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Rock'n'Roll Sexappeal

von

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Rock'n'Roll Sexappeal

Sonnenstrahlen brechen allmählich durch die dicken Vorhänge in meinem Schlafzimmer, welche die ungebetenen Gäste eigentlich abhalten sollten, und scheinen mir so erbarmungslos ins Gesicht, sodass ich schließlich verschlafen die Augen zusammen kneife. Och man, es war doch Wochenende! Und sicher auch noch ganz früh. Grummelnd drehe ich mich also einmal um 180° und kehre diesem Bösewicht den Rücken. In der Hoffnung noch etwas schlafen zu können, verkrieche ich mich also noch einmal unter die Decke und kuschel mich an den warmen Körper neben mir.
 

Moment, warmer Körper?

Erschrocken reiße ich meine Augen auf, was mir ein leises Fluchen entlockt, weil meine Pupillen sich nicht sofort an die Helligkeit gewöhnen können. Fast blind kämpfe ich mich kurze Zeit später also unter der Decke hervor und richte mich auf, um mir die Augen zu reiben. Von dem Schock muss ich mich erst einmal erholen!

Langsam gewöhnen sich auch meine Augen an die Sonne, sodass ich meine Zimmereinrichtung wieder klar erkennen kann. Ziemlich unordentlich sieht es hier drinnen aus, überall sind Kleidungsstücke verstreut. Eine meiner Socken liegt auf der Lampe an meinem Nachttisch. Und wem gehören die Shorts an dem Flügel des Ventilators?

Womit wir wieder beim Thema wären. Böse Vorahnungen machen sich in mir breit. Wen hatte ich denn dieses Mal abgeschleppt? Wieder irgendeine Tussi, die ich in meinem halb betrunkenen Zustand angequatscht hatte? Mein Blick wandert neben mich. Doch alles, was ich erspähen kann ist nur ein brauner Haarschopf, der unter der Decke hervor lugt. Na supi. Hauptgewinn!

Nach ein paar kläglichen Versuchen, die Bettdecke soweit anzuheben, dass ich das Gesicht erkennen kann, gebe ich auf und schiebe mich aus dem Bett. Während ich hinüber in meine Küche husche und mir unterwegs den Bademantel überwerfe, spüre ich bei jedem Schritt einen heftigen Schmerz, der mir über die Wirbelsäule bis in alle Glieder fährt. Ein Schmerz, der mir nur allzu bekannt ist.

Nervös tippel ich mit meinen Fingern auf der Küchenablage herum, während ich mir angestrengt das Hirn zermarter, wer denn da jetzt eigentlich in meinem Bett liegt.

Nervös werfe ich einen Blick auf die Uhr. Scheiße, wollte ich mich nicht schon in knapp drei Stunden mit meiner Freundin treffen? Ja, ihr habt richtig gehört: Ich habe eine Freundin. Und die liegt gerade definitiv NICHT in meinem Bett! Fazit: Ich habe ein riesen großes Problem. Und wahrscheinlich bald auch keine Eier mehr in der Hose, wenn meine Freundin das herausbekommt. Ich kaue mir auf der Unterlippe herum und lasse den letzten Abend einmal Revue passieren. Oder zumindest das, an was ich mich noch erinnern kann.

Wir waren mal wieder allesamt losgezogen, um einen trinken zu gehen. Und wie immer habe ich mir ein Wetttrinken mit ihnen geliefert. Nach meinem Schädel zu schließen habe ich allerdings nicht gewonnen.

Wir haben Späße getrieben, wie immer.

Haben getanzt wie immer.

Waren nach Hause gegangen wie immer. Aber irgendwas musste anders gewesen sein, sonst wäre ich doch jetzt allein!

Ach, alles Grübeln hilft nichts, also ergreife ich die letzte Chance, die ich noch sehe; nämlich das Telefon. Direkt klingel ich meinen besten Freund Toshiya aus den Federn.

„Ja?“, ertönt es verschlafen am anderen Ende der Leitung.

