“

„Ernsthaft?“

„Ja.“

„Wann?“

„Schneller, als Ihnen lieb sein wird.“

„Und wie …“

„Das wollen Sie nicht wissen.“, sprach der Morjaner mit einem Grinsen und gab Miranda ihr Universalwerkzeug, sowie ihre Waffen wieder.

Diese nahm das auf und nickte knapp. Für den Moment blieb ihr tatsächlich nichts anderes übrig, als abzuwarten und so entfernte sie sich langsam.

„Ganz unter uns.“, begann der Morjaner. „Sollte das irgendeine Falle, oder sonst etwas in der Art sein, dann wird es in der ganzen Galaxie keinen Ort geben, an dem Sie sich vor unserem Zorn verstecken können, denn wir vergessen nicht und wir vergeben nicht.“

Miranda blickte zur Seite und nickte nur. Aus dem Mund eines jeden anderen hätte Sie das als eine übertriebene Floskel abgetan, nur nicht in diesem Fall.

„Haben Sie auch einen Namen? Oder zumindest etwas mit dem ich Sie ansprechen kann?“

„Nennen Sie mich Colvar.“, entgegnete der Morjaner und Miranda bestätigte das wieder mit einem Nicken.

„Nebenbei.“, fuhr der Morjaner fort. „Woher wussten Sie überhaupt, dass ich Ihnen helfen würde?“

„Um ehrlich zu sein … das wusste ich gar nicht. Ich ging einfach davon aus, dass mein Angebot einen für den Verbund klar ersichtlichen Nutzen haben würde und Sie aufgrund dessen eine logische Entscheidung fällen würden.“

„Aber wie kamen sie dabei speziell auf mich? Wieso nicht irgendjemand anderen?“

„Ich bin einfach irgendeinem Morjaner gefolgt, der eine dunkelbraune Uniform trug. Sie wird im Allgemeinen mit Mitgliedern ihres Geheimdienstes in Verbindung gebracht. Und das waren dann halt sie.“

Colvar sah Miranda für einen Moment wortlos und mit großen Augen an. Es muss wohl schockierend für ihn sein zu erkennen, dass ihr Verhalten voraussehbar war.
 

Miranda lief immer wieder ein kalter Schauer über den Rücken, wenn sie an diese Begegnung zurück dachte.
 

Interessanterweise, oder wohl eher erschreckenderweise hielt der Morjaner, den sie nun nur unter dem Namen Colvar kannte, sein Wort. Kaum das Miranda in ihr Versteck zu Oriana zurückgekehrt war stand er gut eine Stunde später vor der Tür und verschaffte sich selbst Zugang. Das war ausgesprochen riskant, denn sie hätte ihn beinahe über den Haufen geschossen, als ihre Schwester vor Schreck aufschrie. Glücklicherweise ging es glimpflich aus. Colvar hatte tatsächlich Wort gehalten und war schneller wieder aufgetaucht, als es einem lieb sein konnte. Wie er sie gefunden hatte fragte Miranda erst gar nicht nach. Die naheliegendste Option war, dass die Morjaner sich Zugriff auf das umfangreiche Überwachungssystem von C-Sec verschafft haben. Das System entsprach obersten, salarianischen Sicherheitsstandards und bot, welch Überraschung, für verbündete Geheimdienste entsprechende Zugänge. Das war, mehr oder weniger, ein offenes Geheimnis. Ob und wie sich die Morjaner dazu Zugang verschafft hatten wollte Miranda besser nicht wissen. Sie war froh, dass sie ihre Hilfe hatte. Die exakten Hintergründe waren den Morjanern selbst letztendlich ziemlich egal. Sie hatten Miranda als vertrauenswürdig eingestuft und solange man Cerberus einen Schlag versetzen konnte war man mehr als gewillt zu helfen. Daraufhin begann die Planung – wenn man das überhaupt so nennen konnte. Letztendlich war es Oriana, die als Lockvogel herhalten musste – etwas worauf sie sich innerlich schon vorbereitet hatte. Dann wurde der Köder ausgeworfen. Oriana schickte über ein nur mittelmäßig gesichertes Terminal eine Sprachnachricht an Miranda. Ein simpler Hinweis, dass es ihr gut ging und dass sie nicht nach ihr suche solle, ohne dabei natürlich eine Ortsangabe zu nennen. Cerberus sollte diese Köder ohne Probleme zur Citadel zurückverfolgen können. Als nächstes musste Oriana einen kleinen, tablettenförmigen Sender schlucken, über den man sie verfolgen und ihre Vitalwerte überwachen konnte. Was genau die Morjaner vor hatten erfuhren die beiden Lawson-Geschwister nicht.
 

Miranda seufzte und stützte sich mit übereinander gelegten Armen auf dem Geländer ab und beobachtete von der Terrasse aus weiterhin das Präsidium, wo Oriana nach und nach einzelne Geschäfte abklapperte, Ausrüstung und Vorräte besorgte und alles in bar bezahlte.

„Agenten von Cerberus beobachten sie bereits.“, vernahm Miranda eine ihr bekannte Stimme und dreht sich ruckartig um.

Nur wenige Meter entfernt lehnte sich der morjanische Geheimdienstoffizier Colvar mit verschränkten Armen an einen Pfeiler. Miranda war mehr als überrascht zu sehen, wie nah er ihr kommen konnte, ohne dass sie ihn bemerkt hatte, zumal er in voller Ausrüstung da stand – mit Sturmgewehr und kompletter, schwarzer Gefechtsbekleidung.

„Sehr … getarnt sehen sie nicht gerade aus.“, meinte Miranda und ging auf Colvar zu, mit dem sie kurzerhand den Platz tauschte, damit sie sich hinter dem Pfeiler verstecken konnte.

Colvar hingegen blickte kurz an sich herab und zuckte nur mit den Schultern.

„Für unser Vorhaben ist es genau das was wir brauchen.“, erwiderte er mit einem Grinsen. „Aber ich denke Ihre Aufmerksamkeit sollte vorerst Ihrer Schwester gelten.“

„Sie sagten Agenten von Cerberus beobachten sie bereits?“, wiederholte Miranda, während sie an dem Pfeiler vorbei lunzte, um Oriana wieder im Auge zu behalten.

„Vier Teams mit je zwei Agenten. Eines davon hält sich im Hintergrund und koordiniert alles. Sie haben Zugriff auf die Überwachungssysteme der örtlichen Sicherheitsbehörde. Der Rest tritt als Pärchen auf, als Touristen und Einheimische. Ein Team sitzt auf der gegenüberliegende Seite des Präsidiums in einem Café, ein Team, die Mechaniker in den blauen Anzügen da unten, beschäftigen sich an den Umweltsystemen des Sees und das letzte Team überprüft die Geschäfte in denen ihre Schwester war. Sie sind am nächsten dran und wahrscheinlich jene, die dann zuschlagen werden. Alle haben einen freien Blick auf ihre Schwester und könnten ihr jederzeit jeglichen Fluchtweg abschneiden. Ihre Schwester sitzt in der Falle und merkt es nicht mal. Aktuell warten sie.“

„Warten auf was?“, fragte Miranda.

„Auf eine günstige Gelegenheit. Gegenwärtig sind zu viele Zivilisten vor Ort. Alles potentielle Zeugen und potentielle Störer. Sie brauchen eine Ablenkung und im Moment wägen sie scheinbar ihre Optionen ab, was das beste Vorgehen ist. Und hier tritt der Verbund in Aktion.“, erklärte Colvar mit einem breiten Grinsen.

Miranda wollte fragen, was genau er damit meinte, doch die Antwort präsentiert sich kurzerhand von selbst.
 

„ABTEILUNG VORWÄRTS MARSCH!!!“, hallte es plötzlich durch das Präsidium.

Lautstark stampfend kam eine ganze Kolonne schwer bewaffneter Legionäre aus der morjanischen Botschaft, angeführt von einem Morjaner mit einem Megaphon und einem Fahnenträger, und nahm auf einem freien Platz in der Mitte des Präsidiums Aufstellung auf. Ein solcher Aufmarsch erregt selbstverständlich Aufmerksamkeit und Miranda konnte klar sehen wie sich jedermann sorgenvoll nach den Morjanern umdrehte. Allem voran Spectres, Agenten aller möglichen Geheimdienste und Beobachter der C-Sicherheit, welche die morjanischen Botschaft rund um die Uhr überwachten, machte das nervös.
 

„Ich verstehe. Sie wollen selbst eine Ablenkung erschaffen, um Cerberus zum Einsatz zu verleiten. Das könnte funktionieren. Aber wird das reichen?“, kommentierte Miranda das Schauspiel.

Colvar sah sie auf die Aussage hin mehr als irritiert an.

„Das ist nur die Vorbereitung für die Ablenkung.“, entgegnete er.

„Äh … was?“, wunderte sich Miranda und blickte nun selbst ganz besorgt drein, was die Morjaner wohl wirklich geplant haben mögen.
 

Auch diese Antwort sollte sie schneller erhalten, als ihr lieb war.
 

Durch Lautsprecher, die zumeist für allgemeine Informationen, Nachrichten und Ansagen in Notfällen verwendet wurden und sich durch die gesamte Citadel zogen, hallte ein kurzes, statisches Knistern, bevor sich eine männliche Stimme zu Wort meldete.

„Ernsthaft! Klauen weg! Muss ich Ihnen erst in den Kopf schießen, damit Sie Ruhe geben?! Freut mich, dass wir uns doch noch einigen konnten … ACHTUNG AN ALLE BEWOHNER DER CITADEL-RAUMSTATION! HIER SPRICHT EXEKUTIVAGENT MARCON DELVERON VOM MORJANISCHEN STAATSSCHUTZ! ES HAT SICH EINE SITUATION ERGEBEN, DIE EIN SOFORTIGES HANDELN ERFORDERLICH MACHT! AUFGRUND JÜNGSTER ERKENNTNISSE WERDEN MIT SOFORTIGER WIRKUNG ALLE MITGLIEDER DER SOGENANNTEN KEEPER-SPEZIES … also, diese grünen, vierbeinigen, zu groß geratenen Insekten … ALS VERBÜNDETE DER REAPER ANGESEHEN UND SOMIT ALS UNSERE FEINDE, DIE ES ZU VERNICHTEN GILT. IN DIESEM MOMENT LANDEN INFANTERIEEINHEITEN DER MORJANISCHEN STREITKRÄFTE AUF DER CITADEL-RAUMSTATION UND WERDEN SOFORT MIT DER SYSTEMATISCHEN AUSROTTUNG DER KEEPER BEGINNEN! SOLLTEN SIE KEEPER SEHEN, SO INFORMIEREN SIE SOFORT MITGLIEDER DER MORJANISCHEN STREITKRÄFTE! JEDER, DER DABEI ERWISCHT WIRD, WIE ER VERSUCHT KEEPER IN IRGENDEINER FORM ZU SCHÜTZEN, WIRD ALS FEIND ANGESEHEN UND AN ORT UND STELLE HINGERICHTET!“
 

Auf dem Präsidiumsplatz begannen die aufmarschierten Morjaner diesen zu räumen. Dezent scheuchten sie Zivilisten weg und schufen so eine improvisierte Landezone. Nicht mal eine Minute später entdeckte man die ersten Raumfähren, die sich mit laut dröhnenden Triebwerken näherten und direkt vor Ort landeten. Aus den sich öffnenden Heckrampen kamen Dutzende weitere, bis an die Zähne bewaffnete Morjaner zum Vorschein, die sich in zehnköpfige Trupps aufteilten und ausschwärmten. Gerade mal dreißig Sekunden dauerte der Vorgang, bis die Raumfähre wieder startete und kurz darauf schon die nächste zur Landung ansetzte.

Die Morjaner marschierten den Platz entlang, bestiegen Aufzüge, liefen zu anderen Stockwerken und verschafften sich Zugang zu Geschäften und Gebäuden.
 

Dann fielen die ersten Schüsse.
 

Sobald ein Morjaner einen Keeper entdeckte machte er seinen Trupp darauf aufmerksam, dann nährte man sich diesem im schnellen Schritt und schoss ihn aus nächster Nähe nieder. Die Morjaner zögerten nicht. Sie legten einfach an und gaben Salve um Salve ab. Die fragilen Körper der Keeper wurden durch die Treffer regelrecht in Stücke gerissen. Was dann noch von diesem Keeper übrig blieb wurde auf den Präsidiumsplatz geworfen.

Zwischen die Arme der Citadel schoben sich derweil morjanische Großkampfschiffe und setzten weitere Shuttles ab, die immer mehr Truppen auf der Citadel abluden.
 

Niemand störte sie dabei – kaum jemand wagte es sie dabei zu stören. Stellenweise kam es zu leichten Zusammenstößen mit C-Sec. Glücklicherweise blieb es bei einfachen Handgreiflichkeiten.
 

