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Finera - Dawn of the Dark

von

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Schwarzer Tag

3. Oktober
 

- Rain -
 

Die folgenden beiden Tage verbrachte Rain auf den an Illumina City angrenzenden Routen, um Froxy zu trainieren. Am Anfang hatte sich das Training noch als kompliziert herausgestellt, doch nachdem sie den Dreh raus hatte und Froxy ihre Anweisungen zielgenau umsetzte, hatte ihr Pokémon in relativ kurzer Zeit die Attacken Ruckzuckhieb und Aquawelle gelernt. Für Rain bedeutete das nicht nur, dass ihre Methode schnellen Erfolg zeigte, sondern auch, dass Froxy seiner Entwicklung zu Amphizel ein gutes Stück näher gekommen war. Während sie mit ihrem Pokémon beschäftigt gewesen war, hatte Rain ihr Karpador in Tümpeln und anderen Gewässern schwimmen lassen. Zwar trainierte sie ihren Starter nicht, aber in den Pokéball wollte sie ihn auch nicht mehr einsperren.

Weitaus anstrengender als die täglichen Trainingseinheiten in der brütenden Hitze empfand sie jedoch das Frühstück und Abendessen im Pokémoncenter, was hauptsächlich an der braunhaarigen Trainerin lag, die schon seit Tagen alle mit ihrer schlechten Laune malträtierte und die jüngeren Trainer bei Kämpfen in den Boden stampfte – nun, zumindest jene Trainer, die sich überhaupt noch trauten gegen sie zu kämpfen. Rain gehörte nicht dazu, auch wenn Froxy einen Typenvorteil gegen das Fiaro der Trainerin hatte. Sie wusste, dass sie trotzdem keine Chance hatte.

Am dritten Abend war der absolute Gefrierpunkt der Stimmung erreicht. Die Trainerin hatte zum zweiten Mal in Folge gegen den Arenaleiter der Stadt verloren, was bei den übrigen Trainern für hämische Blicke sorgte, die Stirn der Braunhaarigen jedoch mit einer tiefen Zornesfalte überzog. Ihr Fiaro mochte stark genug sein, um die durchreisenden Trainer zu besiegen, aber es war nicht stark genug, um alleine einen Elektroarenaleiter zu besiegen.

Als besagte Trainerin die Kantine betrat, wanderte ihr Blick über die besetzten Tische und blieb an Rain hängen, die alleine einen Tisch für sich hatte. „Du da“, bellte die Braunhaarige und kam mit großen Schritten näher. „Los, verzieh dich.“

Rain funkelte sie an. „Wie bitte?“

„Das ist jetzt mein Tisch, also hau ab.“

„Ich sehe hier keine Reservierung auf deinen Namen“, konterte Rain. Die anderen Trainer begannen aufgeregt zu tuscheln. „Abgesehen davon, solltest du deinen Ton ändern, wenn du mit mir sprichst.“ Während sie das sagte, fühlte Rain einerseits Angst, aber auch Mut in sich aufkeimen.

Lange Sekunden starrte die andere Trainerin einfach nur zurück, dann knirschte sie so stark mit den Zähnen, dass ihre Kieferknochen hervortraten. „Wie du meinst, Grünkopf.“ Sie drehte sich um, stapfte zum Buffet und klatschte sich einen Teller voll mit Curryreis, dann nahm sie ihr Tablett und verschwand.

Erleichtert atmete Rain aus und merkte erst jetzt, dass sie ihre Finger die ganze Zeit über in die Tischkante gekrallt hatte. Ja, sie hatte Angst vor dieser Trainerin, die viel stärker war und trotzdem nicht den Orden erkämpfen konnte, den sie so sehr wollte.

„Oh man, das war krass“, sagte ein Junge am Nachbartisch und grinste von einem Ohr zum anderen. „Mit Kitty ist echt nicht zu spaßen. Du hast Glück, dass ihr Fiaro gerade von Schwester Joy verarztet wird. Ohne ihr Pokémon ist ihre Klappe zwar immer noch groß, aber da ist nichts mehr dahinter.“ Kichernd stimmten ihm einige andere Trainer zu.

Kitty, so hieß sie also. Ein harmloser Name für ein viel zu hartes Mädchen, fand Rain. Vielleicht war sie noch nicht immer verbittert und aggressiv gewesen. Nachdenklich schlürfte sie an ihrer Erdbeermilch und vertiefte sich wieder in den Trainingsplan, den sie für Froxy erstellt hatte.
 

Super Tag heute und bei dir? Rains Comdex gab ein Ping von sich, als Camilles Nachricht auf dem Display erschien. Rain saß in der Lobby des Pokémoncenters und hatte es sich auf einem der Lounge-Sessel bequem gemacht. Von draußen klatschte ein leichter Sommerregen gegen die Scheiben und in der Dämmerung des Abends gingen die ersten neonfarbenen Reklametafeln an. Sie tippte eine kurze Antwort ein: Alles bestens. Was hast du heute gemacht?

