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Finera - Dawn of the Dark

von

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Falscher Stolz

27. September
 

- Summer -
 

Summers Herz schlug ihr vor Aufregung bis zum Hals, als sie die beiden Tickets in ihren Händen betrachtete. Oh Arceus, das war genau das, was sie jetzt brauchte. Rain und sie waren in die Region Turfu aufgebrochen, hatten ihre Reise dann jedoch nach nur zwei Monaten beenden müssen, da die Region vorerst für Trainer geschlossen wurde. Die Natur dort war wilder und ungezähmter als in anderen Regionen und für Neulinge wie sie eine Herausforderung – eine zu große Herausforderung, hatte es geheißen.

Doch nun hielt sie die Tickets in den Händen, die sie nach Kalos bringen würden. Überglücklich legte sie die Tickets auf den großen Tisch im Esszimmer. Gleich nach der Tombola war sie nach Hause gelaufen, hatte sich immer wieder freudig im Kreis gedreht und ihre Großeltern in Litusiaville angerufen. Sie würde die Kalos-Region bereisen! Summer Light, Champion der Kalos-Region!

Die Haustür schlug krachend zu, im Flur ging das Licht an. Dann war zu hören, dass sich jemand in der Küche ans Werk machte und nach kurzem Rascheln öffnete Rain die Tür zum Esszimmer. Sie trug ein Tablett mit einer Tasse Tee, dazu ein Schälchen mit Schokoladenpudding und Vanillesoße und Keksen. „Mom hat dich schon gesucht. Du bist einfach wie der Blitz abgehauen, nachdem du die Tickets gewonnen hast.“

Summer lächelte selig und winkte ihrer Zwillingsschwester mit den Tickets zu. „Das ist super, findest du nicht? Bei Arceus, es läuft gerade alles so perfekt! Morgen früh muss ich gleich Henry anrufen und ihm alles erzählen.“ Sie wollte unbedingt, dass Henry gleich am nächsten Morgen davon erfuhr. Am liebsten hätte sie ihn auch jetzt gleich angerufen, aber ihre Großmutter hatte ihr gesagt, dass Henry den ganzen Tag im Restaurant renoviert hatte und früh schlafen gegangen war. Bei ihrem Anruf brannte in seiner kleinen Wohnung über dem Restaurant bereits kein Licht mehr. „Er wird sich total freuen.“

„Schon möglich“, gab Rain kurz angebunden zurück, drehte Summer den Rücken zu und war bereits halb durch die Tür durch, als Summer sie mit einem „Hey, Rain“, zurückhielt.

„Ist alles in Ordnung? Du wirkst irgendwie ziemlich zerknirscht. Was für ein Pokémon hast du eigentlich gewonnen?“

„Froxy.“

„Wow, das ist ein Starter aus der Kalos-Region! Dann hat Karpador ja endlich einen richtigen Trainingspartner. Wir könnten auch mal einen Doppelkampf machen, wenn du willst. Oder wir …“

„Danke, kein Interesse. Ich bin müde und gehe jetzt in mein Zimmer. Wenn Mom mit dem Aufräumen fertig ist, will sie nachher noch kurz mit dir reden. Wegen der Tickets.“

Summer schaute ihrer Schwester stumm mit großen Augen hinterher. Sie spürte ganz genau, dass Rain sich wegen irgendetwas aufregte, doch wie immer war Rains Miene kühl wie ein Regenschauer, der nicht erkennen ließ, was im Verborgenen vor sich ging. „Na schön“, sagte Summer mehr zu sich selbst, streckte sich und ging in die Küche, um sich eine große Tasse Kakao zu machen und zu warten, bis ihre Mutter nach Hause kommen würde.

Aus Erfahrung wusste sie, dass es manchmal spät werden konnte, da ihre Mutter im Komitee saß und viele Leute etwas von ihr wollten, ehe sie dann selbst nach Hause gehen konnte. Schulterzuckend zog sie sich mit dem Kakao in ihr eigenes Zimmer zurück, das früher einmal das Zimmer ihrer Tante Trixi gewesen war. Das Zimmer war großzügig geschnitten mit einem eigenen Badezimmer, dazu eine helle, freundliche Tapete mit Rosenblüten und -knospen an den Wänden, aber insgeheim war Summer neidisch auf Rains Zimmer unter dem Dach. Dort oben hatte sie ihre Ruhe und das ganze Stockwerk für sich, da es sonst nur noch den alten Speicher und ein Atelier gab, das jedoch nicht genutzt wurde.