Mittlerweile waren aus allen Richtungen Schüsse zu vernehmen – einzelne Salven, Dauerfeuer, vereinzelt sogar Explosionen. Trupps von Morjaner rannten chaotisch wirkend umher, erledigten Keeper mit allem was sie hatten, mit Messern und Schwerter, mit Pistolen und Gewehren, ein Trupp setzte sogar einen Raketenwerfer ein, nur um drei Keeper in einer Seitengasse zu erwischen.
 

Miranda sah wie die Leute immer wieder zusammen zuckten, sobald sie den Lärm vernahmen, doch eine klassische Massenpanik war eigenartigerweise kaum zu sehen. Die Ankündigung der Morjaner hatte ihre Absicht mehr als Kund getan. Viele blickten durchaus besorgt drein. Man begann sich schnellstmöglich zu verziehen, während immer mehr morjanische Soldaten auf dem Präsidium aufmarschierten. Trotz allem blieb es relativ ruhig – insofern man überhaupt davon reden konnte. Die einzigen, die hier wohl in heilloser Panik verfielen, war mit Sicherheit der Citadel-Rat und allem voran die Citadel-Sicherheit und deren Vorgesetzte. Die Citadel-Gesetze stellten Störungen der Keeper, die man seit Jahrtausenden als essentiell für die Wartung der Citadel ansah, unter drakonische Strafen. Und jetzt kamen die Morjaner und gaben sie zum Abschuss frei. Miranda ging nicht davon aus, dass sich die Morjaner Sorgen um potentielle Strafen machten, denn sie hatten die notwendige Stärke vor Ort, um dies unter simpler Androhung von Waffengewalt zu ignorieren. Die Kreuzer, die sich zwischen den Armen der Citadel positioniert hatten waren ein sehr eindeutiges Zeichen. Trotzdem verwunderte es Miranda welchen Aufwand die Morjaner hier für eine simple Ablenkung an den Tag legten, denn das würde auch politisch hohe Wellen schlagen – was die Morjaner ebenfalls egal sein dürfte.
 

„Cerberus tritt in Aktion.“, sagte plötzlich Colvar.

Mirandas panischer Blick suchte sofort nach Oriana, die sie recht schnell vor dem letzten Laden erblickte, an dem sie Halt machte, und zusammen mit Dutzenden anderen den Aufmarsch der Morjaner beobachtete. Als sich Miranda dem Agenten bei ihr wieder zuwenden wollte hielt der ihr plötzlich ein ganz normales Fernglas hin. Etwas zögerlich nahm sie dieses entgegen und beobachtete so ihre Schwester.

„Das Team, das sich als ein Touristenpärchen tarnt, hat Ihrer Schwester ein Nervengift verpasst. Die Frau hat im Vorbeigehen die Hand ihrer Schwester gestreift und es so übertragen. Die Atmung und Herzfrequenz ihrer Schwester erhöht sich, ihr wird schwindlig und zunehmend heißer. Das Gift täuscht einen Kreislaufkollaps vor und es ist nur eine Frage der Zeit bis Ihre Schwester zusammen bricht. Spontan würde ich schätzen … eine Minute, oder so. Da die andere Frau keine dieser Anzeichen zeigt und auch keinerlei Schutzhandschuhe trägt vermute ich mal das sie eine Form von Gegenmittel genommen haben muss.“

Miranda hörte Colvars Ausführungen nur nebenbei zu. Sie kämpfte gegen den Drang an sofort loszusprinten und ihrer Schwester zur Hilfe zu eilen. Leider passten die Beschreibungen genau zu dem was sie soeben sah. Ihre Schwester rang immer mehr nach Luft und als sie sich an dem nächstbesten Objekt abstützen wollte griff sie nach einem Prospektständer, der ihr keinerlei Halt bieten konnte und den sie mitumriss, als sie zusammenbrach. Ein soeben vorbei laufender Morjaner blickte etwas verdutzt drein, riss dann die Hände hoch und rief wohl sowas wie „Nicht meine Schuld.“, bevor er weiter ging. Stattdessen kamen zwei Menschen, ein Mann und eine Frau zum Vorschein, die sich neben Oriana knieten und nach ihr sahen – die beiden Cerberus-Agenten, die überhaupt erst dafür verantwortlich waren.
 

Wie gerne würde Miranda denen jetzt etwas antun.
 

„Die Frau verabreicht Ihrer Schwester soeben das Gegenmittel, sowie ein Beruhigungsmittel. Ihre Vitalwerte stabilisieren sich wieder. Der Mann hat beim sogenannten Huerta-Memorial-Hospital einen Krankentransport angefordert. Die Einheit ist bereits unterwegs. Die Reaktionszeit ist unerwartet kurz.“

„Wahrscheinlich weitere Agenten. Zellen von Cerberus haben im Laufe der Zeit etliche Dienste unterwandert. Sie treten als ganz normale Bürger, Angestellte und Bedienstete auf und handeln erst, wenn sie gebraucht werden. Aber wie weit das geht, also das Ausmaß dieser Unterwanderung … das weiß ich nicht.“, erklärte Miranda und sah den Morjaner an, der lediglich grinste.

„Damit haben wir bereits gerechnet. Wir verfolgen die Bewegungen und Kontakte jeglicher Personen, die mit den Agenten da unten in Kontakt stehen. Es ist wie ein Netz, das sich vor uns ausbreitet. Wir identifizieren immer mehr Personen, aus Flugsicherung, C-Sicherheit, Zoll, ja sogar einfaches Empfangspersonal, das mit Cerberus möglicherweise in Kontakt steht, oder Verbindungen in diese Richtung hat. Bereits innerhalb der nächsten Stunde werden wir sie jagen.“

„Deshalb der Aufmarsch. Die Keeper interessieren sie gar nicht. Sie brauchen Truppen am Boden, um deren Fluchtwege abzuschneiden ohne das sie das merken.“, meinte Miranda.

„Nicht ganz. Wir haben die Keeper von Anfang an kritisch betrachtet. Ich meine … man lässt die einfach überall herum laufen, ohne es zu hinterfragen? Nur weil man glaubt man kennt die Antwort? Nicht mit uns. Jüngste Erkenntnisse bestätigten zudem unsere Haltung. Wir haben lediglich eine andere Operation vorverlegt.“

„Andere … Operation?“, wunderte sich Miranda.

„Nichts was Sie betrifft. Innerhalb der kommenden Woche werden wir zehntausende Legionäre auf die Citadel bringen, Ermittler, Todeskommandos, Spezialeinheiten des Staatschutzes, Spezialisten des Tech-Korps und so weiter. Wir werden Cerberus Präsenz auslöschen und ihnen jegliche Möglichkeit nehmen jemals wieder etwas auf der Citadel zu erreichen. Selbst wenn sie mit einer Armee kommen werden sie keine Chance haben … und da kommt auch schon der Krankentransport.“

Miranda erblickte den weißen Schwebewagen, der mit Sirenengeheul angeflogen kam und ganz in der Nähe landete. Zwei Sanitäter, selbstverständlich Menschen, sprangen sofort heraus und näherten sich dem Pärchen und der bewusstlosen Oriana. In der Zwischenzeit versucht der Pilot des Shuttles ein paar morjanische Offiziere und Soldaten zu beruhigen, die keineswegs froh darüber waren, dass er unweit bei deren eigenen Landezone gelandet war. Wahrscheinlich wussten die regulären Soldaten gar nicht, dass ihr Einsatz als Tarnung für eine Geheimoperation diente. Miranda wunderte sich, ob dadurch diese Operation gefährdet werden könnte, doch auf der anderen Seite würde es umso verdächtiger erscheinen, wenn man sie einfach gewähren ließe. Mit Sorge sah Miranda zu, wie die Sanitäter ihre Schwester auf einer Barre in den Transporter luden und kurzerhand wieder starten.

„Ziel ist unterwegs. Man meldete dem Krankenhaus soeben, dass die Patientin vor Ort behandelt werden konnte. Ein einfacher Schwächeanfall. Soeben hat man sie zu einem weiteren Notfall bei den Docks gerufen … einfallsreich, das muss man ihnen lassen. Wir haben übrigens Henry Lawson gesichtet. Ihr Vater ist ebenfalls in diese Richtung unterwegs.“, berichtete der Morjaner.
 

Mirandas Augen weiteten sich etwas. Sie kämpfte schlagartig gegen das Gefühl an nicht in völliger Überraschung die Augen weit aufzureißen. Die zahllosen Jahre an Training, Konditionierung und Erfahrung erwiesen sich dabei als ungemein hilfreich. Ihr Vater war hier, an Bord der Citadel? War es Zufall, hatte er vor Ort geschäftlich zu tun, war es ein Anflug von Überheblichkeit, oder war er so versessen in seiner Jagd nach Oriana, dass sein Urteilsvermögen nachließ? Das konnte sie bei besten Willen nicht sagen. Um ehrlich zu sein hatte sie auch gar nicht damit gerechnet. Natürlich hatte sie den Morjaner ihren Vater versprochen und war auch bereit diesen an sie auszuliefern, doch um ehrlich zu sein hatte sie gar nicht erwartet, dass er sich hier aufhalten würde. Nicht mal ansatzweise. Sie war eher davon ausgegangen, dass man über einen der beteiligten Cerberus-Agenten den Aufenthaltsort ihres Vaters erfahren würde und so an ihn heran kommen würde. Das änderte alles und zwar zum Besseren – ganz besonders für sie.
 

„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte Miranda und versuchte dabei so gelassen wie möglich zu wirken.

„Wir warten. Andere Einheiten treten jetzt in Aktion und verfolgen ihren Kurs. Spezialeinheiten mit Landefähren stehen bereit und warten nur auf das Kommando. Einsatzteams werden die restlichen Truppen von Cerberus verfolgen. Alle Einheiten werden gleichzeitig zuschlagen. Seien Sie unbesorgt. Ihre Schwester wird diese Raumstation nicht verlassen.“, sprach Colvar trocken.

Miranda konnte nicht anders und blickte trotz allem dem Shuttle besorgt hinterher. Sie hoffte, dass er Recht behalten würde.
 

An Bord des Krankentransportes sahen sich die als Sanitäter verkleideten Cerberus-Agenten nervös um und starrten etwas ungläubig auf das dezente Chaos um sie herum. Keiner von ihnen hatte erwartet, dass sich dieser Tag so entwickeln würde. Als Henry Lawson sie darauf ansetzte eine seiner entlaufenen Töchter einzufangen hatte man sich dem nur widerwillig angenommen – selbst mit der Erklärung, dass sie eine Bedrohung für Cerberus Operationen darstellen könnte. Henry Lawson hatte bei Cerberus zwar die notwendige Autorität erhalten, das hieß jedoch nicht, dass man ihn völlig unbehelligt agieren ließ und informierte daher regelmäßig den Unbekannten. Was Cerberus im Moment am wenigsten gebrauchen konnte waren Mitglieder, die Mittel der Organisation für private Zwecke missbrauchten. Ihr Ziel, Oriana Lawson, wurden von der Zelle auf der Citadel, eine der am besten und längsten integrierten Zellen überhaupt, schnell ausfindig gemacht. Andere Zellen waren ihr zuvor schon recht nahe gekommen, doch sie war ihnen immer wieder ganz knapp erwischt. Nur dieses Mal hatte sie kein Glück. Es war eine einfache Nachlässigkeit, bedingt durch einen falsch verstandenen Familiensinn, der Oriana Lawsons Flucht ein Ende setzte. Eigentlich verlief der Einsatz sogar ausgesprochen unkompliziert, denn es war nicht das erste Mal, dass man auf diesen Weg Personen von der Citadel schaffte. Alles in allem war es in Routineeinsatz.
 

Alles verlief absolut nach Plan, nur womit keiner rechnete waren die Morjaner und was diese in der Zwischenzeit anstellen würden.
 

Die Auslöschung aller Keeper an Bord der Citadel?
 

Das war verrückt – selbst für sie.
 

War ein Zufall, dass die gerade jetzt diese Operation starteten?
 

Vielleicht nicht.

So sehr man die Morjaner auch als Verbündete im Kampf gegen die Reaper schätze, umso sehr wurden sie für die Auslöschung Illiums verachtet, noch stärker als die Kroganer. Daher behielt man sie genau im Auge. So häuften sich in den vergangenen Wochen und besonders in den letzten Tagen die Berichte über eigenartige Truppen- und Flottenbewegungen der Morjaner, die kaum Sinn ergaben und oftmals ohne Rücksprache mit den anderen Völkern erfolgten. Deren Geheimdienste konnten sich kaum einen Reim darauf machen. Manche spekulierten sogar über eine bevorstehende Großoffensive. Jetzt wurde auf brutale Art und Weise klar, was die Morjaner wirklich vorbereitet hatten.
 

Nein.
 

