#371 Kindwurm
KINDWURM
"Hm?"
Ein lautes Knallen erschütterte den Boden, gefolgt von einem schwachen Beben. Diese beiden Phänomene wiederholten sich schon den ganzen Tag, seit ich in diesem Gebiet angekommen war, suchten Erschütterungen die Umgebung heim.
Als Pokémon-Züchter war ich auf der Suche nach seltenen Beeren gewesen, meine Pokémon halfen mir dabei. Ich beschäftigte mich hauptsächlich mit Pokémon des Typs Flug, konnte in einiger Entfernung das leise Krächzen meines Tauboga und das beschwingte Pfeifen meines Staralili vernehmen.
Nach einer Weile beschloss ich, dem Geräusch auf den Grund zu gehen. Zertrümmerte Felsen wiesen mir den Weg, kleine Krater zierten den Boden und wilde Pokémon strecken neugierig ihre Köpfe hinter den Bäumen hervor, hielten ebenfalls nach dem Störenfried Ausschau, der im Wald sein Unwesen trieb. Ich folgte weiter der zerstörten Umgebung, die wie eine Spur wirkte und es dauerte nicht lang, bis ich fündig wurde.
Mir gegenüber zeigte sich ein kleines Kindwurm, welches mit seinem Kopf unaufhörlich Felsen rammte, die mehr als doppelt so groß waren als es selbst. Die harte Schicht auf seinem Kopf verhinderte es ihm, sich ernsthaft dabei zu verletzten, jedoch sah man dem Wesen an, dass es in gewisser Weise traurig oder verletzt sein musste.
Ohne zu zögern näherte ich mich dem Pokémon und als es mich bemerkte, hielt es augenblicklich inne und sah zu mir auf.
"Hey", sagte ich mit freundlicher Stimme und beugte mich zu dem Kindwurm herunter. "Die anderen Pokémon wundern sich schon, wer hier so einen Krawall macht."
Das Kindwurm sah abwechselnd zu mir und zu dem Felsen, den es gerade bearbeitet hatte, und ließ anschließend betrübt den Kopf hängen. Doch ehe ich erneut den Mund aufmachen konnte, wollte es wieder der Tätigkeit nachgehen, seinen Kopf gegen den Felsen zu rammen. Ich versuchte es aufzuhalten und wollte es auf meinen Arm nehmen, doch zu meinem Bedauern war das kleine Pokémon viel zu schwer für mich gewesen.
Es fühlte sich allmählich gestört von meinen vergeblichen Versuchen und lenkte die nächste Attacke daher auf mich, welcher ich nur knapp ausweichen konnte. Wir standen uns nun wieder gegenüber und ich lächelte es weiterhin an, was seine unerklärliche Wut nur zu schüren schien.
"Möchtest du nicht mitkommen?", fragte ich das Pokémon und streckte meine Hand aus. Genau in diesem Augenblick kamen meine beiden Begleiter angeflogen, jeweils mit einem Strauch Beeren im Schnabel. Das Tauboga landete neben mir, legte das Fundstück behutsam auf den Boden und das Staralili kam auf meiner Schulter zum Stehen und riss mich beinahe von den Beinen.
Da trat das Kindwurm überraschenderweise ein paar Schritte nach vorne, legte seine kleine Hand in meine und willigte meinem Angebot ein.
Von dieser ersten Begegnung an verbrachten das Kindwurm und ich viele kostbare Momente zusammen. Es half mir dabei, die vielen kleinen Taubsi zu füttern, die Nester der Schwalbini zu reinigen und gewann sogar den ein oder anderen Pokémon-Kampf für mich.
Ich merkte nicht, dass das Kindwurm jeden Abend verschwand. Ich merkte nicht, dass die Beschichtung auf seinem Kopf immer mehr Risse bekam.
Und eines Tages war das Kindwurm auch tagsüber nicht mehr auffindbar. Doch es ging nicht, ohne seine übliche Spur zu hinterlassen. Kleine Kieselsteine zierten den Weg, wieder einmal folgte ich den zerbröckelten Steinen, bis ich an eine kleine Klippe kam.
Das Kindwurm stand dort am Rand, die mehrere hundert Meter tiefe Schlucht vor seinen Augen.
Es breitete die kleinen Ärmchen aus und ließ sich sanft nach vorne fallen.
"Nein!"
Meine Stimme verwandelte sich in ein lang anhaltendes Echo.
Ich rannte auf die Klippe zu.
Und dann flogen wir beide.
Pokédex-Einträge von Kindwurm:
Saphir: "KINDWURM hegt einen unerfüllten Traum. Es möchte einmal hoch über den Wolken fliegen. Um seinen Frust über seine Flugunfähigkeit zu vertreiben, rammt es seinen harten Kopf gegen riesige Felsen und macht Kiesel aus ihnen."
Diamant/Perl/Platin: " Es träumt davon, eines Tages fliegen zu können und springt daher jeden Tag von hohen Klippen."