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One-Night-Stand

von

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Völliger Ernst

„Ist das dein Ernst?“

Jakob blickt mich regelrecht fassungslos an und ich frage mich, ob ihn die Neuigkeit wirklich so sehr schockt, wie es gerade den Anschein hat. Ich meine, er ist seit Ewigkeiten mein bester Freund – er kann mir nicht sagen, dass er es nicht irgendwann irgendwie schon mal geahnt hat.

Aber tatsächlich schluckt er jetzt nur hart und starrt mich unentwegt an, als wäre ich ein Alien, aber nicht sein bester Freund.

So habe ich mir die Sache aber nicht vorgestellt, als ich ihn angerufen habe, um ihn zu bitten, herzukommen, weil ich etwas mit ihm besprechen müsste.

Nun nicke ich nur und erwidere: „Mein voller Ernst!“

Nur langsam kommt wieder so etwas wie Leben in ihn, dann bricht es aus ihm heraus: „Krasse Sache!“

Er blinzelt und sieht mich schief an: „Irgendwie hätte ich es mir ja fast denken können, so wie du mit Mädchen umgegangen bist…“

Er seufzt und ich falle mit ein. Ja… meine Beziehungen mit Mädchen waren allesamt ein absolutes Desaster, weil ich sie einfach immer irgendwie komisch fand.

„Auf mich stehst du aber nicht, oder?“, fragt er dann auf einmal und ich muss lachen. Warum denken das immer alle zuerst? Also würde man plötzlich auf jeden stehen! Aber ich nehme es Jakob nicht übel – er meint es ja nicht böse.

Wie gesagt, er ist seit Kindertagen mein bester Freund und deshalb reagiert er auch nicht so, wie viele andere reagiert hätten. Auf ihn kann man sich noch verlassen.

„Natürlich nicht,“ stelle ich also klar und er sieht mich gespielt empört an.

War ja klar. Erst haben sie Angst, dass man auf sie stehen könnte und danach sind sie beleidigt, wenn dem nicht so ist. Männer soll man mal verstehen – und da heißt es immer, Frauen sind kompliziert!

Wo ich zugeben muss, dass Jakob in der Tat nicht hässlich ist. Er sieht ein wenig aus wie Justin Bieber – nur sieht er im Gegensatz zu Justin Bieber gut damit aus.

Die Mädels fliegen natürlich alle auf ihn, trotzdem ist er single.

„Und? Gibt es wen, auf den du stehst?“, hakt er nun neugierig nach. Offenbar hat er die Neuigkeit schon gut verdaut, dass er schon Fragen stellen kann. Aber er ist eben hart im Nehmen – da braucht es schon viel, um Jakob Wissmann zu schocken.

Neugierig blinzelt er mich an und ich seufze und schüttle deprimiert den Kopf.

Leider gibt es nämlich so absolut gar keinen Jungen in meiner Umgebung, den ich auch nur ansatzweise anziehend finde. Klar, einige sind ganz hübsch – aber erstens sind die nicht alle schwul und zweites muss ja auch der Charakter irgendwie passen, dass ich mich in ihn verlieben könnte.

Genau diesen Umstand teile ich nun Jakob mit.

„Na Danke auch… so unattraktiv bin ich also für meine Artgenossen,“ murrt er nur und ich grinse und boxe ihn in die Seite. Geht die Leiher wieder von vorne los.

„Was hätte ich davon – du bist hetero!“

Er grinst und zuckt die Schulter.

„Klar… aber du willst mir doch nicht sagen, dass du schon mal einen Kerl gesehen hast, der heißer war, als ich,“ prahlt er dann und ich muss lachen.

„Du bist so sexy… unbeschreiblich,“ lache ich und boxe ihn noch einmal, diesmal gegen die Schulter. „Aber trotzdem kann ich mich nicht in dich verlieben. Du bist mir zu doof,“ necke ich ihn.

Er zieht eine Schnute, aber nicht für lange. Offenbar will er die ganze Sache noch weiter ausdiskutieren.

Aber ehrlich gesagt ist mir alles noch zu fremd und zu neu, um es groß auszudiskutieren. Ich hab erst in den letzten Tagen so richtig realisiert, dass ich auf Männer und nicht auf Frauen stehe. Eigentlich war es mir ja immer irgendwie klar, weil ich Männer schon immer toller fand, als Frauen. Aber ich dachte, dass ich wohl einfach ein wenig zu fanatisch mit Kindheitshelden umgehen würde, oder so. Wer konnte denn ahnen, dass ausgerechnet ich mal schwul werden würde.

Wie gesagt, konnte man es aber eigentlich ahnen. Schon alleine, weil ich mich nicht mal für Mädels interessiert habe, als ich in die Pubertät kam.

Die Jungs, mit denen ich einige Zeit im Fußballclub war, aber schon. Da gab es einen, der war einfach wahnsinnig süß. Lange dachte ich, ich fände ihn einfach toll, weil er so nett und talentiert war. Aber irgendwann war mir klar, dass ich ihn einfach heiß fand.

Leider ist er weggezogen, sonst hätte ich mein Glück jetzt bei ihm versucht.

„Erde an Tobias!“, ruft Jakob in dem Moment und wedelt unschön mit seinen Händen vor meinen Gesicht herum.

„Lebst du noch?“

Irritiert blinzle ich ihn an.

„Was?“

„Hast du es schon deiner Mutter gesagt?“, fragt er erneut und nun ist es an mir, ihn entgeistert anzustarren. Meiner Mutter sagen. Klar…

„Natürlich nicht,“ fauche ich ungehalten. Die hat für so was absolut kein Verständnis, dass weiß ich jetzt schon. Das brauch ich gar nicht erst ausprobieren.

Mein Dad hat sie damals nämlich verlassen – für einen anderen Mann…

„Ist auch besser so, sie bleibt vorerst unwissend. Bis du mal einen Freund hast, oder so,“ stimmt Tobias mir zu und ich nicke.

„Aber sie ist deine Mum. Sie wird dich sicher auch noch lieben, wenn sie weiß, dass du schwul bist,“ fängt er dann an, sich doch wieder ins Abseits zu katapultieren.

„Du hast ja keine Ahnung!“

Die hat er wirklich nicht. Er kennt zwar die Geschichte mit meinem Dad – er hat sie ja live erlebt, weil wir schon als kleine Kinder gut befreundet waren –, aber er hat keine Ahnung, wie sie bei Schwulen manchmal abgeht und wie sehr sie diese hasst.

Glücklicherweise geht er nicht weiter auf das Thema ein.

„Und jetzt brauchen wir einen Kerl für dich, oder?“, grinst er und ich lache auf. „Naja… wäre schon nicht schlecht, aber so zwingend brauch ich jetzt noch keine Beziehung.“

Die brauche ich wirklich nicht. Obwohl es schön wäre.

Ehrlich gesagt würde ich aber lieber erst mal ein wenig rumprobieren… so erste Erfahrungen mit Jungs austauschen, ehe ich mich wirklich bereit für eine Beziehung fühlen werde.

„Wie muss er denn aussehen, der einen Tobias Angemüller verführen kann?“

Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung. Einfach irgendwie süß.“

Zugegeben, dass ist nicht wirklich die befriedigenste Antwort. Aber ich finde sowieso, dass man das pauschal nicht genau sagen kann. Klar kann ich sagen, dass die und die Blonde heiß ist und Jakob wird mir wohl recht geben, weil er auf Blonde steht. Aber andererseits findet er auch nicht jede blonde Dame hübsch, von daher…

„Süß,“ echot er. „Das hilft mir jetzt nicht weiter!“

Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung. Süß muss dir reichen.“

„Das heißt, wenn ich mal nach einem Typen für dich Ausschau halte, dann sollte ich mich nach einem Milchbubi umsehen, oder wie darf ich das nun verstehen?“, grinst er mich an. Ich verdrehe die Augen.

„Kein Milchbubi. Aber halt auch kein Macho sonder eher was… Süßes halt.“

Jakob grinst vergnügt, ja fast diebisch. Ihm scheint das ja totalen Spaß zu machen, mich hier so auszuquetschen.

„Wie wäre es, wenn wir heute ausgehen? Dann kannst du mir am lebenden Objekt zeigen, was in deinen Augen süß ist.“

Ich sehe ihn leicht skeptisch an. Ob das so eine gute Idee ist, weiß ich auch noch nicht. Ich kenne ja Jakob. Wenn er schon so seltsam grinst, dann ist das meistens kein gutes Zeichen.

Andererseits weiß ich, dass ich kaum eine andere Wahl habe, also sage ich zu.

„Dann kann ich vielleicht einen kennen lernen, mit dem ich ein wenig herumprobieren kann… ich komm mir so unerfahren vor,“ gebe ich zu. Weil das Einzige, was ich über Schwule weiß, hab ich aus Pornos. Das ist natürlich nicht wirklich guter Stoff…

„Warte… willst du mir zu verstehen geben, dass du gerne einen zum ficken hättest?“

Ich werde rot. So, wie er es ausspricht, klingt es total dämlich. Das sage ich ihm auch und er lacht. „Ach Tobias… Das wird interessant werden, da bin ich sicher!“

Ich mir auch – ich bin mir nur nicht sicher, ob das für mich gut oder schlecht sein wird…

Sorry

„Du kannst jetzt noch nicht aufgeben!“, murrt Jakob und flucht ungehalten, was uns in dem Club, in den er mich gezerrt hat, seltsame Blicke einbringt.

Ich sehe ihn genervt an und er zupft mich am Ärmel, damit ich endlich stehen bleibe. Ich tue ihm den Gefallen, aber nur, damit er aufhört, so zu schimpfen.

„Wir hätten gar nicht erst hier her gesollt,“ maule ich und schüttle den Kopf, als er wieder zu sprechen anfangen will. Unwirsch mache ich einen weiteren entschiedenen Schritt Richtung Ausgang.

„Zugegeben… es ist nicht ganz so, wie ich dachte, aber es ist der ideale Ort, um…“

Ich unterbreche ihn: „Als ich gesagt habe, wir gehen aus, wollte ich nicht in eine Schwulenbar.“ Ich mache eine umschweifende Handbewegung. „Schon gar nicht in eine solche!“

„Du denkst doch nicht, dass du in einer normalen Disko freie Auswahl gehabt hättest, oder?“, mault er zurück.

Klar hat er Recht. In einer ‚normalen’ Disko hätte ich wohl kaum einen Schwulen getroffen – oder wenn, dann hätte ich es wohl gar nicht gemerkt, weil die meisten dort Hetero sind.

„Hier finde ich garantiert auch keinen!“, fauche ich, weil ich mich in die Ecke gedrängt fühle. Ich will nicht zugeben, dass er eigentlich Recht hat.

„Gucken hätte mir heute ja gereicht,“ weiche ich ihm dann aus.

„Vorhin wolltest du noch einen, mit dem du vögeln kannst!“, hält er – berechtigter Weise – entgegen.

„Ja… aber hier fragt jeder, ob er mit mir ficken darf und –“

„Genau das wolltest du doch!“, ruft er erneut.

Genervt sehe ich ihn an. „Sag mal, Jakob… bist du blind? Hier sind fast nur alte Säcke! Ist das deine Definition von süß? Ich hab das Gefühl, jeder hier hat mit jedem Sex… so was will ich nicht. Das ist immerhin mein erstes Mal mit einem Jungen – da sollte er mir schon gefallen! Und es sollte schon toll werden!“

Er schnaubt nur. „Toll? Denkst du, ein One-Night-Stand hält, was du dir wünschst?“

Der ganze Streit ist eigentlich sinnlos. Er hat Recht, aber ich sehe nicht ein, dass zu zugeben. Wenn er mich schon in eine Schwulenbar schleifen muss, hätte er wenigstens eine raussuchen können, in der nicht ausschließlich Kerle über Dreißig zu Hause sind.

„Natürlich nicht… aber für etwas Festes bin ich einfach nicht bereit,“ gehe ich deshalb nur auf das One-Night-Stand-Ding ein.

„Ich glaube, du bist für vieles noch nicht bereit,“ maul Jakob nur und verschränkt die Arme, „Du weißt ja nicht mal, was du willst. Entweder geht es ums Sex, oder um Liebe Beides zu trennen, dass kannst du nicht – zumindest nicht, wenn es um dein erstes Mal geht. Oder glaubst du, es gibt jemanden, der dir eine Nacht Liebe schenkt und dich dann einfach vergisst?“

Ich beiße mir auf die Lippen, weil er so absolut Recht hat. Und weil ich, wenn ich etwas sage, genau das zugeben muss – und das will ich nicht. Dafür bin ich zu stolz!

„Das ist mir schon bewusst,“ lenke ich nur langsam ein und setzte mich wieder in Bewegung.

„Aber ich will zumindest einen kleinen süßen Jungen suchen, mit dem ich Sedx haben kann – und keinen von diesen alten Mordskerlen, die hier rumlatschen und mir den Arsch aufreißen, wenn ich ihnen damit zu nahe komme…“ Im wahrsten Sinne des Wortes.

Dieser vergleich zaubert sogar Jakob ein Lächeln aufs Gesicht, auch wenn er immer noch genervt von mir zu seien scheint – langsam bin ich ja sogar von mir selbst genervt, weil die Diskussion gerade so unnötig war.

„Ich konnte ja nicht wissen, was das für ein Schuppen ist,“ verteidigt er sich dann und ich kann nichts dagegen sagen, weil er natürlich Recht hat.

„Gut, gehen wir,“ willigt er dann ein und ich sehe ihn überrascht an, stimme dann zu, weil es das ist, was ich von Anfang an wollte.

„Ja… los,“ mault er unzufrieden. Er tut mir Leid, er hat es ja nur gut gemeint. Ungeduldig wedelt er nun mit den Händen, wohl eher, weil er die Schnauze voll von mir hat, statt weil er so schnell wie möglich raus will.

Nur all zu gerne drehe ich mich um und will weiterlaufen, als ich natürlich prompt in jemanden rein renne.

„Oh sorry,“ murmle ich und will eigentlich gleich wieder weiter laufen, weil ich fürchte, einen alten Sack angerempelt zu haben, aber so leicht, wie gedacht, wird es mir nämlich nicht gemacht.

Der Typ taumelt nämlich zurück und krallt sich dann spontan an meinem Ärmel fest, um nicht zu fallen.

Tatsächlich erreicht er damit nur, dass wir beide wanken und dann überraschender Weise doch noch stehen bleiben, wenn auch unsicher.

Die Hand löst sich von meinem Shirt und erschrocken werde ich angesehen.

Ich blinzle zurück.

„Sorry,“ sage ich noch einmal geistlos, als hätte ich mich nicht für drei Sekunden schon mal entschuldigt.

„Schon okay,“ meint der Typ. „Ist ziemlich voll hier drin.“

Ich blinzle ihn weiter an und kann kaum glauben, ihn hier vor mir zu sehen. Nicht, dass ich ihn kennen würde. Es ist nur so, dass mir heute Abend nichts anderes, außer alten Säcken in Lederhosen begegnet ist, die darauf gewartet haben, SM-Spielchen mit mir treiben zu können. Aber der Junge hier, der ist klein, süß, hübsch… mit großen blauen Augen und kinnlangen, fransig geschnittenen braunen Haaren.

Nur langsam komme ich wieder zu klaren Verstand – hauptsächlich, weil ich Jakobs prüfenden Blick auf mir spüre. Ich versuche, zu ihm zu sehen, kann aber nur den Kerl vor mir ansehen, wie eine Kuh, wenn’s blitzt.

„Ich hol mir mal noch was zum trinken,“ beschließt Jakob dann und ich gehe davon aus, dass er gecheckt hat, dass ich jetzt nicht mehr unbedingt gehen möchte.

Irgendwie finde ich meine Stimme nicht rechtzeitig wieder, um Jakob zu antworten. Ich kriege nur ein Krächzen heraus, ehe mein Blick auf die Hand des Jungen fällt. In ihr hält er ein Glas – ein leeres Glas. Dessen Inhalt ist nämlich in einer Pfütze zu unseren Füßen zu finden.