„Ich habe ein großes Problem!“

„Morgen, Die! Und jetzt komm erst mal runter, was ist denn dein Problem?“

Nun fahre ich mit leiser Stimme, aber nicht minder hysterischer Miene fort: „Da liegt wer in meinem Bett und ich habe keine Ahnung wer das ist!“

„Und was soll ich da machen?“

…Stimmt, was soll er denn daran ändern? Trotzdem! Ich bin in einer Notsituation und er mein bester Freund…wozu hab ich ihn denn dann? „Na und?? Vielleicht weißt du ja noch was!“

„okay, Moment… welche Haarfarbe hat sie denn?“

„braun.“

„Hm… also Aiko kann es schon mal nicht sein… außerdem – wie wäre es denn mit deiner Freundin??“

„Das ist ja das Problem! Die ist es nicht! Was mache ich denn jetzt??“

„Erst mal beruhigen!“

„Beruhigen?? Mehr fällt dir nicht ein?“

Gelächter. „Und du kannst dich an nichts erinnern?“

„Nicht an die Dinge, die ich mit ihr anschließend gemacht habe.“

„Hm…schon mal nachgesehen?“

„Kann ihr Gesicht wegen der Decke nicht sehen.“

„Am Ende ist er ‚ne Sie?“

„Hä?“

„Ein Kerl!“

„Ich hatte aber schon ewig keinen Kerl mehr!“

„Ja, na und? Das heißt doch nichts, vielleicht hattest du jetzt ja wieder Lust auf einen?“ Wieder gluckst er.

„Halts Maul, Hara!“

„Ja Ja schon gut, war echt nicht nett. Also gehen wir mal die Kerle durch: Kyo kann es nicht sein, Shinya dann auch nicht und ich folglich auch nicht. Tatsu denke ich… keine Ahnung – jetzt guck halt mal ganz leise nach!“

„Hm…“ Vielleicht hat er Recht und ich sollte lieber mal nachsehen, ohne hier die ganze Zeit fach zu simplen, wen ich denn letzte Nacht nun beglückt habe. Auf nackten Füßen flitze ich also ins Schlafzimmer zurück, wo sich der Körper langsam zu regen beginnt. So leise wie nur möglich und angespannt wie sonst was, hebe ich die Decke an und luge hinunter. Ich verschlucke mich beinahe, als ich erkenne, WER da liegt.

„Toshi..“, wimmere ich in den Hörer.

„Was? Die, wer ist es denn jetzt?“

Ich fahre ordentlich zusammen, als die Person sich auf die Seite dreht und sich beginnt zu strecken. Der wacht auf! Völlig panisch renne ich aus dem Zimmer, allerdings nicht ohne mir dabei den Zeh an der Tür zu stoßen. Fluchend und voller Panik presse ich mich an die Flurwand.

„Die? Wer ist es denn jetzt?“

Antworten kann ich leider nicht, denn ich bin viel zu abgelenkt von der Stimme, die aus dem Schlafzimmer dringt.

„Die? Wo bleibt denn mein 4 Gänge Frühstück?“

Aufgeregt zitternd lasse ich den Hörer sinken und lege auf. Toshiya kann jetzt erst mal warten, ich hab anderes zu tun.

Und so trete ich langsam in den Türrahmen und gucke auf das Bett, in dem sich ein muskulöser, tätowierter Körper räkelt. Kaoru. Oh Fuck.
 

„Was machst du denn hier?“, fahre ich ihn auch schon in hysterischem Tonfall an, seine Frage ignorierend.

Kaoru kratzt sich nur genüsslich die Brust und streicht sich anschließend das zerzauste Haar glatt. Dann lässt er sich mal zu einer Antwort herab: „Ich liege hier.“

„Das sehe ich auch, aber warum?“ Gott, manchmal könnte ich diesen Kerl für seine ruhige Art schlagen! Das macht er doch nur, um mich jetzt zu ärgern, obwohl er doch genau weiß, wie ernst diese Situation hier ist.

Langsam breitet sich ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Filmriss?“, fragt er und schiebt die Decke zur Seite, sodass ich seinen Adonis Körper perfekt sehen kann. Angestrengt versuche ich ihn nicht zu mustern, während ich merke, wie meine Panik allmählich verfliegt. „Gut kombiniert, Dr. Watson.“, gebe ich nur trocken zurück und setze mich auf die Bettkante.

„Und was machen wir jetzt?“, frage ich seufzend und lasse die Schultern hängen, greife schließlich wieder nach der Decke, um sie ihm wenigstens über den Schoß zu legen. Muss ja nicht sein. Doch Kaoru scheint das Ganze gar nicht zu stören, denn der rutscht nun direkt neben mich und streicht mir mit der Hand über den Rücken, was mich gehörig zusammenfahren lässt.

„Ich wäre für Frühstück und eine zweite Runde unter der Dusche.“

„Spinnst du?!“, fahre ich ihn an und rutsche gleich ein paar Meter von ihm weg. Sicherheitsabstand! Dumm nur, dass mein Blick dabei gleich wieder auf seinen Junior fällt. Mit einem angewiderten Geräusch lege ich meine Hand vor Augen und taste nach der Bettdecke, die ich ihm erneut über den Schritt werfe.

