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Light and Darkness inside

von

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Schicksalshafte Pläne

Zur Freude aller Schüler der regionalen Hochschule der Stadt Senkai, fingen seit drei Tagen die großen Sommerferien an. Schüler sowie Lehrer konnten eine Auszeit vom Schulalltag nehmen und mit ihren Familien eine gemeinsame Reise unternehmen. Die Meisten fuhren zum nahe gelegenen Meer und verbrachten ihre Ferien in bescheidenen Ferienhäuschen. Andere wiederum setzen ihr Ziel ein bisschen weiter und unternahmen Wanderungen in die Berge. Es gibt so viele Möglichkeiten seine Ferien außerhalb seiner vier Wände zu verbringen, wenn man denn das nötige Kleingeld dazu hat.
 

Crystal nahm sich fest vor wenigstens dieses Mal einen kleinen Ausflug zu machen und die öde Stadt zu verlassen. Natürlich durfte dieser Ausflug den Rahmen ihres Budgets nicht übersteigen, was sich bei vielen Dingen als große Schwierigkeit entpuppte. Also würde der Ausflug nichts mit dem Meer oder den Bergen zu tun haben.
 

Ihr Blick schweifte über den Kalender in ihrem engen Flur und blieb schließlich auf dem Tag 25. Juli hängen. Darauf stand geschrieben „jährliches Kampfturnier in Kyama“. Sie freute sich schon seit Monaten auf dieses Turnier. Mitmachen wollte sie auf keinen Fall, aber sie wollte sich dieses lang ersehnte Turnier einmal ansehen, vor Ort und mit fiebern. Sie wusste ganz genau, dass sie nicht einmal ins 16. Finale kommen würde, geschweige denn, dass sie überhaupt am Turnier teilnehmen könnte, da sie erstens das Geld für die Teilnehmerkarte besaß, noch genügend Stärke hatte, um die besten der besten Kämpfer zu besiegen.
 

Ihr nicht mädchen-typisches Hobby ist nämlich das Kämpfen. Etwas in ihr drängt danach Kämpfe mit anzusehen und sogar selbst daran teilzunehmen. Sie selbst kämpft gerne ab und zu mit ein paar Jungen einer inoffiziellen Kampfsportgruppe. Und diese Jungen sind wirklich ziemlich gut. Meistens gewinnt sie, weswegen ihr der Gruppenführer nur einmal die Woche erlaubt mitzumachen. Aber auch wenn sie nicht selber am aktiven Kampf teilnehmen kann, schaut sie sich gerne Kämpfe an.
 

Ein prüfender Blick in den Spiegel verriet ihr, dass sie ein breites Grinsen auf den Lippen hat. Sie selbst hatte es vorher nicht gemerkt, denn sie war zu sehr in ihren Gedanken versunken. Ihre Vorfreude war unheimlich groß.

Crystal strich sich die Strähnen aus dem Gesicht. Ihr gesamtes Haar ist weiß mit einem leichten silbernen Hauch. Es reicht ihr bis knapp an ihren Hintern. Sie ist unheimlich stolz auf ihre einzigartig langen Haare. Dadurch will sie sich von anderen Leuten unterscheiden, denn jeder kann ja kurze Haare haben. Längere hingegen brauchen sehr viel Pflege und Zeit zum Wachsen. Die Mühe machte sich deshalb nicht jedes Mädchen.

Weiterhin betrachtete sie von der Seite ihr langes T-shirt in einem schlichten Schwarz. Wie die Meisten ihrer T-shirts ragt es bis über ihren Hintern um diesen zu verdecken. Unter dem Shirt trägt sie eine bis zu den Knien lange Leggings, ebenfalls in der Farbe schwarz. Alles in allem ist Crystal nicht besonders groß und hat eine durchschnittliche Figur.
 

Nach dieser Begutachtung ging sie mit dem Hausschlüssel in der Hand aus ihrer bescheidenen Wohnung und schloss diese ab. Im obersten Stock des Wohngebäudes klingelte sie an der Tür mit der Aufschrift „Soraya“. Diese ging ohne lange warten zu müssen auf und ließ den Blick auf eine 26-jährigen Frau zu. Yukiko Soraya ist eine fleißige Studentin im 5. Semester und ist Crystals Nachbarin, sowie Freundin und manchmal auch so etwas wie eine fürsorgliche Mutter. Ein besonderes Merkmal von ihr ist ihre hohe und dünne Statur. Ihr blondes Haar reicht ihr bis über die Schultern und ist zu einem Zopf zusammengebunden.
 