„Oh, Sorry,“ entschuldige ich mich das dritte Mal an diesem Abend und so langsam muss er denken, dass ich nur dieses eine Wort sagen kann. Schon alleine, um ihn das Gegenteil zu beweisen, sage ich: „Dein Getränk hat sich jetzt verabschiedet, was?“

Eine dermaßen hohle Bemerkung, dass mir sofort das Blut in die Wangen schießt.

Am liebsten würde ich vor Scham in der Pfütze versinken.

Der Junge blickte nun auf seinen Cocktail – oder das, was davon übrig geblieben ist- und dann wieder zu mir.

Offenbar hatte er es noch gar nicht bemerkt.

„Scheint so,“ sagt er dann und seine Stimme klingt wunderschön. Männlich, aber noch jungenhaft. So eine herrliche Mischung, die ich absolut niedlich finde.

Vielleicht liegt es an eben jener Stimme, vielleicht auch an was anderem, jedenfalls mach ich ein ziemliches Gestammel, um die Unterhaltung am Laufen zu erhalten: „Kann… also… darf… darf ich dir nen… neuen Drink… kaufen?“

Peinlich berührt schaffe ich es nicht, ihm dabei in die Augen zu sehen. Er muss mich für einen kompletten Vollidioten halten. Garantiert sagt er jetzt nein und rennt dann schreiend aus der Disko, um hastig viel Abstand zwischen sich und dem Irren, also meiner Wenigkeit, zu bringen.

Er schweigt und blickt auf die Cocktailpfütze, und dann wieder zu mir. Und weil das alles immer peinlicher wird, laufe ich nun auch noch rot an.

Und dann tut er das, was mir den Rest gibt. Er mustert mich. Mir ist das total unangenehm und das muss er sicher auch merken. Nervös fahre ich mir durch die Haare und stelle mich selbst für ein hartes Gericht. Als ich heute aus dem Haus bin, habe ich meine Haare nur ein wenig durchgekämmt, weil es immer so eine Arbeit ist, sich durch meine braunen Wuschelhaare zu kämpfen. Ich habe nicht wirklich locken, aber sie sind eben wuschlig. Mädels finden das süß, dass weiß ich. Ich finde aber, dass ich damit einfach nur total wüst aussehe.

Vielleicht kann ich zumindest mit meinen dunkelbraunen Augen punkten – die finden nämlich auch alle toll. Ansonsten bin ich nämlich zu schmal geraten und so überhaupt nicht ansprechend, wie ich finde.

Ich scheint aber zu gefallen, was er sieht, denn er beschließt zumindest, die Unterhaltung fortzusetzen: „Du siehst gar nicht aus wie das, was man hier normaler Weise vor die Nase gesetzt kriegt.“

Er macht eine umschweifende Handbewegung und erreicht dabei ein unangenehmes Ziehen in meinem Bauch. Ich wische mir die Hände an meiner Jeans ab, weil ich das Gefühl habe, dass sie so sehr schwitzen, dass sie gleich zu tropfen beginnen werden.

Ich hab keine Ahnung, was mich so nervös macht, aber eigentlich ist es klar. Wenn ich es schaffe, diesen Jungen jetzt nicht zu vergraulen, dann habe ich hier den perfekten Kandidaten für eine erste sexuelle Erfahrung mit Jungs gefunden.

„Hier sind mehr reifere Männer unterwegs,“ fügt er hinzu, weil ich versäumt habe, an der richtigen Stelle zu Antworten.

Ich nicke und bringe es sogar fertig, einen anständigen Satz zu erwidern: „Das haben wir auch gemerkt.“ Er nickt nur. „Du darfst,“ meint er dann.

Ich blinze ihn fragend an und stehe total auf den Schlauch. „Was?“, rutscht es mir da auch schon heraus.

„Du darfst mir einen neuen Drink ausgeben,“ klärt er mich gütiger Weise auf und grinst mich dann auf so eine Art und Weise an, dass ich vor Aufregung gerne gekotzt hätte. Natürlich kann ich das nicht bringen, ohne ihn zu vergraulen, also rufe ich mich zur Ordnung und nicke nur.

Keine Ahnung, ob es je besser war, aber nun bin ich wieder total nervös, so wie am Anfang unsere seltsamen Gespräches.

„Okay… gut…“, meine ich ein wenig dümmlich und rühre mich erst, als er sich langsam zur Bar wendet. Dann fällt sein Blick aber auf Jakob und er meint: „Außer, dein Freund wir dann eifersüchtig.“

Keine Ahnung, ob das nur eine subtile Frage ist, um zu erfahren, ob ich single bin, oder ob es ihn wirklich nicht behagt, wenn Jakob eifersüchtig werden würde, aber jedenfalls sieht er mich nun fragend an.

Da ich mich nicht blamieren will, in dem ich auf genau die falsche Variante antworte, meine ich nur: „Sicher nicht. Er hat mich ja hergeschleift, dass ich endlich mal jemanden finde…“

Damit dürfte klar sein, dass Jakob und ich kein Paar sind. Dafür habe ich meine Absichten aber auch ein wenig auf dem Silbertablett serviert. Wenn er jetzt sagt, dass ich in diesem Falle falsch bei ihm bin, hab ich’s verschissen, ehe ich Gelegenheit hatte, zu flirten. (Nicht, dass ich der Meinung wäre, jetzt noch irgendwie flirten zu können…)

„Dann bist du hier falsch,“ meint der Junge tatsächlich und mir rutscht das Herz in die Hose- oder noch tiefer… wahrscheinlich kommt es auf der anderen Seite der Erdkugel schon wieder aus dem Boden gebrochen, so tief ist es gerutscht.

„Wenn du nicht gerade auf alte Säcke stehst, dann findest du hier wohl kaum etwas Passendes…“, fügt er hinzu.

Und in genau dem Moment kommt mir die aberwitzige Frage in den Kopf, ob der Junge vor mir überhaupt schwul ist. Und wenn, ob er nicht selbst auf alte Säcke steht. Denn was zur Hölle tut er hier, wenn er weiß, wie es hier ist und er dennoch hier herum wuselt?!

Erneut schießt mir das Blut in die Wangen und ich beschließe, etwas sagen zu müssen, um diesen eventuellen Sachverhalt abzuklären. Also sage ich: „Du bist kein alter Sack.“

Er blinzelt, dann lächelt er leicht. „Nein. Ich bin ja auch nicht zum Spaß hier,“ erwidert er dann. Ehe ich nachfragen kann, meint er bereits: „Ich arbeite hier an der Bar, um mir was dazu zu verdienen.“

„Oh,“ mache ich, als hätte ich gerade eine totale Erleuchtung gehabt. Nun habe ich dennoch Angst, dass er dann vielleicht gar nicht schwul ist – auch wenn sich wohl kaum ein Hetero antun würde, in einer Schwulenbar zu jobben.

„Also… Musst du jetzt arbeiten?“, will ich wissen und komm mir schon wieder blöd vor. Da halte ich ihn auch noch vom Arbeiten ab…“

„Ne… Ich bin noch nicht Achtzehn, also darf ich so spät nicht mehr arbeiten. Jugendschutz. Ich hab die Nachmittagsschichten. Von nach der Schule, bis jetzt.“

Ich nicke nur und versuche, das Gespräch am Laufen zu halten: „Ich hab dich vorhin nicht gesehen…“

„Dann musst du eben deine Augen aufmachen,“ lächelt er mich an.

„Wie sieht’s nun aus? Ich hätte gerne was zu Trinken!“

Ich grinse und schaffe es diesmal, mich ganz alleine zur Bar zu bewegen. Er folgt mir. Zum Glück.

„Wie alt bist du denn dann?“, frage ich und erfahre so, dass er so alt ist, wie ich. Siebzehn.

„Ich auch,“ meine ich deshalb und er grinst erneut. „Gut zu wissen.“

Er bestellt sich einen Cocktail. Eigentlich darf er den noch gar nicht trinken, wenn er noch nicht Achtzehn ist. Aber offenbar nimmt das hier in der Bar kaum einer so genau. Vielleicht, weil er hier arbeitet, vielleicht, weil man hier allgemein nicht so darauf guckt. Am Eingang hat uns auch schon keiner nach Ausweisen gefragt.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragt er mich dann und ich nenne ihm meinen Namen und frage auch gleich nach seinen.

Daraufhin verzieht er kurz das Gesicht, ehe er murrt: „Leander.“

„Voll der schöne Name,“ rutscht es mir heraus und ich meine das wirklich Ernst. Er sieht das offenbar aber völlig anders, denn er empört sich sofort: „Schön? Ich finde ihn total grausam! Aber mein Dad meint, er passe total gut zu mir, weil er so besonders wäre, wie ich.“

Er schnaubt und verstummt dann. Vielleicht hat er das Gefühl, es ginge mich nichts an.

„Da hat er wahrscheinlich sogar recht,“ versuche ich, seinen hübschen Namen zu verteidigen, und merke erst, dass ich ihn damit anflirte, als er mich darauf aufmerksam macht: „Wird das jetzt ein Versuch, mit mir zu flirten?“

Sofort bin ich wieder knallrot, was mir total unangenehm ist. Er muss mich doch für den totalen Freak halten!

Erneut drängt sich mir die Frage auf, ob er überhaupt schwul ist. Es ist zwar relativ wahrscheinlich, aber er trägt ja kein Schild mit sich rum, wo drauf steht: Ich bin schwul!

Ich kann also nur vermuten.

Und eben weil ich nur vermuten kann, stammle ich: „Also… ich… ähm…“

Er grinst nur und ich verstumme, ehe es noch peinlicher wird.

„Also gut,“ meint er dann, als hätte er gerade eine lange Diskussion mit mir gehabt, „Ich trinke jetzt meinen Cocktail und du kannst dir schon mal überlegen, ob wir zu dir oder zu mir gehen.“

Das haut er so völlig trocken raus, dass ich erst gar nicht merke, was er mir da sagt. Dann aber fällt mir einfach alles aus dem Gesicht und ich starre ihn sprachlos an, klappe meinen Mund auf und zu, wie ein Karpfen.

Nur langsam finde ich meine Stimme wieder: „Du willst Sex? Mit mir?“

Er blinzelt mich an, dann lacht er los.

„Ich dachte, das ist es, was du willst!“

„Ja schon, aber…“, gestehe ich und breche den Satz dann ab, weil ich ihn nicht vollenden kann.

„Na also,“ meint er vergnügt und trinkt erneut einen Schluck, ehe er fragt: „Wo ist dann das Problem?“

Ich zucke nur mit den Schultern und sehe ihm zu, wie er zügig sein Glas leert.

Eigentlich sollte ich jetzt total nervös sein, aber ehrlich gesagt fühle ich gerade überhaupt gar nichts.

Es ist fast so, als wäre ich betäubt oder auf Droge oder so. Seit ich ihn vorhin das erste Mal gesehen habe, habe ich darauf gewartet, dass es zu dieser Situation kommt. Und nun kommt es tatsächlich so und ich kann es einfach nicht glauben.

Nun soll ich mein erste Mal tatsächlich mit einem süßen Jungen haben, der sicher auf mich eingehen wird, auch wenn es nur ein One-Night-Stand ist.

Plötzlich ist es dann doch wieder da, dieses nervöse Kribbeln im Bauch, dass man hat, wenn man weiß, dass gleich etwas sehr Aufregendes passieren wird – und keine Ahnung hat, ob das nun gut oder schlecht ist.

Denn das hab ich wirklich nicht. Ich weiß jetzt nämlich gar nicht, was ich nun sagen oder tun soll, also bleibe ich einfach ganz still und warte darauf, dass er etwas sagt oder sich die Dinge irgendwie ergeben. Etwas besseres fällt mir nicht ein.

Und dann ist sein Glas endlich leer und wir gehen gemeinsam zu mir nach Hause – Jakob vergesse ich darüber völlig, er kommt mir erst viel später wieder in den Sinn. Da er aber schon groß ist und auf sich selbst aufpassen kann, ist das wohl gar nicht so schlimm…
 

„Du hast so viel an,“ meine ich dämlich vor mich hin grinsend, um zu entschuldigen, dass ich dermaßen langsam bin. Die Wahrheit ist nämlich, dass ich ihn kaum ausziehen kann, so sehr zittern meine Hände. Das er mich sofort durchschaut, ist mir eigentlich klar, aber dennoch werde ich durch die Lüge ein wenig sicherer.

Er kommt mir entgegen, hilft mir ein wenig. Sehr zügig öffnet er seine Jacke und zieht sie samt T-Shirt aus. Bisher habe ich vergeblich versucht, den Reißverschluss seiner Jacke zu öffnen.

Ich habe keine Zeit, seine nackte Brust zu bewundern, denn er wendet sich sofort meinen Klamotten zu.

Es dauert nicht lange, bis wir nackt auf meinem Bett liegen und uns küssen und ich vorsüchtig mit den Fingerspitzen über seinen nackten Rücken fahre.

Es ist unbeschreiblich, ganz anders, als wie mit Mädchen. Mit Mädchen bin ich ja allgemein nie sehr weit gekommen, aber ich hatte schon mal eines oben ohne vor mir und das wirklich nicht berauschend.

Leanders Haut ist unglaublich weit, aber man spürt sofort die festen Muskeln unter der weichen Haut, die sich ein wenig anspannen, wenn er sich nur etwas bewegt.

Es fühlt sich unglaublich an – so unglaublich, dass ich das noch Stunden so erleben könnte… aber Leander macht mir einen Strich durch die Rechnung. „Du machst das nicht oft, oder?“, fragt er mich und ich wäge ab, wie sinnvoll es ist, die Wahrheit zu sagen oder zu verschweigen. Ich entscheide mich für Ersteres, auch wenn es mir schon wieder ziemlich peinlich ist.

„Ehrlich gesagt ist das mein erstes Mal.“

Kaum ist es raus, ist der letzte Funken Sicherheit dahin und die ganze Situation wird nur noch schlimmer. Nun weiß es Leander und muss damit irgendwie klar kommen – der Arme. Ich bin mir nämlich sehr sicher, dass es für ihn nicht das erste Mal ist, so sicher, wie er sich verhält.

Tatsächlich hält er inne und richtet sich auf, blickt mich erstaunt an: „Ehrlich?“

Ich nicke und bin froh, dass es schon relativ dunkel ist und er nicht sieht, wie ich erneut rot anlaufe.

Vielleicht sieht er es aber doch, denn ich sehe zumindest noch seine Lippen – und wie sie sich zu einem Grinsen verziehen – sehr gut. Zwar nur so lange, bis er sich über mich beugt und mich küsst, aber immerhin.

„Dann sollten wir die Sache wohl ein wenig langsamer angehen,“ nuschelt er in den Kuss und ich bin ihm dankbar dafür, dass er so auf mich eingeht und nicht gleich das Weite sucht. Vielleicht macht es ihn auch einfach nur geil, mich zu entjungfern, aber was es auch ist, er bleibt. Bleibt und streicht sanft über mein Glied, was mich dermaßen geil macht, dass ich nur nach Luft schnappen kann. Ich bin wirklich noch nichts gewohnt.

„Gut so?“, fragt er überflüssiger Weise und massiert mich weiter an der Stelle, küsst zusätzlich noch meinen Hals.

„Wie willst du es?“, fragt er und ich habe keine Ahnung, was er mit der Frage meint.

„Von vorne, von hinten… oben, unten… aktiv, passiv….?“, erläutert er den Sachverhalt, weil ich nicht antworte.

„Oh, ähm…“, mache ich völlig überfordert und frage dann nur: „Wie willst du es denn?“

Ich höre ihn amüsiert kichern. „Eigentlich passiv. Aber ich denke, diesen Part übernimmst heute du.“

Ehe ich protestieren kann – oder weiß, ob ich protestieren will oder nicht – küsst er mich schon wieder und reibt seinen Körper auf so aufreizende Art und Weise gegen meinen, dass ich schon allein deshalb fast zum Orgasmus komme.

Seine Hand bearbeitet immer noch mein Glied und treibt mich fast in den Wahnsinn.