Keine Minute später kam Camilles Antwort. Mein Dad lässt gerade Pokémon-DNA aus einem Fossil extrahieren und will das Pokémon dann ausbrüten lassen. Rate mal, wer die glückliche Trainerin sein darf :-)

Rains Gesicht erhellte sich. Alte Fossile waren selten und nicht immer gelang der Prozess der Extraktion. Camilles Vater war ein bekannter Forscher auf dem Gebiet der antiken Pokémon. Für ihn und Camille musste das ein richtiges Highlight sein. Gratuliere! Sie schrieben noch ein wenig hin und her und vereinbarten ein Treffen für den kommenden Tag.

Gerade hatte sie ihren Comdex zur Seite gelegt, als wieder der Benachrichtigungston erklang. Dieses Mal war es ihre Mutter, die ihr mitteilte, dass Summer wohlbehalten in Nouvaria City angekommen war und morgen um den Orden kämpfen wollte. Das sah Summer ähnlich, immer nur Orden, Orden, Orden. Rain verdrehte die Augen. Wenn Summer gewann – und daran zweifelte Rain nicht –, würde sie wohl noch morgen weiter nach Illumina City reisen. Schon morgen Abend würde sie Summer wiedersehen.

Die Vorfreude hielt sich in Grenzen. Stattdessen räumte Rain ihre Sachen zusammen und wollte gerade zur Treppe gehen, als von oben ausgerechnet Kitty nach unten gestürmt kam. Kitty nahm immer zwei Stufen auf einmal und konnte gerade noch abbremsen, bevor sie Rain umgeworfen hätte.

„Hey, pass doch auf!“

„Pass du besser auf!“, schnauzte Rain zurück und drückte die Loseblattsammlung dicht an ihren Körper.

Kitty schnaubte verächtlich, machte Rain jedoch Platz und knöpfte sich den nächstbesten Jungen vor. „Was glotzt du so?“

Zu Rains Entsetzen reckte der Junge keck das Kinn in die Höhe. Es war der Junge, der beim Abendessen an ihrem Nachbartisch gesessen hatte und der nun eindeutig einen Schritt zu weit ging. „Ach komm schon, Kittylein. Große Klappe, nichts dahinter, hä? Hättest mal besser trainieren sollen, dann hättest du nicht schon wieder gegen Citro verloren.“ Er begann böse zu grinsen. „Aus der kleinen Kitty wird nie eine gute Trainerin werden, hm?“

Bei diesen Worten ging ein Ruck durch Kittys Körper. Für einen winzigen Moment flackerte Verletzlichkeit über ihr Gesicht, dann wich der Ausdruck der harten Miene, die Rain bereits von Kittys Kampf mit dem Igastarnish-Trainer kannte.

Rain wusste nicht, wieso sie das tat, aber sie drehte sich zu Kitty um. „Ich bin sicher, er meint das nicht so“, versuchte sie zu schlichten. Kitty sollte ihr nicht leid tun. Sie war eine unangenehme Person, aber trotzdem empfand Rain auf einmal Mitleid. In diesem kurzen Moment, in dem Kitty unendlich gekränkt und verletzlich aussah, hatte Rain das Bedürfnis empfunden ihr die Schulter zu tätscheln.

„Natürlich meine ich das so.“

Stille. Verräterische Ruhe. Alle hielten den Atem an. Dann explodierte Kitty. „Du Pissbirne, ich werde dir zeigen, wie stark ich bin!“ Sie riss den Trainer am Kragen herum, drückte ihn gegen die Wand und kassierte im Gegenzug einen Fausthieb in den Magen, der sie schnaufend einknicken ließ.

Alarmiert eilte Schwester Joy herbei. „Aufhören! Sofort!“

Der Trainer riss sich von Kitty los, zückte einen Pokéball und entließ ein Sichlor, das fauchend seine rasiermesserscharfen Klingen aneinander rieb. Kitty konterte, indem sie Fiaro rief.

„Keine Kämpfe innerhalb des Pokémoncenters!“ Schwester Joy wurde zuerst blass, dann puterrot und fuchtelte wild mit den Armen. „Schluss jetzt!“ Doch der Junge drückte sie einfach zur Seite und die herbeiströmenden Trainer drängten Schwester Joy immer weiter nach hinten.

Augenblicklich bellten die Trainer ihre Befehle. Sichlors Klingen und Fiaros Flammen prallten immer wieder erbittert gegeneinander. Mehr als einmal duckte die Menge sich unter dem Flammenwurf oder dem Nachthieb weg. Rain krallte sich an das Treppengeländer und starrte wie hypnotisiert auf die kämpfenden Pokémon.

Zuerst hatte Fiaro die Oberhand, musste dann jedoch einen Volltreffer einstecken und krachte mit solcher Wucht gegen die Wand neben Rain, dass der Putz abbröckelte. Die Menge johlte, Schwester Joy krakeelte im Hintergrund. Kitty ließ nicht locker. In ihren Augen loderte pure Wut. Immer und immer wieder trieb sie ihr Fiaro an und die Querschläger seiner Nitroladung ließen die Blumen auf dem Tresen in Flammen aufgehen. Sichlor wirbelte wie ein Akrobat durch die Luft, Fiaro kämpfte wie ein wildes Tier. Beide ließen nicht locker, bissen, kratzten, schnitten und verbrannten sich.