„N'abend Yukiko“, grüßte Crystal die junge Frau „Hast du vielleicht ein wenig Zeit?“

„Eben so“, entgegnete ihr Yukiko, „und ja, ich habe Zeit. Komm doch herein.“ Sie wich einen Schritt zurück, damit Crystal eintreten konnte.

Die Inneneinrichtung des Soraya Haushaltes glich Crystals Wohnung. Nur das nötigste Mobiliar befand sich in der Wohnung und war sehr schlicht gehalten. Jedoch lagen überall Bücher und Notizen der Studentin herum.

Unaufgefordert setzte sich Crystal in den Sessel im Wohnzimmer und wartete, bis Yukiko es ihr gleich tat.

„Dein Anliegen?“ fragte Yukiko beim Hinsetzen.

„Ich wollte dich fragen,“ fing Crystal an zu lächeln „ob du bereit wärst auf meinen Hausschlüssel aufzupassen und meine Post entgegen zunehmen während ich auf meinem Ausflug bin?“

„Ausflug? Hast du dich also doch entschieden in den Ferien wegzufahren?“

„Kyama, weißt du nicht mehr?“

Auf Yukikos Gesicht machte sich ein fragender Ausdruck breit und man konnte ihr ansehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.

Schließlich fiel es ihr wieder ein. „...das jährliche Kampfturnier in Kyama? Du willst also wirklich dahin?“

„Ja und ja“, bestätigte Crystal und ein breites Grinsen zierte ihr Gesicht.

„Was findest du nur so toll an diesen Kämpfen?“, seufzte die Studentin, ließ aber nicht zu, dass Crystal antworten konnte und fuhr sogleich fort: „Kein Problem, ich übernehme den Job.“

„Ich danke dir“, freute sich Crystal, „Du hast etwas gut bei mir.“

„Wann fährst du denn los?“

„Am 25. Juli. Ich werde wohl ein oder zwei Tage in Kyama bleiben. Das wird mein Budget wohl noch aufbringen können.“

„Ist gut. Ich freue mich, dass du endlich mal etwas in deinen Ferien unternehmen kannst. Ich wünsche dir schon mal viel Spaß.“

„Du bist echt die Beste!“, Crystal sprang auf und umarmte ihre Freundin. „Ich werde dich dann nicht weiter belästigen.“

„Das tust du gar nicht.“ entgegnete sie ihr.

Crystal lächelte sie sanft an. Sie hatte ein riesiges Glück Yukiko als Freundin zu haben. Crystal war ihr für ihre ehrliche und hilfsbereite Art so unendlich dankbar. Trotz des großen Altersunterschied von acht Jahren, haben sich die zwei Frauen schon immer gut verstanden.

„Also dann gehe ich wieder in meine Wohnung. Bis demnächst“, verabschiedete sie sich und nickte Yukiko zu.

„Ja, bis dann“, erwiderte Yukiko den Abschiedsgruß.
 

Zuhause angekommen legte sie sich aufs Bett und dachte voller Vorfreude daran, was sie denn in den nächsten Tagen erleben würde.

...es muss sich um einen Fehler handeln!

Der Wettermann hatte sich nicht geirrt, denn der Tag war heute sehr heiß und erstickend. Der wolkenlose Himmel erstreckte sich über das weite Gelände des Kampfturniers. Eine große Menschenmasse tummelte sich vor und im Gebäude des Turniers. Es gab hier jede Menge Menschen aus verschiedenen Städten und Altersgruppen. Man konnte sehen, wie einige Kinder ihre Eltern versuchen zu einem Eis bei dieser Hitze zu überreden, einige mit mehr Erfolg und manche mit weniger.
 

Mittendrin stand Crystal, auf ihrer rechten Schulter ein kleiner Rucksack mit Proviant für einen Tag und auf der Nase eine schlichte Sonnenbrille. Ihre Haare hat sie zu einem Zopf zusammengebunden, damit ihre Haare weniger Kontakt mit ihrem Rücken haben.

Im Sommer kann sie ihre Haare, beziehungsweise ihren Rückenwärmer, überhaupt nicht leiden.

Sie hat sich Zuhause dazu entschieden ihre Sportklamotten anzuziehen, um ihren Kampfsportgeist zu zeigen. An ihren Beinen trägt sie eine ¾ Hose, die am unteren Ende enger wird und die Hosenbeine luftig an ihren Beinen hängen. Außerdem hat sie sich für ein Top entschieden, welches ihren Körperbau umschmeichelt. Als Schuhwerk trägt sie leichte lederne Spezialschuhe, die nur unter dem Fußballen eine festere Sohle haben. Der Rest des Schuhs ist dünner und schmiegt sich wie eine Bandage eng um ihre Füße.
 

