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Drogensucht - Bis(s) das Leid ein Ende hat

Wenn das Schicksal zuschlägt
von

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02.04.1999

Heyyyyyy…ich habe ganz schwitzige Hände *lach*

Auf diesen Moment haben wir alle gewartet und ich bin furchtbar aufgeregt.
 

Jetzt geht es aber los…Viel viel Spaß!
 

*************
 

Flashback Bella POV
 

Es begann schon zu dämmern als wir den Highway Richtung Seattle langbrausten. Wie immer zog sich ein leichter Nebelfilm über den Boden. Wir kamen gerade aus Port Angeles. Ein neues Einkaufscenter hatte vor wenigen Tagen eröffnet. Meine Mutter war hin und weg von dieser Tatsache und ergriff natürlich die erst beste Gelegenheit, um uns in besagtes Center zu verschleppen.
 

Ihre Begeisterung für Kleidung konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Dad und Seth schien es ähnlich zu ergehen. Bei ihnen allerdings, lag es höchstwahrscheinlich am sogenannten Y-Chromosom. Ich selbst, musste wohl noch einige Jahre warten um eine Prognose abschließen zu können. Ich würde mir erst wieder Gedanken über ihr Verhalten machen, wenn bei mir auch nach der unangenehme Phase der Pubertät kein Modeempfinden auftauchen würde. Zu diesem Zeitpunkt nahm ich einfach an, dass ich sie früher oder später voll und ganz verstehen würde.
 

Erbarmungslos, schleifte sie uns volle 7 Stunden durch das gesamte Einkaufscenter. Hier ein Röckchen und dort ein Kleidchen und Schuhe, Gott so viele Schuhe. Wozu brauchte Frau so viele Schuhe? Der Grund einen Minivan zu kaufen um Familienausflüge angenehmer, bequemer und praktischer zu gestalten, kam mir nun als eine billige Ausrede vor.
 

Aber so war sie und so liebte ich sie. Meine wundervolle, durchgeknallte Mutter. Mein Vater war das ganze Gegenteil von ihr. Er war ruhig und geduldig. Konnte fabelhaft zuhören und hatte Probleme seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Im Grunde war ich wie Dad und Seth wie Mum.
 

Ja, mein kleiner nerviger Bruder. Er war mir unglaublich wichtig aber an Tagen wie diesen, würde ich ihn am liebsten zum Teufel jagen. Seit guten 10 Minuten, fuchtelte er mit seiner verdammten Autozeitschrift vor meiner Nase herum. Ich dankte Dad für die nötige Geduld, die er mir vererbt hatte.
 

Abermals schlug ich die Zeitschrift aus meinem Gesicht und sah völlig entnervt aus dem Fenster.
 

„Nun schau doch mal, Bella“, wieder hielt er sie mir vor die Nase.
 

„Hör jetzt auf mir das Ding vor die Nase zu halten. Mich interessieren keine Autos“, blaffte ich ihn an.
 

„KINDER… könnt ihr nicht einmal aufhören euch zu streiten? Seit nicht so laut… Emily schläft“, tadelte Mum.
 

Ja… jetzt waren es wieder KINDER, nicht KIND, nein KINDER. Das ich wie immer nicht angefangen hatte und angestrengt versuchte, die Attacken meines Bruders auszuweichen wurde in diesem Moment einfach unter den Tisch gekehrt. So wie jedes verdammte Mal. Seth sah neben sich. Er überprüfte ob Emily noch tief und fest schlief, bevor er mir erneut die Zeitung vors Gesicht hielt.
 

„DAD“, protestierte ich.
 

„Seth, hör auf deine Schwester zu ärgern“, schnaufte mein Vater selbst sichtlich genervt.
 

Kein Wunder!
 

7 Stunden dauerschoppen. Packesel für gefühlte 1000 Tüten. Streitschlichter für gelangweilte und ständig nörgelnde Kinder. Aufpasser eines Lolli verrückten Kleinkindes und Vermögensberater einer unzurechnungsfähigen Frau im Kaufrausch. Das war zu viel für einen Mann!
 

Wie nicht anders zu erwarten, hörte Seth so gut wie ein tauber Stubendackel. Mum stellte die Musik eine Spur lauter und summte fröhlich vor sich hin, darauf bedacht, ihre Kinder weiterhin zu ignorieren.
 