Es war kein Zufall, dass die Morjaner gerade jetzt diese Operation gestartet hatten. Viel mehr war es Cerberus gewesen die einfach zufällig in diese Operation hinein gestolpert waren. Etwas anderes konnte nicht der Fall sein, vor allem bei einem Einsatz dieser Größe. Etwas anderes durfte nicht der Fall sein. Glücklicherweise wussten die Morjaner nichts von deren Anwesenheit und waren anderweitig beschäftigt. Deren Aufmarsch war sogar eine umso willkommenere Ablenkung. So würde dieser Einsatz verborgen bleiben, genauso wie die Zelle auf der Citadel. Man könnte sogar weitere Erkenntnisse über die Morjaner erlangen. Wenn man sieht wie sie gegen die Keeper vorgingen, nur angeblich die Reaper zu treffen, dann könnte man meinen das ihr Kampf gegen die Reaper doch nicht so erfolgreich verlief, wie es deren Nachrichten- und Propagandadienste einen glauben lassen wollen.
 

So setzten die Cerberus-Agenten ihren Kurs fort und beobachteten wie auf dem Präsidium, den Promenaden, praktisch überall morjanische Soldaten herum hasteten, Keeper mit allerhand konventionellen Waffen zerschossen, oder in Stücke sprengten und deren Überreste von den Brücken, Terrassen und Balustraden auf den Platz darunter warfen.
 

Verrückt? Barbarisch? Vollkommen wahnsinnig? Mit Sicherheit – was war von Morjanern den schon anderes zu erwarten, doch letztendlich war es nicht das Problem von Cerberus. So setzte man ungestört seinen Flug fort in Richtung eines Frachtdocks, in er eine Firma einen Landeplatz besaß, der insgeheim von Cerberus mitgenutzt wurde. Diese Firma, ein Logistikunternehmen, wurde von deren Besitzer nur gegründet um einen Zugang zur Citadel zu bekommen. Nach außen hin gab es keine Verbindungen zu Cerberus. Man hatte sogar etliche fremde Spezies als Angestellte – turianische Wachen, Asari-Empfangsdamen, Volus-Buchhalter, sogar salarianische Kontrolleure – es war die perfekte Tarnung. Was nur eine sehr kleine, ausgewählte Anzahl an Personen wusste war, dass die Besitzer, allesamt natürlich Menschen, ehemalige Kolonisten von Shanxi waren, die während der turianischen Besatzung Familienangehörige verloren hatten. Sie waren nur kurz vor dem Erstkontaktkrieg auf Shanxi eingetroffen, waren während der Besetzung aus den betroffenen Städten geflüchtet und hatten sich in Wäldern und sonst wo versteckt. Aufzeichnungen über sie gab es nicht, oder waren vernichtet worden. Alles was sie wollten war an den anstehenden Ereignissen teilzuhaben, eine winzig-kleine Nebenrollo, etwas wovon man seinen Kindern später erzählen konnte: „Daran habe ich mitgewirkt.“
 

Mehr nicht.
 

Sie waren echte Patrioten.
 

So setzte der falsche Krankentransporter seinen Flug in Richtung der Docks fort und nach etwas mehr als fünf Minuten erreichte man sein Ziel, wo man direkt in einen separaten Ladebereich gelotst wurde. In dem Dock, der sich mehr als gewaltige Halle beschreiben ließ und sich kaum von den anderen Docks sonst wo auf der Citadel unterschied, hatte sich bereits eine kleine Gruppe an Arbeitern versammelt. Immerhin kam der vermeintliche Krankentransport nicht einfach so herbei, sondern man hatte ihn angefordert. Ein Verladearbeiter war, unter Missachtung so mancher Sicherheitsvorschriften, auf einen Container geklettert, um eine lose Transportsicherung zu richten und war dabei abgerutscht.
 

Natürlich war der Unfall inszeniert – zumindest weitestgehend, den der Verletzte war echt.
 

Idealerweise steuerten die Cerberus-Agenten zur „Überführung requirierter Personen“ ein nahes Lagerhaus an, wo man die betroffene Person in einem abgeschirmten Bereich in eine Transportkiste mit eigener Sauerstoffversorgung legte und sie so mithilfe eines ganz normalen Lieferwagens für den weiteren Transport zu dem Unternehmen brachte. Es würde mit Sicherheit auffallen, vor allem bei dem unwissenden Teil der Belegschaft, wenn hier allzu häufig ein Krankenwagen vorfuhr.

Nur dieses Mal war es anders. Dieses Mal blieb für solche Zwischenschritte keine Zeit und man legte sie während des Fluges schon in eine Kiste, die einem Sarg ähnelte. Henry Lawson hatte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er diesen gesamten Einsatz schnellstmöglich zum Abschluss bringen wollte – komme, was wolle. Da war er geradezu irrational unnachgiebig, trotz aller Bedenken über mögliche Folgen und Einschränkungen für Cerberus zukünftige Operationen auf der Citadel zum Trotz.
 

So erreichte der vermeintliche Krankentransporter sein Ziel und landete direkt in der Ladezone des Unternehmens, direkt neben einem Frachter, dem man sich mit dem Heck zugewandt hatte. Während sich die beiden falschen Sanitäter sofort nach dem am Boden liegenden Verletzten sahen, der von ein paar Kollegen betreut wurde, entlud der Fahrer des unbemerkt die Kiste mit der darin befindlichen und bewusstlosen Oriana, wobei ihm weitere Agenten halfen, die soeben aus dem geparkten Frachter zum Vorschein kamen. Gemeinsam packte man an und innerhalb von nur ein paar Sekunden, bevor es irgendjemanden auffiel, schaffte man diese besondere Fracht in den Frachtraum des Raumschiffes.

Dort fand der Fahrer, sehr zu seiner Überraschung, Henry Lawson, zusammen mit zwei Leibwächtern, höchstpersönlich vor.

„Sir?! Sie sollten nicht hier sein …“, begann der Agent, aber Lawson winkte direkt ab.

Irgendwelche Bedenken von irgendeinem Laufburschen, der unfähig war das große Ganze zu erfassen, interessierten ihn nicht – schon gar nicht wenn man nach so langer Zeit endlich vor der Erfüllung seiner Träume stand.

„Öffnen.“, befahl Lawson, dem die Agenten ohne weiter was zu sagen Folge leisteten, das Behältnis kurzerhand öffneten und die darin liegende Oriana offenbarten.

Als Henry Lawson seine bewusstlose Tochter sah, wie sie seelenruhig da schlief, als er ihr endlich wieder persönlich gegenüber stand und sie mit eigenen Augen ansehen konnte und nicht mehr, wie bislang, sie nur auf Fotos betrachten konnte, als er endlich eines seiner wichtigsten und äußerst persönlichen Ziele in greifbarer Nähe rücken sah, da schein es ihm so vorzukommen, als würde seine Atmung für einen Moment aussetzen. Keine Worte konnten erfassen wie glücklich er in diesem Moment war. Langsam näherte er sich seiner Tochter, ging neben ihr auf die Knie und streichelte ihr sanft über die Backe.
 

„Willkommen zurück, mein Kind.“, sprach er sanft.
 

Endlich hatte er seine Tochter wieder, seine richtige Tochter. Wer weiß mit wie vielen Lügen dieses undankbare Miststück Miranda sie vergiftet hat, sie gefügig gemacht hat. Technisch gesehen war Miranda ebenfalls seine Tochter, doch sie konnte sich nie wirklich als eine echte Lawson behaupten. Oriana dagegen standen noch alle Türen offen und Henry Lawson würde nichts unversucht lassen sie wieder auf den rechten Weg zurück zu führen, ganz egal wie schwierig, anstrengend, oder schmerzhaft es sein mag und am Ende würde sie ihm dafür dankbar sein, denn letztendlich war er nur ein Vater, der einzig und allein das Beste für sein Kind wollte.
 

„Macht sie für den Transport bereit. Wir fliegen sofort nach Horizon!“, befahl er, als er das Behältnis wieder schloss.

Eigenartigerweise stürmte keiner der Anwesenden Cerberus-Agenten los, um diese Anweisungen auszuführen.

„Das war ein Befehl!“, fauchte er die Umstehenden harsch an.

„Ähm.“, begann einer der Arbeiter zögerlich. „Das wird … gegenwärtig … nicht möglich sein …“

„Warum?!“

„Die Flugsicherung hat ein vollkommenes Startverbot erlassen … scheinbar auf Druck der Morjaner … sie drohen damit jedes Raumschiff abzuschießen, das vor dem Start nicht von ihnen persönlich auf die Anwesenheit von Keepern überprüft wurde.“

„Aber … das ist doch Wahnsinn! Die Keeper haben noch nie die Citadel verlassen! Ich glaube die können das noch nicht mal!“, tönte Henry Lawson.

„Diese Information scheint zu den Morjanern nicht wirklich durchzudringen … dahingehend sind sie etwas … stur.“

„DIESE BLEICHGESICHTIGEN HURENSÖHNE!!!“, fauchte Henry Lawson lautstark und seine Gedanken drehten sich beständig um die Frage, wie man am besten mit dieser Situation umgehen sollte – was leichter gesagt, als getan war.
 

Für ihn waren diese arroganten Albino-Bastarde am Anfang eine willkommene Ablenkung, nur genauso schnell hatten sie sich zu einem geradezu unüberwindbaren Hindernis entwickelt, das sich nicht einfach so aus dem Weg räumen ließ, sei es mit Geld, Anwälten, oder sogar Gewalt, wie er es sonst gewohnt war.
 

„SIR!“ kam plötzlich der Sanitäter panisch zur Laderampe gerannt, der sich eigentlich um den verletzten Arbeiter kümmern sollte.

„Was zum Teufel machst Du hier?!“, herrschte ihn sein Kollege an, denn damit gefährdete er durchaus die Tarnung und womöglich sogar die ganze Operation.

Der Sanitäter sagte nichts, sondern blickte panisch zur Seite und rannte im nächsten Moment völlig übereilt weg.

Ehe irgendjemand etwas sagen konnte erfüllte ein lautstarkes Dröhnen den Platz, wie als würde soeben ein Frachter mit schlecht gewarteten Antrieben einfliegen. Hastig sah man nach was da los war und musste mit Entsetzen feststellen, das soeben eine morjanische Raumfähre durch das Kraftfeld, welches das Dock vom kalten Vakuum trennte, gestoßen war und zur Landung ansetzte. Noch bevor die Fähre mit ihrem Fahrwerk komplett aufsetzte öffnete sich bereits dessen Heckrampe und sofort sprang ein ganzer Infanteriezug mit zehn morjanischen Legionären heraus. Mindestens drei weitere Trupps befanden sich noch an Bord und als die Fähre endgültig sicher gelandet war kamen auch diese heraus.
 

Henry Lawson atmete tief durch und versuchte mit dieser sich rasant verändernden Situation zurecht zu kommen. Es gab keine Ankündigung, geschweige irgendeine Vorwarnung, dass sie Besuch bekommen würden. Normalerweise regelte die Flugsicherung der Citadel den gesamten Flugverkehr in diesem System und die Verteilung der an- und abfliegenden Raumschiffe auf die jeweiligen Docks, wobei selbst die sich zumeist nach einen vorher ausgearbeiteten Flugplan zusammen mit den Transpondern der ins System einfliegenden Raumschiffe richtete, um den Verkehr so gut es ging zu koordinieren und Unfälle zu verhindern. Ein einfaches System, das von allen befolgt wurde. Die unerwartete Anwesenheit der Morjaner, sowie ihr unangekündigter Feldzug auf der Citadel heute stürzte da natürlich dieses ganze System ins Chaos.
 

Was keiner wusste war, dass die morjanischen Piloten den Transponder ihrer Fähre nie eingeschaltet hatten. Sie folgen einfach einigen anderen Fähren mit aktiven Transpondern, aber kurz bevor diese ihr Ziel erreichten drehte man bei und flog die Hülle der Citadel entlang bis zum Dock, wo sie unangekündigt landeten.
 

Verunsichert starrten Henry Lawson und der Rest der Angestellten den plötzlichen und massiven Aufmarsch an. Dutzende schwerbewaffnete Morjaner verließen die Fähre und schwärmten aus. Es war ein recht bunter Haufen. Uniformen in vielen verschiedenen Farben – schwarz, Grautöne, Grün-Camouflage, Dunkelblau – wie als hätte man verschiedenste Verbände wild zusammen gemischt. Die Arbeiter und Angestellten vor Ort hatte das alles ganz klar überrumpelt und viele wussten nicht mal ansatzweise, wie sie damit umgehen sollten. Natürlich gab es Protokolle, wie man sich beispielsweise im Fall einer plötzlichen Razzia durch die Citadel-Sicherheit, Steuerfandung, oder gar Spectres verhalten sollte, nur ob das auch bei den Morjanern funktionieren sollte wollte keiner ausprobieren.
 