Würde Crystal wie ein normaler Mensch gehen und mit den Fersen auf dem Boden auftreten, dann würde sich das dünne Leder schnell abreiben. Sie hat seit ihrer Kindheit die Angewohnheit nur auf den Fußballen zu treten. Dadurch wirkte sie um einiges größer und femininer.

In der Öffentlichkeit versuchte sie es zu vermeiden zu sehr abgehoben vom Boden zu gehen, als ob sie durchsichtige Schuhe mit Absatz tragen würde, weil die Menschen sie dann immer schief anguckten. Sie bemühte sich auch heute nur einen minimalen Abstand von Ferse zu Boden einzuhalten.
 

In ihrer rechten Hand hielt sie ihre Eintrittskarte für die Publikumstribüne. Sie hatte sich ein billigeres Ticket gekauft, weil sie nicht genug Geld hatte, weswegen sich ihr Sitzplatz ziemlich weit hinten auf der Tribüne befand. Das hatte sie in Kauf genommen, immerhin war sie jetzt hier und konnte das Turnier hautnah miterleben. Darüber war sie so glücklich, dass sie vor Freude in die Luft springen könnte. Aber sie tat es nicht. Sie hatte Hemmungen ihre Gefühle in der Öffentlichkeit freien Lauf zu geben. Sie schämte sich immer, wenn sie in irgendeiner Weise auffiel, denn es war ihr unangenehm.
 

Dabei ist Crystal sehr emotionsgeladen. In ihr herrscht ein gigantisches Gefühlsfeuerwerk, das sie aber so gut wie immer unterdrückt, wenn sie nicht Zuhause ist oder bei jemandem, den sie gut kennt, wie zum Beispiel Yukiko.

Nach außen hin ist Crystal ein ziemlich scheuer und schüchterner Typ. Mit fremden Leuten redet sie nicht gerne und schon gar nicht mit Jungen. Die versteht sie nicht wirklich, aber das beruht wohl auch auf Gegenseitigkeit.

Eine kleine Ausnahme macht die Jungenkampfsportgruppe, mit denen sie aber auch nicht allzu viele Sätze austauscht. Sie sind einfach dazu da, um mit ihr zu kämpfen.

Wenn Crystal aber mal jemanden besser kennen lernt, dann redet sie unheimlich gerne. Deshalb stachelt Yukiko sie immer wieder dazu an, mehr mit anderen Leute zu reden und mit diesen über verschiedene Themen zu reden. Aber genau das ist der Grund ihrer Verschwiegenheit gegenüber Fremden. Sie weiß meistens überhaupt nicht über was sie reden sollte. Und wenn Crystal dann ein Thema anfing, dachte sie immer, dass es ihr Gegenüber doch gar nicht interessiert.
 

Nach einer kurzen Pause entschloss sie sich in Bewegung zu setzten und ins Gebäude zu gehen, um ihre Eintrittskarte einzulösen und ihren Platz einzunehmen. Lange Zeit hatte sie nicht mehr, denn das Turnier fing bald an.

Schnellen Schrittes ging sie zum Empfangsraum und zeigte ihre Eintrittskarte vor. Problemlos durfte sie sich auf den Weg zu ihrem Sitzplatz machen. Plötzlich vernahm sie durch den Lautsprecher eine Stimme.

„Wir unterbrechen Sie für eine wichtige Mitteilung“, vernahm man die Stimme „Die Kämpferin Crystal soll sich schnellstmöglich im Aufenthaltsraum der Kämpfenden einfinden.“

'Was zum Teufel soll das für ein Mist sein?!', schoss es Crystal durch den Kopf. 'Die meinen doch nicht etwa mich, oder? Aber was, wenn doch?'
 

Crystal schüttelte hastig den Kopf. Das war absurd! Es muss noch jemanden geben, der den gleichen Namen hatte wie sie. Zögernd entschloss sie sich einen Mitarbeiter des Kampfturniers aufzusuchen und diesen zu fragen, ob denn nicht ein Missverständnis vorliegen würde.

Misstrauisch beäugte sie den Rest ihrer Eintrittskarte, den sie beim Eingang eingelöst hat. Nein, das ist keine Teilnahmebestätigung. Es ist eindeutig eine Eintrittskarte mit einer zugewiesenen Sitznummer.
 