„Komm, pack das weg. Ist ja widerlich.“ Es ist kindisch, ich weiß; nur leider weiß ich mir in dieser Ausnahmesituation gerade nicht besser zu helfen, als auf Abwehr zu gehen. Auch, wenn ich dabei wie eine Tussi wirke.

„Wieso denn nicht? Wir haben doch noch ein bisschen Zeit, bevor wir uns treffen.“

Ja, ihr habt richtig gehört: bis WIR uns treffen. Vor ein paar Tagen kamen meine Freundin und die von Kaoru nämlich auf die lächerliche Idee, zusammen Mittag zu essen. Aiko und ich als Paar; und Megumi und Kaoru als Paar. Und wir Beide haben nichts Besseres zu tun, als einen Tag vorher zusammen in die Kiste zu springen. Ha ha. Nicht witzig? Ich weiß. Wäre ich nicht so dumm drauf gewesen, hätte ich tatsächlich gelacht. Stattdessen entfährt mir nur ein verächtliches Grunzen und ein: „Fick dich, Niikura.“

„Das ist doch etwas ganz Natürliches.“

„Nicht, wenn wir heute ein Pärchen-Date haben, man! Hast du denn gar kein schlechtes Gewissen?“

„Wenn es das erste Mal wäre, dann schon. Aber das ist doch jetzt schon so oft vorgekommen… irgendwann gewöhnt man sich ja bekanntlich an alles.“

Ich glaube, mich knutscht ein Elch. Fassungslos starre ich ihn an, beginne dann wild mit den Händen zu gestikulieren, weil ich nicht weiter weiß. „Ja, na und? Kannst du nicht mal deine dreckigen Pfoten von mir lassen?!“, fauche ich und rutschte gleich noch ein Stück weiter weg, als Kaoru weitere Anstalten macht, sich mir anzunähern. Bei dem Kerl weiß man ja nie!

„Oh, jetzt bin ich Schuld? Wer hat denn gestern darum gebettelt, von mir genommen zu werden?“

„Ich…ich…“ Verdammt, der kriegt mich aber auch immer wieder! „Jetzt lenk mal nicht vom Thema ab!“

Wütend stehe ich auf und ziehe den Bademantel demonstrativ enger um meinen Körper, als ich den lüsternen Blick des Dunkelhaarigen auf mir spüre. Der scheint in dem Moment so spitz zu sein, dass man kein anständiges Wort mit ihm wechseln kann. Seufzend fahre ich mir durch die Haare.

„Jetzt schieb nicht so einen Stress. Wir vergessen das Ganze einfach, ok? Wir reden nicht darüber, so wie immer.“

„Sonst waren wir aber auch in keiner Beziehung.“, erwidere ich und überlege angestrengt, wie ich die Situation unter Kontrolle bekommen könnte. Doch leider fällt mir keine rettende Idee ein.

„Das ist jetzt eben etwas dumm gelaufen, mein Gott. Ist jetzt auch nicht der Weltuntergang.“

Wie kann der eigentlich so ruhig dabei sein? Er hat gerade seine Freundin betrogen und er tut das so ab, als wäre das Brot, was er eigentlich haben wollte, eben ausverkauft. Ich kriege hier noch die Krise! Mein Hirn tut sowieso noch von den Eskapaden von gestern weh, da ist das Denken nicht gerade von Vorteil.

Ich schenke Kaoru noch einen letzten vernichtenden Blick, dann wende ich mich mit einem „Ich geh duschen.“ Ab und stolziere hoch erhobenen Hauptes ins Badezimmer.
 

Warum habe ich zum wiederholten Male mit ihm geschlafen? frage ich mich, während ich so unter dem heißen Wasserstrahl stehe und mir die nassen Haare aus der Stirn streiche. Es ist nicht das erste Mal, dass wir Beide in der Kiste gelandet sind, allerdings das erste Mal, dass wir unsere Freundinnen miteinander betrügen. Früher haben wir uns keine Gedanken über unser Handeln gemacht. Wir waren scharf aufeinander und nutzten jede freie Minute dafür, um dies dem Anderen zu zeigen. Manchmal ganze Nächte lang und dann wieder recht kurz auf der Toilette irgendeines Clubs. Sex mit Kaoru ist einfach anders, als mit Frauen. Besser.