„ALLE ZUHÖREN!!!“, brüllte ein Morjaner mit einem Megafon los und zog damit die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. „DAS IST EIN EINSATZ DER MORJANISCHEN STREITKRÄFTE!!! DIE SPEZIES DER KEEPER WURDEN ALS VERBÜNDETE DER KEEPER ENTTARNT UND EINE EXODUS-ORDER WURDE GEGEN SIE ERLASSEN!!! JEDER KEEPER WIRD STERBEN!!! WIDERSTAND WIRD NICHT GEDULDET UND MIT ABSOLUTER HÄRTE NIEDERGESCHLAGEN!!! MISCHEN SIE SICH NICHT EIN!!!“

Mit diesen Worten begannen die Morjaner in kompakten 5er-Trupps das Dock zu durchsuchen – Container, Frachter, Büros, einfach alles, nichts war vor ihnen sicher. So nahm sich ein Trupp auch jenen Frachter vor, in dem gegenwärtig noch das Behältnis mit Oriana lag. Im ersten Moment wollte der Trupp einfach vorbei laufen, doch als ihnen wohl die offene Frachtrampe, sowie die Versammlung darin auffiel verschafften sie sich kurzerhand Zugang und schoben dabei einen Arbeiter zur Seite, der sich ihnen in den Weg stellen wollte. Panisch hastete Henry Lawson wieder zurück, passierte die Morjaner und stellte sich schützend vor das Behältnis mit seiner darin liegenden Tochter.

„Aus dem Weg!“, befahl der morjanische Truppführer.

„Nein.“, hielt Henry Lawson dagegen, wobei seiner Stimme verriet, dass sein Mut rapide schwand.

Der Morjaner zog daraufhin seine Pistole und hielt sie ihm mitten ins Gesicht. Henry Lawsons Leibwächter hatten sofort selbst ihre Hände an ihren Waffen, doch ehe sie diese ziehen konnten blickten sie auch schon selbst in die Gewehrläufe der Legionäre, die bereits angelegt hatten.

„NICHT SCHIESSEN! NICHT SCHIESSEN!!!“, schrie Henry Lawson panisch herum, denn immerhin befand sich der Kern seiner zukünftigen Lawson-Dynastie genau mitten in der Schusslinie aller Beteiligten.

„Öffnen Sie diese Kiste!“, befahl der Truppführer und als Henry Lawson nicht sofort reagierte begann er mit seiner Pistole auf das Behältnis zu zielen. „Öffnen! Es wird keine weitere Warnung geben!“, drohte der Morjaner und für einen Moment hatte Henry Lawson das Gefühl als würde er mitten in die Augen eines Wahnsinnigen blicken.
 

Es war klar, dass er keine andere Wahl hatte und leistete dem Folge. Er drehte sich um, öffnete unter den wachsamen Augen der Morjaner das Behältnis und offenbarte ihnen so Oriana. Die Morjaner sahen sie mit einem absolut nichtssagenden Gesichtsausdruck an und irgendwie musste sich Henry Lawson wundern, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass so manches keinen Sinn ergab – nur was das war konnte er beim besten Willen nicht genau benennen.

„War das so schwer?“, fragte plötzlich der Truppführer und riss Henry Lawson damit aus seinen Gedanken.

„Wie bitte?“, musste er unweigerlich fragen und sah wie die Morjaner ihre Waffen senkten.

„DAS DA ist definitiv kein Keeper.“, sprach der Truppführer mit Blick auf Oriana. „Ist das so schwer zu verstehen?“

„Scheinbar schon.“, merkte ein anderer Morjaner an.

„Das ist ganz einfach. Die Keeper sind Verbündete der Reaper und müssen daher ausgelöscht werden …“

Lautstarkes Gewehrfeuer donnerte auf einmal durch das Dock und alle Anwesenden rissen ihre Köpfe in jene Richtung herum.

„Status?!“, rief der Truppführer in sein Funkgerät

„KEEPER!!! DUTZENDE!!! EIN GANZES NEST!!!“, kam die panisch klingende Meldung zurück.

Der Truppführer gab ein paar Handzeichen und ein Teil des ihn begleitenden Trupps rannte mit den Waffen im Anschlag los, während er selbst im gemächlichen Schritt den Laderaum verließ und sich draußen neben den Frachter stellte, um die Ereignisse aus sicherer Distanz zu beobachten. Normalerweise sollte Henry Lawson vorsichtiger sein, doch seine Neugier gewann die Überhand und anfangs etwas zögerlich verließ er zusammen mit den anderen Agenten ebenfalls den Frachter – immerhin fielen in einer versteckten Cerberus-Basis Schüsse.
 

Draußen sah man es derweil.
 

Weiter vorne, nahe dem angrenzenden Verwaltungsbereich, den man über einen breiten Flur einsehen und erreichen konnte und der als zentraler Durchgang durch das Unternehmen führte, hatte sich ein Dutzend Legionäre um eine simple Tür herum versammelt, wobei einer von ihnen mit einem Maschinengewehr aus der Hüfte heraus Dauerfeuer in den dahinter liegenden Raum gab. Nach ein paar Sekunden hatte er sein gesamtes Magazin leergeschossen und zog sich zurück. Ein anderer nahm sofort seinen Platz ein und gab mit seinem Sturmgewehr mehrere Salven ab, bevor er, zusammen mit den anderen Morjanern, mit aufgesetzten Bajonetten wild schreiend den Raum stürmte.
 

Henry Lawson konnte mit dem ganzen Schauspiel nicht viel anfangen. Es wirkte alles vollkommen verrückt. Für ihn, wie auch viele andere, waren die Keeper schlichtweg die allgegenwärtigen Hausmeister, die sich seit Jahrtausenden um die Instandhaltung der Citadel kümmerten und deren Präsenz man kaum noch wahrnahm. Cerberus war da nicht ganz so nachlässig und behielt diese Kreaturen genau im Auge, wenn immer sich in ihrer Nähe herumtrieben.
 

Letztendlich war es ein einfacher Administrator, einer mit Kontakten zur Führungsebene, der sich um den reibungslosen Ablauf sämtlicher legalen, sowie verdeckten Transporte kümmerte, der ihm die Augen öffnete.
 

„Komisch … das ist doch nur unser Archiv … Ich habe da drinnen noch nie einen Keeper gesehen.“, sprach der Administrator ganz beiläufig, als er hinzu stieß.
 

Henry Lawson nahm das für einen Moment einfach so auf und reagierte anfangs nicht. Dann machte er sich langsam Gedanken und sah sich genauer um. Alle Anwesenden hatten ihre Augen zumeist nur auf die Tür gerichtet, durch die der Trupp das Archiv gestürmt hatte. Kaum einer achtete auf all die anderen Morjaner.
 

In dem Moment erkannte er es.
 

Die Morjaner hatten sich überall strategisch positioniert – an sämtlichen Durchgängen und Notausgängen, nahe der Cockpits eines jeden Raumschiffes, ihnen war es sogar halbwegs gelungen die Arbeiter und Angestellten zu einzelnen Gruppen wie Vieh zusammenzutreiben, die sie selbst ganz dezent umzingelt hatten. Es fiel im ersten Moment gar nicht auf. Viele der Morjaner hatten sich scheinbar abgewandt, quatschten untereinander und redeten sogar ganz beiläufig mit den Mitarbeitern – simpler Smalltalk. Es wirkte alles so unscheinbar, doch Henry Lawson durchschaute es: Sie alle saßen in einer einzigen, gigantischen Falle, die nur darauf wartete mit unerbittlicher Härte zuzuschlagen.
 

Henry Lawsons Gedanken kreisten nun verzweifelt darum, wie er sich aus dieser Schlinge befreien konnte, die man ihm einfach so um den Hals gelegt hatte. Und obwohl er sich bemühte es zu verstecken, so verriet sein Gesichtsausdruck, die unterbewusste Anspannung darin, dass er das Spiel durchschaut hatte. Er realisierte wie der morjanische Truppführer längst neben ihm stand und ihn aus dem Augenwinkel heraus beobachtete.
 

Henry Lawson zuckte. Er wollte zurückweichen. Eine simple Fluchtreaktion – mehr unbewusst ausgelöst – mit verheerenden Folgen.
 

Ab da ging alles blitzschnell.
 

Der Morjaner schlug mit der Faust zu, ohne groß auszuholen, traf Henry Lawson dabei am Oberkörper und beförderte diese zu Boden. Augenblicklich rissen seine Leibwächter ihre Waffe hoch, doch bevor sie auch nur einen einzigen Schuss abgeben konnten wurden sie von etwas ergriffen, dass ihre Köpfe nach hinten zog und ihnen die Kehlen aufschlitze, aus denen sofort das Blut spritzte. Den Bruchteil einer Sekunde später kollabierten die Tarnfelder und offenbarte zwei morjanische Spezialeinheiten, die den Leibwächtern mit Messern die Hälse durchgeschnitten hatten. Mehrere dieser Trupps waren von Anfang an mit dabei gewesen und hatten sich dank Tarnfeldgeneratoren, die man in der Vergangenheit von Cerberus Phantom- und Schatten-Einheiten bergen konnte, unbemerkt in Position begeben und dann zugeschlagen.
 

Mit einem Mal wurde es im Dock laut.
 

Die Morjaner, die zuvor noch allesamt lässig dastanden, rissen schlagartig ihre Waffen hoch und brüllten den Angestellten und Arbeitern Befehle entgegen – in erster Linie dass sie sich hinlegen sollten. Für viele kam das völlig überraschend und unerwartet, sodass anfangs kaum einer reagierte. Die Morjaner hingegen waren nicht so geduldig und wurden direkt handgreiflich, schlugen zu, oder schossen dem ein, oder anderen kurzerhand in Arme, oder Beine, um zu zeigen, dass sie es ernst meinten. Den Großteil der Belegschaft hatten sie so im Griff und der Rest würde sogleich folgen. Die Morjaner verschafften sich gewaltsam Zutritt zu den Verwaltungsbereichen und scheuchten die dortigen Angestellten heraus. Weitere getarnte Trupps hatten sich längst nahe der Chefetagen und Räumlichkeiten der Führungspersönlichkeiten in Position begeben und schlugen ebenfalls zu. Sie töteten die Wachen, darunter sogar ein paar Turianer, die sich ihnen in den Weg stellen wollten, und schnappten sich so weitere Anführer hinter dieser gesamten Operation. Manche sogar bevor es ihnen gelang sich, beispielsweise mithilfe von Gift, selbst das Leben zu nehmen, zumindest bei den meisten gelang es. Andere versuchten ganz klassisch zu fliehen und rannten einfach davon. Das hielt nur kurz an. Man erschoss sie, was ausreichte, um auch gleich bei allen anderen jeden Gedanken an Flucht im Keim zu ersticken. Einer weiterer Arbeiter, völlig in Panik, rannte trotzdem los und schaffte es noch knapp bis vor den Eingang, bevor er von Kugeln durchsiebt wurde. Draußen, vor der Firma, hatten sich bereits ebenfalls Morjaner in Stellung begeben. Flucht war damit unmöglich geworden.
 

Manch einer könnte später sagen, dass die Toten diejenigen sein werden, die an diesem Tag noch Glück hatten.
 

Mit stechenden Schmerzen in der Brust versuchte sich Henry Lawson wieder aufzurichten, doch ein eisenharter Griff, der sich um seinen Hals legte, drückte ihn wieder zu Boden und er blickte in die eiskalten Augen des morjanischen Truppführers, der sich über ihn beugte. Kurz darauf trat ein weiterer Morjaner in sein Blickfeld und ehe er sich versah packte dieser ihn an seinem Kiefer und flößte ihm mit Gewalt mithilfe einer kleinen Flasche eine äußerst bitter schmeckende, klebrige Flüssigkeit ein. Henry Lawson versuchte diese Flüssigkeit mit aller Kraft wieder herauszuwürgen – vergebens. Er spürte wie diese sirupartige Substanz seinen Rachen entlang lief, sich in seinem Hals sammelte und ihm so die Luftzufuhr abschnitt. Verzweifelt versuchte er nach Luft zu schnappen – ebenfalls vergebens.

„Keine Sorge.“, vernahm er von einer der Morjaner. „Das ist erst der Anfang.“

Das war das letzte was er hörte, bevor ihn der anhaltende Sauerstoffmangel bewusstlos werden ließ.
 

Nur langsam erwachte Henry Lawson wieder aus seinem unfreiwilligen Schlaf und brauchte ein paar Sekunden bis sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Allmählich machte er mehrere Erkenntnisse: Er befand sich inmitten eines gräulichen, recht simpel wirkenden Raum, ohne jegliche ästhetische Besonderheiten. Seine Arme und Beine ließen sich nicht bewegen, da er scheinbar an sowas wie ein großes, X-förmiges Gestell gefesselt war, was man normalerweise nur aus perversen Sexspielen kannte, welches halbwegs aufrecht da stand. Seine Kleidung hatte er glücklicherweise noch an. Was ihm aber letztendlich die Ernsthaftigkeit seiner Lage klar machte war der Morjaner, der vor ihn trat. Er trug eine dunkelbraune Uniform, samt gleichfarbigen Mantel und Mütze und schwarzen, lederartig anmutenden Handschuhen, sowie ein Rangabzeichen, dass er selbst nicht einordnen konnte.

