#575 Hypnomorba
HYPNOMORBA
"… der Trainer besiegte das böse Hypnomorba und alle Kinder kehrten glücklich zu ihren Familien zurück. Das Hypnomorba wurde nie wieder gesehen und das Dorf lebte dank dem starken Trainer für immer in Frieden. Ende", las die Mutter und klappte darauf das Buch zu.
"Oh, schon zu Ende? Ich will noch nicht schlafen, lies bitte noch eine Geschichte vor!" Das Mädchen, gerade alt genug geworden, um in die Schule zu gehen, quengelte lauthals und schmollte schließlich. Die Mutter lachte leise und zog die Decke bis hoch ans Kinn ihrer Tochter.
"Du musst jetzt schnell einschlafen, du willst doch nicht, dass das Hypnomorba dich holt, oder?", flüsterte die Mutter ihrem Kind zu und drückte dem Mädchen einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange. "Gute Nacht."
"Gute Nacht", antwortete das Mädchen, immer noch leicht beleidigt, und schloss die Augen als die Mutter hinter der Zimmertür verschwand und es dunkel im Raum wurde. Das Kind verfiel sogleich in einen tiefen Schlaf, träumte von Pokémon und heldenhaften Trainern, von spannenden Kämpfen und gefährlichen Abenteuern.
Doch das Mädchen träumte auch von einem ganz bestimmten Pokémon, dem Hypnomorba aus der Geschichte, welches Kinder entführt und sie nie wieder zurück bringt.
Klack…klack…klack…
Das Mädchen horchte auf, ein Geräusch hallte in ihren Ohren wieder.
Klack… klack… klack…
Das Geräusch ging vom Fenster aus, das Mädchen richtete sich auf und zog die Vorhänge beiseite. Es war eine mondlose Nacht, doch unzählige Sterne erleuchteten den Himmel, zeigten sich in ihren Sternbildern. Ein kleiner Stein schlug gegen die Scheibe und verursachte ein weiteres Geräusch, das Mädchen schrak auf und wich ein paar Schritte zurück.
Im Dunkel der Bäume erblickte das Mädchen eine schattenhafte Gestalt und ohne auch nur einen weiteren Moment zu verschwenden, trat das Kind wieder an das Fenster heran und öffnete es vorsichtig, kletterte heimlich hinaus. Die nackten Füße berührten das kalte Gras und ein Schauer jagte dem Kind über den Rücken, die Augen immer noch auf die mysteriöse Figur in den Schatten gerichtet. Das Mädchen lief auf die Gestalt zu, folgte ihr in die Dunkelheit der Nacht.
Das Hypnomorba stieß ein leises Lachen aus, als es das Kind in seinem Besitz wusste. Die beiden streiften durch die menschenleeren Straßen und das Hypnomorba ließ stetig kleine Steine durch die Luft fliegen, warf sie mit geringer Kraft gegen Fensterscheiben und rief noch mehr unschuldige Kinder zu sich. Schon bald bildete sich eine lange Schlange hinter dem Hypnomorba, die Kinder folgten dem Wesen still und mit leisen Schritten, egal wo ihr Anführer sie auch hinbringen mochte.
Die Gruppe erreichte einen Wald, dessen Dunkelheit alles in sich hinein zu ziehen vermochte. Einer nach dem anderen verschwanden die Kinder zwischen den Bäumen bis nur noch das Mädchen übrig war und in die bedrückende Leere des Waldes starrte. Das Hypnomorba drehte sich um und zwinkerte dem Kind zu, streckte seine Hand aus.
"Auf… wachen…"
Das Mädchen bewegte die Beine, tat einen Schritt nach dem anderen.
"Aufwachen."
Es streckte die Hand aus und griff nach der des Hypnomorba.
"Aufwachen, mein Schatz, du musst in die Schule", drang die sanfte Stimme der Mutter in das Zimmer.
Das Mädchen schlug die Augen auf und sah sich um, die Mutter betrat gerade das Zimmer und lächelte ihr Kind an, welches noch immer eingerollt in der warmen Bettdecke auf dem Bett lag.
"Wieso hast du denn das Fenster geöffnet?", fragte sie das Mädchen neugierig, "Und wenn du jetzt nicht aufstehst, gibt es keine Geschichten mehr."
Pokédex-Einträge von Hypnomorba:
Schwarz: "Es manipuliert Pokémon und Menschen mit Hypnosetricks. In Märchen tritt es oft als Entführer auf."
Weiß: "Zieht seine Energie aus dem Sternenlicht. Bei Nacht bringt es Steine zum Schweben und bildet damit Sternzeichen nach."
Schwarz/Weiß 2: "Erzählungen zufolge machen sie sich einen Spaß daraus, in sternklaren Nächten von schlafenden Kindern Besitz zu ergreifen."
