Wohnungsinspektion
Eine halbe Stunde später betraten sie gemeinsam die Wohnung des Polizisten.
„Kein Wunder, dass du so gut wie immer mit deinen Wagen auf Arbeit fährst, ist ja `ne ganz schön lange Strecke…“ Etwas unbeholfen entledigte sich Miwako ihrer Ballerinas.
„Naja, dafür ist es eine ziemlich ruhige Gegend“ erklärte er ihr. Lieber hatte er es ein paar Meter weiter bis zu seinem Arbeitsplatz und dafür dann auch mal Ruhe. Außerdem schien der lange Weg den Beiden gut getan zu haben. Er fühlte sich viel nüchterner als zuvor, und auch Miwako lallte keineswegs mehr so wie bei den Abschiedsgesprächen mit den Kollegen. Das war nun über eine Stunde her.
„Jetzt hab ich aber Durst! Können wir nicht noch was trinken? Ich vertrockne gleich!“ Grinsend sah die Polizistin den jungen Mann an. Irgendwie war ihre Laune wieder viel besser geworden, trotz vergessenen Schlüssel und langen Fußmarsch.
„Wie?“
Seufzend blickte Miwako zu ihm. Hatte er ihre Frage einfach akustisch nicht verstanden gehabt?
„Ich habe Durst!“
„Ja, schon gut! Im Kühlschrank steht sicher irgendetwas….“
Irgendetwas? Fragend hob Satô eine Braue. Klang ja gerade so, als wüsste er nicht, was er in seinem Kühlschrank vorrätig hatte. Aber das würde sie jetzt gleich herausfinden. Kurz schaute sie sich im Flur um und öffnete schließlich eine Tür, die mit Sicherheit zur Küche gehörte.
„Hey, warte mal, ich hab doch gar nicht aufgeräumt!“
Das hätte er sich eben vorher überlegen sollen. Die Inspektorin kicherte leise, schaltete das Licht ein und blickte sich neugierig um.
„Sieht doch alles sauber aus!“ Kein Berg mit dreckigem Geschirr in der Spüle, ein abgeräumter Esstisch, das war ja fast schon enttäuschend! Wie konnte man als Mann das Haus in einem solchen makellosen Zustand verlassen? Das war ihr irgendwie ein Rätsel.
Im Gegensatz zu ihm kannte sie sich mit Unordnung nämlich bestens aus. Wenn ihre Mutter nicht des Öfteren ihre Sachen wegräumen würde, würde sie Zuhause wohl im Chaos versinken. Da konnte sie so schnell nichts schocken.
Wie gut, dass er den ganzen Vormittag genutzt hatte, um die Wohnung auf Vordermann zu bringen. Es war viel mehr ein Zeitvertreib gewesen, mehr nicht. Und jetzt war er auch ziemlich froh, dass er seine freie Zeit zum Putzen genutzt hatte. Nicht auszudenken, wie Miwako reagiert hätte, wenn seine Wohnung sich nicht in diesem tadellosen Zustand befunden hätte. Wahrscheinlich hätte sie das Präsidium dann bevorzugt.
„Was zu trinken wolltest du, nicht?“ Nun betrat er ebenfalls die Küche, ging an Miwako vorbei Richtung Kühlschrank und öffnete diesen. „Was darf ich dir denn anbieten?“
Neugierig blickte Satô nun ebenfalls in diesen und schien zu überlegen, bis sie sich einfach eine Flasche, welche an der Seite stand, herausnahm. Leicht überfordert beobachtete Takagi ihr Tun.
„Ähm, Miwa…das halte ich für keine gute Idee. Willst du nicht lieber ein Wasser? Ich kann auch Kaffee kochen…“ Doch sie schien ihm mal wieder nicht zuzuhören, sondern stellte die Flasche auf den Tresen seines Küchenschrankes ab und öffnete die eine Seite des Schrankes, um nach Gläsern zu suchen.