Hektisch sah sie sich im immer leerer werdendem Flur des Gebäudes um und hielt Ausschau nach jemandem, der all ihre Fragen beantworten konnte, die sie quälten. Bald würde das Turnier anfangen und sie wusste noch nicht einmal, wo sie sitzen würde, wenn sich dieses zweifellose Missverständnis seitens des Turniermanagements nicht aufklären würde.
 

Am Empfangsraum fragte sie die Frau hinter der Glasscheibe, doch sie wusste nicht so recht, was sie jetzt sagen sollte und räusperte sich erst einmal. „Ähm, entschuldigen Sie bitte. Wissen Sie vielleicht, ob sich die Kämpferin Crystal schon im Aufenthaltsraum eingefunden hat?“

„Die Lady lässt immer noch auf sich warten“, antwortete ihr die gelangweilte Frau und zog eine Augenbraue hoch, die Crystal verunsicherte. „Sie sollte sich eigentlich schon vor 10 Minuten umziehen und für den Kampf bereit machen. Kennen Sie sie denn?“

„...so kann man es sagen“, log Crystal ungeschickt. „Danke ich muss los. Ich werde sie suchen gehen!“ Mit pochendem Herzen drehte sie sich schnell um und rannte los, bevor die Eintrittskartenabreißerin die Konversation in irgendeiner Weise weiterführen konnte.
 

'Das wird ja immer schlimmer', dachte sich Crystal alarmiert und versuchte den Weg zum Aufenthaltsraum über die aushängenden Schilder zu finden. 'Heute sollte doch eigentlich ein perfekter Tag werden und stattdessen renne ich wie eine Verrückte durch das Gebäude, um herauszufinden, ob ich mich denn nicht versehentlich als Kämpferin eingetragen habe.'

Wie konnte das nur möglich sein? Die Teilnahmegebühr war doch viel zu teuer. Wieder hallte die Stimme durch die leer gewordenen Gänge mit der gleichen Botschaft wie vor ein paar Minuten.
 

Ihr Puls und ihre Beine rasten. Im Laufen packte sie ihre Sonnenbrille in ihren Rucksack. Mit einem schmerzhaften Stechen in der Brust fand sie endlich den Raum. Ohne groß darüber nachzudenken, riss sie die Tür auf und setzte einen Schritt in das Zimmer.

Fatal.

Sie hatte nicht darüber nachgedacht, dass alle auf die mysteriöse Crystal warteten und jede Frau, die jetzt durch diese Tür gehen würde von ihnen schief und vorwurfsvoll angeschaut werden würde.

Perplex stand sie da und alles was ihr jetzt dazu einfiel war ein lächerliches „...es muss sich um einen Fehler handeln!“
 

Ihre 'Ausrede' machte alles nur noch schlimmer. Sie erntete verhasste Blicke von vielen Teilnehmern und einer haute sogar bedrohlich mit seiner Faust gegen seine flache Handfläche, als ob er ihr damit sagen wollte, dass sie gleich seine Faust in ihrem Gesicht stecken haben würde.
 

„Das Prinzesschen erbarmt sich unser und lässt sich also doch noch beim gemeinen Volk blicken“, spottete ein Mann, der so breit wie groß war.

„Die Rotzgöre hat vielleicht Nerven! Der werde ich Beine machen“, drohte ihr ein jüngerer, blonder Mann mit einer angsteinflößenden Miene.
 

Crystal wurde noch nervöser und blickte mit ihrem vor Scham errötetem Gesicht zum Boden hinab. Am liebsten würde sie im Boden versinken und nie, nie wieder den Leuten ins Gesicht sehen müssen. Sie hat für heute schon genug erlebt. Noch schlimmer kann es nicht mehr werden...
 

Vom anderen Ende des Raumes eilte ein dünner Mann, der zweifellos kein Kampfteilnehmer war, mit einem Mikrophon zu ihr herbei und riss sie aus ihren Gedanken.

„Sie müssen Crystal sein, nicht wahr?“, vermutete der Moderator. „Haben Sie vergessen, dass sich alle Teilnehmer zwanzig Minuten vor Beginn des Turniers treffen?“

Crystal hatte das alles hier zugesetzt und ihr ihre Sprache verschlagen.

„Das ist – äh - ein, alles ein Irrtum!“, stotterte sie vor sich hin. „Ich heiße Crystal, habe mich aber nicht als Teilnehmer angemeldet.“

Sie fühlte, wie Blicke auf ihr ruhten, verachtungsvolle Blicke und sie hörte abschätzige Geräusche, die ihr galten.

