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Finera - Dawn of the Dark

von

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Olga Kramshoff

6. Januar
 

- Summer -
 

„Das ist keine gute Idee. Ganz und gar keine gute Idee“, wisperte Bryce leise vor sich hin. „Summer, bitte, lass uns einfach wieder gehen.“

„Du hättest ja nicht mitkommen müssen“, erwiderte sie und schwang sich über die Hecke, die das Anwesen der Familie Kramshoff umrundete. Mit Onix‘ Hilfe war es ein Kinderspiel, die andere Seite zu erreichen.

„Wir brechen hier gerade ein, das kann ich nicht gutheißen.“

„Einbruch ist ein böses Wort. Wir verschaffen uns nur Zutritt, nachdem Victor so ein Arschloch gewesen ist. Dank ihm würden wir es nie durch den Vordereingang schaffen.“

Bryce seufzte. „Du bringst uns noch ins Gefängnis, weißt du das? Nur weil du eine Light bist, kann deine Familie nicht alles für dich regeln. Bei Arceus …“ Trotz seiner Beschwerden ließ er sich ebenfalls von Onix auf die andere Seite setzen und kam mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf.

Summer schnitt eine Grimasse und zog ihr Starterpokémon in den Pokéball zurück. Sie überlegte schon eine Weile, es in ein Stahlos weiterzuentwickeln, doch dafür würde sie erst irgendwo einen Metallmantel auftreiben müssen – und das nötige Kleingeld bekam sie nur zusammen, wenn die reiche Rennbahnbesitzerin ihr einen Job gab. Und dann war da noch das Armband mit dem Mega-Stein Gluraknit Y, den sie von der Cousine ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte. Die Tatsache, dass manche Pokémon bei besonders enger Verbindung zu ihrem Trainer eine Mega-Entwicklung vollführen konnten, hatte sie bislang in ihrem Training ausgeblendet. Selbst Bryce war ihr bei dem Thema keine große Hilfe gewesen, da die Pokémon Tec in Kanto das Thema eher stiefmütterlich behandelt hatte.

„Willst du noch lange hier rumstehen?“

Bryce‘ Worte rissen Summer aus ihren Gedanken. Sie schüttelte stumm den Kopf und steuerte quer durch die riesige Parkanlage auf das Kramshoff-Anwesen zu. Schon von Weitem sah man das graue Steingebäude mit den hohen Spitzbogenfenstern, Türmchen und dunkelroten Vorhängen. Sie näherten sich von der Seite, hatten aber dennoch den Blick frei auf eine breite Einfahrt mit weißem Schotterbelag, die vor dem Gebäude um einen kreisrunden Brunnen mit Kramshef-Statue führte. Soweit Summer wusste, war Kramshef das Wappenpokémon der Familie Kramshoff, die vor einigen Generationen als reiche Kaufleute aus dem Ausland nach Kalos gekommen waren. Zwar präsentierte die Familie sich gerne als adelig, war es jedoch nicht – eine Tatsache, die von dem Adel in Kalos gerne unterstrichen wurde.

„Mich wundert, dass noch keiner in den echten Adel eingeheiratet hat“, sagte Summer nach einer Weile und blieb abseits der Einfahrt hinter einer dichten Rosenhecke, die mit Jutebeuteln abgedeckt war, stehen. „Stell dir nur vor, Victor hätte einen Adelstitel. Er würde sich noch schlimmer aufführen.“

„Das wissen wir doch gar nicht“, erwiderte Bryce nervös. Er nestelte ununterbrochen an seiner Brille rum und fuhr sich alle paar Sekunden durch die braunen Haare. „Da hinten wäre der normale Haupteingang. Schau dir nur das Wachhaus an – und die beiden Hundemon. Wenn die uns entdecken, sind wir geliefert …“

„Also nehmen wir nicht die Vordertür?“

„Natürlich nicht, die Hundemon würden uns sofort sehen und Alarm schlagen!“, zischte er aufgebracht. „Wir könnten einfach zurück zur Hecke, Onix bringt uns raus und wir tun, als wäre nichts gewesen.“

„Oder“, konterte Summer gelassen, „wir probieren es hinter dem Haus. Vielleicht gibt es dort einen Dienstboteneingang. Unser Haus hat so etwas auch.“ Sie konnte Bryce‘ Blick, den er ihr daraufhin zuwarf, nicht wirklich deuten, doch es war ihr auch egal. Auf leisen Sohlen schlich sie von der Einfahrt wieder weg und umrundete in sicherem Abstand das Schloss.