Nett!
 

Dad atmete übertrieben laut um sich zu beruhigen. Seth merkte von all dem natürlich nichts. Oder besser…er bemerkte es ganz genau, genoss es aber mal wieder die Familie zu tyrannisieren. Aber was will man von einem 9 jährigen schon groß erwarten, der noch immer mit einem Spiderman Schlafanzug zu Bett ging?
 

Eine Stunde Autofahrt mit meinem kleinen Bruder, war dann auch für meine Geduld zu viel. Ein lauter Seufzer verließ meinen Mund. Ich schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen. Noch immer kicherte mein Bruder neben mir und spürt nicht, wie Stück für Stück das Wasser in mir stieg und kurz vor dem Überlaufen war. Mittlerweile fand er es wahnsinnig witzig, mir Papierkügelchen in die Haare zu schnipsen. Ein erneuter Riss ließ mich schnauben. Nun musste die nächste Seite seines wahnsinnig tollen Automagazins dran glauben.
 

Ich konnte mich noch gut an früher erinnern. Als er das Laufen für sich entdeckte. Damals hatte ich eine Puppe. Ich nannte sie immer `Polly´. Polly war toll, sie konnte Schlafgeräusche machen, Mama sagen und weinen. Das Beste an Polly war der Schalter an ihrem Rücken. Ein Handgriff und Polly war ruhig. Ich erinnere mich noch, wie ich im Wahn Seths Schalter suchte. Die Erkenntnis, dass er keinen besaß traf mich hart.
 

„Verdammt Dad, jetzt sag doch mal was. Seth schmeißt mir Papierschnipsel in die Haare.“
 

„Seth Jared Swan, es reicht jetzt. Kannst du einmal 10 Minuten still sitzen“, schrie mein Vater.
 

„Charlie“, mahnte meine Mutter erschrocken.
 

Wahnsinn, wie schnell sie ihre Rollen tauschen konnten. Sonst war es immer genau anders herum. Es geschah nicht oft, dass unser Vater so aus der Haut fuhr. Das Emy von diesem Krach nicht wach wurde, war wirklich ein Wunder. Aber sie hatte schon immer einen sehr tiefen Schlaf. Den brauchte man auch in dieser Familie. Seth hielt sich nun zurück. Doch ich wusste es besser. Die Wirkung hielt nicht auf Dauer, also genoss ich den kurzen Moment der Ruhe.
 

Die Straßen waren so gut wie leer. Hin und wieder kam uns ein Wagen entgegen. Samstags verbrachten wohl die meisten ihre Zeit zuhause. Vernünftige Leute! Hätten wir auch tun sollen…
 

Und schon ging es in die nächste Runde. Ich schloss genervt die Augen und versuchte das kichern meines Bruders zu ignorieren. 4 Minuten! WOW…was für eine Leistung. Ich war heute einfach nicht in der Stimmung. Seths Hyperaktivität war nicht einfach zu ertragen. Noch schlimmer auf so engen Raum. Zuhause, in der Schule oder im Park stellte es kein großes Problem für mich da. Da gab es immer genug Möglichkeiten ihm aus dem Weg zu gehen.
 

Und dennoch liebte ich ihn…ich liebte ihn mit allem was ich hatte. Mit all seinen Ecken und Kanten. Nur gerade jetzt eben nicht. Die Papierkugeln wurden zu großen Papierknäulen. Es reichte…irgendwann, war auch meine Geduld am Ende.
 

Ich drehte mich um und riss ihm die Zeitung aus den Händen.
 

„Gib die sofort wieder her das ist meine“, schrie er mich an.
 

„Das ist mir egal, jetzt gehört sie mir.“
 

Ihn überlegen angrinsend, riss ich immer mehr Seiten aus seiner blöden Zeitung. Seine Augen wurden größer, seine Backen blähten sich. Ich genoss es in vollen Zügen auch ihn mal zu dominieren. Doch sein Minenspiel wechselte sofort und hinterlistig wie der kleine Scheißer eben war, drückte er sich eine Träne heraus.
 

„Mummy, Bella reißt meine Zeitung kaputt“, wimmerte er.
 