„Bist du bereit?“, fragt er leise und ich hauche unsicher zurück: „Ich denke schon…“

Im nächsten Moment schiebt er einen Finger in mich und ich zucke zusammen und keuche gleichzeitig auf.

Ehrlich gesagt, ist das ganze alles andere als erotisch oder so etwas in der Art. Ich meine… Keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber ich dachte nicht, dass es so unangenehm sein kann. Wie man das freiwillig erträgt, ist mir absolut schleierhaft. In den Filmen (Ja, okay, in den Pronos) wird das Ganze garantiert nicht so dargestellt, wie es in Wirklichkeit ist. Schmerzhaft!

Und noch ist es ja auch nur ein Finger… oder zwei… denn er schiebt den zweiten in mich und lässt mir Zeit, mich daran zu gewöhnen. Davon wird es aber nicht wirklich besser und mir drängt sich die Frage in den Kopf, wie es ist, wenn es nicht mehr nur zwei schlanke Finger sind, die in mir stecken.

Er bewegt die Finger nur langsam, weitet mich ein wenig. „Gleitgel?“, fragt er irgendwann atemlos und ich wühle danach, gebe es ihm.

Daraufhin wird es ein wenig besser. Seine Finger gleiten nun leichter in mich und zumindest an sie könnte ich mich nun gewöhnen. Aber natürlich belässt er es nicht bei Fingern.

Großzügig verteilt er an mir, streift sich dann ein Kondom über und verteilt das Gel auch noch auf sich.

„Bereit?“, fragt er dann und ehrlich gesagt bin ich alles – nur nicht bereit!

„Nein,“ keuche ich deshalb.

„Das wird sich auch nicht ändern,“ erwidert er nur und dann schiebt er sich auch schon langsam in mich.

Ich versuche, nicht aufzuschreien, auch, wenn meine Mutter die Wochenenden fast immer bei irgendwelchen Männern verbringt und wir hier alleine sind.

Dennoch möchte ich nicht all zu sehr jammern – was soll Leander denn von mir denken?

Aber letztlich ist es einfach nur unangenehm, wie er langsam in mich gleitet, tiefer und tiefer… ich frage mich, wie lang er ist, dass er so scheiße tief in mich dringen kann, aber dann scheint er wohl ganz in mir zu sein, dann er hört auf, sich zu bewegen.

Eine ganze Zeit verharrt er so und ich versuche, mich an den Fremdkörper in mir zu gewöhnen.

„Fuck,“ flüstere ich leise. Die Schmerzen lassen nach, sind aber dennoch der Wahnsinn. An so etwas werde ich mich nie gewöhnen. Auch nicht, asl er einen Punkt in mir streift, der gar nicht weh tut, sondern mir ganz angenehme Schauer über den Rücken jagt. Als er das merkt, versucht er, immer wieder diesen Punkt zu stimulieren und ihn bei jedem Stoß – und das tut er; er stößt sich langsam in mich – zu treffen.

Leander steigert unseren Rhythmus nur sehr langsam und ich keuche auf, teils vor Lust, teils vor Schmerz.

Irgendwann beginnt er, mein Glied wieder zu liebkosen und als er das tut, wird der Schmerz plötzlich nebensächlich, so sehr werde ich von meiner Lust übermannt.

Tatsächlich dauert es dann auch gar nicht mehr lange, bis ich komme und Leander sich voll auf sich konzentrieren kann. Auch er braucht nur noch wenige Sekunden, ehe auch er kommt und sich langsam aus mir zurückzieht.

Eine ganze Zeit lang schweigen wir daraufhin, er erschöpft auf mir liegend, ich an die Decke starrend.

„Wow,“ mache ich irgendwann leise.

„wow, was?“, fragt er.

„So hab ich mir das wirklich nicht vorgestellt…“, gebe ich zu.

„So schlecht?“, fragt er pikiert und ich muss schmunzeln. „Nein… aber so schmerzhaft. Wie kann man das freiwillig wollen?“ Die Frage ist zwar allgemein gestellt, richtet sich aber dennoch an ihn persönlich und er versteht das auch so.

„Vielleicht sehe ich ja auf Schmerzen,“ zwinkert er mir zu und presst sich an mich. Das Gefühl, seinen Körper so eng an mir zu spüren, ist ungalublich.

„Ach ja?“, hake ich nach.

„Nein. Aber man gewöhnt sich mit der Zeit einfach daran und dann tut es nicht mehr so stark weh…“

Ich nicke nur.

„Soll ich gehen?“, fragt er nach einiger Zeit und mir fällt ein, dass er ja nur ein One-Night-Stand ist.

„Nein,“ meine ich dennoch und umklammere ihn fest. „Du kannst ruhig hier bleiben.“

Scheint ihn nicht zu stören, im Gegenteil. Offenbar ist er zu müde, um jetzt noch wirklich gehen zu wollen.

„Gute Nacht,“ murmelt er nur leise und ich habe es noch nicht ganz erwidert, da schläft er auch schon.

Müde schließe ich die Augen, ehe auch ich langsam einschlafe.

One-Night-Stand(s)

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist mein Arm eingeschlafen. Ein ekliges Kribbeln zieht sich durch ihn und ich weiß, wenn ich ihn bewege, wird es erst Mal nur schlimmer werden. Ich würde nicht sagen, dass der Tag deshalb schon dazu verdammt ist, scheiße zu werden, aber wirklich erfreuen tut es mich am frühen Morgen auch nicht.

Wobei früh relativ ist, denn ich habe keine Ahnung, wie viel Uhr es ist. Am leichtesten wäre es, auf den Wecker zu schielen, aber dazu müsste ich mich bewegen – und damit zwangsläufig den Arm.

Dennoch versuche ich, mich zu drehen, schaffe es aber nicht. Ich brauche einige Sekunden, bis ich verstehe, dass mein Arm eingeschlafen ist, weil etwas Schweres auf ihn liegt – und ich mich deshalb auch nicht bewegen kann.

Unmutig versuche ich, dieses Etwas ein wenig weg zu schieben, und schon murrt es. Irritiert blinzle ich und meine Müdigkeit ist gänzlich verflogen, ich bin nun hellwach. Damit kehrt auch die Erinnerung an letzte Nacht zurück. An den Sex mit Leander und daran, dass er hier geschlafen hat.

Unweigerlich muss ich daran denken. Jakob hatte Recht. Mit viel Romantik war das Ganze nicht verbunden gewesen. Aber ich hatte Sex gehabt. Und Leander war perfekt, dafür dass er nur ein One-Night-Stand war.

Mein Sexpartner, oder wie auch immer ich ihn nennen soll, richtet sich nun auf und sieht mich an. „Wenn du mich noch weiter wegschiebst, dann fall ich aus dem Bett,“ mault er. Ich muss grinsen. Habe ich da einen kleinen Morgenmuffel in meinem Bett?

„Sorry,“ meine ich, um ihn zu besänftigen und ziehe ihn dann näher. Keine Ahnung, ob Kuscheln erlaubt ist, wenn man nur Sex hatte. Aber wenn nicht, kann ich mich ja immer noch heraus reden, dass ich Angst hatte, er würde wirklich aus dem Bett fallen.

„Besser so?“, frage ich deshalb nach.

„Zumindest nicht mehr lebensgefährlich,“ scherzt er, schon wacher und beugt sich dann tatsächlich über mich, um mich zu küssen. Erst mich, dann meinen Hals.

„Wie wäre es, wenn wir das von gestern wiederholen?“, schnurrt er und schiebt bereits seine Hand zwischen meine Beine, ehe ich wirklich eine Antwort darauf geben kann.

Ich keuche auf.

„Okay… aber diesmal… liegst du unten,“ beschließe ich und bin gar nicht mehr so nervös, wie gestern. Vielleicht hat dieser One-Night-Stand tatsächlich meine Angst genommen.

Wobei… jetzt ist es kein One-Night-Stand mehr… Denn wir werden noch mal… Ich schlucke. Ich werde tatsächlich noch mal mit Leander schlafen. So richtig kann ich das noch gar nicht begreifen. Erst gar kein Sex, jetzt immer zu. Und dann auch noch mit diesem niedlichen Wesen hier auf mir.

„Wirst du etwa mutig?“, lacht es gegen meinen Hals und ich grinse: „Vielleicht.“

Vorsichtig streiche ich über sein Glied. Ich spüre mehr, dass er keucht, als dass ich es höre… Seine Lippen sind immer noch an meinem Hals und ich spüre jeden Atemzug wie einen Windhauch über meine Haut streichen. „Interessant…“, nuschelt er.

Sanft schiebe ich ihn weg, so dass er mich wieder ansehen muss. Ehe er protestieren kann, habe ich bereits nach seinen Lippen geschnappt und verwickle ihn in einen langen Kuss.

Ein wenig tue ich das auch, um Mut zu tanken. So sicher ich mich nämlich momentan fühle, so nervös bin ich dennoch, wenn ich an die Herausforderung denke, den aktiven Part übernehmen zu werden.

Ich will gerade fortfahren, als jemand ruft: „Tobias? Bist du schon wach?“

Erschrocken fahre ich zusammen und will dann einfach antworten, dass ich noch etwas schlafen will, als mir ein paar kleine, unwichtige Details bewusst werden.

Meine Mum lässt sich davon nicht abhalten. Und sie weiß es nicht. Und Leander…

Ich blicke ihn an, wie er nackt auf mir sitzt und mich fragend mustert.

Schritte im Gang. Mein Herz rast. Wenn sie die Türe aufmacht.

„Ach du…“, fluche ich und versuche dann, sie doch noch aufzuhalten: „Ich will noch schlafen!“

Vergeblich.

Im nächsten Moment öffnet sie die Türe und platz in den Raum. „Ich bin wieder da und hab Frühstü-“

Wäre die Situation nicht so brisant, wäre es wirklich witzig, wie ihr der Mund aufklappt und sie Leander entsetzt anstarrt.

Ihre Augen huschen durch mein ganzes Zimmer, als fände sie so eine passende Erklärung. Als sie merkt, dass es keine gibt, sieht sie mich an. Ich kann ihren Blick nicht ganz deuten. Vielleicht ist das Entsetzten, vielleicht Wut… aber vor allem ist es Enttäuschung. Und das ist schlimmer als alles andere.

Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich nichts mehr sagen, sondern sie nur anstarren kann. Darüber vergesse ich fast Leander. Erst, als er sich leicht bewegt, merke ich, dass er noch da ist. Ich blicke zu ihm.

Er sieht nicht so aus, als wäre er total geschockt. Eher ein wenig peinlich berührt. Wahrscheinlich ist es ihm einfach unangenehm, dass meine Mum uns erwischt hat, denkt sich aber nichts dabei. Wie könnte er auch.

Ich will etwas sagen, aber das einzige, dass meinen Mund verlässt, ist: „Scheiße.“

Ich schnappe nach Luft und versuche es erneut: „Mum… also…“

Aber als hätte ich sie damit wachgerüttelt, macht sie auf den Absatz kehrt, knallt die Tür zu und haut ab, als würde es jede Erklärung nur noch schlimmer machen – ist wohl auch so.

Ich beiße mir auf die Lippen, meine Gedanken rasen. Fast ist es, als denke ich gleichzeitig an alles und nichts.

„Die macht ja einen ganz schönen Aufriss, dafür, dass sie uns beim Vögeln erwischt hat,“ holt Leander mich zurück in die Realität. „Mein Dad entschuldigt sich einfach und geht wieder…“

Er legt den Kopf schief und mustert die Türe: „Wir hätten abschließen sollen.“

Ich schnaube nur und er blickt wieder zu mir. „Du bist ganz weiß, was ist los? So schlimm ist das jetzt auch nicht.“

Am liebsten würde ich ihn jetzt anschreien, aber er kann ja nichts dafür, es wäre nur unfair. Also ist das einzige, was ich ziemlich energisch sage: „Doch!“

„Naja… sie wird ja wohl ahnen, dass du in deinem Alter Sex hast,“ hält er dagegen, ehe ich ihn über die Umstände aufklären kann.

Ich blicke ihn an, wie eine Kuh wenn’s blitzt und er sieht verwirrt zurück.

„Weißt du… sie weiß es aber nicht…“

Daran, dass er die Stirn runzelt, erkenne ich, dass er es einfach nicht verstehen will. „Was weiß sie nicht?“, fragt er da auch schon.

„Das ich schwul bin.“

„Oh!“

Eine unangenehme Stille entsteht, dann sehe ich, wie sein Mundwinkel zuckt. Als ich ihn scharf ansehe, macht er das Unpassendste, was es gibt. Er fängt an, zu lachen.

„Das ist gar nicht lustig!“, empöre ich mich aufgebracht, was ihn nur noch heftiger lachen lässt. „Find ich schon.“

Fassungslos sehe ich Leander und kämpfe dagegen, einfach mit zu lachen. Irgendwie ist sein Lachen ansteckend. Aber es ist einfach gerade nicht der Moment, um zu lachen. Eher der, Panik zu schieben.

Sie weiß es!!! Sie hat es gesehen!!! Die Realität wird mir immer deutlicher bewusst. Es gibt kein Zurück mehr. Jetzt muss ich ihr alles sagen. Und dann wird sie mich hassen.

Allein bei dem Gedanken daran, wird mir schlecht.

„Dann geh ich jetzt mal,“ fällt es Leander dann plötzlich ein und er steht auf. Ich starre ihn an und plötzlich ist mir kalt. Vielleicht, weil sein warmer Körper weg ist, aber auch, weil ich das Gefühl habe, wenn er geht, bin ich ganz alleine.

Vielleicht ist das der Grund, warum ich aufspringe, ihn packe und rufe: „Nein!“

Er blinzelt mich an. „Du kannst nicht gehen. Sonst weiß sie ja, dass wir nur Sex haben.“

Was gerade noch als Ausrede davor gedient hat, Leander zum Bleiben zu bewegen, bohrt sich wie ein Messer in meinen Bauch. Oh Gott… Das macht alles noch schlimmer. Wenn Leander wenigstens mein Freund wäre…

„Das wird sie eh erfahren, wenn ich hier nicht mehr auftauche,“ erinnert er mich nur an die knallharten Fakten, die auch nicht wirklich zu meinem leiblichen Wohl beitragen. Frustriert raufe ich mir die Haare. So langsam habe ich das Gefühl, dass meine Situation von Sekunde zu Sekunde schlimmer wird.

Leander redet weiter und versucht wohl, mich von seinen Argumenten zu überzeugen, aber ich höre gar nicht mehr zu. Viel zu sehr bin ich in Gedanken versunken, außerdem muss er mich auch gar nicht mehr überzeugen. Ich weiß ja, dass meine Mum früher oder später merken wird, dass ich nicht mit Leander zusammen bin.

„Oh nein,“ stöhne ich irgendwann und mein Besucher unterbricht seinen Monolog und sieht mich an: „Oh doch.“

Mein Blick fällt wieder auf ihn. Er steht immer noch halb angezogen in meinem Zimmer und ist versucht, zu gehen.

„Leander…“, spreche ich ihn erneut an. „Kannst du nicht bitte… wenigstens… Ein paar Minuten.“ Ich seufze und habe keine Ahnung, was ich eigentlich sagen soll – und sagen will.

Er sieht mich an, nachdenklich, und ich schniefe. Erst da fällt mir auf, dass ich mit den Tränen kämpfe. Nicht nur mir. Auch Leander ist minder geschockt von meiner Hysterie und kommt nun wieder auf mich zu. „Meine Güte,“ sagt er. „Du bist ja völlig fertig.“

„Ich weiß einfach nicht, was ich jetzt sagen oder machen soll. Meine Mum mochte Schwule noch nie und wenn sie dann noch merkt, dass…. dass du…“

Ein wenig hilflos werde ich in den Arm genommen und Leander tätschelt so unbeholfen meinen Rücken, dass ich fast schon wieder Lachen könnte, weil er so überfordert ist.

„Wenn es dir hilft, bleibe ich eben hier und… rede mit ihr oder so,“ schlägt er vor. Sein Atem haucht erneut über meinen Hals und wenn meine Situation nicht gerade so verzwickt wäre, würde es sicher erregen.