„Henry Lawson.“, begann der Morjaner mit einem Grinsen. „Wie schön, dass Sie endlich aufgewacht sind. Sie haben … lange geschlafen. Beinahe drei Stunden. Wir dachten schon Sie wachen überhaupt nicht mehr auf. Aber wo bleiben denn meine Manieren. Colvar Trashin, Repräsentant des Staatschutzes des Morjanischen Verbundes und Spezialist für Xeno-Verhöre.“

„Bitte.“, begann Henry Lawson ganz kleinlaut. „Da muss ein Irrtum vorliegen. Sie haben den Falschen.“

„Ach wirklich. Irgendwie glaube ich das nicht.“, fuhr Colvar fort und machte eine kurze Handbewegung, wie als würde er jemanden her zitieren.

Nacheinander traten weitere Personen vor, die scheinbar die ganze Zeit auf der anderen Seite des Raumes gewartet hatten. Es waren allesamt Morjaner, nur halt die letzten beiden nicht. Henry Lawsons Mund klappte regelrecht auf, als er Miranda und Oriana erkannte, die vor ihn traten. Die beiden trugen einen orangefarbenen Chemikalienschutzanzug, bei denen man dank großzügiger Visiere problemlos die Gesichter erkennen konnte.

„Hallo … Vater.“, sprach Miranda, wobei sie besonders das Wort „Vater“ äußerst abwertend betonte.

„Miss Lawson, können Sie diese Person zweifelsfrei identifizieren?“, fragte Colvar ganz rhetorisch.

„Ja, das ist Henry Lawson, eines der führenden Mitglieder von Cerberus und einer ihrer wichtigsten Unterstützer.“, bestätigte Miranda.

„Wunderbar …“, wollte Colvar fortfahren, nur da explodierter Henry Lawson regelrecht – natürlich nur im übertragenen Sinne.

„DU MIESE, KLEINE HURE!!! WAS HABE ICH NICHT ALLES FÜR DICH GEOPFERT!!! UND SO DANKST DU ES MIR!!! JETZT ZIEHST DU SOGAR DEINE SCHWESTER DA MIT HINEIN!!! IST NICHT MAL SIE VOR DEINEM GIFT SICHER?!!!“

„Das einzige was Du je für uns geopfert hast war Geld, sonst nichts! Weder Zuneigung, noch Schweiß, oder richtige Zeit! Für Dich waren wir doch kaum mehr als ein Statussymbol!“, erwiderte Miranda.

Daraufhin versuchte Henry Lawson Miranda anzuspucken, wobei er aber aufgrund der Entfernung nur knapp den Boden vor ihr traf. Nun wandte er sich Oriana zu.

„UND DU! DAS HIER KANN DOCH SICHER NICHT DAS SEIN, WAS DU WIRKLICH WILLST! ICH BIN DEIN VATER!“

Oriana zeigte sich davon recht unbeeindruckt.

„Und Miranda ist meine Schwester. Sie hat sich bislang weitaus stärker für mich eingesetzt als Du. Das einzige was Du bislang getan hast war mir mein Leben zur Hölle zu machen. Uns wie Tiere zu jagen. Da magst mein Vater sein … daran kann ich leider nichts ändern … aber Du … Du wirst nie Teil meiner Familie sein.“, erklärte Oriana und blickte zu Miranda.

Zu sagen dass Henry Lawson in diesem Moment die Welt nicht mehr verstand mochte eine klare Untertreibung sein – zumindest sein völlig entsetzter Gesichtsausdruck zeigte das ausgesprochen deutlich.
 

Miranda musste zugegeben, dass es ausgesprochen interessant war aus nächster Nähe mitanzusehen wie die Morjaner arbeiteten. Besonders fiel ihr auf wie offen und freundlich die sich ihr gegenüber verhielten. Das entsprach so gar nicht dem, was man in Vergangenheit so gehört hatte. Direkt nachdem die Morjaner ihre Ablenkung gestartet hatten und Cerberus unbemerkt ihre Schwester entführt hatte, führte Colvar sie zum Präsidiumsplatz. In einem nahen Durchgang standen weitere Morjaner, die ihr einen schwarzen Mantel, Schutzweste, Gasmaske, Helm und Sturmgewehr gaben. Es war eine sehr improvisierte Verkleidung, die jedoch nicht minder effektiv war, wenn es darum ging ihre Identität zu verbergen. Als dann eine weitere Fähre landete und weitere Soldaten ablud bestiegen sie diese im gleichen Zug und flogen zum Kreuzer, der sich zwischen die Citadel geschoben hatte. An Bord kamen sofort ein paar Crewmitglieder auf sie zu und Miranda musste erneut die Kleidung wechseln. So bekam sie nun einen Chemikalienschutzanzug mit eigener Sauerstoffversorgung. Das war in erster Linie eine Maßnahme, die ihrem Schutz galt. Biologische Forschung, ganz besonders in Bereichen in Bereichen von biologischer Kriegsführung, sowie speziesübergreifende Übertragung von Krankheiten war von den Morjaner lange Zeit vernachlässig worden, weil ihr unnatürlich starkes Immunsystem dies bislang unnötig machte. Da niemand genau sagen konnte, ob an Bord der morjanischen Raumschiffe nicht irgendwelche Keime, oder Viren kursierten, die für andere Spezies potentiell gefährlich sein konnten, wollte man kein Risiko eingehen. Inwiefern die Morjaner das handhabten, wenn sie selbst die Citadel besuchten, bekam Miranda nicht mit. Vielleicht hatten sie doch eigene Möglichkeiten zu Dekontamination. An Bord des Kreuzers begleitete sie Colvar zu einem Kommandozentrum, von wo dem aus der Einsatz auf der Citadel koordiniert wurde. Sie kam genau in dem Moment, als die morjanischen Fähren in dem Dock landeten, von wo aus Orianas Weitertransport erfolgen sollte. Hierbei stand sie den Morjanern mit Rat und Tat zur Seite und wies sie beispielsweise auf Notausgänge, oder mögliche, versteckte Fluchtrouten hin, während sie den Einsatz gespannt verfolgte. In keinem Moment verzog sie eine Miene, weder als sie ihre Schwester in dieser sargähnlichen Kiste liegen sah, oder als die Morjaner die Falle letztendlich zuschnappen ließen. Erst als von den Truppen am Boden die Entwarnung kam atmete sie erleichtert auf. Von da an ging alles sehr schnell. Man lud Oriana sofort in die erste Fähre, betreute sie medizinisch und brachte sie an Bord des Kreuzers, wo man sie ebenfalls in einen Schutzanzug steckte. Miranda konnte gar nicht ausdrücken wie glücklich sie war, als Oriana schon kurz darauf verschlafen die Augen öffnete. Natürlich war sie anfangs etwas schwach auf den Beinen, leicht orientierungslos und selbst der Schutzanzug, in dem sie sich wiederfand, ängstigte sie zunächst. Das alles verflog ausgesprochen schnell, als sie Miranda vor sich erkannte. In der Zwischenzeit hatte man all die anderen Gefangenen an Bord gebracht und in hastig hergerichtete Verhörzimmer gebracht.
 

Gut eine halbe Stunde später standen Miranda und Oriana nun da und starrten ihren sogenannten „Vater“ an.
 

„Vielen Dank“, sprach Colvar mit einem Grinsen und zog damit wieder die ganze Aufmerksamkeit auf sich. „Damit sollte dieses … Missverständnis mit der Identität … geklärt sein. Es wird Zeit das wir uns nun um das … Geschäftliche … kümmern … das sagt man doch so bei ihnen, oder?“, fuhr Colvar fort und blickte zu Miranda und Oriana, die lediglich mit den Schultern zuckten. „Na egal … Hier ist mein Angebot: Sie geben Ihr gesamtes Wissen über Cerberus an uns weiter, und zwar absolut alles. Ohne Einschränkungen. Im Gegenzug bieten wir Ihnen einen schnellen und schmerzlosen Tod.“

Henry Lawson blickte überrascht, wie geschockt drein. Besonders erschreckend war zu einem wie gelassen dieser Morjaner sein Angebot vortrug – wie als würde er jemandem eine Einkaufsliste vorlesen, und zu anderem das seine beiden Töchter dabei nicht mal mit der Wimper zuckten.

„Was … was für ein Angebot ist das denn?! Sind sie verrückt?! Warum sollte irgendjemand darauf eingehen, ja sowas überhaupt in Betracht ziehen?!“, tönte Henry Lawson aufgebracht.

„Naja.“, schmunzelte Colvar. „Entweder das, oder ich schneide diese Informationen höchstpersönlich aus Ihrem Gehirn heraus und nein, das ist keine Redewendung. Kurz gesagt: Wenn Sie sich weigern wird es äußerst schmerzhaft und am Ende sterben Sie trotzdem.“

Henry Lawson starrte den Morjaner mit offenem Mund einfach nur an.

„Ich verlange meinen Anwalt! Sofort!“, begann er.

„Gerne. Wir haben bereits eine Zelle für ihn hergerichtet. Wir verhören ihn dann nebenan.“

„Dazu haben sie kein Recht!“

Colvar blickte grinsend zu Miranda und Oriana, die wieder lapidar mit den Schultern zuckten.

„Er hat definitiv Probleme das volle Ausmaß der Lage zu erfassen, in der er sich befindet.“, merkte Miranda an.

„Sein Ego tut ihm dabei auch keinen Gefallen.“, ergänzte Oriana beiläufig.

„Ich weiß nicht ob Sie verstehen was Sie erwartet, wenn Sie nicht kooperieren. Wir werden Sie foltern. Auf Arten und Weisen, die Sie sich nicht mal in Ihren schlimmsten Träumen vorstellen können. Dabei werden Sie zweifelsohne sterben. Dann holen wir Sie wieder zurück zu den Lebenden und wiederholen das Ganze von vorne. Sie sollten wissen … es gibt da einen Rekord, den wir während des Argos-3-Krieges aufgestellt haben. Während eines Verhörs wurde eine Asari-Söldnerin insgesamt 24-mal wiederbelebt, bevor selbst unsere Möglichkeiten erschöpft waren. Zugegeben … sie hat recht schnell erzählt was wir wissen wollten … was danach folgte … wie soll ich es ausdrücken … diente dazu Maßstäbe und Niveaus festzusetzen. Ich glaube nicht das ich mit Ihnen einen neuen Rekord aufstelle, aber … mal sehen. Das ist unser Angebot: Sie reden, oder Sie leiden.“, erkläre Colvar mit einem geradezu diabolischen Grinsen.

Das Entsetzen stand Henry Lawson mitten ins Gesicht geschrieben. Und in seiner Verzweiflung holte er zu einem letzten Rundumschlag aus. Wenn er schon untergehen würde, dann sollten ihm andere ebenfalls folgen.

„SIE GLAUBEN WIRKLICH SIE WISSEN MIT WEM SIE SICH DA EINGELASSEN HABEN?! MEINE UNDANKBARE TOCHTER WAR EINST SELBST EIN HOCHRANGIGES MITGLIED VON CERBERUS!!! SIE BEKAM BEFEHLE DIREKT VOM DEM UNBEKANNTEN!!! SIE MÜSSTE HIER HÄNGEN!!! NICHT ICH!!!“

Henry Lawsons Tirade hatte, wie dieser kurz darauf selbst feststellte, nicht den gewünschten Effekt. Eher das Gegenteil, den die Morjaner und seine Töchter schmunzelten nur. Vor allem Colvar grinste über beide Backen.

„Miss Lawson hier hat uns bereits umfassend über Cerberus informiert, vor allem über ihre eigene Position und Funktion in der Organisation. Aber eine Sache ist eigenartig. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendeiner von uns den Unbekannten je erwähnt hat. Sie dagegen scheinen ihn wohl zu kennen. Und scheinbar scheinen Sie sich auch mit den internen Vorgängen bei Cerberus sehr gut auszukennen. Nebenbei Danke, das Sie uns soeben bestätigt haben, dass Ihre Tochter nicht mehr im Dienste von Cerberus steht und das Sie uns Ihre eigenen Verbindung zu Cerberus soeben bestätigt haben. Wir wussten es vorher schon, aber es ist immer schön, wenn man andere Quellen zur Bestätigung hat. Nun gut … ich will mal nicht so sein. Ich gebe Ihnen jetzt einen kleinen Vorgeschmack, wie der letztes Rest Ihres Lebens aussehen wird.“

Mit diesen Worten veränderte sich Colvars Gesichtsausdruck schlagartig. Wirkte er bis eben noch heiter und erfreut, so trat nun etwas ausgesprochen kaltes und düsteres zum Vorschein. Unter seinem Mantel zog er ein Kampfmesser hervor und ging direkt auf sein Opfer zu.

„Rechte Hand.“, waren Colvars Worte, er ausholte.

„Nein! Nein!!! NEIN!!!“, schrie Henry Lawson, als er das Ausholen des Messers sah.

Er kniff die Augen zu, wandte den Kopf ab und versuchte sich auf das Bevorstehende vorzubereiten.
 

Nichts half.
 