Gerne hätte sie die tollen Neuigkeiten sofort mit Onix und Jurob geteilt, doch da sie ihr Starterpokémon Onix schlecht mitten im Haus aus dem Pokéball lassen konnte, begnügte sie sich mit Jurob, das ihr zur Begrüßung erst einmal die Zunge herausstreckte. Ausführlich berichtete Summer ihrem Pokémon von dem Abend, der Tombola und ihrem Gewinn, ehe sie wieder die Tickets begutachtete und zum ersten Mal an diesem Abend bekam ihre Euphorie einen Dämpfer verpasst.

Zwei Tickets. Summer musste schlucken. Als sie mit Rain nach Turfu aufgebrochen war, hatte es an dieser Entscheidung nie Zweifel gegeben, doch Rain war nicht Feuer und Flamme für das Trainerdasein, ganz im Gegensatz zu Summer. Rain wollte studieren, in Bibliotheken sitzen und irgendwann einen wichtigen Beruf haben, mit dem sie etwas erreichen konnte. Summer hingegen wollte ihre Jugend genießen und Pokémontrainerin sein; Gedanken an ein Studium oder eine Berufsausbildung rückten in weite Ferne. Und gab es nicht auch Trainer, die sich damit ihren Lebensunterhalt verdienten?

Seufzend zog sie Jurob in den Pokéball zurück und warf sich auf ihr Bett, das zur Hälfte mit großen, flauschigen Motivkissen bedeckt war. „Ich weiß nicht, was ich tun soll“, murmelte sie, schloss die Augen und öffnete sie wieder.

Das Problem hatte sie bereits kurz nach dem Gewinn bemerkt, dann jedoch von sich geschoben, da Rain beteuert hatte, wie sehr sie sich für sie freute. Alles war so schnell gegangen und irgendwie beschlich Summer das Gefühl, dass sie die Gefühle ihrer Schwester verletzt hatte. Nur womit? Sie würde Rain ohne zu zögern mitnehmen, aber sie glaubte nicht, dass das das war, was Rain wirklich wollte. Henry hingegen war ein guter Trainer. Sein Nachtara war stark und bis zur Eröffnung seines Restaurants würden noch einige Wochen vergehen, in denen er angeboten hatte, dass er sie begleiten würde.

Summer hatte kein Problem damit, dass sie alleine in eine Region starten würde, doch wenn sie sich einen Begleiter wünschte, dann jemanden, der auch Freude daran hatte. Vielleicht … Nein, sie konnte doch nicht ihre Schwester zurücklassen. Oder doch? Immerhin wusste sie doch, wie sehr Rain sich das Studium gewünscht hatte, wie wenig sie mit Karpador anzufangen wusste und auch über Froxy schien sie sich kaum zu freuen. Das war eine Entscheidung, die sie nicht treffen wollte, ohne dass sie vorher mit Rain darüber gesprochen hatte.

Also machte Summer sich kurzerhand auf den Weg, durchquerte den Flur, ging zum Treppenhaus und nach oben, wo sie an Rains Tür klopfte und keine Antwort erhielt. Noch einmal klopfte sie, dann trat sie ein und fand ihre Schwester am Schreibtisch sitzend vor.

„Was ist?“

„Ich möchte etwas mit dir besprechen“, sagte Summer, schloss die Tür hinter sich und ließ sich auf der Bettkante nieder. „Es geht um die Tickets. Ich habe ein echt schlechtes Gefühl deswegen.“

„Wieso?“ Jetzt drehte Rain sich auf dem Drehstuhl zu ihr um und zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. „Tu nicht so, als würde dir die Entscheidung, wen du mitnehmen willst, schwerfallen.“

„Natürlich tut sie das!“, erwiderte Summer und verschränkte die Arme vor dem Körper. „Du bist meine Schwester und Henry mein bester Freund und ich kann euch nicht beide mitnehmen.“

„Aber du hast dich trotzdem schon längst entschieden. Wir wissen beide, dass du Henry fragen wirst, weil du dich an ihn hängst wie eine Klette!“

Summer zuckte zusammen, als sie merkte, wie giftig Rain diese Worte ausspuckte. „Das stimmt doch überhaupt nicht!“

„Doch, das tut es! Weißt du, was Mom zu mir gesagt hat? Sie hat gesagt: ‚Ich freue mich ja so für Summer, sie hat sich das wirklich verdient. Summer ist so ein liebes Mädchen und wird einmal eine gute Trainerin sein.‘ Kein Wort zu Froxy. Immer geht es nur um dich, Summer. Immer machen die Leute alles für dich und du kriegst immer genau das, was du willst.“

Summer stand empört auf. „Rain, das ist totaler Schwachsinn! Du bist doch diejenige, die studieren will und kein einziges Mal mit ihrem Pokémon trainiert hat. Jeder weiß, dass du keine Trainerin sein willst, also hör auf dich so aufzuregen!“

„Woher willst du wissen, dass ich keine Trainerin sein will? Ich wäre die bessere Trainerin von uns, weil ich mit Taktik kämpfen würde, doch leider lässt sich mit einem Karpador nichts anfangen.“

„Das Problem liegt nicht bei Karpador, das Problem liegt bei dir!“, spuckte Summer aus und in diesem Moment wusste sie nicht einmal mehr, wieso sie überhaupt daran gedacht hatte Rain mitzunehmen.