Allmählich gewann Fiaro mehr Luftraum für sich. Sichlor wurde auf den Boden geschleudert, flog im nächsten Moment gegen die Decke. Ein letztes Aufblitzen seiner Klingen, dann krallte Fiaro sich – aufgestachelt durch Kittys wütende Schreie – an seinem Gegner fest. Eine letzte Nitroladung. Alles, was Fiaros Körper noch zu bieten hatte. Die ganze Kraft. Alles.

Rain hörte nicht, wie Sichlor vor Schmerzen kreischte. Das Blut rauschte in ihren Ohren wie ein lauter Sturm. Sie sah nur, wie das Pokémon sich krümmte und seinen Trainer flehend anschaute. Wieso half ihm denn niemand? Wieso holte der Junge sein Pokémon nicht in den Pokéball zurück? Es hatte doch schon verloren. Schrie. Todesschreie.

„Hört endlich auf!“ Rain merkte nicht einmal, wie sie sich von der Treppe gelöst hatte. Tränen liefen ihre Wangen herunter, dann mehr und mehr Wasser. Von oben? Rauch stieg von Schwester Joys Maschinen auf, die Sprinkleranlage war angesprungen und panisch rannten alle durcheinander. Nur der Junge und Kitty waren erstarrt. Sie hielt Fiaro im Arm. Matt hingen seine Flügel herab, aber es atmete noch. Sichlor nicht. Seine Augen waren friedlich geschlossen, doch die Körperhaltung verriet die Qualen, die es in den letzten Sekunden seines Lebens durchlitten hatte. An manchen Stellen war sein Panzer so geschwärzt und verkohlt, dass die einzelnen Chitinschichten abblätterten.

Sichlor war tot.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Yurippe
2015-02-17T21:02:13+00:00 17.02.2015 22:02
Oh, wow. So etwas kommt ja in der Pokémon-Welt, wie sie uns präsentiert wird, selten vor. Ich bin gespannt, wie es jetzt weitergeht. Armes Sichlos. :(
Antwort von:  Kalliope
17.02.2015 23:05
Das wird auch in der FF eine Seltenheit bleiben, aber für Rain und Kitty ist dieses Ereignis wichtig. Wenn man realistisch ist, dürfte es aber gar nicht so unwahrscheinlich sein, dass Pokémon von den Kämpfen auch zum Teil schwere Schäden davontragen.
Ja, armes Sichlor :(
Von:  fahnm
2015-02-17T21:01:40+00:00 17.02.2015 22:01
Spitzen Kapitel
Von:  yazumi-chan
2015-02-17T13:09:35+00:00 17.02.2015 14:09
Oh Fuck o_o
Ich weiß grade gar nicht, was ich schreiben soll. Du hast einen heftigen Schritt gewagt, aber für mich ist diese Entwicklung in Ordnung. Ich nehme dann mal an, das Pokémon in abgesprochenen Kämpfen nie ihre volle Kraft verwenden. Puh. Okay xD

Schreibtechnisch: Mir gefällt sehr gut, wie du die Kampf im Pokécenter beschrieben hast, speziell die Trainer, die Schwester Joy zurückdrängen. Das gibt dem Ganzen etwas von einer Barschlägerei oder einem illegalen Hahnenkampf oder sowas. Ich schließe mich Rain in der Mitleidsschiene an, irgendwie kann ich Kitty selbst nach diesem Debakel nicht hassen. Sie ist zu weit gegangen und ich mag sie wirklich nicht, aber es ist nicht diese tiefsitzende Abneigung da, wie ganz zu Anfang. Wahrscheinlich, weil sie zwar ein großes Maul hat, aber letztendlich schwach wirkte, sobald sich ihr jemand in den Weg stellt. Und dass der Trainer sein Pokémon in so einer Situation nicht zurückruft...
Naja, immerhin ist jetzt klar, wo der "Wasserschaden" herkommt.
Antwort von:  Kalliope
17.02.2015 14:15
Vielen Dank für den Kommentar :) Ich war mir lange nicht sicher, ob ich das so hochladen soll, aber der Ausgang vom Kampf gehört eigentlich zur Storyline dazu. In der Wildnis töten sich Pokémon ja auch, um Nahrung zu haben etc.
Antwort von:  yazumi-chan
17.02.2015 14:17
Es ist halt so eine unausgesprochenen Tabuzone, aber wenn man die Geschichte darauf auslegt, kann man das durchaus machen. Es macht deine Fanfic auf jeden Fall eine Spur dunkler.
Antwort von:  Kalliope
17.02.2015 15:34
Das stimmt. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was passiert, wenn ein Pokémon stirbt, weil es krank oder alt oder schwach ist.


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