Mit einem Schlag jagte ein Schmerz durch seinen Körper, der sich mit nichts vergleichen ließ, was er je erlebt hatte. Jede einzelne Faser seines Körpers brannte regelrecht. Es fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag, der von oben nach unten durch ihn hindurch schoss und dabei jegliche Nervenbahnen verschmorte. Genauso schnell wie der Schmerz kam ging er auch wieder. Schwer atmend ließ Henry Lawson den Kopf hängen, während ihm kalter Schweiß über die Stirn lief. Nur langsam blickte er auf und sah die anderen Anwesenden an. Die Morjaner zeigten keinerlei Regung. Selbst seine Töchter waren unerwartet ruhig. Miranda betrachtete das alles mit kalter Gleichgültigkeit. Selbst Oriana hielt zwar die Hände vor den Mund, doch ihre weit aufgerissenen Augen spiegelten in erster Linie Überraschung wieder – mehr nicht.

„Ist es das was ihr wollt? So soll es also enden?“, keuchte er.

„Nicht ganz. Schauen Sie mal nach Ihrer Hand.“, sagte Colvar

„BASTARD!!!“

„Wirklich …“

„Verdammtes Monster!“

„Ich meine es ernst. Sie führen sich auf als ob ich Ihnen ein Körperteil abgehackt habe. Sie sind noch immer in einem Stück … noch.“

Henry Lawson wollte nicht nachschauen, doch am Ende tat er es trotzdem – eine sehr perverse Form von Neugier war einfach zu groß. Er neigte den Kopf zur Seite und brauchte einen Moment um zu verstehen was er da sah. Seine rechte Hand war weiterhin an Ort und Stelle, fast an seinem Arm, da wo sie auch hingehört, und weiterhin fixiert in dem Gestell. Überraschend war das Messer zu sehen, was knapp über den Hand in der Vorrichtung steckte.

„Was …?“, murmelte er leise und blickte sofort umher.

Seine linke Hand war ebenfalls noch da, genauso wie seine Füße und jegliche anderen Gliedmaßen.

„Aber wie … was?“

„Sie sollten wissen, dass unsere Nanotechnologie ausgesprochen fortschrittlich ist. Ganz besonders im medizinischen Sektor. Aber sie kann auch für so viel mehr eingesetzt werden. In den letzten Monaten hatten wir genug Gelegenheiten die Einsatzmöglichkeiten massiv zu erweitern und zu optimieren und, welch Überraschung, der Staatsschutz fand ebenfalls ein paar äußerst interessante Anwendungsmöglichkeiten. In diesem Moment befinden sich in Ihrem Körper Millionen mikroskopisch kleiner Nanomaschinen, die sich an Ihren Nervenbahnen festgesetzt haben. Vor allem an den Rezeptoren für das Schmerzempfinden. Schon blöd, wenn man sowas hat. Was Sie soeben gespürt haben war nicht mehr als ein paar winzig kleine Stromschläge, angesetzt an den richtigen Stellen. Ich hoffe Sie begreifen endlich in welcher Lage Sie sich befinden. Wir greifen Ihr Nervensystem direkt an. Es ist egal wie gut Sie ausgebildet wurden. Es ist egal wie hart Sie trainiert haben. Es ist egal wie sehr sie sich vorbereitet haben. Sie sind uns vollkommen ausgeliefert. Wir bearbeiten Sie solange bis Sie kaum mehr als sind als ein vollkommen ausgebranntes Stück Fleisch, das rein gar nichts mehr spürt. Dann erst lassen wir Sie sterben. Aber das muss nicht sein. Reden Sie und Sie können sich all das ersparen.“

Henry Lawson hang einfach nur da und sagte nichts. Er weigerte sich weiterhin dass das hier wirklich das Ende sein sollte.

„Sie sollten eins wissen.“, fuhr Colvar fort. „Ich persönlich bevorzuge chirurgische Präzision. Ich habe es nicht nötig meine Arbeit mit irgendwelchen stumpfsinnigen Rekorden zu schmücken.“

„Du mieser Skop.“, vernahm man kurzerhand und Mirandas Blick fiel auf eine wütend dreinblickende Morjanerin neben ihr, die dieselbe bräunliche Uniform des Staatsschutzes trug, ein Datenpad in den Händen hielt und ihre blass-grauen Haare zu einem Zopf zusammen gebunden hatte.

Colvar gab daraufhin nur ein leises „Mh.“ von sich

„Es ist egal.“, murmelte Henry Lawson und versuchte ein letztes Mal allen Widrigkeiten zu trotzen. „Es ist egal was sie hier erreichen. Es hat sich bestimmt längst herum gesprochen was auf der Citadel passiert ist und somit sind alle Informationen die ich Ihnen bitten könnte längst wertlos. Sie können mich genauso gut hier und jetzt erschießen. Es würde keinen Unterschied machen. Tja … vielleicht wenn sie längst mit dem Verhör angefangen hätten … etwas weniger reden … vielleicht wäre dann noch etwas Hilfreiches für sie herum gekommen. Aber so …“

Daraufhin konnte sich Henry Lawson ein hämisches Grinsen nicht verkneifen. Das wiederrum hielt nur solange an, bis er merkte wie sehr die Morjaner nun grinsten.

„Da haben Sie Recht. Allerdings nicht, wenn Sie tot sind.“, sprach Colvar und hielt neben sich die Hand auf.

Sofort kam die Morjanerin mit dem Zopf auf ihn zu und reichte ihm das Datenpad.

„Du darfst heute Nacht auf dem Teppich schlafen.“, entgegnete diese nebenbei leise, dennoch laut genug das es alle anderen hören konnten.

„Was sagst Du dazu, wenn ich Dich auch mal ran lasse.“

Die Morjanerin sah Henry Lawson an und hatte auf einmal ein Grinsen drauf, das selbst gestandenen Söldnern einen kalten Schauer über den Rücken jagen konnte.

„Schon mal ein Anfang.“

Colvar tippe kurz auf dem Datenpad herum und zeigte es dann Henry Lawson.

„Das ist vor kurzem im Extranet gelandet.“

Darauf war in Video zu sehen, dessen Qualität gerade so als passable durchgehen würde, wahrscheinlich aufgenommen mit einem simplen, zivilen Universalwerkzeug und etwas verwackelt war. Erkennen konnte man trotzdem genug. Vor allem Henry Lawson erkannte genug. Man sah einen Trupp morjanischer Legionäre, die vor dem Transportunternehmen stand und sich in ihrer eigenen Sprache unterhielten. Vor ihnen lag ein zerschmetterter Keeper, während ein paar der Morjaner Schwerter und Feldspaten in Händen hielten. Dann fielen Schüsse. Der Truppführer ergriff sein Funkgerät und rief herum. Die restlichen Soldaten hielten ihre Gewehre in Bereitschaft und blickten scheinbar wirr umher. Im nächsten Moment rief der Truppführer einen unverständlichen Befehl und die Morjaner zielten auf den Eingang des Transportunternehmens. Dann schossen sie. Ganze Salven durchsiebten einen Arbeite, der fliehen wollte und kurz dahinter noch eine weitere Person.
 

Colvar pausierte das Video und zoomte heran. Man sah nur den Oberkörper und das Gesicht einer zu Boden fallenden Person - Henry Lawson selbst.
 

Der Blickwinkel der Aufnahme gab nicht mehr her, doch es war genug. Er sah seinen eigenen Tod. Es war eine verdammt gute Fälschung. Jetzt endlich erkannte er, dass wirklich alles verloren war. Wenn man ihn für tot hielt, dann würde Cerberus sehr wahrscheinlich kaum Anstrengungen unternehmen um seine Tätigkeiten weiter zu verschleiern, vor allem in den gegenwärtig äußerst kritischen Phasen einiger Projekte.
 

Miranda hatte ihren Vater noch nie in diesem Zustand gesehen. Tausend Worte konnte nicht mal ansatzweise die Verzweiflung in seinem Gesicht beschreiben. Sie sah einen Mann, vor dessen Augen jegliche Träume, sein gesamtes Lebenswerk, absolut alles, einfach zerbrach.
 

Und er konnte nichts dagegen tun.
 

Es war herrlich.
 

„Es wird Zeit das wir anfangen.“, sagte Colvar mit ernster Miene. „Anni, übernimmst Du kurz für mich? Ich muss mich noch um unsere Gäste kümmern.“

Die Morjanerin mit dem Haarzopf nickte glücklich und begann ihren Mantel auszuziehen, während Colvar, begleitet von einem anderen Morjaner, zusammen mit Miranda und Oriana den Raum verließen und gemeinsam den Gang entlang liefen. Kurz bevor sich die Tür hinter ihnen schloss vernahmen sie einen schrillen Schrei.

„Sie geht direkt ran.“, murmelte Colvar.

„Was?“, frage Miranda.

„Anni, meine Lebensgefährtin. Was für eine Frau. Bei solchen Verhören läuft sie immer zur Höchstformen auf. Durch ihre Arbeit mit Aliens hat sie eine ganz besondere Eigenschaft bei sich entdeckt. Sie versteht es anderen Schmerzen zuzufügen. Das genießt sie regelrecht“

„Ich glaube ich weiß was Sie meinen. Wir nennen das Sadismus.“, erklärte Miranda.

„Mh. Mein Übersetzter hat eben sowas wie einen Aussetzer gehabt. Das Wort eben kommt bei mir nur in ihrer Sprache an. Ich vermute mal das die morjanische Sprache dazu kein gleichwertiges Gegenstück kennt.“

„Naja, ich bin nur froh, dass das hier endlich vorbei ist. Endlich etwas Ruhe.“, murmelte Oriana, die jetzt selbst erst erleichtert aufatmete.

„Ja, für euch ist es jetzt endlich vorbei.“, wiederholte Colvar, während sie den Gang entlang schritten.
 

Bei diesen Worten blieb Miranda schlagartig stehen und die anderen taten es ihr gleich. Miranda sah sich um und erfasste nun die Situation in der sie sich selbst befand.
 

Lange, graue Gänge zogen sich durch das ganze Schiff. Alle paar Meter standen an den Seiten Stahlträger hervor, Teile der Schiffsstruktur und Elemente von schweren Panzertüren. An den Seiten hingen Hinweisschilder und auf dem Boden waren Linien und Pfeile in verschiedenen Farben aufgezeichnet, um sich in diesem undurchsichtig anmutenden Labyrinth zu orientieren – vorausgesetzt man versteht Morjanisch. Und überall waren Wachen. Marinesoldaten, ausgerüstet mit vollautomatischen Waffen, patrouillierten durch die Gänge und standen paarweise vor jeder Tür. Es gab keine Fluchtmöglichkeit. Sie befanden sich an Bord eines morjanischen Raumschiffes und hatten Einblicke in eine geheimdienstliche Organisation und dessen Arbeitsweise bekommen. Keine guten Voraussetzungen für ein langes und friedliches Weiterleben.

Miranda hätte damit rechnen müssen. Sie war schon zu lange in diesem Geschäft tätig. Sie hätte sich darauf vorbereiten müssen. Solche Deals, die viel zu gut sind um wahr zu sein, haben immer irgendeinen Harken. Wahrscheinlich hat die schwesterliche Liebe zu Oriana und die allgemeine Verzweiflung ihr Urteilsvermögen getrübt.
 

Sie sah wie Colvar sie mit einem Lächeln ansah, das sie überhaupt nicht einordnen konnte. Als sie merkte wie seine rechte Hand anfing sich zu bewegen kniff sie die Augen zu und wandte den Kopf ab, wobei sie selbst ein geradezu jämmerlich fiependes Geräusch von sich gab.
 

„Bei Ihnen alles in Ordnung?“, fragte Colvar nach einiger Zeit.

Miranda öffnete wieder ihre Augen und blickte einen ausgesprochen irritiert drein blickenden Morjaner an, der ihr die Hand entgegenstreckte.

„Ich … verstehe nicht … was …“, stotterte sie leise.

„Ich wollte euch beiden die Hand schütteln. Macht man das nicht so … als ein Zeichen für Dank? Ich wollte euch beiden für eure Hilfe danken.“

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Miranda Colvar an. Das entsprach so gar nicht dem, was sie bis vor einen Moment noch erwartet hatte.
 

Ihr wurde allmählich eines klar: Sie waren wirklich in Sicherheit.
 

Auf einmal konnte Miranda ihre Gefühle nicht mehr im Zaum halten. Sie fing an zu weinen, schlug die Hände ins Gesicht und versuchte so den Tränen Einhalt zu gebieten – was nicht so ganz klappe, da sie noch immer in dem Schutzanzug steckte.

„Miri, was hast Du?“, fragte ihre sichtlich besorgte Schwester.

„Habe ich … irgendetwas Falsches gesagt? Wenn ja, dann tut es mir aufrichtig leid. Das war keine Absicht.“, ergänzte der ebenso besorgte Colvar.

Miranda brauchte einen Moment bis sie sich wieder beruhigt hatte.

„Nein, nein … es ist … ach verdammt … ich dachte wir würden gleich sterben.“

„Was?“, kam es ganz leise von Colvar.

„Ich dachte … Sie würden uns jetzt töten.“

„Aber … warum sollten wir sowas tun?“, fragte Colvar, der nun völlig entgeistert da stand.