„Nein,“ entscheide ich, auch wenn Leanders Idee vielleicht ganz gut wäre. Aber ich denke einfach, dass meine Mum das absolut überfordern würde. Das teile ich meinem Gegenüber auch mit.

Als er sich lösen will, tue ich etwas unüberlegtes und kralle mich an ihm fest. Zum Glück bleibt er tatsächlich stehen und tätschelt weiter meinen Rücken.

„Wenn sie merkt, dass das nur ein One-Night-Stand war, dann habe ich alle ihre Klischees erfüllt und sie wird es niemals tolerieren,“ fasse ich mein Hauptproblem für ihn zusammen. Vielleicht kann mir ja sogar Leander sagen, wie ich aus der Sache wieder herauskomme. Er hatte ja offenbar keine Probleme mit meinem Coming-out. Zumindest, wenn ich davon ausgehe, dass stimmt, was er vorhin über seinen Vater erzählt hat.

Nun löst er sich doch von mir, sieht mich unsicher an. Dann würgt er ein wenig zögerlich hervor: „Weißt du… wie wäre es… wenn wir so tun, als wären wir zusammen?“

Erstaunt blinzle ich. Ehrlich gesagt habe ich mit Allem gerechnet, nur nicht damit. „Das würdest du tun?“, frage ich nach, einfach nur, falls er seine Idee doch wieder verwerfen möchte. Immerhin bringt er da ein ziemliches Opfer, dafür, dass er einfach gehen und sich nicht um mich scheren könnte.

Er nickt.

„Muss ja nicht für lange sein,“ überlegt er weiter. „Ich komme einfach ab und an vorbei und… wir machen so Pärchenzeugs vor ihren Augen. Irgendwann trennen wir uns und alles wirkt ganz normal.“

Erneut rasen meine Gedanken. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Die Idee ist natürlich perfekt und das Leander selbst dafür bereit ist, wundert mich. Andererseits sollte ich mich wohl einfach darüber freuen. Dennoch bin ich skeptisch. „Was hast du davon?“, frage ich deswegen nach. Sicher ist sicher. Nicht, dass er dann einfach keine Lust mehr hat und ich dann sehen muss, wie ich das Problem allein gelöst kriege.

Ich kriege keine Antwort. Er tritt nur näher, küsst meinen Hals. „Sex,“ haucht er nach gefühlten Stunden, die er meinen Hals bearbeitet hat.

Ich erschaudere. „Oh.“

„Weil das machen wir auch,“ bestimmt er. Als müsst er das vorher festlegen, als müsste er mich dazu zwingen…

Ein wenig muss ich lachen. „Bist du sicher, dass das für dich okay ist?“, frage ich und er nickt. „Ich kann doch nur gewinnen,“ zwinkert er mir zu. Ich muss lächeln.

„Vor allem könntest du dann mit ihr reden, wenn sie es erst Mal verdaut hat…. Das würdest du doch tun, oder?“ Ich sehe ihn flehend an, aber er nickt einfach und winkt ab, als wäre es gar nicht wert, darüber zu reden.

„Aber jetzt redest du erst Mal alleine mit ihr.“ Und damit zieht er sich an und ich lasse ihn ziehen. Vorher tauschen wir natürlich Nummern aus, sonst würde das Ganze ja keinen Sinn ergeben.

„Danke, Leander. Ich weiß nicht, wie ich das wieder gut machen soll,“ meine ich, als wir bereits an der Türe stehen.

„Wie wäre es, wenn du…“, er beugt sich zu meinem Ohr. „Mir einen bläst.“

Ich werde rot und er grinst mich an. „War ja nur ein Vorschlag.“

„Okay,“ flüstere ich leise und er sieht ziemlich zufrieden aus.

„Ciao, Schatz,“ meint er so laut, dass meine Mum das unweigerlich hat hören müssen. „Ciao,“ erwidere ich leiser und er haucht mir tatsächlich einen Kuss auf die Lippen, ehe er verschwindet.

Ich bleibe verwirrt zurück. Der Kuss war für unseren Plan unnötig, also war er ganz allein für mich gedacht – und genau deshalb hinterlässt er auch so ein seltsames Kribbeln in meinem Magen.

Beflügelt und eindeutig erleichtert trete ich damit den Weg zur Küche an, in der ich Mum vermute.
 

Ziemlich unsicher öffne ich die Türe und trete ein. Wie erwartet sitz meine Mum am Küchentisch und starrt die Tischplatte an, als würde diese ihre gerade die Lösung all ihrer Probleme verraten.

„Mum?“, frage ich leise nach.

Nur langsam wendet sie sich mir zu und ich sehe sie an und weiß nicht so genau, was sagen. Ängstlich presse ich die Lippen aufeinander und schlucke schwer.

Während ich gar keine Worte finde, würgt sie zumindest einen Satz über ihre Lippen: „Du magst also Jungs?“

Noch immer sprachlos, kann ich nur nicken. Sie hingegen schüttelt den Kopf, als könne sie es einfach kaum glauben; und als würde sie es auch nicht glauben wollen.

„Das kann nicht dein Ernst sein!“, bricht es da auch schon aus ihr heraus und ich zucke mit den Schultern, was vielleicht nicht die beste Reaktion ist, aber die einzige, zu der ich gerade fähig bin.

„Aber Mum…“, flüstere ich heißer. Heißer, weil sich schon wieder Tränen in meinen Augen anstauen.

„Das ist doch keine Liebe,“ unterbricht sie mich, ehe ich die Kraft finde, noch etwas hinzu zu fügen.

Ich blicke zu Boden.

„Doch…“

Das die Aussage ein Fehler war, wird mir sofort bewusst, denn meine Mum bezieht die ganze Sache natürlich auf Leander und fragt deshalb nach: „Dann liebst du ihn?“

Endlich schaffe ich es, den Kopf zu heben und sie anzusehen. Bisher habe ich nur zu Boden gestarrt. „Was?“, frage ich verwirrt, um Zeit zu schinden.

„Den Jungen von eben…“

Ich öffne den Mund und schließe ihn wieder. Was soll ich dazu jetzt nur sagen? Zu behaupten, ich würde Leander lieben, wäre eine Lüge. Es zu leugnen, wäre unvorteilhaft für das weitere Gespräch. Aber ich kann nicht lügen. Nicht jetzt, wo ich so aufgewühlt bin.

Liebe ich Leander? Natürlich nicht. Aber das sollte ich ihr wohl nicht sagen.

„Wir sind zusammen,“ weiche ich ihr aus.

„Also nicht,“ stellt sie fest.

„Doch… nein… so sehr, wie es nach so kurzer Zeit schon geht…“, versuche ich, mich auszureden.

„Wie lang geht das schon mit euch?“

„Drei Wochen,“ lüge ich. Erneut nicht die beste Entscheidung, denn sie braust auf: „Und da sagst du mir nichts?“

Betrübt schlage ich die Augen nieder. „Ich…“ Mehr sage ich nicht, weil ich einfach nicht weiß, wie ich den Satz beenden soll.

„Ich versuche, es zu akzeptierten, weil du mein Sohn bist. Aber wirklich leicht fällt mir das nicht,“ sagt sie dann erstaunlicher Weise, auch wenn ich nicht glaube, dass sie das wirklich ernst meint. Wahrscheinlich sagt sie nur, weil sie nicht viel anderes sagen kann.

„Okay, danke,“ sage ich dennoch und sie nickt nur und sieht unglücklich mit der Situation aus.

Ehe sie ihren Entschluss zurück nehmen, oder etwas anderes sagen oder fragen kann, ziehe ich mich in mein Zimmer zurück.

Kaum dort, greife ich augenblicklich nach dem Handy und lasse mich damit auf das Bett fallen. Keine Ahnung, warum ich sofort das Bedürfnis habe, Leander zu schreiben, aber da er mich eh gebeten hat, ihm zu sagen, wie es gelaufen ist, tue ich es das auch.

Außerdem wollen wir ja auch noch ein paar Dinge besprechen, die wir für unsere Fake-Beziehung klären sollten.

Deshalb und wegen vielem Weiteren rufe ich ihn also an.

„Ja,“ meldet er sich bereits nach dem ersten Klingeln, was mich darauf schließen lässt, dass er bereits auf meinen Anruf gewartet hat.

Wie lange ist es her, dass er gegangen ist? Ich blicke auf meinen Wecker. Nicht mal eine halbe Stunde. In der Tat dachte ich, das Gespräch mit meiner Mum wäre vielleicht länger gegangen.

„Ich bins,“ melde ich mich, weil ich noch gar nichts gesagt habe, und möchte es am liebsten gleich wieder zurück nehmen. Woher soll er denn wissen, wer >ich< ist?

„Tobias,“ füge ich deshalb hinzu.

„Dachte ich mir schon,“ lacht er belustigt am anderen Ende auf. Augenblicklich werde ich rot. „Und? Wie ist es gelaufen?“

Ich erzähle ihm in ein paar knappen Sätzen von dem Gespräch mit meiner Mutter und er seufzt.

„Okay…“

Mehr hat er dazu wohl nicht zu sagen, zumindest sagt er nicht mehr. Missmutig lasse ich mich nach hinten fallen und atme den Geruch meiner Matratze ein. Sie riecht noch immer nach Leander. Zumindest bilde ich mir das ein.

„Leander?“, frage ich, weil ich gerade nichts anderes zu sagen weiß.

„Ja?“, fragt er zurück.

„Glaubst du, sie wird es irgendwann akzeptieren?“, fasse ich meine Zweifel in einer Frage zusammen, die ich ihm dann vor den Latz knalle.

„Bestimmt. Wenn sie sich jetzt schon nicht mehr gänzlich dagegen sträubt,“ macht er mir daraufhin ein wenig Hoffnung. Genau das, was ich jetzt brauche.

Ein wenig tröstet es. Aber ich denke, ich sollte ihm auch die ganze Geschichte erzählen, damit er auch völlig eingeweiht ist und mit allen Wenn und Abers urteilen kann.

Deshalb berichte ich ihm kurz die Geschichte, dass mein Dad meine Mum wegen einem anderen Kerl verlassen hat.

„Ach so war das,“ meint er daraufhin und ich könnte schwören, er zieht die Brauchen hoch, auch wenn ich es nicht sehen kann. Würde zu ihm passen, zumindest insofern, wie ich ihn bisher kennen gelernt habe.

„Ja… Meinst du, so was ist vererbbar?“, frage ich, weil ich nichts anderes zu fragen weiß.

„Wohl nicht. Sonst gäbe es ja irgendwann keine Schwulen und Lesben mehr, oder?“, lacht er am anderen Ende auf und ich komme zu dem Entschluss, dass meine Frage absolut bescheuert war.

„Logisch,“ stimme ich zu.

Er lacht wieder sein glockenhelles Lachen, dass alles Schlimme irgendwie weniger schlimm erscheinen lässt.

„Wie haben deine Eltern reagiert?“, frage ich ihn, um ein wenig über ihn zu erfahren. Ist ja auch absolut nötig, wenn wir eine glaubwürdige Beziehung simulieren wollen.

„Für meinen Dad war es einfach okay… der hat das akzeptiert, ohne irgendetwas dagegen zu sagen. Wahrscheinlich hat er schon ein wenig damit gerechnet.“

„Und deine Mum?“, hake ich nach.

„Die ist gestorben, als ich Drei war.“

„Oh… tut mir Leid,“ meine ich und komme mir doof vor. In so einer Situation weiß ich einfach nie, was ich sagen soll, ohne wie der größte Idioten zu wirken.

„Schon gut. Ich war noch so klein, ich kann mich kaum erinnern,“ tut er die Sache ab, als wäre es gar nichts. Aber wahrscheinlich ist es auch so. Und ich will darauf auch nicht weiter eingehen, als nötig.

Deshalb frage ich nur aus Höflichkeit: „Was ist passiert?“

„Ein Autounfall.“

Weil ich darauf auch wieder nichts zu sagen weiß, brumme ich nur zustimmend, als bräuchte er dazu meine Zustimmung.

Dann wechsle ich das Thema.

„Ich hoffe, meine Mum akzeptiert es irgendwann genauso gut, wie dein Dad.“

„Bestimmt,“ spricht er mir erneut Mut zu.

„Wann sehen wir und das wieder?“ Nun ist er es, der das Thema wechselt. Wahrscheinlich nerv ich ihn einfach mit meinem Gejammer.

„Wann passt es dir denn?“, komme ich ihm ein wenig entgegen.

„Immer. Aber darum geht es nicht. Wir können uns nicht wahllos ab und an sehen. Wir müssen schon wie ein normales Paar wirken,“ hält er mir eine kleine Standpauke und ich muss schmunzeln. „Wie wäre es mit morgen Abend? Ich hol dich ab und wir gehen ins Kino,“ schlägt er mir vor und ich habe das Gefühl, dass er das Ganze ernster sieht, als ich.

„Okay,“ stimme ich einfach zu. „Wir kennen uns übrigens schon drei Wochen.“

Er lacht auf. „Hast du ihr schon von mir erzählt?“

„Nein…“

„Dann weiß sie nicht mal meinen Namen?“ Er klingt empört und ich muss schon wieder lachen.

„Nö.“

„Gut. Dann muss ich mich ihr einfach offiziell vorstellen,“ fasst er dann seinen seltsamen Entschluss und ich stöhen auf. „Oh Gott…“

„Leander reicht,“ grinst er zurück (Ich bin sicher, dass er grinst. Er hört sich so an.) „Lass mich nur machen. Ich krieg das hin.“

Und dann lässt er mir keine Chance zur Gegenwehr und verabschiedet sich einfach. Ehe ich mich versehe, hat er aufgelegt.

Na… das kann ja noch was werden.

Süße Frösche

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Süße Frösche [zensiert]

Wenig später liege ich in meinem Bett und denke an Leander. Ich kann nicht fassen, wie sorglos er in jeder Lebenslage ist. Zwar weiß ich kaum etwas über ihn, weiß nicht, wie er reagiert, wenn es ihn selbst betrifft… aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn überhaupt irgendetwas aus dem Gleichgewicht bringen kann. Wenn es so etwas gibt, dann habe ich es noch nicht gefunden. Und ich habe Zweifel, dass ich es je finden kann. Ihm scheint einfach alles zu gelingen. Irgendwie.

Das finde ich ziemlich fies, ja fast schon unfair. Er lässt sich durch nichts erschüttert und mich schmeißt jeder kleine Mist aus der Bahn. Obwohl ich meine jetzige Situation natürlich nicht als ‚kleinen Mist’ bezeichnen würde. Dennoch… Ich glaube, ich mache mir viel zu oft viel zu viele Gedanken. Und ich weiß nicht, ob das gut ist. Einerseits zeichnet mich das irgendwie aus, aber andererseits stehe ich mir so doch nur selbst im Weg.

Deshalb glaube ich, dass ich von Leander vielleicht sogar noch etwas Wichtiges lernen kann. Nämlich die Dinge etwas ruhiger anzugehen. Auch, wenn mir das sehr schwer fällt. Und das tut es wirklich. So fühle ich mich gerade schon wahnsinnig überfordert, obwohl ich jetzt sogar Unterstützung von Leander bekomme…

Frustriert schließe ich die Augen. Ich habe das Gefühl, mein Leben gerät gerade völlig aus dem Ruder – und ich weiß genau, dass ich, wenn das geschieht, nicht mehr alleine die Kontrolle über es bekommen kann.

Dafür brauche ich jemanden, der mir hilft. Dafür brauche ich… Leander.
 

„Krasse Sache,“ findet Jakob, als ich ihm am nächsten Tag in der Schule all meine Erlebnisse erzähle. Ich habe das Gefühl, dass er mir nicht so Recht glauben will. Was eigentlich Unsinn ist – er kennt ja meine Mum.

„Das ist aber auch blöd, dass sie euch ertappt hat,“ stellt er fest, als wüsste ich das nicht schon längst. Klar ist das blöd. Sogar total blöd, saublöd. Blöder geht’s gar nicht mehr.