Wenn ich also Seiten raus riss, ging die Welt gleich unter. Wenn er es selber tat…kein Problem! Ich war echt super sauer auf ihn.
 

„Kinder“, sagte nun auch Mum leicht genervt.
 

„Gib sie wieder her“, schrie er und zog mir an den Haaren.
 

„AHH lass los. Du tust mir weh.“
 

„Dann gib sie her“, wir rangelten und irgendwie erwischte ich ihn an der Schulter und durch den schubs, stieß er gegen Emilys Sitz.
 

Diese fing durch den Schreck sofort zu brüllen an.
 

„Das habt ihr wieder ganz toll hinbekommen. Es reicht mir jetzt. Das ihr euch nicht ein einziges Mal zusammen reißen könnt“, schrie mein Vater und griff in einem Ruck nach hinten, um mir die Zeitung aus der Hand zu reißen.
 

Was dann geschah, ging ganz schnell. Das Auto kam ins Schwanken, dann ins Rutschen. Meine Mutter schrie. Ich war wie erstarrt, Emily weinte bitterlich, Seth kreischte, Dad zog fluchend am Lenkrad… ich sah das Feld auf uns zukommen. Das Auto neigte sich immer mehr nach links. Seth wurde gegen mich gedrückt. Mit einem lauten Krachen überschlug sich der Wagen. Mein Kopf prallte hart gegen die Scheibe und alles wurde schwarz.
 

_______________________________________
 

Ich blinzelte einige Male. Mein Körper fühlte sich eigenartig taub an. Weit im Hintergrund nahm ich ein leises Wimmern war. Ein Wimmern, dass immer lauter wurde bis es zu einem ohrenbetäubenden Schreien überging. Mein Kopf pochte schrecklich und träge griff ich mir an die Stirn. Sie war feucht…und irgendwie klebrig. Entsetzt riss ich die Augen auf und stierte auf meine Hand.
 

BLUT!
 

Ich hatte mir den Kopf angeschlagen! Lähmende Kopfschmerzen zogen sich durch meinen ganzen Schädel…dazu das Schreien. Benommen blinzelte ich. Es brauchte einen Moment ehe ich realisierte was geschehen war. Dann trafen mich die Erinnerungen und panisch schnappte ich nach Luft.
 

Die Zeitung… Dad… der Überschlag…
 

„NEIN“, schrie ich und sah mich hastig um.
 

Es war Emily die schrie. Sie brüllte alles was ihre kleinen Stimmbänder hergaben heraus. Auf meinem Schoß lagen überall Glassplitter. Erst jetzt spürte ich die kalte Luft, die mir von links entgegen blies. Mein Fenster war zerbrochen! Ich sah zu meinem Bruder. Er hing in seinem Gurt, den Kopf nach vorne gebeugt. Tränen traten mir aus den Augen und liefen wie Sturzbäche meine Wangen hinunter. Hektisch rüttelte ich ihn und schrie immer wieder seinen Namen.
 

Mit allem Mut, dass ich in diesem Moment aufbringen konnte wagte ich einen Blick nach vorn. Ich hoffte das Beste, bereitete mich aber auf das schlimmste vor. Mein Eltern waren still…zu still!
 

„MMMUUUMMMM“, ein schmerzerfüllter Schrei verließ meine Kehle.
 

Meine Mutter hing komisch verdreht in den Gurten. Sie rührte sich nicht. Ihre Beine waren in einem eigenartigen Winkel zu ihrem Körper, ihr Kopf nach rechts geneigt. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen. Ich begann am ganzen Körper zu zittern, dazu die nicht anhaltenden Schreie meiner kleinen Schwester und dann, dann sah ich in den zerbrochenen Rückspiegel. Ein langer Riss zog sich quer durchs Glas. Und doch, spiegelte er das Gesicht meines Vaters deutlich wieder. Er saß in seinem Sitz. Den Kopf an die Lehne gelehnt. Aus seinem Mund drang Blut. Doch seine, seine …
 

Ein schluchzen drang aus meiner Kehle. Seine Augen, seine Augen sahen mich an. Sie waren halb geöffnet und starrten mich an. Doch ihr Blick war leer. ER war leer. Seine Augen waren kalt, TOD.
 