„Sie haben doch Ihre Kampfkleidung schon an und außerdem“, der hektische Moderator zeigte auf die Teilnehmerliste, „steht hier doch Ihr Name, Crystal Ookami.“

'Da steht wirklich mein Name drauf!', gab sie dem Mann vor ihr in Gedanken recht. 'Muri desu.'
 

„Hat diese Rotzgöre so ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis?“, spottete wieder der Blonde und grinste gehässig zu ihr herrüber.

Sie wandte den Kopf schnell ab und schaute wieder zu Boden. Wieso nur musste ihr lang erwarteter Tag nur in so einem Schlamassel enden? Ihr war zu heulen zumute.
 

Als sie sich gerade herumdrehen und einfach weglaufen wollte, packte sie der Moderator am Arm und zerrte sie quer durch den Raum. Crystal wehrte sich erfolglos. „Sie sind gleich als erste dran. Ah, kann ich dich duzen?“

Ohne eine Antwort seitens Crystal abzuwarten, gab er sich schon selber die Einverständnis dieser persönlicheren Anrede. „Dein erster Gegner ist Keith Punchfist.“ Er deutete auf den Blonden mit dem gehässigen Grinsen.
 

Nein! Alles nur das nicht! Sie war für ein Mädchen ihres Alters überdurchschnittlich stark, aber gegen so einen wie diesen 'Punchfist' würde sie doch nicht gewinnen können. Und schon gar nicht nach dem abgelieferten Auftritt.

'Vielleicht kann ich diesem Albtraum entfliehen, wenn ich mich einfach bewusstlos stelle?' überlegte sie sich. Ob sie eine gute Schauspielerin war, würde sich ja noch herausstellen.
 

Gerade als sie alles in ihrem Kopf bildhaft durchging, bemerkte sie aus ihren Augenwinkeln einen auffällig kleinen Mann mit einem weißen Iro. Er war anders gekleidet als alle anderen in diesem Raum. Und jetzt viel ihr auch der fast doppelt so große Mann neben dem Kleinen auf, der den gleichen Kleidungstyp an hatte, wie der Kleine, nur in rot, anstatt blau. Dieser Riese hatte auch weißes Haar, welches er offen bis über seine Schultern trug. Sein Gesichtsausdruck war kalt und steinern, jedoch nicht bedrohlich.

Der Mann mit dem Iro hingegen schien Crystal die ganze Zeit über anzugrinsen auf eine herausfordernde und zugleich sympathische Art und Weise.
 

Er schien nicht aus dieser Gegend zu kommen und verärgert über ihre Verspätung war er anscheinend auch nicht. Eher das Gegenteil war der Fall.

Irgendwie war ihr so, als ob er der Grund wäre, dass sie sich entschied doch nicht das bewusstlose Mädchen zu spielen, wie sie es eigentlich vor gehabt hatte.

Verwirrt über ihre Gedanken, ließ sie sich nicht mehr vom Moderator ziehen, sondern ging entschlossenen Schrittes durch die zweite Tür zum Kampfring.

'Wird schon schief gehen, Crystal', machte sie sich Mut, legte ihren Rucksack ins Gras und stieg die wenigen Stufen des Kampfringes empor. Dicht hinter ihr ging Keith und sprang kurzerhand über die Stufen mit einem großen Sprung hinweg.
 

„Es ist so weit meine Damen und Herren“, heizte der Moderator und zugleich auch Kampfrichter die ungeduldige Menge an. „Ihr lang erwarteter Kampf findet jetzt statt!“.

Das Publikum fing an zu toben und erste Wetten, wer gewinnen würde, wurden abgeschlossen.

„Mach die Kleine fertig!“

„Was macht denn so ein zartes Mädel in einem Ringkampf?“

„Ha, 1.000 Zeni auf die Weißhaarige!“

„Keith wird mit ihr den Boden aufwischen!“

„Das ist doch voll ungerecht für die Kleine!“

Und weitere undeutlichere Ausrufe waren von überall zu vernehmen.
 

„Begebt euch in Kampfposition“, weiste der enthusiastische Moderator Keith und Crystal an. „Sagt Bescheid, wenn ihr bereit seid.“

Crystal stand da und wurde völlig ruhig. Ihr Puls wurde immer langsamer und sie fühlte keine Aufregung mehr. Ihre gesamte Gefühlswelt wich ihrer Konzentration. 'Gewinnen werde ich bestimmt nicht, aber immerhin werde ich schon nicht umgebracht', waren ihre letzten klaren Gedanken.