„Aber es ist nett von Leander, dass er dir angeboten hat, deinen Freund zu spielen.“

Ich blicke Jakob zögerlich an: „Ich hab wohl einfach einen mitleidigen Eindruck gemacht…“

Er lacht auf. Wahrscheinlich kann er sich das richtig gut vorstellen, wie ich vor Leander im Staub gekrochen bin. Dabei bin ich das ja gar nicht. Ich habe ihn zwar angefleht, nicht zu gehen, aber der Rest war seine Idee.

Und genau diesen Punkt greift mein bester Freund nun auch auf: „Es war seine Idee… nicht deine,“ klärt er mich auf, als wüsste ich das nicht, und blickt mich vielsagend an. Ich weiß nicht genau, wie ich diesen Blick nun zu deuten habe und ziehe einfach nur die Brauen hoch. Als er nicht weiter darauf eingeht, frage ich doch: „Willst du mir vielleicht etwas sagen?“

Aber Jakob grinst nur vergnügt und widmet sich seinem Vokabelheft zu. Ungeduldig boxe ich ihm in die Seite und blicke ihn mürrisch an, als er mir wieder seine Aufmerksamkeit schenkt: „Jakob,“ maule ich.

„Ich versuche, dir mitzuteilen, dass Leander vielleicht auf dich steht.“

Daraufhin kann ich nur aufstöhnen und die Augen verdrehen. Diese Seite an Jakob nervt mich manchmal ziemlich. Er sieht alles immer nur durch die rosarote Brille. Als wäre jeder, der jemanden hilft, gleich verknallt. Da wäre ja so gesehen jeder in jeden verknallt. Oder zumindest in ziemlich viele.

„Red keinen Müll, das tut er nicht!“, weise ich ihn deshalb auch sofort zurecht, aber er lässt sich davon kaum bis gar nicht beeindrucken.

„Woher willst du das denn wissen?“, hakt er nach und ich widerstehe nur schwer der Versuchung, mir die Haare zu raufen.

„Siehst du!“, triumphiert Jakob, als ich nur mit den Achseln zucken kann, weil ich wirklich keine Ahnung habe, wie ich mich jetzt clever herausrede.

„Er steht nicht auf mich!“, brause ich nun auf und versuche, Jakob irgendwie zu überzeugen, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass ich scheitern werde. So ist Jakob nun mal. Wenn er sich was in den Kopf gesetzt hat, beharrt er darauf, egal, wie abwegig das Ganze auch sein mag.

„Das war reines Mitleid. Hätte ich ihn nicht aufgehalten, wäre er ohne ein weiteres Wort gegangen.“

„Gut… Wenn du das sagst, dann steht er eben nicht auf dich,“ erwidert Jakob darauf nur, in einem Ton, der mir ganz genau sagt, dass er es nicht so meint, wie er es sagt. Ganz und gar nicht. Deshalb fügt er auch hinzu: „Wieso sollt er auch? So blöd, hässlich und scheiße, wie du nun mal bist…“

Ich ziehe scharf die Luft ein und kämpfe um meine Selbstbeherrschung, weil mich diese Diskussion wirklich, wirklich aufregt.

„Gut,“ schnaube ich wütend. „Nehmen wir mal an, es wäre so, wie du es sagst. Was soll ich denn deiner Meinung nach jetzt tun?“

Jakob zuckt mit den Achseln. „Er ist heiß,“ stellt er fest, als wäre das jetzt eine Antwort auf meine Frage. Das ist es nämlich absolut und ganz und gar nicht.

„Ich weiß, dass er heiß ist. Aber…“

Er unterbricht mich: „Aber was?“

„Man Jakob,“ murre ich genervt. „Deswegen muss ich mich doch jetzt nicht an ihn ran machen, oder?“

Frustriert raufe ich mir die Haare und als Jakob ‚Doch’ sagt, stöhne ich leidvoll auf. Diese ganze Diskussion nervt mich. Und noch mehr nervt mich, dass Jakob absolut unlogische Scheiße labert, die nach und nach doch irgendwie logisch wird – und die mir immer mehr gefällt, so sehr ich das auch abzustreiten versuche.

„Du willst mir jetzt aber nicht sagen, dass du noch nicht auf die Idee gekommen bist, ihn zu erobern, jetzt da er deinen Freund spielt, oder?“, schlägt Jakob knallhart zurück und trifft dabei einen Wunden Punkt bei mir. „Ist ja nicht so, dass er nicht einfach nur unverschämt gut aussieht und auch noch sehr nett zu sein scheint.“

Ich mahle mit den Zähnen, damit ich nichts sagen muss, und vor allem, um meine Wut herunter zu schlucken.

Es ist nämlich so, dass ich auf die Idee tatsächlich nicht gekommen bin. Zwar habe ich mir ausgemalt, wie es wäre, wenn er mein Freund wäre – aber ich habe nicht daran gedacht, diese Idee in die Tat umzusetzen.

„Ehrlich gesagt nicht,“ gebe ich deshalb zu und werde rot. Wobei rot kein Ausdruck ist. Ich laufe so rot an, dass man denken könnte, mein Kopf explodiert. Vor allem, als Jakob schnaubt. „Oh Gott… Bei dir ist Hopfen und Malz verloren!“

Ich blicke zu Boden. „Wenn du die Sache so angehst, dann wirst du nie einen Freund finden!“, murrt er.

„Ich hab doch einen,“ schmettere ich zurück und merke erst, wie kindisch und dumm das ganze klingt, als Jakob mich darauf aufmerksam macht. „Einen Fake-Freund, wenn ich bitten darf. Das zählt ja wohl mal so gar nicht.“

Klar hat er damit Recht. Aber in einem Punkt kann ich auf mein Recht beharren und genau das tue ich auch: „Ja, aber er kümmert sich schon irgendwie um mich und wir haben Sex und machen so… Date-Dinger…. Das ist nicht viel anders, als wäre er mein Freund.“

„Aber es ist keine Liebe,“ hält Jakob entgegen und da habe ich nicht viel zu erwidern. „Noch nicht,“ fügt er dann hinzu und schafft es so, wieder zum Ausgangspunkt unseres Gespräches zurück zu kehren.

Diesmal kann ich aber nur die Augen verdrehe und sehne mich nach dem erlösenden Klingeln, dass das Pausenende anzeigt. Leider kommt es nicht.

„Und auch später nicht,“ maule ich deshalb nur und klinge nun langsam ziemlich unfreundlich. Jakob stört das natürlich überhaupt nicht, weil er genau weiß, dass ich das nur bedingt ernst meine.

„Vielleicht nicht… Vielleicht ja aber doch,“ sinniert er und ich gebe frustriert auf und lass ihn einfach Reden. Bei ihm bekomme ich ja sowieso kein Recht. Da sollte ich es auch nicht versuchen. Ist nur verschenkte Lebensmühe!
 

„Hallo Schatz,“ begrüßt mich Leander wie selbstverständlich und ich kann nicht umhin, ein wenig rot zu werden. Als er mir dann auch noch um den Hals fällt und mich innig küsst, fühle ich mich wie auf einer Achterbahn, so stark kribbelt in meinem Bauch.

Ich weiß nicht, warum er überhaupt so eine Szene macht. Meine Mutter ist in der Küche und sieht gar nicht, wenn er mich küsst. Aber offenbar ist ihm das recht egal und ich werde den Teufel tun und mich beschweren. Wann sonst fällt einem schon mal so ein heißer Kerl um den Hals?

„Bereit fürs Kino?“, fragt er extra laut und holt mich so aus meinen Tagträumen, die sich um ihn und mein Bett drehen.

Ich mustere ihn. Er hat sich hübsch gemacht. Nicht, dass er es nötig hätte, aber… nun ja… er sieht eben noch besser aus, als er es eh tut.

Und er hat Blumen dabei. Als ich dies zur Kenntnis nehme, ist mein Mund schneller, als mein Gehirn und irritiert deute ich auf den Strauß frage ich ihn: „Für mich?“

„Wie wäre es, wenn du erst Mal Hallo sagst?“, schlägt er vor und grinst sein breites Grinsen, über das ich mich ärgern sollte, dass ich aber einfach nur hinreißend finde. Fast bin ich versucht, wieder in meinen Tagträumen zu versinken. Fast.

Stattdessen sage ich brav: „Hallo.“

„Viel besser,“ lobt er mich und klingt dabei, als wäre er mein Herrchen und ich sein treudoofer Hund. Und ein klein wenig stimmt das sogar – zumindest fühlt es sich so an.

„Und nein, die sind natürlich nicht für dich, Spinner. Die sind für deine Mutter.“

Ich schlucke und mir ist es schon wieder peinlich, dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin. In was für einer Welt lebe ich denn auch, dass ich davon ausgehe, Leander würde mir Blumen mitbringen? Ist ja nicht so, als wären wir zusammen.

„Wo ist sie?“, fragt er und mein damit meine Mutter. Ich weiß auch nicht Recht, ob ich es gut finden soll, wenn er zu meiner Mum geht und mit ihr redet. Andererseits sind zwei Dinge glasklar: Erstens: Es wäre nicht gut für unseren Plan, wenn er meine Mum nicht kennen lernt. Zweites: Egal, was ich dagegen sage – Leander wird trotzdem nur tun, was er für richtig hält.

Also bring ich ihn zu ihr.

„Hallo,“ begrüßt er sie, kaum das wir die Küche betreten haben und lächelt meine Mutter so strahlend an, dass sie gar nicht mehr böse gucken – was sie eigentlich vor gehabt hat, so wie sie den ganzen Tag schon macht, seit ich ihr gesagt habe, dass ich Leander heute sehen werde.

„Ich bin Leander, Tobias Freund,“ stellt ‚mein Freund’ sich ordentlich vor, reicht ihr die Hand und überreicht ihr letztlich auch noch die Blumen.

Diese blickt meine Mum an, während sie verhalten ein ‚Danke’ murmelt und dann aus reiner Höflichkeit sagt: „Ich bin Sandra.“

Leanders Lächeln bleibt bestehen, obwohl sie ihm nun wirklich nicht ein großes Maß an Freundlichkeit entgegenbringt und er lächelt auch noch, als ich ihn mit mir zerre und im Gehen rufe: „Wir gehen dann!“

Kaum aus der Wohnung draußen, empört sich meine Fake-Beziehung: „Ich hatte keine Zeit für ein wenig Smalltalk!“

„Sie hätte eh nicht mit dir geredet,“ pfeffere ich nur zurück, weil jetzt auch noch trotzig die Arme verschränkt.

„Außerdem ist es eh besser so,“ murmle ich. Sonst verschreckt sie ihn vielleicht so sehr, dass er keinen Bock mehr hat, bei der ganzen Sache mitzuspielen. Oder sie beleidigt Schwule und greift ihn damit an – was er sicher nicht tolerieren würde.

All das sage ich ihm nicht und vielleicht sieht er deshalb kurz so aus, als würde er protestieren wollen. Dann lässt er es aber doch und seine Fröhlichkeit kehrt zurück.

Im nächsten Moment hat er den Arm um mich gelegt und grinst mich an: „Angst, das sie deinen herzallerliebsten Freund nicht mag?“, neckt er mich, während wir uns endlich in Bewegung setzen und zum Kino laufen.

„Herzallerliebst?“, echoe ich belustigt und er zieht eine Schnute. Ich bin noch ganz stolz auf mich, dass ich den Mut hatte, zu kontern, dass ich ganz beflügelt weiter rede, ohne wirklich darauf zu achten, was ich sage.

„Das sieht echt süß aus, wenn du so eine Schnute machst,“ rutscht es mir wohl allein deshalb heraus und im nächsten Moment könnte ich mich ohrfeigen, dass ich so unbedacht losgeredet habe. Ich will gar nicht wissen, wie er das wieder interpretiert, erfahre es aber dennoch, weil er es mir sagt: „Flirte doch nicht schon wieder. Ich bin doch schon dein Freund.“

„Haha,“ murre ich gequält und nur, um ein wenig von mir abzulenken, sage ich: „Ich hab das Gefühl, dass du einfach nicht mit Komplimenten umgehen kannst.“

Er bleibt abrupt stehen und sieht mich an und auch ich halte inne und blicke fragend zu ihm. Ein wenig habe ich Angst, dass ich jetzt etwas Falsches gesagt, ihn unbewusst beleidigt oder verletzt habe.

Dann aber bläst er nur die Backen auf und sieht damit aus, wie ein Frosch. Allerdings wie der süßeste Frosch, den ich je gesehen habe.

„Gar nicht wahr! Ich weiß, dass ich toll bin,“ regt er sich auf und bestätigt mit der heftigen Reaktion eigentlich nur, was ich gerade behauptet habe.

Was dann passiert, kann ich im Nachhinein nicht ganz erklären. Vielleicht ist es die Sache mit den Fröschen – wie war das noch mit den verzauberten Märchenprinzen? – oder einfach nur die Art und Weise, wie er wieder zu schmollen beginnt, die mich zu der Tat hinreißt, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich vorbeuge und ihn küsse. Kurz und schmerzlos, aber mit Nachdruck. Als ich mich löse, ist es ausnahmsweise mal er, dessen Wangen rosa glühen und der mich überrumpelt anstarrt.

Ich kann mir selbst nicht erklären, was das gerade solle. Die Frage, die aber viel schlimmer ist, ist natürlich, was er nun von mir denkt. Um sämtliche Gedanken seinerseits aus dem Weg zu räumen – nicht, dass er noch denkt, ich würde auf ihn stehen – sage ich: „Wollte nur testen, wie ernst du das Ganze siehst.“

Dass das eine Lüge ist, ist uns natürlich Beiden klar. Im letzten Versuch, mich aus der misslichen Lage zu befreien, setzte ich einfach mein Pokerface auf und hoffe, ich laufe nicht wieder gänzlich rot an.

Er hingegen blinzelt nur und meint: „Klar… das war dein einziger Hintergedanke. Was auch sonst…?!“

Ich grinse ein schiefes Grinsen und nicke. „Was auch sonst, richtig! Küsse kriege ich auch, wenn du in meinem Bett bist,“ plappere ich drauf los und habe damit sogar Recht. In der Tat fühle ich mich mit dem Argument wieder in so weit sicherer.

Offenbar ist das aber nicht das, was er hören wollte, weil er mir in die Seite boxt und empört meint: „Jetzt hast du deine Chance aber vertan!“

„Welche Chance?“, frage ich dümmlich nach und er grinst schon wieder. Klar… er tut ja fast nie was anderes. Dieser Junge ist so wahnsinnig optimistisch und positiv!!!

„Auf eine unvergessliche Nacht mit Leander Thomasen,“ klärt er mich auf und ich muss einfach lachen. Wenn er es mit Humor nimmt, dann fällt es auch mir leichter, diesen kleinen Zwischenfall zu verdauen.

Weil ich nun eigentlich alles tun kann, was ich will, und es dennoch wie Spaß aussieht, nutze ich das auch aus – wenn auch ziemlich überrascht von mir selbst.

Frech packe ich deshalb seine Hüften und ziehe ihn zu mir. „Das glaube ich weniger,“ hauche ich in sein Ohr und hoffe, dass ich mir nicht nur einbilde, dass er erschaudert. „Immerhin machst du den Quatsch hier ja nur deshalb mit.“

Ich löse mich ein Stück, blicke ihn an. Er sieht zurück. Und dann beugt er sich vor und küsst mich. Und ich kann nicht anders, als ihn an mich zu pressen.

Mein Kopf ist wie leergefegt, während unsere Lippen aneinander kleben. Das einzige, was noch wirklich zu Arbeiten scheint, ist meine Libido. Denn die meldet sich voller Tatendrang.

Irgendwann löst er sich atemlos von mir und sieht mich an. „Die Sache sollten wir ein wenig unterbinden,“ murmelt er leise und ich nicke und küsse ihn einfach wieder. Zuerst denke ich, er findet das vielleicht doof, weil er zunächst nicht erwidert. Aber nach kurzem Zögern ist er es, der den Kuss intensiviert und sich fest in meinem Shirt verkrallt.