„Hast du keine Weingläser?“ Na gut, mussten eben normale ausreichen. War ja nicht so schlimm.
„Miwa!“ Nun blickte die Angesprochene zu ihm.
„Was denn?“ fragte sie so unschuldig wie möglich.
„Ich glaube wirklich, dass es besser ist, wenn wir uns jetzt hinlegen! Du bist doch sicher auch müde! Es ist schließlich bereits nach 2 Uhr!“ Und noch mehr Alkohol würde er wahrscheinlich nicht vertragen. Er war ja schon froh, dass er sich seit ihren Spaziergang wieder nüchterner fühlte als noch im Präsidium zuvor. Außerdem wollte er den Morgen und Nachmittag nicht verkatert im Bett verbringen.
„Du bist müde? Dann leg dich schlafen!“ Der Versuch, möglichst gleichgültig zu klingen, verfehlte seine Wirkung. Man konnte ihr deutlich ansehen, dass sie enttäuscht war. Sie nahm die Flasche und ein Glas und verschwand damit aus der Küche. Aber wohin jetzt? Sie sah sich im Flur um. Die Tür neben der Eingangstür war sicher das Badezimmer. Dann waren da 2 weitere. Ein Zimmer war wohl das Schlafzimmer, das andere musste folglich das Wohnzimmer sein. Nur welches? Sie öffnete einfach die Tür gegenüber der Küche und schaltete das Licht ein. Jetzt war sie in seinem Schlafzimmer gelandet. Auch gut. Ihr Blick fiel sofort auf das große Bett, welches relativ viel Platz in Anspruch nahm.
„Wozu brauchst du denn so ein großes Bett?“ fragte sie nun einfach neugierig den Mann, der bereits seufzend hinter ihr stand. Dass sie seine Wohnung so genau unter die Lupe nahm, passte ihm überhaupt nicht.
„Das hat meiner Schwester gehört. Als sie mit ihrem Mann zusammen gezogen ist, hat sie es eben nicht mehr gebraucht und zum Wegwerfen war es einfach zu schade.“
„Ach so.. und da dachtest du dir, so ein großes Bett wäre sicher nicht verkehrt!“ Grinsend sah sie ihn kurz an und bemerkte, wie er leicht errötete.
Daraufhin stellte sie vorsichtig ihre Flasche und das Glas auf den Boden neben der Tür ab und ging Richtung Kleiderschrank. Sie musste endlich aus diesem unbequem gewordenen Kleid heraus! Ohne zu Zögern öffnete sie den Schrank, was Wataru dazu brachte, sie einfach nur noch ungläubig anzustarren. Also langsam ging sie wirklich ein bisschen zu weit. So etwas hätte er sich bei ihr niemals getraut. Wahrscheinlich hätte er sich da schon längst eine gefangen!
„Miwako, was machst du da?“
„Ich brauch was zum Anziehen!“ Ein bisschen wühlte sie in seinen Sachen herum. Hier musste es doch irgendetwas Brauchbares geben! Ah, das sah doch gar nicht mal so schlecht aus! Sie zog ein T-Shirt und eine Unterhose heraus. Die Teile waren ihr vielleicht ein wenig zu groß, aber besser als gar nichts.
„Hey, das ist mein Lieblings-T-Shirt!“ Seufzend schüttelte er nur mit dem Kopf.
Lieblings-T-Shirt? Fragend hob die Frau eine Braue und betrachtete das Kleidungsstück genau. Was war daran so besonders? Das einzige, was ihr auffiel, war der seltsame Logoaufdruck auf der Vorderseite und dass es ziemlich ausgewaschen war. Aber wenn er doch so daran hing…
„Dann nehm ich mir eben was anderes…“ Schon wollte sie die Schranktür wieder öffnen, was Takagi aber zu verhindern wusste.
„Nein, nein, schon gut! Nimm es ruhig!“ Verwirrt blickte die Inspektorin zu ihm.