Vorsichtig schlichen sie in der Parkanlage umher und inspizierten dabei, ob sie einen Hintereingang zum Anwesen fanden, doch Fehlanzeige. Enttäuscht seufzte Summer. „Es muss einen Nebeneingang geben, aber wahrscheinlich haben wir ihn übersehen.“ Sie ließ sich auf eine Parkbank sinken und schaute in den Himmel, wo ein einzelnes Kramshef seine Runden zog. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Bryce. „Vielleicht sollten wir wirklich zurückgehen.“

Erleichtert atmete er durch. „Na endlich. Beeilen wir uns.“ Er zog Summer wieder von der Bank hoch in den Stand und schaute sich um. „Wir müssen dort entlang oder?“

„Nein, da drüben lang.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir dort hinten hinmüssen.“

„Ist das nicht egal, wo Onix uns über die Hecke setzt?“

„Eigentlich schon“, gestand Bryce zögerlich. „Aber ich würde mich besser fühlen, wenn wir keinen unbekannten Weg nehmen.“

„Na schön“, murrte Summer und folgte ihm durch die verschlungenen Wege zwischen den Bäumen und Hecken. Hin und wieder kamen sie an kleinen Brunnen oder Pokémon-Statuen vorbei – allesamt Unlicht-Pokémon.

Kaum dass sie um eine Ecke gebogen waren, stolperten sie in eine Person hinein, die an einem der Brunnen lehnte.

Olga Kramshoff.

Und neben ihr ein gut ein Meter großes Kramshef, das seinen Schnabel leicht geöffnet hatte.

Olga Kramshoff lächelte sie finster an. Sie trug einen wadenlangen, schwarzen Wollmantel und in ihren bunt gefärbten Haaren zeichnete sich ein schwarzgrauer Ansatz ab. „Wladimir war so nett und hat mir gesagt, dass zwei Diebe auf meinem Anwesen unterwegs sind.“ Dabei kraulte sie den Kopf ihres Pokémon, das Summer und Bryce keine Sekunde aus den Augen ließ. „Aber ich habe nicht mit zwei Kindern gerechnet.“

Summer schaute die reiche Dame mit großen Augen an. „Das ist gelogen, wir sind keine Diebe!“

„Und wieso schleicht ihr hier herum?“

Bryce hatte es schier die Sprache verschlagen, so kreidebleich und geschockt stand er neben Summer.

Diese schnaubte leise in Richtung ihres Begleiters. „Eigentlich sind wir hier, weil ich Sie nach einem Job auf der Rennbahn fragen wollte. Wir sind Pokémontrainer und wollen uns etwas Geld dazu verdienen, solange wir in Vanitéa sind, aber dort gibt uns niemand Arbeit. Wir waren zuerst bei der Rennbahn, aber Victor hat uns ziemlich barsch abgewiesen. Deshalb dachte ich mir, ich frage Sie höchstpersönlich.“

Olga lachte amüsiert auf. „Ihr wollt, dass ich euch Arbeit gebe? Und meinen Enkel kennt ihr auch?“

„Kennen würde ich das nicht nennen …“ Summer verzog kaum merklich das Gesicht.

Noch immer lachte Olga laut vor sich hin, bevor sie die pink geschminkten Lippen zu einem breiten Grinsen verzog. „Ihr habt Mumm, wenn ihr euch einfach auf mein Gelände schleicht. Victor ist viel beschäftigt und mein Sohn und seine verkommene Frau Alana besuchen mich nie. Die Tage können sehr lang und einsam sein. Ihr amüsiert mich. Also gut. Reden wir über die Arbeit. Aber zuerst trinken wir einen Tee.“

Ehe sie sich versahen, fanden sie sich in einem geräumigen Teesalon wieder. Die Sessel waren mit teurer Seide bezogen und auf jedem einzelnen Sofakissen war das Wappen der Familie Kramshoff eingestickt. Wladimir saß im angrenzenden Wintergarten am offenen Balkonfenster und starrte die Besucher feindselig an. Neben dem Sofa stand eine breite Liege, auf der ein Shnurgarst mit Diamanthalsband schnarchte.

„Anna, musst du immer so laut schnarchen“, tadelte Olga das Katzenpokémon, das lediglich träge ein Augenlid anhob und sich dann auf die andere Seite rollte. Lachend schenkte Olga den Tee ein und reichte dazu frisches Gebäck und kandierte Beeren.

Bryce hielt sich zurück und starrte in seine Teetasse hinein, während Summer von allem etwas auf ihren Teller lud. Im Gegensatz zu ihr fühlte er sich komplett unwohl und fehl am Platz.

„Ihr wollt also für mich arbeiten?“, griff Olga das Gespräch aus dem Garten wieder auf, während sie an ihrer Tasse nippte und diese dann auf dem Beistelltisch abstellte. „Was genau habt ihr euch vorgestellt? Es ist Wintersaison. Wir haben höchstens ein Rennen pro Monat. Bis zur Hauptsaison dauert es noch.“

„Nun“, begann Summer und musste feststellen, dass sie absolut keine Ahnung hatte. „Ich weiß es nicht.“

Olga hob prüfend eine Augenbraue nach oben.

„Es ist so: Ich – Bryce auch – brauche Geld und die Rennbahn erscheint uns dafür eine gute Möglichkeit zu sein. Wir könnten die Ställe ausmisten oder die Rennpokémon füttern.“

„Dafür habe ich meine Leute“, sagte Olga gelangweilt. „Wieso erzählt ihr mir stattdessen nicht etwas von euch? Ich habe selten Besuch. Fangen wir doch damit an: Wie heißt ihr? Wie alt seid ihr? Woher kommt ihr?“

„Oh, okay.“ Summer setzte sich gerade hin. „Ich bin Summer Light, ich bin sechzehn Jahre alt und komme aus Honey Island in Finera.“ Als Bryce nichts sagte, fuhr sie fort: „Und das ist Bryce Dearing, achtzehn Jahre alt und Pro-Trainer aus Azuria City. Er ist etwas schüchtern.“

Bryce stupste sie unter dem Tisch an.