Doch jetzt ist es etwas ganz anderes: Ich habe seine Freundin mit ihm betrogen und das aller schlimmste ist leider, dass mein Reuegefühl eigentlich hätte viel größer sein sollen. Ich müsste mich jetzt selbst dafür hassen, Angst vor dem Treffen haben, oder mich zumindest fragen, warum ich mittlerweile auf Sex mit Kaoru nicht mehr verzichten kann. Aber mein Hirn ist wie leer gefegt, da ist nichts der Gleichen.

Gerade als ich begonnen habe, mich einzuseifen, wird die Kabinentür geöffnet und kurze Zeit später schmiegt sich ein warmer Körper an meinen Rücken und lässt seine Hände über meinen Bauch wandern. Freche Zähne bearbeiteten meinen Nacken, um die geschundene Haut anschließend entschuldigend mit den Lippen zu verwöhnen. Unvermeidlich seufze ich und schließe die Augen. Kaoru hat in gewisser Hinsicht Recht: Man gewöhnt sich an alles. Und wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich hier nicht Panik schiebend durch die Wohnung renne. Ich habe mich daran gewöhnt, dass es Kaoru ist. Ach man..

„Wieder beruhigt?“, fragt eine leise Stimme an mein Ohr und so seufze ich wieder. Dieses Mal allerdings aus Frust.

„Weiß nicht…“, antworte ich nur und drehe mich schließlich zu ihm um.

Kaoru mustert mich ausgiebig, während seine Hände nun meinen Körper erkunden und langsam ihren Weg zwischen meine Beine finden.

Ach was solls, denke ich mir, ich habe sie sowieso bereits betrogen, da macht dieses eine Mal jetzt auch nichts mehr aus.‘ Aber dieses Mal drehe ich den Spieß um, als ich Kaoru zielsicher gegen die Wand drücke und ihn in einen leidenschaftlichen Kuss verwickle, schließlich will ich nicht zum Treffpunkt humpeln müssen.
 

Hatte ich vorhin gesagt, dass ich keinerlei Reue empfinde? Tja, dafür empfinde ich jetzt, wo ich mir vor dem vereinbarten Treffpunkt schon seit zehn Minuten die Beine in den Bauch stehe, umso mehr. In mir verkrampft sich alles, wenn ich nur daran denke, gleich auf meine Freundin und Kaoru zu treffen. Hoffentlich hält der sich an sein Versprechen und verhält sich ganz normal. Das hasse ich so an ihm: Er ist so wahnsinnig unberechenbar.

Nachdem wir heute Morgen fertig ‚geduscht‘ hatten, haben wir uns getrennt um nicht zur gleichen Zeit am Treffpunkt aufzukreuzen. Es wäre so unauffälliger. Ha ha. Wenn ich so darüber nachdenke, mache ich mir da gerade fast schon mehr Sorgen darüber, wie ich mich verhalten würde, als über Kaoru. Der hat sich eigentlich immer im Griff, vor allem in Anwesenheit meiner Freundin kann er sich gut benehmen. Da lässt er manchmal sogar richtig den Gentleman heraushängen. Jedenfalls bin ich mir in diesem Moment gar nicht mehr so sicher, ob ich mich normal verhalten kann. Ich habe noch nie Jemanden betrogen, aber in den Soaps tun sich die Schauspieler auch ohne die Anwesenheit ihrer Affäre schon schwer, sich normal zu verhalten. Typische Anzeichen: hektische Bewegungen, Ausbruch von Angstschweiß, nervöses Stottern und die ständige Angst davor, erwischt zu werden. Hoffentlich bekomme ich die Situation unter Kontrolle!

„Hey, mein Schatz!“, ertönt hinter mir plötzlich die Stimme meiner Freundin, was mich heftig zusammenfahren lässt. Erschrocken drehe ich mich zu ihr um und atme erleichtert aus, als ich sie sehe.

„Man hast du mich erschreckt! Kaoru und Megumi sind noch nicht da.“, erwidere ich und gebe ihr zur Begrüßung einen kleinen Kuss, der sich für mich jedoch wahnsinnig falsch anfühlt.

„Ach so? Na ja, die kommen sicher gleich. Wollen wir schon mal reingehen?“ Weil ich keine Lust mehr habe hier weiter herumzustehen und weil mir langsam kühl wird, stimme ich zu und so betreten wir das kleine Restaurant und begeben uns zu dem reservierten Tisch. Es dauert auch nicht lange, da betreten Megumi und Kaoru das Restaurant und steuern auch sogleich auf uns zu.

