Als das erste Sonnenlicht erst noch fast zögernd durch den kleinen Spalt zwischen den beiden Vorhängen hindurch huschte, nur um dann doch neckisch und schon recht warm auf die Wange des jungen Mannes zu treffen, schien die einzige Intention dieses Sonnenlichtes die zu sein, ihn zu wecken. Ohne Erfolg blieben diese penetranten Strahlen nicht.
Leise murrend blinzelte Ren einmal, zweimal. Das Licht blendete ihn und mit einem Mal war er hellwach.
War das alles nur ein Traum? Er sah sich erschrocken und mit wild pochendem Herzen um.
Tief durchatmend stellte er fest, dass es KEIN Traum war.
Im ersten Moment hatte er gedacht, er wäre wieder DORT aufgewacht. Dort, in dem kleinen Zimmer, in dem nur das schmale, mit weißer und zart grünlicher Bettwäsche versehene Bett, ein kleiner Schreibtisch, ohne nennenswerte Besonderheiten, ein ebenso bedeutungsloser Drehstuhl - der quietschte, wenn man sich mit ihm drehte - und ein kleiner, schmaler Schrank standen.
In dem kleinen Zimmer, dessen Wandfarbe Ren nie wirklich hatte definieren können.
Angeblich war es ein zarter Sandton. Angeblich, so hatte man ihm gesagt, solle das beruhigend wirken. Angeblich. Aber beruhigt hatte es ihn nie.
Ren hatte diese Wand gehasst. Sie war steril, glatt, unfreundlich, ja nahezu beängstigend.
In diesem Zimmer, in dem er zum Glück nur geschlafen hatte. Das Zimmer, das für sechs Monate sein Zuhause gewesen war.
Sechs Monate, die ihm noch immer wie eine Unendlichkeit vorkamen. Sechs Monate, die er ohne irgendeinen rettenden Gedanken niemals überstanden hätte. Aber jetzt, wo er feststellte und wirklich realisierte, dass er nicht geträumt hatte, dass er NICHT in diesem Zimmer, nicht in dieser Anstalt war, fiel alles wie ein bleischwerer Mantel von ihm ab.
Und als Ren den Kopf drehte, sah er den Mann, an den er in den letzten sechs Monaten immer wieder gedacht hatte. Und diese Gedanken waren es gewesen, die ihn durch die Zeit gezogen hatten und ihn nicht hatten aufgeben lassen.
Mehr als einmal hatte er in diesen sechs Monaten alles hinwerfen wollen. Gerade am Anfang, als er merkte, dass sein Körper sich danach sehnte…nur ein kleiner Zug Gras. Nur ein bisschen. Wie sonst auch. Es war doch nur ein bisschen. Nur ein….
Nein!
Ren schüttelte den Kopf. Warum war er denn da in der Anstalt gelandet? Er hatte es irgendwann nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Konnte ohne dieses Zeug nichts mehr. Und beinahe hätte er sich alles kaputt gemacht.
Wäre Takeo nicht gewesen. Dando Takeo. Der Mann, der in sein Leben getreten war und ihn gerettet hatte. Weil Ren sich in ihn verliebt hatte. Weil aus einem anfänglichen Spaß für Ren wirklich ernst wurde. Und weil Takeo ihn nicht abgewiesen hatte.
Darum, und NUR darum wollte Ren von all den Drogen wieder weg. Sein altes Leben hinter sich lassen und mit Takeo zusammen neu anfangen. Darum. Weil Takeo ihm gesagt hatte, dass er auf ihn warte. Weil Takeo auf ihn gewartet hatte, hatte er diese sechs Monate überstanden. Nur darum hatte er gegen den Teufel in sich selbst angekämpft, hatte geweint, geflucht und dann doch gewonnen.
Nur weil Takeo da war.
Und dieser Mann lag nun noch ruhig schlafend neben ihm im Bett.
Es war ihre erste Nacht zusammen gewesen. Die erste Nacht nach sechs langen, langen Monaten, in denen sie sich nur sporadisch hatten sehen dürfen. Und es war fast wie ihr allererstes Mal gewesen. Nur noch um so vieles schöner!
Langsam streckte Ren die Hand aus und als seine Finger die ersten Haarsträhnen des anderen berührten, merkte er, wie sein Blick verschwommen wurde. Kurz darauf tropften die ersten Tränen von seinem Kinn auf das Bettlaken.
Er war zu Hause. Zu Hause bei dem Mann, dem er sein neues Leben verdankte. Bei dem Mann, für den er durch jede Hölle gehen würde, das wusste er jetzt.
„Ich liebe dich“, flüsterte er leise und hauchte mit tränenfeuchten Lippen einen Kuss auf Takeos Stirn.
-Ende-