„Weshalb wohl … wir haben gesehen wir sie arbeiten … wie ihre Leute arbeiten … ihr Geheimdienst … wir haben Technologien gesehen … und ich bin eine ehemalige Cerberus-Agentin … ich weiß einfach nicht … das alles zusammen genommen …“

„Aber …“, begann Colvar, bevor er sich mit der Hand übers Gesicht fuhr und tief durchatmete. „Miranda, Du und Deine Schwester haben heute einen Beitrag dafür geleistet, dass der Verbund gegen Cerberus vorgehen kann. Sehr wahrscheinlich sogar entscheidend. Ihr habt euer Leben riskiert und das ohne einen materiellen Gegenwert zu fordern. Dafür sind wir euch dankbar. Wir hintergehen nicht einfach so jene die uns helfen … die ihren Teil einer Abmachung erfüllen … die ihren Teil der Arbeit mehr als zufriedenstellend erledigen … das ist nicht die morjanische Lebensart … nun gut, wir töten auch niemanden der seine Arbeit unbeabsichtigt schlecht macht.“

„Es tut mir leid. Ich bin einfach schon zu lange in diesem Geschäft.“

„Was läuft in eurer Gesellschaft nur falsch?“, wunderte sich Colvar und kratzte sich am Kopf.

„Nun gut. Was passiert jetzt … mit uns und so?“, fragte Miranda, nachdem sie tief durchgeatmet hatte.

„Ihr verbleibt vorläufig noch hier an Bord. Zwei bis vier Tage maximal. Zu eurer eigenen Sicherheit. Wir führen unterdessen weiter unsere Verhöre und dann schlagen wir hart gegen Cerberus zu. Danach setzen wir euch auf einem Planeten eurer Wahl ab. Oder eine Raumstation. Was euch halt lieber ist. Da bleibt nur noch eine, kleine Sache.“

„Und die wäre?“

Daraufhin streckte Colvar erneut die Hand aus und hielt sie Miranda hin. Sie betrachtete kurz die Geste, dann ergriff sie selbst die Hand und schüttelte sie.

„Danke.“, sprach Colvar. „Das meine ich ernst. Danke. Ohne euch beide hätten wir wahrlich einen anderen Stand.“

„Ich habe nur getan was ich tun musste.“

„Ganz egal was Deine Gründe waren der Morjanische Verbund wird jene, die ihm wohl gesonnen sind, nie im Stich lassen.“

Miranda lächelte und nickte. Als sie sah wir Colvar auch Orianas Hand schüttelte fühlte sie sich zum ersten Mal seit langer wirklich sicher.

„Ich muss mich jetzt verabschieden. Euer Vater und ich haben noch einen Termin. Sie wissen ja was.“

„Na dann … viel Spaß.“, witzelte Miranda.

„Anni ist die, die das genießt. Ich macht nur meine Arbeit. Tonn.“, sagte Colvar und wandte sich an den anderen Morjaner, die ihnen bislang still und leise gefolgt war. „Das ist mein Adjutant. Bitte begleite die beiden zu den Unterkünften, die wir hergerichtet haben. Sorg dafür, dass sie alles haben was sie brauchen.“

Der Morjaner salutierte und wies mit einer Handbewegung die beiden Lawson-Geschwister an ihm zu folgen, was diese auch taten.

„Einen Moment noch.“, begann Miranda. „Nur eine kurze Frage: Sie hatten urplötzlich angefangen uns zu duzen. Warum?“

„Habe ich das wirklich?“, wunderte sich Colvar und blickte zu seinem Adjutanten, der das mit einem Nicken bestätigte. „Mh. Das war dann wohl unbewusst. Im Prinzip ist das … ein Zeichen von Respekt, von Anerkennung. Und wenn ich so darüber nachdenke … Ihr habt euch das wirklich verdient.“

„Danke … viel Erfolg.“, sprach Miranda und dann gingen sie getrennte Wege.
 

Colvars Adjutant führte die beiden Lawson-Geschwister zu einem nahen Aufzug und er selbst ging zurück zum Verhör von Henry Lawson. Er zog seinen Mantel aus und legte diesen über seinen Arm. Aus einer Hosentasche holte er eine Schachtel mit Ohrstöpseln, denn er wusste die würde er brauchen. Ihm selbst waren solch intensive und invasive Befragungen von Aliens stets unangenehm. Vor allem wenn seine Lebensgefährtin persönlich Hand anlegte. Die Verhörten kreischten dabei immer in unerwartet hohen Tonlagen, die äußerst unangenehm waren.

Zum Glück gab es ja Ohrstöpsel.

Wie Anni selbst das aushielt konnte er nicht verstehen. Noch so ein Talent von ihr. Vielleicht genoss sie es auch. Eigentlich hatte sie bei dem Staatschutz als einfache Stenographin angefangen und hatte während des Argos-3-Krieges die Verhöre gefangener Aliens dokumentiert. Doch sie war mit dem was sie dabei erlebt unzufrieden. Und so fing sie irgendwann den beteiligten Agenten Tipps zu geben. Das ging so weit, dass sie selbst mal Hand anlegen sollte, um zu zeigen ob sie es tatsächlich besser konnte.
 

Was folgte?
 

Sie häutete und filetierte einen Batarianer bei lebendigem Leib vor den Augen seiner entsetzten Kameraden.
 

Da sie in jungen Jahren stets in der Metzgerei ihrer Eltern ausgeholfen hatte fiel ihr der Umgang mit Messern ausgesprochen leicht.
 

Seither hat sie sich zu einer wahren Koryphäe auf diesem Gebiet herauf gearbeitet.
 

Das Problem dabei: Informationsbeschaffung durch Folter war, bevor man auf die Citadel-Völker traf, nie im Morjanischen Verbund praktiziert worden. Es gab keine Erfahrungswerte. Vieles musste man sich erst selbst erarbeiten. Zudem kamen immer wieder Fragen über die Zuverlässigkeit der erlangten Informationen. Worauf Colvar hoffte, dass wenigstens die sichergestellten Unterlagen, Computer und Flugdatenschreiber etwas Verwertbares hergaben.
 

Um die Lawson-Geschwister trauerte Colvar regelrecht. Das Miranda für einen Moment wirklich geglaubt hatte man wolle sie nach erfolgreich abgeschlossener Arbeit töten verletzte ihn – sehr sogar. Alles was er den beiden erzählte hatte er ernst gemeint. Doch er war nur bedingt enttäuscht – in erster Linie sorgte er sich um sie. Wer weiß. Wenn er dieselben Erfahrungen gemacht hatte würde er dann ähnlich reagieren? Ein beunruhigender Gedanke. Er hoffte dass Miranda und ihre Schwester nun wirklich etwas Ruhe und Frieden finden konnten.
 

Colvars nächster Gedanke galt nun ausschließlich Henry Lawson.
 

Er wusste es nicht, aber das Verhör hatte schon in dem Moment begonnen, als das erste Wort gesprochen wurde. Das ganze Gespräch davor diente zu einem als psychologische Folter und zu anderem sollte es helfen ein psychologisches Profil zu erstellen. Henry Lawson war ein größenwahnsinniger Egomane, der sich für unantastbar hielt, grob gesagt, also machte man ihm die Ausweglosigkeit seiner Situation klar. Innerhalb kürzester Zeit hatte man so sein Selbstbild zerstört – wie einen Spiegel, auf den man eine Abrissbirne los lässt.
 

Leider gab es da ein paar Punkte, bei denen Colvar gelogen hatte. Zu einem das man Henry Lawson die falsche Zeit nannte in der er bewusstlos war, um sein Zeitgefühl auf Dauer durcheinander zu bringen. Dann war das Video das seinen Tod zeigte. Eine Fälschung – keine große Überraschung. Nur im Extranet war es nicht gelandet. Das würde erst deutlich später passieren, wenn irgendeiner anfängt öffentlich Fragen zu stellen. Es würde auf einem Kanal auftauchen, der augenscheinlich seit Jahren nur Videos von süßen Varren-Welpen mit mäßigen Aufrufzahlen gepostet hat – insofern man Varren überhaupt als süß bezeichnen konnte. Es war ausgesprochen leicht solche Videos nachzudatieren und Zuschauerzahlen künstlich zu generieren. Am Anfang würde man abstreiten, dass der Vorfall sich in dieser Form überhaupt ereignet hat, es dann als Unfall darstellen, dann eine Überreaktion der beteiligten Soldaten in Betracht ziehen, was man im Nachhinein dann wieder widerrufen würde und irgendwann lässt man dann die Wahrheit heraus, zumindest stückchenweise – doch sobald das der Fall war die Wahrheit nur noch eine Option unter vielen. Und bis dahin war der Morjanische Verbund längst über Cerberus hergefallen.
 

Und die würden erst merken was los ist, wenn es längst zu spät ist. Nebenbei bestand die reelle Gefahr, dass wirklich ein Zivilist, eine Überwachungskamera, oder gar ein übersehener Cerberus-Agent den Einsatz aufgezeichnet hatte. Dazu musste man auch den Informationsfluss kontrollieren – das Extranet. Mit Beginn des Reaper-Krieges wurde der zivile Datenverkehr massiv gedrosselt um Kapazitäten für das Militär und die verschiedensten Regierungen freizuhalten. Leider konnte Cerberus dank Agenten und Sympathisanten in der Allianz auch auf diese Kanäle zugreifen – militärische Kommunikationswege mit topaktueller Verschlüsselung.
 

Nur leider, Überraschung, hatten die Morjaner darauf ebenfalls Zugriff.
 

Nach dem Argos-3-Krieg hatten sämtliche Völker ihre Verschlüsselungsprotokolle und Datensicherheit massiv modernisiert. Nur eines hatten dabei alle übersehen. Sie nutzten weiterhin die Extranetbojen. Die Hardware und grundlegende Struktur war weitestgehend gleich geblieben, in erster Linie hatte man in der Vergangenheit die Kapazitäten ausgebaut und zur Datensicherheit nur hin und wieder Hardware-Upgrades durchgeführt und zumeist Software-Updates aufgespielt, wobei sich selbst da die Qualität von Volk zu Volk unterschied. Dieses gesamte Netzwerk war von den Morjanern längst korrumpiert worden. Sie hatten es fest im Griff. Sie konnten den gesamten Datenverkehr überwachen, ihn verlangsamen, oder gar ganz unterbrechen, wenn sie es wollten.
 

Die Salarianer mögen sich für ihren überragenden Geheimdienst rühmen, dass sie stets alles über jeden wissen, wofür ihnen alle anderen stets neidisch hinterher blickten. Die Morjaner taten nichts dergleichen. Sie ließen den anderen gerne ihre Illusionen.
 

Es war einfach zu süß die Verzweiflung in den Gesichtern zu sehen, wenn man anfängt die Wahrheit zu begreifen.
 

Einzige Probleme waren ganz klassische Boten mit ihren flinken Raumschiffen, oder die sogenannte Quantenverknüpfungskommunikation. Ersteres konnte man vielleicht mit einer Blockade unterbinden, bei letzterem konnte man nichts machen – höchsten ganz altmodisch den Raum verwanzen, in dem das Gespräch stattfindet, wenn man wüsste wo sich der befand.
 

Und genau deshalb war die aktuelle Phase ausgesprochen kritisch. Sie mussten aus Henry Lawson innerhalb kürzester Zeit so viele Informationen wie möglich herausholen, ohne ihn dabei direkt zu töten, hoffen dass das, was man erfuhr, dann noch einen Wert hatte und dann schnell zuschlagen. Vieles müsste schnell passieren, ohne viel Zeit für umfangreiche Planung und aufwendige Vorbereitung zu haben. Man müsste improvisieren und gleichzeitig den Gegner mit überwältigender Härte überrollen.
 

Ein gefährlicher Drahtseilakt.
 

Aber so war das nun mal. Risiken gab es immer und die musste man manchmal sogar eingehen.
 

Colvar atmete tief durch, setzte seine Ohrstöpsel ein und öffnete die Tür zu dem Verhörzimmer. Sofort drang ein schriller Schrei nach draußen, wonach sich jeder der morjanischen Marinesoldaten in dem Gang umdrehte.
 

Wie Anni das ohne Gehörschutz aushielt verstand er beim besten Willen nicht. Aber als er Henry Lawson da so hängen sah – schweißgebadet, weinend, heulend, flehend – da wusste er …
 

… er mochte seinen Job.
 


 

Tevos hingegen hasste in diesem Moment ihren Job. Fünf Stunden sind vergangen seit die Morjaner anfingen Jagd auf die Keeper zu machen und noch nie hat sie sich so machtlos gefühlt. Sie war eine Matriachin der Asari-Republiken, das zivilisierteste Volk der Galaxie und Gründer des Citadel-Rates. Sie selbst war politisch hochgradig vernetzt, mit Jahrhunderten an Erfahrungen und Beziehungen. Wenn sie anfing zu reden hörte jeder in der Galaxie zu. Eine Geste von ihr konnte das Schicksal ganzer Völker beeinflussen – selbst in dieser Krise.
 

Und noch nie hatte sie so wenig Macht wie heute.
 