ER WAR TOD!!!!!!!
 

Ich schrie, ich schrie wie noch nie zuvor in meinem Leben. Sein Blick hielt mich gefangen, er ließ mich nicht los. Er war TOD! TOD mein Vater, TOD.
 

Immer wieder schrie ich seinen Namen. Es kam keine Antwort. Seine Augen bewegten sich nicht. Dann wurde mir schmerzlich bewusst, dass auch Mum TOD sein musste. Denn auch sie rührte sich nicht. So verdreht wie sie dort auf ihrem Sitz saß, gab es keine andere Möglichkeit. Wir hatten unsere Eltern verloren! Mein Kopf pochte und immer noch schrie Emily. Ich zitterte am ganzen Leib. Mir war kalt und meine Augen brannten. Dann hörte ich ein husten. Sofort schoss mein Kopf in Seths Richtung.
 

ER LEBTE!
 

Ich rüttelte ihn wieder und langsam hob er seinen Kopf. Die Augen fest zugekniffen.
 

„Seth“, flüsterte ich.
 

„Seth hörst du mich?“
 

„Was…. was ist passiert?“
 

Ich zog ihn in meine Arme so gut es unsere Gurte möglich machten und weinte, weinte lautstark und hemmungslos. Nun begriff auch er und wimmerte an meiner Brust. Was sollte ich machen? Wir mussten hier raus! Ich musste meine Geschwister von hier weg bringen! Im Moment war das alles an das ich denken konnte. Alles was mir in diesem Augenblick wichtig vorkam.
 

MEINE GESCHWISTER!
 

Ich drückte Seth von mir weg und sah ihm intensiv in die Augen. Stumme Tränen liefen an seinen Wangen hinunter. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
 

„Mach DICH und EMILY los“, befahl ich ihm eindringlich.
 

Er nickte wie in Trance. Tat aber was ich sagte und wandte sich von mir ab. Ich öffnete meinen Gurt und versuchte meine Tür aufzubekommen. Sie klemmte! Sie hatte sich durch den Überschlag total verzogen. Also blieb mir keine andere Möglichkeit als aus dem Fenster zu gelangen. Ich klopfte so viel der Überreste der zerbrochenen Scheibe ab und schob mich aus dem Fenster. Draußen angekommen, wehte mir kalter Nieselregen ins Gesicht.
 

„Seth“, schrie ich.
 

„Mein…Gurt“, schluchzte er.
 

Ich sah durchs Fenster und beobachtete, wie er an seinem Gurt zerrte. Ich konnte nicht klar denken. Emilys Schreie waren alles was ich noch realisierte. Stolpernd lief ich ums Auto. Es war komplett verbeult. Ich versuchte mein Gehör wieder scharf zu stellen. In der Hoffnung, ein vorbeifahrendes Auto zu hören aber nichts, da war gar nichts… nur diese Schreie.
 

Wie eine Irre, rüttelte ich an Emilys Tür. Auch diese ging nicht auf…ging einfach nicht auf. Ich konnte doch das Fenster nicht einschlagen!? Wenn die Scherben sie nun schwer verletzen würden!? Also stolperte ich wieder zurück. Ich hörte Seth laut weinen.
 

„Seth jetzt komm schon.“
 

„Bella, der Gurt geht nicht auf“, wimmerte er.
 

OH NEIN BITTE BITTE NEIN.
 

„Mach Emily los“, er nickte.
 

Dann erst roch ich es. Mein Herz setzte aus. Ich hielt den Atem an und erstarrte.
 

BENZIN!!!!
 

Es roch nach Benzin. Und dann, dann sah ich den Rauch der aus der Motorhaube stieg. Ich brauchte ein paar Sekunden bis ich mich wieder rühren konnte. Das Seth mich die ganze Zeit hysterisch anschrie, nahm ich erst jetzt wieder wahr.
 

„Es geht nicht“, schrie er.
 

„Mach sie los, mach sie los“, schrie ich ihn an.
 

„Ich bekomme sie nicht los…auch ihr Gurt geht nicht auf“, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme.
 

Es klang verzweifelt, ängstlich… VERLOREN!
 

Ohne zu überlegen, versuchte ich wieder in den Wagen zu klettern.
 