„Sicher?“
„Ja, es gehört dir!“ Besser, als wenn sie weiter seinen Schrank durcheinander bringen würde. Und wer wusste schon, was sie noch alles finden würde und anziehen wollte.
„Okay, ich geh mich dann mal umziehen!“ Und wieder war sie aus dem Zimmer verschwunden. Sofort ging Wataru ihr hinterher in den Flur.
„Das Bad ist…“ Und schon hörte er nur noch, wie Miwako die Badezimmertür hinter sich schloss. Dafür, dass sie erst seit ein paar Minuten in seiner Wohnung war, kannte sie sich aber bereits gut aus.
Naja, dann sollte er ebenfalls die Zeit nutzen und sich erst einmal umziehen.
Es dauerte eine Weile, bis Miwako endlich fertig war. Was sie wohl solange im Bad machte? Hoffentlich führte sie nicht wieder eine ihrer Inspektionen durch. Warum machte er sich eigentlich deswegen die ganze Zeit Sorgen? Was sollte sie schon Weltbewegendes finden? Gedankenversunken saß er auf seinem Bett und war kurz vorm Einnicken.
„Takagi-kun, deine Sachen sind mir viel zu groß!“ Sofort war er wieder hellwach. Wie hatte sie sich so schnell in das Zimmer geschlichen? Er blickte zu der Frau auf, die in der Tür stand. Und sie hatte Recht. Seine Sachen waren ihr definitiv zu groß. Das T-Shirt glich eher einem Nachthemd und seine Unterhose war deshalb auch nicht wirklich zu sehen. Ob sie diese überhaupt trug? Er lief rot an. Was dachte er da eigentlich schon wieder?
„So schlimm ist es doch gar nicht, zum Schlafen sollte es reichen…“ Er stand auf und ging zu seinem Schrank, aus welchem er Bettzeug holte.
„Willst du wirklich schon schlafen?“ fragte die Polizistin neugierig. Dabei fiel ihr Blick zu der Flasche, die neben ihr auf den Boden stand. „Wir wollten doch was trinken! Wir haben noch gar nicht zusammen angestoßen!“ Sie hockte sich zu der Flasche und öffnete diese. Danach schüttete sie den Wein in das Glas, welches sie aus der Küche hatte mitgenommen.
Irgendwie musste man sie doch dazu bekommen, zu schlafen! Vielleicht machte sie ja das Glas Wein müde. Irgendwie hoffte er darauf.
„Gut, ich bring schon mal das Bettzeug ins Wohnzimmer.“
„Was? Wieso?“ Das verstand Satô nun überhaupt nicht. „Dein Bett ist doch hier..!“ Langsam setzte sie sich auf dieses. „Und Platz ist ja wohl locker für 2!“
„Ä-ä-ähm, ich weiß nicht so recht…“ Hatte sie das jetzt wirklich ernst gemeint? Schon bei dem Gedanken daran merkte er, wie sein Kopf vor Scham glühte. Obwohl, was war schon dabei! Immerhin war es groß genug. Seufzend setzte er sich neben sie.
„Bist du dir sicher Miwako?“ fragte er nun leise.
„‘türlich..“ Grinsend hielt sie ihm das Glas Wein hin, welches sie bereits halb geleert hatte. Diese Situation hatten sie doch heute schon mal gehabt. Es war sicher nicht gut, wenn sie alles selbst trank. Er nahm ihr das Glas ab und trank den Rest auf einmal aus.
„So, dann können wir ja jetzt schlafen..“
„Was? Aber die Flasche ist doch noch gar nicht leer…“
„Miwa?!“ Er strich sich durchs Gesicht. Scheinbar tat ihr der Umgang mit ihrer besten Freundin Yumi Miyamoto überhaupt nicht gut, denn schon hatte Miwako das Glas erneut gefüllt. Wollte sie wirklich die ganze Flasche noch leeren? Vertrug sie überhaupt so viel? Aber was sollte er denn anderes tun, als ihr zu ‚helfen‘? Irgendwie hatte er Angst, dass sie es doch noch übertreiben könnte. Blieb nur noch die Hoffnung, dass sie von alleine vernünftig wurde und bald schlafen wollte.