Das Gute daran war, dass sie jetzt sogar einen viel besseren Platz hatte, als da hinten irgendwo im Publikum.
 

Sie und ihr Gegenüber nickten fast gleichzeitig und damit gab der Moderator das Startsignal.

„Let's get ready to rumble!“

Das überraschende Ergebnis des ersten Kampfes

Das Publikum wurde immer lauter und warf Anfeuerungsrufe in Richtung des Kampfringes. Die Sonne stand gerade an ihrem höchsten Punkt und brannte unbarmherzig auf die Erde nieder. Zum Glück aller Anwesenden wehte ein kühler Wind durch das Stadion, welcher allen eine kleine Abkühlung verschaffte.
 

Die anderen unbeteiligten Teilnehmer gingen aus dem Aufenthaltsraum ins Stadion, wo die Kämpfer auf einer kleinen Anhöhe den Kampf mit ansehen konnten. Auch die beiden Männer, die ihr für ihre Verspätung nicht böse zu sein schienen, schlossen sich den anderen Teilnehmern an. Beide hatten immer noch den gleichen Gesichtsausdruck, den sie gerade eben noch im Aufenthaltsraum hatten.
 

Ohne groß zu überlegen lief sie auf ihren Gegner zu und täuschte einen Schlag von rechts an. Keith fiel wie geplant auf ihre Finte hinein und wollte mit seiner linken Hand den vermeintlichen Schlag abwehren, welcher ausblieb. In diesem Moment vollführte Crystal eine ganze Drehung nach rechts, holte zugleich mit ihrem linken Bein in den letzten verbliebenen 90° der Drehung aus und rammte ihm ihr Knie in die Magengegend. Verwirrt durch ihre Drehung wusste sich Keith nicht zu verteidigen, verlor fast das Gleichgewicht und torkelte ein paar Schritte zurück.

Crystal entfernte sich ein paar Meter von ihm, um genug Abstand und Zeit zu haben, ihre nächsten Schritte zu planen.
 

„Bild dir ja nichts darauf ein“, presste er schmerzerfüllt zwischen seinen Lippen hervor und hielt sich die getroffene Seite. „Ich wollte dir nur den Vortritt geben und dir gestatten den ersten Treffer ausführen zu können. Denn jetzt fange ich erst an. Stell sich schon mal darauf ein elendig zu verlieren, Rotzgöre.“

'So ein arroganter Bluffer', dachte sich Crystal. 'Trotzdem werde ich mich vor ihm in Acht nehmen müssen und in einer guten Gelegenheit aus dem Ring fliegen, damit ich möglichst schmerzlos verliere. Es darf aber keiner Verdacht schöpfen, dass ich das vorsätzlich mache.'

Crystal kannte selbstverständlich die Regeln des Turniers. Ein Kämpfer muss entweder selbst aufgeben, länger als zehn Sekunden kampfunfähig auf dem Boden liegen oder aus dem Ring fliegen und den Rasen berühren, um zu verlieren.

Sie hat sich für letzteres entscheiden. In ihrer Situation war das wohl die beste Lösung.
 

Von einem Fußballen wippend auf den anderen, studierte sie Keiths Bewegungen. Sollte sie auf seinen Angriff warten und sich zum Ausweichen bereit machen, oder es mit einer ihrer Doppelfinten versuchen? Ihr wurde die Entscheidung abgenommen, denn Keith stürmte auf sie zu.

Auch Crystal setzte sich in Bewegung und ging drei schnelle Schritte in seine Richtung, nur um kurz vor dem Zusammenstoß, zwei Schritte wieder nach hinten zu springen und Keiths rechter Faust zu entkommen, die nun mit Schwung ins leere schlug. Er machte einen wirklich wütenden Gesichtsausdruck, der sich in der nächsten Sekunde in eine schmerzerfüllte Grimasse verwandelte, denn Crystal nutzte die Gelegenheit aus und verpasste ihm mit ihrer Faust einen Kinnhaken. Ein gedämpftes Knacken war zu vernehmen als sein Kopf durch den Schlag nach oben gerissen wurde und er auf seinem Rücken landete.
 

„Sehen Sie sich das nur an, meine Damen und Herren!“, rief der Moderator überrascht „Was für ein vernichtender Schlag. So etwas hätte wirklich niemand diesem zierlichen Mädchen zugetraut. Eine echte Kampfmaschine!“
 

„Wo hat die denn kämpfen gelernt?“

„Meine 1.000 Zeni waren eine gute Investition!“

„Kein Mädchen kann so eine Kraft haben!“

„Na los, mach das Gör endlich fertig, Keith!“

Das ganze Publikum rief den beiden Kämpfern wild und durcheinander zu.
 