Rain starrte sie an, dann rümpfte sie die Nase, packte Summer am Arm und warf sie aus ihrem Zimmer raus.

Direkt hinter Summer wurde die Tür von innen abgeschlossen. Sie schlug noch einmal dagegen, dann stürmte zu ihrem eigenen Zimmer davon und wollte diesen blöden Streit einfach nur vergessen. Vor Wut hatte sie Tränen in den Augen, die sie wegblinzeln musste, um etwas sehen zu können. Doch dann, auf halbem Weg, blieb sie wie angewurzelt stehen. Es war ihr zuerst nicht aufgefallen, aber jetzt war sie sich sicher, dass sie neben dem Bett Rains Reiserucksack gesehen hatte. Und wenn schon, diese blöde Ziege nahm sie bestimmt nicht mit nach Kalos! Summer schnaubte, setzte sich wieder in Bewegung und hörte auch schon, dass unten ihre Mutter nach ihr rief. Na der würde sie liebend gerne sofort erzählen, dass sie mit Henry auf Reisen gehen wollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2015-02-17T23:46:26+00:00 18.02.2015 00:46
Herrje, das Reden haben die Mädels aber auch nicht erfunden. Hoffentlich legt sich das in den Folgejahren! Bis dahin: ein dynamischer Streit, der gerade deshalb so wuchtig ist, weil keiner der jeweils Anderen zutraut etwas anders zu ticken. Rain wird ihre unterkühlte, distanzierte Art zum Verhängnis, die lieber die Angelegenheiten mit sich ausmacht, und Summer krankt an ihrer Sorglosigkeit und sichtbaren Zuneigung.
Ich kann beide verstehen. Mich würde es in dem Alter auch fürchterlich stören, wenn die eigene Schwester ständig der Nabel der Welt ist und man selbst aufgrund seiner stillen, vernünftigen Art öfter unerwähnt bleibt. Eifersucht und Rivalität ist eben ganz normal, sonst boxt man sich im Leben nicht durch. Für Summer ist es umgekehrt schwer neben der sichtbaren Anerkennung auch dafür Lob zu erhalten, dass sie über den Tellerrand hinausschaut. Es wird nur selten anerkannt, dass sie sich über die Zukunft doch Gedanken machen kann. Kein Wunder, dass sie die sonst wie der Teufel das Weihwasser scheut.

Tolle Geschichte, tolle Kapiteltitel!
Antwort von:  Kalliope
18.02.2015 12:49
Es freut mich sehr, dass dir die Dynamik der beiden Schwestern gefällt. Das fällt mir immer etwas schwer (Einzelkind *hust*), aber ich versuche beide ihrer Art treu sein zu lassen.
Von:  yazumi-chan
2014-11-18T16:20:08+00:00 18.11.2014 17:20
Das hätte Rain auch ein bisschen diplomatischer lösen können xD Aber sie hat gepackt? Will da jemand alleine losziehen?
Und yay für Froxy! Rain wird noch ein waschechter Wassertyptrainer^^
Antwort von:  Kalliope
18.11.2014 17:23
Du hast es erraten, sie will alleine los :D Nicht schwer zu erraten, denke ich. Froxy mag ich auch sehr gerne und ich denke, es passt ganz gut, weil es später noch einen Unlichttypen bekommt.
Von:  fahnm
2013-11-17T22:14:22+00:00 17.11.2013 23:14
Hammer Kapi^^
Von:  Yurippe
2013-11-17T18:11:50+00:00 17.11.2013 19:11
Yeah, endlich ein neues Kapitel! Zwar etwas kurz, aber die Dynamik zwischen den Schwestern kommt gut raus und wir sehen endlich aus Summer's Sicht, dass sie doch nicht nur an sich denkt.
Antwort von:  Kalliope
25.10.2014 16:54
Eigentlich denken beide nicht nur an sich, aber sie sind zu verschieden, als dass die jeweils andere das erkennen könnte.
Antwort von:  Yurippe
25.10.2014 16:55
Vielleicht ist es auch so, dass ich mich eher mit Rain als mit Summer identifiziere.
Antwort von:  Kalliope
25.10.2014 16:56
Geht mir auch so. Wir sind eben beide mehr der ruhige Typ.


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