„Weißt du was? Ich hab dein Wohnzimmer noch gar nicht gesehen!“ Schon war die Frau wieder aufgestanden und mitsamt Flasche aus dem Raum verschwunden. Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Nun doch ein wenig genervt stand der Inspektor ebenfalls auf und folgte ihr vorsichtshalber.
Danach hatte sie wenigstens alles von seiner Wohnung gesehen. Gut, dass diese nicht allzu groß war. Vielleicht gab Satô dann ja Ruhe…
„Schick, schick…“ Miwako stellte die Flasche auf den Tisch vor der Couch und ging zum Fenster. Gut, die Aussicht war jetzt nichts Besonderes, aber er hatte Recht, es schien eine ruhige Gegend zu sein. Auch wenn es mitten in der Nacht war, war es kein Vergleich zu dem Lärmpegel in der Innenstadt. Gähnend setzte sich der Mann auf das Sofa. Er nahm die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher ein. Bei kleinen Kindern half es manchmal, sie einfach ein wenig fernsehen zu lassen, wenn sie nicht ins Bett wollten. Vielleicht zeigte sich die gleiche Wirkung auch bei seiner Kollegin.
Verwundert blickte diese zu ihm, ging dann in seine Richtung und setzte sich neben ihn.
„Kommt jetzt irgendwas Spannendes?“
„Hm… glaub nicht…“
„Und warum hast du dann den Fernseher eingeschalten?“
„Ach… nur so..“ Seine wahren Beweggründe nannte er ihr lieber nicht. Aber wahrscheinlich war sein Plan eh für die Katz und eher er würde auf der Couch einnicken als die Frau neben ihm.
Diese nahm die Flasche, welche direkt vor ihr stand und füllte das Glas, das ihr Kollege hatte mitgebracht, erneut auf.
„Der Wein ist eigentlich ganz gut..“
„Freut mich, war nämlich eigentlich nur ein Werbegeschenk..“
„Ach so…“
Irgendwie fiel ihr dazu nicht mehr ein und sie nippte ein wenig am Glas.
Es kam, wie es kommen musste. Die Flasche war leer, und er merkte, wie er schon gar nicht mehr Herr seiner Sinne war. Hätte er sich doch bloß nicht darauf eingelassen! Aber hätte Miwako die Flasche wirklich alleine geleert, dann müsste er jetzt wohl einen Rettungswagen rufen. Dass er sie mal so unvernünftig sehen würde, hätte er eher nicht gedacht. Hoffentlich vertrug ihr Körper den ganzen Alkohol auch. Es gab schon genug Fälle, in denen sich Menschen bei ihrem Alkoholkonsum deutlich verschätzt hatten.
Er stellte das leere Glas und die Flasche beiseite. Irgendwie brummte sein Schädel gewaltig. Jetzt konnte er wirklich nichts mehr tun, außer sich ins Bett zu legen. Sicher würde diese Sauferei einen gewaltigen Kater mit sich ziehen.
„So, Schluss, jetzt wird geschlafen, keine Widerrede!“ Es klang nicht wirklich streng, aber trotzdem schien Miwako zur Abwechslung mal auf seine Worte zu hören.
„Ja, ist gut, ich geh noch mal fix auf die Toilette!“ Und schon war sie erneut verschwunden. Woher nahm sie nur diese Energie? Er verstand es einfach nicht.
Langsam erhob er sich von der Couch, schaltete den Fernseher aus und schwankte Richtung Schlafzimmer. Einfach nur noch ins Bett, forderte ihn sein Gehirn auf. Seufzend legte er sich in dieses und er bemerkte schon, wie wieder dieses Karussellfahren um ihn herum begann. Warum nur hatte Satô darauf bestanden, noch diese eine Flasche zu vernichten? Warum hatte er sich überhaupt dazu verleiten lassen?