'Vielleicht habe ich ja doch eine Chance zu gewinnen?', dachte Crystal skeptisch.

Abgelenkt durch die Geräuschkulisse sah sich Crystal um und bemerkte nicht, wie Keith sich wieder fasste und ihr mit seinem Fuß das Bein wegriss. Zu überrascht konnte sie den Sturz nicht mehr abfangen und krachte auf den harten Boden des Ringes. Sie hatte auch gar keine Chance mehr sich aufzurappeln oder wegzurollen, als Keith ihr unbarmherzig seine Faust ins Gesicht schleuderte. Der Schmerz breitete sich in ihrem ganzen Gesicht aus und brachte sie dazu einen gequälten Schrei zu von sich zu geben.
 

„Und so schnell kann sich das Blatt wenden!“, rief der Kampfrichter nicht weniger enthusiastisch als gerade eben. „Hoffentlich endet der Kampf nicht so schnell und Crystal gibt auf.“
 

Jetzt war es vorbei, Keith würde sie für alles, was heute passiert ist, bezahlen lassen. Der nächste Schlag traf sie am Mund und ließ ihre Lippe aufplatzen. Dieses Mal entwich ihr nur ein kurzes Stöhnen.

„Ich werde dich so lange verprügeln, wie ich auf deine Ankunft im Aufenthaltsraum warten musste“, drohte Keith ihr siegessicher und mit einem Hass in den Augen, der Bände sprach. „Du wirst um Gnade winseln, Rotzgöre.“
 

Sie spürte immer noch Schläge die sie ins Gesicht bekam. Sie hatte sich wohl geirrt mit dem 'immerhin werde ich schon nicht umgebracht'. Mit jedem weiteren Treffer verließen sie ihre Kräfte mehr und mehr. Nicht mehr lange und sie würde das Bewusstsein verlieren. Ob das Keith aufhalten würde? Wohl kaum. Da müsste ihm erst der Kampfrichter mit einer Disqualifizierung drohen, damit er aufhört Crystal weiter zu schlagen.
 

„Ich will... nicht mehr...“, stöhnte sie so leise, sodass es nur Keith verstand. „Ich hab genug... Hör auf.“

Mit einem noch unmenschlicherem Grinsen schlug er immer weiter zu, ohne auch nur ein wenig seine Schlagkraft zu dämpfen.

Den Tränen nahe sammelte sie verzweifelt ihre verbliebene Kraft und schrie „Hör endlich auf du hirnloser Hitzkopf!!!“

Irgendetwas in ihr löste sich ein wenig und riss eine kleine imaginäre Barriere nieder. Es war nicht viel, aber es reichte um ihr neue Kraft zu geben und Keith eine mit der Faust reinzuhauen und ihn mit einem blitzschnellen Tritt zur Seite zu werfen.
 

Er war zu perplex um richtig reagieren zu können und wich nur einige Schritte nach hinten aus.

Crystal machte eine Rolle nach hinten und stand sogleich fest auf beiden Fußballen. Ohne lang zu warten wischte sie sich ihr Blut von den Augenlidern um klar sehen zu können und lief in Keiths Richtung. Zwar hatte sie immer noch Schmerzen im Gesicht, hatte jetzt aber noch mehr Kraft als zum Beginn des Kampfes.

Einen Meter vor Keith, der schützend seine Arme vor seinem Körper hielt, holte sie aus und trat ihm horizontal von rechts in die Seite. Der Blonde wollte zu einem Gegenschlag ausholen, als Crystal mit einer unheimlichen Geschwindigkeit eine Pirouette vollführte und somit schräg hinter ihn gelang.

Dieses Mal ging sie mit ihren Knien ein bisschen runter um mit voller Kraft in seine Richtung zu springen und ihm im Sprung einen gewaltigen Tritt gegen seinen Rücken zu verpassen. Ganz wie erwartet flog er mit dem Gesicht auf den Boden.
 

„Was für eine Wendung des Unmöglichen!“, brüllte der Moderator. „Sie hat sich nicht nur befreien können, sondern hat auch noch so viel Kraft um Keith erneut niederzustrecken. Was für ein Kampfwillen.“
 

Schwer atmend schaute sie in die ungläubigen Gesichter der Zuschauer. Alle waren geschockt, dennoch wollten sie mehr sehen und feuerten sie an. Ihr Blick schweifte auch die anderen Teilnehmer des Turniers. Die Kämpfer schauten ziemlich beeindruckt.