Eigentlich sollte ich jetzt nur an unseren Kuss denken, ihn genießen, aber es geht nicht. Mir spukt der Satz im Kopf rum, den er gerade so schön gesagt hat. Wir sollten das Ganze also unterbinden. Was er wohl damit meinte? Das Geflirte? Aber warum? Hat er Angst, dass sonst Gefühle entstehen könnten? Und wenn ja, warum? Weil er keine Beziehung will? Weil er mich nicht will?

Bei diesem Gedanken sticht es ungewohnt und schmerzhaft in meiner Brust und ich beschließe, diese Gedanken zu verdrängen. Was soll das auch, dass mich das so deprimiert? Ich will ihn ja eigentlich gar nicht. Aber dennoch lechze ich so gierig nach seiner Nähe, dass ich es kaum aushalten kann. Alles in mir schreit nach seinem Körper. Und vielleicht ist es auch genau das. Er ist so heiß. So unglaublich heiß. Wenn ich nur an unsere gemeinsame Nacht denke, könnte ich schon vor Lust vergehen. Kein Wunder also, warum ich mich so nach ihm verzehre.

Und kein Wunder also, dass mein Körper deshalb wie von selbst handelt und ihm die Zunge in den Hals schiebt.

Eine Weile lässt er es zu, dann löst er sich von mir.

„Ich habe das Gefühl, du bist ausgehungert,“ stellt er fest.

„Scheint so,“ erwidere ich nur benebelt und mag jetzt gar nicht reden, sondern ihn einfach weiter küssen. Weiter… immer weiter.

„Aaaaaaaaber,“ meint er und sieht mich auf eine Art und Weise an, die ich fast schon als kokett bezeichnen würde. „Ich will jetzt erst ins Kino. Also Hände weg!“ Und damit klopft er mir auf die Finger und mehr aus Reflex, als aus Willem, ziehe ich meine Hände auch tatsächlich weg.

„Sicher?“, frage ich gespielt traurig und eigentlich bin ich doch auch wirklich traurig, weil ich so verdammt geil auf ihn bin.

Aber er nickt nur unbarmherzig und setzt sich wieder in Bewegung. „Sicher.“

Leider ist er sich bei der Sache wirklich sicher und so gehen wir tatsächlich ins Kino.
 

Fast fallen wir auf den Boden, so heftig zerre ich an Leanders Klamotten. Ich hab mich während des ganzen Films wirklich zusammenreißen müssen und jetzt will ich ihn einfach nur noch spüren – so schnell und so intensiv, wie nur irgendwie möglich.

Deswegen schiebe ich ihn hastig Richtung Bett, stoße ihn darauf und öffne auch schon seinen Gürtel.

Natürlich ist auch er nicht unaktiv, sondern reißt mir das Shirt von Leib – auf eine Art und Weise, die mir sagt, dass er sich auch kaum noch beherrschen kann.

Irgendwann sind wir dann endlich nackt und ich lege mich mit ganzem Gewicht auf ihn und suche nach seinen Lippen, küsse ihn.

Er hebt seine Hüften an und entlockt uns beiden ein Stöhnen, als unsere Körper aufeinander treffen.

Um nicht untätig zu sein, streifen meine Hände über seine Seiten und ich schiebe meine linke Hand unter ihn, umfasse eine seiner kleinen knackigen Pobacken und knete sie sanft.

Daraufhin hebt er sich mir nur noch mehr entgegen und ich keuche auf und beginne, seinen Hals zu küssen.

Lange kann ich dies aber nicht tun, denn im nächsten Moment umfasst Leander mich und beginnt, es zu pumpen, so dass ich nur noch stöhnen und mein Gesicht an seinem Hals vergraben kann. Also halte ich in meinem Tun inne und lasse ihn einfach machen.

Eine ganze Zeit verwöhnt er mich, dann löst sich seine Hand von mir und er sieht mich flehend an. „Tobias.“

Und was soll ich da schon anderes tun? Meine Hand unter ihm regt sich wieder und ich dringe mit dem ersten Finger in ihn ein und versuche, alles so zu machen, wie Leander letztes Mal bei mir.

Sanft bewege ich mich in ihm und suche mit der anderen Hand bereits nach dem Gleitgel, dass ich irgendwo neben dem Bett positioniert habe.

Wenig später ist er geweitet und das Gel verteilt und ich sehe ihn unsicher an, weil ich ein wenig Angst habe, ihn weh zu tun oder etwas falsch zu machen.

„Ich weiß nicht, ob ich…“, beginne ich, aber er unterbricht mich, in dem er mir einen Finger auf die Lippen legt.

„Ich führe dich, okay?“, meint er und tut genau das, sieht mich dabei auffordernd an.

Naürlich mache ich, was er will.

Die Augen fest zusammen gekniffen, versuche ich, mich daran zu gewöhnen, wie unglaublich eng es in ihm ist – eng und intensiv. Zuerst bewege ich mich gar nicht, aus Angst, sonst sofort zu kommen. Außerdem weiß ich, dass es für ihn sicher angenehmer ist, wenn er sich erst Mal daran gewöhnen kann, das sich nun in ihm bin.

Irgendwann glaube ich, dass ich nun beginnen kann, mich in ihm zu bewegen und tue auch genau das. Dabei beobachte ich ihn ganz genau und kann kaum glauben, dass es ihm wirklich gefällt. Aber das tut es, so verzerrt, wie sein Gesicht vor Lust ist.

Tief schiebe ich mich in ihn und entlocke ihm ein heißeres Stöhnen.

Und oh! Er ist so hübsch, wenn er sich so lustvoll unter mir windet. Ich kann mich kaum an ihm satt sehen, während ich mich immer wieder in ihn stoße. Und das immer schneller und immer härter.

Irgendwann fällt mir auf, dass ich ihn ja weiter berühren könnte und tue das auch, was ihn nur noch lauter stöhnen lässt.

Unglaublich schön.

Ich brauche nicht lange, bis ich ihn zum Höhepunkt gebracht habe und mich auf mich selbst konzentrieren kann, letztlich noch viel heftiger komme, wie er.

Erschöpft bereche ich danach auf ihm zusammen und spüre nur in Trance, wie er mir über den Rücken streicht.

„Das war echt nicht übel…“, nuschelt er leise.

„Soll das jetzt ein Kompliment sein?“, nuschle ich nicht weniger leise und absolut müde zurück.

Daraufhin kichert er leise und ich spüre sein Kichern wie ein Beben durch meinen Körper jagen, weil ich noch immer auf ihm liege.

„Ich denke schon,“ gibt er leise zu.

Daraufhin muss auch ich leicht lachen. „Danke.“

Er küsst meinen Hals und von diesem Punkt aus zieht sich eine Welle neuer Erregung durch meinen Körper.

„Du fühlst dich gut an, weißt du das? So heiß und eng.“, frage ich, ohne wirklich zu wissen, was ich sage. Ich bin viel zu benebelt um klar zu denken.

„Das liegt an der Anatomie des Mannes, mein Lieber,“ klärt er mich auf, aber ich halte dagegen: „Nein. Das liegt an dir. Weil nicht jeder so toll ist, wie du.“

Als er nichts darauf erwidert, hebe ich den Kopf und sehe ihn an. Er ist knallrot.

„Hab ich es gerade geschafft, dir ein Kompliment zu machen, ohne dass du etwas zu entgegen wusstest?“

Er verzieht den Mund ein wenig, was absolut süß aussieht und ihm kleine Grübchen beschert. „Ich war nur nicht darauf vorbereitet, weil ich noch viiiiieeeel zu erschöpft bin, um gut argumentieren zu können.“

Ich lächle und beuge mich nach unten, um ihn sanft zu küssen. „Wer’s glaubt…“, grinse ich vergnügt vor mich hin.

„Gute Nacht, Schatzilein,“ beende ich dann letztlich unsere Diskussion. „Idiot,“ murrt er daraufhin nur und ich muss lachen, sage aber nicht mehr viel darauf, weil ich kurz darauf eingeschlafen bin.

Einfach nur zwecklos

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Einfach nur zwecklos [zensiert]

So gut es auch mit Leander läuft, so schlecht läuft es mit meiner Mum. Sie akzeptiert zwar, dass ich mit Leander zusammen bin – aber sie verschweigt es vor anderen Leuten und das verletzt mich ziemlich. Schämt sie sich so sehr, zuzugeben, dass ihr Sohn schwul ist? Okay, es kostet vielleicht Überwindung. Aber es ist ja nun keine Katastrophe, oder?

Und dann habe ich auch das Gefühl, dass sie immer noch hofft, ich würde irgendwann zur Vernunft kommen. Als glaube sie tatsächlich immer noch, es wäre nur eine Phase und ich würde früher oder später merken, dass ich Brüste doch lieber habe als Schwänze.

So langsam aber sicher verzweifle ich deswegen.

„Vielleicht sollte mal jemand mit ihr reden, der ihr die Sache ein wenig näher bringen kann,“ schlägt Jakob mir vor, als ich die Sache bei ihm anspreche.

Wir sitzen in unserer Lieblingseisdiele und er ist über und über mit dem Eis verschmiert, dass er sich bestellt hat. Manchmal habe ich das Gefühl, er wäre ein Kleinkind.

„Und wer?“, gehe ich auf seinem Vorschlag ein und nippe von meinem Kaffee.

Er zuckt jedoch nur die Schultern, statt einen genauen Vorschlag zu bringen. Nach einiger Zeit des Schweigens, meint er dann doch: „Leander?“

Heftig schüttle ich den Kopf und fuchtel wie wild mit den Armen, weil ich noch immer Kaffee im Mund habe und nicht sprechen kann.

Geräuschvoll schlucke ich. „Nein!“, wehre ich dann entschieden ab und mache eine hilflose Handbewegung: „Er ist viel zu… unbekümmert.“

Und das ist er wirklich. Für ihn wäre das ein Spiel, eine Herausforderung. Klar würde er meiner Mum einen Text erzählen – aber ob das so hilfreich wäre?

Vor allem, wenn sie Gegenargumente anbringt und er zum nächsten Schlag ansetzen müsste…

Jakob jedoch verteidigt seinen Vorschlag – natürlich tut er das, das tut er immer. „Ich bin sicher, er kann auch ernst sein, wenn es darauf ankommt,“ mault er.

„Ja, kann er natürlich. Aber meine Mutter wäre am Ende einfach überfahren von ihm… Wo er ist, da ist kein Platz für andere. Er nimmt den Raum völlig ein. Man muss ihn einfach ansehen und hören, was er sagt. Aber das ist nicht, was meine Mum braucht…“, erläutere ich meine Bedenken ein wenig näher und Jakob wirft mir einen seltsamen Blick zu und runzelt die Stirn.

„Es würde sie wachrütteln,“ murmelt er dann geistesabwesend und mir ist klar, dass er in Gedanken gerade woanders ist.

„Es würde sie verstören,“ halte ich dagegen, aber er geht nicht mehr darauf ein. Wahrscheinlich ist die Diskussion für ihn schon wieder beendet. Man kann ihn ja eh nicht von seiner Meinung abbringen – je eher man das checkt, desto besser.

„Er nimmt also den ganzen Raum ein, soso,“ wechselt er das Thema und scheint nun wieder geistig bei mir zu sein. Ich blinzle ihn an und er wackelt zweideutig mit den Augenbrauen – was extrem peinlich aussieht.

Weil es besser ist, gar nichts darauf zu sagen, rolle ich nur mir den Augen.

„Du stehst auf ihn!“, stellt mein bester Freund in dem Moment aber fest und mir klappt die Kinnlade herunter. „Bitte?! Tu ich nicht!“, empöre ich mich.

„Klar tust du das. ‚Er nimmt den ganzen Raum ein.’ So was Schwules! Klar stehst du auf ihn.“

Ich öffne den Mund, um etwas zu erwidern, aber er unterbricht mich, in dem er einfach weiter schwafelt: „Je mehr du es abstreitest, desto offensichtlicher wird es.“

Frustriert schnaube ich. Weiter dagegen zu reden ist doch einfach nur zwecklos.

„Geht es ihm denn wenigstens ähnlich?“, hakt er nach und macht damit offensichtlich, dass seine Vermutung für ihn eine Tatsache ist.

Ich gehe nicht mehr weiter darauf ein, sondern fauche nur: „Keine Ahnung, was er denkt und fühlt, okay?!“

Er kräuselt die Nase. „Ach?“

„Ja! Weil er ein Meister darin ist, seien Gefühle und Gedanken zu verbergen,“ gifte ich weiter, weil sein ‚Ach’ so wahnsinnig belustigt-zweifelnd geklungen hat.

„Du kennst ihn aber schon ziemlich gut,“ dreht er mir erneut einen Strick aus meinem Gesagten und am liebsten würde ich mir vor Frustration die Haarbüschel ausreißen.

„Egal was ich sage – Hauptsache du bekommst recht,“ stelle ich entnervt fest und er nickt. „Ganz genau.“

„Und genau deswegen werde ich jetzt auch nichts mehr sagen,“ erläutere ich ihm meinen Plan genauer und sein Gesicht wird zu einem einzigen großen Grinsen.

„Ist auch besser so. Sonst müsstest du ja zugeben, dass ich Recht habe,“ entgegnet er nur und ich schüttle nur noch fassungslos den Kopf. Mit ihm zu diskutieren ist, als würde man mit einer Frau diskutieren!
 

„Eigentlich sollte ich jetzt beleidigt sein,“ murrt Leander und zieht eine Schnute, was absolut hinreißend aussieht.

Ich sehe ihn fragend an, während er auf einer Parkbank hockt und an einem Stück abgeblätterter Farbe zupft.

„Weil du so tust, als könnte ich das Gespräch mit deiner Mutter nicht bewältigen,“ klärt er mich auf. Ich habe ihm natürlich davon erzählt – wenn ich auch Jakobs Vermutungen bewusst weggelassen habe. Langsam glaube ich aber, das war keine gute Idee. Also, das mit dem Erzählen. Nicht mit dem Weglassen. Das war eindeutig die richtige Entscheidung!

„Jetzt sagst du nichts,“ stellt er fest und mir fällt erst auf, dass ich tatsächlich nichts sage, als er es eben anspricht. Ich zucke mit den Schultern.

„Könntest du es bewältigen?“, werfe ich eine Gegenfrage in den Raum, um nicht antworten zu müssen.

„Weiß ich nicht. Aber ich kenne jemanden, der es könnte,“ murmelt er und ich sehe ihn erneut fragend an.

„Meinen Dad,“ klärt er mich auf und die Idee ist so genial, dass sie mir eigentlich selbst hätte kommen müssen.

„Soll ich ihn fragen?“, will er wissen und ich nicke. „Wenn es für ihn okay ist.“

„Klar.“ Er greift nach meiner Hand und ich rutsche ein wenig näher zu ihm. An der Stelle, wo seine Hand meine berührt, kribbelt es angenehm warm.

Dennoch – oder gerade deshalb – bin ich von der Handlung ein wenig irritiert. „Was tust du da?“

„Dir Beistand leisten?“, kommt es ungewohnt unsicher von ihm zurück und zaubert mir ein Schmunzeln auf die Lippen. Aus einem Reflex heraus beuge ich mich zu ihm und küsse ihn. „Und wofür ist der?“, will er wissen und ich zucke mit den Schultern.

„Vielleicht, weil du so toll bist…“

Langsam ist es mir nicht mehr peinlich, so etwas zu sagen. Es ist mir sogar egal, was er dann denkt, wenn es ihn nur nicht stört.

Er jedenfalls wird nur rot und jammert halbherzig: „Bin ich nicht. Hör auf mit solchem Zeug.“

„Darf ich meinem Freund kein Kompliment machen?“, erwidere ich keck und bin ganz stolz darauf, wie ich mich gerade ihm gegenüber verhalten. Er wird nur noch röter und nuschelt: „Fake-Freund.“

Ich grinse und küsse ihn erneut. „Das weiß hier aber keiner.“

Ich merke, dass er protestieren will, weil er den Mund öffnet und intensiviere den Kuss, ehe er Gelegenheit dazu bekommt, etwas zu sagen. Als er erwidert, muss ich lächeln.