„Ich bin wieder da!“ Lallend betrat Miwako das Schlafzimmer und blickte grinsend zu ihrem Kollegen. Irgendwie gefiel ihm ihr Tonfall ganz und gar nicht. Sie schien kein bisschen müde, eher aufgedreht. Dabei hatte er wirklich gedacht, dass sie nach dem langen Nachhauseweg beide wieder relativ nüchtern waren und sich dieser Zustand auch beibehalten würde. Aber anscheinend hatte die letzte Flasche Wein aus seinem Kühlschrank diesen kurzen Zustand erneut zunichte gemacht.
„Was’n mit dir los?“ Doch sie ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. „Ohhh, das kenn ich!“ Sie ging zu seinem Nachttischschrank, welcher auf ihrer Seite des Bettes stand und nahm den Rahmen, in welchem ihr ein bekanntes Foto zu sehen war.
„Das war doch im Tropical Marine Land!“ Der Angesprochene sah zu ihr, schien kurz zu überlegen, was sie eigentlich meinte und spürte sofort, wie er wieder rot wurde. Warum hatte er das nicht schnell weggeräumt? War ja peinlich!
„Hmm…“ nuschelte er nur. Was sie jetzt wohl von ihm dachte? Obwohl, was war eigentlich dabei?
Eine Weile betrachtete Miwako das Foto noch und stellte es dann lächelnd zurück.
„Is schon ne ganze Weile her, dass wir dort warn…“
„Ja, stimmt..“ gab er leise zu.
„Das war vielleicht ne Aktion mit diesm Drogendealer! Aber wenigstns hast du ihn geschnappt!“ Lächelnd blickte sie zu Takagi, der auf seiner Seite des Bettes mit verschränkten Armen hinter dem Kopf auf dem Rücken lag und gedankenverloren und gähnend an die Decke blickte.
„Allerdings…“
„Aber war schon‘n ganz schöner Zufall, dass es ausgerechnet dein Rucksack war, der damals vertauscht wurde.“
„Das stimmt!“
„Hattest du ihn überhaupt wiederbekommen? Ich kann mich gar nich‘ mehr dran erinnern. Naja, gut, dass nichts Wertvolles drin gewesn war!“
„Ja, nichts Wertvolles, nur der Ring eben…“
„Welcher Ring?“
Stille.
Was hatte er da gerade gesagt? Erschrocken über seine eigenen Worte setzte sich der Polizist abrupt auf und sah in das fragende Gesicht Satôs.
„Ach, nichts, vergiss es einfach, haha!“ Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. Warum musste er ihr gegenüber auch die Sache mit dem Ring erwähnen?
„Was für‘n Ring, nun sag schon!“ Neugierig bestand Miwako darauf, eine Erklärung seinerseits zu bekommen. Mit einem Bitte-sag-es-mir-doch-Blick rutschte zu ihm herüber.
Jetzt hieß es stark bleiben. Schluckend blickte er zu der Polizistin, die ihm schon ziemlich nah gegenüber saß. Welcher Mann würde ihr diese Bitte abschlagen können? Aber er wollte doch nicht, dass sie es wusste. Was würde sie nur von ihm denken? Warum auch musste ihm dieses verdammte Wort herausrutschen?
„Also… ich…“ begann er zu stottern.
„Ja?“
„Ich….ich…“ trotz erhöhten Alkoholpegel bekam er es einfach nicht über die Lippen.
Seufzend blickte Miwako ihn an. Er wollte es ihr wirklich nicht sagen? Was war so geheimnisvoll daran?
„Aber ich dachte, ich wär deine Lieblingskollegin, mir kannst du‘s doch erzähln!“ Sie rutschte noch ein paar Zentimeter an ihn heran.