Ich spüre, wie sich ein unangenehmes Kribbeln in mir breit macht, ich nervös schlucken muss und mein Blick starr auf Kaoru gerichtet ist, der allerdings gut gelaunt zu sein scheint und Aiko zur Begrüßung kurz umarmt. Auch ich begrüße seine Freundin und komme leider nicht umhin mich auch von ihm umarmen zu lassen.

„Hallo Die. Lange nicht gesehen, mein Freund! Warte, wann war das letzte Mal? Ach ja, erst gestern!“

Ungläubig sehe ich ihn an. Was soll der Scheiß denn jetzt? Stumm versuche ich ihm einen mahnenden Blick zuzuschicken, den Kaoru allerdings nur mit einem Grinsen abtut. Megumi und Aiko scheinen diese seltsame Bemerkung allerdings gar nicht bemerkt zu haben, denn die sind schon in einem Gespräch vertieft.

Ich fühle mich sichtlich unwohl in meiner Haut, werfe Kaoru ständig nervöse Blicke zu. Meinetwegen würde ich mir jetzt auch stundenlang das neue Album von Justin Timberlake (meine Freundin liebt seine Musik) anhören, als hier zu sitzen. Ich fühle mich, als würde ich jeden Moment zum Henker geführt werden. Um nicht mit ihm reden zu müssen, ziehe ich die Karte an mich heran und beginne die Speisen zu überfliegen. Nachdem ich meine Wahl getroffen habe, lege ich sie wieder beiseite und greife unter dem Tisch nach Aikos Hand, welche mich daraufhin sanft anlächelt. Man sollte mich erschlagen, ich elender Heuchler! Ich versuche das Lächeln so gut wie es geht zu erwidern, was jedoch doch etwas verkrampfter wirkt als vorgesehen.

„Erzähl, Kaoru. Wie läuft es denn bei Dir so?“, wendet sich Aiko nun an ihn während ihr Daumen beginnt über meinen Handrücken zu streicheln. Angespannt sitze ich da, kann diese heimliche Aufmerksamkeit gar nicht richtig genießen, während ich auf die Antwort meines Freundes warte.

Kaoru beginnt über das übliche Bla bla zu reden, berichtet von der Arbeit, die Familie und Megumi. Obwohl die Themen ziemlich subtil sind, sauge ich doch jedes Wort in mich auf, um es auf irgendwelche Andeutungen zu analysieren. Doch soweit hält Kaoru den Rand, bis das Gespräch auf letzten Abend kommt.

Aiko will schließlich von mir wissen, was ich denn gestern Abend so gemacht habe, weil ich mich gar nicht mehr gemeldet habe.

Beinahe hätte ich mich verschluckt. Nervös beginne ich zu lachen, richte mich in meinem Stuhl gerader auf, sodass ich mit meinem Knie unsanft gegen das Tischbein stoße. Meine Hände werden schwitzig.

„Ich?? Oh ich… äh, ich weiß gar nicht mehr so genau!“

Ich bin ja so auffällig unauffällig.

Ich kann förmlich spüren, wie Kaorus belustigter Blick auf mir ruht. Schließlich schaltet er sich ein: „Wir sind gestern ein bisschen um die Häuser gezogen. Und da hat der Gute mal wieder ein bisschen viel getrunken. Kann sich wohl nicht mehr so ganz daran erinnern, was er gestern ..getrieben hat.“ Dabei guckt er bedeutungsschwanger zu mir herüber. Ich spüre, wie mein rechter Mundwinkel beginnt zu zucken. Ich weiß nicht direkt, ob ich grinsen, oder böse gucken soll. Natürlich habe ich diese zweideutige Bemerkung verstanden. Nicht verstanden jedoch habe ich, warum er mich hier die ganze Zeit provoziert. Aber um nicht aufzufallen, nicke ich schließlich, festige mein aus Stein gemeißeltes Grinsen und wende mich wieder an Aiko.

„Jaaa… genau. Ich hab mal wieder ein bisschen zu tief ins Glas geguckt. Ha ha, kennst mich doch.“ Nervös lache ich und kratze mir den Hinterkopf.

Meine Freundin sieht mich etwas skeptisch an, belässt es aber dabei und nickt leicht. Dann sieht sie wieder zu Kaoru. „Und du hast ihn dann mal wieder heimgebracht?“, fragt sie belustigt.

Megumi, der nun ein bisschen langweilig zu werden scheint, sieht schließlich zu mir und versucht mich in ein Gespräch zu verwickeln. Dafür habe ich jetzt aber keine Zeit, ich muss aufpassen, was Kaoru da von sich gibt! Auf die Frage hin, wie es denn mit meiner Arbeit steht, schüttele ich also nur den Kopf und sitze angespannt in meinem Stuhl. Schließlich antwortet Kaoru.