Olga nickte. „Summer Light … Finera …“ Ein Schmunzeln umspielte ihre Lippen. „Du bist nicht zufällig mit Faith Loraire-Light verwandt?“

„Faith Light und ja, das ist meine Mutter, wieso?“

„Deine Mutter, ich verstehe. Ich weiß, was sie damals gegen Team Dark unternommen hat. Wer kennt diese Geschichte nicht? Umso erfreulicher, dass ausgerechnet eine ihrer beiden Töchter bei mir im Salon sitzt und mit mir Tee trinkt. Feinste Auslese aus Alola, wohlgemerkt. Du hast doch noch eine Zwillingsschwester, wie hieß sie noch gleich? Storm? Thunder? Winter?“

„Rain. Sie lebt und arbeitet im Moment bei Mai Technologies in Illumina City.“

„Nein, was ein Zufall.“ Noch immer schmunzelte Olga in sich hinein. Dann, von jetzt auf gleich, erhob sie sich. „Ihr könnt drei Tage in der Woche in den Stallungen hier auf dem Gelände aushelfen, nicht auf der Rennbahn. Queen Sparkle hat zwar genug Personal, aber Baron Jean de Buis wird in den nächsten Tagen anreisen. Er ist nicht nur ihr Reiter, sondern auch ihr Züchter und bringt den Nachwuchs mit. Ein paar der Ponita sollen sehr vielversprechend sein. Morgen früh könnt ihr anfangen. Ich werde meinem Sicherheitspersonal an der Einfahrt Bescheid geben, damit sie euch zu den Ställen lassen.“

„Oh, eh … danke? Das ist sehr überraschend und auch sehr nett von Ihnen.“

Bryce fand endlich seine Sprache wieder und nickte. „Ja, vielen Dank. Wie viel verdienen wir denn dabei?“

„Genug, junger Mann“, wies Olga Kramshoff ihn ab und richtete ihren Blick wieder auf Summer. „Deine Mutter wird sicherlich sehr betrübt darüber sein, dass Team Dark zurückgekehrt ist. Ausgerechnet ihre beiden Töchter befinden sich in der Region, in der das neue Team Dark aktiv geworden ist. Und deine Schwester arbeitet für ihre Erzrivalin Milena Mai. Dieser Tag ist interessanter geworden, als ich dachte. Wirklich außerordentlich interessant.“ Dann klatschte sie in die Hände. Anna erhob sich und trottete aus dem Salon hinaus in den Flur. „Victor wird euch morgen früh erwarten. Punkt acht Uhr. Ich dulde keine Verspätungen.“ Während sie bereits halb aus der Tür hinausging und einer ihrer Angestellten hervortrat, um Summer und Bryce hinaus zu begleiten, drehte sie sich noch einmal um. „Ich hoffe sehr, dass du und deine Schwester von Team Darks Angelegenheiten verschont bleiben. Es betrübt mich immer wieder, zu sehen, wie ahnungslos und naiv manche Kinder mit diesen Themen umgehen. Aber hab keine Angst, hier auf meinem Anwesen bist du sicher. Niemand legt sich mit der Familie Kramshoff an.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Yurippe
2017-10-22T09:23:31+00:00 22.10.2017 11:23
Ein neues Kapitel! <3

Hier fehlt ein B:
„Wir könnten einfach zurück zur Hecke, Onix bringt uns raus und wir tun, als wäre nichts gewesen.“

„Du bist nicht zufällig mit Faith Loraire-Light verheiratet?“
Nicht verwandt?`O.o

Ich glaube ja immer noch, dass Viktor mit Team Dark unter einer Decke steckt.
Antwort von:  Kalliope
22.10.2017 16:38
Ja, das steht aber schon länger drin :D

Wo genau fehlt da ein B?
Den anderen Punkt habe ich korrigiert :)

Das wirst du noch erfahren, was es mit Victor und Team Dark auf sich hat :D Wer weiß, vielleicht hängt seine liebe Oma ja auch noch mit drin?
Antwort von:  Yurippe
23.10.2017 02:54
Wieso habe ich das erst heute gesehen?

Komisch, da fehlt doch kein B, als ich es zuerst gelesen habe, stand da noch "Onix ringt aus raus"...

Die Oma ist auf jeden Fall verdächtig.
Antwort von:  Kalliope
23.10.2017 12:00
Das Kapitel ist jetzt erst durch die Freischalter geprüft worden, dann wird es immer noch ein 2. Mal auf der persönlichen Startseite angezeigt :)
Antwort von:  Yurippe
23.10.2017 15:12
Ja, aber wieso habe ich das erste Mal verpasst? Ich glaube, ich brauche Urlaub...


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