Den kleinen Mann jedoch schien es wohl nicht merkwürdig, dass sie so eine Kraft hatte und wechselte ein paar Worte mit seinem Begleiter. Er grinste sie immer noch an.

Das gefiel ihr nicht. Wieso machte er das nur?

'Langsam geht mir das auf den Wecker', knurrte sie in ihren Gedanken. 'Wer ist dieser Mann?'
 

Eigentlich wollte sie jetzt nur noch den Kampf beenden. Am besten, indem sie aus dem Ring flog und keine weiteren Kämpfe mehr bestreiten musste, da sie trotz des kleinen Kraftschubs an den Grenzen ihrer Kräfte war. Aber sie wollte es diesem penetranten Mann zeigen, damit er doch endlich aufhören möge zu grinsen. Sie hatte sich dazu entschlossen Keith im Kampf zu besiegen.
 

Nur ganz langsam richtete sich besagter Mann auf und drehte sich zu ihr um. Man konnte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht richtig deuten. Es war eine Mischung aus rasender Wut und Entsetzen.

Jetzt oder nie. Mit einem Sprung warf sie sich auf den Boden, rollte sich ab und streckte ihr Bein im letzten Teil der Rolle aus. Sie traf sein Knie mit voller Wucht und trat beim Aufstehen noch einmal gegen seine Seite. Keith schrie auf und konnte sein Gleichgewicht nicht mehr halten, sodass er es ausbalancieren musste, indem er einige Schritte nach hinten ging.
 

„Das Mädchen ist eine echte Kriegerin“, rief der Moderator. „Was für ein grandioser Start für einen Newcomer!“

Das Publikum tobte wieder wie wild und nahezu alle waren auf Crystals Seite. Sie waren so erstaunt von ihren Kampfkünsten und dem eisernen Kampfwillen.
 

Dieses Mal lief Keith wieder auf sie zu brüllte sie wutentbrannt an „Das ist dein Ende, Rotzgöre!“

'Das hast du nicht zu bestimmen', war Crystal der Meinung und machte einen enormen Sprungkick, der Keith direkt ins Gesicht traf und nach hinten schleuderte. Als er auf dem Boden ankam, vernahm man seinen letzten Schrei bevor er bewusstlos wurde. Alle im Publikum zählten von zehn runter.
 

„Phänomenal!“, schrie sich der Kampfrichter die Kehle raus. „Was für ein grandioser und zugleich überraschender Sieg! Wir haben eine Gewinnerin.“

Erleichtert über den Ausgang des Kampfes schaute sie zum Himmel, legte sich ihre Hand auf das Gesicht und seufzte ein leises „Gewonnen“.

Schon war der Kampfrichter neben ihr und hielt ihren freien Arm in die Höhe. Das Publikum tobte und einige sprangen vor Freude in die Luft, allen voran der Mann, der 1.000 Zeni auf Crystal gesetzt hatte.
 

„Herzlichen Glückwunsch zu deinem Sieg, Crystal“, sagte der Moderator in normaler Lautstärke. „Du kannst dich erst einmal ausruhen und von den Sanitätern behandeln lassen. Die zweite Runde wird dann anfangen, wenn alle anderen einmal gekämpft haben. Also komm nicht wieder zu spät.“
 

Mehr als ein „Ja, ich werde pünktlich sein“ hatte sie nicht mehr herausbekommen, vor Erschöpfung und Überwältigung.

Sie ging ein wenig wankend zum Rand des Ringes um die Stufen runter zugehen und ihren Rucksack zu nehmen. Schon wieder sah sie zu dem geheimnisvollen Mann, der sie immer noch angrinste.

'Wie lange kann ein Mensch nur grinsen?', schoss es ihr durch den Kopf. 'Das kann man doch nicht den ganzen Tag machen. Außerdem, wieso grinst er gerade mich die ganze Zeit an? Er lacht mich doch wohl nicht aus? Kämpfen will ich gegen den nicht.'

Und genau das war der Punkt. Da sie gegen Keith Punchfist gewonnen hatte, ist sie automatisch in die nächste Runde gekommen und würde auf einen neuen Gegner stoßen.

Mist.

Jetzt war aber etwas Anderes wichtiger. Sie musste die Sanitäter finden, damit ihre Wunden desinfiziert und verbunden werden konnten. Außerdem bekam sie langsam Hunger.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Lia_Lexx
2012-11-18T11:41:49+00:00 18.11.2012 12:41
Huhu.... ich habe es bis hierher gelesen und würde mich freuen mehr zu lesen! :)


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