„NNNEEIINNN“, schrie Seth.
 

Auch er hatte den Qualm gesehen. Vielleicht auch gerochen. Er drückte mich mit all seiner Kraft wieder raus.
 

„Lass mich rein, ich muss euch helfen“, schrie ich ihn an.
 

„Nein Bella Lauf, lauf weg das schaffst du nicht mehr. LAUF“, schrie er zurück.
 

Ich schüttelte den Kopf und versuchte weiter ins Auto zu gelangen. Doch er hinderte mich aufs Neue. Ich musste rein, ich musste ihnen helfen. Ich konnte sie nicht im Stich lassen. Das konnte ich nicht. Ich liebte sie doch…
 

ICH LIEBTE SIE!
 

„Bitte Bella lauf weg“, schrie er wieder.
 

Er hielt mich an meinem Arm so fest, dass ich mich nicht mehr rühren konnte. Wo nahm er diese Kraft her? Ich hing mit dem halben Oberkörper im Wagen und spürte, wie sich kleine Splitter durch meinen Pulli in meinen Bauch bohrten. Es interessierte mich nicht.
 

„Hör mir zu“, sagte er eindringlich.
 

Noch nie hatte ich meinen Bruder in diesem Ton mit mir reden hören. Er klang plötzlich so, so erwachsen. Er klang entschieden. Wir sahen uns tief in die Augen. Und das erste Mal, sah ich nicht meinen kleinen nervigen Bruder. Ich sah einen kleinen Jungen, der sein Schicksal erkannte und akzeptierte. Der genau wusste, was mit ihm passieren würde. Der wusste, was mit Emily passieren würde und der wusste, dass es keine Möglichkeit gab es zu verhindern. Ich sah die Entschlossenheit in seinem Blick, alles zu tun um… MICH… seine große Schwester vor diesem Schicksal zu bewahren.
 

Er dachte in diesem Moment, in dem ihm bewusst wurde, dass er sterben würde… an MICH.
 

„Bitte Bella hör mir zu“, er flehte.
 

Ich nickte und verlor mich in seine kleinen, tapferen Augen. Alles um mich herum schaltete sich aus. Alles, bis auf Emily. Die noch immer aus voller Kraft schrie.
 

„Lauf weg“, ich schüttelte kräftig den Kopf.
 

„Bitte“, er klang verzweifelt.
 

„Ich kann nicht, ich kann euch nicht alleine lassen. Es geht nicht. Was soll ich ohne euch machen? Seth, bitte es geht nicht. Ihr seid alles was ich noch habe“, schluchzte ich und fühlte mich zum ersten Mal jünger wie er.
 

Ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben schwach und hilflos. Ich war nicht so stark wie er.
 

„Doch Bella du kannst. Lauf weg, ich flehe dich an. Tu es für mich.“
 

Wieder sahen wir uns stumm entgegen.
 

„Ich möchte, dass du jetzt läufst. Ich möchte, dass du dich rettest“, seine Stimme war so eindringlich wie ich es nie von einem 9 Jährigen erwartet hätte.
 

„Und ihr? Was ist mit euch?“
 

„Wir werden immer bei dir sein“, sagte er ruhig mit einem Lächeln auf den Lippen.
 

„NEIN“, wimmerte ich.
 

Ich bewunderte meinen Bruder. Er war so mutig und tapfer. Doch seine Aussage machte mir Angst. Es klang nach Abschied.
 

„BELLA… du wirst Leben. Für Mum, für Dad, für Emy und für mich.“
 

„Ohne euch will ich nicht LEBEN“, schrie ich ihn an.
 

„Ich liebe dich, Bella“, flüsterte er.
 

Er ging auf meinen Einwand nicht ein. Er verabschiedete sich. Aber das durfte er nicht…ich wollte davon nichts hören.
 

NEIN!
 

Ich schüttelte den Kopf. Immer wieder schüttelte ich ihn hin und her. Er drückte meine Hand und ich sah wieder auf. In seine unschuldigen Augen.
 

„Seth“, flüsterte ich.
 

„GEH“, sagte er ruhig.
 

Ich sah zu Emily. Sie zappelte in ihrem Sitz und schrie. Meine kleine Schwester! Mein kleiner Engel. Sie hatte doch noch gar nicht gelebt. Sie durfte doch nicht einfach sterben.
 