„Ja, aber das mache ich doch gerne. Ich kann ihn ja schlecht einfach da sitzen lassen. Außerdem entschädigt er mich ja jedes Mal dafür.“ Augen zwinkernd sieht er Aiko an. So. Jetzt reicht es aber, das halten meine Nerven nicht aus!

Und so schnellt mein Bein nach vorn, um ihm einen gehörigen Tritt ins Schienbein zu verpassen. Leider erwische ich dabei jedoch nicht ihn, sondern Megumi, die vor Schmerz aufschreit und –in der Annahme, diesen Tritt von Aiko bekommen zu haben- ärgerlich zu meiner Freundin guckt, während sie sich das malträtierte Schienbein reibt. Obwohl es mir natürlich sehr Leid tut, nutze ich den Moment, in dem keiner guckt und werfe Kaoru einen fragenden und auch wütenden Blick zu. Was sollte der Scheiß denn bitte? Ich sitze hier sowieso auf glühenden Kohlen und kann das Ende des Essens gar nicht abwarten. Kaoru grinst nur zurück. Wie ich ihm gerade am liebsten den Kerzenständer in die Fresse gestopft hätte.

Leicht zitternd nehme ich schließlich meinen Teller Nudeln entgegen und ergreife die Stäbchen. Gott sei Dank ist keine der beiden Frauen auf diesen seltsamen Kommentar eingegangen. Die zwei scheinen gerade sowieso etwas pissig aufeinander zu sein. Wahrscheinlich weil Megumi glaubt, Aiko habe sie getreten und weil Aiko sich keiner Schuld bewusst ist. Dumm gelaufen, denke ich da nur. Ich habe gerade sowieso meine eigenen Probleme. Am liebsten will ich diesen Nachmittag einfach so schnell, wie es nur geht, hinter mich bringen und so beginne ich den kleinen Berg an Nudeln in mich hinein zuschaufeln. Erst nach einer ganzen Weile bemerke ich die komischen Blicke der Anderen, welche ihre Speisen lieber genießen, anstelle sie in sich zu schaufeln, als gäbe es morgen nichts mehr davon.

Räuspernd werde ich also langsamer und lausche den Gesprächen zwischen Aiko und Kaoru, die jetzt –Gott sei Dank- ein ungefährliches Thema angeschnitten haben: Politik. Da können sie ruhig drüber reden, habe ich nichts dagegen. Megumi versucht noch ein paar Mal verzweifelt, ein Gespräch mit mir zu beginnen, was jedoch misslingt. Da habe ich gerade echt keine Lust drauf.

Die letzten paar Nudeln finden ihren Weg in meinen Mund und bleiben mir direkt in der Speiseröhre stecken, als Aiko plötzlich über die Affäre eines Politikers beginnt zu sprechen. Was zum..

„Unglaublich, findest du nicht?“, mokiert sie sich bei Kaoru und gestikuliert mit den Händen.

„Da vögelt der über drei Jahre irgendeine zwanzigjährige und zu Hause sitzt seine Frau mit ihren Kindern und hat keine Ahnung!“ Gegen diese Neuigkeit komme ich mit meinem Hustenanfall natürlich nicht an, weshalb ich auch nur einen kurzen Seitenblick von meiner Freundin bekomme. Langsam beruhige ich mich auch wieder. Die Nudel hat jetzt den Weg in meinen Magen gefunden und so kann ich innerlich wieder ganz in Ruhe in Panik ausbrechen, als ich die Antwort meines Kumpels vernehme: „Na ja, wenn er nicht mehr glücklich war? Er wollte ihr eben ein schönes Leben ermöglichen und hat dabei eben auch seine eigenen Bedürfnisse gestillt, welche sie nicht erfüllen konnte. So etwas gibt es nicht nur in der Politik.“

Moment, hat der mich gerade wirklich flüchtig angesehen? Mir bleibt fast der Atem stehen, als Aiko nun mich ansieht und scheinbar von mir ebenfalls eine Antwort erwartet.

Wieder räuspere ich mich, lege die Stäbchen beiseite und überlege. „Nein, ich finde das auch unverzeihlich.“, stimme ich dann schließlich meiner Freundin zu, unter deren Blick ich ganz klein werde. In einer Beziehung hat man sich eben gegenseitig Recht zu geben. So ist das nun mal.