Mit verschränkten Armen stand sie gebeugt über dem Geländer einer Terrasse eines exklusiven Cafés für Diplomaten und beobachtete von dort das Treiben der Morjaner auf dem Präsidium unter ihr. Dort türmten sich bereits ganze Berge an Keeper-Körpern und ihrer Reste. Man hatte sie zerhackt, zerschossen, in die Luft gejagt und dann aufgehäuft. Wie viele es waren konnte keiner sagen. Zehntausende? Hundertausende? Und es war noch lange nicht vorbei.

Als sie erfuhr was los war ging sie dagegen vor.
 

Zumindest wollte sie das.
 

Sie kontaktierte die morjanische Botschaft und da ging niemand ran – eine Affront ohnegleichen. Zusammen mit Valern und Sparatus ging sie dann persönlich zu Botschaft und forderte vor Ort, dass man dieses barbarische Treiben sofort einstellte.
 

Zumindest erwartete sie das.
 

Sie kam bis vor den Eingang und die Wache wies sie ab. Man sagte ihr direkt, dass sie sich verziehen soll und sich nicht in Dinge einmischen soll, die sie nichts angehen. Ein einzelner Morjaner wies sie, den Citadel-Rat, die wichtigste Organisation in der Galaxie, wie gewöhnliche Hausierer ab. Doch man hatte die Rechnung nicht mit der berühmten Geduld und Weitsicht der Asari gemacht. Sie war nicht eher bereit zu gehen bevor sie nicht mit einem hochrangigen Repräsentanten gesprochen hatte. Ihre Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Um sie nicht länger in der Nähe zu haben gaben die Morjaner nach und forderten einen Verantwortlichen an. Am Ende hatten die Asari wieder triumphiert.
 

Zumindest glaubte sie das.
 

Jetzt waren fünf Stunden vergangen in denen man sie immer wieder vertröstet, nein, hingehalten hat. Seit Stunden sah sie dem ganzen Treiben machtlos zu. Selbst C-Sec unternahm nichts. Sie waren nicht bereit sich mit den abertausenden morjanischen Soldaten aktiv anzulegen. Es hieß sogar so manche Mitglieder von C-Sec unterstützten die Morjaner bei ihren Bemühungen. Valern und Sparatus mussten sich mittlerweile um andere Sachen kümmern und Udina war erst gar nicht aufgetaucht. Seit dem Angriff der Reaper auf die Erde pendelte er ununterbrochen zwischen den verschiedensten Botschaften herum und versuchte Hilfen für die Allianz zu organisieren – soweit ohne großen Erfolg was sie hörte.
 

„Wir haben die Meldung erhalten das der morjanische Repräsentant auf dem Weg ist. Er trifft gleich ein“, meldete einer der Asari-Kommandos, die für Tevos Schutz verantwortlich waren.

„Na endlich.“, murmelte sie und richtete sich auf.

Aus der Ferne, von einer Treppe kommend, sah sie fünf Morjaner, die in Richtung des Café marschierten. Eine Bedienung wies ihnen sofort den Weg zu Tevos. Vier von ihnen waren Soldaten und der fünfte war ein Admiral der Raumflotte, gut einen Kopf größer als sie mit kurz geschnittenen, weißen Haaren und einer gräulichen Uniform samt Schirmmütze. Gut drei Meter voneinander entfernt blieb man stehen und der Admiral verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Sie haben ein Anliegen?“, begann er direkt.

„Ein Anliegen … ja, das könnte man so nennen.“, erwiderte Tevos und setzte direkt ihr freundlichstes Miene zusammen mit einer möglichst zarten Stimme auf, wobei sie ignorierte das der Morjaner sich nicht erst selbst vorgestellt hatte. „Ihre Jagt auf die Keeper … Ich muss Sie darum bitten das sie damit aufhören.“

„Nein.“, lautete die direkte Antwort

„Ähm … wie bitte?“

„Ich sagte Nein.“

Tevos sah den Admiral an und fragte sich, ob der wirklich glaubte dass es das schon gewesen sein soll.

„Ich weiß nicht ob Sie sich darüber im Klaren sind, aber die Keeper sind essentiell für den Betrieb der Citadel. Sie müssen diese Aktionen unverzüglich beenden.“

„So … müssen wir?“

„In der Tat.“

„Die Keeper sind Verbündete der Reaper und dementsprechend gehen wir gegen sie vor.“

„Bei allem gebotenen Respekt. Es ist nicht nötig dass Sie jene Aussagen wiederholen, die Ihre Leute bereits durch die Citadel hallen ließen.“

„Und warum wollten Sie mich dann hier treffen?“

„Ich bat um dieses Treffen, um Sie dazu zu bringen dieses gesamte Vorhaben einzustellen. Ich bin sicher das man die Reaper auch an anderer Stelle besser treffen könnte, als hier Keeper zu jagen.“

„Das ist unsere Sorge. Nicht Ihre.“

Tevos merkt allmählich, dass sie mit gewöhnlicher Asari-Diplomatie nicht weiterkam. Ihr blieb keine andere Wahl als deutlicher aufzutreten. Etwas anderes verstanden die Morjaner nicht – oder sie wollten es nicht.

„Trotzdem … ich muss Sie darum bitten damit aufzuhören. Unverzüglich. Das muss hier und jetzt enden.“, sprach sie deutlich fordernder.

„Sind Sie dumm, oder sind Sie taub?“, erwiderte der Morjaner.

„Wie bitte?“, stieß Tevos aus, die glaubte sich verhört zu haben.

„Ich fragte ob Sie dumm, oder taub sind. Die Antwort des Morjanischen Verbundes ist Nein und die wird sich auch nicht ändern. Wir werden unsere Operationen nicht einschränken, nur weil es irgendein blaues Alien von uns verlangt.“

„Jetzt hören Sie …“

„NEIN, JETZT HÖREN SIE ZU! SIE WERDEN RUHE GEBEN! SIE WERDEN UNS UNSERE ARBEIT MACHEN LASSEN! ICH WARNE SIE! KOMMEN SIE UNS NICHT IN DIE QUERE!“

Mittlerweile drehten sich alle Anwesenden in dem Café, Repräsentanten, Diplomaten und Bedienstete danach um und betrachteten die Szene mit weitaufgerissenen Augen.

„Das wird Konsequenzen haben.“, fauchte Tevos, wegen der vorangegangenen Behandlung und der arroganten Art des Morjaners nun endgültig genug hatte.

„Sie verstehen es einfach nicht, deshalb erkläre ich es Ihnen … ganz … langsam: Sollte sie unsere Operationen hier auf der Citadel in irgendeiner Art und Weise stören, dann wird das Folgen haben. Unser Oberkommando könnte vielleicht zu dem Entschluss kommen das die Asari unsere Hilfe nicht verdient haben. Wir könnten womöglich unsere Streitkräfte aus ihrem Hoheitsgebiet abziehen, weil sie vielleicht an anderer Stelle gegen die Reaper von größerem Nutzen sein könnten.“

„Das wagen sie nicht.“

Der Admiral drehte seinen Kopf zur Seite und blickte über das Präsidium. Dann schüttelte er nur seinen Kopf und wandte sich wieder Tevos zu.

„Ich gebe Ihnen jetzt einen Tipp: Diesen einen Satz eben … den sollten Sie in Gegenwart von Morjanern niemals verwenden, denn dann neigen wir dazu unsere Drohungen erst recht umzusetzen, um unsere Entschlossenheit zu demonstrieren. Wir sind hier fertig.“, sprach der Admiral, drehte sich an Ort und Stelle um und entfernte sich mitsamt seiner Eskorte.
 

Zurück blieb nur Tevos, die mit offenem Mund wie in Schockstarre verfallen da stand. Noch nie, in ihrem gesamten Leben, hatte sie sich jemals so machtlos gefühlt wie in diesem Moment.
 

Der morjanische Admiral blickte derweil ausgesprochen zufrieden drein. Er hatte sich lediglich mit Tevos getroffen, um ihr klar zu machen wie wenig sie zu sagen hatte und er hat davon jeden Moment genossen, auch wenn er dafür sein Schiff verlassen musst. Aufgrund des Anteils der Asari bei dem Argos-3-Krieg würde es ihm persönlich rein gar nichts ausmachen, wenn der Verbund die rein hypothetische Drohung von eben wahr machen würde. Während er sich so auf den Rückweg zu den Ladebuchten machte überblickte er zufrieden das Präsidium. Die Säuberungsaktion lief plangemäß und nennenswerten Störungen gab es auch keine. Zudem sah er wie weitere Verstärkung mit den Raumfähren eingeflogen wurden. Diese brachten nun Spezialkräfte – Legionäre in gepanzerten Raumanzügen und schwere Bergbauausrüstung. Diese Einheiten würden schon sehr bald in die tiefsten Elemente der Citadel vordringen.
 

Erst seit kurzem wusste man, dass die Massenportale sämtlichen Verkehr registrierten und diese Daten weiterleiteten. Man ging davon aus, dass diese Daten direkt an eine Führungseinheit der Reaper gehen, genannt „der Vorbote“. Das war nicht der Fall. Diese Daten wurden in Richtung der Citadel übertragen. Die Massenportale verschleierten das, indem sie, grob vereinfacht ausgedrückt, sowas wie eine elektrostatische Entladung abgaben, wann immer ein Raumschiff sie für einen Sprung passierte. Da diese Entladungen nur äußerst minimal waren und keine Einfluss auf die passierenden Raumschiffe hatten wurden sie von den Citadel-Völkern als normal angesehen und daher komplett ignoriert.

Der Rest der Galaxie hatte sich nie die Mühe gemacht sich die Massenportale genauer anzusehen und die Morjaner hatte sie in ihrem Raum nie aktiviert, weil sie ihre ganz eigenen ÜLG-Antriebe hatten. Daher hatten sie die Massenportale nie im Betrieb studieren. Lediglich als Mittel in der Materialforschung. Das änderte sich vor etwa einem halben Jahr.

Sobald man diese Datenimpulse enttarnt hatte war es ein leichtes sie zu verfolgen. Man triangulierte sie ganz klassisch und war umso überraschter, als alles in Richtung der Citadel zeigte. Diese Raumstation war uralt und versteckte etwas und man war bereit diese Geheimnisse zu lüften, selbst wenn man sie dafür komplett zerlegen müsste. Wie weit das ging wusste keiner. Die Citadel, die Keeper, die Massenportale – alles hing mit den Reapern zusammen. Das wurde ihnen klar, als sie die als geheim eingestuften Berichte eines menschlichen Spectres, genannt Shepard, zugespielt bekamen. Das warf natürlich andere Fragen auf. Wie lange saßen all die anderen Spezies schon auf dieser Station. Zwei Jahrtausende? Drei? Und wie sehr hatte von denen sich jemals jemand darum bemüht diese Station genauer zu untersuchen? Es erschien so surreal, das es eigentlich ein schlechter Scherz sein musste über den man am liebsten darüber lachen würde, wenn es nicht gleichzeitig so traurig, ja geradezu erbärmlich war.

Eigentlich sollte die ganze Operation anders ablaufen. Auf jeden Fall später, um weitere Vorbereitungen treffen zu können und um den Citadel-Rat von den Entdeckungen und notwendigen Maßnahmen unterrichten. So wollte man unnötige Störungen verhindern und mit der Citadel-Sicherheit zusammenarbeiten. Das wurde hinfällig, als der Staatsschutz äußerst kurzfristig selbst eine Mission auf der Citadel starten musste und dafür selbst Truppen und eine möglichst große Ablenkung brauchte. Eins führte zum anderen und so entschied man sich die Operation vorzuziehen. Um was es genau bei dieser Mission ging blieb geheim. Nur die Truppen, die direkt mit den Einheiten des Staatsschutzes zusammen arbeiteten, wurden unterrichtet. Ihm selbst sagte man nur, dass man mit einem entscheidenden Schlag einen Feind des Verbundes treffen wollte. Und so genau interessierte ihn das nicht. Er verstand den Wert von Geheimhaltung. Selbst das morjanische Militärkommando störte sich daran nicht im Geringsten. Der Staatsschutz brauchte dringend Hilfe und jeder war bereit sie nach Kräften zu unterstützen. Selbst Sirius Mel’Taun ließ ihnen dazu völlig freie Hand.
 

Denn eine Sache war allen klar: Sie saßen alle im selben Boot.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, ob man es glaubt oder nicht, ich lebe noch und nach einer äußerst langen Schaffenspause melde ich mich zurück. Meine Geschichte hat lange genug geruht. Aufgeben wollte ich sie nie, in Gedanken war ich immer irgendwie dabei, nur mir hat halt immer irgendwie die Motivation gefehlt sie effektiv niederzuschreiben. Mich persönlich hat in irgendeiner Form immer gestört, dass ich ME3 bis zu einem gewissen Punkt mehr, oder weniger nacherzählt habe. Das hat sich erst mit den letzten Kapiteln zunehmend geändert.

Mit besten Grüßen
Euer Cpt_Ratzfatz Komplett anzeigen

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