„Geh“, sagte er wieder.
 

Seine Augen brannten sich in meine.
 

„Wir werden uns wiedersehen“, flüsterte er.
 

Ununterbrochen liefen mir und ihm die Tränen aus den Augen. Und dann geschah es. Flammen drangen aus der Motorhaube. Erschrocken starrte ich durch die Windschutzscheibe und spürte wie sich mein Puls beschleunigte und mein Atem schneller ging. Auch Seth sah panisch nach vorn.
 

„LAUF“, schrie er in einer Lautstärke die ich nie für möglich gehalten hätte.
 

„NEIN“, versuchte ich es wieder.
 

„Verdammt Bella jetzt LAUF“, ich sah ihn wieder an.
 

In seinen Augen stand Panik, blanke Panik. PANIK um mich.
 

„ICH LIEBE DICH“, schluchzte ich.
 

Er zog mich zu sich ran und drückte mir einen festen und verzweifelten Kuss auf die Lippen. Dann sah ich ein letztes Mal zu Emily.
 

„Lauf“, sagte er wieder.
 

Wir sahen uns noch einmal kurz und tief in die Augen. Ich wusste, dass ich sie nie wieder sehen würde. Seine schönen, unschuldigen und hilflosen schokobraunen Augen.
 

„Wir sehen uns wieder. Ich liebe dich, Bella! Du bist die beste große Schwester die ich mir vorstellen kann. Versprich mir, dass du auf dich aufpasst, versprich mir… dass du leben wirst.“
 

Schluchzend nickte ich.
 

„Ich liebe dich. Wir sehen uns wieder“, bestätigte ich seine Aussage mit schwerem Herzen.
 

Dann ließ er meinen Arm los. Lächelte mich noch einmal warm an und sagte ein letztes Mal laut und deutlich.
 

„LAUF.“
 

Und das tat ich. Ich wandte mich schreiend von ihnen ab und lief. Ich lief so schnell wie meine Beine mich tragen konnten. Der Schrei meiner Schwester ließ mich wieder anhalten. Ich drehte mich ein letztes Mal um. Sah das verbeulte Auto, hörte meine Schwester und sah die Flammen und ich wusste, es würde die letzte Erinnerung an meine Familie sein.
 

Zittern, weinend und ohne Gedanken lief ich wieder los. Weiter immer weiter. Weg von meiner Familie, weg von denen die ich liebte und rein in ein neues Leben. Ein Leben, das ich nicht kannte und in dem ich allein sein würde. Die Schreie meiner Schwester verfolgten mich…brannten sich in mein Gedächtnis.
 

Plötzlich, gab es einen scheppernden Knall und ich wurde von einer unsichtbaren Welle zu Boden geworfen. Meine Hände krallten sich in die nasse Erde. Sekunden vergingen. Sekunden die mir wie Stunden vor kamen. Sekunden in denen ich nur eines realisierte.
 

Die Schreie meiner kleinen Schwester waren verstummt!
 

Wie in Trance und unter Schock drehte ich mich um. Was ich sah, war ein Auto das lichterloh in Flammen stand und in dem meine Familie verbrannte. Dann wurde alles schwarz und ich fiel zurück ins Gras.
 

*************
 

Puhhhh…ich wollte, dass dieses Kapitel wirklich nur ein Flashback ist.

Ich wollte keine weiteren Gedanken von Bella…keine Handlungen.

Ich wollte dieses Kapitel erst einmal wirken lassen.
 

Für all jene, die sich jetzt vielleicht denken (hätten sie nicht so viel gesprochen, hätten sie genug Zeit gehabt sich zu befreien) muss ich gleich vorweg anmerken.

Die Zeit hätte nicht ausgereicht.

Es erscheint nur so lang, weil Bella diesen Tag in Zeitluppe wahrnahm…in Trance.

Tatsächlich lagen zwischen Unfall und Explosion nur wenige Minuten.

Ihr Hirn hat jedes Detail makellos abgespeichert, wodurch es für sie wie eine Ewigkeit wirkt.
 

Ich bin sehr gespannt darauf, was ihr sagen werdet.
 

Bis bald…
 

GGGLG Alex



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