Aiko nickt zufrieden. „Es gibt also doch noch treue Männer auf der Welt.“

Was macht sie mir das jetzt so schwer? Bei diesen Worten schrumpfe ich immer weiter, bis ich immer noch mit einem riesen großen Zylinder auf dem Kopf, aufrecht unter dem Teppich spazieren gehen könnte. Ich fühle mich richtig schlecht. Und noch viel schlechter, als Kaoru ein verächtliches: „Nein, er doch nicht!“, in den Raum wirft. Okay, jetzt reißt mir aber definitiv der Geduldsfaden! Der legt es ja quasi darauf an, dass es Aiko, die mich nun auch schon fragend ansieht, herausfindet.

Mit der Serviette tupfe ich mir den Mund ab, ehe ich mich erhebe. „Ich werde mal kurz zur Toilette gehen.“ Dann sehe ich zu Kaoru. „Du auch!“, füge ich in ziemlich barschem Ton hinzu. Nun ist es Kaoru, der etwas verblüfft guckt, dann aber ebenfalls aufsteht. „Oh ja, richtig. Also, ihr entschuldigt uns kurz?“
 

„Sag mal, hat man dir eigentlich ins Gehirn geschissen?“, fahre ich den Dunkelhaarigen auch sogleich an, als wir vor den Waschbecken in den Toiletten stehen.

Ganz gechillt sieht mich Kaoru an und verschränkt die Arme vor der Brust, während er sich gegen die Waschbeckenvorrichtung lehnt. „Jetzt komm mal wieder runter; weiß gar nicht, was du hast.“, erwidert er nur und lässt den Blick schweifen.

Diese Ruhe macht mich aber nur noch rasender. „Was laberst du da eigentlich die ganze Zeit für eine gequirlte Scheiße?! Ich dachte wir vergessen das Ganze und tun so, als hätte es nie existiert.“

Plötzlich hebt Kaoru den Kopf und sieht mich eindringlich an. „Ich sag es dir nicht gerne, aber deine Freundin ist eine Schlampe.“

„Bitte was?“ Irritiert sehe ich ihn an, weiß nicht worauf er hinaus will. „Wie kommst du denn darauf?“

„Sagen wir mal so, ich habe da so meine Quellen.“

Völlig verwirrt stehe ich da und verstehe auf einmal gar nichts mehr. Wie kam denn mein bester Freund auf so eine Idee? Hatte er etwas gesehen und rückte jetzt nur nicht mit der Sprache raus? Wie vor den Kopf gestoßen fühle ich mich und das sieht man mir wohl auch an, denn plötzlich spüre ich zwei Hände auf meinen Schultern und kann Kaorus Gesicht nicht weit von dem meinen fokussieren.

„Hat sie Jemand anderes?“, will ich wissen, doch mein Gegenüber schüttelt nur den Kopf.

„Tut mir Leid, Die, aber ich werde dir nichts weiter sagen. Vertrau mir einfach, sie ist es nicht wert.“

Verstehen tu ich immer noch nicht ganz. „Du liebst sie noch nicht einmal mehr.“

„Bitte was? Das ist doch total absurd!“, wehre ich sofort ab, kann aber nicht verhindern, dass sich meine Gedankenwelt mit einem Male beinahe auf den Kopf stellt. Wie lange bin ich jetzt eigentlich schon mit Aiko zusammen? Wenn ich mich nicht verrechne, dann müssten es jetzt knapp vier Monate sein. Eine ganz schön lange Zeit, dafür, dass ich sonst eigentlich mehr so der Verfechter meiner Freiheit bin. Wir haben uns schon oft gestritten, aber wieder zusammen gerauft. Oft habe ich mich bei Kaoru über sie aufgeregt, habe mich gefragt, was mich eigentlich noch bei ihr hält, aber keine Antwort darauf gefunden. Ich muss an die letzten Wochen unserer Beziehung denken. Ich war nicht mehr so häufig bei ihr, wie noch zu Anfang. Wir unternahmen zwar immer noch viel miteinander, jedoch war der Reiz irgendwie weg. Und der Sex war auch ziemlich langweilig geworden. Anders, als der Sex mit Kaoru. Wir haben mittlerweile schon so oft miteinander geschlafen, langweilig ist es jedoch nie geworden. Unweigerlich muss ich mich fragen, ob ich Aiko überhaupt noch liebe. Auch, wenn ich es mir nicht eingestehen will, so muss ich zugeben, dass da wirklich nicht mehr viel ist. Ich mag sie immer noch, aber nicht mehr auf die Art und Weise, wie noch zu Anfang.