„Ja, sicher… aber….“ Sein Gesicht glich einer Tomate. Die Frau würde wohl nicht eher locker lassen, bis sie eine Antwort von ihm bekommen würde.
„Takagi-kun?“
Sie wusste nichts von einem Ring und es war das erste Mal, dass er einen in Verbindung mit dem Tropical Marine Land brachte. Sie hatte zwar eine Art Glücksbringer von ihm vor langer Zeit bekommen, der lästiges Ungeziefer fernhalten sollte, aber von einem zweiten Ring hörte sie zum ersten Mal! „Jetzt sag doch!“
„Nein Miwa, es is wirklich nich wichtig…“ Jetzt merkte er schon selbst, wie ihm die Zunge schwerer wurde. Hätten sie doch nur die Flasche Wein im Kühlschrank stehen lassen!
Er wollte immer noch nicht mit der Wahrheit rausrücken? Das passte ihr ganz und gar nicht! Sollte sie jetzt schmollen? Oder wie sonst würde sie eine Antwort von ihm herausbekommen? Satô konnte sehr hartnäckig werden, wenn sie etwas wissen wollte. Das würde er schon noch zu spüren bekommen.
„Aber Wataru-kun!“ Sie rutschte noch näher an ihn heran und zog einen Schmollmund. „Mir kannst du es doch erzählen, bitte!“
Takagi jedoch schüttelte nur mit dem Kopf.
„Kann ich nich!“
„Wieso denn nich?“ Wieder rückte sie ein kleines Stückchen an ihn heran.
Was machte sie da? Dass sie ihm nun so nahe war, machte ihn ziemlich nervös. Möglichst unauffällig versuchte er, nach hinten zu rutschen bis…
„Wahhh…“ er rückwärts aus dem Bett fiel und unsanft auf dem Fußboden landete.
Das hatte sie nun wirklich nicht beabsichtigt gehabt. Leicht besorgt blickte sie zu dem Mann herunter, der nun auf dem Boden des Schlafzimmers lag.
„Hast du dir wehgetan?“
„Nein, geht schon…“ Kurz rieb er sich über den Kopf. Aber jetzt war er wenigstens in Sicherheit, zumindest fürs Erste. Nur langsam rappelte er sich wieder auf und setzte sich zurück auf die Bettkante.
Nun hatte sie es wohl ein wenig übertrieben. Mitleidig blickte Miwako zu Wataru. Dass er vom Bett fallen würde, hatte natürlich nicht in ihrer Absicht gelegen. Vorsichtig legte sie ihre Arme von hinten um seinen Oberkörper und legte ihren Kopf auf seine Schulter.
„Tut mir leid, das wollte ich nicht…“ flüsterte sie schuldbewusst. Anfangs zuckte der Polizist ein wenig zusammen, gewöhnte sich dann aber an den engen Körperkontakt. Es war ja doch recht angenehm.
„Schon gut, war ja nich deine Schuld…“ Doch, eigentlich war es das und das wusste sie. Wie sie das nur wieder gutmachen konnte?
„Ich stell ab jetzt keine Fragn mehr, versprochn…“
„Ach, wirklich?“ Nun musste er leicht grinsen.
„Ja, wirklich!“ Satô stieß einen leisen Seufzer aus und schloss die Augen. Eine Weile könnte sie mit Sicherheit so verharren.
„Der Ring.. also… war eigentlich ein Geschenk an dich gewesn…“
Es war nur sehr leise gemurmelt gewesen, aber Miwako hatte es genau verstanden, denn sie öffnete wieder die Augen und blickte zu dem Inspektor, dessen Gesicht ein leichter Rotschimmer zierte.
„Für mich?“ fragte sie leise und er nickte nur kurz. Sie schien zu überlegen. Warum wollte er ihr einen Ring schenken? Irgendwie kam sie da nicht ganz mit. Er wusste doch, dass sie sich nichts aus Schmuck machte. „Was is eigentlich mit dem Ring passiert?“ fragte sie nun neugierig weiter nach.