„Wieso hast du keinen Freund?“, frage ich ihn nach einiger Zeit, nach der wir uns lösen.

„Hab ich doch,“ zwinkert er mir zu und ich wehre ab: „Ich zähle nicht. Im Ernst. Warum?“

Er beugt sich zu mir, küsst mich und will offensichtlich ablenken, was ich natürlich nicht tolerieren kann.

„Lenk nicht ab!“, wehre ich ihn ab.

„Wer will mich schon,“ murmelt er und klingt auf einmal so wenig selbstbewusst, wie ich es von ihm niemals erwartet hätte. „Alle, die sich für mich interessieren, sind in dem Schwulenclub zu Gange – du kannst es dir also vorstellen…“

Ich lache auf und er bläst empör die Backen auf. „Und sonst bleibt niemand weiter übrig,“ fügt er hinzu.

„Es gibt genug Jungs, die jemand so Bezauberndes wie dich zum Freund haben wollen würde,“ halte ich dagegen und er sieht mich ungläubig an. „Hast du mich gerade bezaubernd genannt?“, quiekt er.

„Möglich,“ lache ich und er schüttelt den Kopf, geht aber nicht weiter darauf ein. „Ich habe jedenfalls noch keinen solchen Jungen kennen gelernt,“ erwidert er und ich streiche ihm eine Strähne hinters Ohr und küsse ihn erneut. Das muss reichen, etwas dazu sagen werde ich nicht.
 

Sanft streiche ich über Leanders Wange. Seine Haut ist so unglaublich weich und sein Gesicht so unglaublich schön.

Langsam frage ich mich, ob das alles wirklich eine gute Idee war. Und ob meine Gefühle und mein Verstand wirklich noch miteinander harmonieren. Er ist immerhin nur hier, weil wir einen Deal haben. Wäre er an diesem Morgen gegangen, hätte er sicher nie mehr an mich gedacht. Aber eigentlich ist er ja nur Mittel zum Zweck. Eigentlich verbindet uns ja nur der Sex. Eigentlich. Eigentlich…

Er regt sich etwas und rutscht enger an mich heran. Ich lege den Arm um ihn.

Was er wohl denkt? Ich wüsste es so gerne.

„Bist du wach?“, frage ich leise genug, um ihn nicht zu wecken, wenn er doch schläft. „Hm…“

„Meinst du, es ist okay, wenn wir deinen Dad darum bitten?“, will ich wissen, weil ich noch immer ein wenig zweifle, ob die Idee so gut ist. Ich will fremde Leute nicht mit meinen Belangen nerven.

„Hab ich doch gesagt,“ murrt er leise. Ich lächle und küsse seinen Hals. „Okay.“

„Hör auf… ich bin müde,“ nuschelt er daraufhin nur.

Aber ich denke gar nicht daran, aufzuhören und küsse weiter seinen Hals, streiche sanft über seine Brust.

Er dreht sich in meinen Armen, blickt mich nun an. Ehe er etwas sagen kann, küsse ich ihn. „Danke,“ hauche ich ihm gegen die Lippen.

„Gerne,“ murmelt er zurück.

„Ich wollte mich ja noch erkenntlich zeigen,“ fällt es mir in dem Moment ein und so beginne ich, mich an seiner Brust entlang nach unten zu küssen.

Das macht ihn wach – hellwach.

„Das musst du nicht! Das war nur ein Spaß!“, quiekt er aber ich ignoriere ihn und hauche einen Kuss auf diverse Regionen.

Er keucht auf und ich und ich bin stolz, ihn tatsächlich zum Stöhnen zu bringen. Davon angesport, mach ich weiter.

„Tobias…“, flüstert er und ich könnte schreien vor Glück. Es fühlt sich unglaublich an, wenn er meinen Namen flüstert.

Ein wenig unsicher liebkose ich ihn. Ich habe so was noch nie gemacht und weiß nicht genau, was tun. Aber irgendwie wird es werden, denke ich und so ist es auch.

Leander krallt sich in meinen Haaren fest, während ich ihn ganz aufnehme und ihn wieder zum Keuchen bringe.

Es dauert wirklich nicht lange, dann kommt er bereits und ich blicke ihn kurz darauf fragend an.

„War das okay?“, erkundige ich mich unsicher.

„Soll das ein Witz sein?“, entgegnet er und zieht mich zu sich, küsst mich.

„Du schmeckst… nach mir…“, stellt er daraufhin fest und ich muss lachen und umschlinge seinen Körper fest. Und eigentlich… will ich ihn auch gar nicht mehr loslassen. Nicht jetzt, nicht heute, einfach nie.
 

„Das, das ist Tobi. Der Junge, von dem ich dir erzählt habe,“ stellt Leander mich seinem Dad vor und ich lächle ihn gequält an und reiche ihm die Hand, während ich die mit der anderen nervös mein Shirt zerknittere.

Sein Dad blickt jedenfalls auf, mustert mich kurz und nimmt meine Hand zum Glück entgegen. „Hallo,“ begrüße ich ihn höflich und nenne noch einmal überflüssigerweise meinen Namen.

Gerne wüsste ich, was Leander ihm erzählt hat. Leider habe ich versäumt, diesen zu fragen und das jetzt nachzuholen traue ich mich nicht.

„Ich bin Johann Aber du kannst John sagen. Das klingt nicht so altmodisch,“ stellt sein Dad sich jedenfalls vor und ich lächle weiterhin höflich und nicke.

Ich weiß einfach nicht, wie ich mit ihm umgehen soll. Weiß er, dass wir nur eine Fake-Beziehung haben? Denkt er, ich sei Leanders fester Freund? Oder denkt er, wir sind nur normal befreundet?

„Du bist also schwul,“ stellt er fest und klinget dabei so banal, als würde er übers Wetter reden. Das trägt ein wenig zu meiner Entspannung bei. Aber was habe ich auch erwartet? Dass er es scheiße findet und was gegen Schwul hat, während er es bei seinem eigenen Sohn ohne Vorbehalt toleriert? Eigentlich ziemlich dämlich von mir.

„Ja,“ stimme ich zu, weil ich das Gefühl habe, was sagen zu müssen. Ich blicke zu Leander, der nicht den Anschein macht, in das Gespräch eingreifen zu wollen. Dabei würde ich seinen Beistand gerade gebrauchen können.

„Aber deine Mutter hat da so ihre Probleme mit, oder?“, fragt John weiter nach und ich nicke.

„Sie hat gesagt, sie akzeptiert es. Aber so wirklicht tut sie das nicht. Sie hofft eher darauf, dass er es sich anders überlegt,“ mischt sich dann endlich Leander ein. Ich bin augenblicklich erleichtert, weil ich mir doch ziemlich schwer tue, offen mit seinem Dad zu reden.

Dankbar blicke ich nun jedenfalls zu Leander und bin froh, dass er es ihm verständlich gemacht hat. Ich bin mir einfach viel zu unsicher, wie ich mich verhalten soll, weil die ganze Situation einfach seltsam ist.

„Und jetzt wollt ihr also, dass ich mal mit seiner Mutter rede?“, wendet John sich nun an seinen Sohn und Leander nickt und blickt ihn flehend an.

„Es wäre schon, wenn du versuchen würdest ihr klar zu machen, dass es okay ist und man heutzutage nicht damit hinterm Berg halten muss,“ stimmt er zu.

„Ja… weil sie vor anderen nicht dazu steht,“ füge ich hinzu, von plötzlichem Mut ergriffen.

„Hast du ihr das schon selbst gesagt?“, wendet John sich nun wieder an mich und schon stehe ich wieder im Mittelpunkt. Echt toll gemacht…

„Nicht direkt,“ gebe ich zu.

„Dann solltest du das vielleicht erst Mal tun,“ meint John nun und ich starre ihn überrumpelt an. Zum Glück gibt es Leander. „Er weiß einfach nicht, was er sagen soll. Vielleicht könntest ihr gemeinsam mit ihr reden,“ schlägt er vor und rettet die Situation damit.

Allerdings wird mir absolut schlecht, bei dem Gedanken, dass ich mit ihr selbst reden soll.

„Na gut. Wie wäre es, wenn wir uns in neutraler Umgebung treffen und einfach mal mit ihr reden,“ lenkt John glücklicherweise ein und ich nicke und bedanke mich.

Die nächste Stunde verbringen wir mit der Planung eines eben solchen Treffens.
 

„Mum… das ist John, Leanders Dad. John, dass ist meine Mum Sandra.“

Ich könnte sterben, so aufgeregt bin ich. Mein Herz schlägt ungefähr tausend Mal in der Sekunde, wenn es überhaupt reicht.

„Hallo,“ begrüßt meine Mutter John und wirkt so distanziert, dass ich sie am liebst anschreien würde. Kann sie nicht ein wenig höflicher sein? Wohl nicht. Stattdessen blickt sie zwischen Leander und seinem Dad hin und her, als würde sie es gerne verstehen wollen, kann es aber nicht.

„Freut mich, Sie kennenzulernen,“ begrüßt John sie jedenfalls und dann lassen wir uns an ihrem Tisch nieder. Wir haben uns bei meiner Lieblingseisdiele verabredet gehabt – nur wusste sie nicht, dass ich John und Leander mitbringen würde. Sonst wäre sie wohl nicht aufgetaucht…

„Wir dachten, wir könnten noch einmal reden,“ beginnt Leander das Gespräch, weil keiner Anstalten dazu macht.

„Worüber denn?“, fragt meine Mum und wirkt ein wenig überfahren. Wer kann es ihr verdenken? Sie weiß ja gar nicht, was los ist.

„Über mich und über… meine Homosexualität,“ werfe ich ein.

„Dazu haben wir alles gesagt,“ wehrt sie ab, aber Leanders Dad lässt ihr das nicht wirklich durchgehen: „Ich denke, Tobias hat noch einiges dazu zu sagen.“

Er sieht mich an, aber ich bekomme keinen Ton heraus. Also seufzt er und meint: „Mir ist klar, dass Sie ihren Sohn lieben und ihm zuliebe seine sexuellen Neigungen akzeptieren. Aber er hat das Gefühl, dass sie eigentlich darunter leiden. Und das macht ihm zu schaffen.“

„So ein Unsinn,“ schnaubt meine Mum und ich schüttelt den Kopf. „Das ist kein Unsinn! Warum hast du der Nachbarin neulich nicht gesagt, dass ich einen Freund habe?“, konfrontiere ich sie mit einer der Situationen, die mir gerade in den Sinn kommen.

Letztes Wochenende hat sie nämlich lange mit ihr geredet. Und als sie gefragt hat, ob ich eine Freundin habe, hat sie ausweichende geantwortet, ich wäre liiert.

Ich merke, dass ich mit meiner Vermutung recht habe, als sie sich auf die Lippen beißt. Irgendwie tut sie mir Leid. Sie ist unseren Vorwürfen schutzlos ausgesetzt. Aber da muss sie jetzt durch!

„Und warum redest du zum Beispiel von Enkelkindern, obwohl du weißt, dass ich nie eine Freundin haben werde?“, füge ich hinzu.

„Du könntest adoptieren,“ redet sie sich heraus, obwohl wir beide wissen, dass sie diese Option niemals gemeint hat, wenn sie mir gesagt hat, sie freue sich schon, irgendwann Enkelkinder zu haben.

„Ich weiß, dass Sie der Meinung sind, dass es wieder vorbeigeht. Vielleicht erhofft man sich das anfangs tatsächlich irgendwie. Aber sie müssen auch langsam einsehen, dass ihr Sohn sicht nicht mehr ändern wird. Und er bleibt doch immer der gleiche, egal ob er Männer oder Frauen liebt,“ wirft John wieder ein.

„Das weiß ich doch!“, herrscht meine Mum ihn daraufhin hat und ich fauche: „Dann akzeptiere es doch endlich!“

Im nächsten Moment spüre ich Leanders Hand auf meinem Knie und realisiere erst jetzt, dass er noch immer schweigend neben uns sitzt. Seine Hand ist das beste, was mir gerade passieren kann. Es dämpft die angestaunte Wut, die mich gerade überkommt.

„Versteh doch endlich, dass es ein Schock für mich war, euch da so zu sehen,“ hält meine Mum nun dagegen und blickt zu Leander.

„Davor hast du nie etwas gesagt oder angedeutet. Woher hätte ich es ahnen sollen? Und dann macht ihr da plötzlich… solche Sachen und ich soll es einfach so von heute auf morgen akzeptieren.“

Ich schüttle erneut den Kopf. „Ich verlange doch gar nicht, dass du es sofort akzeptierst. Aber du sollst es ernsthaft versuchen und dich ein wenig toleranter verhalten,“ bricht es aus mir heraus und ich sehe sie bittend an.

„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?“, fragt sie mich nun ungehalten.

„Es würde ihm sicher reichen, wenn Sie ihm einfach mehr das Gefühl geben, dass er torzt allem noch Ihr geliebter Sohn ist. Und dass Sie zu ihm stehen – auch vor anderen,“ erläutert John ihr nun meinen Wunsch und ich blicke ihn an, dann zu Boden.

„Kannst du es nicht bitte versuchen?“, frage ich leise und sie schweigt. Eine ganz Zeit. Dann irgendwann nickt sie, nur ganz leicht.

„Ich versuchs,“ willigt sie ein.
 

„Hat doch einigermaßen geklappt, oder?“, freut sich Leander, kaum sind wir wieder alleine, zu Hause in meinem Zimmer.

„Ja… War doch ganz hilfreich, dass dein Dad dabei war. Alleine hätte ich das nicht geschafft,“ stimme ich zu und lächle ihn dankbar an. Hätte er diese Idee nicht gehabt, wäre es sicher nicht so gut ausgegangen.

„Wie es sich jetzt entwickelt, können wir jetzt eh noch nicht absehen – aber ich finde es schon mal ganz gut, so wie es jetzt ist,“ fügt er hinzu und ich nicke und meine: „Danke, dass du das möglich gemacht hast. Das alles.“

Er grinst und lässt sich auf meinem Bett nieder. „Immer wieder gerne.“

„Ich denke, sie wird jetzt sicher besser damit umgehen,“ vermute ich und lasse mich neben ihm nieder.

„Dann haben wir unser Ziel ja erreicht,“ murmelt Leander und klingt plötzlich so, als würde da noch irgendein bitterer Unterton mitschwingen. Ich runzle die Stirn. Gerade war er doch noch Feuer und Flamme deswegen.

Aber Recht hat. Wir haben unser Ziel erreicht. Während ich das denke, schleicht sich ein anderer, unangenehmer Gedanke in meinen Kopf und ich schlucke. Plötzlich verstehe ich, was der Unterton zu bedeuten hatte und kann nicht so tun, als hätte ich nicht verstanden.

„Scheint so,“ stimme ich leise zu.

Ich beiße mir auf die Lippen, weil ich eigentlich nicht sagen will, was ich jetzt sagen muss. Ich will nicht, dass es so endet. Aber ich kann ihn nicht zwingen, für immer meinen Freund zu mimen.

Weil ich ihm das aber nicht sagen kann, gebe ich den Ball an ihn ab, obwohl das ziemlich unfair ist: „Wie lange willst du das hier denn noch durchziehen?“

Er weicht meinem Blick aus und schlägt die Augen nieder.

„Wie lange brauchst du mich denn noch?“, stellt er die Gegenfrage und ich schließe ebenfalls die Augen. Ich kann es doch nicht beenden. Weil ich es doch gar nicht mehr beenden will.

Aber ich kann ihn auch nicht etwas vorlügen. Ich brauche ihn nicht mehr als Fake-Freund.

„Nun… Das Ziel ist ja erreicht,“ werfe ich unsicher ein.

Es ist so unfair. Ich brauche ihn klar nicht mehr als Fake-Freund. Aber ich brauche ihn als Menschen. Er gibt mir so viel Stärke und Sicherheit. Ohne ihn hätte ich das doch alles kaum geschafft.