Kaoru scheint das alles wohl irgendwie bemerkt zu haben, denn nun nimmt er mein Gesicht in seine Hände und gibt mir einen kurzen, aber sehr sanften Kuss. So einen Kuss habe ich noch nie von ihm bekommen. „Glaub mir, es ist besser so.“, sagt er leise und streichelt meine Wange. In diesem Moment wird mir ganz warm ums Herz und so lächele ich zaghaft. „Überlass das mir.“, sagt er und lässt wieder von mir ab. Ehe ich mich versehe, ist er auch schon wieder durch die Tür verschwunden. Einen Moment lang stehe ich noch so da und lächele debil vor mich hin, bis die Erkenntnis endlich einschlägt. Überlass das mir. Was denn überlassen? Allmählich wird diese Erkenntnis auch in meinem Gesicht sichtbar.

Mit einer panischen Grimasse stürze ich also aus dem Bad und hechte hinüber zu unserem Tisch, wo Megumi und Aiko Kaoru entgeistert anstarren. Dieser grinst nur breit und sieht dann zu mir. Ich, der keine Ahnung von nichts hat, blicke in die Gesichter der beiden Frauen und setze ein dummes Grinsen auf.

„Äh… können wir dann gehen?“, frage ich in den Raum, um die peinliche Stille zu durchbrechen. Darauf scheinen die Frauen nur gewartet zu haben, denn die stehen mit einem Male auf und reißen ihre Taschen vom Stuhl.

„So Jemanden, wie dich, möchte ich nie wieder in meinem Leben kennen lernen! Das ist ja ekelhaft!“, ruft Megumi und gibt Kaoru eine saftige Ohrfeige. Das tut ja schon beim Hinhören weh. Ärgerlich zieht sie von Dannen. Aber damit nicht genug, denn ich habe ja auch noch eine Frau, die nicht minder wütend aussieht wie Kaoruss Freundin. Mittlerweile wohl Exfreundin.

„Dass du mich so demütigst. Es ist aus, zwischen uns! Mögt ihr Beide doch in der Hölle schmoren!“ Ich verstehe natürlich nur Bahnhof und blicke erst fragend und dann mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht drein, als sie auch mir eine gellende Backpfeife verpasst. Das ist das Letzte, was ich von Aiko jemals gehört habe.

Während Kaoru ziemlich belustigt zu mir sieht und die Aufmerksamkeit, welche uns durch diese Aktion gesichert ist, einfach nicht beachtet, stehe ich einfach nur baff da und versuche, in kein empörtes Gesicht zu sehen.

Es ist eine ziemlich peinliche Situation, während wir etwas Geld für das Essen auf den Tisch legen und das Restaurant schließlich verlassen. Jedoch muss ich zugeben, dass es mir um Aiko tatsächlich nicht Leid tut. Sicher, es ist nicht gerade schön, dass wir so auseinander gegangen sind, jedoch fühle ich mich in diesem Moment richtig gut. Apropos..

„Was hast du ihnen eigentlich erzählt?“, frage ich Kaoru, während wir den Gehsteig entlang schlendern.

Kaoru grinst. „Das lass mal meine Sorge sein.“ – „Hm..“

Was er zu ihnen gesagt hat, habe ich nie erfahren und wahrscheinlich ist dem auch besser so.

„Und was fangen wir jetzt mit dem angebrochenen Nachmittag an?“, will ich schließlich wissen und zünde mir eine Zigarette an.

Kaoru muss nicht lange überlegen, ehe er mir seinen Vorschlag unterbreitet: „Ficken?“

„Hm..“ Ich zucke mit den Schultern. „Hab sowieso nichts Besseres mehr zu tun.“
 

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Ein One-Shot, den ich vor langer Zeit mal geschrieben und jetzt erst wieder gefunden habe. Habe mich jetzt mal dazu durchgerungen ihn hochzuladen, hoffe er gefällt euch! :)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ChiChii
2012-05-25T18:10:51+00:00 25.05.2012 20:10
Ich hab so lachen müssen!
Da hat Die ja eigentlich voll die Schuldgefühle und ich sitz mit nem Grinsen da, weil ich das Alles so lustig find
Bei der Stelle mit dem Kerzenständer hätte ich beinahe nen Lachflash bekommen und die letzten Zeilen waren auch total genial
Also ich find den OS echt super!
Von:  Akikou_Tsukishima
2012-05-22T07:23:25+00:00 22.05.2012 09:23
Ich finds geil, hab aber schon gemerkt dass da mehr als nur sex ist
Von:  -aftermath-
2012-05-22T06:25:14+00:00 22.05.2012 08:25
Irgendwie ist das lustig. XD


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