Er ist mit ins Wasser gefalln, als ich mir Yakura geschnappt hatte.“
„Und warum hast du nichts gesagt…?“
„Na ja, es war mir irgendwie peinlich, ich meine…. Ach egal..“ Jetzt war die Sache wenigstens raus. Nun würde sie sich mit Sicherheit lustig über ihn machen. Er wartete nur darauf, dass sie zu lachen begann.
„Du, Wataru? Bin ich dir eigentlich auch peinlich?“ Stattdessen aber schien sie das Thema zu wechseln. Kein Gelächter? Kein Spott?
„Wie kommste denn jetzt darauf?“ Das war ja wohl der absurdeste Gedanke überhaupt. Sie ihm peinlich! Was dachte sie da eigentlich?
„Na ja, ich mein als Freundin…“
„WIE?!“ Ungewollt löste er sich aus seiner Umarmung, drehte sich zu ihr herum und starrte sie sprachlos an. Wie kam sie denn auf so etwas Absurdes? Wie konnte sie ihm peinlich sein? War es nicht eher umgekehrt gerechtfertigt!?
„Natürlich bist du mir nich‘ peinlich, Miwako!“
„Und warum führn wir dann keine Beziehung wie andre Erwachsne auch?“ So, es war raus. Schon lange hatte sie diese Frage beschäftigt und nie eine wirklich zufrieden stellende Antwort darauf gefunden.
„Nun….“ Wieder wusste er nicht, wie er ihr antworten sollte. Jetzt war er erneut in dieser Situation. Hatte sie nicht noch vor ein paar Minuten versprochen, keine Fragen mehr zu stellen? Doch anstatt auf eine Antwort von ihm zu warten, redete Miwako leise weiter.
„Vielleicht weil wir Angst davor habn, uns zu verliern? Klar würde es schmerzn, wenn du nich mehr da wärst, aber es würde noch mehr wehtun, wenn ich genau wüsste, dass wir unsre gemeinsame Zeit nich richtig genutzt hätten…“ Der Gedanke daran, dass ihm wirklich etwas Ähnliches wie Matsuda widerfahren könnte, machte sie sehr traurig. Aber wollten sie sich weiterhin so verhalten, als würde ihre Liebe nicht existieren nur wegen dieser stetigen Verlustängste? Diese würden doch so oder so niemals vollständig verschwinden.
Miwako hatte wohl recht mit dem, was sie sagte. Vielleicht sollten sie langsam mal ihre Zeit richtig nutzen, immerhin hatten sie diese in der Vergangenheit schon oft genug verschwendet. Er ertrug ihr trauriges Gesicht ganz und gar nicht. Vorsichtig hob er seine Hand und strich ihr sanft über die Wange, so wie er es bereits im Präsidium getan hatte.
„Du hast recht, Miwa…“ Langsam beugte er sich zu ihr vor, zögerte einen kurzen Moment und hauchte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen.
Hier konnte sie endlich einmal niemand stören oder unterbrechen. Der Gedanke gefiel Miwako besonders. Endlich waren sie mal ganz für sich alleine.
„Das heißt, dass wir’s mal versuchn? So richtig?“ fragte sie sofort, als er den kurzen Kuss wieder löste. Als Antwort erhielt sie ein Nicken, welches ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Das hieße dann wohl, dass sie jetzt so richtig ein Paar waren. Der Gedanke daran machte sie einfach nur glücklich. Im Moment hatte sie das Gefühl, dass sie zu zweit einfach alles schaffen konnten. Von Glücksgefühlen übermannt zog die Polizisten den Mann gegenüber an seinem Schlafanzughemd zu sich heran und drückte ihm nun einen stürmischen Kuss auf die Lippen.
Hier konnte sie endlich mal nichts und niemand stören…