„Das passt ja,“ meint er und sieht mich plötzlich offen heraus aus: „Weil ich nicht mehr dein Fake-Freund sein möchte.“

Ich kann nicht umhin, den Kopf wegzudrehen, damit er nicht sieht, dass ich urplötzlich mit den Tränen zu kämpfen habe.

Er soll nicht mitbekommen, dass diese Antwort alles andere als das ist, was ich hören wollte. Ich weiß ja, dass er von Anfang an nichts von mir wollte außer Sex. Aber offensichtlich war ich doch so naiv, dass ich ihn irgendwie zum Bleiben bewegen könnte.

„Willst du denn, dass ich bleibe?“, fragt er plötzlich sehr leise und seine Stimme klingt einen kurzen Moment so brüchig, dass ich glaube, dass er auch kurz davor ist, zu heulen. Aber warum sollte er?

Ob er vielleicht gar nicht gehen will? Aber er hat es doch gerade so gesagt. Ich sollte mir nicht gleich schon wieder Hoffnungen machen, nur weil ich schon wieder anfange, zu meinen Gunsten Vermutungen anzustellen.

„Ich zwinge dich nicht, länger hier zu bleiben, wie ausgemacht war,“ weiche ich der Frage aus und füge, als er nicht antwortet, noch hinzu: „Und wenn du gehen willst, dann werde ich dich gehen lassen.“

Er schnieft und ich blicke ihn an. Er weint nicht, aber seine Augen sind glasig. „Ich habe nicht gesagt, dass ich gehen will,“ flüstert er dann und sieht mir plötzlich direkt in die Augen.

„Leander?“, frage ich verwirrt und atemlos nach.

„Ich hab doch nur gesagt, dass ich nicht mehr dein Fake-Freund sein will. Aber ich wäre einfach gerne…“ Er bricht ab und ich glaube, ich weiß, was er sagen will. Aber ich muss es hören. Ich muss sicher gehen. „Einfach was gerne?“

Er scheint sich überwinden zu müssen, es zu sagen, aber dann tut er es doch: „Dein Freund.“

Ich blinzle und versuche, dass überdimensionale Grinsen zu unterdrücken, dass ich sofort auf mein Gesicht stiehlt. „Ernsthaft?“, keuche ich und er nickt.

„Und ich dache, du willst mich nicht,“ seufze ich erleichtert und er zuckt mit den Schultern: „Am Anfang wollt ich auch nur ein Abenteuer… aber mit der Zeit…“

Ich grinse. „Aber dann ist doch jetzt alles gut, oder?“

Er sieht mich fragend an. „Weil es mir doch genauso ging… mit der Zeit… ich will dich so sehr, Leander.“

„Ehrlich?“, hakt er ungläubig nach und ich nicke und beuge mich vor, um es ihm zu beweisen, in dem ich ihn küsse.

„Ehrlich.“

Ich spüre, wie er in den Kuss grinst, schlinge ich die Arme um ihn und ziehe ihn näher, will ihn am liebsten nie mehr loslassen. Nie mehr.

Ein erster Kuss

Eigentlich möchte ich mich auf mein Frühstück konzentrieren, aber das ist nicht wirklich möglich, da meine Mutter Leander und mich die ganze Zeit anstarrt und vom einen zum anderen blickt.

Als es mir reicht, blicke ich auf, sie direkt an. „Was ist?“, will ich wissen und sie zieht ertappt den Kopf ein.

„Du hattest Recht,“ gibt sie dann zu und ich habe keine Ahnung, von was sie redet. Zeit, nachzufragen, lässt sie mir aber nicht. Stattdessen meint sie: „Ich war nicht fair zu dir. Ich hätte dir von Anfang an eine Chance geben sollen.“

Ich knirsche mit den Zähnen und weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. Unsicher blicke ich zu Leander, aber er besieht nur ausdruckslos sein Frühstück.

„Du hast es mir aber auch nicht leicht gemacht,“ rechtfertigt sich meine Mutter, weil ich nicht antworte, und holt sich so meine Aufmerksamkeit wieder zurück. Ich habe keine Ahnung, was ich Falsch gemacht haben soll und das muss sie mir ansehen, dann sie klärt mich umgehend auf: „Immerhin hast du mir zu verstehen gegeben, dass du ihn nicht liebst.“

Mit ‚ihn’ meint sie natürlich Leander und das weiß dieser auf. Deshalb blickt er nun doch auf und mich an.

„Ich weiß,“ sage ich tonlos und weiß nicht, worauf meine Mutter nun raus will. Möchte sie sich entschuldigen? Mir Vorwürfe machen? Müssen wir jetzt schon wieder über dieses Thema reden?

Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl umehr. Darauf habe ich keine Lust.

„Da wusste ich einfach nicht, ob ich das Ganze ernst nehmen soll oder nicht…“ Sie sieht mich an und in ihrem Blick sind so viele Emotionen, das es mich fast überfordert, ihr in die Augen zu sehen. Ein wenig wirkt sie reumütig, aber irgendwo ist es auch ein Angriff, ein Vorwurf.

„Ich liebe dich, ob du nun schwul bist, oder nicht, weil du mein Sohn bist. Aber ich war so unsicher, ob du es überhaupt ernst meinst… das kannst du mir nicht übel nehmen. Und auch jetzt… “ Sie bricht ab und ich würde ihr am liebsten würde ich ihr sagen, dass ich ihr aber übel nehmen kann, dass sie gehofft hat, ich würde es tatsächlich nicht ernst nehmen – und es wohl noch immer hofft, so wie es jetzt klingt. Stattdessen sehe ich ein, dass es tatsächlich ein Fehler war, nicht einfach von Anfang an zu behaupten, Leander zu lieben. Und genau deshalb sage ich: „Wohl nicht.“

Zufrieden nickt sie und sieht plötzlich sehr versöhnlich aus: „Ich wird es akzeptieren, wenn du mir jetzt ehrlich antwortest.“

Ich schlucke und weiß genau, was sie gleich fragen wird. Dennoch nicke und sie fährt fort. „Liebst du ihn?“

Tief sauge ich die Luft in meine Lungen, als wäre es das letzte Mal, dass ich zum Atmen komme werde und blicke dann erst sie und dann Leander an, der mich neugierig mustert und offenbar genauso auf eine Antwort wartet, wie meine Mum. Ohne den Blick von ihm zu lösen, nicke ich. „Ja.“

Was ich darauf hin ernste, ist ein überraschter Blick und ein Lächeln, seitens Leander, und tatsächlich ein Lächeln seitens meiner Mutter.

„Dann ist es okay,“ sagt sie und ich sollte mich darüber freuen, kann es in diesem Moment aber nicht, weil ich viel zu sehr mit Leander beschäftigt bin.

„Wirklich?“, fragt dieser mich und ich kann nichts weiter sagen, außer: „Wirklich.“

Und als er daraufhin so glücklich lächelt, kann ich nicht anders, als mich ebenfalls unglaublich glücklich zu fühlen. „Geht es dir denn genauso?“, will ich wissen, und er erwidert: „Ich dachte, das wäre mittlerweile klar.“

Und weil es tatsächlich klar ist, sage ich nichts mehr dazu, sondern beuge mich einfach nur noch zu ihm und küsse ihn, als wäre es der letzte Kuss meines Lebens. Und das, wo es doch eigentlich der erste meines neuen Lebens ist. Nämlich der meines neuen Lebens mit Leander.



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Kommentare zu dieser Fanfic (43)
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Von:  Morphia
2014-07-07T23:32:36+00:00 08.07.2014 01:32
Sooooo süß. *o*
bin Fan von dir. ^^
Antwort von:  Jeschi
08.07.2014 15:16
Aw~ danke <3 - erneut XD Ich merk schon. Freut mich :)
Von:  Midnight
2012-08-07T20:08:56+00:00 07.08.2012 22:08
Die Story ist super süß und sehr gut geschrieben =)
Deine Geschichte hat mir richtiges Herzklopfen beschert, weil ich so gebannt war, wie es denn nun weitergeht. Mit jedem Kapitel, die ich in einem Rutsch durchlesen musste! Jedes Mal habe ich mich ein bisschen mehr in deine Charas verliebt und mit ihnen mitgefiebert.

Trotzdem,war dieses Ende irgendwie vorherzusehen und vor allen auch wünschenswert. Gerade weil ich gute Enden mag.
Deine Story hat eine gute Mischung aus Drama, Zucker, Romantik und Spannung. Vielen dank für dieses Leseerlebnis =D

Liebe Grüße Middy <3
Von:  Last_Tear
2012-07-28T01:34:16+00:00 28.07.2012 03:34
>wird
werde

^-^
Netter Epilog xD Und keine Sorge, das vorherige Kapi les ich auch noch <.< Irgendwann wenn es nicht mehr so heiß ist und so XD
*knuffz*

Von:  Shunya
2012-07-27T21:25:58+00:00 27.07.2012 23:25
Der Epilog war echt klasse!!! *O*
Ich fand das Gespräch mit der Mutter wirklich sehr gut und ich finde es wirklich genial, wie es ausgegangen ist, besonders, als die Tobi noch mal fragte, ob er Leander wirklich liebt.
Klasse Ende! :D
Alles in allem wieder eine tolle FF und es hat Spaß gemacht sie zu lesen. Die Charas wachsen einem ja doch mit der Zeit ans Herz (besonders Jakob *hüstel*) XD lol
Und es war mal wieder ein interessantes Thema. :D
So, ich werd mich jetzt K&V widmen ;P
Und ich freue mich schon auf das Special dazu und natürlich auf dein nächstes Werk!!! *O*
Haaaaaach~ ich hab noch so viel von dir zu lesen. Herrlich~ XD
Von:  Shunya
2012-07-27T21:15:50+00:00 27.07.2012 23:15
Bwahahaha genial! Ich stelle mir grad Jakob mit verschmierter Schnute vor. XD süß~
Tja, mit seiner Mum hat Tobi echte Schwierigkeiten. Jedenfalls wird es schlimmer statt besser. O.o
Ich finde es cool, dass Jakob Tobi Ratschläge gibt, auch wenn dieser sie sofort wieder zunichte macht. XD lol
Leander wäre ja eine Möglichkeit mit Tobi's Mutter zu sprechen, aber sollte er nicht auch mal richtig mit ihr darüber reden? Tobi sucht immer nur nach Ausreden, stattdessen sollte er lieber einfach mal handeln.
„Ist auch besser so. Sonst müsstest du ja zugeben, dass ich Recht habe,“ ← der Satz ist genial. XD lol
Aber ist ja wirklich so. Die Meisten wollen sich einfach nichts eingestehen und Außenstehende sehen solche Sachen meistens viel objektiver, nur will man das meist einfach nicht einsehen, dass sie recht haben, worin auch immer. ;P
Tobi ist auch so einer. Der sollte langsam mal dazu stehen, immerhin ist es mehr als offensichtlich, dass er auf Leander steht und ich denke, der ist auch nicht gerade abgeneigt. XD
Ich mag die Gespräche zwischen Tobi und Jakob, die sind immer so lustig zu lesen. :D
Haaaach~ Leander ist echt knuffig. *schwärm*
Aber trotzdem sind beide Knallfrösche. Die passen doch so gut zusammen, sie mögen sich und das einzige was ihnen im Weg steht, sind sie selbst. XD lol
Sie machen ständig andeutungen und keiner von ihnen geht darauf ein. So dumm. ;P
Tobi hat eine interessante Art sich bei Leander zu bedanken. Gefällt mir. Muahahahah *hüstel* ^.~
Bwahahaha mir kommt grad der Gedanke, was ist denn, wenn Tobis Mum was mit Leanders Dad anfängt? Seine Frau lebte ja glaub ich nicht mehr, oder? O.o XD
Mir ist aufgefallen, dass auf Seite 6 doch eine Menge Flüchtigkeitsfehler sind. *flüster* <.< >.>
Hahaha, John ist cool, der sagt Tobi auch was alle denken, aber ich finde es klasse, dass er ihm helfen will. :D
Ich muss immer lachen, wenn ich meinen Namen in der Fanfic lese. Frag mich nicht wieso~ ich wüsste es auch gern... XD *lachflash*
Hui, das Gespräch war ja schon ziemlich nervenaufreibend, aber ich kann gut verstehen, wieso es für Tobis Mum nicht gerade einfach ist. Das hast du alles sehr gut rübergebracht. Und auch ihre Bedenken usw. Das war gut nachvollziehbar.^^
Das Ende~ Q.Q
Na ja, fast. War aber schon mal echt klasse. Endlich gestehen sie sich, dass sie einander brauchen und das hast du echt süß rübergebracht. War wirklich klasse. :D
Tolles Kapitel. Diesmal ist so viel passiert, aber das wirkte gar nicht gequetscht oder so, sondern genau richtig.^^
Von:  tenshi_90
2012-07-27T20:04:48+00:00 27.07.2012 22:04
Das ist wirklich ein sehr schönes Ende und die beiden sind so ein süßes Paar :-)

Sehr tolle Story :-)
Von:  Deedochan
2012-07-27T14:02:02+00:00 27.07.2012 16:02
danke für die Story :P Putzig und erfrischend! Aber... ich muss schon sagen, ich bin ein wenig enttäuscht von der Länge des Epiloges! Ein bisschen mehr hätte ich schon gerne gelesen :P

glg
und bis zur nächsten Story!

Deedo
Von: abgemeldet
2012-07-27T13:27:24+00:00 27.07.2012 15:27
Oh Sandra, irgendwie komme ich nicht so ganz mit mit der Liebe deines Sohnes - was ist passiert mit seinem Vater?? Hat er dich nicht geliebt, warst du nur ein Vorwand oder bist du noch zu sehr verletzt? Schade, dass das nicht so klar wird. Da fehlt ein bisschen die Charaktertiefe zum Nachvollziehen ihrer Antwort - ein bisschen strange.
Hier hat mir jetzt ein bisschen der Witz gefehlt. Schade, aber es ist ein ernstes Ende.

Aber nun gut. Leander, der Schnuffel hat es ja erfolgreich in Tobis Herzilein geschafft, möge er lange dort verweilen!
Leander go! XD
Von: abgemeldet
2012-07-27T13:16:13+00:00 27.07.2012 15:16
Jakob wird mir immer sympathischer, kann kein Eis essen :D Aber das Augenbrauen wackeln muss er noch üben, dass braucht er später als Mann um Frauen zu beeindrucken! Aber immerhin mit der kindlichen Masche macht er Tobi mundtot - go, Jokob go!
Oh Gott, ist das süß geschrieben mit dem Blasen - so putzig irgendwie!

Arme Sandra, jetzt wird sie in einer Eisdiele von drei Männern gemobbt, weil sie Probleme hat, das zu akzeptieren, ohje, ob das gut geht? Ich dachte ja erst, dass John und Sandra zusammenkommen, große Liebe und tralala, aber dass John wirklich nur Unterstützung gibt ist beruhigt mich.
Allerdings glaube ich persönlich, dass es schon eine gewisse Ausnahme in dem Alter ist Eltern um Hilfe zu bitten, schließlich sind die Clique und Freunde fast wichtiger als die Eltern. Hmmm.
Von: abgemeldet
2012-07-27T12:50:53+00:00 27.07.2012 14:50
Die ganzen Gedanken an Leander strotzen ja nur vor Liebe - hui! Und dann diese erfrischende Diskussion mit Jakob - herrlich!
Welcher Kerl bekommt den zu seinem Fake-Date Blumen mitgebracht - ich lach mich weg! Und Sandra - wow, ich hätte es bei Frau Angemüller belassen - hat ja mal so gar keine Chance gegen Leander!
Und ich habe das Gefühl, dass du nicht mit Komplimenten umgehen kannst - zum wegschmeißen!
Ich wusste gar nicht, das Tobi ein Pokerface hat - schnuffig!
Vor lauter Geflirte und Geknutsche fällt mir auf, stehen die seelenruhig auf der Straße und was ist mit der Nachbarschaft?

Ach, sie landen im Bett?! Nur in welchem - hmm... da bin ich ja gespannt!


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